Zissus hatte ihn vorgewarnt. Dennoch hätte Kazel nie mit solchen Schrecken gerechnet, die ihm nun in den Tiefen der Kellergewölbe des Sademos begegneten. Wo wackere Abenteurer und tapfere Recken sich den schaurigsten Ungeheuern zu stellen hatten, wurde der Mischling auf ganz andere Weise mit den dunkelsten Abgründen Celcias konfrontiert. Bereits der Anblick des fiebernden Dunkelelfenjungen in seiner Zelle hatte ihn erschüttert. Was er nun beim Betreten des hallenartigen Kellerraumes entdecken musste, verschlug ihm die Sprache. Abrupt blieb er stehen und schuf so ungewollt Distanz zu seinem Vordermann Rasputin. Der Goblin bemerkte es zunächst nicht, zeigte er doch voller Stolz, was er im Auftrag seines Herrn und Meisters geschaffen hatte.
Was zunächst an eine seltsame Apparatur erinnerte, entpuppte sich als ein Pfuhl der Verdorbenheit einer Seele. Seiner Seele! Nein, das stimmte nicht. Es war Sademos, der all das hier geschaffen hatte, nicht Kazel. Doch jener steckte im Körper des Verblichenen und musste sich nun immens zusammenreißen, nicht aus der Rolle zu fallen. Das war ihm vorab schon schwer gefallen, da der Hunger seines Parasiten ihn drängte, die Zeit eines anderen zu stehlen. Sein Magen knurrte zwar nicht, doch er verspürte tief in seinem Inneren dieses flaue Gefühl, als wenn sich die eigenen Eingeweide zusammenzogen. Aktuell konnte er jedoch nicht mehr differenzieren, ob der Ursprung tatsächlich bei Nebhasmhorachds Hunger lag oder bei dem Entsetzen, das ihn gepackt hatte.
Mit den violetten Augen des Sammlers betrachtete Kazel dessen Werk. Schon ohne Rücksicht auf die Tatsache zu nehmen, dass hier Dutzende Frauen zu reinen Geburtenmaschinen missbraucht wurden, konnte man allein die Art und Weise, die zu erreichen, als überaus perfide bezeichnen. Man hielt die Frauen nicht nur in Gefangenschaft, man ließ sie nicht nur leiden. Nein, all das genügte Sademos offensichtlich nicht. Diese armen Seelen teilten ein Schicksal, bei dem sich Kazel sogar in einem Gedankenspiel ertappte, ob nicht das Dasein als leblose Hülle nicht angenehmer wäre. All die Leiber in ihren ledernen Halterungen lebten nicht. Sie eixstierten nur und zwar zum Zweck eines einzelnen, dessen Geist nicht schwärzer hätte sein können. Kazel hielt die Luft an, um den Brechreiz zu unterdrücken. Aber selbst wenn er diesem Gefühl nachgegeben hätte, es war nur auf mentaler Ebene vorhanden. Seine Seele litt unter dem Anblick all der in Halterungen verankerten Frauenkörper ohne Extremitäten. Nur geistig kam ihm die Galle hoch, als er erkannte, dass sie nicht nur über ein bizarres Schlauchsystem gefüttert wurden, sondern dass man ihnen auch die Zähne entfernt hatte, um ihren künstlichen Nahrungszugang zu legen. Fast war er dankbar dafür, dass man ihnen auch die Augen entfernt hatte. All die von Schmerz und Leid erfüllten oder gar längst tief gebrochenen Blicke hätte er noch weniger ertragen können. Wie musste es erst diesen unzähligen Reihen von Geschöpfen gehen, die hier nichts weiter waren als ...
Produktionsketten. Der Sammler lässt sie am Leben, damit sie ihm Nachwuchs produzieren, an dem er entweder weitere Hybridenexperimente vornehmen oder bei einem Fehlschlag ihre Zeit rauben kann. Er brauchte keine Bestätigung durch Nebhasmhorachd, um das zu wissen. Dem Wurm musste beim Anblick all der Körper doch das Wasser im Munde zusammenlaufen. Jedes neue Leben, das ein einziger Leib produzierte, bedeutete für ihn ein junges und volles Stundenglas. Natürlich wurde Rasputin da vollkommen uninteressant! Seine Zeit war nahezu abgelaufen. Aber diese Vorstellung teilte plötzlich auch Kazel.
