Schlaf war unglaublich wertvoll, wenn man geistig und körperlich gesundbleiben wollte. Schlafmangel führte nur zu weiteren Problemen und am Ende befand man sich in einem Kreislauf aus Wehwehchen. Meist wurde alles nach ein wenig Schlaf besser, doch sowohl Syn als auch Razag konnten nur bedingt zustimmen. Zwar spürte der Ork, der als erster erwachte, dass sein Denken ein wenig flüssiger lief und er sich auch ein wenig mehr bewegen konnte, doch die Schmerzen triezten ihn weiterhin und erinnerten ihn, langsam zu machen. Synnover aber schlief tatsächlich noch, was Razag die Gelegenheit gab, sich erstmal des Raumes gewahr zu werden. Als erstes fiel der trübe Blick auf die Karaffe mit Wasser, die Crystin zuvor hingestellt hatte. Razag fackelte nicht lange, angelte nach dem Steingut und leerte sie in einem kräftigen Zug. Er dachte in dem Moment nicht mal darüber nach, ob das Kaninchen vielleicht auch etwas haben wollen könnte. Dafür war Wasser zu wichtig. Gleich dem rinnenden Nass seine Kehle hinunter, klärte sich auch die letzte Müdigkeit und er entdeckte das schlafende Mädchen. Jedenfalls sah sie aus seiner Perspektive so aus. Tatsächlich aber war Crystin kein Kind mehr, sondern in Menschenjahren auch schon erwachsen. Sie wirkte nur recht zart, was ihr eine gewisse Jugendlichkeit gewährte. Einzig die großen, blauen Augen verrieten beim näheren Hinsehen, dass auch sie schon viel erlebt haben musste. Jetzt aber ging es vordergründig um Nahrung! Es war schon mal ein gutes Zeichen, dass Razag Hunger verspürte, leider aber war dies unerreichbar für den Verletzten.
Er spürte deutlich ein Ziehen und einen unnatürlichen Druck auf seiner Genital-Wunde, sodass er es unterließ, sich mehr als nötig zu bewegen. Ihm war klar, dass er die Arbeit der Heilerin und seine Chance auf Genesung zunichtemachen könnte, sollte er einen falschen Schritt tun. Er hätte nun gewiss mit einem lautstarken Brüllen dafür sorgen können, dass Crystin erwachte und ihm das Essen brachte, doch er empfand Sympathien für sie und wollte ihr den Schlaf gönnen. Demnach blieb ihm nur eine Wahl: Er weckte Syn.
Das Kaninchen brauchte eine Weile, um aus dem Schlaf zu erwachen. Besonders erholsam war er nicht gewesen, da auch im Schlaf die Schnitte und sein linker Arm immer wieder in Erinnerung riefen, dass er Schmerzen hatte. Bei jeder Bewegung spürte er zwangsläufig den Ausgang des Kampfes. Er hatte seinen Arm im Glauben geopfert als Sieger hervorzugehen und alsbald eine vernünftige Behandlung zu erfahren, um in seidigen Kissen zu gesunden. Jetzt war alles umsonst gewesen, wie er feststellen musste. Es hatte ihm gar nichts gebracht, sich so reinzuhängen, was nun wiederum auch Razag zu spüren bekam. Die Bitte des Orks, schlug Synnover ab. Was scherte er sich darum, was sein Kontrahent konnte oder nicht? Auch ihm fiel die Heilerin, das Essen und… der Handspiegel auf. Das war etwas, was ihn motivieren konnte. Auch ihm fiel das Bewegen ein wenig leichter, doch auch er musste eingestehen, fernab von wahrer Kraft zu sein. Trotzdem gab es diesen unbändigen Willen, der ihn weitermachen ließ. Und von dem er nun auch nichts hatte, denn die Belohnung für seine Hartnäckigkeit, sich trotz der Schmerzen zu bewegen, wurde im Anblick seiner selbst niedergeschmettert. Er sah furchtbar aus. Wie Müll, wenn man Razag’s Gedanken verwenden wollte. Die Heilpaste machte das Bild weitaus schlimmer, doch sie war nun mal nötig, um Infektionen vorzubeugen.
