Verloren im Labyrinth des Urwaldes
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Verloren im Labyrinth des Urwaldes
[Einstiegspost]
Keuchend blieb Phyline auf einer breiteren Stelle des Trampelpfades stehen. Ihre blasse Haut war schwitzig und in ihrem Gesicht mit Dreck und kleineren Kratzern verziert, die tiefhängende Äste ihr zugefügt hatten. Wie lange sie gerannt war, vermochte sie selbst nicht zu sagen. Der Urwald war dicht, doch sie konnte spüren, wie sich die drückende Hitze der Sonne ihren Weg durch das Blätterdach bahnte. Phyline blickte zurück auf den Weg, von dem sie gekommen war. Weit zurückblicken konnte sie nicht, es war allenfalls ein Trampelpfad, nicht zu vergleichen mit den gepflasterten Straßen, die sie gewohnt war. Eng wand sich der Pfad durch das Dickicht und musste sich hin und wieder um einen der gewaltigen Bäume des Urwaldes schlängeln. Erst jetzt schien ihr Verstand wieder erste Teile ihres Kopfes einzunehmen. Während sie sich außer Atem einen Moment zur Rast nahm, versuchte sie ihren Weg zu rekonstruieren.
Wie so häufig hatten sie schemenhafte Gestalten in ihren Träumen heimgesucht, riefen ihren Namen, griffen nach ihrem Körper. Phyline versuchte sich zu wehren, doch vermochte nicht ihren Körper zu kontrollieren, lag wie gefesselt da. Sie versuchte zu schreien, doch brachte keinen Ton über ihre Lippen. Ein Lachen ertönte. Die Gestalt beugte sich über sie und kam ihr so nahe, dass sich ihre Wangen berührten. Eine kalte Wange, die wie Feuer auf ihrer Haut brannte. „Phyline…“ flüsterte die grausige, verzerrte Stimme lustvoll in ihr Ohr. Immer wieder wiederholte sie ihren Namen, während Tränen über Phylines Wangen glitten. Sie spürte die Hände, die beinahe wie Pranken eines Monstrums wirkten an ihrer Hüfte und…
Sie sprang aus ihrem Schlaf in eine aufrechte Position. Sie war außer Atem, der Körper übersäht mit kaltem Schweiß. Einen Augenblick saß sie einfach nur da und starrte in die Leere. Sie spürte warme Tränen, die sich mit dem kalten Schweiß mischten. Nach einem Moment entzündete eine Kerze neben ihrem Bett und ging an einen kleinen Waschtisch, auf dem bereits eine Schale Wasser auf sie wartete. Mit beiden Händen warf sie das kühlende Nass in ihr Gesicht und spülte Schweiß und Tränen gleichermaßen hinfort. Nur der Schmerz war geblieben. Nachdem sie ihr Gesicht abgetrocknet hatte, starrte sie in den Spiegel über dem Waschtisch. Im Dämmer des kleinen Kerzenlichtes erblickte sie sich selbst und verharrte einige Augenblicke bei dem Anblick.
Sie sah die Hülle des Menschen, der auf den Namen Phyline hörte. Das vielversprechende Mädchen aus dem kleinen Dorf des jorsanischen Königreiches. Doch sie erkannte nichts mehr von dem Mädchen, das sie einst gewesen war. Erneut quollen ihre Augen vor Feuchtigkeit auf. Es war, als ob alles wofür sie gearbeitet und gekämpft hatte umsonst gewesen. Als wäre Phyline in der Nacht bei Florenius gestorben. Zwar existierte sie weiter, doch lebte mehr wie ein Geist in der Universitätsklinik der Elfenstadt. Sie hasste Florenius für das, was er ihr angetan hatte, doch noch mehr hasste sie sich selbst. Für das, was geschehen war, aber auch dafür, dass sie nicht die Courage gezeigt hatte ihren Peiniger zu konfrontieren. Sich zu rächen oder ihn der Obrigkeit zu melden. Doch was sollte sie schon tun? Ein einfaches Mädchen vom Lande gegen den Spross eines mächtigen Adelshauses. Niemand hätte ihr Glauben geschenkt. Und selbst wenn, würden die Narben dadurch besser heilen?
Kurz holte ihre Faust aus und drohte der Frau im Spiegel. Doch ihre Hand klatschte nur flach gegen das Spiegelbild, glitt das kalte Glas hinab und hinterließ schmierige Abdrücke.
Sie starrte in den Raum. Im karg eingerichteten Zimmer fanden sich lediglich ein einfaches Bett, der Waschtisch und ein kleiner Schreibtisch, auf dem wenige Bücher ruhten. Aus mehr bestand ihr Leben nicht. Schlafen, sich waschen, arbeiten, studieren. Selbst Nahrung nahm Phyline nur aus Zwang und nicht aus Genuss zu sich. Obwohl der Raum so gut wie leer war, kam er ihr doch winzig und drückend vor. Die ganze Universitätsklinik wirkte wie ein Gefängnis in das sie sich selbst eingewiesen hatte. Die Luft im Raum schien immer dicker zu werden und beinahe hatte Phyline den Eindruck die Wände kämen immer näher. Panisch blickte sie sich um. Schluchzend griff sie nach einem Rucksack, in den sie einige Bücher und Wechselkleidung pfefferte. Nachdem sie sich selbst auch noch ein frisches Gewand übergeworfen hatte, stürmte sie aus dem immer kleiner werdenden Zimmer. Sie rannte über den kalten Stein der dunklen Flure der Klinik hinaus in die Elfenstadt Shyána. Der Himmel war klar in der Nacht und der Mond spendete etwas seines kargen Lichtes auf die Straßen. Sie blickte sich ein letztes Mal um. Doch von der Schönheit der edlen Stadt nahm sie nichts mehr wahr, selbst die anmutige Elfenmetropole hatte ihren Zauber eingebüßt. Phyline wollte nur noch weg. Hier schien keine Luft zum Atmen übrig zu sein. Und so rannte sie.
Sie rannte hinaus aus der Stadt, vorbei an Seen, die in der Nacht schwarz ruhten, doch auf denen sich das fahle Mondlicht spiegelte. Über Wiesen, deren bunte Pracht in der Nacht einem eintönigen Grau gewichen war. Vorbei an Hainen, deren Bäume wie stille, dunkle Gestalten Phyline beobachteten. Phyline verließ die Talsenke Shyána Nelle und rannte mitten hinein in den Urwald Kapayu.
Wie weit sie wohl gelaufen war? Zu Beginn waren die Wege noch breiter gewesen und von regelmäßiger Benutzung deutlich zugänglicher. Ohne Ziel war sie allerdings nicht auf den großen Wegen geblieben und hatte blindlings diese und jene Abzweigung genommen.
So fand sie sich nun auf dem kleinen Trampelpfad, mitten im Dschungel. Als sie stillstand, könnte sie das erste Mal die Geräusche des Urwaldes wahrnehmen. Vögel sangen um die Wette, einer schöner als der andere, untermalt von dem Gezirpe der unterschiedlichsten Insekten. Gelegentlich war das Gebrüll eines Affen zu hören. Erst jetzt begann Phyline zu realisieren, wo sie eigentlich war und was sie getan hatte. Ängstlich musterte sie ihre Umgebung. Allerlei Wildtiere, Schlagen, Spinnen und dergleichen mussten sich hier verstecken. In Büchern hatte Phyline auch vom Volk der Tabiki gelesen, das fernab jeglicher Zivilisation ein primitives Leben im Dschungel führte.
Wie konnte sie so weit gelaufen sein? Vollkommen ohne Sinn und Verstand? Nun war sie mitten im Urwald, fernab von jeglichem Leben, das ihr bekannt war. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen.
Es ist wohl das Beste umzukehren. Ich… hatte Angst. Nein, ich habe Angst! Ich mag mir nicht ausmalen, welche Geschöpfe hier lauern. Ich will zurück in die Sicherheit von Shyána. Zurück in mein sicheres Gemacht. In die Klinik, meine Patienten brauchen mich sicher bereits. Immerhin ist das mein… Leben. Leben? Nun ja… mein Leben... Ja, es ist das Sicherste umzukehren und den Dingen ihren gewohnten Gang zu lassen. So läuft es nun einmal. Ich gehöre an die Krankenbetten und einen Schreibtisch, nicht in die Wildnis. Was in Lysanthors Namen habe ich mir auch gedacht? Wo wollten mich meine Beine hintragen? Ich muss zurückkehren…
Phyline ging zögerlich los, und nahm den Weg zurück Richtung Shyána. Nach einem kurzen Stück blieb sie stehen. Der Weg kam ihr nicht bekannt vor. Sie musste die falsche Richtung eingeschlagen haben. Irritiert drehte sie sich um und blickte in die andere Richtung. Von allen Seiten trommelten die Geräusche des Busches auf sie ein. Sie nahm ihren Mut zusammen und marschierte in die entgegengesetzte Richtung. Doch auch hier blieb sie nach einer kurzen Weile verunsichert stehen. Das war nicht der Weg, den sie gekommen war. Ängstlich blickte sie sich um. Ein weiterer Weg zweigte ab von dem Trampelpfad, doch auch dieser kam ihr nicht bekannt vor. Alles schien gleich auszusehen und im grünen Dickicht zu verschwimmen. Panik kochte in ihr auf. Sie hatte sich verlaufen. Wusste weder wo genau sie war noch, wie sie wieder zurück in ihre Wahlheimat kommen sollte. Erneut füllten ihre Augen sich mit Tränen. Phyline sackte auf ihrem Trampelpfad zusammen und weinte bitterlich. Das weiße Kleid und die roten Haare stachen im grünen Dickicht hervor wie eine Blüte. Sie war sich sicher, dass der Urwald ihren Untergang bedeuten würde. Niemals würde sie wieder hinausfinden.
Die drückende Sonne hatte bereits an Kraft eingebüßt. Kein strahlendes Gelb blitzte mehr durch das Blätterdach, stattdessen funkelte der warme Rotton der Abenddämmerung in den Dschungel. Phyline raffte sich auf. Zumindest einen letzten Versuch wollte sie wagen bevor der Urwald sie verschlang. Sie schloss kurz die Augen und wanderte dann zögerlichen Schrittes los. Welchen der drei Pfade sie letztendlich gewählt hatte und warum, vermochte sie selbst nicht mehr zu sagen.
Keuchend blieb Phyline auf einer breiteren Stelle des Trampelpfades stehen. Ihre blasse Haut war schwitzig und in ihrem Gesicht mit Dreck und kleineren Kratzern verziert, die tiefhängende Äste ihr zugefügt hatten. Wie lange sie gerannt war, vermochte sie selbst nicht zu sagen. Der Urwald war dicht, doch sie konnte spüren, wie sich die drückende Hitze der Sonne ihren Weg durch das Blätterdach bahnte. Phyline blickte zurück auf den Weg, von dem sie gekommen war. Weit zurückblicken konnte sie nicht, es war allenfalls ein Trampelpfad, nicht zu vergleichen mit den gepflasterten Straßen, die sie gewohnt war. Eng wand sich der Pfad durch das Dickicht und musste sich hin und wieder um einen der gewaltigen Bäume des Urwaldes schlängeln. Erst jetzt schien ihr Verstand wieder erste Teile ihres Kopfes einzunehmen. Während sie sich außer Atem einen Moment zur Rast nahm, versuchte sie ihren Weg zu rekonstruieren.
Wie so häufig hatten sie schemenhafte Gestalten in ihren Träumen heimgesucht, riefen ihren Namen, griffen nach ihrem Körper. Phyline versuchte sich zu wehren, doch vermochte nicht ihren Körper zu kontrollieren, lag wie gefesselt da. Sie versuchte zu schreien, doch brachte keinen Ton über ihre Lippen. Ein Lachen ertönte. Die Gestalt beugte sich über sie und kam ihr so nahe, dass sich ihre Wangen berührten. Eine kalte Wange, die wie Feuer auf ihrer Haut brannte. „Phyline…“ flüsterte die grausige, verzerrte Stimme lustvoll in ihr Ohr. Immer wieder wiederholte sie ihren Namen, während Tränen über Phylines Wangen glitten. Sie spürte die Hände, die beinahe wie Pranken eines Monstrums wirkten an ihrer Hüfte und…
Sie sprang aus ihrem Schlaf in eine aufrechte Position. Sie war außer Atem, der Körper übersäht mit kaltem Schweiß. Einen Augenblick saß sie einfach nur da und starrte in die Leere. Sie spürte warme Tränen, die sich mit dem kalten Schweiß mischten. Nach einem Moment entzündete eine Kerze neben ihrem Bett und ging an einen kleinen Waschtisch, auf dem bereits eine Schale Wasser auf sie wartete. Mit beiden Händen warf sie das kühlende Nass in ihr Gesicht und spülte Schweiß und Tränen gleichermaßen hinfort. Nur der Schmerz war geblieben. Nachdem sie ihr Gesicht abgetrocknet hatte, starrte sie in den Spiegel über dem Waschtisch. Im Dämmer des kleinen Kerzenlichtes erblickte sie sich selbst und verharrte einige Augenblicke bei dem Anblick.
Sie sah die Hülle des Menschen, der auf den Namen Phyline hörte. Das vielversprechende Mädchen aus dem kleinen Dorf des jorsanischen Königreiches. Doch sie erkannte nichts mehr von dem Mädchen, das sie einst gewesen war. Erneut quollen ihre Augen vor Feuchtigkeit auf. Es war, als ob alles wofür sie gearbeitet und gekämpft hatte umsonst gewesen. Als wäre Phyline in der Nacht bei Florenius gestorben. Zwar existierte sie weiter, doch lebte mehr wie ein Geist in der Universitätsklinik der Elfenstadt. Sie hasste Florenius für das, was er ihr angetan hatte, doch noch mehr hasste sie sich selbst. Für das, was geschehen war, aber auch dafür, dass sie nicht die Courage gezeigt hatte ihren Peiniger zu konfrontieren. Sich zu rächen oder ihn der Obrigkeit zu melden. Doch was sollte sie schon tun? Ein einfaches Mädchen vom Lande gegen den Spross eines mächtigen Adelshauses. Niemand hätte ihr Glauben geschenkt. Und selbst wenn, würden die Narben dadurch besser heilen?
Kurz holte ihre Faust aus und drohte der Frau im Spiegel. Doch ihre Hand klatschte nur flach gegen das Spiegelbild, glitt das kalte Glas hinab und hinterließ schmierige Abdrücke.
Sie starrte in den Raum. Im karg eingerichteten Zimmer fanden sich lediglich ein einfaches Bett, der Waschtisch und ein kleiner Schreibtisch, auf dem wenige Bücher ruhten. Aus mehr bestand ihr Leben nicht. Schlafen, sich waschen, arbeiten, studieren. Selbst Nahrung nahm Phyline nur aus Zwang und nicht aus Genuss zu sich. Obwohl der Raum so gut wie leer war, kam er ihr doch winzig und drückend vor. Die ganze Universitätsklinik wirkte wie ein Gefängnis in das sie sich selbst eingewiesen hatte. Die Luft im Raum schien immer dicker zu werden und beinahe hatte Phyline den Eindruck die Wände kämen immer näher. Panisch blickte sie sich um. Schluchzend griff sie nach einem Rucksack, in den sie einige Bücher und Wechselkleidung pfefferte. Nachdem sie sich selbst auch noch ein frisches Gewand übergeworfen hatte, stürmte sie aus dem immer kleiner werdenden Zimmer. Sie rannte über den kalten Stein der dunklen Flure der Klinik hinaus in die Elfenstadt Shyána. Der Himmel war klar in der Nacht und der Mond spendete etwas seines kargen Lichtes auf die Straßen. Sie blickte sich ein letztes Mal um. Doch von der Schönheit der edlen Stadt nahm sie nichts mehr wahr, selbst die anmutige Elfenmetropole hatte ihren Zauber eingebüßt. Phyline wollte nur noch weg. Hier schien keine Luft zum Atmen übrig zu sein. Und so rannte sie.
Sie rannte hinaus aus der Stadt, vorbei an Seen, die in der Nacht schwarz ruhten, doch auf denen sich das fahle Mondlicht spiegelte. Über Wiesen, deren bunte Pracht in der Nacht einem eintönigen Grau gewichen war. Vorbei an Hainen, deren Bäume wie stille, dunkle Gestalten Phyline beobachteten. Phyline verließ die Talsenke Shyána Nelle und rannte mitten hinein in den Urwald Kapayu.
Wie weit sie wohl gelaufen war? Zu Beginn waren die Wege noch breiter gewesen und von regelmäßiger Benutzung deutlich zugänglicher. Ohne Ziel war sie allerdings nicht auf den großen Wegen geblieben und hatte blindlings diese und jene Abzweigung genommen.
So fand sie sich nun auf dem kleinen Trampelpfad, mitten im Dschungel. Als sie stillstand, könnte sie das erste Mal die Geräusche des Urwaldes wahrnehmen. Vögel sangen um die Wette, einer schöner als der andere, untermalt von dem Gezirpe der unterschiedlichsten Insekten. Gelegentlich war das Gebrüll eines Affen zu hören. Erst jetzt begann Phyline zu realisieren, wo sie eigentlich war und was sie getan hatte. Ängstlich musterte sie ihre Umgebung. Allerlei Wildtiere, Schlagen, Spinnen und dergleichen mussten sich hier verstecken. In Büchern hatte Phyline auch vom Volk der Tabiki gelesen, das fernab jeglicher Zivilisation ein primitives Leben im Dschungel führte.
Wie konnte sie so weit gelaufen sein? Vollkommen ohne Sinn und Verstand? Nun war sie mitten im Urwald, fernab von jeglichem Leben, das ihr bekannt war. Keine Menschenseele war weit und breit zu sehen.
Es ist wohl das Beste umzukehren. Ich… hatte Angst. Nein, ich habe Angst! Ich mag mir nicht ausmalen, welche Geschöpfe hier lauern. Ich will zurück in die Sicherheit von Shyána. Zurück in mein sicheres Gemacht. In die Klinik, meine Patienten brauchen mich sicher bereits. Immerhin ist das mein… Leben. Leben? Nun ja… mein Leben... Ja, es ist das Sicherste umzukehren und den Dingen ihren gewohnten Gang zu lassen. So läuft es nun einmal. Ich gehöre an die Krankenbetten und einen Schreibtisch, nicht in die Wildnis. Was in Lysanthors Namen habe ich mir auch gedacht? Wo wollten mich meine Beine hintragen? Ich muss zurückkehren…
Phyline ging zögerlich los, und nahm den Weg zurück Richtung Shyána. Nach einem kurzen Stück blieb sie stehen. Der Weg kam ihr nicht bekannt vor. Sie musste die falsche Richtung eingeschlagen haben. Irritiert drehte sie sich um und blickte in die andere Richtung. Von allen Seiten trommelten die Geräusche des Busches auf sie ein. Sie nahm ihren Mut zusammen und marschierte in die entgegengesetzte Richtung. Doch auch hier blieb sie nach einer kurzen Weile verunsichert stehen. Das war nicht der Weg, den sie gekommen war. Ängstlich blickte sie sich um. Ein weiterer Weg zweigte ab von dem Trampelpfad, doch auch dieser kam ihr nicht bekannt vor. Alles schien gleich auszusehen und im grünen Dickicht zu verschwimmen. Panik kochte in ihr auf. Sie hatte sich verlaufen. Wusste weder wo genau sie war noch, wie sie wieder zurück in ihre Wahlheimat kommen sollte. Erneut füllten ihre Augen sich mit Tränen. Phyline sackte auf ihrem Trampelpfad zusammen und weinte bitterlich. Das weiße Kleid und die roten Haare stachen im grünen Dickicht hervor wie eine Blüte. Sie war sich sicher, dass der Urwald ihren Untergang bedeuten würde. Niemals würde sie wieder hinausfinden.
Die drückende Sonne hatte bereits an Kraft eingebüßt. Kein strahlendes Gelb blitzte mehr durch das Blätterdach, stattdessen funkelte der warme Rotton der Abenddämmerung in den Dschungel. Phyline raffte sich auf. Zumindest einen letzten Versuch wollte sie wagen bevor der Urwald sie verschlang. Sie schloss kurz die Augen und wanderte dann zögerlichen Schrittes los. Welchen der drei Pfade sie letztendlich gewählt hatte und warum, vermochte sie selbst nicht mehr zu sagen.
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Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Die Bilder an den schwärzesten Tag ihres Lebens mochten größtenteils nur verschwommene Flecken beinhalten, dennoch ließen sie sich kaum aus Phylines Erinnerung verbannen. Wenn sie mit ihren Gedanken allein und arglos war, genügte die bloße Nennung ihres Namens, geflüstert von fremden Stimmen und mit dem unangenehmen Aroma Alkohol geschwängerten Atems, um sie aus dem auch noch so tiefsten Schlaf wachzurütteln. Die letzte Nacht war besonders schrecklich gewesen. Vor allem der Blick in den Spiegel ihres Badezimmers hatte ausgereicht, dass Phyline eine instinktive Panik ergriff. Sie wusste kaum mehr Details von ihrer Flucht und konnte dennoch genau abrufen, welche Stücke an Ersatzkleidung und welche Bücher sie in ihrem Rucksack mit sich führte. Sie wusste, welche Wege sie aus der Klinik Shyánas und aus der Talsenke selbst hinaus gewählt hatte. Nun aber fand sie sich inmitten des Urwalds auf fremden Pfaden wieder und konnte nicht mehr sagen, ob ihre Füße jemals diesen Boden berührt hatten.
Langsam dämmerte es. Das letzte Licht einer rotgoldenen Sonne drang nur noch flüchtig bis zum Waldboden hinab, denn Kapayus wilde Bäume ragten weit über ihren Kopf hinaus, dass sie die Kronen jetzt schon nur noch als schwarze Masse ausmachen konnte. Sie hingegen stach aus diesen Schatten hervor, wie eine feurige Blume an blassem Stängel. Ihr fröstelte, aber gewiss nicht aus Kälte. Der Kapayu war niemals kalt. Der Urwald kannte keinen Frost, keinen Schnee. Er bot andere Extreme. So kam es, dass Phyline auf ihrer Flucht mehrmals Schutz unter zeltplanengroßen Blättern suchen musste, weil es üblich war, dass es im Halbstundentakt regnete. Meist handelte es sich dann auch um einen richtigen Platzregen mit großen, dicken Tropfen, die hart auf das Laub des Urwalds herab prasselten. Nicht immer erreichten sie den Waldgrund, denn das Blätterdach war wie ein Schutzschirm für zahlreiche Kraut- und Pilzgewächse, die sich am Fuße der gigantischen Bäume tummelten. So tief herunter war bisher nicht einmal Phyline gekommen. Die Pfade, die sie von Jorsan aus durch den Urwald bis in die paradiesische Talsenke von Shyána Nelle genommen hatte, waren bunt und grün gewesen, mit wenigen Pilzen. Große und zumeist gefährliche Blumen hatten ihre Pfade gesäumt. Jetzt könnte sie nicht einmal sagen, ob sie die gleichen Wege beschritt, denn mit dem Mangel an Tageslicht zogen sich auch die Blüten zu farblosen Knospen zusammen. Die Welt wurde dunkel, wie ihre Albträume.
Wenigstens riefen die Tiere des Urwalds nicht ihren Namen, solange sie keinen Papagei fand, der bereit war, ihn zu erlernen. Sie hörte das ferne Kreischen von Affen, das Zwitschern der Vögel, die in den höher gelegenen Schichten der Bäume noch ein bis zwei Stunden länger das Abendlicht würden genießen können. Sie hörte zahlreiches Krabbeln und Zirpen von Insekten, denen man im Kapayu kaum ausweichen konnte. Wichtig war, sich nicht mit den kleinsten von ihnen anzulegen. Das Gift einiger winziger Skorpione oder Spinnen mochte tödlicher sein als der Biss eines Raubtieres, obgleich manche Shyáner Elfen auch von riesigen Mantis mit klauenartigen Scheren gesprochen hatten. Vielleicht hatte Phyline während ihrer Zeit aber auch nur die Worte falsch verstanden, als sie Lyrintha noch lernte. Vielleicht übertrieben es die Elfen auch, um sie ein wenig zu necken. Sie würde es von ihnen nicht mehr erfahren, denn nun hatte sie auch Shyána Nelle den Rücken gekehrt.
Langsam sackte die Furcht des Albtraums und ließ Platz für die Erkenntnis, dass sie recht planlos, sowie Hals über Kopf aus einem sicheren Paradies inmitten eines grünen Harax geflohen war. Im Schlaf suchten sie Dämonen in Form von gestaltlosen Schatten und Florenius' Stimme heim. Hier aber, im Wachzustand, ahnte sie noch nicht, welche Dämonen der Urwald ihr vorsetzen wollte. Außerdem würden die eingesteckten Fuchsmünzen ihr keinen Zugang zu Nahrung gewähren. Kleidung hatte sie eingepackt und einen Satz Bücher, mit dem sie möglicherweise die vorherrschende Flora bestimmen könnte. An Nahrung oder Wasser hatte die gebürtige Jorsanerin allerdings nicht gedacht. Sie könnte den Regen in einem Blatt auffangen, aber auch ohne Wildniskenntnis dürfte einer Heilkundigen wie Phyline klar sein, dass nicht abgekochtes Wasser durchaus zu Krankheiten führen konnte. Viele waren unangenehm, vor allem im Urwald, wo wilde Tiere schnell aufgrund von unkontrollierbaren Toilettengängen die Spur ihrer Beute schnell aufnehmen könnten. Kurzum, sie war vom Regen in die Traufe geraten und wie auf's Stichwort stürzte sich erneut das nasse Element auf den Kapayu herab. Schlagartig und mit trommelartigem Prasseln kam der Regen herab, so dass Phyline sich gerade so noch unter einen Strauch mit sehr breiten Blättern begeben konnte, um Zuflucht zu suchen. Zu sehr durfte sie sich den Ästen allerdings nicht nähern, denn sie besaßen schwarze, spitze Dornen. Selbst wenn diese nicht giftig wären, so würde ein Stich schon schmerzhaft daran erinnern, wie gefährlich der Kapayu eigentlich war ... für Wissende, für Wildniskundige. Aber sie war nur Phyline, die theoretisch versierte Heilerin, die Geschändete, die Einsame und Verlorene.
Ihre Erkenntnis, dass es besser wäre zurückzukehren, kam zu spät. Sie hatte sich längst in den Tiefen des Urwaldes verlaufen und sah keine Chance, die Orientierung wiederzufinden. Heiß brannten Tränen der Reue in ihren Augenwinkeln und die Verzweiflung kroch beinahe so schnell in ihr herauf wie sich lautlose Schritte ihrem Versteck näherten. Tatsächlich hörte sie das Geschöpf nicht, das sich ihr bis auf wenige Zentimenter näherte. Es waren die Hitze seines Leibes, der dampfende und leicht stinkende Atem, sowie das unterschwellige Grollen aus seinem Maul, die ihre Aufmerksamkeit erregen sollten.
