Palast der Stille

Wie die Todesinsel aussieht, weiß man nicht. Wie man lebend zu ihr gelangt, ist ebenfalls unbekannt. Nur die Toten kennen sie, denn nur sie finden sich dort wieder. Aber was ist mit diesen blinden Wesen, die hier hausen?
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Azura
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Azura » Freitag 30. Dezember 2022, 20:47

Für die junge Frau war die Lösung ganz simpel: Ventha wollte ihre Schriftrolle haben, Azura wollte ins Leben zurück, wo diese zu finden wäre mithilfe ihres geliebten Schufts. Was lag da also näher, als sie mit diesem Auftrag kurzerhand zurück zu schicken, ohne weiteren großen Aufwand? Es wäre schließlich ein wunderbarer Vorwand, deren Rahmenbedingungen so undefiniert und dehnbar waren wie das Wasser. Wäre das somit nicht einfach ideal?
Sobald sie diese Idee hatte, dachte sie nicht länger über die Details nach oder tat sonst etwas, das sie zum Zögern bringen würde, sondern sprach es kurzerhand in den Raum hinein, überzeugt davon, sowohl von der richtigen Person gehört zu werden, als auch das Richtige damit zu tun. In ihren Augen gab es nichts, das dem im Weg stehen sollte.
Dabei hätte sie hier an diesem Ort noch so viele andere Möglichkeiten gehabt, hätte die Bitte anderer erfüllen können oder wenigstens nachlesen können, um Sicherheit in ihren eigenen Gefühlen zu finden. Was hatte ihn dazu verleitet, sie ständig zu verführen? Was war auf dem Schiff der Zwerge tatsächlich in jener Zeit geschehen, in der sich geschlafen hatte? Was hatte er mit ihr dabei angestellt? Und... was hatte er bei ihrer Vereinigung in den heißen Quellen gefühlt? Er hatte keinen Höhepunkt erlebt, obwohl sie sich tatsächlich darum bemüht hatte. Hatte er es dennoch... genossen? Es wäre so einfach gewesen, die Wahrheit heraus zu finden, ohne ihn danach fragen und ihm glauben zu müssen, was auch immer er antworten würde. Aber sie dachte im Moment nicht an diese Möglichkeit, sondern wollte einfach nur endlich weg von hier!
Entsprechend ungeduldig fühlte sie sich, während sie auf eine Reaktion ihrer Göttin warten musste. Das war schwierig für sie, nicht zu drängen und damit den Unwillen der anderen zu schüren, auch wenn ihr dieses Schlupfloch, wie sie es empfand, dermaßen unter den Nägeln brannte. Schlichtweg, weil sie davon überzeugt war, endlich die Lösung gefunden zu haben!
Und dann... tatsächlich, wie schon mehrmals erschien Ventha, höchstpersönlich. Natürlich wieder mit einem gelungenen, unerwarteten Auftritt, der Azura unwillkürlich fein schmunzeln ließ. Wenn sie es nicht besser wüsste, würde sie glatt glauben wollen, dass die Göttin der See es darauf anlegte zu protzen und zu beeindrucken, um die Bewunderung noch zu verstärken, die ihr ohnehin gebührte. "Die Zahl deiner Verehrer würde sich gewiss mehren, wenn du auch die Mode offiziell zu deinem Metier erklären würdest.", begrüßte sie Ventha respektvoll und dennoch beinahe schon wie eine alte Freundin, mit der sie sich schon des Öfteren zum Kaffeeklatsch getroffen hatte.
Dabei hätte ihr das, einstmal lebende, Herz heftig bis zum Halse klopfen und die Knie weich werden sollen bei diesem Anblick! Jedoch hatte ihr diese Göttin schon mehrfach geholfen, ihr ihren Segen geschenkt und irgendwie... fühlte Azura sich ihr allmählich auf eine andere Art und Weise mit ihr verbunden als zuvor. Nicht, dass sie sich jemals auf die gleiche Stufe mit ihr stellen würde, gewiss nicht, sie war nicht verrückt! Aber trotzdem beschlich sie allmählich das Gefühl, dass sie sich das ein oder andere Wort mehr erlauben durfte, solange sie gewisse Grenzen nicht überschritt und unverschämt wurde. Und sofern sie keine Rüge erhielte, würde sich daran vermutlich auch nichts ändern.
Einen Moment lang stellte sie sich unwillkürlich vor, wie es wäre, wieder zu leben und sich gemeinsam mit ihrem Gegenüber gegen ihren Schuft zu verschwören, um ihn in den Wahnsinn zu treiben! Sie musste sich auf die Zunge beißen, um nicht loszukichern bei dem Gedanken.
Dennoch fiel die Begrüßung alles andere als ermutigend aus, sodass sie sich auf die Unterlippe biss, den Blick senkte und mit der Fußspitze in imaginären Sand bohrte, ganz so wie ein gescholtenes Kind, das bei einer Unartigkeit erwischt worden war. Wenngleich sie sich lieber an den zweiten Teil der Bemerkung hielt, die ihr mehr Mut machte, weil sie eine unausgesprochene Botschaft dahinter erkennen wollte.
Die sie auch prompt nicht zurück hielt. Mit einem zwar schuldbewussten, jedoch irgendwie auch leicht frechen Blick, eben so, wie es oftmals nur ausgekochte Schlitzohre von Kindern konnten, sah sie zu der Göttin auf, das angedeutete Grinsen im Mundwinkel. "Und dennoch hast du mich gehört und bist gekommen.", murmelte sie und beobachtete daraufhin den Krebs, der gerade befreit worden war.
Kurz herrschte einvernehmliches Schweigen zwischen ihnen, dann ergriff die Besucherin erneut das Wort. Die junge Frau sah auf und blinzelte. "Und... und was wird das... sein?", kam es ihr nur stockend über die Lippen, denn irgendwie fühlte sie sich mit einem Mal ziemlich unbehaglich in ihrer durchscheinenden Haut.
Sie legte sogar ihre rechte Hand auf den linken Oberarm und zog ihre Schultern ein wenig hoch. Dem Blick indes folgte sie nicht, hatte sie das Gefühl, dass ihr nicht gefallen würde, was sie dort zu sehen bekommen könnte. Es jagte ihr... Angst ein und sie konnte nicht wirklich bezeichnen, warum.
Ohnehin ging es weiter und sie begrüßte den Umstand, sich auf Venthas Worte konzentrieren zu können. Obwohl ihr diese ebenfalls nicht sonderlich gefielen. Wie von selbst runzelte sich ihre Stirn und ihre Hand sank langsam herab, bis beide Arme wie nutzlos an ihren Seiten herab baumelten. "Gewässer? Fährmann? Bezahlung? A... aber... ich habe doch nichts bei mir! Wie soll ich ihn denn dann entlohnen?", fragte sie und schüttelte sich im nächsten Moment, als ihr Gegenüber fort fuhr.
Wäre sie nicht schon bleich wie eine Leinwand, sie wäre es vermutlich nun geworden. "Wa... was... was willst du damit... damit sagen?", hauchte sie.
Die Göttin neigte sich zu ihr, sodass sie unwillkürlich schwer schlucken musste. Azuras Augen weiteten sich, als ihr allmählich klar wurde, wie die Botschaft lautete, und am Ende schlug sie sich vor Schreck die Hand vor den Mund. Auch wich sie einen halben Schritt zurück und tastete instinktiv nach dem Pult, um sich daran festhalten zu können. "Soll... soll das heißen, dass... dass wegen mir... jemand... jemand stirbt?!", hauchte sie entsetzt und keuchte auf ob der Möglichkeit, dass es Corax treffen könnte.
Es wäre so schon schlimm für ihr Gewissen, sollte es jedoch ausgerechnet jenen Mann treffen, wegen dem sie hauptsächlich wieder zurück wollte... Nicht auszudenken, wie es ihr damit ergehen würde!
Da legten sich plötzlich Arme um ihren Körper und obwohl sie weder Wärme, noch Kühle empfinden konnte, war da schlagartig ein Ausmaß an Geborgenheit, das bis in die letzte Faser ihres geisterhaften Seins vordringen konnte. Mehr noch, es stoppte ihre Gedanken einen Moment lang und ließ sie stattdessen aufschluchzen. Als hätte sie Tränen in den Augen, verschwamm ihr die Sicht und sie konnte sich nicht bremsen, als sie sich zaghaft in diese Umarmung hinein lehnte, um darin Schutz und Trost zu suchen. "Ich... ich... ich will doch nur leben... bei ihm sein...", schluchzte sie leise und wenig verständlich.
Sie hätte wahre Ewigkeiten in dieser Haltung und der Nähe zu ihrer Göttin verbringen mögen, diese aber löste sich viel zu rasch wieder von ihr. Überhaupt nicht damenhaft war Azuras Schniefen und das Wischen mit ihrem Handrücken, als sie den Blick blinzelnd anhob. Um erneut zu lauschen und am Ende tatsächlich das Gefühl zu haben, zu erröten. Während sich auf ihre Lippen jener leicht dümmliche Ausdruck von Verliebten legte, den sie nicht einmal bemerkte. Die Erwähnung des Dunkelelfen, der ihr das Herz gestohlen hatte, rief so etwas wie ein Echo jener Geborgenheit in ihr wach, die sie gerade eben noch in der Umarmung verspürt hatte.
Langsam nickte sie und war im Begriff, es damit gut sein zu lassen, nichts weiter von der Göttin zu erbitten, damit diese sich ihren anderen Gläubigen widmen könnte. Doch da kam ihr trotz allem noch etwas in den Sinn. Etwas, das ihr bis vor kurzem noch vollkommen gleichgültig gewesen wäre und wofür sie niemals einen Finger gerührt hätte. Jetzt hingegen...
"Warte!", rief sie aus, unabhängig davon, ob und wie weit Ventha sich von ihr bereits entfernt haben mochte. Einen Moment lang fühlte sie sich unbehaglich, ehe sie betont so etwas wie ausatmete und ihre Haltung straffte, um ihren Mut zurück zu gewinnen.
"Sag, gibt... gibt es hier eigentlich die Möglichkeit irgendwie... na ja, ich weiß auch nicht... irgendwie etwas vorlesen zu lassen?", fragte sie und zuckte mit einem Hauch Unsicherheit mit den Schultern. "Ich meine... nun ja... für jemanden, der nicht lesen kann, aber gerne Geschichten hören würde. Ich... ich meine, für den Fall, dass ich gehe und das bald und... Ach, ich weiß auch nicht."
Sie senkte den Blick und biss sich auf die Unterlippe, um kurz darauf herum zu nagen. "Es gibt Wesen hier und sie können bleiben, wenn sie wollen, aber sie können nicht lesen. Und wenn ich nicht da bin, um das zu tun... Ich glaube einfach, sie würden sich trotzdem darüber freuen, Geschichten zu hören."
Die junge Frau seufzte und deutete ein Kopfschütteln an. "Ach, das ist sicher töricht von mir und nicht machbar ohne der richtigen Magie und... na ja..." Sie hielt inne und sah mit einem kleinen, schiefen Grinsen wieder auf. "Gibt es da eine Möglichkeit?", fragte sie beinahe schon scheu und so gar nicht typisch für ihr sonstiges Verhalten.
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Erzähler » Samstag 31. Dezember 2022, 02:20

Dafür, dass Ventha zwischen den Zeilen ihre knappe Zeit andeutete, blieb sie erstaunlich lange und nahm sich eben jene für Azura. Sie erklärte ihr die Prozedur einer Seelenrückkehr ins Leben und dass dies nicht ohne Konsequenzen blieb. Auch für Caleb musste jemand ins Totenreich gegangen sein, nur ahnte er davon überhaupt nichts. Azura erfuhr es jetzt und die Erkenntnis traf sie hart. Es musste nicht einmal einen ihrer Gefährten, es musste nicht zwangsläufig Corax treffen. Aber allein, dass diese Möglichkeit bestand, bereitete ihr Unbehagen. Und noch immer war es die eigentlich als launisch bekannte Göttin, deren Arme sich nun wie sanfte, glatte Wogen um Azuras erschreckten Körper legten. Sie hielt sie und es fühlte sich gut an. Doch trotz dieses Trostes blieb Ventha klar wie ihre Gewässer.
"Ja, es wird jemand sterben. Wie ich schon erwähnte, weiß aber nicht einmal ich, wen es trifft. Dieses Wissen besitzt nur einer."
"Und ich werde es nicht ausplaudern." Die Umgebung verdunkelte sich etwas. Die wässrigen Gewänder der Göttin Ventha fühlten sich plötzlich kalt an. Azura fröstelte es, obgleich sie doch längst tot war und im Grunde nichts mehr spüren konnte. Aber wenn der Gevatter höchstselbst erschien, dann erfuhren dies auch die Verstorbenen.
Ihm würde niemals vorgeschlagen werden, mit seiner Kluft in die Welt der Mode einzutauchen. Sicherlich gab es Persönlichkeiten auf Celcia, die bevorzugt schwarz trugen, aber solche Geschöpfe ließen sich das Haar auch wie wild wucherndes Unkraut stehen und nannten es Tanzen, wenn sie zu lauter Trommelmusik besinnlich mit dem Kopf nickten oder mit dem Fuß tippten. Solche Gestalten liebten Metall, was ebenfalls für Anhänger des Gevatters sprechen könnte, sofern man ihn als Glaubensfigur wahrnahm. Er war kein Gott, er war ... mehr.
"Sie ist schon besorgt und verängstigt genug. Du musst nicht uns beide erschrecken", schalt Ventha den Tod, als sei es nichts. Er blieb tatsächlich unbeeindruckt und verzog keine Miene. Sein bleicher Schädel lugte mit leeren Höhlen unter der Kapuze hervor, die ein ähnliches Schwarz besaß. Er stützte sich wie üblich auf den Stock seiner Sense, während der untere Kuttensaum seine Knochenfüße umwaberte wie Nebel aus Teerpartikeln.
"Und du sprichst ihr zuliebe Garmisch", erwiderte Tod trocken. Ventha zuckte zusammen, verzog schnippisch den Mund, dass ihre Unterlippe vorstand und verschränkte die schlanken Arme vor der Brust. Ein Fisch wurde zwischen den weiblichen Wogen zusammengequetscht, dass er kurz empor sprang, ehe er Rettung in den Wellengewändern der Göttin fand.
"Es braucht dich nicht zu kümmern, welche Sprache ich nutze. Garmisch klingt angenehm. Mir gefällt es, wenn die Seefahrer ihre Lieder in dieser Sprache für mich anstimmen."
Tod winkte ab. "Ich bin nicht erschienen, um darüber zu sprechen. Und ich fasse mich kurz, denn meine Zeit ist wirklich knapp bemessen." Der Schädel grinste. Das tat er immer, aber jetzt wirkte es besonders auffällig. Dann streckte er einen Finger aus, so dass der Knochen direkt auf Azura zeigte. "Auch dir fehlt die Zeit."
"Was willst du damit sa-" Ventha konnte ihre Frage nicht zu Ende stellen. Sie alle hörten das Klirren und Azuras geisterhafte Finger piekten und kribbelten plötzlich. Als sie hinab schaute, war da aber nichts. Ventha blickte auch nicht auf die Hände ihrer Gläubigen. Sie schaute wie erstarrt zu der Fassade aus Fenstern, die einst Aussicht auf ihre Meereswelt geboten hatten. Noch immer zeigten sie nur das dunkle Innenleben eines Sarges. Tod nickte auf die Reaktion der Göttin hin.
"Genau das habe ich mitteilen wollen. Ich hätte gar nicht erscheinen müssen. Wie dumm ... Zeitverschwendung." Er klopfte der Göttin auf die nackte Schulter und schüttelte anschließend kleine Wassertropfen von seinen Knochen. "Du schaffst das schon. Überdies gewähre ich diese eine Ausnahme. Dafür entscheide ich, wer ihren Platz einnimmt." Er betrachtete Azura und schüttelte leicht den Kopf. "Es wird keiner deiner drei Gefährten sein." Schon löste er sich in Wohlgefallen auf und hinterließ nichts als die Erinnerung an Todeskälte.
Ventha schnaubte auf. "Pha! Spricht immer in Rätseln, als wäre er selbst ein Gott. Das ist uns vorbehalten, denn wir sind die Geheimnisvollen. Du bist nur ein alter Knochen in einem viel zu großen Jutesack!" Sie wirbelte herum. Als ihr Blick aber wieder auf die Fensterfront fiel, beruhigte sie sich schnell wieder. "Oh Kind, er hat Recht. Dir läuft die Zeit davon." Sie wandte sich mit mitleidigem Blick an Azura. "Du weißt längst, was zersprungen ist, oder?" Azura wusste es instinktiv, als die Göttin sie danach fragte. Sie wusste, um wen es ging und sie wusste, was er sich zurückgeholt hatte. Die in Ringe eingefassten Rubine, welche den farbigen Glanz seiner Augen beinhalteten, waren zersprungen. Corax hatte sich diesen Glanz zurückgeholt. Wofür auch immer er sein Stück Lebenswillen brauchte, er hatte es sich wieder genommen.
"Es ist nobel von ihm, dass er jene beschützen will, die ihm am Herzen liegen. Jene, die noch leben. Ich habe mich geirrt. Seine Sehnsucht schwindet, wenn auch langsam. Er ... sucht Kraft in den Lebenden und beginnt, sich von dir zu lösen. Er ist bereit, über dich hinweg zu kommen, so wie du es dir für ihn gewünscht hast." Ventha sank auf ein Knie herab, um mit Azura fast auf Augenhöhe zu sein. Sie berührte die Tote am Unterarm, tätschelte ihn. "Du musst die Gewässer um das Reich der Toten aufsuchen. Du musst zum Fährmann und dir eine Überfahrt erkaufen."
"Gewässer? Fährmann? Bezahlung? A... aber... ich habe doch nichts bei mir! Wie soll ich ihn denn dann entlohnen?"
Ventha seufzte aus. "Es ist Brauch bei den traditionsbewussten Anduniern und auch Vertetern anderer Kulturen, einem Toten für die Überfahrt des Fährmanns jeweils eine Fuchsmünze auf die Augen zu legen. Aber das geschieht erst bei der Bestattungszeremonie. Dein Freund hat dich zwar in einen Sarg gepackt, aber niemand der drei möchte dich jetzt schon bestatten. Du hast Recht. Du hast keine Bezahlung." Ventha wandte den Kopf um und schaute zu der Stelle, an der Tod verschwunden war. "Er gewährt uns diese eine Ausnahme." Sie drehte den Kopf zu Azura zurück. Jene erbat rasch noch eine Möglichkeit, den halb metallischen Frauen das Lesen zu gewähren. Die Adlige, die stets sich selbst die nächste war, hatte ihre Zeit wirklich genutzt, um ein wenig über den Tellerand zu schauen. Es erwärmte Venthas Herz. Sie lächelte. "Ah, die Ank. Das ist eine gute Idee. Wir werden ihr Metall für den Fährmann nutzen. Jetzt fehlen ihnen nur noch ein Paar Augen. Du könntest deine opfern..." Ventha musterte Azura und schüttelte nach einer Weile den Kopf. "Aber dann würdest du ihn nicht mehr wiedersehen, selbst wenn er vor dir stünde. Und ich sehe, wie sehr du dich nach seinem Anblick verzehrst. Deine Sehnsucht wächst, wo sein schru-"
Nun wurde die Göttin der Meere und Stürme schon zum zweiten Mal unterbrochen, als sich die Sicht der Fensterfront veränderte und das hindurch fallende Licht in die Bibliothek fiel. Es lenkte ab und es schenkte einen Ausblick auf die Welt der Lebenden. Der Sarg war verschwunden. Stattdessen sahen Ventha und Azura durch die toten Augen Letzterer einen dunklen und eher rustikalen Schankraum. Azura erkannte sofort andunische Bauweisen. Aber sie sah auch die entsetzten Gesichter von Caleb und Madiha. Und hinter ihnen massakrierte Körper, den abgetrennten Kopf einer Frau, die ihren Mund im Moment des Todes für einen Schrei geöffnet hatte und so auf ewig erstarrt war. Dann kippte die Sicht Madiha entgegen. Das Wüstenmädchen versuchte noch den Leichnam aufzufangen, würde aber unter seinem Gewicht begraben werden. Hände tauchten im toten Blickfeld auf, als Caleb sie von hinten ergriff. Azura konnte sehen, wie er sie anhob und zu einem Tisch herüber trug. Er barte sie dort auf, aber da ihr Kopf zur Seite kippte, hatte sie weiterhin freie Sicht auf die Szenerie ... und auf die vielen Toten in Lachen aus Blut.
"Er fehlt", stellte Ventha fest. "Oh, er ist ganz allein. So allein wie nie zuvor, denn die Kobolde sind alle tot. Er opfert mir salzige Flüsse aus seinen Augen." Die Göttin blinzelte. Sie weinte, dass ihre Tränen wie Regen auf ihr Kleid niederfielen und tatsächlich begann es in diesem Moment in Andunie zu schütten wie aus Eimern.
Ventha packte Azura am Arm. Sie schob sie ein Stück nach vorn, ohne eine direkte Richtung anzudeuten. "Du musst los. Finde den Fährmann, bevor er seine Sehnsucht endgültig aufgibt. Er verliert gerade alles und es könnte ihn in die falschen Arme treiben. Dir bleibt nicht viel Zeit." Dann stockte die Göttin. "Oh! Die Bezahlung. Sie fehlt immer noch." Mit dem Wink ihres Armes erschuf sie eine Flutwelle aus dem Nichts. Das Wasser trug eine der seltsamen Schwangeren mit metallischen Gliedmaßen heran. Es war nicht die, mit der Azura sich unterhalten hatte. So wirkte die Frau reichlich desorientiert, als die Wasser sie losließen und sie langsam auf ihren Metallbeinen zum Stehen kam.
"Was geht vor sich?"
"Wir erlösen dich von des Lehrlings Zeichen. Hab keine Angst. Und du auch nicht", wies Ventha Azura an. Dann griff sie der Ank an die Metallplatte, welche ihre Augen bedeckte und die eine Feder als Zeichen trug. Es sah so leicht aus, als Ventha das Metall vom Schädel löste. Was darunter zum Vorschein kam, war nichts für schwache Nerven. Natürlich besaß das Wesen keine Augen mehr. Aber die Höhlen selbst hatten arg gelitten. Ihre Seelenspiegel konnten unmöglich mit Sorgfalt entfernt worden sein. Es sah aus, als hätte jemand die Augäpfel vor langer Zeit mit einem schartigen Löffel ausgeschabt. Die Ränder der Haut wiesen zahlreiche Schnitte und Narben auf. Das Innere war schwarz von fauligem Eiter, der nie hatte ablaufen können. Die Höhlen waren ihrem Schicksal überlassen worden, so wie die Frau selbst. Der Anblick entsetzte und rührte zu Tränen.
"Sie braucht Augen. Liebes Kind, hast du ihr nichts mehr zu geben? Irgendetwas? Das hier ist deine Ewigkeit, dein Palast. Du hast die Macht, ihn nach deinen Wünschen zu formen. Und sie benötigt Augen, damit du ihren Wunsch erfüllen kannst", richtete Ventha ihre Worte erneut an Azura. Die Ank betrachtete sie nur fragend aus leeren Höhlen. Aber sie lächelte dabei.
"Ich werde sehen?", fragte sie. Ventha nickte, richtete aber nichts aus. Es lag nun an Azura, wie sie dieses Geschenk überreichte. Die Möglichkeiten waren da. Sie musste nur ein wenig kreativ werden. Derweil zeigte die Göttin ihre Handwerkskunst. Sie strich immer wieder mit den Fingern über die Metallplatte, die die malträtierten Höhlen verdeckt hatte. Langsam formte sich das Material. Es schmolz, wurde flacher und kleiner. Die Feder darauf war längst nicht mehr zu erkennen. Ventha schuf zwei eiserne Münzen und reichte sie Azura. "Jetzt bist du dran. Augen, möglichst klar. Deshalb empfehle ich, keinen Stein zu verwenden, obwohl selbst das funktionieren dürfte. Und danach musst du zum Fährmann." Sie blickte zu der Fensterfront, aber dort hatte sich nicht viel verändert. Madiha und Caleb hatten sich an die Theke gesetzt und unterhielten sich. Es war zu weit weg, als dass Azuras Leiche das Gespräch hätte aufnehmen können. Ventha schien im Gegensatz zu allen anderen mehr zu sehen.
"Er wird wieder verstoßen. Wie viel Einsamkeit erträgt ein Herz? Oh, das ist nicht gut. Er kehrt zum Anfang zurück."
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Azura » Samstag 31. Dezember 2022, 08:55

