Deutlich zu spät

Natürlich wird auch hier fleißig mit Waren gehandelt, welche "vom Boden" beschafft wurden. Aber auch einheimische Waren sind hier zu finden. Es wird getauscht, versteigert und einfach nur verkauft.
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Synnover
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Donnerstag 22. August 2024, 14:30

Synnover schlug langsam die Augen auf. Licht flutete den Raum bis zur Decke, der zuerst sein Blick galt. Er konnte das Dachfenster darin erkennen, ein Quadrat, das einen Spalt weit offen stand und die Hitze der nächtlichen Ereignisse hatte in die Welt steigen lassen. Jetzt erkannte er einen strahlend blauen Himmel. Wie spät es war, wusste Synnover nicht. Es fiel ihm ohnehin schwer, das über Hymlia zu sagen. Wenn man der Sonne so nah war, wurde das eigene Zeitgefühl ein wenig durcheinander gerüttelt. Es kümmerte ihn aber auch nicht. Er erkannte nur ob der Helligkeit, dass es Tag war, also erhob er sich langsam und aus eingetrichterter Routine heraus. Sein Körper wandte sich der Bettkante zu, so dass seine Beine darüber hinweg gen Boden hingen, dass seine Zehen den kühlen Grund berührten. Sein Blick glitt flüchtig über die Schulter zurück.
Eingeschlungen in die Decke, die im Laufe der Nacht irgendwann doch noch zurück ins Bett gefunden hatte, lag Lariana friedlich schlummernd da. Ihr silbernes Haar lugte wie die Wurzelfäden einer an der Spitze aufgesprungenen Lauchzwiebel aus dem Stoff heraus und verteilte sich dann in glänzenden Wirbeln über dem Laken. Die vielen Falten verrieten, was die Nacht zuvor geschehen war. Syn wandte den Blick rasch ab nach vorn. Er klammerte sich an der Bettkante fest, kniff die Augen zusammen und erwartete das Gemisch aus Scham und Selbsthass, weil er wieder nur seinen Zweck erfüllt hatte und benutzt worden war. Doch es trat nicht ein. Er blinzelte, hob Kopf und Blick. Langsam entspannte sich seine Haltung, denn er war ... entspannt. Befriedigt. Zufrieden. Er musste feststellen, dass die letzte Nacht bei ihm andere Spuren hinterlassen hatte als alle Nächte - und teilweise auch Tage - zuvor in seinem Leben. Syn starrte auf seine Hände und mit wachsender Erkenntnis begannen die Finger immer mehr zu zittern. Er musste feststellen, dass alles, was er mit Lariana getan hatte, nicht nur ... Pflicht, Erwartung und allenfalls gut gewesen war. Nein, es war ... "Schön."
Yolintha mochte ihm jegliche Gefühle, Empfindungen und selbst den Wortschatz dafür unter ihrem Lachen entrissen und zertrümmert haben, aber nichts davon war notwendig, um den wilden Herzschlag in seiner Brust, die damit verbundene Wärme und das emotionale Wirrwarr zu beschreiben, das in seinem Inneren vorging. Das ... Glück. Es war gemeinsam geschehen und deshalb ... schön gewesen. Nie zuvor, nicht einmal bei der älteren Tochter der Nachtklingen, hatte er sich derart gefühlt.
Synnover riss den Kopf herum, schaute zurück und auf Larianas Rücken, der sich ihm in perfekter S-Form präsentierte. Allerdings ertrug er das Bild nicht lange. Es überwältigte ihn. Wie konnten freie Seelen so viel Glück ertragen, wie damit umgehen? Er wollte schreien, aber wagte es nicht. Also vergrub er das Gesicht in den Händen, biss sich in den Handballen, um keine verräterischen Schluchzer abzugeben. Die Tränen rannten dennoch zwischen den Fingern hindurch. Sie waren zahlreich, brachten seinen Leib zum Beben und ließen ihn sich nach vorn krümmen, bis Synnovers Nasenspitze beinahe seine Knie erreichte. Wieder durfte er Glück erleben ... und jedes Mal brach er dabei in Tränen aus! Wie weich er doch war!
Aber es fühlte sich schön an. Es reinigte ihn von negativen Dingen und obwohl er wusste, dass er mit seinen Emotionen nach außen hin nur Schwäche zeigte, die nichts Anderes als verachtungswürdig war, fühlte er sich dadurch doch so stark. Er brauchte kein gespieltes Selbstbewusstsein an den Tag zu legen, wenn er sich dermaßen gut fühlte!