Der Tiger lauerte direkt neben ihr. Sein Kopf war im Durchmesser größer als Phylines gesamter Rumpf. Eisblaue Augen starrten ihr mit geschlitzten Pupillen entgegen und die schwarzen Streifen auf seinem sonst so hellweißem Fell ließen ihn in der hereinbrechenden Dunkelheit wie einen Schreckensgeist der Urwälder erscheinen. Er knurrte, dass seine silbrigen Schnurrhaare erbebten. Sie maßen doppelt so lang wie Phylines Finger und in die geblähten Nüstern der schwarzen Tigerschnauze hätte sie problemlos ihre kleine Faust versenken können. Da öffnete sich das Maul des Tieres, so dass sie den leicht fauligen Atem direkt wahrnehmen konnte. Scharfe, spitze Zähne präsentierten sich ihr, die kleinsten davon immer noch mit ihren eigenen Fingern vergleichbar. Nur könnten ihre Hände sie nicht mit einem einzigen Zuschnappen zerreißen. Ein tiefes Grollen drang aus der Schwärze des Schlundes heraus, in den Phyline nun direkt hineinspähte. Dann erfasste sie erneut der eisblaue Blick der Raubkatze. Das Tier war gewaltig, auch als es sich duckte. Was hatte es vor? Wollte es zum Sprung ansetzen, um Phyline zu Boden zu werfen? Ihr blieb wohl nur ein Wimpernschlag, um zu reagieren, sonst würde ihre fluchtartige Reise enden, bevor sie begonnen hätte. Ihr Leben würde enden und selbst wenn es in den letzten Jahren mehr das einer Hülle gewesen war, so hing sie auf ganz natürliche Weise doch daran, dass sich zumindest ihre Instinkte regen müssten. Das oder Gevatter Tod dürfte sie mit den Zähnen des weißen Tigers binnen eines Herzschlages endgültig umarmen.
Langsam dämmerte es. Das letzte Licht einer rotgoldenen Sonne drang nur noch flüchtig bis zum Waldboden hinab, denn Kapayus wilde Bäume ragten weit über ihren Kopf hinaus, dass sie die Kronen jetzt schon nur noch als schwarze Masse ausmachen konnte. Sie hingegen stach aus diesen Schatten hervor, wie eine feurige Blume an blassem Stängel. Ihr fröstelte, aber gewiss nicht aus Kälte. Der Kapayu war niemals kalt. Der Urwald kannte keinen Frost, keinen Schnee. Er bot andere Extreme. So kam es, dass Phyline auf ihrer Flucht mehrmals Schutz unter zeltplanengroßen Blättern suchen musste, weil es üblich war, dass es im Halbstundentakt regnete. Meist handelte es sich dann auch um einen richtigen Platzregen mit großen, dicken Tropfen, die hart auf das Laub des Urwalds herab prasselten. Nicht immer erreichten sie den Waldgrund, denn das Blätterdach war wie ein Schutzschirm für zahlreiche Kraut- und Pilzgewächse, die sich am Fuße der gigantischen Bäume tummelten. So tief herunter war bisher nicht einmal Phyline gekommen. Die Pfade, die sie von Jorsan aus durch den Urwald bis in die paradiesische Talsenke von Shyána Nelle genommen hatte, waren bunt und grün gewesen, mit wenigen Pilzen. Große und zumeist gefährliche Blumen hatten ihre Pfade gesäumt. Jetzt könnte sie nicht einmal sagen, ob sie die gleichen Wege beschritt, denn mit dem Mangel an Tageslicht zogen sich auch die Blüten zu farblosen Knospen zusammen. Die Welt wurde dunkel, wie ihre Albträume.
Wenigstens riefen die Tiere des Urwalds nicht ihren Namen, solange sie keinen Papagei fand, der bereit war, ihn zu erlernen. Sie hörte das ferne Kreischen von Affen, das Zwitschern der Vögel, die in den höher gelegenen Schichten der Bäume noch ein bis zwei Stunden länger das Abendlicht würden genießen können. Sie hörte zahlreiches Krabbeln und Zirpen von Insekten, denen man im Kapayu kaum ausweichen konnte. Wichtig war, sich nicht mit den kleinsten von ihnen anzulegen. Das Gift einiger winziger Skorpione oder Spinnen mochte tödlicher sein als der Biss eines Raubtieres, obgleich manche Shyáner Elfen auch von riesigen Mantis mit klauenartigen Scheren gesprochen hatten. Vielleicht hatte Phyline während ihrer Zeit aber auch nur die Worte falsch verstanden, als sie Lyrintha noch lernte. Vielleicht übertrieben es die Elfen auch, um sie ein wenig zu necken. Sie würde es von ihnen nicht mehr erfahren, denn nun hatte sie auch Shyána Nelle den Rücken gekehrt.
Langsam sackte die Furcht des Albtraums und ließ Platz für die Erkenntnis, dass sie recht planlos, sowie Hals über Kopf aus einem sicheren Paradies inmitten eines grünen Harax geflohen war. Im Schlaf suchten sie Dämonen in Form von gestaltlosen Schatten und Florenius' Stimme heim. Hier aber, im Wachzustand, ahnte sie noch nicht, welche Dämonen der Urwald ihr vorsetzen wollte. Außerdem würden die eingesteckten Fuchsmünzen ihr keinen Zugang zu Nahrung gewähren. Kleidung hatte sie eingepackt und einen Satz Bücher, mit dem sie möglicherweise die vorherrschende Flora bestimmen könnte. An Nahrung oder Wasser hatte die gebürtige Jorsanerin allerdings nicht gedacht. Sie könnte den Regen in einem Blatt auffangen, aber auch ohne Wildniskenntnis dürfte einer Heilkundigen wie Phyline klar sein, dass nicht abgekochtes Wasser durchaus zu Krankheiten führen konnte. Viele waren unangenehm, vor allem im Urwald, wo wilde Tiere schnell aufgrund von unkontrollierbaren Toilettengängen die Spur ihrer Beute schnell aufnehmen könnten. Kurzum, sie war vom Regen in die Traufe geraten und wie auf's Stichwort stürzte sich erneut das nasse Element auf den Kapayu herab. Schlagartig und mit trommelartigem Prasseln kam der Regen herab, so dass Phyline sich gerade so noch unter einen Strauch mit sehr breiten Blättern begeben konnte, um Zuflucht zu suchen. Zu sehr durfte sie sich den Ästen allerdings nicht nähern, denn sie besaßen schwarze, spitze Dornen. Selbst wenn diese nicht giftig wären, so würde ein Stich schon schmerzhaft daran erinnern, wie gefährlich der Kapayu eigentlich war ... für Wissende, für Wildniskundige. Aber sie war nur Phyline, die theoretisch versierte Heilerin, die Geschändete, die Einsame und Verlorene.
Ihre Erkenntnis, dass es besser wäre zurückzukehren, kam zu spät. Sie hatte sich längst in den Tiefen des Urwaldes verlaufen und sah keine Chance, die Orientierung wiederzufinden. Heiß brannten Tränen der Reue in ihren Augenwinkeln und die Verzweiflung kroch beinahe so schnell in ihr herauf wie sich lautlose Schritte ihrem Versteck näherten. Tatsächlich hörte sie das Geschöpf nicht, das sich ihr bis auf wenige Zentimenter näherte. Es waren die Hitze seines Leibes, der dampfende und leicht stinkende Atem, sowie das unterschwellige Grollen aus seinem Maul, die ihre Aufmerksamkeit erregen sollten.
Der Tiger lauerte direkt neben ihr. Sein Kopf war im Durchmesser größer als Phylines gesamter Rumpf. Eisblaue Augen starrten ihr mit geschlitzten Pupillen entgegen und die schwarzen Streifen auf seinem sonst so hellweißem Fell ließen ihn in der hereinbrechenden Dunkelheit wie einen Schreckensgeist der Urwälder erscheinen. Er knurrte, dass seine silbrigen Schnurrhaare erbebten. Sie maßen doppelt so lang wie Phylines Finger und in die geblähten Nüstern der schwarzen Tigerschnauze hätte sie problemlos ihre kleine Faust versenken können. Da öffnete sich das Maul des Tieres, so dass sie den leicht fauligen Atem direkt wahrnehmen konnte. Scharfe, spitze Zähne präsentierten sich ihr, die kleinsten davon immer noch mit ihren eigenen Fingern vergleichbar. Nur könnten ihre Hände sie nicht mit einem einzigen Zuschnappen zerreißen. Ein tiefes Grollen drang aus der Schwärze des Schlundes heraus, in den Phyline nun direkt hineinspähte. Dann erfasste sie erneut der eisblaue Blick der Raubkatze. Das Tier war gewaltig, auch als es sich duckte. Was hatte es vor? Wollte es zum Sprung ansetzen, um Phyline zu Boden zu werfen? Ihr blieb wohl nur ein Wimpernschlag, um zu reagieren, sonst würde ihre fluchtartige Reise enden, bevor sie begonnen hätte. Ihr Leben würde enden und selbst wenn es in den letzten Jahren mehr das einer Hülle gewesen war, so hing sie auf ganz natürliche Weise doch daran, dass sich zumindest ihre Instinkte regen müssten. Das oder Gevatter Tod dürfte sie mit den Zähnen des weißen Tigers binnen eines Herzschlages endgültig umarmen.

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Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Wie Trommelschläge schlugen die dicken Tropfen des Urwaldregens auf die Blätter ein unter denen Phyline Schutz gesucht hatte. Sie starrte in den Dschungel hinein, der nur noch von schwächlichem Licht erhellt wurde. Viel gab es nicht zu entdecken, verhinderten die uralten, massiven Bäume und dichten Gebüsche doch jeden tieferen Einblick in den Wald. Eine Vielfalt an Pflanzen, jede so unterschiedlich und doch so gleich. Welch seltenen, heilenden Kräuter und Pilze wohl in diesen Tiefen des Kapayu vorkommen möchten? Doch Gedanken an Heilmittel fanden keinen Platz in Phylines verwirrten Kopf in ihrer aussichtslosen Lage. Vielmehr sehnte sie sich nach der Wärme eines Kamins, einem Stück Geborgenheit und Sicherheit, einem Stück Heimat. Doch es war die grausame Dunkelheit der Nacht, die sich stattdessen über den Urwald legte und die letzten warmen Farben zu rauben begann.
Phyline konnte die Wärme förmlich spüren. Wohltuend, direkt an ihrer Wange, so dass sie einen kurzen Moment ihre Augen schloss und an ihre Kinderstube dachte. An ihre Familie, eine warme Mahlzeit und den Duft von Papier. Doch die Freude währte nur kurz, denn neben der Wärme, die sich stoßartig über ihr Gesicht verbreitete, vernahm sie ein tiefes, düsteres Grollen, welches sie über das Trommeln der Regentropfen legte. Noch nie hatte Phyline einen solch schaurigen Ton wahrgenommen, so bestialisch und zerstörerisch erklang das Brummen. Es schien, als hätten alle andere Lebewesen des Urwaldes, die noch vor wenigen Augenblicken nicht zu überhören gewesen waren, ihren Chor eingestellt. Selbst das Gezirpe und Krabbeln der Insekten war verstummt. Als hätten alle Tiere den Atem angehalten und seien zu stillen Beobachtern der Szenerie geworden oder hätten selbst klammheimlich das Weite gesucht.
Ein warmer Atem umspülte Phylines Nase mit einem fauligen, ammoniakbehafteten Duft und verdängte den Gedanken an frischen Papiergeruch. Zögerlich öffnete sie ihre Augen und ihre Pupillen weiteten sich schlagartig. Der Dschungel war grau geworden, doch das eisige Blau stach deutlich hervor. Sie schaute in Augen, die ihr mit einer merkwürdigen Mischung aus Anmut und Kälte entgegenblickten. Ein weit geöffnetes Maul, in dem leicht gelbliche Zähne ihr entgegen blitzten, allesamt so spitz und groß, dass sie in jedem Waffenarsenal Celcias einen Platz gefunden hätten. Bedrohlich stand die Bestie zunächst still vor ihr.
Sie hatte bereits in einem Buch von Tigern gelesen, doch schien dieser von einer solch gewaltigen Größe zu sein, die sich Phyline sich in ihren kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Vielmehr als den Namen der Bestien, dass ihr gestreiftes Fell markant und der Urwald Kapayu ihre Heimat war, wusste sie allerdings nicht. Aber selbst wenn? Was würde es ihr nun nützen, wenn sie ein Buch über die effektivsten Wege der Tigerbekämpfung gelesen hätte? Weder hatte sie eine Waffe oder etwas das sich zu einer umfunktionieren ließe zur Hand, noch würde das schmale Mädchen auch nur den Hauch einer Chance gegen die weiße, mit Muskeln, Krallen und Zähnen bewaffnete Bestie erlangen können.
Es dauerte eine Sekunde bis Phyline die Situation wahrlich begriff und das Adrenalin durch ihren Körper schoss, so dass sich die weit aufgerissenen Pupillen zu kleinen Stecknadelköpfen verengten. Sie zitterte am ganzen Leib, hätte am liebsten vor Panik geschrien, doch die Angst ließ sie stumm und regungslos verweilen. Der Tiger nahm eine geduckte Haltung an. Er erinnerte Phyline an die Katzen aus Ganda, kurz bevor sie ansetzten um eine Maus zu erlegen. Nicht mehr war Phyline in diesem Augenblick. Eine Maus die kurz davor war ihre letzten Atemzüge zu tätigen, bevor sie von Krallen und Zähnen durchbohrt wurde.
Unbewusst machte sie einen Schritt zurück. Langsam, beinahe in Zeitlupe bewegte sich ihr Fuß. Sie wusste nicht einmal ob sie fliehen wollte, doch ihr Körper schien die Kontrolle übernommen zu haben. Besonders weit brachte dieser Instinkt, soweit man es so betiteln möchte, allerdings nicht. Ihr Fuß setzte auf schlammigen Boden auf, nass von den anhaltenden Regenfällen des Urwaldes. Die Gabe Venthas erreichte im Kapayu zwar nur selten den Boden des Waldes, doch als wolle das Schicksal ihr einen letzten, grausamen Streich spielen, trat Phyline in eine der wenigen durchnässten Stellen. Sie rutschte augenblicklich, versuchte kurz das Gleichgewicht wieder zu erlangen, doch fiel rücklings zu Boden. Weich landete sie in schwarzem Matsch. Als sie im warmen Dschungelboden lag, dessen erdiger Geruch ihr den Schein einer heilen Welt vorzugaukeln versuchte, wurde ihr bewusst, dass dies wohl ihr Ende bedeuten sollte. Weder hatte sie eine Möglichkeit dem Tiger irgendetwas entgegenzusetzen, noch schien eine Flucht erfolgsversprechend. Alleine die Zeit bis sie sich aus dem Schlamm erhoben hätte, würde dem Tiger ausreichen um ihrem Leben ein Ende zu setzen.
In den wenigen Augenblicken, die sie einfach nur da lag, sah sie für ihren kurzen Moment ihre Heimat vor Augen. Das geschäftige Treiben des Marktes in Ganda, das Hufgetrappel der Pferde, die auf den Weiden der Züchter dahin galoppierten. Sie sah ihre Eltern vor sich und vermisste sie schrecklich. Seit Jahren hatte sie ihre Eltern nicht gesehen, ihnen nicht einmal Bescheid gegeben, als sie Jorsa in Richtung Shyána verlassen hatte. Ob sie überhaupt wussten, dass sie noch am Leben war? Ob sie Phyline auch in genau jener Sekunde vermissten? Vermutlich würden sie niemals von ihrem Tod erfahren. Selbst wenn die weiße Bestie ihre Gebeine übriglassen sollte, so könnte niemand sie in den Tiefen des Urwaldes wiederfinden. Würde sich überhaupt jemand auf die Suche nach ihr machen?
Sie sah Jorsa vor sich, das Kottenhaus und die Bibliothek. Aber auch Shyána Nelle, das Paradies, welches zumindest zu einer kleinen Wahlheimat geworden war. Auch wenn der Augenblick nur eine Sekunde währte, so schien er doch eine Lebzeit zu dauern.
So sollte also ihr Ende aussehen. Alleine, gefangen im grünen Labyrinth einer ihr vollkommen unbekannten Wildnis. All das, wofür sie in ihrem Leben gearbeitet und studiert hatte, sollte hier ein jähes Ende finden noch bevor es so recht begonnen hatte. Und warum? Weil sie naiv gewesen war. Weil sie ihre Gefühle Herr über ihren Verstand werden lassen hatte. Weil sie ohne Sinn und Verstand gerannt war, weg aus ihrem sicheren Gefängnis der Elfenstadt.
Oh Feylin steh mir bei…
richtete sie einen letzten Gedanken an den jungen Gott der Hoffnung, wissend, dass diese bereits erloschen war. Sie drehte sich im Schlamm um, vergrub ihr Gesicht in den Händen und drückte sich soweit sie konnte in den warmen, schwarzen Schlammboden. Wenn ihr Ende schon durch die dolchgleichen Zähne eines Ungeheuers enden sollte, so wollte sie zumindest nicht Zeuge ihres eigenen, brutalen Ablebens werden. Sie wollte nicht in die eiskalten, blauen Augen blicken, während sie das Abendmahl des weißen Tigers wurde.
Phyline konnte die Wärme förmlich spüren. Wohltuend, direkt an ihrer Wange, so dass sie einen kurzen Moment ihre Augen schloss und an ihre Kinderstube dachte. An ihre Familie, eine warme Mahlzeit und den Duft von Papier. Doch die Freude währte nur kurz, denn neben der Wärme, die sich stoßartig über ihr Gesicht verbreitete, vernahm sie ein tiefes, düsteres Grollen, welches sie über das Trommeln der Regentropfen legte. Noch nie hatte Phyline einen solch schaurigen Ton wahrgenommen, so bestialisch und zerstörerisch erklang das Brummen. Es schien, als hätten alle andere Lebewesen des Urwaldes, die noch vor wenigen Augenblicken nicht zu überhören gewesen waren, ihren Chor eingestellt. Selbst das Gezirpe und Krabbeln der Insekten war verstummt. Als hätten alle Tiere den Atem angehalten und seien zu stillen Beobachtern der Szenerie geworden oder hätten selbst klammheimlich das Weite gesucht.
Ein warmer Atem umspülte Phylines Nase mit einem fauligen, ammoniakbehafteten Duft und verdängte den Gedanken an frischen Papiergeruch. Zögerlich öffnete sie ihre Augen und ihre Pupillen weiteten sich schlagartig. Der Dschungel war grau geworden, doch das eisige Blau stach deutlich hervor. Sie schaute in Augen, die ihr mit einer merkwürdigen Mischung aus Anmut und Kälte entgegenblickten. Ein weit geöffnetes Maul, in dem leicht gelbliche Zähne ihr entgegen blitzten, allesamt so spitz und groß, dass sie in jedem Waffenarsenal Celcias einen Platz gefunden hätten. Bedrohlich stand die Bestie zunächst still vor ihr.
Sie hatte bereits in einem Buch von Tigern gelesen, doch schien dieser von einer solch gewaltigen Größe zu sein, die sich Phyline sich in ihren kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können. Vielmehr als den Namen der Bestien, dass ihr gestreiftes Fell markant und der Urwald Kapayu ihre Heimat war, wusste sie allerdings nicht. Aber selbst wenn? Was würde es ihr nun nützen, wenn sie ein Buch über die effektivsten Wege der Tigerbekämpfung gelesen hätte? Weder hatte sie eine Waffe oder etwas das sich zu einer umfunktionieren ließe zur Hand, noch würde das schmale Mädchen auch nur den Hauch einer Chance gegen die weiße, mit Muskeln, Krallen und Zähnen bewaffnete Bestie erlangen können.
Es dauerte eine Sekunde bis Phyline die Situation wahrlich begriff und das Adrenalin durch ihren Körper schoss, so dass sich die weit aufgerissenen Pupillen zu kleinen Stecknadelköpfen verengten. Sie zitterte am ganzen Leib, hätte am liebsten vor Panik geschrien, doch die Angst ließ sie stumm und regungslos verweilen. Der Tiger nahm eine geduckte Haltung an. Er erinnerte Phyline an die Katzen aus Ganda, kurz bevor sie ansetzten um eine Maus zu erlegen. Nicht mehr war Phyline in diesem Augenblick. Eine Maus die kurz davor war ihre letzten Atemzüge zu tätigen, bevor sie von Krallen und Zähnen durchbohrt wurde.
Unbewusst machte sie einen Schritt zurück. Langsam, beinahe in Zeitlupe bewegte sich ihr Fuß. Sie wusste nicht einmal ob sie fliehen wollte, doch ihr Körper schien die Kontrolle übernommen zu haben. Besonders weit brachte dieser Instinkt, soweit man es so betiteln möchte, allerdings nicht. Ihr Fuß setzte auf schlammigen Boden auf, nass von den anhaltenden Regenfällen des Urwaldes. Die Gabe Venthas erreichte im Kapayu zwar nur selten den Boden des Waldes, doch als wolle das Schicksal ihr einen letzten, grausamen Streich spielen, trat Phyline in eine der wenigen durchnässten Stellen. Sie rutschte augenblicklich, versuchte kurz das Gleichgewicht wieder zu erlangen, doch fiel rücklings zu Boden. Weich landete sie in schwarzem Matsch. Als sie im warmen Dschungelboden lag, dessen erdiger Geruch ihr den Schein einer heilen Welt vorzugaukeln versuchte, wurde ihr bewusst, dass dies wohl ihr Ende bedeuten sollte. Weder hatte sie eine Möglichkeit dem Tiger irgendetwas entgegenzusetzen, noch schien eine Flucht erfolgsversprechend. Alleine die Zeit bis sie sich aus dem Schlamm erhoben hätte, würde dem Tiger ausreichen um ihrem Leben ein Ende zu setzen.
In den wenigen Augenblicken, die sie einfach nur da lag, sah sie für ihren kurzen Moment ihre Heimat vor Augen. Das geschäftige Treiben des Marktes in Ganda, das Hufgetrappel der Pferde, die auf den Weiden der Züchter dahin galoppierten. Sie sah ihre Eltern vor sich und vermisste sie schrecklich. Seit Jahren hatte sie ihre Eltern nicht gesehen, ihnen nicht einmal Bescheid gegeben, als sie Jorsa in Richtung Shyána verlassen hatte. Ob sie überhaupt wussten, dass sie noch am Leben war? Ob sie Phyline auch in genau jener Sekunde vermissten? Vermutlich würden sie niemals von ihrem Tod erfahren. Selbst wenn die weiße Bestie ihre Gebeine übriglassen sollte, so könnte niemand sie in den Tiefen des Urwaldes wiederfinden. Würde sich überhaupt jemand auf die Suche nach ihr machen?
Sie sah Jorsa vor sich, das Kottenhaus und die Bibliothek. Aber auch Shyána Nelle, das Paradies, welches zumindest zu einer kleinen Wahlheimat geworden war. Auch wenn der Augenblick nur eine Sekunde währte, so schien er doch eine Lebzeit zu dauern.
So sollte also ihr Ende aussehen. Alleine, gefangen im grünen Labyrinth einer ihr vollkommen unbekannten Wildnis. All das, wofür sie in ihrem Leben gearbeitet und studiert hatte, sollte hier ein jähes Ende finden noch bevor es so recht begonnen hatte. Und warum? Weil sie naiv gewesen war. Weil sie ihre Gefühle Herr über ihren Verstand werden lassen hatte. Weil sie ohne Sinn und Verstand gerannt war, weg aus ihrem sicheren Gefängnis der Elfenstadt.
Oh Feylin steh mir bei…
richtete sie einen letzten Gedanken an den jungen Gott der Hoffnung, wissend, dass diese bereits erloschen war. Sie drehte sich im Schlamm um, vergrub ihr Gesicht in den Händen und drückte sich soweit sie konnte in den warmen, schwarzen Schlammboden. Wenn ihr Ende schon durch die dolchgleichen Zähne eines Ungeheuers enden sollte, so wollte sie zumindest nicht Zeuge ihres eigenen, brutalen Ablebens werden. Sie wollte nicht in die eiskalten, blauen Augen blicken, während sie das Abendmahl des weißen Tigers wurde.
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Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Wäre der Anblick eines Tigers in der hereinbrechenden Dunkelheit des Urwalds nicht so bedrohlich, hätte man vor der Erhabenheit des Tieres glatt vor Staunen in Tränen ausbrechen können. Nicht nur, dass er größer war als es jede Beschreibung in den Büchern zuließ, die Phyline schon in ihre Hände bekommen hatte, das Tier unterschied sich von seinen Artgenossen auch durch ein reinweißes statt orangefarbenes Fell. Die Streifen blieben schwarz, ebenso wie seine geschlitzten Pupillen, welche Iriden von der Farbe von Eiskristallen umgaben. Seine Augen leuchteten wunderschön und fast neugierig. Die silbrigen Schnurrhaare zuckten, als Phyline zu zittern begann. Der Tiger leckte sich einmal an ihnen entlang. Dann duckte er sich leicht. Phyline mochte keine Raubtiere dieser Größe kennen, wohl aber hatte sie in ihrem Leben schon oft genug Scheunen- und andere Katzen gesehen. Die Haltung blieb die gleiche. Er würde sie anspringen, niederringen, zu ihrem Unglück mit scharfen Krallen und Zähnen mit seiner Beute spielen und sie letztendlich fressen. Instinktiv ahnte sie, dass eine Flucht unmöglich wäre. Sie konnte unmöglich schneller rennen als ein Tiger. Sie kannte sich im Dschungel nicht so aus wie er und selbst auf einen Baum käme das Tier wohl schneller hinaus als sie - falls sie es überhaupt schaffte. Im Moment fühlte sie sich klein und wie die Beute, die er offenbar in ihr sah. Sollte das denn das Ende sein?
Als sie durch einen unbewussten Schritt auf dem Grund ausglitt, blieb Phyline einfach liegen. Dass das Tier nicht sofort einen Satz auf sie gemacht hatte, fiel ihr dabei gar nicht auf. Sie befand sich im Kampf mit ihrer Angst und der bitteren Erkenntnis, dass ihr Leben nicht fortwähren würde. War ihr Schicksal auf Celcia denn nur gewesen, eine Kunst erlernen zu wollen, die für das Mädchen eines einfaches Baders zu hoch gesteckt gewesen war? Sollte der traurige Höhepunkt ihres Seins sein, dass sie sich von Florenius und seinen Freunden demütigen und schänden lassen? Niemand wusste, wo sie war und sobald der Tiger sie gefressen hätte, würde Celcia auch vergessen, wer sie war. Ihre Eltern ahnten nicht, wähnten sie wohl schon seit ihrem Weggang aus der Hauptstadt als verschollen. Zumindest hatte sie nicht den Eindruck, dass beide bisher nach ihr gesucht hätten. Aber vielleicht lag Shyána Nelle auch zu weit weg, außerhalb ihrer Möglichkeiten. Ihr Vater konnte sein Geschäft unmöglich aufgeben, um bis dorthin zu reisen, nur um zu hoffen, sein Kind hier zu finden. Seine Schande von Kind, die auf die schönen Locken und den Charme eines adligen Bastards hereingefallen war!