Bis vor kurzem war sie von allem, was mit dem Tod zu tun hatte, tunlichst ferngehalten worden. Erst seit dem Überfall auf ihre Heimatstadt war sie damit in Berührung gekommen, allerdings stets als Außenstehende. Nun hingegen sollte sie dafür verantwortlich sein, dass jemand... oder etwas sein Leben aushauchte!
Es war für sie ein ordentlicher Schrecken, denn dadurch musste sie sich erneut entscheiden, was sie wollte. Oder besser gesagt, was sie bereit war, für diesen Wunsch in Kauf zu nehmen! Und dennoch... ihre Sehnsucht nach dem Leben war groß, unsagbar groß und trotz dieses Preises hatte sich innerlich an ihrem Ziel nichts geändert. Nur ihr Gewissen überlagerte diese Erkenntnis vorerst.
Plötzlich fröstelte es sie und sie wusste instinktiv, dass dieses Gefühl selbst bei einem Geist niemals erlöschen würde. Stattdessen kam es ihr vor, als hätte es sich seit dem Sieg im Schach verstärkt und erreichte ihre Antennen noch viel intensiver als zuvor. Umso mehr suchte sie Schutz vor dieser vermeintlichen Gefahr in den Armen ihrer Göttin, als wäre sie das Kind und Ventha die Mutter.
Genauso fühlte sie sch auch während der kurzen Unterhaltung dieser beiden Überwesen, bei der sie sich lieber nicht einmischte. Sie hätte obendrein nicht sonderlich viel beizutragen gehabt.
Und als die Umarmung gelöst wurde, trat Azura unwillkürlich einen halben Schritt beiseite, als wolle sie sich hinter dem Rock der anderen verbergen, so, wie sie es anfangs bei ihrer leiblichen, menschlichen Mutter getan hatte, als diese sie in das neue Zuhause mitgenommen hatte, um ihr alles zu zeigen und sie dem baldigen Stiefvater sowie dessen Personal vorzustellen. Lange hatte ihre zurückhaltende, vorsichtige Art nicht angehalten, dann hatte sie sich bereits wie selbstverständlich in der Welt des Adels zu bewegen gewusst.
Ob es hier, im Reich des Übersinnlichen, ebenso werden würde, wenn sie nur lange genug Umgang mit all diesen Wesen hätte? Die junge Frau wollte ins Leben zurück und das bedeutete auch, dass sie nicht lange genug bleiben wollte, um das herauszufinden.
Umso mehr zuckte sie zusammen, als das Gerippe plötzlich auf sie zeigte und sie es mit der Angst zu tun bekam. Doch ehe aus einem dumpfen Gefühl eine Ahnung werden konnte, erklang ein Klirren, das sie noch einmal zusammen fahren ließ. Automatisch sah sie auf ihre plötzlich kribbelnden Hände herab und konnte dennoch nicht ausmachen, was damit nicht wirklich stimmte.
Daraufhin überschlugen sich die Worte regelrecht für sie, die glaubte, alles nur durch einen Nebel hindurch dumpf hören zu können. Irgendetwas war nicht in Ordnung, das spürte sie. Nur... was? Sie konnte fühlen, dass sie dieses Wissen besaß und trotzdem war es gerade nicht greifbar für sie, als wehre sich etwas in ihr gegen die Erkenntnis.
So hob sie blinzelnd erst ihren Blick, als sie direkt wieder von Ventha angesprochen wurde. "Aber...?", murmelte sie verständnislos, da sprach ihr Gegenüber schon weiter, dass sich ihre Augen weiteten. Um sich nun erneut mit Tränen zu füllen, während sich in ihrem Inneren alles zusammen zu krampfen schien.
Als hätte man ihr einen Schlag verpasst oder ihr gesagt, dass ihre Entjungferung nicht aufgrund von echten Gefühlen geschehen waren, verspürte sie unendliche Kränkung, die dafür sorgte, dass sie einen Moment lang den Kopf hängen ließ. "So... so schnell...", murmelte sie, ohne zu ahnen, wie viel Zeit tatsächlich vergangen war in der Welt der Lebenden.
Vielleicht sollte sie doch nicht...? Nein, sie musste zurück, jetzt erst recht! Nur... dieser Fährmann... Weitere Fragen kamen ihr über die Lippen und wie die See war Ventha sehr geduldig mit ihr.
Und es zeigte sich, dass auch Azura gereift war durch ihre Erlebnisse an diesem Ort. Sie dachte tatsächlich an andere und deren Wünsche, so sehr, dass sie diese sogar erwähnenswert fand. Bei dem Gedanken jedoch, ihre eigenen Augen dafür zu opfern, keuchte sie auf und wich ein paar Zentimeter zurück. Doch die Göttin erkannte selbst, dass dies gar nicht erst zur Debatte stand.
Schon sprach sie weiter, bis Licht plötzlich für eine Unterbrechung sorgte. Auch die Augen der jungen Frau wanderten zu der Szenerie, die sie zu sehen bekam... und nicht wirklich verstehen konnte. "Was... was... ist passiert...?", hauchte sie und schüttelte sich bei all dem Blut, das offensichtlich in der Nähe ihres Körpers geflossen war.
Warum? Was war geschehen? Und... und wo war... er?!
Das erkannte auch Ventha und was sie sagte, sorgte dafür, dass sie sich ihr ruckartig wieder zuwandte. "Was...?!", hauchte sie erschrocken und griff gewohnheitsmäßig in die Falten ihres Rockes, um diesen anzuheben und besser laufen zu können, obwohl dieser hier bei weitem nicht bodenlang war.
Aber die folgenden Worte hielten sie noch einmal zurück und ließen sie sogar die Finger wieder lösen. Noch während sie den Mund öffnete, um etwas zu sagen, sorgte Ventha bereits für Gesellschaft, die dafür sorgte, dass Azura unbewusst erschrocken zusammen fuhr. Sie hatte diese Wesen erst einmal gesehen, obwohl es ihr längst wie selbstverständlich vorkam, dass sie ebenfalls an diesem Ort lebten... existierten. Und dennoch war der Anblick noch immer nichts für sie und würde ihr bestimmt noch lange grausige Träume bescheren, sollte sie wieder welche haben.
Erst recht, als die Metallplatte vor den Augen gelöst war und sie einen direkten Blick auf das bekam, was dieser Frau einst angetan worden war. Keuchend wich sie zurück und hatte das Gefühl, als würde ihr schlecht werden. Kurz musste sie wegsehen und auf ihre geisterhaften Fingerknöchel beißen, um die Beherrschung zu wahren.
Dabei hörte sie die Forderung der Göttin und hätte am liebsten den Kopf geschüttelt. Sie sollte Augen besorgen? Aber wie? Und wo? Sollte sie diese etwa zeichnen und dann ausschneiden?! Oder...
Ihr Blick fiel blinzelnd auf eine jener Lampenschirme, die für ausreichend Beleuchtung in diesem Raum sorgten. Diese waren, wie alles an diesem Ort, von ausgesuchtem Luxus und das bedeutete neben kunstvoller Verarbeitung und edlen Stoffen als Bespannung auch...
Azura gab sich einen Ruck und ging zielstrebig zu einer kleinen Tischlampe, um von dieser zwei herrlich geschliffene, glasklare Kristalltropfen von der dünnen Goldkette zu reißen. Mit dieser Gabe kehrte sie zurück und präsentierte sie so auf ihrem flachen Handteller, dass sie alle drei darauf sehen konnten. "Ist das möglich?", fragte sie und hoffte es sehr. Denn eine andere Idee hatte sie nicht und würde wohl auch nicht so schnell auf eine kommen ohne weitere Hilfe.
Sollte das akzeptiert werden, könnte sie daraufhin die beiden Münzen entgegen nehmen und sich endlich auf den Weg machen. Zwar hätte sie noch die ein oder andere Schriftrolle mitgenommen, um seine Gedanken niedergeschrieben lesen zu können, aber... da ihr die Zeit dafür fehlte, wollte sie sich tatsächlich möglichst beeilen, damit nicht alles umsonst gewesen war!
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Erzähler » Samstag 31. Dezember 2022, 20:33

Während Azura noch damit haderte, dass irgendwo auf Celcia irgendjemand oder etwas sein Leben würde aushauchen müssen dafür, dass sie zurückkehren könnte, geschah dies auf massivste Weise in der Echtwelt und war auch der Grund dafür, warum sie zum einen all die Leichen rings um Caleb und Madiha erblicken musste und warum zum anderen Corax nicht bei ihnen war. Oh, vielleicht war es gut so, dass sie die Gründe bisher nicht kannte. Doch dass ihr Rabe sich offensichtlich so allein wie niemals zuvor fühlte und sowohl die beiden lebenden Gefährten als auch sie hinter sich zu lassen schien, entsetzte sie noch mehr. Aber Ventha würde sie nicht anlügen. Nicht nach all dem, zumal sie keinen Grund hatte. Im Gegenteil, selbst die Göttin wirkte überrascht von dieser Wendung der Ereignisse. Sie drängte zur Eile. Wenn Azura zurück ins Leben wollte, musste sie sich nun sputen. Einzig für den Wunsch, den hinterbliebenen Halbmetallfrauen, den Ank, eine Lesenhilfe zurückzulassen, nahmen sowohl sie als auch Ventha sich noch einmal Zeit.
Die Meeresgöttin ließ auch sogleich eine der Ank Dank ihrer Wellen in die Bibliothek befördern. Die Schwangere wirkte nur im ersten Moment etwas orientierungslos und verwirrt. Dann aber ließ sie es stillschweigend geschehen, dass man die Metallplatte von ihren Augen löste. Es war bei weitem nicht das Schlimmste, das sie erleben musste. Es brachte ja nicht einmal Schmerz mit sich und die Aussicht auf funktionierende Augen ließ sie sogar hoffen.
"Ich werde lesen und allen Frauen vorlesen können?", fragte sie und faltete die Hände zum Dank in einer Geste des Gebets. Welcher Gottheit sie einst gehuldigt haben mag, war nicht ersichtlich. Ventha berührte die gefalteten Hände mit ihren eigenen Fingern, während Azura noch nach etwas suchte, das sich als neue Augen verwenden ließe.
"Ja", erwiderte die Göttin. "Aber du wirst auch sehen können. Bedenke dies."
"Ich habe keine Angst vor den Opfern dieses Scheusals. Wir sind alle geschändete Frauen. Wir sind alle Mütter. Ich fürchte mich nicht vor meinen Schwestern im Geiste." Ventha lächelte daraufhin und drückte die Hände der so tapferen Frau.
Azura fand indessen endlich etwas in ihrem Palast, von dem sie glaubte, es würde ausreichen, daraus neue Augen zu bilden. Nichts war klarer als Kristall. Wenn das jemand wusste, dann sie und vielleicht der ein oder andere Juwelier. Aber sie hatte oft genug glanzvollen Schmuck von ihrem Stiefvater erhalten. Sie wusste, wie schön er strahlen konnte und wie klar das Licht in ihm glitzerte. So entschied sie sich für ein Paar kristallene Tränen, die hinter einem der Lampenschirme verborgen waren. Erneut lächelte Ventha, dieses Mal in Azuras Richtung. Sie streckte eine Hand offen nach dem Kleinod aus.
"Das ist perfekt", sagte sie und schloss ihre Finger um die tropfenförmigen Gebilde. Ein leichter Schimmer umgab ihre Finger und aus dem Nichts zog ein Wind auf. Tropfen lösten sich von Venthas Kleid, schwirrte wie winzige Libellen umher, ehe sie zwischen ihren Fingern verschwanden. Dann nahm der Zauber ab und sie öffnete die Hand. Zwei wunderschöne, aber farblose Augen lagen auf ihrer Handfläche. Die Pupillen schillerten wild und erinnerten an einen Fischschwarm, der niemals still halten konnte. Jeglicher Blauton Celcias blitzte in ihnen auf, wohingegen die Iris der künstlichen Augen durchsichtig wie die Augäpfel selbst waren. Ventha hob das Geschenk an den Kopf der Ank.
"Die Herrscherin des Palastes verlässt ihr Reich, bis die Ewigkeit sie wieder begrüßt. Sie hinterlässt die Ank als die Hüterinnen ihres Paradieses. Pflegt es, umsorgt es und bereitet es auf ihre Ankunft vor, wenn es soweit sein wird. Bis dahin ist es euch erlaubt, hier eure Ewigkeit und euren Frieden zu finden. Lernt, indem ihr die Ressourcen euren Fähigkeiten entsprechend nutzt. Deine Aufgabe ist es, zu lesen und vorzulesen. Du bist die Sehende, so ist es mein Wille."
Und Ventha schob einen Augapfel nach dem anderen in die gepeinigten Höhlen der Ank. Sie zuckte nicht einmal. Erst als das Geschenk von ihrer Haut umschlossen wurde, senkte sie die Lider. Sie waren ebenfalls aus Metall, hauchdünn, aber grau. Man hatte ihr im Leben also auch diese entfernt. Plötzlich erstarrte sie und wäre sie in der Lage gewesen zu weinen, sie hätte für die Göttin Tränen vergossen. So aber blickte sie sich nur um und sog jegliche Information auf, die sie mit ihrem wiedergefundenen Sinn erhalten konnte. Sie betrachtete die Lichter, die Regale, die Schriftstücke, die Göttin. Zuletzt aber fiel ihr Blick auf Azura und Erkennen stand in den zauberhaften Pupillen.
"Wir behüten dein Paradies und erwarten dich zurück, wenn es soweit ist. Du wirst die Ewigkeit nicht allein verbringen, Großzügige. Bitte, bevor du gehst, nimm noch ein persönliches Geschenk von mir an." Was könnte jemand wie sie besitzen? Sie bestand nur aus nackter Haut und Metall, aber gerade aus Letzterem löste sie und schuf etwas, das sie Azura überreichte. Es handelte sich um eine silberne Nadel, so fein und mit einem winzigen Korken aus Hornhaut am unteren Ende, damit man sich nicht versehentlich daran stechen konnte.
"Verwende sie, um deine Seele zu flicken. Und nimm all unseren Dank mit dir zurück ins Leben."
"Es wird Zeit", beendete Ventha diesen magischen Moment. Gern hätte sie Azura noch mehr gegeben, aber wenn sie mit ihrer Rückkehr noch länger wartete, würde sie nicht mehr über das Gewässer fahren können. Der Fährmann wartete nicht ewig. So schickte die Göttin sie rasch an, den Palast zu verlassen. Wohin, das sagte sie nicht. Wie Azura den Fährmann überzeugen sollte und ob die Bezahlung der aus der Metallplatte geformten Münzen ausreichte, wusste sie nicht. Sie konnte nicht länger darüber nachgrübeln. Sie musste es einfach tun. Vor allem aber musste sie den Palast der Stille nun verlassen.