Wie lange er so saß, wusste er nicht. Lang genug, dass sein Körper reichlich Flüssigkeit ausweinen konnte. Aber auch das unterschied sich zu den sonstigen Morgen nach einer leistungsreichen Nacht. Wenn er dann heimlich, still und für sich weinte, blieb nichts als Leere zurück. Eine Leere, die er mit Kämpfen um Leben und Tod in der Arena und Sex mit Yolintha, ihren Freundinnen oder vorteilhaften Kontakten füllte, ohne selbst erfüllt zu sein. Nur die stummen Abende mit oder ohne Karrish in dessen Räumlichkeiten hatten ihm eine Spur weit echten Frieden schenken können. Es war nicht vergleichbar mit dem, was er nun für sich beanspruchen durfte. Jede Träne, die ihn verließ, nahm so viel Schlechtes mit. Er weinte sich nicht leer, sondern sauber. Damit Gutes Platz hatte und jeder Herzschlag, als Echo von Larianas Zärtlichkeit ihm gegenüber, trommelte inneren Frieden in seine Seele.
Synnover schaffte es irgendwann nicht nur, den Kopf aus seinen Händen zu heben, sondern auch aufzustehen. Langsam, aber überraschend federnd anstelle eines trottenden Ganges, bewegte er sich zu den deckenhohen Fenstern, um einen Blick auf Hymlia und den Himmel zu werfen. Dass er vollkommen nackt war, störte ihn nicht. Es war noch nie ein Problem für ihn gewesen und zu verstecken hatte er auch nichts. Wahrlich nicht! Larianas Reaktionen von ihrer ersten Liebesnacht waren der Beweis. Doch Synnover dachte nicht an die Hymlianerin, jedenfalls nicht direkt. Natürlich schwebte diese entscheidende Erfahrung in seinem Denken. Natürlich war Lariana auch darin verwoben, denn anders hätte er es niemals so empfinden können ... aber genau das war es, was ihn nun beschäftigte. Er blickte über die blauen Weiten hinweg, ohne den Boden sehen zu können.
Ob es ... unter gleichen Bedingungen auch so wäre ... mit ... ihr?
Fröstelnd zog er die Schultern hoch und seufzte. Ob er es jemals erfahren würde? Das konnte er nicht sagen und noch stand nicht zur Debatte, es zu versuchen. Er konnte nicht zurück, noch nicht. Dafür hatte er hier in Hymlia noch zu wenig von der Freiheit geschmeckt, zu wenig erreicht. Ich muss erst besser werden. Kampf, Magie, beides. Ich muss so viel mitnehmen, wie ich kann. Vorher ... kann ich nicht zurück. Der nächste Herzschlag versetzte ihm einen seltsamen Stich, der eine Welle aus Kummer über ihn hinweg schickte, welche Syn nicht deuten konnte. Er wollte sich davon aber auch nicht einnehmen lassen und so wandte er sich wieder vom Fenster ab, erneut dem Bett zu. Während er sich zurück auf die Kante sinken ließ, lag sein Blick auf Lariana. Und wenn ich mich irre? Er angelte nach einigen Strähnen ihres Haares, ließ sie wie flüssiges Silber durch seine Finger gleiten. Was, wenn sie nun erwacht und die wenigen Reste meiner selbst zerschlägt? Wenn ich doch noch und endgültig zerbreche? Falls es geschah, wusste Syn, dass es ihn unwiderruflich zerstören würde. Denn jetzt hatte er gesehen, erlebt, gefühlt, was es wirklich hieß, frei zu sein. Es war schlimmer, ihm all das zu offenbaren und ihn dann zu vernichten. Yolintha hatte in der Hinsicht wenigstens Gnade gezeigt und ihm vorab gar nichts gegeben. Lariana hingegen...
"Nein ... du würdest das nicht tun", murmelte er. Dann strich er ihr sanft über den Kopf, beugte sich zu ihr und küsste ihr Ohr. "Aufwachen, du Schöne. Sag mir noch, wie unwiderstehlich ich war. Denn ich habe viel vor heute ... ich ... darf doch tun, was ich möchte?" Er lächelte. Er brauchte keine Antwort, jetzt nicht mehr. Er war befreit worden, endlich und vollständig. Mit Körper, Geist und Seele.
Ein Lächeln zierte seine Lippen, wollte überhaupt nicht mehr verschwinden. Seine Augen funkelten, während er weiter auf Lariana hinab schaute und wartete, dass sie erwachte. Er würde warten, obwohl er nicht musste. Obwohl er Dinge geplant hatte. Aber er wollte warten. Er wollte ihre Augen sehen, die nun zu einer FRau gehörten. Er wollte sehen, was sich für sie verändert hatte und ob man erkennen konnte, dass sie neu geboren war. So wie er selbst.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Montag 26. August 2024, 09:57

Ob es ... unter gleichen Bedingungen auch so wäre ... mit ... ihr?