Er konnte sich glücklich schätzen, dass die dämonischen Emotionen den Körper erfüllten, den er sich mit Nebhasmhorachd teilte. Andernfalls hätte er nämlich auf seine eigenen Gefühle zurückgreifen müssen und wäre von ihnen verzehrt worden. So ließen sich Entsetzen, Hilflosigkeit, Verzweiflung und Unglaube über eine solche Gräueltat von einem Rammbock aus sündiger Gier zurückdrängen, dass sie selbst klein und unbedeutend wurden. Allein der säuerliche Geschmack von Galle lag ihm noch auf der Zunge. Oder schmeckte so der Hunger, mit dem Nebhasmhorachd sich seine Speiseröhre empor zu schlängeln schien, um den mehrere Dutzend Reihen aus Zeit produzierenden Existenzen näher zu sein? Kazel bemerkte, wie ihm Speichel aus dem Mundwinkel rann. Er hob die Hand des Sammlers und wischte ihn beiseite, doch der Fluss schien nicht enden zu wollen. Wenn er Nebhasmhorachd jetzt nicht fressen ließ, würde er erneut die Kontrolle verlieren und dieses Mal vielleicht auf Dauer.
Du bekommst mehr als den Goblin, aber...
Der Dämon würde ihn machen lassen müssen. Kazel hatte Pläne und sie wurden in der nächsten haraxischen Sünde geboren. Er griff sie mit einer Zange, weil sie brennend heiß waren, dass sie seine gesamte Seele zum Glühen brachten. Einem Schmied gleich legte er das sündige Vorhaben auf einen Amboss aus Selbstqual und begann mit dem Hammer der Verzweiflung darauf zu schlagen. Er durfte es nicht auskühlen, aber sich selbst auch nicht durch es verbrennen lassen. Er musste es zu seinen Gunsten formen. So schuf Kazel aus dämonischer Sünde eine Waffe, die er führen und mit der er sich dem großen Übel stellen könnte. Und er nannte sie Zorn.
Heiß flutete die Emotion durch seinen Geist, erfüllte auch Sademos Leib und versuchte die Vorherrschaft zu erlangen. Aber die Gier des Dämons rang mit ihr, wollte sich nicht auf die hinteren Plätze vertreiben lassen. So lange hatte der Hunger gewartet. Er würde sich nun nicht zurückschlagen lassen. Kazel musste seine Klinge umlenken, wenn er nicht entwaffnet werden wollte. So führte er den ersten Anflug von Zorn gegen...
"RASPUTIN! LASS MICH FRESSEN!"
Er wusste nicht mehr, ob es seine oder die Worte seines Parasiten waren, die die geifernden Lippen verließen. Wer besaß die Kontrolle über den dunkelelfischen Leib? Wer führte dessen nackte Füße, als sie die Distanz zum Goblin mit schnellen Schritten verringerten? Wer formte die Hände zu Krallen, die sich um das ledrige Fleisch des alten Gesellen legten? Wer ließ ihn den Hals zudrücken, dass der Stein des Rings wie vom Dämon gefordert zwischen der eigenen Handfläche und der Goblinhaut lag, damit er sich schmerzhaft in dessen Fleisch pressen konnte? Es stand fest, dass Nebhasmhorachd den Rest übernahm, sobald das verdorbene Schmuckstück Gewebe einschnitt und Kazel das warme Goblinblut wahrnahm, das zwischen den Fingern des Sammlers hindurch rann. Er bildete sich ein, die winzigen Körnchen aus Lebenssand zu fühlen, wie sie mit dem Blut einen Weg aus Rasputin hinaus und in den Schlund seines Dämonen fanden. Er ließ Nebhasmhorachd gewähren.
Er hat es verdient, rechtfertigte er seine Tat, während seine Seele feststellte, dass er sich an der Klinge des dämonischen Zorns auch selbst schneiden konnte. Er durfte sich dieser Waffe nicht vollkommen hingeben. Er durfte sie nicht gedankenlos schwingen und auch nicht übermütig werden.
Er. War. Nicht. Die. Waffe.
Er war kein Werkzeug, wie Raxtian Tausendtod ihn gern gesehen hätte. Er war keine seelenlose Hülle, die auf ewig einem anderen dienen sollte. Wenn, dann war das Gegenteil der Fall. Seine Seele steckte in der falschen Hülle, musste dort aber verweilen, um andere Seelen zu retten. Oder zu beenden, was nicht mehr zu retten war.