Azura packte sich eilig einige Schriftrollen ein. Welche genau es waren, würde sie erst erfahren, sobald sie darin las. Wer wusste schon, ob sie überhaupt dazu kam, aber vorsichtshalber nahm sie eine Hand voll mit. Den Weg aus dem Palast zu finden, war ganz einfach. Sie brauchte nur in die große Eingangshalle gehen und durch die Pforte nach draußen treten. Hier wartete kein grünender Garten auf sie. Alles jenseits ihrer Pforte zählte nicht mehr zu ihrer Ewigkeit.
So fand Azura sich an einem schier endlosen Strand aus schwarzem Sand wieder. Felsen, glatt und scharkantig in schimmerndem Schwarz erhoben sich aus dem Sand wie scharfe Drachenzähne. Sie zerklüfteten die Umgebung und fügten sich dennoch perfekt in das Bild ein. Der Himmel war ein Gemisch aus grauen Wolken, welche in ein nächtliches Blau übergingen und sich am Horizont mit dem Meer verbanden. Das Meer. Es rauschte bereits an den Sandstrand, malte dort eine Grenze aus weißem Schaum. Die Wellen selbst aber waren ebenso eher schwarz als blau und keineswegs klar. Am einen Ende des Strandes wartete ein schmaler Steg und genau dort lag das einzige Boot vertäut an einem Poller. Es schaukelte im leichten Wellengang. Das störte aber weder das Wassergefährt noch die verhüllte Gestalt, welche in der Mitte des Bootes stand und locker einen sehr langen Stecken in der Armbeuge hielt. Auf den ersten Blick hätte es sich um den Gevatter handeln können, denn der Fremde trug wie das Gerippe selbst ebenfalls eine Kutte. Auf den zweiten Blick erkannte man aber, dass diese Person kleiner war. Außerdem besaß der Kuttenstoff eine blutrote Farbe, die sich zwischen den Falten zeigte. In seiner unmittelbaren Umgebung wurde es auch nicht unangenehm kühl. Das war nicht der Gevatter. Das musste der Fährmann sein. Er stand dort und wartete, aber für wie lange noch? Ventha hatte Azura zur Eile gedrängt. Jetzt machte es nicht den Eindruck, dass es eilig war und doch ... irgendetwas in ihrem Inneren verriet ihr, dass es für jemanden - nicht zwangsläufig sie - brenzlig werden könnte, ließe sie sich zu lange Zeit.
Noch während sie zum Boot des Fährmanns ging und der Sand unter ihren Füßen knirschte, als besäße ihre Nachweltsgestalt noch Gewicht, türmten sich weitere Wolken auf. Es donnerte. Dann aber lauschte sie dem leisen Grollen und erkannte darin vertraute Stimmen. Sie konnte Madiha und Caleb hören. Beide unterhielten sich in der Sprache der Wüstenvölker. Azura konnte alles verstehen und schnappte gerade folgenden Teil ihres Gespräches auf:
"War das denn der Grund, wieso Corax dir eine Ohrfeige verpasste? Und Azura dich so schlecht behandelte? Weil du nie zu diesem Kennenlernen aufgetaucht bist?" Das war Madihas Stimme. Sie klang sanft und neugierig. Caleb hingegen wirkte irgendwie etwas nervös.
"Was? Nein, nein! Das war ... ohweh, du weißt nichts davon? Und jetzt sind wir so ... oh ... Ich hab ihre ... Ich hab sie gesehen, eine ganze Weile sogar. Corax hat mir dafür eine gescheuert. Er war eifersüchtig, nichts weiter. Aber ich konnte ihm verständlich machen, dass es ein dummes Missgeschick gewesen war. Ich hatte sie nur trösten wollen, weil sie doch glaubte, er sei gestorben. Wir alle glaubten das. Die Kleidung musste einfach so an ihr herabgerutscht sein - ich weiß, wie das klingt! Ich lüge nicht! Ich habe nicht aktiv dazu beigetragen, dass sie ... ich hab sie nur nicht darauf aufmerksam gemacht. In Ordnung? Die Aussicht war einfach ... umwerfend. Ich konnte nicht. Ich hab's ja auch gern angesehen, muss ich zugeben. Corax hat's mir zum Glück nicht übel genommen, sie allerdings schon. Aber schlecht behandelt? Nein, das würde ich nicht sagen. Von oben herab vielleicht, aber Adlige sind so. Mir hat sie gefallen, als sie .. nun ... einfach normal war. Es hätte ihr gut getan, all dieses Adelsgehabe einfach abzustreifen. Corax hätte das auch gut getan. Dieser dumme Elf."
Sie hörte das ganze Gespräch beider, bis sie schließlich den Steg und das Boot erreicht hatte. Der Fährmann hob den kapuzierten Kopf. Darunter fand Azura nur Schwärze vor und auch als er eine Hand offen vorstreckte, konnte sie nichts daran genauer ausmachen. Die Finger waren in Verbände gewickelt, welche teilweise von ihnen herunter hingen. Nicht ein Fetzen Haut oder Knochen war daran zu sehen. Aber er streckte sie ihr hin, als forderte er etwas. Dabei sprach er kein einziges Wort.


Azura ist nun im Besitz einer magischen Silbernadel, mit der sie "ihre Seele flicken" können soll.
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Azura » Sonntag 1. Januar 2023, 12:56

Endlich schien sie, wenngleich relativ unverhofft, ihrem Ziel, der Rückkehr ins Leben, mit gewaltigen Schritten näher zu kommen. Allerdings auch mit so manch ungutem Gefühl, denn wie es schien, hatte sie bereits zu viel Zeit an diesem seltsamen Ort verbracht. Trotzdem musste sie noch etwas erledigen, bevor sie ihn verlassen konnte. Denn, auch wenn sie es nicht direkt versprochen hatte im Garten und sich eigentlich nicht hätte gebunden fühlen müssen, war es ihr tatsächlich ein Bedürfnis, diese Bitte soweit wie möglich zu erfüllen.
Warum, das wusste sie selbst nicht zu sagen, da ihr diese Wesen im Prinzip nichts bedeuteten. Im Gegenteil, ihr sogar so etwas wie Unbehagen einflößten. Aber... etwas hatte sich in ihr geändert und nachdem sie persönlich gut wusste, wie erbauend und beruhigend es sein konnte, sich in Bücher zu vergraben, wollte sie nicht gänzlich darauf vergessen.
Doch mit ihren ausgesprochenen Worten allein schien es nicht getan zu sein, nun sollte sie auch noch Augen besorgen. Gerade sie! Wie gut, dass sie ihren eigenen Blick abgewandt hatte und dadurch aus purem Zufall zu einer der Leselampen sehen konnte. Deren Schmuck war es, der sie auf die Idee, ihre einzige, brachte, wie sich dieses Problem rasch lösen könnte.
Dadurch blieb ein Rest Unsicherheit in ihrem Inneren zurück, der durch das Lob ihrer Göttin allerdings sofort beseitigt wurde, sodass sie innerlich aufatmete, während sie die Steinchen weiterreichte, und leicht lächelte. Was nun folgte, lag fern ihres Fassungsvermögens, denn es war schlicht und ergreifend magisch. Azura schwankte zwischen Faszination und Furcht vor dem Anblick, als die neuen Augen ihren Platz fanden und damit Wunden verschlossen, von deren Anblick sie bestimmt noch lange Zeit über Alpträume bekommen sollte.
Bei den Worten jedoch runzelte sich ein wenig ihre Stirn. Herrscherin des Palastes? Etwa... sie?! Nun, das klang zwar schmeichelhaft und ganz so, wie sie es früher äußerst gerne gehört hätte. Im Moment hingegen fühlte sie sich überhaupt nicht danach und noch weniger nach einer Person, die diese Rolle angemessen ausfüllen könnte.
Aber wer war sie schon, eine Göttin zurecht zu weisen, noch dazu jene, die ihr zurück ins Leben helfen würde? Also blieb sie still während der Prozedur und schauderte lediglich hie und da, vor allem am Schluss, als sich der zurückgewonnene Blick auf sie richtete.
Der Dank war ihr ein wenig unangenehm, weil sie nicht gerade das Gefühl hatte, tatsächlich viel geleistet zu haben. Trotzdem nickte sie zaghaft und überwand sich, näher zu kommen, um ihre Hand auszustrecken und die Gabe entgegen zu nehmen. Erneut runzelte sich ihre Stirn, tiefer dieses Mal, denn dieses Werkzeug war nichts, mit dem sie gut umzugehen wusste. Nähen hatte ihr noch nie gelegen, ja, es hatte Tage gegeben, an denen sie es regelrecht gehasst hatte, weil ihre Mutter sie dazu gezwungen hatte zu üben.
Die erklärende Bemerkung hingegen ließ sie blinzeln und auch schlucken. "Mei... meine... Seele...?", murmelte sie fragend.
Doch da unterbrach Ventha sie auch schon und erinnerte sie daran, dass sie es eigentlich eilig hatte. Also verstaute sie die Nadel gewissenhaft, indem sie diese an den oberen Saum ihres Rockes heftete, und wirbelte dann herum, um noch einige Schriftrollen zusammen zu klauben. Was sie sich aus diesen an neuen Erkenntnissen und Wissen versprach, wusste sie selbst nicht zu sagen. Es war ihr aber einfach ein inneres Bedürfnis, sie soweit wie möglich mitzunehmen und zu lesen.
Auch kam sie nicht dazu, ihre Frage nach dem Flicken ihrer Seele erneut zu stellen, wenngleich dieser Punkt ihr weniger Kopfzerbrechen bereitete. Ventha war ihr bereits mehrfach erschienen und hatte ihr Antworten gegeben. Sie baute darauf, dass diese besondere Art der Verbindung zwischen ihnen nicht aufhören würde. Schließlich war sie auf der Suche nach der einen speziellen Schriftrolle, da würde die Göttin sie gewiss nicht so schnell aus den Augen lassen. Also hatte sie diesbezüglich einen Hauch mehr Zeit.
Sogar ein Beutel für ihre Reiselektüre lag in der Bibliothek bereit, als hätte er gewusst, dass er bald benötigt werden würde, sodass sie alles gut darin verstauen und sich schräg um den Oberkörper legen konnte. Noch einmal wog sie die beiden Metallmünzen in der Hand, dann straffte sie die Schultern und machte sich auf den Weg.
Kaum hatte sie jenes Anwesen verlassen, in dem sie sich aufgehalten hatte, veränderte sich ihre Umgebung und ließ sie unwillkürlich frösteln. Es war ein unheimlicher Ort und bald schon drohte sie, die Orientierung zu verlieren. Was, wenn sie in die falsche Richtung lief und deswegen alles zu spät sein würde? Sie würde nie wieder zurück finden, denn nach kurzer Zeit schon war auch der Palast am vermeintlichen Horizont verschwunden! Sie würde sich verirren und bis in alle Ewigkeit...
Nein, so durfte sie nicht denken! Sie hatte ein Ziel, sie wollte ins Leben zurück und dafür musste sie diesen vermaledeiten Fährmann finden, bevor dieser ablegte! Entschlossen stapfte die junge Frau weiter stur gerade aus, in der Annahme, dass Ventha ihr zur Not einen Schubs in die richtige Richtung geben würde, sollte sie gänzlich verkehrt sein.
Wie lange es dauerte, bis sich etwas in ihrer Umgebung änderte, wusste Azura nicht zu sagen. Doch irgendwann... war ihr, als vernähme sie ein vertrautes, geliebtes Rauschen an ihren Ohren. Wasser, das konnte nur Wasser sein!
Mit neu gefasstem Schwung schritt sie weiter aus und war innerlich froh darüber, dass sie keinen bodenlangen Rock trug, der ihr Tempo verringerte. Auch so war sie bei weitem nicht so schnell wie in Hosen, aber es war besser als nichts.
Allmählich kam auch der Übergang von Land zu Wasser so in Sicht, dass sie diesen bewusst wahrnehmen konnte. Ja, mehr noch, da gab es zu ihrer Rechten einen Steg, schmal und vermutlich nur selten benutzt, jedoch definitiv vorhanden. Ebenso wie das Boot und die Gestalt darauf. Das musste der Fährmann sein! Nun ja... zumindest hoffte sie das inständig.
Fast schon rennend bewegte sie sich darauf zu, als sich über ihr Wolken zusammenbrauten. Anfangs noch sorgten sie dafür, dass sie ihren Rock raffte, um noch schneller zu werden. Sobald sie allerdings eine Stimme zu hören und vor allem zu erkennen glaubte, blieb sie einen Moment lang irritiert stehen, während sich ihr Brustkorb rasch hob und senkte, als müsste sie keuchen ob der Anstrengung.
Ihre Stirn runzelte sich erneut und als die zweite Stimme sich dazu gesellte, verdüsterte sich ihre Miene. Ihre freie Hand ballte sich zur Faust und sie stieß einen leise, gezischten Fluch aus. Oh, dieser elende Van Tjenn! Wie gut, dass Corax ihm eine Ohrfeige verpasst hatte! Die nächste allerdings bekäme er von ihr und zwar rechts und links, darauf konnte er Gift nehmen!
Entschlossener, fast schon verbissen, als zuvor nahm sie ihren Lauf wieder auf und überwand auch den letzten Rest an Distanz bis zu dem Steg. Dabei versuchte sie, sich auf ihre Wut zu konzentrieren und nicht so sehr auf das, was sie noch zu hören bekam, um nicht erneut Zeit durch Innehalten zu vergeuden.
Endlich erreichte sie ihr Ziel und die Kutte hob ihren verdeckten Kopf. Dahinter erkannte sie... nichts, nichts außer tiefste Dunkelheit, was sie trotz allem im ersten Moment erschrocken zurück zucken ließ. Aber dann schluckte sie schwer und entsann sich der Worte ihrer Göttin, während ihr schon auffordernd die Hand entgegen gestreckt wurde. Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass ihre Finger leicht zitterten, als sie, mit so wenig Kontakt wie möglich, die beiden Münzen überreichte.
Als das erledigt war, spannte sie sich unwillkürlich an und wartete auf eine Reaktion. Gleichzeitig schickte sie ein Stoßgebet an Ventha, von deren beobachtenden Augen sie überzeugt war, und hoffte, es würde jetzt endlich alles gut werden. Azura wüsste nicht, wie es sonst weiter gehen würde mit ihr...
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Erzähler » Montag 2. Januar 2023, 16:06