Synnover hatte die erste Nacht erlebt, in der ihn niemand zu irgendetwas gezwungen hatte. Es war schön gewesen, er hatte es spüren können. Lariana war auf ihn und sein Gefallen eingegangen und hatte sich ihm auf eine Weise genähert, die andere schmerzlich vermissen lassen haben. Es war eine Art Befreiungsschlag für das gefesselte Kaninchen gewesen, das nunmehr nur noch Synnover heißen sollte. Er war kein gejagtes Wesen mehr. Nicht mehr. Er war ein Mensch, aus Hymlia. Und er hatte alle Rechte, die ein jeder Mensch in Freiheit und unter seinesgleichen besaß. Lariana hatte das zarte Pflänzchen gepflegt, das durch Zarrah erst gewagt hatte zu keimen. Die Hymlianerin kümmerte sich um den Garten seiner Seele, wie es eine Nachtklinge nicht gekonnt hatte. Zarrah hatte den Willen besessen, etwas zu verändern, aber sie war den Weg nicht bis zum Ende gegangen. Vielleicht war das Schicksal ihr in die Quere gekommen, vielleicht hatte es sich aber auch genau so fügen sollen. Nur Synnover allein würde eines Tages wissen, ob er den Boden vergessen und im Himmel bleiben konnte. Bis dahin aber lief das Leben für ihn in Hymlia weiter. Der Morgen nach dieser wichtigen Nacht, war bereits acht Wochen her. Inzwischen hatte sich ein gewisser Alltag etabliert, den Synnover bestreiten durfte, ohne je Angst haben zu müssen, einen falschen Schritt zu tun. Lariana hatte ihn an jenem Morgen angelächelt, ihn sanft geküsst, ihm gesagt, wie sehr sie es genossen hatte, wie schön es mit ihm gewesen war. Sie hatte ihm beteuert, dass es ihr Herz nur noch mehr berührte und, dass sie sich in ihm nicht getäuscht hatte. Sie hatte ja gewusst, dass er etwas ganz Besonderes war und sie war auf eine liebevolle Weise mit ihm umgegangen, die gar keinen Platz für Zweifel und Scham gelassen hatte. Sie hatte ihm ein leckeres Frühstück gezaubert und erneut unter Beweis gestellt, wie gut sie darin war etwas zuzubereiten, das hervorragend schmeckte. Der weitere Tag war ausgelassen gewesen und sie hatten die Zeit gehabt, sich noch so einige Male in die Laken zu verkrümmeln, so Synnover den Wunsch danach verspürt hatte.

Inzwischen aber hatte sich noch sehr viel mehr entwickelt. Lariana und Synnover wohnten quasi zusammen. Er hatte bei ihr sein Heim gefunden, solange er in Hymlia verweilen wollte. Er durfte kommen und gehen, sich nehmen, was er brauchte. Sicherlich gab es auch einige, kleine Pflichten, wenn man gemeinsam wohnte. Auch Synnover musste mal hier und dort Hand anlegen und vielleicht versuchte er sich gar mal an einer Mahlzeit? Ganz gleich, wie sich der einstige Sklave fügte, Lariana war stets bei ihm und half. Sie zeigte ihm, wie man Brot backte oder Suppe kochte. Er brauchte sie stets nur zu fragen und erhielt immer eine Antwort auf Augenhöhe. Diese Frau war das Beste, das er jemals kennengelernt hatte. Sie hegte keine Hintergedanken, sie lachte ihn nicht aus, wenn etwas misslang. Synnover durfte immer mehr feststellen, dass er sicher war, wo er war. Bei ihr. Sie bewies eine immense Geduld mit ihm und wenn ihn sein schreckliches Leben einholte, dann war sie die Schulter, die er nutzen durfte. Lariana war verliebt in ihn und das zeigte und sagte sie ihm auch. Dabei erwartete sie jedoch nicht, dass er ihr etwas vorspielte. Sie nahm es, wie es kam und war dankbar für das, was Synnover bereit war, zu geben. Es entstand eine Vertrautheit, die ihm Trittsicherheit versprach und Raum für Fehler und Entfaltung ließ.