Kazel hielt weder Gier noch Zorn auf, aber er ließ beides auch nicht wahllos durchbrechen. Die nötige Willenskraft, die dämonischen Sünden im Zaum zu halten, verdankte er Sademos. Seine Taten, sein Werk, sorgten dafür, dass Kazels Geist sich nicht aufgab. Er musste weiterkämpfen. Wer sonst sollte all den Hybriden helfen, all den seelenlosen Hüllen und all den zu Leben produzierenden Frauenleibern? Es blieb kein anderer übrig. Er musste es tun. Jetzt.
Kazel fühlte sich wie energetisch aufgeladen. Er selbst bemerkte, wie die Lebenszeit eines anderen auch ihn beflügelte, nur weil sie den Körper vital hielt, den er ebenso bewohnte wie Nebhasmhorachd. Jeder Schritt schien plötzlich leichter zu sein. Der Geist wirkte wacher, nur weil der Körper es war. Alles erschien lebendiger und seine Möglichkeiten lagen offen vor ihm. Er könnte hinaus gehen und den Weg für den gesamten Harax bereiten! Er könnte Celcia erobern! Er könnte...
Nein, das war die Euphorie des Dämons. Er durfte sich davon nicht fesseln lassen. Zorn lag wie eine heiße Klinge in der Hand seiner Seele. Sie hatte keine Wunde in die Gier geschlagen, sondern mit ihr an deren Seite gekämpft. Beide hatten sie Rasputin überwunden, damit der Dämon sich an ihm hatte laben können. Der Leib des Goblins rührte sich nicht mehr. Kazel starrte, ebenfalls ohne jegliche Rührung, auf ihn herab. Er war nicht tot. Er war leer. Eine weitere Hülle.
Bääääähhhhhhhhhhhhhh...., hallte es durch Sademos' Körper. Der Dämon hatte gefressen, aber er beklagte sich immer noch. Rasputin war eine Notwendigkeit für ihn gewesen. Eine widerliche Vorspeise, die man dennoch nicht stehenließ. Doch jetzt blickte er durch die violetten Augen auf das Festmahl aus 40 Körperreihen, das sich vor ihm auftat. Ganz hinten, wo die Hochschwangeren in ihren Ketten hingen, sorgte jedes Zucken dafür, dass Nebhasmhorachd jauchzte. Er wollte zum Hauptgang übergehen und sich dann an dem süßen Nachtisch laben.
Was übrig bleibt, sind Hüllen, die dem Sammler dienen, weil sie von deiner verdorbenen Zeit angetrieben werden, rief Kazel sich den Vorgang des Haraxischen noch einmal ins Gedächtnis. Er wartete keine Antwort ab. Wenn du also gefressen und die Lebenszeit umgewandelt hast, brauchst du sie nicht mehr. Sademos war es, der die Überreste deines Schaffens für sich genutzt hat. So musste es sein. Der Dämon hatte keine Verwendung mehr für die leblosen Hüllen. Sie waren seelenlose Diener des Sammlers geworden.
Was geschieht, wenn ich die Hüllen töte?
Kazel erhoffte sich, dass es dann ihr wirkliches Ende bedeutete. Wenn sie starben, müsste auch der dämonisch verdorbene Sand aus ihnen heraus rinnen. Er wurde nur von niemandem mehr genutzt. Aber die Hülle wäre frei. Tot? Auf jeden Fall unbrauchbar für jeden, der sie ausnutzen wollte. Es wäre nicht das beste Ende, aber es wäre ein Ende. Und für all die Leidenden, die hier hingen ... Kazel schickte den violetten Blick über die vierzig Reihen aus jeweils zehn nebeneinander aufgehängten Frauenkörpern. Er betrachtete sie ganz bewusst, auch wenn er sich im Klaren war, dass dieses Bild ihn bis zu seinem eigenen Ende verfolgen würde. Vielleicht sogar darüber hinaus. Aber er musste es tun. Er musste sie ansehen, sich den Anblick einprägen. Es war der Wetzstein für seine Klinge.