Azura griff nach dem letzten, dem einzigen Strohhalm, der für sie nicht die Ewigkeit bedeutete. Eine Ewigkeit, in der sie ohne Corax wäre und wüsste, dass es ihm in der Lebendwelt nicht unbedingt gut ging. Was genau geschehen war, wusste sie nicht. Sie hatte nur zusammenhanglose Schreckensbilder durch die Fensterfront der Bibliothek gesehen. Tote, Blut und zwei entsetzt dreinblickende Gefährten in Form von Madiha und Caleb. Dass sie Corax nicht gesehen hatte, bedeutete nicht, dass er nicht auch im Raum gewesen war, nur nicht unmittelbar in ihrem Blickfeld. Aber sie hatte einige Dinge gehört ... oder eben nicht, denn wie so oft sperrte sie sich für Dinge, die sie nicht hören wollte und blendete sie aus. So entging ihr auch durchaus das Kompliment, das Caleb für sie übrig hatte, als auch, dass beide sich um ihren Raben ebenso sehr sorgten wie sie selbst. Einzig Ventha hatte davon gesprochen, dass Corax sich ... verstoßen fühlte ... und allein. So allein wie niemals zuvor, weil niemand da war. Verging er nun in seiner Trauer, weil er die letzten Bande zu ihr gelöst hatte, um sein Leben weiterführen zu können? Ein Leben, das sie sich eigentlich für ihn gewünscht hatte? Dass er losließ und über sie hinweg käme. Dass es auch bedeuten konnte, allein mit sich und seinen Gefühlen zu sein...
Sie wollte zu ihm zurück. Sie wollte ins Leben zurück. Fraglich war, ob sie ihr Leben wirklich ebenfalls wieder aufnehmen und weiterführen wollte oder ob sie nur noch seinetwillen zurückkehrte. Mit etwas Glück fände Azura es vielleicht noch heraus. So beeilte sie sich, die mitgenommenen Schriftstücke in einen Beutel, der irgendwie nur zur rechten Zeit am rechten Ort gelegen hatte, weil sie daran dachte und ihn benötigte. Sie, die Herrin des Palastes, welchen sie nun hinter sich gelassen hatte. Ihre nackten Füße huschten über den schwarzen Sand. Er fühlte sich vereinzelt warm an und knirschte unter ihren Schritten. An manchen Stellen war er aber auch angenehm kühl, wenn sich ihre Füße im Lauf etwas in ihn hinein senkten.
Azura lief und lief, während sich über ihr die Wolken auftürmten. Sie schaute nur einmal zurück, um zu erkennen, dass der Palast nicht mehr in Sichtweite war. Sie hatte ihr geborgenes Refugium im Reich des Todes verlassen. Wenn sie nun weder das Ufer noch den Fährmann fände, wäre sie dazu verdammt, die Ewigkeit in einer schwarzen Wüste zu verbringen und für den Rest ihrer Existenz zu laufen, bis sie den Grund dafür vergaß. Und eines Tages würde sie sich selbst vergessen und auflösen, um die Essenz ihrer Seele an Celcias Welt zurückzugeben. Dann wäre alles umsonst gewesen. Dann würde sie weder Corax jemals wiedersehen, noch den Auftrag ihrer Göttin erfüllen können oder vielleicht ein neues Leben mit neuer Entwicklung führen. Der Gedanke bedrückte sie und ließ ihre Ohren rauschen, bis sie bemerkte, dass das Rauschen überhaupt nicht daraus herrührte. Es waren Wellen, die vertrauten Wogen, die sich auf einen Strand warfen und am Sand festklammerten, ehe die Gezeiten sie zurück zur Tiefe des Horizontes zogen.
Das Meer. Sie hatte es geschafft. Plötzlich sah sie es vor sich. Die Wellen trugen weiße Schaumkronen auf den schwarzen Sand hinauf und zogen sie wieder mit sich oder hinterließen eine schaumige Grenze. Doch schnell weckte auch einer kleiner Steg Azuras Aufmerksamkeit, denn dort lag noch immer ein Boot vor Anker. Es war mit keinem der Handelsschiffe zu vergleichen, die in Andunies Bucht schaukelten, obgleich es auf den Wellen durchaus selbst ordentlich schwankter. Die Barke wirkte allerdings auch nicht, als würde sie sofort auseinanderfallen. Das Holz war gepflegt und frei von Muschelbesatz oder Tang. Nur der Fahrer, der dort auf seiner Stange lehnte, wirkte ein wenig ... alt.
Wer sich unter der Kapuze verbarg, das konnte Azura nicht ausmachen. Wo der Gevatter Tod wenigstens einen bleichen Schädel aufwies, da wartete bei dieser Figur nur tiefste Schwärze auf sie. Sie konnte nicht einmal Konturen eines Gesichts erkennen, geschweige denn Augen, Nase oder Mund. Fordernd streckte der Fährmann, den Ventha Styx genannt hatte, seine mit Leinen verbundene Hand aus. Azura ahnte sofort, was er erwartete. Ohne Bezahlung würde er sie nirgends hinbringen.
Mit zitternden Fingern ließ Azura die beiden Metallscheiben in die Handfläche des Fährmanns fallen. Sie klimperten, sahen Münzen nur entfernt ähnlich. Er schloss seine Finger über ihnen wie Klauenzweige über einem Vogel im Geäst. Nun war das Metall zwischen Leinenbändern und Fingern gefangen. Plötzlich hob der Fährmann eben jene Hand unter die Kapuze. Er drückte sie flach in die Schwärze hinein. Die Münzen fielen nicht in die Tiefe und als er die Hand zurückzog, konnte Azura in ein Paar stählern schimmernder Augen Blicken wie sie sie zu Übungszwecken und auf Wunsch ihrer Mutter hin immer auf die handgefertigten Puppen genäht hatte, damit diese ein Gesicht erhielten. Sie blickten leer und doch stahl sich immer wieder ein Schimmern oder Aufblitzen auf die Münzaugen, so dass Styx' Blick doch Leben eingehaucht wurde. In der Schwärze unter diesem Augenpaar riss kurz darauf eine Kluft auf. Ein blutroter Schlund zog sich von einer Seite der Kapuze zur anderen und in einem breiten Grinsen, das in einen gedärmefarbenen Abgrund führte, lugten ihr zwei Reihen scharfer Zähne entgegen. Spitz und weiß glänzten sie, bis Azura erkennen musste, dass es sich nicht um Zähne handelte, sondern tatsächlich um angespitzte Fingerknochen. Vermutlich würden sie sich an ihr festhalten, sollte Styx das Bedürfnis verspüren, damit zuzubeißen. Doch er tat es nicht. Er grinste sie nur immens breit an und wies dann geradezu einladend auf den einzigen Sitzplatz in Form einer Querplanke in seinem Boot.
Er selbst wartete, bis Azura der stummen Aufforderung nachgekommen wäre. Dann stieg er zu ihr ins Boot, so dass er in ihrem Rücken stand. Die Taue am Stegpoller lösten sich von selbst, als hätte ein Frosch erkannt, dass er seine Zunge auch wieder zurückschnellen lassen müsste. Mit dem Ende der Stange drückte Styx das Boot vom Steg fort und gemächlich trieben er und Azura auf's Meer hinaus. Über ihnen hingen nun graue Wolken. Zwischen ihnen blitzte es immer mal wieder auf, aber versetzte das Licht niemanden in Schrecken. Es wirkte eher ... antreibend. Als würde etwas knistern und Funken sprühen, um mit seiner Energie anzustecken. Auch das Donnergrollen zeugte nicht von Furcht. Nach wie vor beinhaltete es die vertrauten Stimmen von Madiha und Caleb. Es musste am Wellengang liegen oder am Meer oder den Umständen, dass alles andere vollkommen ruhig erschien. Jedenfalls war das Gespräch beider Lebenden so klar, dass es sich förmlich in Azuras Gehörgang bohrte, ob sie wollte oder nicht. Sie konnte die Worte dieses Mal nicht ausblenden. Sie lauschte einem Gespräch, das so liebevoll und so intim wie ehrlich war.

(Für das Gespräch bitte den Erzählerpost im Thema Orientierungslos am Hafen (hier) ab Madihas Liebesgeständnis lesen)

Zwei Seelen fanden zueinander und gingen offen miteinander um. Eine teilte ihre überschwänglichen Gefühle mit, die sie als Liebe empfand. Die andere lehnte nicht ab, aber ging es vorsichtiger an, um beide nicht ins Unglück zu stürzen. Was immer in der Echtwelt passiert war, das sich eigentlich nicht mit den Bildern vereinen ließ, die Azura gesehen hatte, es fand als ein kleiner Moment des Friedens statt. Ein Moment, in dem Seelen sich erholen und Kraft schöpfen konnten, weil sie nicht allein waren.
Wie es passierte, konnte sie nicht sagen. Es geschah einfach, ebenso wie alles andere über ihrem Kopf mit dem Gesprächsgewitter passierte. Der Beutel, eigentlich fest verschlossen, sprang auf und ein einziges Pergament entrollte sich auf der Länge des Bootes. Styx fuhr ungerührt weiter, als wäre er nur Teil der Kulisse, die Azuras Szene einer Rückkehr ins Leben auf der großen Bühne spielte. Doch sollte dieses aufgerollte Schriftstück nun Teil ihres Textes sein? Nein. Das hatte sie im Leben weder geschrieben, noch gedacht. Es gehört einem anderen. Die Worte darauf bildeten sich nach und nach und jedes Mal, wenn sie sich im Kern veränderten, strichen sie die vorherigen durch, legten sich darüber, bis am Ende nur noch ein wildes Gekritzel das gesamte Papier schwarz färbte und die letzten Worte daraus wie blutrote Tränenlinien heraus flossen.

Sie ist so schön. Ich mag sie allein deshalb schon sehr. Auch wenn sie nervt, aber es macht Spaß, sie ein bisschen zu triezen und sich mit ihr verbal zu messen. Ich mag es, wenn sie mich kontert und ich mag es, sie zu kontern. Wie schön sie ist. Ich will sie küssen und damit ein bisschen erschrecken.
Jetzt schläft sie. War ich das? Hab ich das gemacht? Aber nein, nicht von mir. Ich kann ja gar nicht zaubern. Die Kette ist auch nicht von mir. Mich stört es gar nicht, dass sie uns bindet. Ich bin gern in ihrer Nähe. Ich fühl mich dann viel stärker. Ich habe weniger Angst vor ... ihnen. Sie spielen nicht, wenn ich es etwas zum Spielen gefunden habe. Sie mögen es nur nicht, dass ich sie mag. Ich mag sie wirklich. Wie schön sie ist.
Ich liebe sie. Sie ist so schön. Und sie ist nett zu mir zwischen den Momenten, in denen wir uns ärgern. Das liebe ich. Ich liebe sie.
Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie.Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie. Ich liebe sie.
Liebt sie mich auch? Sie hat es einmal gesagt. Sie liebt mich. Und wenn ich jetzt sterbe, wird sie mich lieben. Sie liebt mich, sie tut es sie liebt mich. Sie liebt mich doch auch noch, wenn die Kette fort ist? Ich will sie nicht verlieren. Ich liebe sie. Ich will nicht ohne sie sein.
Ich will sie nicht verlieren.
Ich will sie nicht verlieren.
Ich will sie nicht verlieren.
Ich will sie nicht verlieren.
Ich will sie nicht verlieren.

...verlieren .... verlieren ... verlieren ...
Verloren!
Ich habe sie ... verloren. Sie ... ist fort. Er ist wieder da, aber sie ist fort. Sie bleibt fort. Verloren. Für immer. Ich habe sie verloren. Sie kommt nicht mehr zurück. Es tut weh. Nichts tat jemals so sehr weh. Nicht einmal sie könnten mir jemals so sehr wehtun.
VERLOREN!
Komm zurück zu mir. Komm zurück. Ich schaffe das nicht ohne dich. Ich bin allein. Bitte, komm wieder. Warum kommst du denn nicht zurück? Warum muss ich allein bleiben? Bitte. Komm zu mir zurück.
Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück.
Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück.
Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück.
Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück. Komm zurück.

Du bist noch da. Wenigstens du. Ihr. Er ist auch da. Ich bin nicht allein. Ihr seid da. Nur sie nicht. Es tut immer noch weh. Ich kann sie nicht zurücklassen. Sie ist doch noch nicht fort. Und ich liebe sie. Ich will nicht loslassen. Sie ist doch immer noch so schön. Vielleicht kommt sie doch noch zurück.
Bitte.
Komm wieder.
Lass mich nicht allein.
Sie kommt zurück. Sie kommt zurück. Sie kommt bestimmt zurück. Sie lässt mich nicht allein. Sie würde niemals. Sie kommt wieder. Ich liebe sie doch. Komm zurück. Zurück zu mir. Zurück. Zurück. Zurück.
Sie kommt zurück. Sie kommt zurück. Sie kommt zurück. Sie kommt zurück. Sie kommt zurück.
Sie kommt nicht zurück. Und ich mache wieder Fehler. Wieder. Immer wieder. Und jetzt bin ich allein. Wirklich ... allein. Ich spüre sie nicht mehr. Ich bin allein. Sie waren niemals gut zu mir, aber jetzt sind sie auch fort. Ich bin allein.
Allein.
Allein...
Allein!
ALLEIN!
Nimmermehr...
Nimmermehr...
Nimmermehr wird es sich ändern.
Schriftrolle Fuss
Das war der Moment, da sich das Boot mit Wasser füllte und versank.

Azura kehrt ins Leben und in ihren Körper zurück. Ihre Lebensenergie verändert sich zu


Weiter bei Der Hafen Andunies -> Orientierungslos am Hafen

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Re: Palast der Stille

Beitrag von Erzähler » Montag 16. Dezember 2024, 23:03

Kazel (& Elodi) landen von -> Die Graslandsiedlung Neuanfang

Trotz dessen, dass alle beiden das Gefühl hatten, mindestens einmal im freien Fall einen Überschlag gemacht zu haben, landeten Kazel und Elodi beide verhältnismäßig sanft. Dennoch stolperte die Rothaarige, so dass sie gegen die Brust des Mischlings fiel, wo sie sich mit der freien Hand an seinem Hemd festklammerte. Die andere Hand, hielt noch immer die seine!
Nach einem Moment hob sie den Blick, wirkte verhältnismäßig blass, denn es war unüblich, dass die hohen Entitäten ihre Gesellen ohne Warnung durch die Ebenen rissen. Auch Kazel spürte vermutlich wieder den Anflug einer Übelkeit, doch verhalf der kleine Schock dabei, dass er sein Essen dieses Mal bei sich behalten würde. Was war nur geschehen?
Würde er den Blick heben und sich umsehen, würde er feststellen können, dass sie sich im Palast der Stille befanden, doch der Raum, in dem sie waren, war auch ihm unbekannt.
Es war dunkel und hell zugleich. Die schwarzblauen Wände, die sich zu einer Kuppel zusammenschlossen schimmerten, während flackernde Lichter, wie in einem Fluss treibende Fische über die Oberfläche huschten. Unter ihnen befand sich ein klares Gewässer – eine spiegelglatte Fläche, auf der sich keine einzige Welle kräuselte, obwohl sie auf dieser standen, wie von einer unsichtbaren Glaswand getragen.
Aus der Tiefe des Gewässers glomm ein weiches Licht und ermöglichte die Sicht auf schier unendlich viele Silberfäden, die stumm und kreisförmig im Wasser trieben und funkelten.
Elodi machte sachte einen Schritt zurück, um ebenfalls einen besseren Überblick gewinnen zu können. Ihr Blick wanderte verunsichert umher – schien das Antlitz Schicksals oder Tods zu suchen.
„Wo sind wir hier? Was…!“ Wieder wurde sie mitten im Satz unterbrochen! Der gesamte Raum begann unter ihnen zu beben, als würde ein Erdbeben den Palast ergreifen. Elodi gab einen erschrockenen Laut von sich und versuchte erneut Halt bei Kazel zu finden, doch auch er würde es schwer haben die Balance zu behalten.
Rotblitzende Risse breiteten sich über der Kuppel aus und in den Tiefen des Gewässers, erschien eine wabernde, pechschwarze Masse, die ähnlich, wie ein Topfen Tinte im Wasser, Wurzeln bildete, die über das glimmende Licht krochen.
„Was passiert hier?“, rief Elodi durchaus verängstigt. Sie verlor den Halt und sackte auf die Oberfläche, wodurch sich ihr Blick ganz automatisch auf die Tiefe richtete.
Die silbernen Fäden gerieten in Unordnung. Einige verfingen sich in den schwarzen Wurzeln und vertrockneten zuckend im Griff des Unbekannten, ehe sie verblassten und sich in stumpfen, grauen Staub auflösten.
Das Beben ebbte noch immer nicht ab. Und plötzlich bohrten sich durch die Tiefe des Gewässers zwei pechschwarze Speere, die sowohl auf Kazel, als auch auf Elodi zurasten. Keiner der beiden hätte Zeit gehabt zu reagieren. Doch bevor ein Einschlag erfolgen konnte, erklang ein lauter Schlag – wie als hätte man auf eine tiefklingende Glocke gedonnert und zwischen Elodi und Kazel schlug die Sense des Gevatters in die spiegelglatte Oberfläche ein. Eine Vibration erfasste jede Faser ihres Seins. Doch dann herrschte Stille – fror das Beben, wie auch jede andere Bewegung im Raum ein – außer die der beiden Gesellen.
Ein weißes Licht begann den Raum wachsend zu erhellen – gleichzeitig wurde es eiskalt, so dass sich tatsächlich Eiskristalle und Blumen auf der Oberfläche bildeten, leichter Nebel aufzog und ihre Atmung – ein eindeutiges Zeugnis für ihre Zugehörigkeit der Lebenden – in sanften Atemwolken aufstieg.
Kazel hallte noch der Schlag in den Ohren, als er sich das erste Mal wieder zu bewegen wagte. Eine kalte und knöcherne Hand legte sich auf seine Schulter. Die Kutte des Todes umhüllte die Skelettform und doch hatte der Gevatter vermutlich noch nie so imposant gewirkt, wie in diesem Augenblick.
„Alles in Ordnung Kazel?“, fragte Tod seinen Gesellen, der vermutlich auch nicht wusste, was hier gerade geschehen war. Würde Kazel sich umblicken würde er Elodi noch immer auf dem Boden vorfinden – zitternd und auf die scharfe Sense blickend, die vor ihr – keine 20 cm entfernt von ihren Füßen, in der Oberfläche des Gewässers steckte, als wäre dieser aus Kristall. Genau unter ihr zeichnete sich eine unheimliche Struktur ab. Als wäre der schwarze Speer in sich zerplatzt bildete sich unter der Rothaarigen ein Netz aus spitzen, schwarzen Strukturen, die aussahen als würden Klauen nach ihr greifen.
Und genau unter Kazel bohrte sich bereits gute 6 cm die Spitze des zweiten Speers empor, die ihn zweifelsohne aufgespießt hätte, wäre die Zeit vom Gevatter nicht eingefroren worden.
Ein zitterndes Keuchen entfloh Elodis Kehle und sie rutschte zurück, um Abstand zwischen sich und das Netz aus Dunkelheit zu bringen.
„Es tut mir leid, aber wir dürfen keine Zeit verlieren!“, sprach Tod an beide gewandt und legte seinen Schädel sachte in Richtung der Nackenwirbel, um hinauf zur Decke zu blicken. Die Risse in der Kuppel begannen sich im schimmerten Funkeln silbernen Lichts langsam, aber sicher wieder zu schließen.
Die Energie ist verschwunden!, erklang für alle hörbar die Stimme der Weberin, was natürlich Elodi direkt aufblicken ließ.
„Schicksal?!“, rief sie ihre Meisterin, noch immer mit tief verunsicherter Stimme, die sich daraufhin aus sanft pulsierendem Licht bei der Rothaarigen materialisierte.
„Vorerst haben wir alles wieder unter Kontrolle!“, berichtete Schicksal, woraufhin Tod sachte nickte. Schicksal griff Elodis Hände – sollte Kazel nicht längst bei ihr stehen und sie stützen, doch auch dann würde die junge Frau zumindest eine Hand nach ihrer Meisterin ausstrecken.
„Wa-was war das? Was geht hier vor? Warum sind wir plötzlich hier und …“ Die Weberin legte eine Hand an die Wange ihrer Gesellin und lächelte milde – bot ihrem Redefluss jedoch Einhalt.
„Es tut uns leid. Wir erklären euch alles. Es ist vorerst wieder alles in Ordnung. Aber wir haben ein Problem, bei dem wir dringend eure Hilfe benötigen!“
Ihr Ton versuchte zu beruhigen und doch konnten Kazel, wie auch Elodi die Anspannung und Ernsthaftigkeit der Situation spüren.
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Kazel Tenebrée » Montag 23. Dezember 2024, 09:44