Gallanva war kurzfristig zu einer Mission aufgebrochen und hatte die Suche nach Synnover’s Herkunft kurzfristig auf Eis legen müssen. Er hatte aber versichert, dass er sich sofort darum kümmern würde, sobald er wieder in Hymlia wäre. Aber das machte fast nichts, denn Synnover hatte auch so genug zu tun und zu erleben, dass ihm die Zeit kaum auffiel. Dass sie weiterlief und die Dinge sich veränderten, entwickelten, war eine Nebensächlichkeit. Denn tatsächlich erhielt er, was man ihm am ersten Tag bereits versprach. Nachdem er einen wundervollen Tag mit Lariana verbracht hatte, begann die alltägliche Routine. Lari nahm ihn stets mit in die Akademie der Luftmagie, wo Professor Filius ihm Unterricht erteilte. Synnover lernte, wie er seine Kraft ganz bewusst herbeirufen konnte. Er durfte lernen, wie einfach es schließlich ging, sobald er den Dreh erstmal heraushatte. Der Wind gehorchte ihm, aber nicht, wenn er ihn dominieren wollte. Die Stimme, die er sonst immer hörte, war nur noch am Anfang dagewesen. Bis Filius ihm auftrug zu versuchen, er solle sie ignorieren. Denn der Professor war nicht ganz sicher, was da eigentlich zu ihm sprach. Er hatte noch nie gehört, dass es der Wind persönlich gewesen wäre und so war es ihm sicherer, wenn er die Stimme nicht nutzte, um sich auf ein Vorankommen in der Anwendung der Magie zu verlassen.

Filius zeigte Synnover, wie er den Wind heraufbeschwor, wie er eine zarte Briese dafür nutzen konnte. In Hymlia blies der Wind stets kräftig, sodass es gar keine Mühe machte, die vorhandenen Ressourcen zu nutzen. Tatsächlich lernte Synnover sehr schnell, sofern er erstmal die Mühe und Konzentration aufbringen konnte und erste Erfolge erzielte. Filius war ein ebenso geduldiger Mann, wie ein Quell an Weisheiten. Der Professor war mehr als nur Lehrer und er studierte mit Synnover nicht selten auch noch in den Abendstunden, wenn er ihn darum bat. Er gab sich viel Mühe, dass Syn an die Klasse von Lariana anschloss in seinem Können. Dabei war mehr als einmal deutlich geworden, dass Synnover eine natürliche Begabung für den Wind besaß. Es kostete ihn keine Mühe, sobald er erstmal gelernt hatte, wie er den Wind rufen, nutzen und vor allem halten konnte. Er schaffte es inzwischen spielend, einen kleineren Sturm heraufzubeschwören und aus einer Brise einen Orkan zu machen. Dabei besaßen seine Stürme allerdings noch keine zerstörerische Kraft. Das wollte der Professor auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Synnover konnte sich zudem mit Wind umhüllen und wie einen Schutzschild nutzen. Geschosse würden zwar hindurchgelangen, aber deutlich von ihrem Weg abgelenkt werden. Er schaffte es, dass der Wind sich formen ließ. Wenn er also den Wind einfing und lenkte, dann konnte Synnover bereits den Weg vorgeben und gar auf ein Hindernis treffen lassen. Er musste dafür den Wind nur härten und Filius zeigte ihm, wie er das erreichte. Er erklärte ihm, dass, je schneller der Wind wurde, er an Kälte zunahm. Zwar besaß Synnover keine Eismagie, aber er war in der Lage den Wind so schnell zu lenken, dass er deutliche Minustemperaturen erreichte und an der Spitze verhärtete. Er konnte sogar mithilfe des Windes Frost auf den puscheligen Blumen Hymlia’s erzeugen. Es war ein berauschendes Gefühl, dass der einstige Sklave solche Fortschritte schaffte. Und das alles nur, weil man sich seiner liebevoll und geduldig annahm.
Dabei brauchte Synnover inzwischen keine Worte mehr. Er schaffte diese neuen Dinge einzig durch seinen Willen, den Wind zu formen. Er konnte immer noch die Worte verwenden, aber letztendlich erreichte er die vorher bekannten Zauber auch ohne sie. Atemnot setzte er seltener ein, da man in Hymlia niemanden dafür opfern wollte, aber Synnover wusste einfach, dass wenn er je wieder in die Lage kommen sollte, er nicht mal mehr eine Geste bräuchte dafür. Er wurde zudem geübter darin, auch mal um die Ecke zu denken und experimentierfreudiger zu werden. So konnte er nicht nur einem Lebewesen den Atem nehmen, sondern tatsächlich auch mit dem ‚Atemnot‘-Zauber einem anderen Schüler die Magie abschneiden. Er nahm Luft und würde sie irgendwann dann selbst aufnehmen und wieder in etwas anderes verwandeln können. Daran arbeiteten sie derzeit. Odem und Bändigung waren ebenfalls nur noch Worte, die Magie dahinter aber schaffte er allein durch das, was er in den letzten Wochen gelernt hatte. Sie dienten ihm als sichere Verankerung dessen, was er wirken wollte.