Phyline wandte sich um, drückte ihr Gesicht gen Boden. Sie wollte dem Tod nicht in die eisblauen Augen schauen. Sie wollte ihr eigenes Ende nicht mit ansehen müssen. Vor allem aber wollte sie sich vor der Welt verbergen. Wenn sie jetzt schon unbemerkt verschlungen würde, wäre es das Beste. Je weniger sie auffiele, desto weniger Schmerz, Schrecken und Enttäuschung würde sie wohl auch bei anderen hinterlassen.
Phyline schloss mit ihrem Leben ab.
Und der Tiger? Der beobachtete ihre Drehung, betrachtete ihr Zittern und ließ sich anschließend ablenken, weil ein Getier im Dickicht tollkühn genug war, eine Nuss nach ihm zu werfen. Die Schnurrhaare des Tigers bebten. Er schnaubte. Zwischen den Blättern eines wilden Strauchs lugte der Kopf eines Streifenhörnchens heraus. Es erwiderte den Blick des Tigers. Es ... trotzte ihm. Da schnaufte der Gestreifte noch einmal, lang und tief. Es kam einem gegrollten Seufzen gleich. Das Hörnchen verschwand, aber die Ohren der Raubkatze richteten sich gen Strauch aus. Er lauschte. Schließlich konzentrierte er sich wieder auf Phyline. Sie hatte sich nicht gerührt, keine Flucht gewagt. Der Tiger betrachtete sie und sah ihre Wehrlosigkeit als lästig an, denn nun musste er sie zu ihrem "Glück" zwingen. Es wäre ihm lieber gewesen, sie ein wenig durch den Urwald zu hetzen, zu treiben, bis sie das von ihm erwogene Ziel erreichte. Nun aber musste er wirklich arbeiten.
Phyline spürte die Hitze aus dem Maul der Bestie. Er senkte den gewaltigen Kopf über sie. Zähne streiften ihre Haut, den Stoff ihrer Kleidung, ihre Haare. Er würde seinen ersten Biss in ihren Nacken setzen. Das war gut, dann wäre es schnell vorbei! Wenn er nur nicht so zaghaft dabei wäre ... Phyline durfte feststellen, dass der Tiger wahrlich zubiss, allerdings nicht sie. Die Zähne stießen sich nicht in ihr Fleisch. Beinahe schien er sogar darauf zu achten, nicht einmal ihre Kleidung groß zu beschädigen. Plötzlich hing sie von seinem Maul herab, der Körper halb zwischen seinen Vorderbeinen. Das Tier trug sie im Nacken, als wäre sie eines seiner hilflosen Kätzchen. Er schritt voran. Ihr Unterleib und die Beine rutschten dabei unangenehm über den Boden des Urwalds. Blätter, Schlamm, Stöcke und Steinchen schabten an ihren Sachen entlang, rissen zum Glück aber nicht allzu viel auf. Vor einigen Kratzern und seichten Rissen in ihrer Kleidung blieb Phyline wohl nicht verschont, aber größere Verletzungen blieben aus. Der Tiger kam mit ihr in dieser Haltung nämlich nur langsam voran. So dauerte es und sie fühlte in den regelmäßigen Stößen seiner Atemzüge die faulige Hitze im Nacken. Was hatte er mit ihr vor? Trug er sie vielleicht zu seinem Bau? Handelte es sich gar um eine Tigerin, die ihre Jungen füttern wollte?
Es sollte ganz anders kommen und für Phyline sicherlich überraschend. Wie lange das Tier sie durch den Kapayu schleppte, wusste sie nicht. Inzwischen sah sie auch kaum noch etwas, denn die Nacht war hereingebrochen. Gänzlich schwarz zeigte sich der Dschungel dennoch nicht. Vor allem nicht auf der Lichtung, die der Tiger nun mit ihr betrat. Er stapfte an einem kleinen Tümpel vorbei, über dem zahlreiche Glühwürmchen schwärmten und ihr Licht auf der Wasseroberfläche reflektieren ließen. Doch dieses eigentlich idyllische Bild wurde vom Zauber des Urwalds bei Nacht in den Schatten gestellt. Der Kapayu bot Pflanzen, die nirgends sonst auf Celcia zu finden waren und jene Pflanzen hatten sich an die Bedingungen angepasst. Auch nachts blühte es hier, um Insekten der Dunkelheit anzulocken. Von mehreren Bäumen hingen armdicke Ranken herab wie schlafende Schlangenleiber, die sich mit gezackten Blättern schmückten. An Seitenarmen und Enden jener Ranken öffneten sich Knospen fremdartiger Nachtgewächse und bewiesen, dass nicht nur Lysanthors Sonne der Welt Licht schenken konnte. Sie mochten vielleicht nicht so hell strahlen, aber in umso schöneren Farben. Es kam auf die Blütenblätter selbst an. Blau, Violett und in einem Verlauf aus Gelb und Orange wirkten sie wie große Laternen. Die Pollen in ihren breiten Kelchen gaben das Licht ab. Sie hingen an feinen Stängeln, waren prall, rund und gelb ... und sie leuchteten. Es sah im Grunde zauberhaft aus! Diese Pflanzen erhellten nicht nur die halbe Lichtung, sie verströmten auch einen nahezu sinnlichen Duft. Glühwürmchen und andere nachtaktive Insekten ließen sich von den Pflanzen anlocken. Auch der Tiger näherte sich einem der Bäume, von dem besonders viele Ranken hingen. Hier ließ er Phyline einfach ab. Fast sanft sackte sie in ein Bett aus Klee und weichem Moos. Das Tier betrachtete sie. Ein letztes Mal senkte es den Kopf in ihre Richtung und ... stupste sie mit seiner großen, schwarzen Schnauze an, als wollte er ihren Kopf drehen. Anschließend wandte er sich ab und stapfte gemächlich in die Dunkelheit davon. Doch wäre das nicht schon bizarr genug, musste Phyline erkennen, dass er sie offenbar wirklich auf etwas hatte aufmerksam machen wollen ... oder jemanden.
Ein Stück weit neben ihr, umschlungen von anderen Ranken, die sie sogar im Halbdunkel als eine Form von Giftefeu erkannte, lag jemand. Ein Mann. Er trug die Rüstung eines Soldaten und sie sah ein Wappen auf dem Wappenrock der matt golden schimmernden Schuppenrüstung darunter. Goldene Lilien auf purpurnem Grund - Grandessas Symbolik! Neben ihr lag ein Soldat des verfehdeten Königreiches! Er atmete schwer, auf seiner roten Stirn perlte der Schweiß, er war im Fieber. Es konnte nur am Giftefeu liegen. So lange seine Haut berührte, würden die Blätter ihren gefährlichen Film auf ihn abgeben. Wenn sie noch einige Stunden wartete, würde er sterben. Er fände ein ähnliches Ende, wie sie es eben noch befürchtet hatte. Nicht durch einen Tiger vielleicht, aber offenbar allein und zurückgelassen irgendwo in der Wildnis. Andere Soldaten befanden sich hier nämlich nicht. Sie hörte auch nichts, die Licht lag tatsächlich recht friedlich da. Neben dem Soldaten lag, halb verborgen im Klee, eine Kampfaxt. Am Gürtel des Mannes war zudem ein Doclh befestigt, den er wohl nicht mehr hatte ziehen können. Sollte sie ihm helfen? Oder sollte sie sein Schicksal durch Geduld besiegeln, sich stattdessen den Rucksack schnappen, der ebenfalls in der Nähe lag und sich allein weiter durchschlagen? Ein Soldat war immer gut ausgerüstet, wenn er ins Feld zog. Sicherlich besaß er Vorräte, vielleicht sogar ein zusammenbaubares Zelt oder wenigstens einen Schlafsack! Das Schicksal bot ihr hier neue Pfade, die sie gewiss nicht erwartet hatte, als Iaszar der weiße Tigergott sie entdeckt hatte.
Als sie durch einen unbewussten Schritt auf dem Grund ausglitt, blieb Phyline einfach liegen. Dass das Tier nicht sofort einen Satz auf sie gemacht hatte, fiel ihr dabei gar nicht auf. Sie befand sich im Kampf mit ihrer Angst und der bitteren Erkenntnis, dass ihr Leben nicht fortwähren würde. War ihr Schicksal auf Celcia denn nur gewesen, eine Kunst erlernen zu wollen, die für das Mädchen eines einfaches Baders zu hoch gesteckt gewesen war? Sollte der traurige Höhepunkt ihres Seins sein, dass sie sich von Florenius und seinen Freunden demütigen und schänden lassen? Niemand wusste, wo sie war und sobald der Tiger sie gefressen hätte, würde Celcia auch vergessen, wer sie war. Ihre Eltern ahnten nicht, wähnten sie wohl schon seit ihrem Weggang aus der Hauptstadt als verschollen. Zumindest hatte sie nicht den Eindruck, dass beide bisher nach ihr gesucht hätten. Aber vielleicht lag Shyána Nelle auch zu weit weg, außerhalb ihrer Möglichkeiten. Ihr Vater konnte sein Geschäft unmöglich aufgeben, um bis dorthin zu reisen, nur um zu hoffen, sein Kind hier zu finden. Seine Schande von Kind, die auf die schönen Locken und den Charme eines adligen Bastards hereingefallen war!
Phyline wandte sich um, drückte ihr Gesicht gen Boden. Sie wollte dem Tod nicht in die eisblauen Augen schauen. Sie wollte ihr eigenes Ende nicht mit ansehen müssen. Vor allem aber wollte sie sich vor der Welt verbergen. Wenn sie jetzt schon unbemerkt verschlungen würde, wäre es das Beste. Je weniger sie auffiele, desto weniger Schmerz, Schrecken und Enttäuschung würde sie wohl auch bei anderen hinterlassen.
Phyline schloss mit ihrem Leben ab.
Und der Tiger? Der beobachtete ihre Drehung, betrachtete ihr Zittern und ließ sich anschließend ablenken, weil ein Getier im Dickicht tollkühn genug war, eine Nuss nach ihm zu werfen. Die Schnurrhaare des Tigers bebten. Er schnaubte. Zwischen den Blättern eines wilden Strauchs lugte der Kopf eines Streifenhörnchens heraus. Es erwiderte den Blick des Tigers. Es ... trotzte ihm. Da schnaufte der Gestreifte noch einmal, lang und tief. Es kam einem gegrollten Seufzen gleich. Das Hörnchen verschwand, aber die Ohren der Raubkatze richteten sich gen Strauch aus. Er lauschte. Schließlich konzentrierte er sich wieder auf Phyline. Sie hatte sich nicht gerührt, keine Flucht gewagt. Der Tiger betrachtete sie und sah ihre Wehrlosigkeit als lästig an, denn nun musste er sie zu ihrem "Glück" zwingen. Es wäre ihm lieber gewesen, sie ein wenig durch den Urwald zu hetzen, zu treiben, bis sie das von ihm erwogene Ziel erreichte. Nun aber musste er wirklich arbeiten.
Phyline spürte die Hitze aus dem Maul der Bestie. Er senkte den gewaltigen Kopf über sie. Zähne streiften ihre Haut, den Stoff ihrer Kleidung, ihre Haare. Er würde seinen ersten Biss in ihren Nacken setzen. Das war gut, dann wäre es schnell vorbei! Wenn er nur nicht so zaghaft dabei wäre ... Phyline durfte feststellen, dass der Tiger wahrlich zubiss, allerdings nicht sie. Die Zähne stießen sich nicht in ihr Fleisch. Beinahe schien er sogar darauf zu achten, nicht einmal ihre Kleidung groß zu beschädigen. Plötzlich hing sie von seinem Maul herab, der Körper halb zwischen seinen Vorderbeinen. Das Tier trug sie im Nacken, als wäre sie eines seiner hilflosen Kätzchen. Er schritt voran. Ihr Unterleib und die Beine rutschten dabei unangenehm über den Boden des Urwalds. Blätter, Schlamm, Stöcke und Steinchen schabten an ihren Sachen entlang, rissen zum Glück aber nicht allzu viel auf. Vor einigen Kratzern und seichten Rissen in ihrer Kleidung blieb Phyline wohl nicht verschont, aber größere Verletzungen blieben aus. Der Tiger kam mit ihr in dieser Haltung nämlich nur langsam voran. So dauerte es und sie fühlte in den regelmäßigen Stößen seiner Atemzüge die faulige Hitze im Nacken. Was hatte er mit ihr vor? Trug er sie vielleicht zu seinem Bau? Handelte es sich gar um eine Tigerin, die ihre Jungen füttern wollte?
Es sollte ganz anders kommen und für Phyline sicherlich überraschend. Wie lange das Tier sie durch den Kapayu schleppte, wusste sie nicht. Inzwischen sah sie auch kaum noch etwas, denn die Nacht war hereingebrochen. Gänzlich schwarz zeigte sich der Dschungel dennoch nicht. Vor allem nicht auf der Lichtung, die der Tiger nun mit ihr betrat. Er stapfte an einem kleinen Tümpel vorbei, über dem zahlreiche Glühwürmchen schwärmten und ihr Licht auf der Wasseroberfläche reflektieren ließen. Doch dieses eigentlich idyllische Bild wurde vom Zauber des Urwalds bei Nacht in den Schatten gestellt. Der Kapayu bot Pflanzen, die nirgends sonst auf Celcia zu finden waren und jene Pflanzen hatten sich an die Bedingungen angepasst. Auch nachts blühte es hier, um Insekten der Dunkelheit anzulocken. Von mehreren Bäumen hingen armdicke Ranken herab wie schlafende Schlangenleiber, die sich mit gezackten Blättern schmückten. An Seitenarmen und Enden jener Ranken öffneten sich Knospen fremdartiger Nachtgewächse und bewiesen, dass nicht nur Lysanthors Sonne der Welt Licht schenken konnte. Sie mochten vielleicht nicht so hell strahlen, aber in umso schöneren Farben. Es kam auf die Blütenblätter selbst an. Blau, Violett und in einem Verlauf aus Gelb und Orange wirkten sie wie große Laternen. Die Pollen in ihren breiten Kelchen gaben das Licht ab. Sie hingen an feinen Stängeln, waren prall, rund und gelb ... und sie leuchteten. Es sah im Grunde zauberhaft aus! Diese Pflanzen erhellten nicht nur die halbe Lichtung, sie verströmten auch einen nahezu sinnlichen Duft. Glühwürmchen und andere nachtaktive Insekten ließen sich von den Pflanzen anlocken. Auch der Tiger näherte sich einem der Bäume, von dem besonders viele Ranken hingen. Hier ließ er Phyline einfach ab. Fast sanft sackte sie in ein Bett aus Klee und weichem Moos. Das Tier betrachtete sie. Ein letztes Mal senkte es den Kopf in ihre Richtung und ... stupste sie mit seiner großen, schwarzen Schnauze an, als wollte er ihren Kopf drehen. Anschließend wandte er sich ab und stapfte gemächlich in die Dunkelheit davon. Doch wäre das nicht schon bizarr genug, musste Phyline erkennen, dass er sie offenbar wirklich auf etwas hatte aufmerksam machen wollen ... oder jemanden.
Ein Stück weit neben ihr, umschlungen von anderen Ranken, die sie sogar im Halbdunkel als eine Form von Giftefeu erkannte, lag jemand. Ein Mann. Er trug die Rüstung eines Soldaten und sie sah ein Wappen auf dem Wappenrock der matt golden schimmernden Schuppenrüstung darunter. Goldene Lilien auf purpurnem Grund - Grandessas Symbolik! Neben ihr lag ein Soldat des verfehdeten Königreiches! Er atmete schwer, auf seiner roten Stirn perlte der Schweiß, er war im Fieber. Es konnte nur am Giftefeu liegen. So lange seine Haut berührte, würden die Blätter ihren gefährlichen Film auf ihn abgeben. Wenn sie noch einige Stunden wartete, würde er sterben. Er fände ein ähnliches Ende, wie sie es eben noch befürchtet hatte. Nicht durch einen Tiger vielleicht, aber offenbar allein und zurückgelassen irgendwo in der Wildnis. Andere Soldaten befanden sich hier nämlich nicht. Sie hörte auch nichts, die Licht lag tatsächlich recht friedlich da. Neben dem Soldaten lag, halb verborgen im Klee, eine Kampfaxt. Am Gürtel des Mannes war zudem ein Doclh befestigt, den er wohl nicht mehr hatte ziehen können. Sollte sie ihm helfen? Oder sollte sie sein Schicksal durch Geduld besiegeln, sich stattdessen den Rucksack schnappen, der ebenfalls in der Nähe lag und sich allein weiter durchschlagen? Ein Soldat war immer gut ausgerüstet, wenn er ins Feld zog. Sicherlich besaß er Vorräte, vielleicht sogar ein zusammenbaubares Zelt oder wenigstens einen Schlafsack! Das Schicksal bot ihr hier neue Pfade, die sie gewiss nicht erwartet hatte, als Iaszar der weiße Tigergott sie entdeckt hatte.

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Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Wie ein Vorhang verdeckten Phylines Hände ihren Blick, während sie, im dunklen Urwaldmatsch liegend, versuchte dem grausigen Anblick der Bestie, welche ihr Schicksal besiegeln sollte, zu entfliehen. Allerdings entging ihr hiermit auch das Schauspiel des ungleichen Duos um das tollkühne Streifenhörnchen und den weißen Tiger. Geradezu mütterlich korrigierend schien der kleine Nager die Raubkatze in die Schranken zu weisen. Missmutig wie ein junger Hund, dem das Spielzeug geraubt und der zu Gehorsam ermahnt worden war, beugte er sich seinem Schicksal.
Phyline spürte den fauligen, warmen Atem. Sie presste ihre Hände noch stärker gegen ihr Gesicht und kniff die Augen zusammen. Nun hatte sie es fast geschafft, der Tiger würde einen Schlussstrich unter ihr Leben ziehen und sie von der Angst und dem Schrecken befreien. Vom warmen Atem des Tigers würde sie nun in die kalte Umarmung Faldors gleiten.
Doch kein Licht am Ende eines Tunnels erwartete sie. Kein strahlend helles Himmelstor. Sie schien vielmehr zu schweben, doch konnte weiter die Hitze des Tieres spüren und seinen fauligen Atem riechen. Sie wagte es ihre Augen zu öffnen. Ihr war nicht die Gnade eines schnellen Todes zugutegekommen, der weiße Gigant war regelrecht zart mit ihr umgegangen. Wie ein Kätzchen trug er sie durch seine grüne Heimat. Vermutlich damit seine Jungtiere sich ebenfalls an der jungen Jorsanerin laben konnten. Doch mit ihrer zärtlichen Statur würde Phyline wohl kaum eine nennenswerte Mahlzeit für ein gesamtes Tigerrudel darstellen. Und überhaupt, warum sollte der Räuber sie dann nicht direkt töten und damit mögliche Abwehrhandlungen und Fluchtversuche unterbinden?
Immer wieder peitschte ein Ast gegen ihr Gesicht oder ihre baumelnden Beine stießen sich an einer der dicken Wurzeln. Keine nennenswerten Verletzungen, doch die Flucht und nun der Tanz des Tigers durch den Urwald begannen ihre Spuren an Phyline zu hinterlassen.
Der Dschungel flog an Phyline vorbei, sie war fast wie in Trance. Weder nahm sie ihre Umgebung genau wahr, noch schaffte sie es einen klaren Gedanken zu formulieren. Als sie ihr Ziel erreichten, fanden sie sich nicht vor einem Bau wieder, sondern inmitten einer Lichtung tief im dichten Urwald. Sanft ließ der weiße Tiger sie in ein Bett auf Moos und Klee gleiten. Phyline schaute auf zu dem gewaltigen Tier. Seltsamerweise wirkte der Tiger nicht mehr so bedrohlich. Er starrte Phyline tief in die Augen, als könne er ihre Seele greifen. Die eisige Kälte in seinem Blick schien wie verflogen. Vielmehr bildete sich Phyline ein, dass das mörderische, helle Blau einem wärmen Ton gewichen war, der weniger Schrecken ausstrahlte, vielmehr Güte, Geduld und gleichzeitig Stärke. Das weiße Fell erstrahlte förmlich im sanften Licht Kapayus. Selbst die langen silbernen Schnurrhaare zitterten ihr nicht mehr bedrohlich entgegen wie nur wenige Momente zuvor, sondern umspielten den gewaltigen Kopf und ließen ihn beinahe sanft wirken. Wahrlich göttlich erstrahlte der Herr des Urwaldes in diesem Moment im fahlen Licht der Nacht.
Die kalte, feuchte Nase stupste Phylines Kopf sanft zur Seite bevor der Tiger in die Dunkelheit Kapayus trottete. Phyline konnte nicht anders und blickte ihm nach und beobachtete, wie sein weißes Fell langsam mit der Dunkelheit verschwamm. Noch einige Momente verharrten ihre Augen an der Stelle, an der das Tier verschwunden war. Eine gewisse Wärme umspülte ihr Herz. Eine dicke Träne der Erleichterung floss ihre Wange herab und zumindest für kurze Zeit schien die Welt, in der alle Lichter erloschen schienen, wieder ein klein wenig heller zu werden. Vergessen schien ihre ausweglose Situation, verloren im Urwald. Dass sie noch einmal mit dem Leben davongekommen war, ließ selbst in Phyline noch ein Fünkchen Hoffnung aufflammen.
Erst jetzt ließ sie ihren Blick über die Lichtung schweifen und die Wunder der tropischen Wildnis greifen. Die Glühwürmchen, die über einem kleinen Tümpel tanzten und deren Reflektion im dunklen Wasser wie Sterne anmutete, die hier gewöhnlich durch das dichte Blätterdach des Kapayu gefressen wurden. Umrandet wurde die Szenerie von dem bunten Schein der unterschiedlichsten Knospen. Phylines Augen saugten den Zauber auf den der Urwald ihr hier in all seiner Pracht bot. Noch nie war sie Zeugin eines solchen Naturschauspiels gewesen, nun schien selbst der gnadenlose Dschungel ihr Trost und Hoffnung spenden zu wollen. Sie atmete tief durch. Die Luft war klar und doch aromatisch. Die Pflanzen verstreuten ihre lieblichen Aromen und lockten somit auf des nachts Insekten an.
Es dauerte einen Augenblick bis Phylines Blick die Stelle erfasste, in deren Richtung der Tiger ihre Augen zu lenken versucht hatte. Der Anblick holte sie schnell vom verträumten Nachtschauspiel des Urwaldes auf den Boden der Realität zurück. Die Glückseligkeit schien in ihrem Kopf in den Hintergrund zu rutschen und wich einem rationaleren Blick. Ein Mann lag schwer atmend auf dem Boden, umringt von einer Art giftigem Efeu, soweit Phylines botanische Kenntnisse diese Analyse im fahlen Nachtlicht zuließen. Er schien ihre Anwesenheit nicht zu bemerken, vielmehr schien das Gift der Gewächse ihn langsam dahinzuraffen. Fieberperlen glänzen auf seiner Stirn. Auf seiner Brust prangte ihr die goldene Lilie Grandessas entgegen.
Ein Soldat, inmitten des Urwaldes? schoss es ihr in den Kopf. Wie kommt ein einzelner grandessanischer Soldat in die Tiefen des Kapayu? Mehr Soldaten scheinen zumindest nicht hier zu sein. Auch von Kampfhandlungen gibt es keine Spur. Ich sehe keine größeren äußeren Verletzungen, doch sein Leben hängt bereits am seidenen Faden. Ob der… Tiger mich bewusst hier her brachte? Genau zu dieser Lichtung? Es vermag ja kein Zufall zu sein…
Gewiss hatte die riesige Raubkatze sie nicht zum Bestaunen des nächtlichen Farbenspieles auf die Lichtung gebracht. Doch vermochte ein einfaches Tier so gezielt die Fäden des Schicksals zu ziehen? Einen so geschickten Überblick über Geschehnisse in unterschiedlichen Winkeln des weiten Urwaldes zu behalten? Doch ganz gleich, was die Beweggründe sein mochten. Das Schicksal des Soldaten lag nun in ihren Händen.
Phyline fasste ihren Mut zusammen. Sie wollte nicht selbst mit dem giftigen Gewächs in Berührung kommen, daher fasste sie die Beine des Mannes und sammelte ihre Kräfte um ihn aus seinem tödlichen Bett zu ziehen. Er war schwer, vor allem durch die Rüstung, die er am Leibe trug und Phyline nicht besonders stark. Doch das Metall glitt leicht über die feuchten Pflanzen und sie vermochte ihn zumindest das kleine Stück vom Efeu herunterzuziehen. Er reagierte nicht. Faldor schien bereits einen Arm auf die Schulter des Soldaten gelegt zu haben. Er war schwach und seine Chancen standen nicht besonders gut. Jedes Tier in seinem Zustand, hätte man erlöst. Und auch ihn schienen nur noch Stunden der Qual zu erwarten, bevor Gevatter Tod ihn endlich empfangen würde. Phyline löst den Dolch aus dem Gürtel des Mannes und betrachtete ihn. Das Silber schimmerte in den bunten Farben der Lichtung. Eine mörderische Eleganz schien von ihm auszugehen. Phyline blickte vom Dolch zu der Lilie Grandessas, des Feindes ihrer Heimat.
Der Dolch war scharf und durchtrennte das Gewebe mit Leichtigkeit. Phyline betrachtete den Mann ein weiteres Mal und lief dann raschen Schrittes zu dem kleinen Tümpel. Sie tauchte die Fetzen ihres Kleides, welches sie soeben durchtrennt hatte in das kühle Nass. Dann eilte sie zu dem Krieger zurück. Sie wusch sein Gesicht und legte einen kühlen, nassen Lappen auf seine Stirn. Dann begann sie die Knoten an seiner Rüstung zu lösen. Ihre Finger zitterten und sie hatte Schwierigkeiten, doch letztendlich schaffte sie es ihn vom schweren Metall zu befreien und verteilte die Einzelteile auf der Lichtung, bis er oberkörperfrei vor ihr lag. Immer wieder lief sie zu dem kleinen Tümpel, dessen Wasser schwarz glänzte, gesprenkelt mit der Reflektion der Glühwürmchen. Ob es rein war, vermochte sie nicht zu sagen, dennoch sollte es seinen Zweck erfüllen. Immer wieder tauchte sie ihre Lumpen hinein und reinigte die Haut des Patienten, in der Hoffnung ihn vom Gift des Efeus zu befreien.
Nachdem sie mehrere Waschungen durchgeführt hatte, wickelte sie zwei letzte feuchte Tücher um seine Waden, in der Hoffnung das Fieber weiter zu senken. Vielmehr vermochte sie in dieser misslichen Lage nicht zu unternehmen. Sie blickte auf den halbnackten Patienten in seinem Bett aus Moos und Klee herab. Immer noch fragte sie sich wie er wohl hierhergekommen war. War auch er geflohen? Ähnlich wie Phyline? Vor Krieg? Vor verflossener Liebe? Vor dem Leben selbst? Phyline wusste nicht, ob sie jemals Antworten auf ihre Fragen bekommen würde, doch dies war nun zweitrangig. Vorerst galt es zu hoffen, dass sein Körper sich vom bereits aufgenommen Gift erholen würde. Sie setzte sich neben ihn wischte eine nasse Strähne von seiner Stirn. Gedanken an die Fehde zwischen Jorsa und Grandessa verschwendete sie zu diesem Zeitpunkt nicht. Er war in diesem Moment nur ein Patient, der auf ihre Hilfe angewiesen war, es galt nun keine Rücksicht auf politische Geschehen zu werfen.