"So ein Quatsch! Unfug - Irrsinn!"
Die doch tatsächlich innere Ruhe, die Elodi eben noch aus Kazels Zügen hatte ablesen können, schwand schlagartig. Es war überhaupt seltsam, dass er so ruhig hatte sein können, so ... friedlich. Gerade bei einem Thema, das Spuren auf ihm hinterlassen hatte. Körperliche Spuren, in Form seiner Narben. Elodi hatte bei all ihren Untersuchungen sie sicherlich gesehen. Es war nicht möglich, sie zu übersehen! Kazel trug ein Blitzgewitter aus vernarbten Striemen auf dem Rücken. Dass sie nicht mehr schmerzten, verdankte er seinem Lehrmeister und seinen eigenen Taten, durch die er sich verdient gemacht hatte, die physische Pein loszuwerden. Doch was war mit der seelischen Last geworden? Jene, die ihn hatte erkennen lassen müssen, dass er in einer Stadt wie Morgeria weniger wert war als andere, weil er ... anders aussah. Vielleicht sogar, weil er anders war, aufgrund seines Mischblutes, denn Kazel konnte nicht wirklich das Klischee eines Dunkelelfen bedienen. Ihm fehlte die nachgesagte Mordlust, die Rachsucht. Er war ... friedlich, gutherzig und oftmals achtete er mehr auf andere als auf sich selbst.
Auch bis eben noch hatte man diese Warmherzigkeit an ihm sehen können. Trotz all der Tortur, die man auf seinem Körper und seiner Seele hinterlassen hatte, konnte er es schlicht akzeptieren und hinter sich lassen. Es lag in der Vergangenheit, ebenso wie seine Erinnerungen, auf die Kazel nicht mehr zugreifen konnte. Es war in Ordnung für ihn. Es lag hinter ihm, ebenso wie ehemalige Beziehungen zu Freunden, Familie, einer möglichen Liebenden.
Umso erschreckter reagierte er auf die Gegenwart, als Elodi sich so vehement über das morgerianische Weltbild über den Wert eines Lebewesens ausließ. Es berührte sie nicht nur sein Schicksal. Er hatte irgendeinen Schalter in ihr ausgelöst. Zwar kannte Kazel sie erst einen Tag lang, aber so aufgebracht hatte er Lebens Gesellin noch nicht erlebt. Aber es tat ihr gut, sich in Rage zu reden und gegen dieses Gedankengut anzukämpfen. Dass Kazel das Weltbild der morgerianischen Dunkelelfen nicht teilte, sollte sie ihm ansehen können. Er hatte einfach zitiert, was deren Gesellschaft vorlebte ... und damit abgeschlossen.
"Ich hüffe, du ... belastest dich nicht mit diesen dummen Aussagen von den sogenannten Reinrassigen! Spätestenst am Ende des Lebens werden sie erkennen, wie belanglos und dumm solch eine irdische Denkweise war, denn am Schluss zählt nicht die Abstammung, sondern die Taten." Langsam beruhigte auch Elodi sich wieder. Nun war es allerdings an Kazel, dass er aufstand, ausgelöst durch ihre Worte. "Richtig", meinte er und grinste leicht schief auf. "Denn am Ende begegnen sie mir und ich werde es ihnen dann noch einmal verdeutlichen, bevor ich sie mitnehme." Er gluckste, doch wich seine amüsierte Ader schnell einem sanften Blick. Elodis Worte hatten ihn bewegt. "Ich würde dich am liebsten jetzt nochmal küssen." Er griff nach ihren Händen und ließ Taten sprechen, wenn auch nicht noch einmal in wachsender Leidenschaft wie auf der Anrichte. Elodi erhielt einen Wangenkuss, so wie sie ihn Kazel zuvor auf der Bank gegeben hatte. Mit einem langen Blick auf sie führte er sie zurück zum Tisch. Ihre Mahlzeit sollten die beiden aber nicht mehr vollständig beenden können. Für kleine Neckereien über Nacktheit und die Aufklärung, dass nicht Elodi, sondern Tarek sich um alles gekümmert und alles gesehen hatte, was sich unterhalb des Nabels befand, reichte es aus. Als sie jedoch zu eigentlich brisanteren Themen kamen wie den Status ihrer Beziehung - sofern eine existierte! - wurden sie jäh unterbrochen. Kazel konnte noch feststellen, dass Elodi von einen auf den anderen Moment geradezu erstarrte, plötzlich erging es ihm nicht anders. Er hörte Gevatter Tods Stimme in seinem Geist und jener klang ... lebendiger als üblich. Aufgeregt. Alarmiert. Sofort ging dieses Gefühl auf seinen Lehrling über, dann zog etwas an ihm und riss ihn erneut auf seinem gerade erst frisch begonnenen Neuanfang.

Elodi und Kazel fanden sich an einem Ort wieder, den zumindest der Geselle des Todes nicht wirklich kannte. Vielleicht mochte er dieses Gebäude - das Pforte zum Jenseits für bestimmte Seelen war - aus der Ferne gesehen haben, als er mit seinem Meister am schwarzen Strand von Kata Mayan gestanden hatte, bewusst wahrgenommen hatte er das Gebäude aber bisher nicht. Im Inneren war er zumindest noch nicht gewesen und doch traf ihn bei Ankunft das Wissen, sich im Palast der Stille zu befinden. Hier erhielten manche Seelen Gelegenheit, zu reflektieren. Jene Seelen, denen Tod ab und an eine zweite Chance geben wollte. Das kam häufiger vor als gedacht, vor allem in den letzten Jahrzehnten! Wurde der Gevatter auf seine knochigen Tage etwa ... weich? Hatte es damit zu tun, dass er sich einen Schützling genommen hatte? Kazel war ja schon der Ansicht, dass der Zeitlose im Laufe der Ewigkeit Einsamkeit verspürte. Ob er sie nun abschütteln konnte, indem er sich einen Schüler suchte oder einen Freund, war dem Mischling dabei nicht wichtig. Er würde Tod zur Seite stehen, in jeder Hinsicht. Auch jetzt.
Und so richtete er seinen überraschten Blick sofort auf den Gevatter, anstatt auf die schwarzblauen Wände aus Widerspruch, denn Helligkeit und Dunkelkeit konnten im Grunde nicht auf diese Weise vereint sein. Sie koexistierten, schenkten der Gegenseite durch ihr bloßes Dasein Bedeutung, denn sie zogen eine Grenze, auch zwischen sich. Im Palast der Stille traf das offenbar nicht zu. Hier verschwammen jegliche Grenzen, natürliche Gesetze schienen ausgeschaltet, soweit Tod es gestattete. Wie sonst wäre es möglich, auf einem Boden zu stehen, der einem klaren Gewässer glich? Aber Kazel schaute sich nicht um. Seine Sorge galt weniger der Umgebung als jenen, die bei ihm waren. Er tat gut daran. Kaum, dass Elodi durch erste Fragen auf sich aufmerksam machte, bebte der Untergrund. Sie unterbach sich selbst, indem sie einen Schrecklaut von sich gab. Jener bewegte Kazel zum Handeln. Instinktiv griff er neben sich, schlang sofort einen Arm um seine Partnerin und zog sie an sich heran, damit sie sich bei ihm stützen und bei Bedarf auch Schutz suchen konnte. Nicht, dass er ihr nicht zutraute, sich selbst zu verteidigen - Kazel hatte beim Kampf gegen den Plagegeist gesehen, wozu Elodi imstande war - es war ein natürlicher Reflex. Der Mischling hätte auch Tod selbst auf diese Weise an sich herangezogen, wäre jener nur eine Spur schneller neben ihm aufgetaucht. Wobei man sich fragen musste, ob der Gevatter einen schreckhaften Laut von sich geben würde, wenn unter ihm der Boden erzitterte...
Wie auf's Stichwort erbebte der Grund erneut. Elodi entglitt Kazels Arm und sackte zu Boden, aber er war sofort bei ihr. Beide blickten auf das Wasser unter sich. Die Silberfäden, die bis dahin unterhalb der Oberfläche wie ein geordneter Fischschwarm harmoniert hatten, gerieten nun in Chaos. Teilweise verhedderten sie sich und man konnte schwarze Wurzeln aufsteigen sehen, die trotz des Wasserbildes kahl und trocken erschienen. Sie breiteten sich aus, verdrängten die silberne Ordnung. Wo sie jene allerdings zu packen bekamen, da dörrten sie den Silberstrang aus, lösten ihn auf, bis nichts als grauer Staub übrig blieb.
Kazel runzelte die Stirn. Er verstand ebenso wenig wie Elodi, was hier geschah, aber das Bild gefiel ihm nicht. Silberfäden verband er mit ihr, mit ihrer Meisterin Schicksal. Es waren ... Schicksalsfäden. Wenn diese von einer fremden Macht vernichtet wurden, konnte es nichts Gutes bedeuten. "Komm hoch, ich helfe dir", richtete er seine Worte an Elodi, bevor er ihr zurück in den Stand verhalf. Seinen Arm löste er nicht von ihr, hielt sie bei sich, jetzt ganz ohne romantische Scheu. Dafür war keine Zeit. Etwas stimmte hier nicht!
Da schoss ein Bündel schwarzer Speerspitzen von unterhalb der Wasseroberfläche auf Elodi und Kazel zu. Sie sahen das Unheil noch kommen, wussten aber instinktiv, dass nichts mehr sie hätte reagieren lassen können.

Und plötzlich machte der Palast seinem Namen alle Ehre. Das Beben erstarb, nein es erstarrte. Genauso wie alles andere. Stille legte sich über diesen Teil der Welt. Kazel kam sie vertraut vor, denn er hatte diese Gabe schon selbst anwenden dürfen. Oder irrte er sich? Eine Antwort darauf erhielt er nicht. Ihm kam es einfach nur so vor, als stünde die Zeit für diesen Augenblick still. Wenn er jedoch nicht Quell davon war, konnte es nur sein Meister sein.
Ein tiefer Gongschlag hallte durch den Raum. Tods Sense schlug vor dem Mischling und der Menschin ein. Ihr silberblaues Metall, gebogen wie ein Sichelmond, blieb im Grund stecken. Von ihr aus erfasste sie eine unsichtbare Welle, die bis in jede Faser ihrer Körper hinein vibrierte. Dann herrschte erneut Stille. Kazel wagte nicht zu atmen, bis sich eine vertraute Kühle ausbreitete. Erleichterung erfasste ihn und ließ ihn aufseufzen. Sein Griff um Elodis Hüfte lockerte sich und er schaute auf die Fingerknochen der Hand, die sich ihrerseits auf seiner Schulter platziert hatten. Sein meerblauer Blick wanderte empor. "Tod", stellte er zum einen fest und grüßte zum anderen.
"Alles in Ordnung, Kazel?"
Er warf einen Seitenblick zu Elodi hin. Natürlich. Er schaute, ob mit ihr alles in Ordnung war. Elodi schien sich erneut nicht halten zu können. Sie saß wieder am Boden, eingesunken, den starren Blick auf die Sense gerichtet. Das Bild allein genügte Kazel, dass er den Kopf schüttelte, aber Tod hatte mit einer solchen stummen Antwort wohl bereits gerechnet. Es war nicht alles in Ordnung. Und jetzt bemerkte auch er selbst die tödliche Gefahr, die vom See unter ihnen her auf sie zugekommen war. Elodi und er wären von den schaurigen Speerspitzen einfach aufgespießt worden, hätte Tod nicht eingegriffen.
"Danke", hauchte er Schüler dem Meister zu. Seine Sorge galt aber weiterhin Elodi. Er löste sich aus Tods Griff und huschte zur ihr. Wieder half er ihr auf. Wieder hielt er sie in seiner Nähe, dieses Mal aber ein wenig fester. Sie würde kein weiteres Mal zu Boden sinken. Elodi hatte den Blick jedoch zur rissigen Decke des Kuppeldachs gerichtet.
Die Energie ist verschwunden!
"Schicksal?!"
"Vorerst haben wir alles wieder unter Kontrolle!
, beruhigte sie ihre Gesellin. Jene plapperte drauf los. Sie wollte ebenso wie Kazel wissen, was vor sich ging, verzettelte sich aber in ihren eigenen Fragen, so dass sie stammelte. Kazel warf Tod einfach nur einen fragenden Blick zu.
"Es tut uns leid. Wir erklären euch alles. Es ist vorerst wieder alles in Ordnung. Aber wir haben ein Problem, bei dem wir dringend eure Hilfe benötigen!"
Verdutzt zuckte der Mischling zusammen. Es kam überraschend, dass Tod bei einer derart brenzligen Angelegenheit auf die Hilfe von Sterblichen zurückgriff. Allerdings waren diese Sterbliche Diener von Schicksal und Endlichkeit, somit privilegierter als andere Lebewesen Celcias. Kazel wusste zwar nicht, wie er seinem Lehrmeister unter die bleichen Arme greifen könnte, das hieß jedoch nicht, dass er sich aus der Verantwortung zog. "Was können wir tun?", stellte er nun die erste Frage und blinzelte, als er seine eigene Stimme im Palast der Stille selbige durchbrechen hörte. Sein Blick wanderte nun ebenfalls zum Kuppeldach. Die Gefahr mochte für's este gebannt sein, aber die verbliebenen Risse zeugten davon, dass es gerade erst angefangen hatte.
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Erzähler » Samstag 4. Januar 2025, 18:19

Stille kehrte in den Raum zurück und doch ließ sich der Angriff nicht verleugnen. Die schwarzen Ranken unbekannter Materie und Herkunft waren dank des Eingreifens von Tod in der Zeit eingefroren, zeigten aber noch immer bedrohlich und todesdrohend in ihre Richtungen. Wie hatte das nur geschehen können? Was ging hier überhaupt vor? Sie befanden sich immerhin auf Kata Mayan – im Reich der Stille, wo maximal die drei Entitäten Leben, Tod und Schicksal Macht besitzen dürften!?
Kazel war zu Recht verwirrt und fühlte sich zerrissen. So ging es auch Elodi, deren blaue Augen noch immer vor Schreck geweitet waren und denen eines verängstigen Rehs glichen. Als Tods Geselle hatte der Mischlingself bereits einiges erlebt und durchgemacht, auch wenn er sich dabei nicht an jene erinnerte, mit denen er eine Bindung aufgebaut hatte. Das und vielleicht auch die Tatsache, dass er zu seinem Lehrmeister ein starkes Vertrauen hegte, ließ ihn den Schock schneller verarbeiten und der Situation entsprechen zur Seite schieben. Elodi schien das nicht ganz so schnell zu gelingen, denn sie ihr Körper zitterte sichtbar in wiederkehrenden Schüben und sank sofort wieder zu Boden, als er seinen Griff von ihrer Hüfte gelöst hatte.
Natürlich war nicht so schnell und einfach wieder alles in Ordnung! Und Kazel, feinfühlig wie er war, erkannte dies – jedoch auch, dass sein Meister sie beide vor einem grausigen, wenn vielleicht auch nicht Ewigen Tod bewahrt hatte. Zumindest Kazel wäre vermutlich und vielleicht wiederbelebt worden, wie sonst auch!?
„Danke“, hauchte er dem Gevatter daher voller Dank zu, woraufhin die Kuttengestalt nur mit dem Kopf nickte.
„Du musst mir nicht für etwas danken, das selbstverständig ist! Immerhin haben wir euch hergebracht und diese Lage dadurch erst ermöglicht!“ Ob Kazel diese Erklärung wirklich wahrnahm blieb offen, denn der Dunkelhaarige eilte wieder zu seiner Partnerin und half ihr auf die wackligen Beine.
Elodis Finger griffen von ganz alleine in den Stoff seines Oberteils, um sich festzuhalten. Die beiden standen einander sehr nah und für einen Moment lehnte die junge Frau ihre Stirn gegen seine Schulter, atmete ein paar Mal tief ein und aus, um sich scheinbar wieder zu beruhigen.
„Es geht schon…!“, murmelte sie sehr leise, so dass es Kazel vermutlich nur dank seiner Elfenohren verstanden hatte. Ihr blauer Blick hob sich, traf kurz den seinen, ehe er zum Kuppeldach wanderte. Schicksal erschien nun ebenfalls und versicherte den beiden, dass die Lage vorerst wieder unter Kontrolle war.
Dass ihre Lehrmeisterin da war, schien Elodi noch ein wenig mehr aus ihrer Starre zu locken. Offenbar besaßen auch Schicksal uns sie ein enges Verhältnis, was er jedoch bisher nicht beobachten konnte. Elodi ergriff die Hand der ergrauten, jedoch erhabenen Frau, jedoch entfernte sie sich dabei nicht von Kazels Seite. Eine Frage nach der Nächsten löste sich von ihrem Mund Antworten schienen glücklicherweise nicht weit zu sein.
Kazel warf Tod einen fragenden Blick zu, während er Elodis Fragen lauschte und in diese nur gedanklich einstimmen konnte. Auch er wollte wissen, was los war!
Tod offenbarte ihnen dann, dass sie ihre Unterstützung benötigten, was vollkommen unerwartet kam. Ob nun Gesellen, oder nicht, bisher hatte es nie den Anschein gehabt, als würden die großen Drei wahrlich Hilfe bei ihrer Arbeit benötigen. Es war mehr ein Anlernen und Entlasten gewesen, doch nun …?
Kazel erkannte jedoch die Ernsthaftigkeit, die von Tods Aura ausging – von seinem Gesicht ließ sich ja wenig, bis gar nichts an Emotionen ablesen.
„Was können wir tun?“, fragte der junge Mann, willig sich seiner Verantwortung zu stellen. Elodi war bei dem Hilfsgesuch verstummt und sah nur ernst und aufmerksam zwischen den Dreien hin und her. Ihre Finger suchte unbewusst die von Kazel, mit denen sie ihre Finger verschränkte.