Neben der Luftmagie aber lernte Synnover auch noch mehr. Er lernte vor allem Lesen. In der Universität war es unablässig, sodass Lariana sich zeitweise neben ihren eigenen Studien auch darum bemühte. Letztendlich aber konnte die Hymlianerin auch nicht alles leisten. Nachdem sie ein paar Tage tatsächlich erschöpft gewesen war, mussten sie einsehen, dass es zu viel für sie wurde und es trat jemand auf den Plan, den sie vermutlich dafür weniger im Sinn gehabt hatten. Galina bot sich schließlich an, mit Synnover Lesen zu lernen. Die schlagfertige Schönheit hatte sich gewandelt. Synnover hatte auch ihr Leben verändert, wenn auch nicht so, wie für Lariana. Inzwischen baggerte Galina nicht mehr an Syn herum, sondern war aufrichtig daran interessiert, wie es für ihn am Boden gewesen war. Stets nach der Uni, unterrichtete sie ihn noch zwei Stunden weiter im Lesen und auch schreiben. Sie war nicht so geduldig, wie Filius oder Lariana, aber sie bemühte sich redlich. Nicht selten kam es zwischen ihr und Syn zu einem Disput. Dafür war sie zu hitzköpfig und er zu unstet. Aber sie rauften sich immer wieder zusammen, sodass es eine Art Hassliebe wurde, die sie miteinander teilten. Syn erkannt, dass Galina es durchaus ehrlich meinte, manchmal sich aber im Ton vergriff. Und Galina hatte akzeptiert, dass er kein echtes Interesse hatte – jedenfalls anfangs nicht. Ob sich daran etwas änderte, wusste nur Synnover. Tatsächlich aber kamen sie auch mal auf andere Dinge zu sprechen und Synnover erzählte, dass er gerne Kampffächer üben wollte. Galina stellte sich als jemand heraus, der durchaus Spaß an Kampftechniken hatte und so wurde sie zu einer Partnerin im Erlernen der Kampffächer-Technik. Sie lernten anhand von Büchern aus der Bibliothek und Galina las vor, während sie gemeinsam daran übten, die Techniken nachzuahmen.
So vergingen die Tage und schließlich die Wochen, bis Monate. Jeder Tag folgte der gleichen Routine und doch war es kaum möglich sich zu langweilen. Es war aufregend und es schien beinahe so, dass er jetzt endlich sein eigentliches Leben lebte. Inzwischen kannte er sich gut in Hymlia aus, wusste die Wege auch mühelos allein zu bestreiten. Es wurde selbstverständlicher. Auch hatte er Glück mit der Gastfreundschaft von Gallanva und Lariana. Anfangs war er durchaus berechtigt, sich zu nehmen und zu essen, wonach ihm war. Kleidung erhielt er alles von ihnen. Bis sich irgendwann eine Möglichkeit ergab, dass er sich fortan einen Obolus verdiente. Lariana hatte Synnover ein wenig Zeit eingeräumt, dass er sich erstmal auf eine Sache konzentrieren konnte. Die Luftmagie. Allerdings hatte sie nicht vergessen, dass sie versprochen hatte, dass sie ihren Bruder fragte, ob Synnover mal einen Pegasi reiten durfte. Bisher hatte sich das aber kaum ergeben und trotzdem fiel es der schönen Hymlianerin bei einem gemeinsamen Frühstück ein.

Ob Synnover noch mal mit Lariana schlief oder nicht, war seine Entscheidung gewesen. Sie hatte es sicherlich versucht und war ohnehin auf Tuchfühlung bei ihm, akzeptierte aber stets, wenn er etwas nicht wollte. Sie war ein wirklich guter Mensch und forderte für sich keinerlei Dinge ein. Ob sie das immer so aushielt, blieb wohl ihr Geheimnis. Denn dass sie Synnover liebte, war inzwischen wohl jedem bekannt. Vor ungefähr einer Woche hatte Lariana dann erklärt, dass Synnover fortan im Pegasi-Stall aushelfen durfte. Ihr Bruder hätte gesagt, dass er eine zusätzliche Hilfe gut gebrauchen könne und Lari war da sofort Synnover eingefallen. Er half bei der Pflege, beim Versorgen und Misten und erhielt dafür sogar Lohn! Fünf Füchse jede Woche bekam er, wenn er nach der Universität noch für zwei bis drei Stunden aushalf. Es war eine Arbeit, bei der er sich durchaus auch mal schmutzig machte aber er wurde dafür entlohnt. Er erhielt ein Gehalt und konnte somit auch mal selbst sich etwas kaufen, ohne immer an Lariana oder ihren Vater gebunden zu sein. Layan – ihr Bruder – war ein athletischer und geradliniger Mensch. Er besaß kürzere Haare, die