Auch wenn sie bislang nicht besonders gläubig gewesen war, in ihrer Verzweiflung nicht mehr ausrichten zu können, richtete sie einige Gebete gen Himmel. An Lysanthor, auf dass sein göttliches Licht Heilung spenden möge. An Ventha, auf dass ihre Wasser das Gift hinfort spülen mögen. An Manthala, die Herrin der Nacht, sowie Florencia und Phaun. Inmitten der Nacht des Urwaldes mögen ihre Segen dem Mann Kraft spenden. An Feylin den Gott der Hoffnung und auch an Faldor, auf dass er seine tödlichen Schwingen noch nicht über dem Soldaten ausbreite. Dann hielt sie einen Moment inne. Als ihre Gebete an die verschiedenen Götter sich einem Ende näherten, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Der weiße Tiger. Er hatte in Büchern über die Menschenvölker des Urwaldes Erwähnung gefunden. Seine gewaltige Größe, die Stärke die er ausstrahlte. Der angsteinflößende Blick und doch die Güte ihr Leben zu verschonen. Das planende, vorrausschauende Handeln, sie auf die Lichtung zu bringen. Es konnte sich nicht um ein einfaches Tier handeln. Vielmehr war sich Phyline sicher, dass ihr Retter Iaszar selbst sein musste, eine der Gottheiten des Urwaldvolkes der Tabiki. Nicht in ihren kühnsten Träumen hätte sie sich ausmalen können einem solch göttlichen Wesen selbst eines Tages zu begegnen. Und selbst wenn sie es sich nur einreden mochte, wirkte der Glaube wie ein zarter Windhauch auf die Glut ihrer Hoffnung.
Iaszar… Ilani… ich… weiß nicht viel über den Vater und die Mutter Kapayus. Ich habe euch bis heute keine Gebete gedacht. Vielmehr wusste ich von euch nur aus Büchern und Erzählungen. Doch nun… wurde ich Zeuge von der Göttlichkeit des Kapayu. Iaszar. Ich danke dir, dass du mein Leben verschont hast. Ich bin nicht würdig nach noch mehr zu bitten. Doch schenk uns die Kraft deines Reiches. Lasse deine Wasser das Gift hinfort spülen, auf das sein Leben neu entflamme. Gütige Ilani. Schenke auch du uns deinen Segen, auf dass wir beide diese Nacht überleben.
Phyline schloss die Augen und atmete tief durch. Was es jetzt noch brauchte, war Zeit. Zeit, die der Körper benötigte, um zu heilen. Es galt daher Geduld zu wahren. Auch wenn langsam die Müdigkeit auch in Phylines Knochen kroch, so wagte sie es nun nicht zu schlafen. Sie wollte keine Verschlechterung oder auch Verbesserung ihres Patienten verpassen. So ruhte sie neben ihm und summte einige Trost spendende Lieder während die Nacht allmählich dem Morgengrauen wich.
Phyline spürte den fauligen, warmen Atem. Sie presste ihre Hände noch stärker gegen ihr Gesicht und kniff die Augen zusammen. Nun hatte sie es fast geschafft, der Tiger würde einen Schlussstrich unter ihr Leben ziehen und sie von der Angst und dem Schrecken befreien. Vom warmen Atem des Tigers würde sie nun in die kalte Umarmung Faldors gleiten.
Doch kein Licht am Ende eines Tunnels erwartete sie. Kein strahlend helles Himmelstor. Sie schien vielmehr zu schweben, doch konnte weiter die Hitze des Tieres spüren und seinen fauligen Atem riechen. Sie wagte es ihre Augen zu öffnen. Ihr war nicht die Gnade eines schnellen Todes zugutegekommen, der weiße Gigant war regelrecht zart mit ihr umgegangen. Wie ein Kätzchen trug er sie durch seine grüne Heimat. Vermutlich damit seine Jungtiere sich ebenfalls an der jungen Jorsanerin laben konnten. Doch mit ihrer zärtlichen Statur würde Phyline wohl kaum eine nennenswerte Mahlzeit für ein gesamtes Tigerrudel darstellen. Und überhaupt, warum sollte der Räuber sie dann nicht direkt töten und damit mögliche Abwehrhandlungen und Fluchtversuche unterbinden?
Immer wieder peitschte ein Ast gegen ihr Gesicht oder ihre baumelnden Beine stießen sich an einer der dicken Wurzeln. Keine nennenswerten Verletzungen, doch die Flucht und nun der Tanz des Tigers durch den Urwald begannen ihre Spuren an Phyline zu hinterlassen.
Der Dschungel flog an Phyline vorbei, sie war fast wie in Trance. Weder nahm sie ihre Umgebung genau wahr, noch schaffte sie es einen klaren Gedanken zu formulieren. Als sie ihr Ziel erreichten, fanden sie sich nicht vor einem Bau wieder, sondern inmitten einer Lichtung tief im dichten Urwald. Sanft ließ der weiße Tiger sie in ein Bett auf Moos und Klee gleiten. Phyline schaute auf zu dem gewaltigen Tier. Seltsamerweise wirkte der Tiger nicht mehr so bedrohlich. Er starrte Phyline tief in die Augen, als könne er ihre Seele greifen. Die eisige Kälte in seinem Blick schien wie verflogen. Vielmehr bildete sich Phyline ein, dass das mörderische, helle Blau einem wärmen Ton gewichen war, der weniger Schrecken ausstrahlte, vielmehr Güte, Geduld und gleichzeitig Stärke. Das weiße Fell erstrahlte förmlich im sanften Licht Kapayus. Selbst die langen silbernen Schnurrhaare zitterten ihr nicht mehr bedrohlich entgegen wie nur wenige Momente zuvor, sondern umspielten den gewaltigen Kopf und ließen ihn beinahe sanft wirken. Wahrlich göttlich erstrahlte der Herr des Urwaldes in diesem Moment im fahlen Licht der Nacht.
Die kalte, feuchte Nase stupste Phylines Kopf sanft zur Seite bevor der Tiger in die Dunkelheit Kapayus trottete. Phyline konnte nicht anders und blickte ihm nach und beobachtete, wie sein weißes Fell langsam mit der Dunkelheit verschwamm. Noch einige Momente verharrten ihre Augen an der Stelle, an der das Tier verschwunden war. Eine gewisse Wärme umspülte ihr Herz. Eine dicke Träne der Erleichterung floss ihre Wange herab und zumindest für kurze Zeit schien die Welt, in der alle Lichter erloschen schienen, wieder ein klein wenig heller zu werden. Vergessen schien ihre ausweglose Situation, verloren im Urwald. Dass sie noch einmal mit dem Leben davongekommen war, ließ selbst in Phyline noch ein Fünkchen Hoffnung aufflammen.
Erst jetzt ließ sie ihren Blick über die Lichtung schweifen und die Wunder der tropischen Wildnis greifen. Die Glühwürmchen, die über einem kleinen Tümpel tanzten und deren Reflektion im dunklen Wasser wie Sterne anmutete, die hier gewöhnlich durch das dichte Blätterdach des Kapayu gefressen wurden. Umrandet wurde die Szenerie von dem bunten Schein der unterschiedlichsten Knospen. Phylines Augen saugten den Zauber auf den der Urwald ihr hier in all seiner Pracht bot. Noch nie war sie Zeugin eines solchen Naturschauspiels gewesen, nun schien selbst der gnadenlose Dschungel ihr Trost und Hoffnung spenden zu wollen. Sie atmete tief durch. Die Luft war klar und doch aromatisch. Die Pflanzen verstreuten ihre lieblichen Aromen und lockten somit auf des nachts Insekten an.
Es dauerte einen Augenblick bis Phylines Blick die Stelle erfasste, in deren Richtung der Tiger ihre Augen zu lenken versucht hatte. Der Anblick holte sie schnell vom verträumten Nachtschauspiel des Urwaldes auf den Boden der Realität zurück. Die Glückseligkeit schien in ihrem Kopf in den Hintergrund zu rutschen und wich einem rationaleren Blick. Ein Mann lag schwer atmend auf dem Boden, umringt von einer Art giftigem Efeu, soweit Phylines botanische Kenntnisse diese Analyse im fahlen Nachtlicht zuließen. Er schien ihre Anwesenheit nicht zu bemerken, vielmehr schien das Gift der Gewächse ihn langsam dahinzuraffen. Fieberperlen glänzen auf seiner Stirn. Auf seiner Brust prangte ihr die goldene Lilie Grandessas entgegen.
Ein Soldat, inmitten des Urwaldes? schoss es ihr in den Kopf. Wie kommt ein einzelner grandessanischer Soldat in die Tiefen des Kapayu? Mehr Soldaten scheinen zumindest nicht hier zu sein. Auch von Kampfhandlungen gibt es keine Spur. Ich sehe keine größeren äußeren Verletzungen, doch sein Leben hängt bereits am seidenen Faden. Ob der… Tiger mich bewusst hier her brachte? Genau zu dieser Lichtung? Es vermag ja kein Zufall zu sein…
Gewiss hatte die riesige Raubkatze sie nicht zum Bestaunen des nächtlichen Farbenspieles auf die Lichtung gebracht. Doch vermochte ein einfaches Tier so gezielt die Fäden des Schicksals zu ziehen? Einen so geschickten Überblick über Geschehnisse in unterschiedlichen Winkeln des weiten Urwaldes zu behalten? Doch ganz gleich, was die Beweggründe sein mochten. Das Schicksal des Soldaten lag nun in ihren Händen.
Phyline fasste ihren Mut zusammen. Sie wollte nicht selbst mit dem giftigen Gewächs in Berührung kommen, daher fasste sie die Beine des Mannes und sammelte ihre Kräfte um ihn aus seinem tödlichen Bett zu ziehen. Er war schwer, vor allem durch die Rüstung, die er am Leibe trug und Phyline nicht besonders stark. Doch das Metall glitt leicht über die feuchten Pflanzen und sie vermochte ihn zumindest das kleine Stück vom Efeu herunterzuziehen. Er reagierte nicht. Faldor schien bereits einen Arm auf die Schulter des Soldaten gelegt zu haben. Er war schwach und seine Chancen standen nicht besonders gut. Jedes Tier in seinem Zustand, hätte man erlöst. Und auch ihn schienen nur noch Stunden der Qual zu erwarten, bevor Gevatter Tod ihn endlich empfangen würde. Phyline löst den Dolch aus dem Gürtel des Mannes und betrachtete ihn. Das Silber schimmerte in den bunten Farben der Lichtung. Eine mörderische Eleganz schien von ihm auszugehen. Phyline blickte vom Dolch zu der Lilie Grandessas, des Feindes ihrer Heimat.
Der Dolch war scharf und durchtrennte das Gewebe mit Leichtigkeit. Phyline betrachtete den Mann ein weiteres Mal und lief dann raschen Schrittes zu dem kleinen Tümpel. Sie tauchte die Fetzen ihres Kleides, welches sie soeben durchtrennt hatte in das kühle Nass. Dann eilte sie zu dem Krieger zurück. Sie wusch sein Gesicht und legte einen kühlen, nassen Lappen auf seine Stirn. Dann begann sie die Knoten an seiner Rüstung zu lösen. Ihre Finger zitterten und sie hatte Schwierigkeiten, doch letztendlich schaffte sie es ihn vom schweren Metall zu befreien und verteilte die Einzelteile auf der Lichtung, bis er oberkörperfrei vor ihr lag. Immer wieder lief sie zu dem kleinen Tümpel, dessen Wasser schwarz glänzte, gesprenkelt mit der Reflektion der Glühwürmchen. Ob es rein war, vermochte sie nicht zu sagen, dennoch sollte es seinen Zweck erfüllen. Immer wieder tauchte sie ihre Lumpen hinein und reinigte die Haut des Patienten, in der Hoffnung ihn vom Gift des Efeus zu befreien.
Nachdem sie mehrere Waschungen durchgeführt hatte, wickelte sie zwei letzte feuchte Tücher um seine Waden, in der Hoffnung das Fieber weiter zu senken. Vielmehr vermochte sie in dieser misslichen Lage nicht zu unternehmen. Sie blickte auf den halbnackten Patienten in seinem Bett aus Moos und Klee herab. Immer noch fragte sie sich wie er wohl hierhergekommen war. War auch er geflohen? Ähnlich wie Phyline? Vor Krieg? Vor verflossener Liebe? Vor dem Leben selbst? Phyline wusste nicht, ob sie jemals Antworten auf ihre Fragen bekommen würde, doch dies war nun zweitrangig. Vorerst galt es zu hoffen, dass sein Körper sich vom bereits aufgenommen Gift erholen würde. Sie setzte sich neben ihn wischte eine nasse Strähne von seiner Stirn. Gedanken an die Fehde zwischen Jorsa und Grandessa verschwendete sie zu diesem Zeitpunkt nicht. Er war in diesem Moment nur ein Patient, der auf ihre Hilfe angewiesen war, es galt nun keine Rücksicht auf politische Geschehen zu werfen.
Auch wenn sie bislang nicht besonders gläubig gewesen war, in ihrer Verzweiflung nicht mehr ausrichten zu können, richtete sie einige Gebete gen Himmel. An Lysanthor, auf dass sein göttliches Licht Heilung spenden möge. An Ventha, auf dass ihre Wasser das Gift hinfort spülen mögen. An Manthala, die Herrin der Nacht, sowie Florencia und Phaun. Inmitten der Nacht des Urwaldes mögen ihre Segen dem Mann Kraft spenden. An Feylin den Gott der Hoffnung und auch an Faldor, auf dass er seine tödlichen Schwingen noch nicht über dem Soldaten ausbreite. Dann hielt sie einen Moment inne. Als ihre Gebete an die verschiedenen Götter sich einem Ende näherten, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Der weiße Tiger. Er hatte in Büchern über die Menschenvölker des Urwaldes Erwähnung gefunden. Seine gewaltige Größe, die Stärke die er ausstrahlte. Der angsteinflößende Blick und doch die Güte ihr Leben zu verschonen. Das planende, vorrausschauende Handeln, sie auf die Lichtung zu bringen. Es konnte sich nicht um ein einfaches Tier handeln. Vielmehr war sich Phyline sicher, dass ihr Retter Iaszar selbst sein musste, eine der Gottheiten des Urwaldvolkes der Tabiki. Nicht in ihren kühnsten Träumen hätte sie sich ausmalen können einem solch göttlichen Wesen selbst eines Tages zu begegnen. Und selbst wenn sie es sich nur einreden mochte, wirkte der Glaube wie ein zarter Windhauch auf die Glut ihrer Hoffnung.
Iaszar… Ilani… ich… weiß nicht viel über den Vater und die Mutter Kapayus. Ich habe euch bis heute keine Gebete gedacht. Vielmehr wusste ich von euch nur aus Büchern und Erzählungen. Doch nun… wurde ich Zeuge von der Göttlichkeit des Kapayu. Iaszar. Ich danke dir, dass du mein Leben verschont hast. Ich bin nicht würdig nach noch mehr zu bitten. Doch schenk uns die Kraft deines Reiches. Lasse deine Wasser das Gift hinfort spülen, auf das sein Leben neu entflamme. Gütige Ilani. Schenke auch du uns deinen Segen, auf dass wir beide diese Nacht überleben.
Phyline schloss die Augen und atmete tief durch. Was es jetzt noch brauchte, war Zeit. Zeit, die der Körper benötigte, um zu heilen. Es galt daher Geduld zu wahren. Auch wenn langsam die Müdigkeit auch in Phylines Knochen kroch, so wagte sie es nun nicht zu schlafen. Sie wollte keine Verschlechterung oder auch Verbesserung ihres Patienten verpassen. So ruhte sie neben ihm und summte einige Trost spendende Lieder während die Nacht allmählich dem Morgengrauen wich.
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Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Dass Phyline auf dieser zauberhaften Lichtung mitten im Kapayu gelandet war, konnte kein Zufall sein. Kein Raubtier des Urwaldes hätte sie verschont. Entweder wären sie desinteressiert gewesen, zu faul um sie zu jagen oder aber hungrig genug, sie nicht irgendwo abzulegen. Noch dazu fand es ganz friedlich vonstatten! Der eisblaue Blick des Tigers hatte kurz vor seinem Abschied sogar irgendwie ... freundlich gewirkt. Dann war er einfach zurück in das Dickicht gestapft, ohne dass die Blätter raschelten, die sein schönes Fell berührten. Dieser Jäger war absolut lautlos gewesen und er hatte Phyline verschont! Aber nicht nur sie, wie sie feststellen durfte.
Nachdem sich der erste Schreck, gefolgt von Erleichterung ob ihres Überlebens gelegt hatte, bemerkte der Rotschopf, dass sie sich nicht allein auf der Lichtung befand. Hier lag noch jemand ganz in der Nähe von ihr. Ein Mann, noch dazu ein Grandessarer wie das Wappen auf seinem Rock signalisierte. Ein Soldat des verfehdeten Königreiches lag umschlungen von Giftefeu neben ihr, fieberte und würde daran vergehen, wenn sie einfach nur abwartete. Doch das konnte Phyline ihm nicht antun, nicht einmal einem Feind. Selbst wenn sie keinen persönlichen Bezug zum Krieg zwischen Grandessa und Jorsan besaß, so kannte auch sie die Geschichten. Spätestens seit ihrer Zeit im Kottenhaus der Haupstadt hatte sie es nicht mehr ignorieren können. Sie befand sich dort zwar nicht unmittelbar an der Front, aber ausgewiesene Soldaten kehrten heim und das zumeist mit weniger Gliedmaßen als sie zuvor losgezogen waren. Im Kottenhaus wurden sie aufgenommen, auch wenn man selten noch viel für sie tun konnte. Wenn ein Arm oder ein Bein fehlte, ließ sich da nun einmal nicht mehr viel machen. Die Seelenheilkundler waren jene, die plötzlich reichlich Arbeit besaßen. Phyline als eher theoretisch veranlagte Pflanzenheilkundlerin in Ausbildung wurde dann eher für die einfachen Wehwehchen der jorsaner Bevölkerung abgestellt. Als sie schließlich in die Talsenke Shyána Nelle floh, bekam sie nahezu nichts mehr vom Krieg mit. Es existierten Gerüchte in der Elfenstadt, dass sich selbst dort Freiheitskämpfergruppen gebildet hatten, aber sie war nicht involviert gewesen. Sie hatte das Paradies genießen dürfen wie viele Shyáner. Oh, hätte sie es nur genießen können! Leider war dem nicht so gewesen und nun saß sie hier inmitten des Kapayu im Halbdunkel, neben sich noch immer den Soldaten. Er war allein. Es gab keine Anzeichen eines Kampfes, aber auch keine möglicher Kameraden. Was machte er hier? Nun, sie würde es nicht herausfinden. Vielleicht entging ihr jegliche Chance, überhaupt mit ihm zu sprechen, wenn sie nichts unternahm. Mit Sicherheit wäre es so, denn das Efeu berührte einen Großteil seiner Haut und stahl ihm die Lebenskraft. Phyline konnte das einfach nicht zulassen, folglich handelte sie.
Wo sie gegen den Tiger noch recht schnell aufgegeben und sich mit einem Schicksal als Raubtierfutter abgefunden hatte, konnte sie diesen Fremden nun nicht einfach sterben lassen. Sie krempelte die Ärmel hoch und nahm ihre ganze Kraft zusammen, um ihn aus dem Efeubett herauszuziehen. Es war nicht leicht. Sie benötigte mehrere Anläufe und noch mehr Pausen. Allein durch die Rüstung wog der Soldat nahezu das Doppelte. Schließlich aber gelang es ihr, nachdem sie einen Teil seines Rumpfes auf schlittrigen Untergrund mit mehreren großen, aber platt gedrückten Blättern bewegen konnte. Dann glitt er leichter über den Boden, bis er weit genug vom Efeu fort war. Den Rest konnte sie mit seinem Messer abschneiden, ohne selbst Opfer des lähmenden Giftes zu werden. Anschließend löste sie mit der Klinge noch Teile ihres Rocksaumes. Bei ihrer Flucht mochte sie allerlei eingepackt haben und der Tiger schien selbst ihre Ausrüstung mitgeschleift zu haben - sie lag hinten im Moos - aber Phyline hatte Priorität auf Lesestoff gelegt und nicht auf jenen, den der Soldat nun brauchte. Ihr Rocksaum musste jetzt ausreichen. Sie huschte zum Tümpel und nach gut einer Stunde hatte der Mann zahlreiche Waschungen hinter sich, einen Lappen auf der Stirn, sowie Wickel um seine Waden. Er sah schon besser aus. Die Wangen und die Stirn glühten nicht mehr. Jetzt konnte Phyline auch einen genaueren Blick auf ihn selbst als Person legen.
Er war jung, vielleicht ein paar Jahre älter als sie selbst. Er besaß überraschend weiche Züge, noch kein Haar am Kiefer, aber einige auf der Brust. Sie hatte ihn oben herum freigemacht und konnte nun einen ausgiebigen Blick auf die Brust des Mannes werfen. Er besaß Muskeln. Auffälliger aber war eine Kreuznarbe, die bei seinem linken Schlüsselbein begann und sich wie ein großes X über seine linke Schulter zog. Es erinnerte an eine als Schatz markierte Stelle wie aus den Geschichten mit sagenhaften Karten. Und je länger ihr grüner Blick darauf fiel, desto vertrauter kam ihr der Anblick vor. Trotzdem konnte sie ihn nicht ganz einordnen.
Ihre Mutter besaß Narben. Phyline hatte sie oft gesehen. Als Kind kam man kaum umhin, die eigene Mutter nicht auch einmal nackt zu betrachten. Aber sie hatte niemals nach dem Ursprung jener Narben gefragt und selbst wenn, so wusste sie doch, dass ihr Mutter ihr niemals geantwortet hätte. Über ihre eigene Vergangenheit hatte sie sich stets bedeckt gehalten. Tatsächlich wusste Phyline kaum etwas von ihr und nun war sie weit weg. Sie war allein, von dem jungen Mann neben ihr abgesehen. Sanft strich Phyline ihm einige Strähnen aus der Stirn. Sein Haar war kurz, aber nicht radikal geschnitten. Entweder nahmen es die Grandessarer nicht so ernst mit soldatischen Frisuren oder aber der Fremde hatte im Urwald keine Gelegenheit gehabt, sich die Haare schneiden zu lassen. Für eine Rasur schien es jedoch genügt zu haben. Denn als langsam der Morgen graute - Phyline hatte die ganze Nacht neben ihm sitzend verbracht und war dementsprechend etwas erschöpft - da erkannte sie, dass sich am Kiefer des Fremden ein erster Bartschatten bildete. Er war nur leicht, aber vorhanden. Vermutlich so wie die Schatten unter ihren Augen, aber ohne einen Spiegel konnte sie es nicht überprüfen. Außerdem galt Phyline niemals als dermaßen eitel. Sie achtete nicht einmal darauf, ob andere sie als schön empfänden. Sie würde jedoch zugeben müssen, dass der junge Mann vor ihr durchaus stattlich aussah. Bis auf die Kreuznarbe auf der Schulter besaß er keine Makel. Sein Haar nahm mit wachsenden Lichtverhältnissen die eine straßenköterblonde Farbe an. Seine Brauen waren dunkler, von einem feinen Braun. Und seine Augen glommen in einem nach wie vor leicht fiebrigen Blau, als er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Lider hob.
Phyline befand sich derzeit in einem Gebet. Wo sie über die Nacht hinweg noch nahezu alle Götter Celcias angerufen hatte, die ihr einfielen, galten ihre letzten Gedanken dem Tigergott Iaszar. Sie hatte sowohl von ihm als auch von der Streifenhörnchengöttin Ilani in ein paar Shyáner Aufzeichnungen lesen können. Viel war es nicht und der Inhalt beschäftigte sich zunehmend mit dem Theorem, dass Ilani und Iaszar nur eine Variante des heiligen Götterpaares Florencia und Phaun sein mochten, allerdings eben im Glauben der Tabiki und ihrem primitiven Weltbild existierten. Phyline hatte schnell das Interesse verloren. Dazu war der Text zu stark in Philosophische abgerutscht. Doch nach ihrem Erlebnis der letzten Nacht mochte ihr Glaube an den Tigergott der Tabiki durchaus gestärkt worden sein. Sie dachte an ihn. Sie dankte ihm und bemerkte so nicht, dass sie betrachtet wurde. Der zunächst verwirrte blaue Blick des jungen Mannes weitete sich, als er Phylines Gestalt in den Fokus nahm. Dann runzelte er die Stirn und blinzelte schließlich. Langsam öffnete er den Mund, aber über seine Lippen drang zunächst nur ein trockener Laut, der sich rasch in ein Husten wandelte.
"Ph...Pff.... W-Wasser", krächzte er und wartete ab, ob Phyline ihm den Wunsch erfüllte. Aber irgendwann würde es reichen, dass er endlich sprechen konnte. Nach wie vor galt ihr seine volle Aufmerksamkeit. "Träume ich, dich im Urwald... jemanden wie Euch im Urwald zu treffen?" Er war höflicher als es Jorsaner von Bewohnern des verfeindeten Königreichs behaupteten. Außerdem schien er schüchtern oder das Fieber suchte ihn erneut heim. Seine Wangen röteten sich. Er wich Phylines Blick aus und versuchte, sich aufzurichten. Plötzlich bemerkte er seinen nackten Oberkörper. Sacht tastete er sich ab. "Ich bin unverletzt, aber ... warum ... bin ich halbnackt? Wie... was ist passiert? Warum bist du ... warum seid Ihr hier?"
Und während die beiden im weichen Moos saßen, erwachte der Dschungel zu neuem Leben. Es wurde zunehmend lauter, als Wildvögel ihre Lieder trällerten, Papageienarten in den Wipfel lauthals um die besten Früchte stritten und die fernen Schreier wilder Affen den Urwald erfüllten. Die nachts so schön leuchtenden Blüten hatten sich geschlossen. Zwischen ihren Knospen öffneten sich nun aber andere Blumen, lockten mit Farben und düften. Schmetterlinge, so groß wie Phylines Hand, suchten bereits nach den Pollen, aber auch für sie oder den Fremden könnte man etwas abstauben. So gefahrvoll der Kapayu galt, besaß er auch zahlreiche schöne Angebote. Eines davon war der golden schimmernde, süße Nektar, der schon in kleinen Sturzböchen die großen Blütenblätter von Blumenkelchen herab tropfte. Schillernd rote Beeren lockten Vögel und andere Kleintiere heran. Sie wuchsen entweder an den Sträuchern oder als von Ameisen umwimmelte Erbeeren am Boden. Pilze wuchsen an den Schattenseiten von Baumstämmen, schmiegten sich dort zwischen das Wurzelwerk. Verhungern würde man hier nicht. Wichtig war nur, nicht an etwas Giftiges zu geraten wie es dem Soldaten offenbar passiert war.