Tod zog aus dem eigenartigen See seine Sense heraus, doch nichts mochte den zeitlich eingefrorenen Zustand auflösen. So blieben die Ranken unbewegt, was gerade die Rothaarige, die kurz etwas zurückgewichten war, erleichtert ausatmen ließ. Schicksal kehrte an die Seite des Todes zurück und blickte auf die beiden Schüler, während Tod den Stock seiner Sense auf den Boden abstützte.
„Bereits seit einiger Zeit bemerken wir eigenartige und besorgniserregende Vorkommnisse, die die Zwischenwelt – unter euch auch als Reich der Geister bekannt, betreffen.“, begann Tod zu erzählen, woraufhin sich Schicksals so schon aufrechte Haltung noch einmal mehr straffte.
„Eine selbst uns unbekannte Macht gefährdet die Stabilität der Mauer, die das Reich der Lebenden und die Zwischenwelt voneinander trennt. Wir wissen nur, dass der Ursprung im Diesseits zu finden ist. Eine … vielleicht sogar mehr Personen magischer Begabung beeinflussen die Geisterwelt mit dem Resultat, das Risse entstehen, durch die immer häufiger rastlose Seelen Zugang zum Reich der Lebenden finden. Bisher hielten wir das Ausmaß für überschaubar, doch nun…“ Sie hob die Hand und deutete mit den Fingern zu den markanten Rissen im Kuppeldach „…müssen wir uns eingestehen, dass wir die Lage unterschätzt haben.“ Schicksal schien dieses Eingeständnis nicht leicht über die Lippen zu gehen. Elodis Blick tastete unruhig über das Gesicht ihrer Lehrmeisterin. Sie schien angestrengt zu versuchen die Lage zu begreifen, doch schienen ihr dafür noch mehr Informationen zu fehlen.
Nun ergriff Tod das Wort und schien zur Erklärung beitragen zu wollen.
„Das Ausmaß trifft nun auch Kata Mayan und bereits eingesammelten Seelen verschwinden plötzlich. Das könnte niemals alleine die Magie von Sterblichen ausrichten. Was bedeutet, dass eine weit größere Macht am Werk ist und sich einmischt. Ob diese aus dem Harax, oder aus den Reihen der Götter stammt, können wir bisher nicht sagen.“
Diese Offenbarung kam wie ein Schlag und Elodis Fingerdruck um Kazels Hand verstärkte sich. Wahrscheinlich hielten sich Tod und Schicksal absichtlich ein wenig oberflächlich, denn alle Zusammenhänge und Überirdischen Regeln und Gefüge, wie Machtverhältnisse zu erklären, würde den Rahmen vollkommen sprengen und sie nur noch mehr verwirren.
„Wir brauchen eure Hilfe, um die mitverantwortlichen Magier auf Celcia zu finden, denn nur durch diese gelingt es der eigentlichen Macht im Hintergrund das Geleichgewicht zu stören und Zugang zu erhalten! Außerdem bitten wir euch darum Übergriffe und Vorfälle mit Geistern unter Kontrolle zu bekommen.“ Tods Blick war auf das Gesicht seines Gesellen gerichtet. Die beiden verlangten – nein, sie baten die beiden nicht gerade um wenig! Es war ohne Zweifel gefährlich. Aber scheinbar benötigten sie wirklich die Hilfe ihrer Gesellen. Ihre Meister besaßen ewige Zeit und doch keine dafür sich um andere Dinge, als ihre ewigen Aufgaben zu kümmern. Dafür gab es die Machtverteilungen – jeder besaß eigene Aufgaben und Bereiche. Und so war das einzige Schlupfloch, dass der Gevatter und die Weberin besaßen: Kazel und Elodi.
Schicksal bedachte den Mischling mit einem musternden Blick.
„Ich will ehrlich sein – das Gefüge in dem sich alle Schicksalsfäden miteinander verweben ist ebenso betroffen. Und momentan vermag selbst ich manche Schicksale nicht vorherzusehen…!“
Zum ersten Mal schien die Welt, die aus mehr als einer Ebene bestand, gemeinsam betroffen und in Gefahr zu sein. Die großen Drei würden die Lage unter Kontrolle halten müssen, was Kazel vielleicht den Gedanken nahebringen würde, dass sie dadurch doch mehr zu tun bekämen, als so schon. Vermutlich würden sie ihren Gesellen nicht immer und jederzeit behilflich sein können…oder doch?
„Elodi! Würdest du mit Schicksal gehen und dir von ihr alles genauer erklären lassen? Ich würde auch gerne mit Kazel kurz alleine reden.“, sprach Tod die junge Frau an der Seite seines Gesellen an.
Angesprochene sah zu Kazel auf. Schicksals Geständnis, dass auch das Gefüge betroffen war, hatte auch ihr das Ausmaß verständlich gemacht. Dennoch nickte sie leicht und sollte Kazel sie nicht aufhalten, würde sie einen Moment später mit der Weberin verschwinden.

Tod blieb für einen Moment vor Kazel schweigend stehen, ehe er ein Geräusch von sich gab, als würde er schwer ausatmen. Mit einer Handbewegung löste sich die Sense in Luft auf und verschwand, ohne wirklich fort zu sein. Und im nächsten Moment teleportierte der Gevatter sich und den Mischling in den Raum, in dem er normal die Lebenden durch den Spiegel beobachtete und seinen Puffmais knabberte.
„Es tut mir leid…!“, meinte er plötzlich todernst und machte eine Handbewegung, dass sich Kazel setzen konnte, wenn er wollte. Tod selbst ließ sich in seinen steinernen Sessel sinken, dessen Lehne ebenfalls mit einer Sense verziert war.
„Ich hatte gehofft, dass du ein wenig Ruhe bekommen könntest. Aber nun …“ wieder erklang das ausatmende Geräusch. Obwohl sie nun in vertrauterer Umgebung miteinander sprachen war die Stimmung noch immer angespannt. Und es schien ungewiss, wie lange Zeit sie bekamen, um wirklich in Ruhe alles klären zu können.
„Lass uns reden! Du musst Fragen haben…“, vermutete der Gevatter und es war anzunehmen, dass auch Elodi nun Schicksal ausfragen würde.
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Kazel Tenebrée » Mittwoch 8. Januar 2025, 14:49

Schon einmal war Kata Mayan selbst in Gefahr gewesen, seit Kazel den Weg des Lehrlings von Gevatter Tod beschritt. Es war nicht einmal sehr lange her und immens aufwühlend gewesen. Schließlich hatte der Mischling zeitweise seinen eigenen Körper aufgeben und in den eines Dunkelelfen schlüpfen müssen, in der Hoffnung, so die Gefahr zu bannen. Denn es hatte sich um einen widerlichen kleinen Dämonenwurm gehandelt, dessen Namen er nicht einmal mehr zu denken wagen würde, könnte Kazel sich noch daran erinnern. Doch zu sehr waren Wurm und Ereignisse mit anderen Lebenden verknüpft gewesen, als dass seine Erinnerung hier Abstriche machen würde. Stattdessen schob sie ihm gänzlich einen Riegel vor und schenkte ihm lediglich noch das Wissen, dass die Todesinsel aufgrund eines Dämonenwesens schon einmal in Gefahr gewesen war. Denn dieser Wurm konnte Lebenszeit fressen und sie pervertiert wieder ausscheiden, was seinem Meister mittels eines bösartigen Rituals schon ein überlanges Leben beschert und ihn vor Tod kalter Hand verborgen gehalten hatte. Damals hatte Kazel, der von dem Wurm besessen gewesen war, Kata Mayan nicht mehr betreten dürfen, damit das Vieh in seinem Inneren sich nicht über den schwarzen Zeitensand am Strand von Tods Domäne hermachte. Inzwischen war die Gefahr gebannt - wie, daran erinnerte der Mischling sich ebenfalls nicht. Fest stand, dass es nicht das erste Mal in seiner Gesellenlaufbahn war, dass böse Mächte dem Tod selbst drohten.
Dieses Mal schien jedoch weitaus mehr in Gefahr zu sein, denn plötzlich stand auf das Schicksal selbst auf dem Plan. Wie es mit Tods sehnsüchtiger Gefährtin und Herrin seiner Dienste - Leben - stand, wusste der Mischling nicht. Er konnte wohl auch froh sein, dass er Leben selbst und all die Erfahrungen mit ihr nicht mehr abrufen konnte, denn er hatte sie als negativ in seinem Herzen gehalten und das Leben selbst vor seinem Gedächtnisverlust nur noch als grausame Entität einstufen können. Sie hatte so immens gegen seine eigene Vorstellung gehandelt, als gleichnamiges Wesen das Leben selbst nicht zu preisen, sondern damit zu spielen wie Kinder mit einer Lupe, Sonnenschein und einem Ameisenhaufen, dass es in ihm Hass und Enttäuschung für dieses höhere Wesen geschürt hatte. So sehr, dass er bereit gewesen war, alles von sich aufzugeben, um die Geburt seiner eigenen Kinder zu schützen. Neues Leben, das Leben selbst verlacht und nahezu im blutrünstigen Wahn aus Janays Körper hatte reißen wollen. Manchmal war es gut, zu vergessen und in diesem Fall konnte es wohl nur das Beste sein. Möglicherweise erhielt Kazel noch einmal eine Chance, mit Leben neu anzufangen, sie gänzlich neu kennen zu lernen. Falls sie jedoch die Alte blieb, wurde es nachvollziehbarer, warum der Elf sich lieber dem Tod zu wandte. Bei ihm fühlte er sich schließlich geschützt und geborgen.
Das galt im Übrigen auch für Elodi in Bezug auf Kazel. Denn sie krallte sich nich nur in sein Hemd, sondern lehnte auch Zuflucht suchend den Kopf an seine Schulter. "Es geht schon...!", brachte Elodi leise hervor. Kazel strich mit seiner Nasenspitze an ihrer Schläfe entlang. "Ich weiß. Du bist stark." Und als er glaubte, sie könne von selbst wieder stehen, ließ er ihre Hüfte los. Dass Elodi jedoch sofort wieder ihre Finger mit den seinen verflocht, entlockte ihm ein warmes Lächeln. Natürlich erwiderte er die Geste, drückte ihre Hand. Sie wären füreinander da, nicht nur die beiden Gesellen. Sein Blick wanderte über Schicksal und hinüber zu Tod.
Es war alles sehr verwirrend, vor allem, dass diese zeitlosen, erhabenen Wesenheiten Hilfe von Sterblichen suchten. Nun, nicht irgendwelche, darauf konnten Elodi und er sich durchaus etwas einbilden. Sie waren die Schüler beider Entitäten. Dennoch blieben sie Staubkörner im Vergleich zu deren Mächten. Wobei also könnten Schicksal und Tod ihre Hilfe brauchen?
Tod und Schicksal ließen sie glücklicherweise nicht lange im Unklaren. Beide schienen nicht alle Details zu kennen oder entschieden zu haben, noch nicht alle Hintergründe zu nennen. Aber sie gaben ihnen genug Informationen, damit Kazel die Situation zunächst einmal für sich sortieren konnte. Es existierte also eine erstarkte Macht, die in der geisterhaften Zwischenwelt für Chaos sorgte. Über Risse im Gefüge drangen die Geister zurück in die Welt der Lebenden und Kazel wusste sehr gut, dass sie dort nicht hingehörten. Spannend war, dass die wirkende Gefahr ihre Quelle unter den Lebenden hatte. Dennoch wirkte etwas über die Fähigkeiten von Sterblichen hinaus und es erreichte inzwischen auch die Todesinsel. Kazels Augen hefteten sich an die in der Zeit erstarrten, schwarzen Rankenspeere, denen er und Elodi beinahe zum Opfer gefallen wären. Er starrte ihnen fast trotzig entgegen. Nein!, knurrte er in Gedanken und schien dabei vollkommen zu vergessen, dass Tod diese jederzeit hören konnte, wenn er es wollte. Das ist hier mir ein Heim geworden. Ich lasse nicht zu, dass irgendetwas ihn gefährdet. Für den Mischling handelte es sich hier nicht nur um den Schutz des celcianischen Gleichgewichts. Das Ereignis sah er als etwas Persönliches an und würde in seinem angeborenen Pflichtbewusstsein alles daran setzen, Kata Mayan und Celcia so gut es ging zu beschützen.
"Wir brauchen eure Hilfe, um die mitverantwortlichen Magier auf Celcia zu finden, denn nur durch diese gelingt es der eigentlichen Macht im Hintergrund das Geleichgewicht zu stören und Zugang zu erhalten! Außerdem bitten wir euch darum Übergriffe und Vorfälle mit Geistern unter Kontrolle zu bekommen." Tod und Kazel tauschen Blicke. Der Schüler nickte. Ihn musste man nicht überreden, nicht bitten, nichts verangen. Es genügte, die Not zu nennen und er würde helfen. Der Gevatter hatte sich zumindest einen gewissenhaften Lehrling an die Seite geholt. "Elodi! Würdest du mit Schicksal gehen und dir von ihr alles genauer erklären lassen? Ich würde auch gerne mit Kazel kurz alleine reden."
Das überraschte den Mischling mehr als es sollte. Bisher hatten Schicksal und Tod ihnen die Sachlage gemeinsam offengelegt. Was könnte sein Meister besprechen wollen, das nicht für die Ohren seiner Partnerin und deren Lehrmeisterin gedacht wäre? Aber er schwieg und wartete ab, bis er sich plötzlich in jedem Raum wiederfand, in dem Tod offenbar einen festen Standspiegel zur Beobachtung der Lebenden aufgestellt hatte. Das letzte Mal, als Kazel einen Blick in das mysteriöse Glas geworfen hatte, war es aus Wasser beim Ufer des schwarzen Strands geformt worden. Er verstand jedoch, dass Tod eine Art privaten Rückzugsort vorzog. Hier befand sich sogar ein Stuhl und ein Tischchen mit - aktuell leerer - Schale. Sicherlich war sie normalerweise mit reichlich Puffmais gefüllt. Ehe in Kazel die ungeklärte Frage aufkommen konnte, ob Tod ihn nun wirklich nie wieder davon würde probieren lassen oder es ihm verziehen hatte, lenkte jener seinen Gesellen auf eine Weise ab, dass Kazel den Kopf herumriss.
"Es tut mir leid...!" Als wollte er die Worte zusätzlich unterstreichen, ließ Tod sich geradezu schwerfällig in seinen steinernen Sensensessel sinken. Kazel hatte das Gefühl, als sackte ein Berg zusammen. Er spürte das Vibrieren einer seufzenden Allmacht in jedem seiner Knochen. Des Gevatters Bitte um Absolution - bei ihm! - ließ ihn paralysiert zurück, so dass Kazel das Angebot sich zu setzen nicht einmal annahm, hätte er sich bewegen können. Er starrte den Schädel unter der Kutte an. "Ich hatte gehofft, dass du ein wenig Ruhe bekommen könntest. Aber nun..."
"Es muss dir nicht leid tun", entgegnete Kazel. Statt sich in seinem Stuhl niederzulassen, trat er an den Sessel des Gevatters heran und legte ohne jede Scheu seine Hand dort auf den Kuttenstoff, wo sich das knöcherne Handgelenk des Meister darunter befinden musste. Dabei sank Kazel ihm zu Füßen und schaute zum Zeitlosen auf. "Weder Schicksal noch du haben sich diese neue Gefahr ausgesucht ... Elodi und ich sind eure Gesellen. Natürlich helfe ich dir. Ich werde dich unterstützen, wann immer ich kann." Er lehnte sich vor und legte den Kopf auf dem Schoß des Gevatters ab. "Glaube bitte nicht, dass ich jemals ablehnen würde, dir zu helfen", murmelte Kazel. Dann verfiel er in Schweigen und hockte nur eine Weile so da. Er gönnte sich Ruhe, fand sie in der Kühle, die den Tod selbst umgab. Nichts war ihm familiärer geworden.
"Lass uns reden! Du musst Fragen haben..."
Der Stoff der Kutte raschelte, als Kazel nickte und ihn so ein wenig verrutschte. "Nicht viele, schätze ich. Aber notwendige Fragen, ja." Kurz sammelte er sich, um eine Reihenfolge in seine Gedanken zu bringen. "Hattest du mir nicht einmal erklärt, dass Geister jene Seelen sind, die du nicht nach Kata Mayan hattest mitnehmen können - aus verschiedensten Gründen? Ich wusste nicht, dass sie ihre eigene Welt haben. Ich dachte, alle Geister streifen auf Celcia umher, aber vermutlich sind es dann doch nur jene, die ihrer eigenen Zwischenwelt entkommen konnten. Diese suchst du, sammelst sie ein und alle anderen bleiben in ihrer Welt verborgen, bis sie sich entscheiden, zu dir auf die Insel zu kommen. Ist es so?" Der Gevatter hatte hier die Möglichkeit, Kazel noch einmal das Gefüge zwischen Leben und Tod zu erklären. Möglich, dass sein Schüler ein paar Dinge missverstanden oder anhand von weltlichen Annahmen gemessen hatte. Die Sterblichen schrieben sich ihre Wahrheiten gern selbst. Allzu wichtig war ihm die Antwort letztendlich aber nicht. Da brannte ihm Anderes unter den Nägeln.
"Wenn Elodi und ich uns um die Geister kümmern sollen, die aus den Rissen in unsere Welt gelangen, sind es sicherlich nicht wenige. Sie werden Chaos anrichten, so wie der Plagegeist in der Siedling, nicht wahr?" Jetzt atmete Kazel tief durch. "Was ... was soll ich tun, falls sie nicht mit sich reden lassen? Der Plagegeist hat es mir nicht leicht gemacht und ... Elodi! Sie war schrecklich erschöpft danach. Es muss sie viel Kraft gekostet haben. Wir können nicht gegen jedes dieser Wesen so vorgehen? Was ... sag mir bitte, was ich tun soll. Wie ich es angehen soll? Wie können wir den Geistern helfen?" Das war er, der Schüler des Todes. Natürlich dachte Kazel zunächst daran, auch für die Geister einen friedlichen Ausweg zu finden. Sie einzusperren, anzugreifen oder gar zu vernichten kam dem Elfen mit dunklem Blut gar nicht in den Sinn. Er sah in ihnen nicht den Feind, nur weil die Umstände sie in die Lebendwelt warfen. Er gab ihnen genauso wenig die Schuld wie Tod oder Schicksal. Entsprechend wäre er bereit auch ihnen zu helfen ... und sich selbst dabei vollkommen zu übersehen. Es stand wohl bereits für alle außer Kazel selbst fest, dass es für ihn nicht der gesündeste Weg war, mit der Situation umzugehen. Daher brauchte er hier eine Weisung, ansonsten würde Kazel auf seine eigenen Methoden zurückgreifen ... und es blieb fraglich, ob sich jeder Geist mit einer Umarmung und ein paar Worten beruhigen ließe.
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Erzähler » Sonntag 12. Januar 2025, 20:38