ins Blonde gingen und mit weißen Strähnen gespickt waren. Er hatte graue Augen und ein kantiges Gesicht. Er trug das Zeichen der Himmelsreiter auf seiner Rüstung, die aus Weiß und Gold bestand oder aber auf seiner Kleidung, die er im normalen Alltag trug. Stets wurde er erkannt, wenn er den Weg mit Fremden kreuzte. Bereits in dieser einen Woche hatte Synnover erkennen können, dass er eine gewisse Ausstrahlung besaß. Er war stark, souverän und präzise. Er hatte den Kopf nicht in den Wolken, sondern stets bei seinen Aufgaben. Dabei war eher kein Mann vieler Worte aber er war fair und korrekt zu Synnover. Er zeigte ihm, wie er die Aufgaben zu lösen hatte und erwartete dennoch, dass man folgte. Er war es gewohnt, den Ton anzugeben und blieb dennoch auf Augenhöhe dabei. Er dominierte nicht, aber er duldete auch keine Fehler. Er erklärte Synnover, wie wichtig das richtige Futter und die korrekte Pflege der Tiere war. Erstmal alles rein theoretisch. Er hatte gesagt, dass er sich Syn’s Arbeit eine Woche lang ansehen würde und wäre sie zufriedenstellend, würde er ihm in der kommenden Woche die Pegasi anvertrauen. Es lag also an Syn, ob er sich bemühte oder das nichts für ihn wäre. So oder so hatte Lariana ihm aber schon anvertraut, dass er durchaus die Chance besaß, sich für den Weg des Himmelsreiters zu beweisen, wenn er das in Erwägung zog. Layan wäre dabei der Ansprechpartner und würde Syn gewiss mal an einer Übung teilnehmen lassen, wenn Lari ihn darum bat. Schließlich würde es in vier Wochen ein Auswahlverfahren geben, bei dem sich jeder willige Hymlianer anmelden könnte. Synnover lernte in den Wochen, dass es sich durchaus lohnen konnte, sich anzustrengen. Und dass er etwas ganz Eigenes für seine Mühen erhielt: Nämlich Anerkennung. Inzwischen war er kaum noch ‚der Neue‘, sondern war auch innerhalb der Klasse integriert. Narbengesicht, der ein Auge auf Lari geworfen hatte, würde wohl aus verständlichen Gründen nicht sein Freund werden, denn er war immer noch in die Hymlianerin verschossen, aber Syn hatte endlich erfahren, dass sein Name Kuron war. Auch der Rest der Klasse war inzwischen Teil seines neuen Lebens geworden und er fand in allen mal mehr mal weniger hilfreiche Geister.

Alles in allem lief es hervorragend für Synnover und die Zeit? Die floss stetig dahin und verwässerte die Vergangenheit beständig. Andere Dinge wurden wichtig, während wieder andere in Vergessenheit gerieten…


Zeitsprung von 8 Wochen
-Überblick-


Synnover darf die Luftmagie auf durchschnittlich ändern (natürliche Begabung)
Er darf Lesen und Schreiben auf rudimentär ändern (beständiger Unterricht)
Er erhält jede Woche einen Lohn von 5 Füchsen und häuft darüber Finanzen an
Er besitzt inzwischen eine Auswahl an Kleidung/Schmuck etc, die ihm gehören
Er darf ‚Hymlikor‘ (Sprechen) auf durchschnittlich ändern (natürliche Begabung, aufgrund Herkunft) Lesen oder Schreiben wird erst angepasst, wenn dort der Wert einen höheren Grad erreicht.
Seine Techniken bei den Kampffächern ist auf durchschnittlich anzuheben. (Lerninteresse und Hilfe durch Galina)

Neue NPC:
Layan – Lariana’s Bruder, Himmelsreiter und Syn’s Ansprechpartner bei seiner Arbeit im Pegasi-Stall
Kuron – „Narbengesicht“, das auf Lariana steht und Synnover nicht ganz freundlich gesinnt ist.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Donnerstag 5. September 2024, 19:56

Zarrah'lindae war die einzige Nachtklinge, an die Synnover in der Zeit zwischen seiner ersten Nacht mit Lariana und dem heutigen Tag gelegentlich dachte. Meist geschah es nachts, falls etwas ihn aus dem Schlaf holte. Doch wo es früher Albträume oder der Laut der Schlafenden an seiner Seite gewesen waren, die ihn mit der Vorsicht eines Sklaven und der unbewussten Angst, bestraft zu werden hatten hochschrecken lassen, da schlug er jetzt ruhig die Augen auf. Warum er nicht durchgehend Schlaf fand, war seinem Leben geschuldet. Er hatte niemals wirklich Nächte durchgeschlafen und jetzt konnte er es nicht mehr. Es war zur Routine