Zorn flammte erneut auf. Dieses Mal fühlte sich die Waffe schwerer, aber auch stärker denn je an. Ihr Gleißen durchflutete seine Seele, brannte aus seinen Augen heraus und verbrannte die Gier. Sie hatte nachgelassen, war nach dem ersten Mahl schwach geworden und hatte damit gerechnet, durch die nächste Mahlzeit gleich erneut befriedigt zu werden. Dann hatte Zorn sie zerschmettert. Er nahm nun den gesamten Platz ein. Er lenkte den Leib und Kazel lenkte den Zorn. Sein Geist blieb wach, wenngleich er spürte, dass er schnell handeln musste. Eine so schwere Waffe zu führen, kostete Kraft und vielleicht würde er Nebhasmhorachd wirklich noch einmal fressen lassen müssen, bis er sein eigenes Vorhaben vollendet hätte. Aber auch er brauchte Zeit. Er musste mit allem fertig sein, bevor irgendein anderer hierher kommen und es sehen könnte. Bevor auch dessen Seele bleibende Schäden davontrug.
Zorn lag in seiner Rechten wie ein schweres Schwert. Seine Flammen loderten in Ungeduld. Es wollte geschwungen werden. Es würde sich selbst schwingen, wenn Kazel nun noch länger zögerte. Er konzentrierte sich auf die Schwere in seiner Linken. War da nicht auch...? Jeder besaß ein Stundenglas, so hatte er es von seinem Lehrmeister vermittelt bekommen. Kazel suchte das Zeitengefäß des Sammlers und fand es rasch. Natürlich war es mit verdorbenem Sand angereichert, mehr noch als beim letzten Mal. Rasputin hatte nicht viel gegeben, aber immerhin! Doch es gab auch noch eigenen, unverdorbenen Sand. Besaß der Mischling auch im Körper eines anderen noch die Macht, diesen zu nutzen? Er musste es versuchen. Er musste die Zeit verlangsamen. Ob es gelang, wusste er nicht. Er besaß in Sademos' Hülle kein so großes Gespür dafür wie einst in seinem eigenen Körper. Vielleicht waren es aber auch der Nachhall des gierigen Fressrausches oder der Schwall an Zorn, der stetig an das Ufer seiner Seele preschte. Er konnte es nicht sagen, also ging er einfach nur vor, wie er es tun würde, als hätte sein Versuch geklappt. Kazel nahm einfach an, dass die Zeit nun für ihn langsamer lief. Dann trat er an den ersten Leib in der ersten Halterung heran. Es kostete ihn etwas Mühe, den Schlauch aus dem fast schon in Fetzen hängenden Loch zu befreien, das den Mund dieser armen Kreatur darstellte. Sie schrie. Elendig. Es jagte wie Peitschenhiebe über seinen Körper. Er zuckte unter ihrem Röcheln und den halb vernehmbaren Worten. Ein Flehen nach dem Tod.
Kazel nahm sich die Zeit, ihren Kopf an seinen zu drücken und ihr in eines der Ohren zu raunen: "Ja. Er wartet schon auf dich. Es ist gleich vorbei." Dann griff er nach dem erstbesten Gegenstand, der ihm zur Verfügung stand, um ihrem Flehen Folge zu leisten. Er ging nicht brutal vor, sondern lieber schlicht und schnell. Ob er dabei Blut vergoss, ignorierte Kazel. Darum ging es nicht. Er machte ein Ende. Und auch wenn er schon bei seinem ersten Mord hier unten spürte, wie es dem Dämon missfiel, so konzentrierte der Mischling sich darauf, seine Arbeit zu tun. Immer wieder schürte er dabei seinen Zorn an. Immer wieder stachelte er sich selbst auf, damit er im Feuer der Wut das Durchhaltevermögen besaß, den getöteten Leib dennoch aus den Fesseln zu lösen und sogar zu einer Wand des Saales zu tragen, um ihn dort abzulegen.
Es blieb nicht bei der ersten Frau. Kazel ging zu jeder einzelnen. Er hatte nur gelernt, vorab mit ihnen zu sprechen, ehe er den Schlauch entfernte. Bei jeder einzelnen stellte er sich als des Gevatters Lehrling vor, der gekommen sei, um ihnen das Ende zu schenken. Jede einzelne fragte er, ob sie sterben oder leben wolle, ganz gleich, mit welcher Antwort er selbst rechnete. Denn Kazel bezweifelte, dass es auch nur eine von ihnen gab, die ihr Leben fortführen wollte. Trotzdem war es nicht an ihm, die Entscheidung zu treffen. Er nahm sich die Zeit. Er fragte. Und dann beendete er das Leben jeder einzelnen mit der Bekundung auf seinen Lippen, wie sehr es ihm Leid tat. Er umarmte sie kurz, schmiegte sich an die blinden Köpfe. Wahrscheinlich war es die einzige Form von echter Zärtlichkeit, die diese Frauen jemals erhalten hatten. Aber genau darum ging es ihm. Wenigstens einmal sollten sie es spüren. Dieses eine Mal, bevor es dann zu Ende ging. Er hoffte, dass sie es als Gnade aufnahmen und ihm verziehen, dass er nicht früher erschienen war.