Während Elodi mit Schicksal verschwand, brachte Tod Kazel in einen anderes Raum des stillen Palasts. In diesem befand sich nicht sehr viel Mobiliar und der Ewige schien hier Zeit zu verbringen, die Lebenden zu beobachten. Wer konnte ihm das verdenken?
Die Stimmung war schwer und es war offensichtlich, dass der Vorfall nicht einmal den Gevatter kalt ließ. Kazel beobachtete, wie sein Meister in seinem steinernen Stuhl zusammensackte und hockte sich zögerlich vor seine knochigen und von dem langen Kuttenmantel verborgenen Füße. Er hatte Tod noch nie so erschöpft gesehen, was bedeuten musste, dass nicht alles in Ordnung war, auch wenn sie für den Augenblick die Kontrolle zurückgewonnen zu haben schienen.
„Es muss dir nicht leid tun. Weder Schicksal noch du haben sich diese neue Gefahr ausgesucht ... Elodi und ich sind eure Gesellen. Natürlich helfe ich dir. Ich werde dich unterstützen, wann immer ich kann. Glaube bitte nicht, dass ich jemals ablehnen würde, dir zu helfen.“ Die Worte des jungen Mischlings ließen den Ewigen aufsehen und er hob die knochige Hand, um sie auf dem schwarzen Schopf abzulegen. Die Verbundenheit, die Meister und Geselle miteinander teilten, wie ein Vater mit einem Sohn wurde deutlich, als Kazel seinen Kopf auf dem Schoß des Gevatters ablegte. Ein beruhigendes durch die Haare streicheln folgte, was doch ein wenig zögerlich kam, denn Tod war solche Gesten sicher nicht gewohnt.
„Ich danke dir für deine Bereitschaft, Kazel. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Ich hatte nur wirklich gehofft…, dass ich dich mit diesen Gefahren der Nachwelt nicht belasten muss. Aber es geht nicht anders…!“ Die offenen Worte bestätigten, dass er seinem Gesellen ein wenig mehr Leben und eine ruhigere Einarbeitung gewünscht hätte.
Nun boten sie einander die Chance für Fragen, denn es war wichtig, dass gerade der Mischling wusste, was er zu tun hatte, was er für Möglichkeiten besaß und worauf er aufpassen musste.
„Hattest du mir nicht einmal erklärt, dass Geister jene Seelen sind, die du nicht nach Kata Mayan hattest mitnehmen können - aus verschiedensten Gründen? Ich wusste nicht, dass sie ihre eigene Welt haben. Ich dachte, alle Geister streifen auf Celcia umher, aber vermutlich sind es dann doch nur jene, die ihrer eigenen Zwischenwelt entkommen konnten. Diese suchst du, sammelst sie ein und alle anderen bleiben in ihrer Welt verborgen, bis sie sich entscheiden, zu dir auf die Insel zu kommen. Ist es so?" Der Gevatter lauschte der Frage und konnte verstehen, dass ihn der ganze Aufbau und Ablauf der zwischen dem Leben und dem Tod lag verwirrte. Es war aber auch nicht leicht.
„Die Zwischenwelt ist der Ort, an den die Seelen der Verstorbenen automatisch gelangen, wenn sie die fleischliche Hülle nach dem Ernten verlassen, denn sie gehören nicht mehr in die Welt der Lebenden und können dort große Schäden anrichten. Jede Seele besitzt eine eigene Kraft – eine Energie, die ungefiltert sehr stark ist. In einem lebenden Körper hält sich diese Energie in der Waage und jede Person kann unterschiedliche Wege finden diese Kraft in sich zu nutzen. Am leichtesten und deutlichsten zu erkennen ist es vermutlich bei den Magien. Im Grunde kann jedes Leben eine Magieform erlernen und es bis zu einem meisterlichen Level schaffen. Es ist schwer und es schaffen die Wenigsten, aber es wäre jedem möglich. Weil die Kraft dafür bereits in einem selbst schlummert! Es ist so gesehen die Kraft der eigenen Seele.“, erklärte Tod und hoffte, dass er es verständlich erklärte. Da er normal niemandem das Leben und die Zusammenhänge erklären musste, war er die Position des Lehrers dahingehend nicht gewohnt.
„Diese Energie kann aber auch in ganz anderer Form, als Magie in Erscheinung treten. Manche magisch ungelernten besitzen eine die Kraft der Worte – eine Ausstrahlung, die andere Seelen anzieht und zu überzeugen vermag. Andere wiederum wachsen mit ihrer körperlichen Kraft über sich heraus.“ Tod betrachtete Kazels Gesicht und war dann der Meinung, dass sein Schüler verstanden hatte, worauf er hinauswollte.
„In der Zwischenwelt sammeln sich alle Geister, bis ich sie hinüberbegleite. Die Meisten sind friedlich, schlummern, oder verweilen dort als stille Beobachter der Geschehnisse im Reich der Lebenden. Nur Geistermagier und Schamanen gelingt es sich mit ihnen noch in Verbindung zu setzen, oder die Kraft dieser Seelen zu nutzen. Zumindest bis ich sie abhole! Die Seelen, die mit dem Leben jedoch noch nicht abgeschlossen haben bilden einen Sonderfall. Sie gelangen zwar ebenfalls in die Zwischenwelt, doch verhalten sie sich alles andere als friedlich. Oftmals sind negative irdischen Gefühle daran schuld, die sie in den Tod begleitet haben. Diese Seelen sind im Ungleichgewicht und suchen unaufhörlich nach Wegen, um ins Reich der Lebenden zurückzukehren.“ Kazel konnte es sich den Aufbau vielleicht am besten vorstellen, indem er die einzelnen Ebenen als Luftblasen betrachtete, die sich ineinander befanden. Ganz außen lag Kata Mayan, darunter das Reich der Götter, der Geister, dann der Lebenden/Celcia und ganz in der Mitte der Harax. Wahrscheinlich waren die Welten nicht wirklich so aufgebaut, aber es half das Gesamtbild zu verstehen.
„Diese Seelen nennen wir Plagegeister – weil sie selbst vom Leben, das sie nicht loslassen können geplagt sind und andererseits, weil sie die Lebenden plagen, sollte es ihnen gelingen die Ebene zu verlassen und in das Reich der Lebenden zurückzukehren. Diese Lücken erscheinen nicht häufig und sind in der Regel auf externes Eingreifen zurückzuführen. Entweder durch das irdischer Magier, das Eingreifen der Götter, oder von Schicksal, Leben und mir! In manchen Fällen, sehr starker Plagegeister kann es auch geschehen, dass sich die Seele von alleine vom Körper trennt und direkt in der Welt der Lebenden herumgeistert!“ Tod seufzte leise und ließ mit einer Handbewegung eine Portion Puffmais in der Schale erscheinen, an der sie sich beide bedienen könnten, wenn sie wollten. Er selbst langte nicht zu sondern rieb sich mit den Fingern massierend die knöcherne Stirn seines Schädels.
„Du kannst dir nun sicher vorstellen, wie gefährlich ein Plagegeist tatsächlich sein kann. Ein Lebender kann nur nach vielen, vielen Lebensjahren und harter Arbeit seine Kräfte immer stärker hervorrufen und kontrollieren lernen. Ein Geist besitzt diese Grenzen nicht! Er kann auf eine große Kraftquelle zurückgreifen, was nicht bedeutet, dass er sie kontrollieren kann! Die Emotionen dieser Seelen sind unausgewogen und sprunghaft. Ein Wutausbruch kann verheerende Folgen haben und besonders die Lebenden gefährden, von denen die Wenigsten in der Lage sind die Geister in irgendeiner Form zu sehen.“ Vermutlich konnte man den emotionalen Zustand eines Plagegeists mit dem eines Kleinkindes vergleichen, das nie gelernt hatte seine Gefühle zu kontrollieren, das sich als Mittelpunkt der Welt sieht und keinen Frust ertragen kann!
„Geistermagier und Schamanen – obwohl ihre Magien sich kaum unterscheidet, können sowohl Plagegeister, als auch die friedlichen Seelen beschwören und mit ihnen in Kontakt treten und diese Kräfte nutzen und je nach Machtgrad auch kontrollieren. Tatsächlich ist es eher selten, dass ein bösgesinnter Lebender ein Geistermagier, oder Schamane wird. Aber du weißt besser, als jeder andere, dass das Leben viele Prüfungen für eine Seele bereithält. Und bei einigen kann es vorkommen, dass sich ihre Gesinnung ändert. Genau das... geschieht gerade in einem Maß, das wir nicht kontrollieren können!“
Die Thematik war komplex und konnte überfordern. Aber wenn Kazel die Informationen einmal verarbeitet hatte, würde er vermutlich die Lage und die Bedrohung wirklich verstehen.
„Kazel, ich will ehrlich mit dir sein. Gerade Schicksal ist von diesen Vorfällen stark betroffen und zehrt an ihren Kräften. Sie, Leben und ich müssen das ganze Konstrukt aufrechterhalten und die Abläufe des Seins gewährleisten. Wir… werden vermutlich nicht in der Lage sein euch stetig und immer zu helfen oder überhaupt zu kontaktieren, weil…“ Er schüttelte leicht mit dem kuttenbedeckten Kopf und brach im Satz ab. Offenbar entschied er sich dagegen es seinem Gesellen zu sagen. Aber vielleicht verstand er auch so. Die hohen Drei würden alle Hände voll zu tun haben…
„Wenn Elodi und ich uns um die Geister kümmern sollen, die aus den Rissen in unsere Welt gelangen, sind es sicherlich nicht wenige. Sie werden Chaos anrichten, so wie der Plagegeist in der Siedling, nicht wahr?“ Der Gevatter nickte bestätigend und Kazel spürte ein Seufzen in sich aufkeimen.
„Was ... was soll ich tun, falls sie nicht mit sich reden lassen? Der Plagegeist hat es mir nicht leicht gemacht und ... Elodi! Sie war schrecklich erschöpft danach. Es muss sie viel Kraft gekostet haben. Wir können nicht gegen jedes dieser Wesen so vorgehen? Was ... sag mir bitte, was ich tun soll. Wie ich es angehen soll? Wie können wir den Geistern helfen?“[/i] Die Sorgen des Mischlings waren alle gerechtfertigt und besaßen einen wahren Kern! Das wussten sie beide und vermutlich verstand Kazel erst nach all diesen Erklärungen, wie gefährlich diese Mission werden würde!
Für einen Moment blieb Tod still und sah seinen Schüler nur an. Dann legte er ihm eine Hand auf die Schulter.
„Nicht allen wirst du helfen können Kazel! Es wird Fälle geben, in denen du mit Worten und Verständnis nicht weiterkommen wirst. Und deine oberste Aufgabe muss es sein die Lebenden, deren Sanduhr noch nicht abgelaufen ist, zu beschützen. Und das mit allen Mitteln. Sonst bringst du das Gefüge des Schicksals zu stark durcheinander und am Schluss geraten dadurch noch viel mehr Leben in Gefahr … darunter auch Elodis!“ Diese Offenbarung kam vermutlich wie ein Schlag. War Elodis Leben vielleicht mehr in Gefahr, als das seine? Weil es mit Schicksal zusammenhing?
„Du fragst mich, was du tun sollst. Du darfst weder deine Seele, noch die der kleinen Weberin gefährden, indem du versuchst Plagegeister, die vollkommen außer Kontrolle sind zu besänftigen. Nicht allen ist mehr zu helfen Kazel und ihre vollkommen zerrissenen Gefühle können in großen Mengen pures Gift für deine und Elodis Seelen werden!“ Der Griff um Kazels Schulter verstärkte sich leicht, so dass der Dunkelhaarige die Ernsthaftigkeit dieser Warnung verstand.
„Du hast eine erstaunlich gute … nein, eher reine Seele Kazel. Aber lässt du zu, dass sie durch die negativen und gequälten Gefühle dieser Geister immer weiter kompromittiert wird, kann es sein, dass sie auf deine Seele abfärben und sie – dein ganzes Sein verdunkeln. Es kann sein, dass du dich selbst verlierst. Oder es zerreißt sie und löscht dich aus!“ Offenbar war nicht nur Elodi in Gefahr und scheinbar unterschieden sich die Gefahren, die sie in dieser Lage zu bedrohen schienen.
Tod hob seine Hand und wuschelte dem Mischling sachte durchs dunkle Haar, ehe er die Knochenhand zurückrief und Kazels Sensendolch erscheinen ließ, der über seiner Hand zu schweben begann.
„Dein Dolch trennt nicht nur die Seelen von ihren Körpern. Du kannst seine Macht auch dazu nutzen einen Plagegeist zu stoppen.“ Was der Gevatter damit meinte, sollte sein Geselle vermutlich direkt verstehen. Doch er hob die Hand, um eventuelle Einwände zu unterbinden.
„Da du diese Seele dadurch zerschneidest ist es … mit Sicherheit kein schönes Ende. Aber du musst verstehen, dass du sie dadurch nicht grundlegend zerstörst! Auch diese Seelenteile gehen nach Kata Mayan und an den dunklen Strand über. Und irgendwann bildet sich ein neues Leben aus einem zufällig entstandenem Gemisch.“ Es war vielleicht nur ein kleiner Trost, aber wenigstens gab es einen und bedeutete keine endgültige Zerstörung!
„Das Schwierige wird sein diese schmale Grenze zu erkennen. Aber ich vertraue dir, dass du es erkennen wirst. Aber bedenke meine Worte Kazel! Ich bitte dich! Zögere nicht auf Kosten deines Seelenheils!“ Dass er das von Elodi gefährden würde stand gar nicht zur Debatte – der Ewige wusste, dass sein Geselle dies niemals tun würde!
„Da du mein Geselle bist, bist du in der Lage Geister zu sehen, auch wenn du keine Geistermagie beherrschst. Aber das Aufstöbern dieser verlorenen Seelen ist schwierig. Wenn du mit Elodi zusammenarbeitest werdet ihr vielleicht in der Lage sein diese zu orten, aber es könnte euch viel Kraft kosten! Die Raum-Zeit-Sprünge stehen euch aber unbegrenzt zur Verfügung und du kannst die Zeit in einem notwenigen Maß kontrollieren und manipulieren, ohne dass dadurch deine eigene Lebenszeit eintauschst.“ Es wäre ja noch schöner, wenn er die Welt rettet und hilft und dafür auch noch mit seiner Lebensspanne einbüßen müsste!
„Kazel, vergiss nicht, dass die eigentlichen Gegner zu den Lebenden gehören! Leider kann ich dir nicht sagen wer sie sind, wie viele und wo sie sich aufhalten, weil eine größere Macht uns darauf den Blick nimmt. Mindestens ein Gott hat seine Finger mit im Spiel, was es noch gefährlicher macht! Unterschätze das bitte nicht! Ich weiß, dass ich viel verlange, aber als mein Geselle muss ich dich bitten, zur Not über das Leben zu richten, das mehrere andere gefährdet!“ Dass Tod Kazel diese Absolution erteilte war ein enormer Vertrauensbeweis des Gevatters.
„Auch, wenn du mich nicht immer kontaktieren kannst, sei dir gewiss, dass ich irgendwie über dich wache!“ Obwohl er kein richtiges Gesicht besaß konnte man Tod ansehen, dass er den Mischling stolz und warm anlächelte. Doch seine Worte implizierten, dass sie für eine Weile nicht so einfach kommunizieren können würden.
Als würde er eine Stimme hören, die nur in seinen Ohren klang, hob er plötzlich den Blick gen Raumdecke.
„Schicksal scheint mit Elodi einen Hinweis auf den Aufenthaltsort eines Geistermagiers gefunden zu haben, der mitverantwortlich sein könnte!“, klärte er die kurze Unterbrechung auf und erhob sich langsam aus dem steinernen Stuhl. Offenbar brach langsam die Zeit des Abschieds an und für Kazel würde eine gefahrenvolle Reise beginnen…
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Kazel Tenebrée » Mittwoch 15. Januar 2025, 16:27