geworden, dass er in seinen Dämmerphasen auch immer wieder erwachte. Um Lariana nicht ebenfalls ihres wohlverdienten Schlafs zu berauben, traf er Entscheidungen, die er zuvor nie gewagt hätte. Doch jetzt war er wirklich befreit! Er durfte wagen und tat es. Seine erste Entscheidung bestand darin, Hymlia bei Nacht zu erkunden. Oftmals in nicht mehr als seine seidene Unterwäsche gehüllt spazierte er über die Wolkeninsel, betrachtete Sterne, Mond und auch einfach den Himmel. Und wann immer er am Rand dieser Welt über den Wolken ankam, blieb er stehen, um einen Blick hinab zu werfen. Dann dachte er Zarrah. Er vergaß sie nicht, aber die nächtlichen Wanderungen nahmen schnell ab und so schweiften auch seine Gedanken immer weniger zu der Dunkelelfe, die ihn damals nicht nur ins Haus der Nachtklingen und sein Schicksal als weißes Kaninchen getrieben hatte, sondern die auch verantwortlich war, dass er nun in seiner Heimat heilen durfte. Am Prozess selbst war Zarrah aber längst nicht mehr beteiligt. Stattdessen nahmen sich anderer des heimgekehrten Hymlianers an. Allen voran war das Lariana, die ihm auch oder gerade wegen ihrer ersten gemeinsamen Nacht anschließend nicht mehr von der Seite wich. Sie war Balsam und ihre geduldige, fürsorgliche Art bildete den Grundstein für Synnover, eigenen Frieden zu finden. Sie schenkte ihm eine Zeit der Zärtlichkeit, die frei von allem war, was seinen Tag in Morgeria gefüllt hatte. Nicht alles ging dabei verloren, aber hier in Hymlia stellte sich ein gänzlich neuer Alltag für ihn ein.
Acht Wochen waren inzwischen vergangen. Synnover besaß kein Zeitgefühl dafür. Obgleich sich auch hier Routine einstellte, bemerkte er kaum, wie die Tage verstrichen. Es gab so viel zu entdecken, zu erleben und vor allem zu lernen. Professor Filius entpuppte sich dabei als ebenso geduldig wie Lariana und das musste er auch sein. Denn auch wenn Syn einen gewissen Ehrgeiz an den Tag legte und sich nie über die Pflichten beklagte, die man ihm auch im Unterricht auftrug, fiel es seinem unsteten Geist doch schwer, sich langfristig auf das Studium zu konzentrieren. Dass er in der Luftmagie eine natürliche Begabung besaß, half ihm weiter. Letztendlich konnten Wind und kleine Luftwirbel ihm aber auch nicht den Inhalt eines Lehrbuchs in den Kopf hämmern. Zumal er erst einmal Lesen lernen musste. Eigentlich beherrschte er es. Karrish hatte ihm auch das Schreiben beigebracht, aber beides nur in der celcianischen Allerweltssprache. Viele Schriftstücke in Hymlia waren in Hymlikor verfasst und so musste Synnover sich entweder die Texte übersetzen lassen und das Gehörte erlernen oder aber die Sprache weiter studieren. Galina half ihm dabei. Obwohl er sie gewissermaßen abgewiesen hatte, ließ nicht einmal sie ihn fallen. Das kam überraschend für Synnover, doch er freute sich aufrichtig. Er zeigte es Galina nur nicht allzu oft. Nach wie vor löste sie bei ihm ein gewisses Unbehagen aus, vor allem, wenn sie herrisch und laut reagierte, weil seine Gedanken sich vom Lernstoff entfernten. Den Fächerkampf, den sie ebenfalls beherrschte und mit ihm weitere Übungen anging, konnten sie meist ohne größere Diskussionen führen. Synnover zeigte sich hierbei noch am erfolgreichsten auf seinem Weg des Lernens. Das lag vor allem daran, dass Galina ihm Fehler kaum durchgehen ließ und wenn sie geschahen, spürte er, wie gut die metallenen Fächer doch verletzen konnten. In acht Wochen Training trug er mehr Kratzer, Prellungen und blaue Flecken davon als in seiner gesamten Gladiatorenlaufbahn in der Schwarzen Arena. Aber Galina verbot ihm auch das Ausweichen. Stattdessen lehrte sie ihn eine Choreographie, welche sowohl kämpferisch als auch ästhetisch ein gutes Bild abgab. Und als Synnover damit begann, in seine Attacken oder Paraden die Luftmagie einzubringen, verzauberte er die Beobachter. Er tanzte für sie und ohne einen Feind wirklich besiegen oder gar töten zu müssen, war ihm der Applaus des Publikums sicher. Vor allem aber gewann er dadurch nur noch mehr Larianas Herz.