Seine unterschwellige Wut zeigte sich im zersplitterten Glas. Crystin regte sich kurz, kippte mit dem Kopf zur anderen Seite, schlief dann aber weiter. Razag’s Appell konnte Syn nicht von seinem Vorhaben abbringen. Nun hatte er doch etwas davon, wenn er dem Ork -auf seine Weise- half, denn er wollte zu der Heilerin, die noch ein Stückchen weiter entfernt lag. Dass er dabei einen gehörigen Denkfehler machte, fiel zwar Razag auf, nicht aber Synnover. Allerdings war Raz es gewohnt, einfach zu gehorchen, auch wenn seine innere Stimme durchaus in der Lage war, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Syn’s Hartnäckigkeit und vor allem sein bestimmendes Wesen aber waren eine Kombination, die den Ork schweigen ließen. Er folgte, während Syn unter zusammengepressten Lippen erkannte, dass er nicht die beste Idee gehabt hatte. Trotzdem kamen sie voran. Auch wenn das sicher die Menge erheitert hätte, so wie sie aussahen.
Razag schlurfte breitbeinig und wie auf rohen Eiern über den leicht sandigen Boden. Synnover ächzte unter dem Gewicht, den Schmerzen und seiner ‚doofen Idee‘, als würde er mit jedem Schritt weiter in den Boden einsinken. Aber sie schafften es. Ihre Sturköpfe brachten sie voran und dennoch mussten sie eine Pause einlegen. Razag hatte nicht bedacht, dass er auch viel Blut verloren hatte. So musste das Bisschen, das noch übrig geblieben war vorerst die gesamte Versorgung des Hünen übernehmen, bis sein Körper genug Neues produziert hatte. Er nahm die Zwangspause zum Anlass, sich näher zu betrachten. Er trug tatsächlich nichts weiter mehr als Verbände. Seine Rüstung vom Kampf war fort und seine goldene Mitte hatte Crystin ebenfalls so verbunden, als würde er eine Windel tragen. Dabei hielten allerdings sein Hintern und seine Hüfte nur den Verband, damit dieser sich nicht löste. Sein bestes Stück blieb beweglich, was allein schon für die Notdurft wichtig würde. Interessanterweise hatte Crystin seinen extravaganten Körperschmuck nicht entfernen müssen und Synnover erkannte, dass der zirka 10cm lange Riss mit mehreren Stichen genäht worden war. Tatsächlich war das Gehänge geschwollen, wie er vermutete und hatte eine hässliche blau-grüne Farbe angenommen, doch ansonsten wirkte die Wunde gut verschlossen. Nichts suppte oder blutete gar mehr, während die Heilpaste ein wenig verkrustete. Die letzten paar Schritte schaffte das ungleiche Duo auch noch, bis Razag sich eingestehen musste, dass das deutlich zu viel des Guten gewesen war. Schwach und mit Schweiß besprenkelt, keuchte er an der Wand neben der Heilerin, während Synnover ganz andere Sorgen hatte. Sein Fuß schob sich unter die Heilerin, die schmatzend Luft holte, durch die Störung. Sie hatte wirklich einen festen Schlaf. Oder aber hatte so lange nicht mehr ausgeruht, dass sie nun ebenfalls Opfer ihres Körpers geworden war.
Syn trat noch etwas näher und hob das feste Fleisch der Braunhaarigen weiter an. Seine Worte ließen die junge Frau die Stirn runzeln. Dann hob sie träge einen Arm, weil Synnover weitersprach und nicht von ihr abließ, um sich über die Augen zu reiben. Bis plötzlich ein Reiben ertönte und augenblicklich ein fieses Knacken zu hören war. Gefolgt von einem markerschütternden Schrei, der das Mädchen sofort aus Manthala’s Reich katapultierte. Crystin riss erschrocken die Augen auf und starrte dann ein wenig schwerfällig auf die Szenerie vor sich. Sie sah den großen Ork über dem Kaninchen liegen, das schmerzerfüllt klagte. „Bei den Göttern…Was…?“, entfuhr es ihr nicht ganz orientiert, während sie mit einer fließenden Bewegung ihre langen Haare zurückstrich und sich ihre Finger augenblicklich auf den Ork legten.