Nachdem sich der erste Schreck, gefolgt von Erleichterung ob ihres Überlebens gelegt hatte, bemerkte der Rotschopf, dass sie sich nicht allein auf der Lichtung befand. Hier lag noch jemand ganz in der Nähe von ihr. Ein Mann, noch dazu ein Grandessarer wie das Wappen auf seinem Rock signalisierte. Ein Soldat des verfehdeten Königreiches lag umschlungen von Giftefeu neben ihr, fieberte und würde daran vergehen, wenn sie einfach nur abwartete. Doch das konnte Phyline ihm nicht antun, nicht einmal einem Feind. Selbst wenn sie keinen persönlichen Bezug zum Krieg zwischen Grandessa und Jorsan besaß, so kannte auch sie die Geschichten. Spätestens seit ihrer Zeit im Kottenhaus der Haupstadt hatte sie es nicht mehr ignorieren können. Sie befand sich dort zwar nicht unmittelbar an der Front, aber ausgewiesene Soldaten kehrten heim und das zumeist mit weniger Gliedmaßen als sie zuvor losgezogen waren. Im Kottenhaus wurden sie aufgenommen, auch wenn man selten noch viel für sie tun konnte. Wenn ein Arm oder ein Bein fehlte, ließ sich da nun einmal nicht mehr viel machen. Die Seelenheilkundler waren jene, die plötzlich reichlich Arbeit besaßen. Phyline als eher theoretisch veranlagte Pflanzenheilkundlerin in Ausbildung wurde dann eher für die einfachen Wehwehchen der jorsaner Bevölkerung abgestellt. Als sie schließlich in die Talsenke Shyána Nelle floh, bekam sie nahezu nichts mehr vom Krieg mit. Es existierten Gerüchte in der Elfenstadt, dass sich selbst dort Freiheitskämpfergruppen gebildet hatten, aber sie war nicht involviert gewesen. Sie hatte das Paradies genießen dürfen wie viele Shyáner. Oh, hätte sie es nur genießen können! Leider war dem nicht so gewesen und nun saß sie hier inmitten des Kapayu im Halbdunkel, neben sich noch immer den Soldaten. Er war allein. Es gab keine Anzeichen eines Kampfes, aber auch keine möglicher Kameraden. Was machte er hier? Nun, sie würde es nicht herausfinden. Vielleicht entging ihr jegliche Chance, überhaupt mit ihm zu sprechen, wenn sie nichts unternahm. Mit Sicherheit wäre es so, denn das Efeu berührte einen Großteil seiner Haut und stahl ihm die Lebenskraft. Phyline konnte das einfach nicht zulassen, folglich handelte sie.
Wo sie gegen den Tiger noch recht schnell aufgegeben und sich mit einem Schicksal als Raubtierfutter abgefunden hatte, konnte sie diesen Fremden nun nicht einfach sterben lassen. Sie krempelte die Ärmel hoch und nahm ihre ganze Kraft zusammen, um ihn aus dem Efeubett herauszuziehen. Es war nicht leicht. Sie benötigte mehrere Anläufe und noch mehr Pausen. Allein durch die Rüstung wog der Soldat nahezu das Doppelte. Schließlich aber gelang es ihr, nachdem sie einen Teil seines Rumpfes auf schlittrigen Untergrund mit mehreren großen, aber platt gedrückten Blättern bewegen konnte. Dann glitt er leichter über den Boden, bis er weit genug vom Efeu fort war. Den Rest konnte sie mit seinem Messer abschneiden, ohne selbst Opfer des lähmenden Giftes zu werden. Anschließend löste sie mit der Klinge noch Teile ihres Rocksaumes. Bei ihrer Flucht mochte sie allerlei eingepackt haben und der Tiger schien selbst ihre Ausrüstung mitgeschleift zu haben - sie lag hinten im Moos - aber Phyline hatte Priorität auf Lesestoff gelegt und nicht auf jenen, den der Soldat nun brauchte. Ihr Rocksaum musste jetzt ausreichen. Sie huschte zum Tümpel und nach gut einer Stunde hatte der Mann zahlreiche Waschungen hinter sich, einen Lappen auf der Stirn, sowie Wickel um seine Waden. Er sah schon besser aus. Die Wangen und die Stirn glühten nicht mehr. Jetzt konnte Phyline auch einen genaueren Blick auf ihn selbst als Person legen.
Er war jung, vielleicht ein paar Jahre älter als sie selbst. Er besaß überraschend weiche Züge, noch kein Haar am Kiefer, aber einige auf der Brust. Sie hatte ihn oben herum freigemacht und konnte nun einen ausgiebigen Blick auf die Brust des Mannes werfen. Er besaß Muskeln. Auffälliger aber war eine Kreuznarbe, die bei seinem linken Schlüsselbein begann und sich wie ein großes X über seine linke Schulter zog. Es erinnerte an eine als Schatz markierte Stelle wie aus den Geschichten mit sagenhaften Karten. Und je länger ihr grüner Blick darauf fiel, desto vertrauter kam ihr der Anblick vor. Trotzdem konnte sie ihn nicht ganz einordnen.
Ihre Mutter besaß Narben. Phyline hatte sie oft gesehen. Als Kind kam man kaum umhin, die eigene Mutter nicht auch einmal nackt zu betrachten. Aber sie hatte niemals nach dem Ursprung jener Narben gefragt und selbst wenn, so wusste sie doch, dass ihr Mutter ihr niemals geantwortet hätte. Über ihre eigene Vergangenheit hatte sie sich stets bedeckt gehalten. Tatsächlich wusste Phyline kaum etwas von ihr und nun war sie weit weg. Sie war allein, von dem jungen Mann neben ihr abgesehen. Sanft strich Phyline ihm einige Strähnen aus der Stirn. Sein Haar war kurz, aber nicht radikal geschnitten. Entweder nahmen es die Grandessarer nicht so ernst mit soldatischen Frisuren oder aber der Fremde hatte im Urwald keine Gelegenheit gehabt, sich die Haare schneiden zu lassen. Für eine Rasur schien es jedoch genügt zu haben. Denn als langsam der Morgen graute - Phyline hatte die ganze Nacht neben ihm sitzend verbracht und war dementsprechend etwas erschöpft - da erkannte sie, dass sich am Kiefer des Fremden ein erster Bartschatten bildete. Er war nur leicht, aber vorhanden. Vermutlich so wie die Schatten unter ihren Augen, aber ohne einen Spiegel konnte sie es nicht überprüfen. Außerdem galt Phyline niemals als dermaßen eitel. Sie achtete nicht einmal darauf, ob andere sie als schön empfänden. Sie würde jedoch zugeben müssen, dass der junge Mann vor ihr durchaus stattlich aussah. Bis auf die Kreuznarbe auf der Schulter besaß er keine Makel. Sein Haar nahm mit wachsenden Lichtverhältnissen die eine straßenköterblonde Farbe an. Seine Brauen waren dunkler, von einem feinen Braun. Und seine Augen glommen in einem nach wie vor leicht fiebrigen Blau, als er nach einer gefühlten Ewigkeit endlich die Lider hob.
Phyline befand sich derzeit in einem Gebet. Wo sie über die Nacht hinweg noch nahezu alle Götter Celcias angerufen hatte, die ihr einfielen, galten ihre letzten Gedanken dem Tigergott Iaszar. Sie hatte sowohl von ihm als auch von der Streifenhörnchengöttin Ilani in ein paar Shyáner Aufzeichnungen lesen können. Viel war es nicht und der Inhalt beschäftigte sich zunehmend mit dem Theorem, dass Ilani und Iaszar nur eine Variante des heiligen Götterpaares Florencia und Phaun sein mochten, allerdings eben im Glauben der Tabiki und ihrem primitiven Weltbild existierten. Phyline hatte schnell das Interesse verloren. Dazu war der Text zu stark in Philosophische abgerutscht. Doch nach ihrem Erlebnis der letzten Nacht mochte ihr Glaube an den Tigergott der Tabiki durchaus gestärkt worden sein. Sie dachte an ihn. Sie dankte ihm und bemerkte so nicht, dass sie betrachtet wurde. Der zunächst verwirrte blaue Blick des jungen Mannes weitete sich, als er Phylines Gestalt in den Fokus nahm. Dann runzelte er die Stirn und blinzelte schließlich. Langsam öffnete er den Mund, aber über seine Lippen drang zunächst nur ein trockener Laut, der sich rasch in ein Husten wandelte.
"Ph...Pff.... W-Wasser", krächzte er und wartete ab, ob Phyline ihm den Wunsch erfüllte. Aber irgendwann würde es reichen, dass er endlich sprechen konnte. Nach wie vor galt ihr seine volle Aufmerksamkeit. "Träume ich, dich im Urwald... jemanden wie Euch im Urwald zu treffen?" Er war höflicher als es Jorsaner von Bewohnern des verfeindeten Königreichs behaupteten. Außerdem schien er schüchtern oder das Fieber suchte ihn erneut heim. Seine Wangen röteten sich. Er wich Phylines Blick aus und versuchte, sich aufzurichten. Plötzlich bemerkte er seinen nackten Oberkörper. Sacht tastete er sich ab. "Ich bin unverletzt, aber ... warum ... bin ich halbnackt? Wie... was ist passiert? Warum bist du ... warum seid Ihr hier?"
Und während die beiden im weichen Moos saßen, erwachte der Dschungel zu neuem Leben. Es wurde zunehmend lauter, als Wildvögel ihre Lieder trällerten, Papageienarten in den Wipfel lauthals um die besten Früchte stritten und die fernen Schreier wilder Affen den Urwald erfüllten. Die nachts so schön leuchtenden Blüten hatten sich geschlossen. Zwischen ihren Knospen öffneten sich nun aber andere Blumen, lockten mit Farben und düften. Schmetterlinge, so groß wie Phylines Hand, suchten bereits nach den Pollen, aber auch für sie oder den Fremden könnte man etwas abstauben. So gefahrvoll der Kapayu galt, besaß er auch zahlreiche schöne Angebote. Eines davon war der golden schimmernde, süße Nektar, der schon in kleinen Sturzböchen die großen Blütenblätter von Blumenkelchen herab tropfte. Schillernd rote Beeren lockten Vögel und andere Kleintiere heran. Sie wuchsen entweder an den Sträuchern oder als von Ameisen umwimmelte Erbeeren am Boden. Pilze wuchsen an den Schattenseiten von Baumstämmen, schmiegten sich dort zwischen das Wurzelwerk. Verhungern würde man hier nicht. Wichtig war nur, nicht an etwas Giftiges zu geraten wie es dem Soldaten offenbar passiert war.

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- Gast
Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Als die Götter endlich Phylines Gebeten Gehör zu schenken schienen, war der die zauberhafte Nacht, welche der Urwald Kapayu in all seiner Pracht dargeboten hatte, bereits dem nächsten Tage gewichen. Sonnenstrahlen funkelten durch das Blätterdach und die Tierwelt des Dschungels stimmte eine neue Symphonie an. Der Gesang von unterschiedlichsten Vögeln und das Gezirpe von Insekten bildeten die Grundmelodie und einzelne Akkorde wurden durch das Geschrei der Affen und Papageien gesetzt. Zwar hatte die Nacht ihre eigene Magie mit den leuchtenden Blumen, schimmernden Wassern und funkelnden Glühwürmchen gehabt, doch zeigte sich auch der Morgen nicht weniger magisch. Neben der Geräuschkulisse hatten nun andere Blüten ihren Auftritt. Sie strahlten in bunten Farben, während Nektar und Tau von ihnen herabtropften und farbenfrohe Vögel und Schmetterlinge anlockten. Süße Beeren bildeten ein reichhaltiges Festmahl für die einzelnen Urwaldbewohner. Es war ein Bild, das einem Gemälde würdig gewesen wäre, so schön und harmonisch stellte sich der Kapayu dar. Nichts ließ er von den Gefahren, die er barg, ahnen. Doch auch wenn die Umgebung Phyline beinahe den Ernst der Lage für eine Sekunde vergessen ließ, störten die zwei hilflosen Gestalten die malerische Landschaft doch wie zwei Farbklekse.
Phyline hatte ihre Gebete beendet und betrachtete ihren neu gewonnen Patienten. Sein Körper war muskulös und seine Brust leicht behaart. Geradezu makellos stellte sich der Körper des Jünglings dar, da keinerlei Kampfspuren an ihm zu erkennen waren. Nun ja, bis auf die auffällige Narbe an seiner Schulter. Ob sie von einem Kampf stammen mochte? Noch nie hatte Phyline eine kreuzförmige Kriegsnarbe gesehen, üblicherweise waren die Soldatennarben länglich von Schwertern und Äxten oder rundlich von Pfeilen und Bolzen gewesen. Welche Waffe vermochte im Stande zu sein diese Narbe zu hinterlassen? Phylines sanfter Blick verharrte lange an der Stelle. Die Narbe schien seltsam vertraut, doch vermochte Phyline sie, sei es auf Grund der Übermüdung oder der Strapazen des letzten Tages, nicht einzuordnen.
Ihre grünen Augen begutachteten das Gesicht des Mannes. Sein Haar war kurz und in einem dunklen Blond. Bartstoppeln begannen sich ihren Weg an die Oberfläche zu erkämpfen. Er war ein attraktiver junger Mann, ungefähr in Phylines Alter. Sicherlich war er begehrt bei der Damenwelt seiner Heimat. Doch von dieser war er im grünen Dickicht, in dem sein Leben vor wenigen Stunden noch am seidenen Faden hing, weit entfernt.
Die scheinbare Harmonie der Lichtung wurde durchbrochen wie Glas, das auf dem Boden zerschellte. Der junge Grandessaner riss seine Augen auf und atmete schwer. Ein kurzer Schock durchfuhr Phyline wie ein Blitz die Dunkelheit der Nacht. Eben noch neben dem Patienten kniend, sprang sie auf, wich einige Schritte zurück und starrte ihn an. Sein Blick suchte die Umgebung ab und blieb an ihr hängen, als er begann nach Wasser zu keuchen. Phyline blickte sich um. In der Hektik ihres Aufbruchs hatte sie auch für sich selbst nicht an etwas Trinkbares gedacht. An der Ausrüstung des Soldaten erkannte sie einen Lederschlauch. Sie nahm ihn an sich und öffnete den Verschluss, doch das Gefäß enthielt nur noch spärliche Tropfen. Dem Geruch des Schlauches nach zu urteilen, war dieser wohl eher für alkoholische Getränke zum Einsatz gekommen. Sie rümpfte die Nase, der Geruch widerte sie an, doch suchte weiter nach einer Wasserquelle.
Ihre Augen blieben an den Tümpeln hängen. Doch das offenstehende Wasser schien zwar einigermaßen sauber, eignete sich jedoch kaum für den Fieberpatienten. Zu hoch war das Risiko sich unbekannte Krankheiten einzufangen. Dann blickte sie auf die Pflanzen am Rande der Lichtung. In einigen der großen, schalenförmigen Blätter hatte sich Regenwasser gesammelt. Schnell eilte Phyline hinüber und ließ das Wasser vorsichtig in den Lederschlauch gleiten, um es anschließend dem jungen Grandessaner reichen zu können. Gierig leerte er das Behältnis, hatten ihn Fieber und Schweiß doch einiges an Flüssigkeit verlieren lassen.
Seine blauen Augen musterten sie, klebten geradezu an ihr, doch wich er ihrem Blick aus. Er schien nicht begreifen zu können einen weiteren Menschen hier inmitten des Urwaldes anzutreffen, noch dazu gerade nachdem er aus fieberhaftem Wahn erwacht war.
"Träume ich, dich im Urwald... jemanden wie Euch im Urwald zu treffen?"
Ein sanftes Lächeln kam über Phylines Lippen. Dennoch begann ein leichter Zweifel an ihr zu nagen. Wer war dieser junge Mann, dem sie hier inmitten der Urwaldes Hilfe geleistet hatte? Was führte er im Schilde, ganz allein, weit ab von Zivilisation? War er ein guter Mensch? Ob er Phyline eventuell etwas antuen würde? Sie war sich unschlüssig, ob sie ihm vertrauen sollte, doch sie beschloss zumindest einen Teil ihrer Skepsis hinunterzuschlucken. Er schien noch nicht die Kraft zu haben sie an Ort und Stelle zu erschlagen. Und selbst wenn - als sie in die säbelartigen Zähne des Tigers geblickt hatte, hatte sie bereits mit ihrem Leben abgeschlossen. Wenn nun der Mann, dem sie mitten im Dschungel das Leben gerettet hatte, ihr Schicksal besiegeln sollte – dann schienen die Götter ihr einen letzten grausamen Streich zu spielen.
Noch bevor sie ihm Antwort geben konnte, stammelte er weitere Worte hervor "Ich bin unverletzt, aber ... warum ... bin ich halbnackt? Wie... was ist passiert? Warum bist du ... warum seid Ihr hier?"
„Ich…“ begann auch Phyline zu stammeln. Sie wusste nicht ganz, wie sie die Situation erklären sollte. “Ich bin nachts hirnlos aus dem sicheren Shyána weggelaufen, alleine mitten in den Urwald Kapayu. Dann wollte mich ein riesiger Tiger fressen, aber glücklicherweise war es nur ein Gott, der mich dann hierhergetragen hat und dann habe ich beschlossen euch vom Gift zu reinigen damit ihr überlebt“ klingt nicht gerade nach einer plausiblen Erklärung. Dann denkt er sicherlich er träumt noch oder ist bereits gestorben und die Götter erlauben sich einen letzten Spaß mit ihm. Ich… sollte mich zurückhalten… Und gegebenenfalls sollte ich auch nichts von meiner Herkunft erwähnen. Dann hätte er als Grandessaner auch noch einen Grund mich hier zu töten…
„…ich… nun ja, wie ich hierher gekommen bin, ist eine lange Geschichte. Sagen wir einfach, ich habe sicherlich nichts in einem Urwald verloren… Und dennoch bin hier. Ich… fand euch hier auf dieser Lichtung. Ihr lagt inmitten von giftigem Efeu.“ Phyline deutete auf die Stelle, an der der Soldat eben noch gelegen hatte, sein tödliches Bett war noch zu erkennen. „Das Gift hätte euch das Leben gekostet. Ich… wollte euch nicht sterben lassen… Daher habe ich mein möglichstes getan euch vom Gift zu befreien, euch gewaschen und…“ Nun lief auch Phyline puterrot an. „… habe euch von der Rüstung befreit… um euch zu… reinigen, wisst ihr?“ Dann weitete sich ihre Augen erschrocken und sie wich einen weiteren Schritt zurück „Aber ich habe euch nichts geraubt, wenn ihr das glaubt! Seht selbst, eure Rüstung liegt hier! Und euer Rucksack dort! Ich habe nichts angerührt, das verspreche ich!“
Beschämt blickte sie zu Boden. Die Situation war ihr unangenehm. Wäre sie in ihrer Universitätsklinik gewesen, hätte es keinerlei Zweifel gegeben. Niemand hätte ihre Absichten in Frage gestellt und die Umstände wären in wenigen Worten erklärt. Es war selbstverständlich, dass Menschen dort Heilung erfahren würden, auch das Befreien von der Rüstung hätte dort keine weiteren Fragen aufgeworfen. Alleine, inmitten des Urwaldes rechnete sicherlich niemand mit einer rothaarigen Heilerin.
„Ich… fülle noch einmal Wasser nach und… besorge etwas zu essen“ entschuldigte sie sich, um der Situation kurz zu entfliehen. Erneut füllte sie den Schlauch mit Regen- und Tauwasser und befeuchtete auch ihre eigene, trockene Kehle. Auch sie war durstig. Und auch der Hunger überkam sie langsam. Sie sammelte einige Erdbeeren, diese vermochte sie sicher zu erkennen. Mit Hilfe ihres Almanachs vermochte sie auch ein paar der Beeren und eine der Pilzarten als ungiftig zu identifizieren. Nach einer kurzen Weile hatte sie ein stattliches Frühstück für beide zusammengesammelt. Immerhin geizte der Urwald nicht mit Nahrungsangebot, schließlich bot der die Lebensgrundlage für eine Vielzahl an Lebewesen, die nun um zwei weitere Mitglieder erweitert worden war.
Nicht nur ein reichhaltiges Frühstück, sondern auch sich selbst hatte sie mittlerweile wieder sammeln können. Sie breitete die Beute zwischen den Beiden aus.
„Esst! Ihr seid dem Tod von der Schippe gesprungen und müsst neue Kräfte sammeln. Wenn ihr gestattet… mein Name ist Phyline.“ Stellte sie sich vor und verneigte sich mit einem kleinen Knicks. Die Etikette, die sie in den Städten gelernt hatte, sah dies so vor, doch hier im Urwald war sie fehl am Platz und zeigte umso mehr, dass Phyline nicht hierher gehörte.
Sie setzte sich ihm gegenüber.
„Ich stamme aus G… Shyána. Ich habe dort an der Universitätsklinik als Heilerin gearbeitet. Nun hat… nennen wir ihn Schicksal, mich hierher gebracht. Doch wer seid ihr? Was treibt einen grandessanischen Soldaten in die Tiefen des Urwaldes Kapayu? Noch dazu allein, oder wo sind eure Gefährten? Wie kamt ihr in die missliche Lage, die euch fast das Leben gekostet hatte? Und woher stammt die N… woher stammt ihr?“ sprudelte es aus Phyline heraus. Neugier hatte sie gepackt. Die Frage nach der Narbe, die immer wieder ihren Blick fesselte, brannte ihr auf der Zunge. Doch war ihr durchaus bewusst, dass dies wohl eine zu persönliche Frage sein mochte.
Phyline hatte ihre Gebete beendet und betrachtete ihren neu gewonnen Patienten. Sein Körper war muskulös und seine Brust leicht behaart. Geradezu makellos stellte sich der Körper des Jünglings dar, da keinerlei Kampfspuren an ihm zu erkennen waren. Nun ja, bis auf die auffällige Narbe an seiner Schulter. Ob sie von einem Kampf stammen mochte? Noch nie hatte Phyline eine kreuzförmige Kriegsnarbe gesehen, üblicherweise waren die Soldatennarben länglich von Schwertern und Äxten oder rundlich von Pfeilen und Bolzen gewesen. Welche Waffe vermochte im Stande zu sein diese Narbe zu hinterlassen? Phylines sanfter Blick verharrte lange an der Stelle. Die Narbe schien seltsam vertraut, doch vermochte Phyline sie, sei es auf Grund der Übermüdung oder der Strapazen des letzten Tages, nicht einzuordnen.
Ihre grünen Augen begutachteten das Gesicht des Mannes. Sein Haar war kurz und in einem dunklen Blond. Bartstoppeln begannen sich ihren Weg an die Oberfläche zu erkämpfen. Er war ein attraktiver junger Mann, ungefähr in Phylines Alter. Sicherlich war er begehrt bei der Damenwelt seiner Heimat. Doch von dieser war er im grünen Dickicht, in dem sein Leben vor wenigen Stunden noch am seidenen Faden hing, weit entfernt.
Die scheinbare Harmonie der Lichtung wurde durchbrochen wie Glas, das auf dem Boden zerschellte. Der junge Grandessaner riss seine Augen auf und atmete schwer. Ein kurzer Schock durchfuhr Phyline wie ein Blitz die Dunkelheit der Nacht. Eben noch neben dem Patienten kniend, sprang sie auf, wich einige Schritte zurück und starrte ihn an. Sein Blick suchte die Umgebung ab und blieb an ihr hängen, als er begann nach Wasser zu keuchen. Phyline blickte sich um. In der Hektik ihres Aufbruchs hatte sie auch für sich selbst nicht an etwas Trinkbares gedacht. An der Ausrüstung des Soldaten erkannte sie einen Lederschlauch. Sie nahm ihn an sich und öffnete den Verschluss, doch das Gefäß enthielt nur noch spärliche Tropfen. Dem Geruch des Schlauches nach zu urteilen, war dieser wohl eher für alkoholische Getränke zum Einsatz gekommen. Sie rümpfte die Nase, der Geruch widerte sie an, doch suchte weiter nach einer Wasserquelle.
Ihre Augen blieben an den Tümpeln hängen. Doch das offenstehende Wasser schien zwar einigermaßen sauber, eignete sich jedoch kaum für den Fieberpatienten. Zu hoch war das Risiko sich unbekannte Krankheiten einzufangen. Dann blickte sie auf die Pflanzen am Rande der Lichtung. In einigen der großen, schalenförmigen Blätter hatte sich Regenwasser gesammelt. Schnell eilte Phyline hinüber und ließ das Wasser vorsichtig in den Lederschlauch gleiten, um es anschließend dem jungen Grandessaner reichen zu können. Gierig leerte er das Behältnis, hatten ihn Fieber und Schweiß doch einiges an Flüssigkeit verlieren lassen.
Seine blauen Augen musterten sie, klebten geradezu an ihr, doch wich er ihrem Blick aus. Er schien nicht begreifen zu können einen weiteren Menschen hier inmitten des Urwaldes anzutreffen, noch dazu gerade nachdem er aus fieberhaftem Wahn erwacht war.
"Träume ich, dich im Urwald... jemanden wie Euch im Urwald zu treffen?"
Ein sanftes Lächeln kam über Phylines Lippen. Dennoch begann ein leichter Zweifel an ihr zu nagen. Wer war dieser junge Mann, dem sie hier inmitten der Urwaldes Hilfe geleistet hatte? Was führte er im Schilde, ganz allein, weit ab von Zivilisation? War er ein guter Mensch? Ob er Phyline eventuell etwas antuen würde? Sie war sich unschlüssig, ob sie ihm vertrauen sollte, doch sie beschloss zumindest einen Teil ihrer Skepsis hinunterzuschlucken. Er schien noch nicht die Kraft zu haben sie an Ort und Stelle zu erschlagen. Und selbst wenn - als sie in die säbelartigen Zähne des Tigers geblickt hatte, hatte sie bereits mit ihrem Leben abgeschlossen. Wenn nun der Mann, dem sie mitten im Dschungel das Leben gerettet hatte, ihr Schicksal besiegeln sollte – dann schienen die Götter ihr einen letzten grausamen Streich zu spielen.
Noch bevor sie ihm Antwort geben konnte, stammelte er weitere Worte hervor "Ich bin unverletzt, aber ... warum ... bin ich halbnackt? Wie... was ist passiert? Warum bist du ... warum seid Ihr hier?"