Auf seinem Weg durch die Reihen musste Kazel Pausen einlegen. Fresspausen. Es ging unmöglich ohne. Er spürte bei jedem verlangsamten Atemzug Nebhasmhorachds Missfallen und den aufkeimenden Hunger, denn die Zeit, die Kazel nutzte, nahm er von Sademos. Der Dunkelelfenleib brauchte rasch Ersatz, wenn der Mischling so viel davon ausgab, um allen Frauen auf gleiche Weise gerecht zu werden. Also ging er den Kompromiss ein, sogar mit dem Wissen, dass er dadurch den riesigen Paktkristall weiter mit Sand von anderen anreichern würde. Es ging nicht anders. Jedenfalls sah Kazel keine andere Lösung, denn die Frauen würde er nicht diesem Schicksal überlassen. So arbeitete er sich Sandkorn um Sandkorn und Reihe um Reihe durch die Opfer, ohne dabei auch nur in seinem Tun müde zu werden. Der Zorn über Sademos' Werk trieb ihn an und wenn die Klinge tatsächlich drohte, stumpf zu werden, so erhitzte er sie und formte sie am Amboss seiner Seele erneut mit nur einem weiteren Blick auf die verbleibenden Leidenden.
In den hinteren Reihen dann stellte er zusätzlich die Frage, ob er versuchen sollte, das Ungeborene zu retten. Ob es ihm überhaupt gelang, ein vor der Geburt stehendes Kind aus einem Körper zu schneiden, war eine andere Sache. Aber er würde es versuchen und zwar bei jeder Frau, die ihn darum bat. Es war die größte Prüfung, wenn er bedachte, dass Janay eine dieser Frauen und die Säuglinge sein eigenes Kind sein könnten. Glücklicherweise kam ihm dieser Gedanke gerade nicht. Er sperrte Janay und was jenseits der Keller vorgehen könnte, vollkommen aus seinem Geist aus. Hier zählte nur das verlangsamte Jetzt und dass er seine Aufgabe vollendete.
Erst als der letzte Körper auf einen von beiden Haufen - tote Frauen und jene, die leben wollten, wenngleich dieser Haufen durchaus auch leer sein konnte - gebracht worden war, löste Kazel sich gedanklich von Sademos' Stundenglas. Aller Voraussetzung nach, dass ihm das Verlangsamen der Zeit überhaupt gelungen war! Atemlos und mit zitternden Knien lehnte er an einer der Wände und betrachtete den Saal. Die Halterungen existierten noch, die Schläuche aber hingen nun nutzlos herab. Und überall Blut.
Kazel starrte auf seine - auf Sademos' - Hände. Blut. Es war wie eine Reinwaschung, denn diese Finger hatten so viel Schlimmeres getan als im Blut anderer getaucht zu sein. Trotzdem ließ der Anblick ihn erzittern. Sademos' Hände. Sademos, der so viel Schreckliches getan hatte. Kazel, der sich seines Körpers bemächtigt hatte und ihn nutzte. Kazel, der mit diesen Händen ebenfalls Dinge tat.
Die Übelkeit fühlte sich nun echt an. Er taumelte. Nein, so schaute der Sammler nicht einmal in seinen schlimmsten Zeiten aus, aber es ging jetzt nicht mehr darum, den Schein zu wahren. Die Frauen waren tot. Rasputin war tot. Kazel hatte auch seine Hülle nachhaltig von einem verdorbenen Leben gelöst, indem er auch ihm die Kehle durchgeschnitten hatte. Hüllen konnten also ... sterben? Es gab so viele von ihnen hier im Anwesen. Er musste nach oben. Er musste sie suchen, jede einzelne. Und er musste hier heraus.
Ja ... Raus. Hinaus aus diesem Leib. Weg von dem Pakt und fort von den Händen, mit denen er ... Dinge tat. Mit denen er andere berührte. Der Zorn schien gewichen. Jetzt gab es etwas Anderes, das Kazel zum Handel antrieb. Er musste hier heraus. Er ertrug diesen Körper nicht länger. Sademos musste sterben.