Sie umfasste den gewaltigen Arm, versuchte ihn von Synnover runterzuholen, brauchte aber gehörig viel Anstrengung. Zudem gelang es ihr nicht, Razag auf eine angenehme Weise zu bewegen. So schwerfällig wie er war, blieb ihr nichts anderes, als die Hebelwirkung zu nutzen, sich ordentlich gegen ihn zu stemmen und ihn tatsächlich von Synnover runterzurollen. Was ein erneutes Knacken zur Folge hatte, ganz zu schweigen von seinem Arm, der noch mal das volle Gewicht erleiden musste. Entsetzt sah Crystin auf die beiden am Boden Liegenden. „Was tut ihr denn? Ich solltet euch ausruhen!“, tadelte sie sie und zeigte ein wenig mehr Selbstvertrauen als noch zu vor. Mit einem prüfenden Blick betrachtete sie Razag, der langsam wieder zu sich kam, weshalb sie sich vorerst Synnover entgegen kniete. Vorsichtig bettete sie seinen Kopf auf ihren Schoß und strich ihm beruhigend über die Haare. „Ruhig, ich sehe mir das an!“, erklärte sie und ließ ihre freie Hand dann vorsichtig über seinen nackten Brustkorb gleiten. Hier und dort betastete sie die Rippen, bis sie die angebrochene tatsächlich fand. Ein erneuter Schmerz, durchflutete den Menschen. Allerding hielt dieser diesmal nicht lange an. Crystin zögerte nicht, legte ihre flache Hand auf seine Haut und hielt ihren Blick dann in seinen Augen. Sie lächelte tatsächlich sanft und hatte irgendwie etwas beruhigendes. Ihre Haare wirkten wie ein kleiner Vorhang, der abzuschirmen schien, ehe sich mit einem Mal etwas Warmes an seinem Brustkorb ausbreitete. Von ihrer Hand aus pulsierte eine beruhigende Wärme, die sich angenehm und hoffnungsvoll zugleich anfühlte. „Shh… gleich wird es besser…“, sprach sie leise und ebenso warm, wie ihre Hand.
Und tatsächlich, der Moment dauerte nicht lang, doch die Intensität war bemerkenswert, denn schon war der Schmerz der gebrochenen Rippe genommen und die Beweglichkeit wieder hergestellt. Für einen Moment hielt sie noch aus und die Wärme wanderte über seinen linken Arm. Auch hier spürte er, dass der Schmerz etwas nachließ. Nun nahm Crystin ihre Hand wieder weg und eine ungemütliche Kühle blieb zurück. Sie lächelte Syn noch einmal an, strich abermals mit ihrer Hand über sein Haar, ehe sie behutsam seinen Kopf zurück auf den Boden legte und den Blick abbrach. Sie sah zu Razag, bevor sie sich erhob und auf ihn zuging. Auch seinen Kopf bettete sie auf ihren Schoß und auch er durfte eine kleine Zärtlichkeit erfahren, während sie ihm die Hand jedoch auf die Brust legte. „Der Blutverlust wird Euch noch lange begleiten.“, murmelte sie nachdenklich. Sie sah zur Tür auf und sah nicht glücklich aus… Hinter ihrer hübschen Stirn ging irgendetwas vor, was den beiden verborgen blieb. Doch dann wirkte ihre Miene entschlossener. Sie wandte sich an Razag zurück und schenkte ihm nun ebenfalls ein freundliches Lächeln. „Gleich geht es Euch besser, Herr.“, murmelte sie und hatte die Höflichkeitsform zurückgefunden. Offenbar folgte sie ebenfalls nur antrainierten Mustern und wäre in Freiheit ganz anders geworden.
So aber strich sie Razag sanft über die breite Brust und gleichzeitig über die Stirn. Dann erfuhr auch der Ork die Wärme, die mit einem Mal von ihrer Hand ausging. Noch immer streichelte sie ihn im immer gleichen Rhythmus, bis sich die Wärme scheinbar in seinem gesamten Körper ausbreitete. Razag spürte, dass er tatsächlich wieder klar denken konnte. Dass der pochende Kopfschmerz vom Blutsturz sich verlor und auflöste. Er konnte fühlen, dass der Verlust ausgeglichen war und ihm nun bei Bewegung keine Probleme mehr bereiten würde. Seine Hautfarbe wechselte auch gleich in das satte Grün zurück. „Wie fühlt ihr euch?“, fragte sie den Ork mit Freundlichkeit in der Stimme. Dann entließ sie auch ihn wieder von ihren Berührungen und erhob sich. Sie blickte auf die beiden Männer und wartete, bis sie sich erhoben. Beide fühlten, dass ihn der Kreislauf nun nicht mehr das Bewegen erschweren würde. Sie fühlten sich deutlich besser, auch wenn die Blessuren geblieben waren. Synnover aber konnte erkennen, dass sein linker Arm noch immer entstellt war, aber auch hier die Beweglichkeit der Finger deutlich besser geworden war. Er könnte etwas greifen oder halten, wohl aber nicht kämpfen damit. Crystin aber ging an ihnen vorbei und zog die Stühle zurück, ehe sie darauf deutete und sich nach dem Tablett bückte. Sie stellte es auf den Tisch und deutete darauf. „Esst, das wird euch guttun. Ich hole noch etwas Wasser.