„Ich…“ begann auch Phyline zu stammeln. Sie wusste nicht ganz, wie sie die Situation erklären sollte. “Ich bin nachts hirnlos aus dem sicheren Shyána weggelaufen, alleine mitten in den Urwald Kapayu. Dann wollte mich ein riesiger Tiger fressen, aber glücklicherweise war es nur ein Gott, der mich dann hierhergetragen hat und dann habe ich beschlossen euch vom Gift zu reinigen damit ihr überlebt“ klingt nicht gerade nach einer plausiblen Erklärung. Dann denkt er sicherlich er träumt noch oder ist bereits gestorben und die Götter erlauben sich einen letzten Spaß mit ihm. Ich… sollte mich zurückhalten… Und gegebenenfalls sollte ich auch nichts von meiner Herkunft erwähnen. Dann hätte er als Grandessaner auch noch einen Grund mich hier zu töten…
„…ich… nun ja, wie ich hierher gekommen bin, ist eine lange Geschichte. Sagen wir einfach, ich habe sicherlich nichts in einem Urwald verloren… Und dennoch bin hier. Ich… fand euch hier auf dieser Lichtung. Ihr lagt inmitten von giftigem Efeu.“ Phyline deutete auf die Stelle, an der der Soldat eben noch gelegen hatte, sein tödliches Bett war noch zu erkennen. „Das Gift hätte euch das Leben gekostet. Ich… wollte euch nicht sterben lassen… Daher habe ich mein möglichstes getan euch vom Gift zu befreien, euch gewaschen und…“ Nun lief auch Phyline puterrot an. „… habe euch von der Rüstung befreit… um euch zu… reinigen, wisst ihr?“ Dann weitete sich ihre Augen erschrocken und sie wich einen weiteren Schritt zurück „Aber ich habe euch nichts geraubt, wenn ihr das glaubt! Seht selbst, eure Rüstung liegt hier! Und euer Rucksack dort! Ich habe nichts angerührt, das verspreche ich!“
Beschämt blickte sie zu Boden. Die Situation war ihr unangenehm. Wäre sie in ihrer Universitätsklinik gewesen, hätte es keinerlei Zweifel gegeben. Niemand hätte ihre Absichten in Frage gestellt und die Umstände wären in wenigen Worten erklärt. Es war selbstverständlich, dass Menschen dort Heilung erfahren würden, auch das Befreien von der Rüstung hätte dort keine weiteren Fragen aufgeworfen. Alleine, inmitten des Urwaldes rechnete sicherlich niemand mit einer rothaarigen Heilerin.
„Ich… fülle noch einmal Wasser nach und… besorge etwas zu essen“ entschuldigte sie sich, um der Situation kurz zu entfliehen. Erneut füllte sie den Schlauch mit Regen- und Tauwasser und befeuchtete auch ihre eigene, trockene Kehle. Auch sie war durstig. Und auch der Hunger überkam sie langsam. Sie sammelte einige Erdbeeren, diese vermochte sie sicher zu erkennen. Mit Hilfe ihres Almanachs vermochte sie auch ein paar der Beeren und eine der Pilzarten als ungiftig zu identifizieren. Nach einer kurzen Weile hatte sie ein stattliches Frühstück für beide zusammengesammelt. Immerhin geizte der Urwald nicht mit Nahrungsangebot, schließlich bot der die Lebensgrundlage für eine Vielzahl an Lebewesen, die nun um zwei weitere Mitglieder erweitert worden war.
Nicht nur ein reichhaltiges Frühstück, sondern auch sich selbst hatte sie mittlerweile wieder sammeln können. Sie breitete die Beute zwischen den Beiden aus.
„Esst! Ihr seid dem Tod von der Schippe gesprungen und müsst neue Kräfte sammeln. Wenn ihr gestattet… mein Name ist Phyline.“ Stellte sie sich vor und verneigte sich mit einem kleinen Knicks. Die Etikette, die sie in den Städten gelernt hatte, sah dies so vor, doch hier im Urwald war sie fehl am Platz und zeigte umso mehr, dass Phyline nicht hierher gehörte.
Sie setzte sich ihm gegenüber.
„Ich stamme aus G… Shyána. Ich habe dort an der Universitätsklinik als Heilerin gearbeitet. Nun hat… nennen wir ihn Schicksal, mich hierher gebracht. Doch wer seid ihr? Was treibt einen grandessanischen Soldaten in die Tiefen des Urwaldes Kapayu? Noch dazu allein, oder wo sind eure Gefährten? Wie kamt ihr in die missliche Lage, die euch fast das Leben gekostet hatte? Und woher stammt die N… woher stammt ihr?“ sprudelte es aus Phyline heraus. Neugier hatte sie gepackt. Die Frage nach der Narbe, die immer wieder ihren Blick fesselte, brannte ihr auf der Zunge. Doch war ihr durchaus bewusst, dass dies wohl eine zu persönliche Frage sein mochte.
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Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Die Lichtung, an der der weiße Tiger Phyline abgesetzt hatte, ohne sich an ihrem zarten Fleisch gütlich zu tun, ähnelte in gewisser Weise Shyána Nelle. Lieblich, sowohl bei Nacht als auch dem anbrechenden Tag bot sie Wasser, Nahrung und neben einem Gefühl von Sicherheit durchaus aus ästhetische Aspekte, die alle Sorgen vergessen machten. Der Kapayu besaß wohl mehr kleine Paradies als die Talsenke der Elfen. In seinem Unterholz warteten aber auch Gefahren. Ob sie so groß wären wie ein halbnackter Mann, der soeben langsam zu sich kam, würde sich zeigen müssen. Phyline würde beides gedanklich sicher miteinander abwägen können, im Gegensatz zu anderen Frauen, die wohl behütet und ohne Schatten auf ihrer Vergangenheit aufgewachsen waren. Dennoch hatte sie den Fremden gepflegt und auch den Fakt ignoriert, dass er als grandessarischer Soldat im Grunde der Feind war. Wenigstens sah er nicht bösartig aus, aber auch das musste nichts heißen. Aus Kämpfen hatte er sich bisher nicht heraushalten können, auch wenn ihn nur eine Narbe zierte, die groß genug war, um sie sofort zu erkennen. Kleinere Schmitzer und Kratzer fanden sich auch, aber man konnte sie getrost übergehen. Ein Raufbold von einem Scheunenkater hatte mehr zu bieten. Die Kreuznarbe allerdings faszinierte Phyline. Sie wirkte vertraut, vielleicht ob der Form. Und das wo sie doch sonst eher geradlinige Exemplare dieser Art betrachtet hatte. Alt war sie auch nicht. Ihr medizinisch geschultes Auge konnte das einschätzen, denn auch wenn Phyline sich keiner chirurgischen Arbeiten gewidmet hatte, so musste sie sich so manchen Patienten ansehen. Sie hatte viel gesehen und konnte klar feststellen: Die Narbe dürfte nur einige Jahre alt sein, so hell wie das Gewebe noch war. Mit weiteren Jahren würde ins Weißgraue übergehen, aber noch war ein rosiger Streifen in der Furche zu sehen, die irgendeine Klinge in die Haut geschnitten haben musste wie ein Pflug in einen frischen Acker.
So wie ein Bauer seine keimende Saat betrachtete, wanderten Phylines grüne Augen über jede Zentimeter des Soldaten. Ihr Blick tastete nicht nur die Kreuznarbe ab, sondern vor allem sein Gesicht. Zunächst hatte sie gedacht, es wäre glatt, aber bei genauerer Betrachtung erkannte sie eben doch erste Bartstoppeln. Das blonde Haar verbarg sich zu gut über der Farbe seiner Haut. Je länger sie ihn ansah, desto sicherer war sie sich, dass ihn in seiner Heimat einige Frauen mit flatternden Herzen anhimmeln würden. Stimmte das denn oder gefiel nur ihr seine Optik? Selbst wenn, musste man zugeben, dass er einen durchaus stattlichen Eindruck machte, aber diese Eigenschaft besaßen viel zu viele Soldaten. Training zahlte sich nun einmal aus. Aber der junge Mann hier vor ihr hinterließ in Phylines Sondierung eine Spur. Sie verstärkte sich, als unter dem dunkelblonden kurzen Schopf tiefblaue Augen ihr entgegen starrten. Beinahe wäre sie in den Gewässern ertrunken, hätte das abrupte Erwachen des Mannes sie nicht hastig zurückschrecken lassen. Schon sprang sie auf und suchte Abstand. Ihr Patient aber war noch gebeutelt. Das Gift mochte nicht weiter in seinen Körper eindringen können, hatte ihn aber geschwächt. Er konnte sich kaum eigenständig aufrichten. Auch das Reden fiel ihm schwer. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Erst jetzt erkannte Phyline, dass auch sie gern einen Schluck Wasser getrunken hätte und es in ihrer Sorge um den Patienten vollkommen vergessen hatte zu beschaffen. Eine Quelle gab es in der Nähe in Form des kleinen Teiches. Sie wollte dem Fremden jedoch nicht suggerieren, nun ihr Heil in der Flucht zu suchen, indem sie es holte. Da fiel ihr Blick auf den Wasserschlauch seiner Ausrüstung und sie griff beherzt danach. Leider wartete sein Inhalt nur mit dem leicht vergorenen Geruch letzter Alkoholreste auf. So blieb ihr nichts Anderes übrig. Ihr Wissen aber teilte ihr mit, dass man stehende Gewässer meiden sollte. Es musste nicht unbedingt tödlich enden, aber Magenprobleme konnte der Mann nun wirklich nicht auch noch gebrauchen. So huschte Phyline mit dem Lederschlauch von Blatt zu Blatt und sammelte Regen- wie Tautropfen, ganz so als sei sie eine Fee aus den Märchen. Er beobachtete sie mit leichtem Glanz auf den Augen und wartete ab, bis sie zurückkehrte. Die Sehnsucht nach Flüssigkeit war größer als alles andere. Er trank zu hastig, hustete beim ersten Mal und zügelte sich beim zweiten Schluck. Der Schlauch war schnell geleert.
Erst danach widmete er sich Phyline, starrte sie geradezu an, dass es sie beinahe an Florenius erinnerte. Es existierte aber ein Unterschied. Dem blonden Soldaten fehlte die lüsterne Gier im Blick. Es lag etwas Anderes darin, das Phyline nicht wirklich deuten konnte. Er schaute sie jedoch keineswegs so an, als wolle er gleich über sie herfallen. Dabei hätte man es von ihm geradezu erwarten können - Soldat, allein im Dschungel seit wer-weiß-schon-wie-lang. Sicher quälte ihn die Einsamkeit. Kameraden hatte Phyline die Nacht lang nämlich weder gesehen noch gehört. Was machte jemand wie er hier bloß? Ähnliches schien der Soldat sich über Phyline zu fragen, was sie zum Lächeln brachte. Es wich Verlegenheit. Nicht aus Scham, sondern einer Antwort. Wie sollte Phyline ihm denn erklären, warum sie hier bei ihm allein im Urwald war und er halbnackt? Die Wahrheit würde er ihr kaum glauben. Sie glaubte es ja selbst noch nicht so richtig!
Sie entschied sich, bei ihm nicht unnötige Zweifel zu wecken. Vor allem wollte sie ihm nichts von ihrer Heimat Jorsan erzählen. Wenn sie das preisgäbe, hätte er wohl nicht nur einen Grund, ihr Leben zu beenden, sondern als Soldat vielleicht gar die Pflicht dazu. Wie lachhaft wäre dann ihr Glück, von einem Tigergott gerettet worden zu sein? Dann hätte sie es in ihrer Naivität wahrlich verdient! Nein, es war besser, darüber zu schweigen. So erzählte Phyline wachsam um Themen herum und erklärte so viel von der Wahrheit wie nötig, um dem Mann ein Gesamtbild der Lage zu schenken.
"Ich ... fand Euch hier auf dieser Lichtung. Ihr lagt inmitten von giftigem Efeu." Der Soldat runzelte kurz die Stirn. Dann wandte er sich um, so dass seine Augen erneut die gesamte Lichtung erfassen konnten. Nicht weit entfernt entdeckte er die grüne, leicht verrankte Fläche, die fast zu seinem Totenbett geworden wäre. "Das Gift hätte Euch das Leben gekostet."
"Ich schätze, so war es beabsichtigt", murmelte er mit verbissener Miene und eher zu sich selbst. Phyline hätte das wohl gar nicht hören sollen.
"Ich ... wollte Euch nicht sterben lassen..." Sein Kopf flog herum. Er musterte Phyline lange, während sich Überraschung und Zweifel vor der Kulisse seiner blauen Augen zum Duell stellten. Derweil erläuterte sie weiter, wie es dazu hatte kommen können, dass er von seiner Rüstung und auch einem Teil seiner Kleidung befreit worden war.
"Aber ich habe Euch nichts geraubt, wenn Ihr das glaubt! Seht selbst, Eure Rüstung liegt hier! Und Euer Rucksack dort! Ich habe nichts angerührt, das verspreche ich!" Sie wich zurück. Immerhin war er Grandessarer, Soldat und ... ein Mann. Männer konnten ihr Dinge antun. Sie bräuchte den kleinen Vorsprung, falls er sich nun an ihr rächen wollte. Der Fremde aber blieb sitzen. Er warf einen eher flüchtigen Blick zu seinen Habseligkeiten, schien er doch lieber Phyline mit seinem Blau erfassen zu wollen.
"Ich ... fülle noch einmal Wasser nach und ... besorge etwas zu essen." Sie griff zum zweiten Mal nach dem Wasserschlauch. Der Sodlat überließ ihn ihr, weil er viel zu perplex ob ihres plötzlichen Aufbruchs wirkte. So schaute er ihr nach, während Phyline nun die verbliebenen, übergroßen Blätter aufsuchte, die noch genug Regenwasser und Tau boten.
"Weißt du denn nicht, wer ich...?" Er seufzte, schüttelte den Kopf. Dann ließ er sich zurück auf das Lager sinken, das Phyline für ihn auserkoren hatte. Er beobachtete sie geraume Zeit, aber nicht allzu lang. Als sie mit einer Handvoll Erdbeeren zurückkehrte, schlief er schon wieder. So war es auch noch, nachdem sie mit Hilfe ihres Almanach weitere Beeren als essbar ausmachen konnte und auch diese sammelte. Sie brauchte dafür gut eine Stunde. Das erkannte sie an der Helligkeit des Tages. Das Sonnenlicht hatte ein morgendliches Gelb angenommen, das auch bis auf die Lichtung fiel. Es trocknete die Gräser und wärmte die Haut. Phyline sammelte auch noch einige Pilze, die ihr von vornherein bekannt vorkamen. Ohne ihr Kräuterbuch hätte sie sich aber wohl nicht zugetraut, sie zu pflücken. Gerade bei Wildpilzen musste man sehr vorsichtig sein. Nun aber war sie sich sicher, dass keiner von ihnen sich den Magen verdarb, wenn er sie verspeiste. Gebraten schmeckten sie noch besser, aber um das zu bewerkstelligen, hätte sie nun wenigstens ein Feuer entzünden müssen. Dafür eigneten sich Phyline Wildniskenntnisse leider nicht. Vielleicht könnte der Soldat helfen, falls er sich dafür schon wieder munter genug fühlte. Immerhin war er endlich wieder wach, als sie die letzten Pilze brachte und ein gütliches Frühstück herrichtete. Einen kräftigen Eindruck machte er jedoch noch immer nicht. Nach dem Essen wäre das bestimmt ganz anders!
"Esst! Ihr seid dem Tod von der Schippe gesprungen und müsst neue Kräfte sammeln. Wenn Ihr gestattet ... mein Name ist Phyline."
"Meinen kennst d- ... äh ... Ihr natürlich nicht." Doch statt ihn zu nennen, bedankte er sich zunächst für ihre Mühen, sowie das Mahl. Seine Augen glänzten sogar, als er die Erdbeeren entdeckte. Er griff sich gleich eine Handvoll und stopfte sie wenig manierlich in den Mund. Sein knurrender Magen entschuldigte es. Er war wirklich hungrig, aß auch den Großteil der Beeren und Pilze. Phyline vergaß er jedoch nicht dabei und schob ihr den Rest zu.
"Ich stamme aus G..." Er schaute auf. "... Shyána. Ich habe dort an der Universitätsklinik als Heilerin gearbeitet. Nun hat ... nennen wir ihn Schicksal, mich hierher gebracht. Doch wer seid Ihr? Was treibt einen grandessarischen Soldaten in die Tiefen des Urwalds Kapayu? Noch dazu allein oder wo sind Eure Gefährten? Wie kamt Ihr in die missliche Lage, die Euch fast das Leben gekostet hatte? Und woher stammt die N... woher stammt Ihr?"
Dem Soldaten fiel ein halb gegessener Pilz aus dem aufgeklappten Mund. Er ignorierte ihn und schmunzelte sacht, nachdem die neugierige Quelle ihm gegenüber endlich versiegte. "Lanjek ... das ... ist mein Name. Du ... Ihr stellt viele Fragen, Phyline." Er sammelte das Stückchen Pilz auf, um es sich in den Mund zu schieben. Langsam wirkten seine Wangen etwas rosiger. Seine Augen glänzten auch nicht mehr fiebrig. Er schien das Schlimmste überstanden zu haben. "Ihr seid keine Elfe", meinte er dann, ohne sie noch einmal zu betrachten. "Also seid Ihr nicht in Shyána geboren, nicht wahr? Stammt Ihr aus den Königreichen? Grandessa? Jorsan?" Er hob rasch die Hände zur Beschwichtigung. "Ich werde Euch nichts tun." Dann seufzte er und senkte den Blick. Für eine Weile schien Lanjek in Gedanken versunken zu sein, ehe er den Kopf schüttelte. "Meine ... Gefährten haben mich hier zurückgelassen. Oder eher die Dunkelelfen unter ihnen. Ihnen verdanke ich die Landung im Giftefeu." Er sah noch einmal über die Schulter zurück zu jener Stelle. "Sie sind kaltherzig. Mögen sie an den Mauern von Zyranus abgewehrt werden." Dann wanderte sein Blick zu Phyline zurück. "Dorthin war die Truppe unterwegs. Verstärkung für den ersten Aufmarsch gen Stadt der Magier, um diese einzunehmen. Ich schätze, das muss ich nun nicht mehr erleben. Jetzt bin ich wohl Deserteur." Er hob arglos die Schultern, aber in Grandessa wusste man, was das hieß. Wenn es jemand herausfände, würde Lanjek gehenkt. In Jorsan ging man glücklicherweise nicht so hart mit seinen Soldaten ins Gefecht, aber auch dort erwartete jemanden wie ihn wohl ein ähnliches Schicksal, würde er Phyline jetzt dorthin folgen. Immerhin war er der Feind.
"Nimm Shyána denn Gefallene wie mich auf, was meinst du? Ihr! Entschuldigt ... man verlernt so einiges, wenn man mit Raubeinen unterwegs ist." Verlegen rieb er sich die Nasenspitze. "Ihr habt so viele Fragen gestellt und ich glaube, ich habe kaum etwas beantwortet. Vielleicht in Ruhe? Habt Ihr etwas dagegen, wenn ... nun ... allein finde ich wohl nicht mehr aus dem Urwald hinaus."
So wie ein Bauer seine keimende Saat betrachtete, wanderten Phylines grüne Augen über jede Zentimeter des Soldaten. Ihr Blick tastete nicht nur die Kreuznarbe ab, sondern vor allem sein Gesicht. Zunächst hatte sie gedacht, es wäre glatt, aber bei genauerer Betrachtung erkannte sie eben doch erste Bartstoppeln. Das blonde Haar verbarg sich zu gut über der Farbe seiner Haut. Je länger sie ihn ansah, desto sicherer war sie sich, dass ihn in seiner Heimat einige Frauen mit flatternden Herzen anhimmeln würden. Stimmte das denn oder gefiel nur ihr seine Optik? Selbst wenn, musste man zugeben, dass er einen durchaus stattlichen Eindruck machte, aber diese Eigenschaft besaßen viel zu viele Soldaten. Training zahlte sich nun einmal aus. Aber der junge Mann hier vor ihr hinterließ in Phylines Sondierung eine Spur. Sie verstärkte sich, als unter dem dunkelblonden kurzen Schopf tiefblaue Augen ihr entgegen starrten. Beinahe wäre sie in den Gewässern ertrunken, hätte das abrupte Erwachen des Mannes sie nicht hastig zurückschrecken lassen. Schon sprang sie auf und suchte Abstand. Ihr Patient aber war noch gebeutelt. Das Gift mochte nicht weiter in seinen Körper eindringen können, hatte ihn aber geschwächt. Er konnte sich kaum eigenständig aufrichten. Auch das Reden fiel ihm schwer. Seine Kehle war wie ausgedörrt. Erst jetzt erkannte Phyline, dass auch sie gern einen Schluck Wasser getrunken hätte und es in ihrer Sorge um den Patienten vollkommen vergessen hatte zu beschaffen. Eine Quelle gab es in der Nähe in Form des kleinen Teiches. Sie wollte dem Fremden jedoch nicht suggerieren, nun ihr Heil in der Flucht zu suchen, indem sie es holte. Da fiel ihr Blick auf den Wasserschlauch seiner Ausrüstung und sie griff beherzt danach. Leider wartete sein Inhalt nur mit dem leicht vergorenen Geruch letzter Alkoholreste auf. So blieb ihr nichts Anderes übrig. Ihr Wissen aber teilte ihr mit, dass man stehende Gewässer meiden sollte. Es musste nicht unbedingt tödlich enden, aber Magenprobleme konnte der Mann nun wirklich nicht auch noch gebrauchen. So huschte Phyline mit dem Lederschlauch von Blatt zu Blatt und sammelte Regen- wie Tautropfen, ganz so als sei sie eine Fee aus den Märchen. Er beobachtete sie mit leichtem Glanz auf den Augen und wartete ab, bis sie zurückkehrte. Die Sehnsucht nach Flüssigkeit war größer als alles andere. Er trank zu hastig, hustete beim ersten Mal und zügelte sich beim zweiten Schluck. Der Schlauch war schnell geleert.
Erst danach widmete er sich Phyline, starrte sie geradezu an, dass es sie beinahe an Florenius erinnerte. Es existierte aber ein Unterschied. Dem blonden Soldaten fehlte die lüsterne Gier im Blick. Es lag etwas Anderes darin, das Phyline nicht wirklich deuten konnte. Er schaute sie jedoch keineswegs so an, als wolle er gleich über sie herfallen. Dabei hätte man es von ihm geradezu erwarten können - Soldat, allein im Dschungel seit wer-weiß-schon-wie-lang. Sicher quälte ihn die Einsamkeit. Kameraden hatte Phyline die Nacht lang nämlich weder gesehen noch gehört. Was machte jemand wie er hier bloß? Ähnliches schien der Soldat sich über Phyline zu fragen, was sie zum Lächeln brachte. Es wich Verlegenheit. Nicht aus Scham, sondern einer Antwort. Wie sollte Phyline ihm denn erklären, warum sie hier bei ihm allein im Urwald war und er halbnackt? Die Wahrheit würde er ihr kaum glauben. Sie glaubte es ja selbst noch nicht so richtig!
Sie entschied sich, bei ihm nicht unnötige Zweifel zu wecken. Vor allem wollte sie ihm nichts von ihrer Heimat Jorsan erzählen. Wenn sie das preisgäbe, hätte er wohl nicht nur einen Grund, ihr Leben zu beenden, sondern als Soldat vielleicht gar die Pflicht dazu. Wie lachhaft wäre dann ihr Glück, von einem Tigergott gerettet worden zu sein? Dann hätte sie es in ihrer Naivität wahrlich verdient! Nein, es war besser, darüber zu schweigen. So erzählte Phyline wachsam um Themen herum und erklärte so viel von der Wahrheit wie nötig, um dem Mann ein Gesamtbild der Lage zu schenken.
"Ich ... fand Euch hier auf dieser Lichtung. Ihr lagt inmitten von giftigem Efeu." Der Soldat runzelte kurz die Stirn. Dann wandte er sich um, so dass seine Augen erneut die gesamte Lichtung erfassen konnten. Nicht weit entfernt entdeckte er die grüne, leicht verrankte Fläche, die fast zu seinem Totenbett geworden wäre. "Das Gift hätte Euch das Leben gekostet."
"Ich schätze, so war es beabsichtigt", murmelte er mit verbissener Miene und eher zu sich selbst. Phyline hätte das wohl gar nicht hören sollen.
"Ich ... wollte Euch nicht sterben lassen..." Sein Kopf flog herum. Er musterte Phyline lange, während sich Überraschung und Zweifel vor der Kulisse seiner blauen Augen zum Duell stellten. Derweil erläuterte sie weiter, wie es dazu hatte kommen können, dass er von seiner Rüstung und auch einem Teil seiner Kleidung befreit worden war.
"Aber ich habe Euch nichts geraubt, wenn Ihr das glaubt! Seht selbst, Eure Rüstung liegt hier! Und Euer Rucksack dort! Ich habe nichts angerührt, das verspreche ich!" Sie wich zurück. Immerhin war er Grandessarer, Soldat und ... ein Mann. Männer konnten ihr Dinge antun. Sie bräuchte den kleinen Vorsprung, falls er sich nun an ihr rächen wollte. Der Fremde aber blieb sitzen. Er warf einen eher flüchtigen Blick zu seinen Habseligkeiten, schien er doch lieber Phyline mit seinem Blau erfassen zu wollen.
"Ich ... fülle noch einmal Wasser nach und ... besorge etwas zu essen." Sie griff zum zweiten Mal nach dem Wasserschlauch. Der Sodlat überließ ihn ihr, weil er viel zu perplex ob ihres plötzlichen Aufbruchs wirkte. So schaute er ihr nach, während Phyline nun die verbliebenen, übergroßen Blätter aufsuchte, die noch genug Regenwasser und Tau boten.
"Weißt du denn nicht, wer ich...?" Er seufzte, schüttelte den Kopf. Dann ließ er sich zurück auf das Lager sinken, das Phyline für ihn auserkoren hatte. Er beobachtete sie geraume Zeit, aber nicht allzu lang. Als sie mit einer Handvoll Erdbeeren zurückkehrte, schlief er schon wieder. So war es auch noch, nachdem sie mit Hilfe ihres Almanach weitere Beeren als essbar ausmachen konnte und auch diese sammelte. Sie brauchte dafür gut eine Stunde. Das erkannte sie an der Helligkeit des Tages. Das Sonnenlicht hatte ein morgendliches Gelb angenommen, das auch bis auf die Lichtung fiel. Es trocknete die Gräser und wärmte die Haut. Phyline sammelte auch noch einige Pilze, die ihr von vornherein bekannt vorkamen. Ohne ihr Kräuterbuch hätte sie sich aber wohl nicht zugetraut, sie zu pflücken. Gerade bei Wildpilzen musste man sehr vorsichtig sein. Nun aber war sie sich sicher, dass keiner von ihnen sich den Magen verdarb, wenn er sie verspeiste. Gebraten schmeckten sie noch besser, aber um das zu bewerkstelligen, hätte sie nun wenigstens ein Feuer entzünden müssen. Dafür eigneten sich Phyline Wildniskenntnisse leider nicht. Vielleicht könnte der Soldat helfen, falls er sich dafür schon wieder munter genug fühlte. Immerhin war er endlich wieder wach, als sie die letzten Pilze brachte und ein gütliches Frühstück herrichtete. Einen kräftigen Eindruck machte er jedoch noch immer nicht. Nach dem Essen wäre das bestimmt ganz anders!