Jemand, der nie im Leben mit Gevatter Tod konfrontiert worden war - was sich selbst erklärte, denn das erste Treffen mit ihm ist für die meisten auch das Ende ihres Lebens - sah in der Ehrfurcht gebietenden Gestalt des skelettierten Kuttenträgers wohl eher einen Grund zum Fürchten. Seltener stellte man seinen Glauben in Frage, dabei schlossen Götter und zeitlose Entitäten wie Leben, Tod und Schicksal einander nicht aus. Kaum einer achtete im Angesicht des Gevatters allerdings auf diesen als ... Person. Kazel hatte da weitaus mehr Gelegenheiten erhalten. Als sein Lehrling wurde er nicht nur von ihm ausgebildet, sondern konnte ihn auch studieren, wenngleich unbewusst. Er lernte, mit Tod umzugehen und erkannte winzige Veränderungen, die ihm mehr Aufschluss über dessen Gemüt schenkten als ein Bick auf seinen emotionslosen Schädel. So bemerkte er die Veränderung der kühlen Aura um den Ewigen selbst. Sie ... zitterte. Er konnte es nicht besser für sich definieren, aber etwas war anders. Auch als Tod sich setzte, erinnerte es Kazel an einen in sich zusammengebrechenden, gewaltigen Baum oder als würde ein Berg entscheiden, sich nun an einer bestimmten Stelle Celcias neu niederzulassen. Es lag eine spürbare Schwere in seinen Bewegungen, selbst wenn Tod nur still auf seinem Thron saß.
Kazel war schnell bei ihm, denn er fühlte instinktiv, dass es jetzt wichtig war. Er hatte Tod von Anfang an ein Freund sein wollen, seit Leben suggerierte, ihr kontrastreicher Gegenpart könnte ... einsam sein. Dass sich allein aus dem Willen des Mischlings, für das Skelett da zu sein, so viel entwickelte, dass jener nun seine Knochenfinger auf dem schwarzen Schopf platzierte, hätte nicht einmal er gedacht. Kazel ließ es zu, hörte zu. Der Gevatter hatte zumindest einen versucht empathischen Lehrling auserwählt.
"Ich danke dir für deine Bereitschaft, Kazel. Ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Ich hatte nur wirklich gehofft ... dass ich dich mit diesen Gefahren der Nachwelt nicht belasten muss. Aber es geht nicht anders...!"
"Ich muss es doch lernen, wenn ich dich wirklich unterstützen will", hielt der Mischling unter einem aufmunternden Schmunzeln entgegen. Tod konnte es vermutlich nicht einmal sehen, denn Kazel hob den Kopf nicht an. Er kniete an die Kutte gelehnt und behielt den Kopf auf dem knochigen Schoß, als wollte er Tod ein beruhigendes Haustierchen sein. Im Grunde war es ein intimer Moment zwischen ihnen, der nur vom GEsprächsthema an sich gestört wurde. Aber es war wichtig, dass sie redeten. Tod erklärte Kazel zunächst die Strukturen von Lebendwelt, Kata Mayan und dem Reich der Geister und was dazu führte, dass überhaupt so genannte Plagegeister auf Celcia wandeln konnten. Dabei kratzte er lediglich an der Oberfläche, aber es war so schon viel Information und er wollte seinen Schüler damit gewiss nicht überfordern. Trotzdem musste er ein paar Dinge wissen, um auf seine bevorstehenden Aufgaben vorbereitet zu sein.
So räumte Tod auch einige Missverständnisse aus. Kazel erfuhr, dass nicht jeder Verstorbene direkt nach Kata Mayan gelangte, wenn der Gevatter seine Sense oder er seine Dolchvariante dessen nutzte, um die Seele vom Körper zu trennen. Oder verstand er hier etwas falsch und die Welt der Geister war nur ein Teilbereich von Tods Domäne? Denn seine Insel bestand auch nicht nur aus dem schwarzen Strand. Dorthin gelangten die Reste von Seelen, wenn sie bereit waren, mit allem wieder zu verschmelzen ... und bis sich aus den unzähligen schwarzen Körnern Myriaden von Seelenfetzen erneut genug Lebenszeit sammelte, um in ein Stundenglas für ein neues Leben gefüllt zu werden. Leben, Tod und Schicksal sahen sich immer als so hart getrennt an. Als Wesen, die zwar koexistierten, in ihrer Domäne aber für sich blieben, keinen großen Kontakt zu den anderen aufnahmen und doch schienen sie enger miteinander verbunden als sie selbst erkannten. Alles floss offenbar immer zu einem großen Ganzen zusammen. Ehe Kazel sich jedoch zu philosophische Gedanken darüber machen konnte, erklärte ihm Tod wesentlich wichtigere Teile über Seelen und Geister ... und Magie!
Kazel blieb stumm. Sein Meister wusste, dass in ihm nicht ein Funken arkaner Kräfte ruhte. Kurz fühlte er sich etwas herabgesetzt, weil Tods Worte darauf schließen ließen, dass nur die schwachen Seelen nicht in der Lage wären, Magie für sich zu nutzen. Wie gut, dass er schwieg! Denn dass der Gevatter es nicht so meinte und anschließend auch erklärte, wohin das Potenzial derer strömte, die eben nicht magisch begabt auf Celcia wandelten, zerstreute Kazels ursprüngliche Annahme. Er betrachtete kurz seine eigenen Hände. Nein, er war kein bisschen magisch begabt. Die Fähigkeiten, die er inzwischen beherrschte, gehörten seinem Meister und jener stellte sie Kazel zur Verfügung, damit er dessen Aufträge erfüllen konnte. Es war nichts, das von allein in ihm erwacht war. Aber irgendwo musste das Potenzial dann doch bei ihm gelandet sein. Besaß er denn Charme? Konnte er mit Worten andere beeinflussen oder mit seinem Äußeren? Flüchtig erinnerte er sich an Elodis gemurmelte Aussage, dass sie ihn als gutaussehend betrachtete und Röte schoss ihm noch während Tods Worten in die Wangen. Vielleicht durfte Kazel sich ja als kleinen Charmeur bezeichnen. Er selbst sah sie nicht so. Er versuchte doch einfach nur, irgendwie zu leben ... zu helfen ... damit es möglichst allen gut ging. Vielleicht war das sein Potenzial. Sein Pflichtbewusstsein und seine Aufopferungsgabe. Wichtig war, dass er bei beidem nicht sich selbst vergaß und das passierte dem kleinen Gesellen leider sehr schnell.
Magisch begabte Geschöpfe Celcias hingegen konnten unter Umständen sogar Kontakt zu Geistern aufnehmen - Schamanen und gleichnamige Arkane, die Geistermagier, waren dazu in der Lage. Tod sah hier einen Teil der Gefahr, die sie alle befallen hatte. Etwas Lebendes griff auf die Geisterwelt zu, brachte sie in Unruhe und folglich dadurch auch den Rest des Gefüges. Er erklärte den Zugang von Geistern zu ihrem eigenen Potenzial aufgrund ihrer - zumeist negativen - Emotionen. Kazel lauschte aufmerksam. Was er hörte, klang plausibel, aber auch immens gefährlich. Er wurde sich mehr und mehr bewusst, welches Risiko er Elodi ausgesetzt hatte, als er sich dem Plagegeist näherte. Das er selbst seine Seele gefährdet hatte ... nun, hier konnte man erneut ansetzen, wie wenig er auf sein eigenes Wohl schaute, wenn er andere bedachte. Selbst den geplagten Geisterseelen wollte er noch immer helfen.
"Nich allen wirst du helfen können, Kazel! Es wird Fälle geben, in denen du mit Worten und Verständnis nicht weiterkommen wirst. Und deine oberste Aufgabe muss es sein, die Lebenden, deren Sanduhr noch nicht abgelaufen ist, zu beschützen. Und das mit allen Mitteln." Kazel presste die Lippen aufeinander. Er ahnte, worauf es hinauslief. "Sonst bringst du das Gefüge des Schicksals zu stark durcheinander und am Schluss geraten dadurch noch viel mehr Leben in Gefahr ... darunter auch Elodis!" Er sah auf, starrte in die leeren Höhlen des Schädels, in denen immer noch etwas zu glimmen schien wie winzige Sterne. Tod erkannte die Hilflosigkeit im Blick seines Gesellen. Er beschwichtigte, so gut es ging: "Du fragst mich, was du tun sollst. Du darfst weder deine Seele, noch die der kleinen Weberin gefährden, indem du versuchst Plagegeister, die vollkommen außer Kontrolle sind, zu besänftigen. Nicht allen ist mehr zu helfen, Kazel, und ihre vollkommen zerrissenen Gefühle können in großen Mengen pures Gift für deine und Elodis Seelen werden!"
"Ich möchte nicht, dass ihr etwas geschieht!", warf der Mischling sofort ein, aber in seinem Inneren rang ein Konflikt. Er wünschte sich das ebenso wenig für die Plagegeister. Er erinnerte sich an den namenlosen, den er umarmt hatte. Er erinnerte sich an dessen Trostlosigkeit und wie es seine Seele beschwert hatte, bis er das Gute nicht mehr hatte sehen können. Er erinnerte sich an die Wut, dass es ihm nun fast unter den Fingerspitzen kribbelte. War das bereits ein erstes Anzeichen dafür, dass seine Seele nicht vor den Auswirkungen gefeit blieb wie Tod es sagte? Elodi hatte ihn wiederholt gefragt, ob es ihm gut ginge. Kazel fühlte sich wohlauf, aber jetzt ... vielleicht war es bei seinem ersten Plagegeist nur Glück gewesen. Oder eine Fügung ... des Schicksals. Er schluckte leer.
Plötzlich fuhr Tod ihm durch die Haare. Kazel staarte zu ihm empor. In seinen Schreck geweiteten Augen flackerte der Kampf in seinem Inneren. Der Gevatter behielt Recht. Er besaß eien gute Seele, eine reine Seele. Vielleicht zu rein, als dass sie in diesem Konflikt eine Seite wählen könnte. Er rang im Inneren mit sich zu akzeptieren, dass nicht jeder zu retten war. Er kämpfte damit und ganz gleich, welche Antwort jene wäre, die ihn letztendlich erreichte, sie schien seine Seele mit mehr Narben zu versehen als der Plagegeist es hätte tun können. Tod würde aufpassen müssen, dass sein Schüler nicht auch an seiner eigenen Herzensgüte zerriss.
Tränen funkelten in Kazels Augenwinkeln, als der Gevatter ihm die Handhabung seiner Pflicht erklärte. "Dein Dolch trennt nicht nur die Seelen von ihren Körpern. Du kannst seine Macht auch dazu nutzen, einen Plagegeist zu stoppen."
"Ich sollte töten", sprach sein Schüler es offen aus. Natürlich. Wer könnte es besser als jemand mit dunklem Blut? Jemand mit einem guten Herzen, der aber weiß, wie man tötet, weil es ... in seiner Natur liegt? Kazel bleckte verbissen die Zähne. Er starrte auf seine Finger. Kribbelten sie ob der Nachwirkungen des Plagegeistes oder weil sie schon darauf warteten, das Leben eines Geistes nehmen zu können? Plötzlich sah er fragend auf. "Aber kann ich einen ... Geist denn überhaupt umbringen? Er ist doch schon ... vernichte ich ihn endgültig?"
"Da du diese Seele dadurch zerschneidest, ist es ... mit Sicherheit kein schönes Ende. Aber du musst verstehen, dass du sie dadurch nicht grundlegend zerstörst! Auch diese Seelenteile gehen nach Kata Mayan und an den dunklen Strand über. Und irgendwann bildet sich ein neues Leben aus einem zufällig entstandenem Gemisch." Kazels Augen wurden größer. Tod durfte sehen, dass der Sturm darin sich legte und die meerblauen Iriden Ruhe fanden. Im inneren Konflikt hatte Kazel offenbar seine Entscheidung getroffen und eine Seite gewählt. "Wir lassen sie also nicht mit ihrem Schicksal allein. Sie ... sie haben eine Chance, es neu zu versuchen, wie alle anderen. In einem neuen Gemisch. Ihr Weg dorthin ist nur ... etwas schwerer." Ein Umweg mit reichlich Hindernissen und durchaus Leid. Wie Tod sagte, wäre es für eine Seele wohl angenehmer, in freundlicher Begleitung vom Körper geschnitten und nach Kata Mayan überführt zu werden. Kazel aber müsste bei einem Plagegeist seinen Rest an Existenz wahrlich zerschneiden. Doch letztendlich fände sich alle wieder dort ein, wo es neu anfangen würde. Niemand wäre verloren. Er ... konnte alle retten! Alle!
"Das Schwierige wird sein, diese schmale Grenze zu erkennen. Aber ich vertraue dir, dass du es erkennen wirst. Aber bedenke meine Worte, Kazel! Ich bitte dich! Zögere nicht auf Kosten deines Seelenheils!"
Kazel erhob sich endlich. Seine Knie knackten, weil er sich so lange in einer doch eher unbequemen Haltung befunden hatte. Er streckte den Rücken durch, lockerte die Beine aus und ... wuschelte sich seine Haare wieder etwas zurecht. Dann schaute er seinen Meister an. Kazel streckte die Hand aus, um sie auf den knöchernen Handrücken abzulegen. "Es wird ... die letzte Maßnahme sein, auf die ich zurückgreife, wenn nichts Anderes mehr fruchtet und bevor Elodi ... oder ich ... in Gefahr geraten. Ich möchte - ich muss! - es vorher einfach auf meine Weise versuchen." Er hob die Schultern an. "Ich fürchte, es geht nicht anders. Aber ich bemühe mich, nicht allzu stur zu sein, wenn es fehlschlägt. Dann ... zögere ich nicht." Kazel zog seine Hand zurück und legte sie an den Griff seines Sensendolchs. Tod konnte sich gewiss sein, dass er auch die unliebsamen Teile seiner Pflicht übernehmen würde. Er war ein Mischling. Er besaß trotz noch so reiner Seele auch eine dunkle Seite. Aber sie wäre sein letztes Mittel, denn die Dunkelheit in ihm war gering. Dafür hatten andere gesorgt, als sie seinen Werdegang prägten. Nicht zuletzt Elodi, die ihn noch einmal daran erinnert hatte, dass er sich nicht von den Vorurteilen anderer - oder seinen eigenen - beeinflussen lassen sollte. Sein Blut spielte keine Rolle! Jede Seele war imstande, aufrichtig und aus reiner Güte zu handeln. Jede Seele war imstande zu töten. Er musste nur das Gleichgewicht finden, es wahren, ehren und so das Gefüge zusammenhalten.
"Kazel, vergiss nicht, dass die eigentlichen Gegner zu den Lebenden gehören! Leider kann ich dir nicht sagen, wer sie sind, wie viele und wo sie sich aufhalten, weil eine größere Macht uns darauf den Blick nimmt. Mindestens ein Gott hat seine Finger im Spiel, was es noch gefährlicher macht! Unterschätze das bitte nicht! Ich weiß, dass ich viel verlange, aber-" Weiter kam er nicht. Kazel blaffte fast etwas zu forsch dazwischen, ungeachtet des Standes, der zwischen ihm und Tod bestand: "Kannst du damit endlich mal aufhören?" Für einen Moment herrschte Stille. Kazel starrte dem Tod in die leeren Höhlen. "Du verlangst nicht zu viel. Ich bin dein Lehrling. Dein Geselle. Dein Freund!" Er zögerte nicht. Der Palast der Stille machte derweil seinem Namen alle Ehre. Nicht mal der Puffmais in seiner Schale wagte es, zu rascheln. Schließlich nickte Kazel, seufzte aus und löste seinen Blick aus der Endlichkeit in Person.
Tod schien verstanden zu haben. "Auch wenn du mich nicht immer kontaktieren kannst, sei dir gewiss, dass ich irgendwie über dich wache!"
"Das weiß ich", entgegnete Kazel. "Ich hab keine Angst." Er lächelte schwach auf. "Ganz gleich wie es kommt, am Ende gelange ich doch hierher, nicht wahr? Irgendwie. Ich ... fürchte mich nicht davor. Nur deshalb kann ich dir der Geselle sein, den du vor dir stehen hast." Damit schien alles gesagt und genau zum rechten Zeitpunkt, denn Tod spürte, dass Schicksal mit Elodi offenbar auch alles geklärt hatte. Mehr noch, sie schienen einen Geistermagier gefunden zu haben, dem die beiden Gesellen sich nun wohl würden stellen müssen. Kazel straffte die Haltung, seine Hand blieb am Sensendolch liegen. "Ich bin bereit", teilte er seinem Meister mit. Aus dem Umtrunk mit Hendrik Wiesenstiel und den anderen Dorfbewohnern würde wohl nichts mehr werden.
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Re: Palast der Stille

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 23. Januar 2025, 23:32

Die Pflichten des Todes waren schwer und die wenigsten Existenzen würden sich wahrlich danach sehnen dessen Geselle zu werden. Obwohl am Schluss alles Leben wieder zusammenfloss und einen neuen Anfang bildete, gab es dennoch die gefürchteten Abschnitte mit einem ‚Ende‘ und diese waren in der Regel von Trauer und Schmerz begleitet. Für Lebende, zu denen auch Kazel noch zählte, war es daher nicht einfach mit diesen Regeln umzugehen. Erst recht, wenn man ein so gutes Herz besaß, wie es der Mischling tat.
Das Gespräch zwischen Tod und seinem Gesellen war wichtig und stärkte noch einmal mehr das Band, was sich zwischen ihnen gebildet hatte. Doch auch darüber hinaus brachte es Kazel ein wenig Beruhigung und Aufklärung. Es mochte Seelen geben, die kein schönes Ende erfuhren und denen er auch kein angenehmes Geleit schenken könnte. Der Einsatz seines Dolches bei einem Plagegeist konnte diesen zerschneiden…. zerstören! Aber die Fragmente würden dennoch alle an den schwarzen Strand zurückkehren. Somit wäre kein Leben wirklich verloren, was den jungen Gesellen wenigstens ein kleines bisschen Trost spendete.
Dass es auch seine Aufgabe sein würde über Lebende zu richten, die die Ordnung der Welten und somit laufende Leben und Seelen gefährdeten, bildete für ihn allerdings noch mal einen Unterschied. Für ihn kam dies einem Mord gleich! Doch um Unschuldige zu beschützen, blieb vielleicht am Schluss wirklich nur diese eine und letzte Maßnahme, wenn alle davor keine Wirkung gezeigt hatten. Diese Pflicht war ungeliebt und schwer, doch es gehörte zu Tods Aufgaben, dieses schwere Los auf seine Schultern zu bürden – genau, wie es nun auch die von Kazel sein würde.

Der Gevatter wollte sich aus tiefstem Herzen bei Kazel entschuldigen, dass er ihm so früh in seiner Ausbildung mit alldem konfrontieren musste, obwohl er ihm viel lieber mehr unbeschwerte Zeit in seinem ‚Leben‘ gegönnt hätte. Doch auch seine ewige Existenz war nicht frei von Schicksalsschlägen, die sowohl die alte, als auch die junge Weberin nicht beeinflussen konnten, da das Machtgefüge in Unordnung geriet. Daran sah man mal wieder, dass alles miteinander zu tun hatte…
Kazel wollte eine solche Entschuldigung allerdings nicht hören:
„Kannst du damit endlich mal aufhören?“, fragte er fordernd, so dass selbst der Gevatter für einen Moment sprachlos und nicht nur still war.
„Du verlangst nicht zu viel. Ich bin dein Lehrling. Dein Geselle. Dein Freund!“ Das letzte Wort und dessen Bedeutung war etwas Besonderes, besonders für den Ewigen der das Ende symbolisierte und bei den Lebenden keine sonderlich gute Reputation besaß. Wieder hob er die knöcherne Hand und legte sie auf Kazels dunklen Schopf.
„Und dafür danke ich dir!“, sprach er vollster Ehrlichkeit und Dankbarkeit aus. „Auch, wenn du mich nicht immer kontaktieren kannst, sei dir gewiss, dass ich irgendwie über dich wache!“ Tod war davon überzeugt und zeigte offen, dass er von der Fähigkeit seines Gesellen überzeugt war und ihm voll und ganz vertraute. Und das selbe schien auch Kazel zu erwidern:
„Das weiß ich. Ich hab keine Angst. Ganz gleich wie es kommt, am Ende gelange ich doch hierher, nicht wahr? Irgendwie. Ich ... fürchte mich nicht davor. Nur deshalb kann ich dir der Geselle sein, den du vor dir stehen hast.“
Die Knochenhand schob sich vom Schopf hinab und legte sich auf die Schulter des Mischlings, wo er einen sanften Druck spüren konnte.
„Am Ende stehe ich…!“, bestätigte er ihm noch einmal, doch dann schob sich noch einmal Sorge in seine Stimme. „Vergiss aber nie meine Warnungen von zuvor und achte auf deine Seele! Sei vorsichtig, wachsam und setze dich und Elodi keinem leichtsinnigen Risiko aus. Besonders dich nicht, hast du verstanden? Diese Mission ist gefährlich und die Mächte gegen die ihr euch stellt sind in der Lage deiner Seele irreparablen Schaden zuzufügen!“ Tod ließ sein Haupt etwas sinken, so dass die Kutte tiefer über den Schädel rutschte.
„Und das… Kazel, würde ich niemals verwinden können!“ Mit diesen Worten sprach er seine inständige Bitte aus, dass sein Geselle auf sich aufpassen sollte!

Der Abschied folgte gezwungenermaßen am Fuße dieser Unterhaltung. Und nachdem der Mischling seine Haltung straffte und seine Hand an den Sensendolch legte, schickte der Gevatter seinen Gesellen mit einem Schnipsen los, seine Mission zu beginnen!

Für Kazel geht es weiter bei: Jorsa -> Im Schatten des Lichts
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