“, meinte sie und verschwand schon mit dem Krug. Es dauerte nur einen Moment, in dem sich die Kämpfer setzen konnten, wenn sie denn wollten, ehe sie wiederkam und den Krug zum Essen stellte. Sie selbst hielt dann aber Abstand. Das Essen schien nicht für sie zu sein oder aber sie hatte bereits gegessen. Erst nach einer kleinen Weile, in der die beiden vielleicht bereits das ein oder andere gegessen hatten, kam Crystin tatsächlich auf Synnover’s Fragen zurück. „Ich weiß nichts über den Auftrag, Herr. Die Herrin schickt mich mit. Aber ich weiß nicht, wohin es geht.“, gestand sie und es gab keinen Anlass, ihr nicht zu glauben. Nach einer Pause fügte sie an: „Und heilen darf ich Euch… nicht.“, betonte sie noch mal und wurde etwas kleinlaut. Denn nichts anderes, hatte sie eben getan. Doch dann räusperte sie sich, strich sich eine Strähne hinters Ohr und wechselte das Thema: „Nun, wenn ihr mit Essen fertig seid, folgt mir. Ihr müsst euch waschen und…“, ihr Blick glitt einmal bezeichnend aber gleichwohl schüchtern, über die Staturen der Männer, „ankleiden.“. Razag war nur noch verbundener Ork. Syn aber hatte noch immer die zerfetzten Teile seines Kostüms an. Es wurde Zeit, dass sie wieder vorzeigbarer wurden.
Sobald die Männer bereit waren, nahm Crystin eine der Kerzen mit und führte sie aus dem Lagerraum heraus. Ein langer, nur spärlich mit kleinen Kerzen beleuchteter Gang ging von ihrem Raum ab und teilte sich am Ende in drei weitere Gänge auf. Syn und Raz konnten sehen, dass sie noch an zwei Räumen, die aber verschlossen schienen, vorbeigingen, ehe sich Crystin nach links wandte und sich einmal bezeichnend über die Schulter schaute. Sie sah sich um, prüfte, ob jemand da war, der sie nicht sehen sollte. Auch Zarrah hatte sie ermahnt, mit niemandem zu sprechen. Dann aber blieb sie vor einer weiteren Tür stehen. Sie öffnete diese und spähte hinein, ehe sie hineintrat. Das Mädchen entzündete einige weitere Kerzen im Raum, sodass dieser erhellt wurde. Razag und Synnover konnten sehen, dass dies eine Art… Dusche sein musste. Jedenfalls irgendwie. Am Boden gab es Löcher, die das Wasser abfließen ließen. Der Boden wirkte etwas sandig und durch das Wasser schlammig und war nicht zu vergleichen mit einem schönen Bad, sauber und hell. Nichts im Vergleich zu Synnover’s Aussicht auf das Schlafzimmer mit eigenem Badezuber… Und nichts im Vergleich zu den großen Bottichen, die Razag so gern nach dem Kampf aufsuchte. Doch das Wasser, welches in Eimern bereitstand, war eiskalt, aber sauber. Sie konnten sich damit waschen, Seife gab es kleine Stücke – definitiv gebraucht, von wem auch immer – und Crystin legte soeben für jeden neue Kleidung bereit. Beide bekamen einfache Leinenhemden und Hosen, dazu ganz normale Schuhe aus Leder. Tatsächlich hatte man für Razag große Größen besorgt, auch wenn er wohl keine Schuhe tragen würde. Seine Sachen würden halbwegs passen, vielleicht war die Hose etwas kurz oder die Ärmel des Hemdes, doch im Groben hatte er etwas, womit er seine grüne Muskelpracht verbergen konnte. Synnover’s Kleidung könnte eventuell etwas zu lang sein und entsprach nicht mal ansatzweise seiner gewohnten Garderobe. Aber auch er müsste nicht mehr frieren, wenn man es pragmatisch sehen wollte. „Wenn ihr Hilfe braucht… ich bin vor der Tür und warte auf euch…“, bot sie tatsächlich Hilfe an. „Die Heilpaste könnt ihr runterwaschen.“, bemerkte sie und sah zu Razag. „Doch… nun, vorsichtig bei den beiden Nähten. Sie… sie sollten nicht wieder aufgehen. Aber vorsichtiges Waschen sollte nichts machen.“ Crystin nickte ihnen zu und wartete, ob sie noch Fragen hätten oder Hilfe bräuchten, die sie sonst leisten würde oder aber sie würde den Raum vorerst verlassen.
Razag ist nun
Synnover ist nun