"Esst! Ihr seid dem Tod von der Schippe gesprungen und müsst neue Kräfte sammeln. Wenn Ihr gestattet ... mein Name ist Phyline."
"Meinen kennst d- ... äh ... Ihr natürlich nicht." Doch statt ihn zu nennen, bedankte er sich zunächst für ihre Mühen, sowie das Mahl. Seine Augen glänzten sogar, als er die Erdbeeren entdeckte. Er griff sich gleich eine Handvoll und stopfte sie wenig manierlich in den Mund. Sein knurrender Magen entschuldigte es. Er war wirklich hungrig, aß auch den Großteil der Beeren und Pilze. Phyline vergaß er jedoch nicht dabei und schob ihr den Rest zu.
"Ich stamme aus G..." Er schaute auf. "... Shyána. Ich habe dort an der Universitätsklinik als Heilerin gearbeitet. Nun hat ... nennen wir ihn Schicksal, mich hierher gebracht. Doch wer seid Ihr? Was treibt einen grandessarischen Soldaten in die Tiefen des Urwalds Kapayu? Noch dazu allein oder wo sind Eure Gefährten? Wie kamt Ihr in die missliche Lage, die Euch fast das Leben gekostet hatte? Und woher stammt die N... woher stammt Ihr?"
Dem Soldaten fiel ein halb gegessener Pilz aus dem aufgeklappten Mund. Er ignorierte ihn und schmunzelte sacht, nachdem die neugierige Quelle ihm gegenüber endlich versiegte. "Lanjek ... das ... ist mein Name. Du ... Ihr stellt viele Fragen, Phyline." Er sammelte das Stückchen Pilz auf, um es sich in den Mund zu schieben. Langsam wirkten seine Wangen etwas rosiger. Seine Augen glänzten auch nicht mehr fiebrig. Er schien das Schlimmste überstanden zu haben. "Ihr seid keine Elfe", meinte er dann, ohne sie noch einmal zu betrachten. "Also seid Ihr nicht in Shyána geboren, nicht wahr? Stammt Ihr aus den Königreichen? Grandessa? Jorsan?" Er hob rasch die Hände zur Beschwichtigung. "Ich werde Euch nichts tun." Dann seufzte er und senkte den Blick. Für eine Weile schien Lanjek in Gedanken versunken zu sein, ehe er den Kopf schüttelte. "Meine ... Gefährten haben mich hier zurückgelassen. Oder eher die Dunkelelfen unter ihnen. Ihnen verdanke ich die Landung im Giftefeu." Er sah noch einmal über die Schulter zurück zu jener Stelle. "Sie sind kaltherzig. Mögen sie an den Mauern von Zyranus abgewehrt werden." Dann wanderte sein Blick zu Phyline zurück. "Dorthin war die Truppe unterwegs. Verstärkung für den ersten Aufmarsch gen Stadt der Magier, um diese einzunehmen. Ich schätze, das muss ich nun nicht mehr erleben. Jetzt bin ich wohl Deserteur." Er hob arglos die Schultern, aber in Grandessa wusste man, was das hieß. Wenn es jemand herausfände, würde Lanjek gehenkt. In Jorsan ging man glücklicherweise nicht so hart mit seinen Soldaten ins Gefecht, aber auch dort erwartete jemanden wie ihn wohl ein ähnliches Schicksal, würde er Phyline jetzt dorthin folgen. Immerhin war er der Feind.
"Nimm Shyána denn Gefallene wie mich auf, was meinst du? Ihr! Entschuldigt ... man verlernt so einiges, wenn man mit Raubeinen unterwegs ist." Verlegen rieb er sich die Nasenspitze. "Ihr habt so viele Fragen gestellt und ich glaube, ich habe kaum etwas beantwortet. Vielleicht in Ruhe? Habt Ihr etwas dagegen, wenn ... nun ... allein finde ich wohl nicht mehr aus dem Urwald hinaus."

-
- Gast
Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Florencias Gaben, in Form von Beeren und Pilzen, vermochten zumindest den gröbsten Hunger des jungen Grandessaners zu stillen. Gierig schob er sie sich händeweise in den Rachen. Jetzt nachdem er sich zumindest etwas stärken konnte, schien die fieberhafte Unruhe in seinen Augen zu weichen. Sein Blick wirkte klarer, doch Phyline konnte ihn nicht recht deuten – war es Dankbarkeit? Sicher war sie sich nicht. Zögerlich schob auch sie eine Beere in ihren Mund. Sie schmeckte intensiv und süßlich und auch Phyline vermochte durch das Mahl etwas Energie zurückzugewinnen.
“Lanjek ... das ... ist mein Name. Du ... Ihr stellt viele Fragen, Phyline“
Phylines Wangen nahmen einen zartrosafarbenen Ton an. Sie schämte sich etwas dafür, dass die Worte aus ihr heraussprudelten wie aus einem Wasserfall. Für gewöhnlich war sie zurückhaltender. Doch die Aufregung der Situation, dass sie nicht einer Bestie zum Opfer gefallen war, den Urwald bis hierhin überlebt hatte, einem Fremden sogar noch das Leben retten konnte – hatte eine zarte Pflanze der Hoffnung in ihr aufkeimen lassen.
"Ihr seid keine Elfe", meinte er dann, ohne sie noch einmal zu betrachten. "Also seid Ihr nicht in Shyána geboren, nicht wahr? Stammt Ihr aus den Königreichen? Grandessa? Jorsan?"
Phylines Augen weiteten sich erneut für einen Moment. Zwar hatte sie ihre Abstammung verschweigen wollen, doch natürlich war es offensichtlich, dass sie keine der Shyáner Elfen war. Ein kurzer Moment der Panik breitete sich in ihr aus, der Lanjek scheinbar sofort aufzufallen schien, da er augenblicklich versuchte sie mit Gesten zu beschwichtigen.
"Ich werde Euch nichts tun."
Phyline schloss ihre Augen und atmete tief durch. Eine begnadete Lügnerin war sie noch nie gewesen. Welchen Sinn hatte es nun auch noch? Zwar war er sicherlich im Hass über ihr Volk erzogen worden, doch in seiner derzeitigen Situation schien dies kaum eine Rolle zu spielen. Sie öffnete ihre Augen und sah ihn mit einem Blick an, der selbstbewusst wirken sollte.
„Nein, eine Elfe bin ich gewiss nicht. Ich bin in Ganda geboren, einem kleinen Dorf im Königreich Jorsan. In den letzten Jahren habe ich aber in Shyána als Heilerin gearbeitet. Ich sah euren Schild und…“ Sie sah ihn verunsichert an, doch versuchte die Situation mit einem leichten Lächeln zu überspielen „Wir sind also natürliche Feinde nehme ich an.“ Daraufhin wurde ihr Blick ernster und ihre Finger verkrampften sich „Feinde… doch nicht einmal Feinde verdienen ein solch grausames Schicksal.“
“Meine ... Gefährten haben mich hier zurückgelassen. Oder eher die Dunkelelfen unter ihnen. Ihnen verdanke ich die Landung im Giftefeu. Sie sind kaltherzig. Mögen sie an den Mauern von Zyranus abgewehrt werden. Dorthin war die Truppe unterwegs. Verstärkung für den ersten Aufmarsch gen Stadt der Magier, um diese einzunehmen. Ich schätze, das muss ich nun nicht mehr erleben. Jetzt bin ich wohl Deserteur.“
Phyline wusste nicht ganz wie sie seine Worte zu deuten hatte und blieb stumm.
Dunkelelfen? Er… paktierte also mit dem dunklen Volk? Also ist er… gefährlich? Er wirkt nicht gerade so, als wäre er Anhänger dieses Volkes der… Schänder. Unsere Schicksale mögen für den Augenblick verwoben sein, doch scheinbar ist hier dennoch Vorsicht geboten.
Sie blickte ihn argwöhnisch an. Ihr brannten weitere Fragen auf den Lippen, doch hatten seine Worte sie nun verunsichert und sie schluckte diese zunächst herunter.
Warum hatten die Dunkelelfen ihn zum Sterben zurückgelassen? War er gegebenenfalls doch nicht einverstanden mit ihren grausamen Methoden? Doch diese waren ihm sicherlich davor auch schon bekannt gewesen. Ein plötzlicher Sinneswandel? Doch weshalb? Oder war er vielleicht nicht viel mehr als ein Gefangener gewesen, ein Sklave ihres Willens?
“Nimmt Shyána denn Gefallene wie mich auf, was meinst du? Ihr! Entschuldigt ... man verlernt so einiges, wenn man mit Raubeinen unterwegs ist.“
Shyána… Sicherlich wäre für den gepeinigten Soldaten ein Bett in der Universitätsklinik zu ergattern. Schließlich waren die Shyáner Elfen ein hilfsbereites Volk. Was sie jedoch von einem Deserteur des dunkelelfischen Heeres sagen mochten? Phyline wusste nicht, ob er mit offenen Armen empfangen werden würde. Zumindest vermutete sie, dass ihm hier nicht die Todesstrafe drohen sollte.
Auch in ihr formte sich der Gedanke an eine Rückkehr in die Talsenke. In ihre gewohnte Umgebung, ihre Wahlheimat. Noch vor wenigen Stunden hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht als wieder in die Elfenstadt zurückzukehren. Doch beim Gedanken an ihre Rückkehr verkrampfte sich ihr Magen. Die Bilder ihres Gemaches mit den immer näherkommenden Wänden kehrten in ihren Kopf zurück. Das Spiegelbild der Hülle, die einst sie gewesen war. Die Straßen der Stadt, die sie wie ein Gefängnis eingekesselt hatten. Phyline wollte nichts lieber als zurück in ihren Alltag – und gleichzeitig wollte sie nichts anderes als möglichst weit weg davon. Sie blickte Lanjek mit verzweifeltem Gesichtsausdruck an.
“Ihr habt so viele Fragen gestellt und ich glaube, ich habe kaum etwas beantwortet. Vielleicht in Ruhe? Habt Ihr etwas dagegen, wenn ... nun ... allein finde ich wohl nicht mehr aus dem Urwald hinaus.“
Erneut atmete Phyline tief durch. Sie blickte Lanjek in seine tiefblauen Augen. Verzweiflung, Hoffnung, Angst und Entschlossenheit spiegelten sich allesamt gleichzeitig in ihrem Ausdruck wider.
„Ihr habt Recht. Alleine schafft keiner von uns beiden aus diesem Urwald hinaus. Doch gemeinsam… haben wir zumindest eine Chance.“ versuchte Phyline den Soldaten und sich selbst aufzubauen. Sie stand auf wanderte ein letztes Mal von Pflanze zu Pflanze um die letzten Reste des Wassers einzusammeln. Sie schleuderte einige Erdbeeren in seinen Rucksack und sammelte auch ihr eigenes Hab und Gut zusammen. Anschließend schleppte sie die grandessanische Rüstung zu Lanjek und half ihm diese wieder anzulegen und hoffte diesen Schritt später nicht bereuen zu müssen.
Sie zog ihn an den Armen hoch, so gut es ihr als zartes Mädchen möglich war einen Soldaten in Rüstung dabei zu unterstützen. Einen kurzen Moment standen sie sich gegenüber, Phyline hielt seine Hände noch fest, damit er wieder Balance finden konnte. Sie lächelte ihn an. Die Zuversicht begann den Kampf der Emotionen in ihr zu gewinnen. „Wir werden es gemeinsam lebend hieraus schaffen Lanjek!“ Sie musterte ihn mit ihren sanften Augen, die nun eine leichte Hoffnung versprühten. Dass der grandessanische Soldat Phyline zu kennen schien, war ihr bisher entgangen. Jetzt, als sie sich so nah gegenüberstanden, kam auch er Phyline für einen kurzen Moment seltsam vertraut vor, auch wenn noch kein Funke der Erkenntnis sich in ihr entzündete. Als sie ihm Angesicht zu Angesicht gegenüberstand und ihn musterte, erinnerte er sie für einen flüchtigen Augenblick an Florenius, auch wenn ihm die verschlagene Aura und der lüsterne Blick fehlten.
Blitzschnell ließ sie seine Hände und dreht sich um in Richtung des Dschungels. Ein Schauer durchfuhr ihren Körper und sie gewann einige Schritte Abstand zwischen den beiden. Eine grüne Wand tat sich vor ihr auf. Aus ihr tönte immer noch die Symphonie der unterschiedlichsten Tiergesänge und -schreie. „Nur…“ sprach sie, dank des kurzen Schocks schon etwas weniger zuversichtlich und ohne ihn erneut anzusehen „müsst ihr den Weg vorgeben. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht welcher Weg aus diesem grünen Labyrinth hinausführt.“
“Lanjek ... das ... ist mein Name. Du ... Ihr stellt viele Fragen, Phyline“
Phylines Wangen nahmen einen zartrosafarbenen Ton an. Sie schämte sich etwas dafür, dass die Worte aus ihr heraussprudelten wie aus einem Wasserfall. Für gewöhnlich war sie zurückhaltender. Doch die Aufregung der Situation, dass sie nicht einer Bestie zum Opfer gefallen war, den Urwald bis hierhin überlebt hatte, einem Fremden sogar noch das Leben retten konnte – hatte eine zarte Pflanze der Hoffnung in ihr aufkeimen lassen.
"Ihr seid keine Elfe", meinte er dann, ohne sie noch einmal zu betrachten. "Also seid Ihr nicht in Shyána geboren, nicht wahr? Stammt Ihr aus den Königreichen? Grandessa? Jorsan?"
Phylines Augen weiteten sich erneut für einen Moment. Zwar hatte sie ihre Abstammung verschweigen wollen, doch natürlich war es offensichtlich, dass sie keine der Shyáner Elfen war. Ein kurzer Moment der Panik breitete sich in ihr aus, der Lanjek scheinbar sofort aufzufallen schien, da er augenblicklich versuchte sie mit Gesten zu beschwichtigen.
"Ich werde Euch nichts tun."
Phyline schloss ihre Augen und atmete tief durch. Eine begnadete Lügnerin war sie noch nie gewesen. Welchen Sinn hatte es nun auch noch? Zwar war er sicherlich im Hass über ihr Volk erzogen worden, doch in seiner derzeitigen Situation schien dies kaum eine Rolle zu spielen. Sie öffnete ihre Augen und sah ihn mit einem Blick an, der selbstbewusst wirken sollte.
„Nein, eine Elfe bin ich gewiss nicht. Ich bin in Ganda geboren, einem kleinen Dorf im Königreich Jorsan. In den letzten Jahren habe ich aber in Shyána als Heilerin gearbeitet. Ich sah euren Schild und…“ Sie sah ihn verunsichert an, doch versuchte die Situation mit einem leichten Lächeln zu überspielen „Wir sind also natürliche Feinde nehme ich an.“ Daraufhin wurde ihr Blick ernster und ihre Finger verkrampften sich „Feinde… doch nicht einmal Feinde verdienen ein solch grausames Schicksal.“
“Meine ... Gefährten haben mich hier zurückgelassen. Oder eher die Dunkelelfen unter ihnen. Ihnen verdanke ich die Landung im Giftefeu. Sie sind kaltherzig. Mögen sie an den Mauern von Zyranus abgewehrt werden. Dorthin war die Truppe unterwegs. Verstärkung für den ersten Aufmarsch gen Stadt der Magier, um diese einzunehmen. Ich schätze, das muss ich nun nicht mehr erleben. Jetzt bin ich wohl Deserteur.“
Phyline wusste nicht ganz wie sie seine Worte zu deuten hatte und blieb stumm.
Dunkelelfen? Er… paktierte also mit dem dunklen Volk? Also ist er… gefährlich? Er wirkt nicht gerade so, als wäre er Anhänger dieses Volkes der… Schänder. Unsere Schicksale mögen für den Augenblick verwoben sein, doch scheinbar ist hier dennoch Vorsicht geboten.
Sie blickte ihn argwöhnisch an. Ihr brannten weitere Fragen auf den Lippen, doch hatten seine Worte sie nun verunsichert und sie schluckte diese zunächst herunter.
Warum hatten die Dunkelelfen ihn zum Sterben zurückgelassen? War er gegebenenfalls doch nicht einverstanden mit ihren grausamen Methoden? Doch diese waren ihm sicherlich davor auch schon bekannt gewesen. Ein plötzlicher Sinneswandel? Doch weshalb? Oder war er vielleicht nicht viel mehr als ein Gefangener gewesen, ein Sklave ihres Willens?
“Nimmt Shyána denn Gefallene wie mich auf, was meinst du? Ihr! Entschuldigt ... man verlernt so einiges, wenn man mit Raubeinen unterwegs ist.“
Shyána… Sicherlich wäre für den gepeinigten Soldaten ein Bett in der Universitätsklinik zu ergattern. Schließlich waren die Shyáner Elfen ein hilfsbereites Volk. Was sie jedoch von einem Deserteur des dunkelelfischen Heeres sagen mochten? Phyline wusste nicht, ob er mit offenen Armen empfangen werden würde. Zumindest vermutete sie, dass ihm hier nicht die Todesstrafe drohen sollte.
Auch in ihr formte sich der Gedanke an eine Rückkehr in die Talsenke. In ihre gewohnte Umgebung, ihre Wahlheimat. Noch vor wenigen Stunden hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht als wieder in die Elfenstadt zurückzukehren. Doch beim Gedanken an ihre Rückkehr verkrampfte sich ihr Magen. Die Bilder ihres Gemaches mit den immer näherkommenden Wänden kehrten in ihren Kopf zurück. Das Spiegelbild der Hülle, die einst sie gewesen war. Die Straßen der Stadt, die sie wie ein Gefängnis eingekesselt hatten. Phyline wollte nichts lieber als zurück in ihren Alltag – und gleichzeitig wollte sie nichts anderes als möglichst weit weg davon. Sie blickte Lanjek mit verzweifeltem Gesichtsausdruck an.
“Ihr habt so viele Fragen gestellt und ich glaube, ich habe kaum etwas beantwortet. Vielleicht in Ruhe? Habt Ihr etwas dagegen, wenn ... nun ... allein finde ich wohl nicht mehr aus dem Urwald hinaus.“
Erneut atmete Phyline tief durch. Sie blickte Lanjek in seine tiefblauen Augen. Verzweiflung, Hoffnung, Angst und Entschlossenheit spiegelten sich allesamt gleichzeitig in ihrem Ausdruck wider.
„Ihr habt Recht. Alleine schafft keiner von uns beiden aus diesem Urwald hinaus. Doch gemeinsam… haben wir zumindest eine Chance.“ versuchte Phyline den Soldaten und sich selbst aufzubauen. Sie stand auf wanderte ein letztes Mal von Pflanze zu Pflanze um die letzten Reste des Wassers einzusammeln. Sie schleuderte einige Erdbeeren in seinen Rucksack und sammelte auch ihr eigenes Hab und Gut zusammen. Anschließend schleppte sie die grandessanische Rüstung zu Lanjek und half ihm diese wieder anzulegen und hoffte diesen Schritt später nicht bereuen zu müssen.
Sie zog ihn an den Armen hoch, so gut es ihr als zartes Mädchen möglich war einen Soldaten in Rüstung dabei zu unterstützen. Einen kurzen Moment standen sie sich gegenüber, Phyline hielt seine Hände noch fest, damit er wieder Balance finden konnte. Sie lächelte ihn an. Die Zuversicht begann den Kampf der Emotionen in ihr zu gewinnen. „Wir werden es gemeinsam lebend hieraus schaffen Lanjek!“ Sie musterte ihn mit ihren sanften Augen, die nun eine leichte Hoffnung versprühten. Dass der grandessanische Soldat Phyline zu kennen schien, war ihr bisher entgangen. Jetzt, als sie sich so nah gegenüberstanden, kam auch er Phyline für einen kurzen Moment seltsam vertraut vor, auch wenn noch kein Funke der Erkenntnis sich in ihr entzündete. Als sie ihm Angesicht zu Angesicht gegenüberstand und ihn musterte, erinnerte er sie für einen flüchtigen Augenblick an Florenius, auch wenn ihm die verschlagene Aura und der lüsterne Blick fehlten.
Blitzschnell ließ sie seine Hände und dreht sich um in Richtung des Dschungels. Ein Schauer durchfuhr ihren Körper und sie gewann einige Schritte Abstand zwischen den beiden. Eine grüne Wand tat sich vor ihr auf. Aus ihr tönte immer noch die Symphonie der unterschiedlichsten Tiergesänge und -schreie. „Nur…“ sprach sie, dank des kurzen Schocks schon etwas weniger zuversichtlich und ohne ihn erneut anzusehen „müsst ihr den Weg vorgeben. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht welcher Weg aus diesem grünen Labyrinth hinausführt.“
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Re: Verloren im Labyrinth des Urwaldes
Was Phyline seit ihrer spontanen Flucht aus Shyána Nelle alles im Urwald widerfahren war, konnte der Soldat natürlich nicht ahnen. Man sah es ihr schließlich nicht an der Nasenspitze an. Wahrscheinlicher war, wenn man den Blick an ihrem Körper entlanggleiten ließ. Der Tiger mochte sie nicht gefressen haben, aber sie war von durch den halben Kapayu geschleppt worden wie eines seiner Kätzchen. Leider maß Phyline deutlich mehr an Größe und so hatte der Dschungelboden zahlreiche Kratzer an ihr und ihrer Kleidung hinterlassen. Nichts von Belang. Sie würde weder verbluten, noch schmerzte es anhaltend spürbar, aber ein wenig gelitten hatten Haut und Stoff durchaus.
Gleichermaßen ließ sich auch an Lanjek schwer absehen, was er erlebt haben mochte. Seine Rüstung hatte ihn geschützt, aber vor Giftefeu war er nicht gefeit gewesen. Er gehörte zum verfehdeten Grandessa, was das Wappen auf seinem Schild und die Farben seines Wappenrockes sofort sichtbar machten. Er besaß eine Kreuznarbe auf der Schulter, die allerdings schon ein wenig älter zu sein schien. Im Urwald konnte er sie sich unmöglich geholt haben. Alles andere ließ sich wohl nur durch ein Gespräch herausfinden. Beim gemeinsamen Frühstück hatte Phyline die Möglichkeit dazu und die Fragen sprudelten geradezu aus ihr heraus. Etwas, das ihr im Nachhinein ein wenig peinlich war, doch Lanjek kommentierte es lediglich, versuchte aber, auf ihre Fragen einzugehen. Dass er nicht alle beantworten konnte, lag wohl an der Masse. Vieles Gefragte ging einfach unter. Aber er bemühte sich, Phyline zu informieren, zeigte sich seinerseits aber auch an ihr interessiert - auf eine deutlich andere Weise als Florenius es seiner Zeit getan hatte. Lanjek wirkte ... aufrichtig nett. Er beteuerte sogar, ihr nichts anzutun, nachdem heraus war, dass sie quasi Feinde zu sein hatten-
"Ich sah Euren Schild und ... Wir sind also natürliche Feinde, nehme ich an."
Lanjek zuckte zusammen, als hätte sie ihn geohrfeigt. Er starrte Phyline tief in die Augen, ehe sein Blick langsam zu jenem angesprochenen Schild wanderte. Wie betäubt betrachtete er sich das Wappen darauf. "Feinde ... doch nicht einmal Feinde verdienen ein solch grausames Schicksal."
Seine Augen kehrten zu ihr zurück. "Danke, dass du - Ihr! - über diesen Umstand hinweg gesehen und mich gerettet habt." Er nickte. Plötzlich fuhr seine Hand vor, als wollte er nach Phyline greifen. Sein Blick flackerte in einer seltsamen Erkenntnis und er brach das Vorhaben ab, ehe er es ganz hatte durchführen können. Seine Finger sanken zurück auf den eigenen Schoß. "Danke", wiederholte er noch einmal. Schließlich erzählte er ihr, wie es passieren konnte, dass er als grandessarischer Soldat mitten im Urwald gelandet war. Er erzählte von Dunkelelfen, die Teil seiner Truppe gewesen sein mussten und ihn hier tatsächlich zum Sterben zurückgelassen hatten. Offenbar war noch mehr vorgefallen, auf das er nun aber nicht einging. Es war auch nicht so wichtig. Jetzt saß er hier und zählte trotz seiner Rüstung nicht länger als Teil des grandessarischen Militärs - zumindest, falls herauskäme, dass er desertiert war.
"Angesichts dieser Tatsache müssen wir nun aber keine Feinde sein, schätze ich." Er hob die Schultern an und schmunzelte entwaffnend. "Ich habe nicht vor, gegen Euch vorzugehen, Phyline. Warum auch? Ihr habt mich gerettet. Ich ... schulde Euch etwas." Er sah sie lang an. Phyline konnte nicht ganz so offen sein. Lanjeks Worte hatten gewissen Misstrauen in ihr hervorgerufen. Die Dunkelelfen waren keine Grandessaner, aber selbst nach Jorsan waren inzwischen Gerüchte gedrungen, dass das gegnerische Königreich sich mit ihnen verbündet hatte. Warum bisher noch keine große Invasion auf Jorsan stattgefunden hatte, fragten sich jedoch einige. Natürlich passierten kleinere und größere Scharmützel an den Grenzen und teilweise sollten auch schon dunkle Völker involviert gewesen sein. Wenn sich aber zwei ganze Reiche zusammentaten, sollte man doch meinen, dass dies auch spürbar in einen Angriffskrieg enden würde. Das war bisweilen nicht geschenen ... oder hatte Phyline es mit ihrer Reise nach Shyána Nelle verpasst? Das elfische Paradies lag so sicher versteckt und abgelegen, dass es nicht viel von der Welt außerhalb des Urwalds mitbekam. Musste Jorsan sich inzwischen gegen Grandessa behaupten, das nun auch noch von Dunkelelfen unterstützt wurde? Aber Lanjek hatte davon gesprochen, nach Zyranus unterwegs gewesen zu sein. Phyline würde die militärischen Stragetien wohl nicht ganz verstehen. Es war nicht ihre Welt und so half es wohl auch nicht, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Sollte sie jedoch interessiert sein, könnte sie den Soldaten mit ein wenig Glück vielleicht ausfragen. Immerhin wünschte jener sich sogar Frieden zwischen ihr und ihm. Phyline wollte vorerst jedoch vorsichtig bleiben.
Sie unterhielten sich noch ein wenig weiter. Lanjek mutmaßte, dass Phyline sicher zurück nach Shyána kehren wollte und fragte sich, ob er als desertierter Soldat dort Willkommen wäre. Eine Antwort erhielt er nicht, so lenkte er das Gespräch in die Richtung, erst einmal aus dem Urwald zu gelangen. Obwohl er der Soldat war, schätzte er ein, allein nicht den Weg hinaus zu finden. Er wollte sich mit Phyline zusammentun. Sie sah die Vernunft darin. Würden sie aufgrund ihrer verfehdeten Heimatgebiete nun stur bleiben und jeder seinen eigenen Weg durch den Dschungel bahnen, würde die nächste Begegnung mit einem Tiger garantiert tödlich enden. Zusammen hatten sie einfach bessere Chancen.
So begann Phyline, einige Vorräte zusammenzupacken. Erneut pflückte sie, was sich gut transportieren ließ und ihre Mägen füllen könnte. sie füllte Wasser auf, sammelte Beeren und verstaute alles in ihrem Rucksack. Lanjek überließ ihr nicht die alleinige Arbeit. Er brauchte allerdings zunächst etwas Zeit, seine Rüstung wieder anzulegen. Als dies geschehen war, half Phyline ihn dabei, aufzustehen. Es war mehr ein symbolischer Akt, aber Lanjek verspottete sie nicht, sondern ergriff ihre Hände und erhob sich zurück in den Stand. Er sah durchaus stattlich aus, erinnerte an die wachsamen Soldaten ihrer jorsanischen Heimat. Phyline betrachtete ihn und Lanjek erwiderte ihren Blick. Beide bemerkten gar nicht, dass sie einander längere Zeit als gewöhnlich an den Händen hielten.
"Wir werden es gemeinsam lebend hier raus schaffen, Lanjek!"
"Ja. Ich schulde dir mein Leben und verspreche dir, dich zu beschützen ... Phyline." Seine Worte, sein unbewusstes Vorneigen, sein Blick auf diesen tiefblauen Augen und seine Nähe weckten in Phyline über ein Gefühl der Geborgenheit vor allem etwas Anderes: Sie erinnerte sich an Florenius. Es mochte nur ein Blitz in ihrem Sturm aus Gedanken sein, aber er reichte aus, sich vor dem nachfolgenden Donner zu fürchten. Schon suchte sie Schutz, indem sie Abstand zu dem Soldaten gewann und sich dem Urwald zuwandte. Lanjek beobachtete ihre kleine Flucht. Er seufzte. Dann aber begann auch er nun, einige Dinge einzupacken. Dabei lag sein Fokus weniger auf Nahrung - dafür sorgte Phyline ja bereits - sondern auf biegsamen Stöcken und großen Blättern, die er wie Decken zusammenrollte und sie dann mit Stücken einiger Lianen zusammenband. "Falls wir einen Unterschlupf brauchen und es regnet, können wir daraus eine Art Plandach bauen", erklärte er ihr. Er war nicht hilflos. Seine militärische Ausbildung hatte ihn auf das Überleben im Allgemeinen vorbereitet, nur den speizellen Teil der Gefahren des Urwalds ausgelassen. Lanjek prüfte auch die Schärfe seiner Streitaxt, als er einige Blätter und Zweige damit klein hieb. Er wirkte zufrieden. Die Waffe sollte ausreichen, ihn zu verteidigen, konnte ihnen aber ebenso einen Weg durch unwegsames Gelände bahnen.
Phyline erhielt ein wenig Zeit, sich wieder zu sammeln. Vor allem aber konnte sie sich die Wand des Kapayu anschauen, die sich bis zum Himmel vor ihr auftat. Der Stand der Sonne ließ sich kaum ausmachen. Über ihr wartete wildes Blattwerk, buntes Laub, Rankengewächse mit ebenso bunten Blumen, zahlreiche Vogelarten, kleine Affen, Reptilien ... der Dschungel bot einiges, davon mindestens so viel Gefahr wie Schönheit. Nur eines besaß er nicht: klare Pfade.
"Nur müsst Ihr den Weg vorgeben. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, welcher Weg aus diesem grünen Labyrinth hinausführt."
"Dann sind wir schon zwei", erwiderte der Soldat. Er erschien neben Phyline, den eigenen Rucksack gepackt. Er musterte sie wieder, wobei etwas Fragendes in seinen Augen glomm. "Soll ich deine - Eure! - Sachen tragen?" Sein Fieber schien verschwunden, aber er würde sich noch schonen müssen. Dennoch machte er ihr das Angebot. Was auch immer Phyline antwortete, gemeinsam machten sie sich daraufhin von der Lichtung aus fort und wieder in den Dschungel hinein. "Mit der Truppe bin ich einfach nur meinem Vordermann nachmarschiert und der dessen Vordermann. Unter Hauptmann hat uns angeführt, beraten von seinen Kundschaftern. Ich gebe zu, ich laufe nun ebenfalls etwas blindlings in das Grün hinein." Lanjek lachte auf, aber es klang eher selbstironisch. Er konnte mit seiner Axt sicherlich zahlreiche Wunden reißen, aber durch den Urwald spazieren stellte sich doch als Herausforderung heraus. Trotzdem schien er Phylne nicht den Mut nehmen zu wollen. "Wir schaffen es", wiederholte er ihre zuversichtlichen Worte.
Sie marschierten. Nein, sie spazierten eher und kämpften sich mancherorts voran. Ein zügiges Tempo konnten sie beide nicht lange aufrecht erhalten. Der Kapayu hinderte sie aber auch daran. Er war dicht, unerschlossen. Mehr als einmal musste Lanjek seine Axt schwingen. Das Blatt würde bald abstumpfen, doch noch konnte er ihnen einen Weg durch das dichte Dickicht frei hacken. Er und Phyline machten Pausen, wann immer sich eine Gelegenheit bot. Kleine Gewässer mit frischem Trinkwasser von plätschernden Fällen boten solche Rastplätze ebenso wie ein unerwartet entdeckter Hain mit kleinen Obstbäumen oder eine Lichtung, auf der wilde Ananasbüsche wie gezackte Blumen eine Wiese bildeten. Bei einer ihrer Pausen begegneten sie einer Gruppe Totenkopfäffchen - niedlich anzusehen, aber es war besser, sich ihnen fernzuhalten. Sie waren eher frech, denn gefährlich und versuchten, alles zu stehlen, was nicht niet- und nagelfest war. Es gelang ihnen, Lanjeks zusammengepackte Blätterbündel zu rauben, sowie eines von Phylines Büchern. Dass sie es nicht lesen würde, bewiesen die haarigen Gesellen, als sie in sichere Höhe einiger Bäume flohen und es von dort balt weiße Fetzen Pergament herab regnete.
Schließlich hielt der Abend wieder Einzug. Man bemerkte es, weil der gesamte Urwald in ein rötliches Licht getaucht wurde, dass die letzten Sonnenstrahlen wie ein fern gelegener Goldschatz durch das Unterholz schimmerten. Die Geräusche der vielen Waldbewohner nahmen zu, weckten aber auch Unbehagen. "In der Dämmerung gehen die Jäger ihrem Tagwerk nach", meinte Lanjek und er klang ernster als bisher. "Wir sollten uns lieber einen Unterschlupf suchen, solange es noch hell genug dafür ist. Vielleicht wäre eine Fackel keine schlechte Idee." Er setzte seinen Rucksack ab. Inzwischen perlte schon wieder Schweiß auf seiner Stirn. Trotz der vielen Pausen war ein Marsch eben anstrengend. Erholung hatte er nicht viel finden können. Und Phyline? Die war für solche Abenteuer nicht wirklich gemacht. Sie hatte in den letzten Jahren mehr Zeit in sicheren Stuben verbracht als in der Wildnis unterwegs gewesen zu sein.
"Ah!" Lanjek holte hervor, was er im Rucksack gesucht hatte. Ein Stein und eine metallische, dicke Stange. "Feuerstein und Stahl. Damit kann ich ein paar Funken entfachen." Er sah sich um. "Wir brauchen einen guten Stecken, der als Fackel dienen kann. Dann muss ich brennbares Material um die Spitze wickeln. Alkohol wäre perfekt, aber ich schätze, so viel Glück haben wir ni... Moment mal! Du bist doch Heilerin oder nicht? Hast du Wundalkohol dabei?" Lanjek werkelte bereits daran, einen Stock für eien Fackel vorzubereiten. Er sprach mit Phyline, schaute aber nicht zu ihr herüber. Dafür entdeckte sie ein Paar fremder Augen, das ihr direkt aus der Dunkelheit einiger Büsche entgegen zu starren schien. Tiefgrün, aber nicht tierischer Art, wurden sie von kupferfarbener Haut umrahmt. Noch beobachtete sie dieses Augenpaar nur, aber als Lanjek plötzlich aufschrie, reagierte der Besitzer dieses waldgrünen Blicks.
"WAS ZUM-?!" Lanjek stürzte. Bei seiner Suche nach Brennmaterial musste er gestolpert sein. Jetzt lag er am Dschungelboden, das Gesicht hatte einige Zweige und Blätter geküsst. Er spuckte Erde und wischte sich über die Lippen. Dann drehte er sich um und ächzte sofort. "Mein Bein", fluchte er und wackelte mit dem rechten Fuß. Es half nicht. Um seine Fußfessel schlangen sich dornenartige Lianenranken und je mehr er sich bewegte, desto fester zogen sie sich zusammen. Das war keine natürliche, sondern eine künstlich hergestellte und bewusst ausgelegte Falle. Im nächsten Moment flog etwas durch das Zwielicht des hereinbrechenden Abends. Phyline konnte nur noch die Maschen des Netzes erkennen, ehe sein Gewicht sich über sie legte. Festgebundene Steine an den vier Enden zwangen sie ein wenig in die Knie. Das Material bestand aus verflochtenen Fasern, war fest und ohne eine scharfe Schneide wohl nicht zu durchtrennen.
Endlich erschien, was sie vorher mit grünen Augen beobachtet hatte. Ein Mann mit Haut in der Farbe der Fuchsmünzen in ihrem Gepäck, trat aufrecht aus dem Dickicht. In der rechten Hand hielt er ein primitives Jagdmesser mit steinerner Spitze. Gekleidet war er lediglich in einen Lendenschurz, so dass Phyline seinen gestählten, ansonsten nackten Körper ausgiebig betrachten konnte. Zahlreiche Narben von tierischen Klauen, Krallen und Zähnen zierten seinen Leib ebenso wie lederne Bände mit kleinen Holzperlen und Knochen. Sein schwarzes Haar hielt er mit solchen Bändern zusammen. Dennoch fielen einige verfilzte dicke Stränge davon über seine Schultern. "Feinde oder Beute? Hmmm ... ich finde es schon noch heraus."
Phyline verstand die Worte nicht, konnte die Sprache aber soweit deuten, um sie als Tabija zu erkennen. Sie hatte gebraucht, sich an das elfische Lyrintha der Shyáner zu gewöhnen, wohl aber auch hin und wieder bemerkt, dass gerade deren Jäger und Kundschafter gern mal Laute nutzten, die ein Gemisch aus Vogelgesängen und dem Kreischen der Waldaffen zu ähneln schien. Der Fremde sprach ebenfalls so, so dass sie es zumindest als Tabija erkennen konnte. Das konnte nur eine bedeuten: Vor ihnen stand ein Jäger des Tabikivolkes ... und er schien deutlich mehr Interesse an ihr zu haben als an Lanjek. Denn er umrundete Phyline und begutachtete sie unter seinem Netz.
Gleichermaßen ließ sich auch an Lanjek schwer absehen, was er erlebt haben mochte. Seine Rüstung hatte ihn geschützt, aber vor Giftefeu war er nicht gefeit gewesen. Er gehörte zum verfehdeten Grandessa, was das Wappen auf seinem Schild und die Farben seines Wappenrockes sofort sichtbar machten. Er besaß eine Kreuznarbe auf der Schulter, die allerdings schon ein wenig älter zu sein schien. Im Urwald konnte er sie sich unmöglich geholt haben. Alles andere ließ sich wohl nur durch ein Gespräch herausfinden. Beim gemeinsamen Frühstück hatte Phyline die Möglichkeit dazu und die Fragen sprudelten geradezu aus ihr heraus. Etwas, das ihr im Nachhinein ein wenig peinlich war, doch Lanjek kommentierte es lediglich, versuchte aber, auf ihre Fragen einzugehen. Dass er nicht alle beantworten konnte, lag wohl an der Masse. Vieles Gefragte ging einfach unter. Aber er bemühte sich, Phyline zu informieren, zeigte sich seinerseits aber auch an ihr interessiert - auf eine deutlich andere Weise als Florenius es seiner Zeit getan hatte. Lanjek wirkte ... aufrichtig nett. Er beteuerte sogar, ihr nichts anzutun, nachdem heraus war, dass sie quasi Feinde zu sein hatten-
"Ich sah Euren Schild und ... Wir sind also natürliche Feinde, nehme ich an."
Lanjek zuckte zusammen, als hätte sie ihn geohrfeigt. Er starrte Phyline tief in die Augen, ehe sein Blick langsam zu jenem angesprochenen Schild wanderte. Wie betäubt betrachtete er sich das Wappen darauf. "Feinde ... doch nicht einmal Feinde verdienen ein solch grausames Schicksal."
Seine Augen kehrten zu ihr zurück. "Danke, dass du - Ihr! - über diesen Umstand hinweg gesehen und mich gerettet habt." Er nickte. Plötzlich fuhr seine Hand vor, als wollte er nach Phyline greifen. Sein Blick flackerte in einer seltsamen Erkenntnis und er brach das Vorhaben ab, ehe er es ganz hatte durchführen können. Seine Finger sanken zurück auf den eigenen Schoß. "Danke", wiederholte er noch einmal. Schließlich erzählte er ihr, wie es passieren konnte, dass er als grandessarischer Soldat mitten im Urwald gelandet war. Er erzählte von Dunkelelfen, die Teil seiner Truppe gewesen sein mussten und ihn hier tatsächlich zum Sterben zurückgelassen hatten. Offenbar war noch mehr vorgefallen, auf das er nun aber nicht einging. Es war auch nicht so wichtig. Jetzt saß er hier und zählte trotz seiner Rüstung nicht länger als Teil des grandessarischen Militärs - zumindest, falls herauskäme, dass er desertiert war.
"Angesichts dieser Tatsache müssen wir nun aber keine Feinde sein, schätze ich." Er hob die Schultern an und schmunzelte entwaffnend. "Ich habe nicht vor, gegen Euch vorzugehen, Phyline. Warum auch? Ihr habt mich gerettet. Ich ... schulde Euch etwas." Er sah sie lang an. Phyline konnte nicht ganz so offen sein. Lanjeks Worte hatten gewissen Misstrauen in ihr hervorgerufen. Die Dunkelelfen waren keine Grandessaner, aber selbst nach Jorsan waren inzwischen Gerüchte gedrungen, dass das gegnerische Königreich sich mit ihnen verbündet hatte. Warum bisher noch keine große Invasion auf Jorsan stattgefunden hatte, fragten sich jedoch einige. Natürlich passierten kleinere und größere Scharmützel an den Grenzen und teilweise sollten auch schon dunkle Völker involviert gewesen sein. Wenn sich aber zwei ganze Reiche zusammentaten, sollte man doch meinen, dass dies auch spürbar in einen Angriffskrieg enden würde. Das war bisweilen nicht geschenen ... oder hatte Phyline es mit ihrer Reise nach Shyána Nelle verpasst? Das elfische Paradies lag so sicher versteckt und abgelegen, dass es nicht viel von der Welt außerhalb des Urwalds mitbekam. Musste Jorsan sich inzwischen gegen Grandessa behaupten, das nun auch noch von Dunkelelfen unterstützt wurde? Aber Lanjek hatte davon gesprochen, nach Zyranus unterwegs gewesen zu sein. Phyline würde die militärischen Stragetien wohl nicht ganz verstehen. Es war nicht ihre Welt und so half es wohl auch nicht, sich den Kopf darüber zu zerbrechen. Sollte sie jedoch interessiert sein, könnte sie den Soldaten mit ein wenig Glück vielleicht ausfragen. Immerhin wünschte jener sich sogar Frieden zwischen ihr und ihm. Phyline wollte vorerst jedoch vorsichtig bleiben.
Sie unterhielten sich noch ein wenig weiter. Lanjek mutmaßte, dass Phyline sicher zurück nach Shyána kehren wollte und fragte sich, ob er als desertierter Soldat dort Willkommen wäre. Eine Antwort erhielt er nicht, so lenkte er das Gespräch in die Richtung, erst einmal aus dem Urwald zu gelangen. Obwohl er der Soldat war, schätzte er ein, allein nicht den Weg hinaus zu finden. Er wollte sich mit Phyline zusammentun. Sie sah die Vernunft darin. Würden sie aufgrund ihrer verfehdeten Heimatgebiete nun stur bleiben und jeder seinen eigenen Weg durch den Dschungel bahnen, würde die nächste Begegnung mit einem Tiger garantiert tödlich enden. Zusammen hatten sie einfach bessere Chancen.
So begann Phyline, einige Vorräte zusammenzupacken. Erneut pflückte sie, was sich gut transportieren ließ und ihre Mägen füllen könnte. sie füllte Wasser auf, sammelte Beeren und verstaute alles in ihrem Rucksack. Lanjek überließ ihr nicht die alleinige Arbeit. Er brauchte allerdings zunächst etwas Zeit, seine Rüstung wieder anzulegen. Als dies geschehen war, half Phyline ihn dabei, aufzustehen. Es war mehr ein symbolischer Akt, aber Lanjek verspottete sie nicht, sondern ergriff ihre Hände und erhob sich zurück in den Stand. Er sah durchaus stattlich aus, erinnerte an die wachsamen Soldaten ihrer jorsanischen Heimat. Phyline betrachtete ihn und Lanjek erwiderte ihren Blick. Beide bemerkten gar nicht, dass sie einander längere Zeit als gewöhnlich an den Händen hielten.
"Wir werden es gemeinsam lebend hier raus schaffen, Lanjek!"
"Ja. Ich schulde dir mein Leben und verspreche dir, dich zu beschützen ... Phyline." Seine Worte, sein unbewusstes Vorneigen, sein Blick auf diesen tiefblauen Augen und seine Nähe weckten in Phyline über ein Gefühl der Geborgenheit vor allem etwas Anderes: Sie erinnerte sich an Florenius. Es mochte nur ein Blitz in ihrem Sturm aus Gedanken sein, aber er reichte aus, sich vor dem nachfolgenden Donner zu fürchten. Schon suchte sie Schutz, indem sie Abstand zu dem Soldaten gewann und sich dem Urwald zuwandte. Lanjek beobachtete ihre kleine Flucht. Er seufzte. Dann aber begann auch er nun, einige Dinge einzupacken. Dabei lag sein Fokus weniger auf Nahrung - dafür sorgte Phyline ja bereits - sondern auf biegsamen Stöcken und großen Blättern, die er wie Decken zusammenrollte und sie dann mit Stücken einiger Lianen zusammenband. "Falls wir einen Unterschlupf brauchen und es regnet, können wir daraus eine Art Plandach bauen", erklärte er ihr. Er war nicht hilflos. Seine militärische Ausbildung hatte ihn auf das Überleben im Allgemeinen vorbereitet, nur den speizellen Teil der Gefahren des Urwalds ausgelassen. Lanjek prüfte auch die Schärfe seiner Streitaxt, als er einige Blätter und Zweige damit klein hieb. Er wirkte zufrieden. Die Waffe sollte ausreichen, ihn zu verteidigen, konnte ihnen aber ebenso einen Weg durch unwegsames Gelände bahnen.
Phyline erhielt ein wenig Zeit, sich wieder zu sammeln. Vor allem aber konnte sie sich die Wand des Kapayu anschauen, die sich bis zum Himmel vor ihr auftat. Der Stand der Sonne ließ sich kaum ausmachen. Über ihr wartete wildes Blattwerk, buntes Laub, Rankengewächse mit ebenso bunten Blumen, zahlreiche Vogelarten, kleine Affen, Reptilien ... der Dschungel bot einiges, davon mindestens so viel Gefahr wie Schönheit. Nur eines besaß er nicht: klare Pfade.
"Nur müsst Ihr den Weg vorgeben. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, welcher Weg aus diesem grünen Labyrinth hinausführt."
"Dann sind wir schon zwei", erwiderte der Soldat. Er erschien neben Phyline, den eigenen Rucksack gepackt. Er musterte sie wieder, wobei etwas Fragendes in seinen Augen glomm. "Soll ich deine - Eure! - Sachen tragen?" Sein Fieber schien verschwunden, aber er würde sich noch schonen müssen. Dennoch machte er ihr das Angebot. Was auch immer Phyline antwortete, gemeinsam machten sie sich daraufhin von der Lichtung aus fort und wieder in den Dschungel hinein. "Mit der Truppe bin ich einfach nur meinem Vordermann nachmarschiert und der dessen Vordermann. Unter Hauptmann hat uns angeführt, beraten von seinen Kundschaftern. Ich gebe zu, ich laufe nun ebenfalls etwas blindlings in das Grün hinein." Lanjek lachte auf, aber es klang eher selbstironisch. Er konnte mit seiner Axt sicherlich zahlreiche Wunden reißen, aber durch den Urwald spazieren stellte sich doch als Herausforderung heraus. Trotzdem schien er Phylne nicht den Mut nehmen zu wollen. "Wir schaffen es", wiederholte er ihre zuversichtlichen Worte.
Sie marschierten. Nein, sie spazierten eher und kämpften sich mancherorts voran. Ein zügiges Tempo konnten sie beide nicht lange aufrecht erhalten. Der Kapayu hinderte sie aber auch daran. Er war dicht, unerschlossen. Mehr als einmal musste Lanjek seine Axt schwingen. Das Blatt würde bald abstumpfen, doch noch konnte er ihnen einen Weg durch das dichte Dickicht frei hacken. Er und Phyline machten Pausen, wann immer sich eine Gelegenheit bot. Kleine Gewässer mit frischem Trinkwasser von plätschernden Fällen boten solche Rastplätze ebenso wie ein unerwartet entdeckter Hain mit kleinen Obstbäumen oder eine Lichtung, auf der wilde Ananasbüsche wie gezackte Blumen eine Wiese bildeten. Bei einer ihrer Pausen begegneten sie einer Gruppe Totenkopfäffchen - niedlich anzusehen, aber es war besser, sich ihnen fernzuhalten. Sie waren eher frech, denn gefährlich und versuchten, alles zu stehlen, was nicht niet- und nagelfest war. Es gelang ihnen, Lanjeks zusammengepackte Blätterbündel zu rauben, sowie eines von Phylines Büchern. Dass sie es nicht lesen würde, bewiesen die haarigen Gesellen, als sie in sichere Höhe einiger Bäume flohen und es von dort balt weiße Fetzen Pergament herab regnete.
Schließlich hielt der Abend wieder Einzug. Man bemerkte es, weil der gesamte Urwald in ein rötliches Licht getaucht wurde, dass die letzten Sonnenstrahlen wie ein fern gelegener Goldschatz durch das Unterholz schimmerten. Die Geräusche der vielen Waldbewohner nahmen zu, weckten aber auch Unbehagen. "In der Dämmerung gehen die Jäger ihrem Tagwerk nach", meinte Lanjek und er klang ernster als bisher. "Wir sollten uns lieber einen Unterschlupf suchen, solange es noch hell genug dafür ist. Vielleicht wäre eine Fackel keine schlechte Idee." Er setzte seinen Rucksack ab. Inzwischen perlte schon wieder Schweiß auf seiner Stirn. Trotz der vielen Pausen war ein Marsch eben anstrengend. Erholung hatte er nicht viel finden können. Und Phyline? Die war für solche Abenteuer nicht wirklich gemacht. Sie hatte in den letzten Jahren mehr Zeit in sicheren Stuben verbracht als in der Wildnis unterwegs gewesen zu sein.
"Ah!" Lanjek holte hervor, was er im Rucksack gesucht hatte. Ein Stein und eine metallische, dicke Stange. "Feuerstein und Stahl. Damit kann ich ein paar Funken entfachen." Er sah sich um. "Wir brauchen einen guten Stecken, der als Fackel dienen kann. Dann muss ich brennbares Material um die Spitze wickeln. Alkohol wäre perfekt, aber ich schätze, so viel Glück haben wir ni... Moment mal! Du bist doch Heilerin oder nicht? Hast du Wundalkohol dabei?" Lanjek werkelte bereits daran, einen Stock für eien Fackel vorzubereiten. Er sprach mit Phyline, schaute aber nicht zu ihr herüber. Dafür entdeckte sie ein Paar fremder Augen, das ihr direkt aus der Dunkelheit einiger Büsche entgegen zu starren schien. Tiefgrün, aber nicht tierischer Art, wurden sie von kupferfarbener Haut umrahmt. Noch beobachtete sie dieses Augenpaar nur, aber als Lanjek plötzlich aufschrie, reagierte der Besitzer dieses waldgrünen Blicks.
"WAS ZUM-?!" Lanjek stürzte. Bei seiner Suche nach Brennmaterial musste er gestolpert sein. Jetzt lag er am Dschungelboden, das Gesicht hatte einige Zweige und Blätter geküsst. Er spuckte Erde und wischte sich über die Lippen. Dann drehte er sich um und ächzte sofort. "Mein Bein", fluchte er und wackelte mit dem rechten Fuß. Es half nicht. Um seine Fußfessel schlangen sich dornenartige Lianenranken und je mehr er sich bewegte, desto fester zogen sie sich zusammen. Das war keine natürliche, sondern eine künstlich hergestellte und bewusst ausgelegte Falle. Im nächsten Moment flog etwas durch das Zwielicht des hereinbrechenden Abends. Phyline konnte nur noch die Maschen des Netzes erkennen, ehe sein Gewicht sich über sie legte. Festgebundene Steine an den vier Enden zwangen sie ein wenig in die Knie. Das Material bestand aus verflochtenen Fasern, war fest und ohne eine scharfe Schneide wohl nicht zu durchtrennen.
Endlich erschien, was sie vorher mit grünen Augen beobachtet hatte. Ein Mann mit Haut in der Farbe der Fuchsmünzen in ihrem Gepäck, trat aufrecht aus dem Dickicht. In der rechten Hand hielt er ein primitives Jagdmesser mit steinerner Spitze. Gekleidet war er lediglich in einen Lendenschurz, so dass Phyline seinen gestählten, ansonsten nackten Körper ausgiebig betrachten konnte. Zahlreiche Narben von tierischen Klauen, Krallen und Zähnen zierten seinen Leib ebenso wie lederne Bände mit kleinen Holzperlen und Knochen. Sein schwarzes Haar hielt er mit solchen Bändern zusammen. Dennoch fielen einige verfilzte dicke Stränge davon über seine Schultern. "Feinde oder Beute? Hmmm ... ich finde es schon noch heraus."
Phyline verstand die Worte nicht, konnte die Sprache aber soweit deuten, um sie als Tabija zu erkennen. Sie hatte gebraucht, sich an das elfische Lyrintha der Shyáner zu gewöhnen, wohl aber auch hin und wieder bemerkt, dass gerade deren Jäger und Kundschafter gern mal Laute nutzten, die ein Gemisch aus Vogelgesängen und dem Kreischen der Waldaffen zu ähneln schien. Der Fremde sprach ebenfalls so, so dass sie es zumindest als Tabija erkennen konnte. Das konnte nur eine bedeuten: Vor ihnen stand ein Jäger des Tabikivolkes ... und er schien deutlich mehr Interesse an ihr zu haben als an Lanjek. Denn er umrundete Phyline und begutachtete sie unter seinem Netz.