Synnover hatte sich kein eigenes Heim suchen müssen, da Lariana ihn nur zu gern weiter in ihrer Nähe haben wollte. Sie verlangte nicht einmal einen finanziellen Ausgleich von ihm, auch wenn er durch seine Wochen später gestartete Tätigkeit als Stellausmister der Pegasi einen ersten Lohn einfuhr. Daraus hatte es eine wahrlich lustige Situation ergeben, denn Syn mit den Münzen sofort zu Lariana geeilgt, um sie ihr auszuhändigen. Er hatte nie etwas besitzen dürfen und Geld war nichts, das Karrish oder Yolintha ihm jemals gegeben hätten. Syn erhielt stets das gekaufte Produkt. Er wusste mit dem Wert von Geld nicht einmal umzugehen. Wohl aber kannte er es und ahnte, dass es für Lariana gedacht war und nicht für ihn. Sie musste ihn daran erinnern, dass er frei war und Dinge wirklich besitzen durfte. Diese wenigen ersten Fuchsmünzen in seinen Fingern waren sein Eigentum. Sie gehörten ihm und er konnte mit ihnen anstellen, was er wollte. Als ihm das bewusst geworden war, hatte er heiße Tränen geweint und als erstes - mit Larianas Hilfe - eine kleine Spardose für weiteres Geld erworben. Mit funkelnden Augen war der erste Fuchs in die überraschend schlichte Metalldose gelegt worden. Anschließend hatte Synnover sich reichlich Mühe gegeben, seinen Namen in Hymlikor auf das Metall zu schreiben. Diesen beherrschte er inzwischen, Galinas impulsiven Lehrstunden zum Dank. Nach dieser kleinen, aber für ihn mehr als besonderen Zeremonie, hatte er sich mit Lari in ihr Zimmer zurückgezogen und sie bis zum Morgengrauen beglückt. Sie und sich selbst! Er genoss es inzwischen, fand Gefallen daran, sie zu verwöhnen, aber auch selbst verwöhnt zu werden. Dennoch hatte es mehr Veränderungen in seinem Leben gegeben. Auch wenn ihm das Liebesspiel mit Lariana zusagte, fragte er sie bereits in der ersten gemeinsamen Woche geradezu zaghaft, ob sie ihm gestattete, nicht jede Nacht die Laken zu durchwühlen. "Natürlich gefällt es mir ... mit dir! Aber ich habe die letzten sechs Jahre Nacht für Nacht herhalten müssen. Ich ... möchte manchmal einfach nur einschlafen dürfen, falls du es erlaubst."
Natürlich tat sie das und es stellte sich heraus, dass sexfreie Kuschelabende mindestens genauso angenehm waren. Für Synnover bedeuteten sie noch viel mehr als sich mit Lariana körperlich zu vereinen. Seine Seele umschlang sie regelrecht in jenen Nächten und hielt sie in einer dankbaren Wärme, bis beide den Schlaf fanden. Es könnte kaum schöner für die Hymlianerin sein. Zwar lebte sie schon oben im Himmel und dennoch fühlte sie sich, als schwebte sie an Synnovers Seite erstmals auf Wolken. Sie erkannte die Bedeutung und so kam es, dass sie ihm im Laufe der vergehenden Wochen gestand, sich in ihn verliebt zu haben.
Dieser Moment hätte von Glückseligkeit begleitet werden müssen, aber es wurde der wohl schwärzeste Tag in den acht Wochen, die Synnover in Hymlia verbrachte. Als Lariana ihm ihre Liebe gestand, erstarrte er zunächst. Kurz darauf aber senkte er den Kopf und schaute von ihr weg. Es war das erste Mal in seinem Leben, dass er sich offen vor einem anderen Menschen schämte. Außerdem war es das erste Mal, dass er tiefen Kummer verspürte, wenn eine Frau ihm diese magischen Worte mitteilte. In Morgeria war es vorgekommen. Seine Verführungskünste hatten ihn manches Mal in Situationen gebracht, in denen selbst Dunkelefinnen von LIebe sprachen und ihn trotz seiner Sklavneposition am liebsten für immer an ihrer Seite wünschten. Sie würden ihm gute Herrinnen sein, hatten sie behauptet und er dürfte sie auch tagsüber immer wieder begatten. Oftmals hatte er den Liebesschwur erwidert, ohne auch nur das geringste zu fühlen - auch keine Scham. Lariana gegenüber war es etwas vollkommen Neues, aber es war nicht schön. Denn Synnover traf bei ihrer Liebesbekundung eine bittere Erkenntnis.
"Lari, meine Schöne, ich ... schätze, als Sklave in Celcia aufzuwachsen, hinterlässt Spuren auch dann noch, wenn man diesem Schicksal entkommen konnte." Er seufzte, wagte nicht, sie anzuschauen. Stattdessen murmelte er zu sich selbst: "Sie hatte Recht. Manche Dinge ändern sich wohl nicht, nur weil ich jetzt frei bin..." Endlich griff er nach Larianas Händen, die mehlig vom gemeinsamen Backen waren - einer Freizeitbeschäftigung, in der Synnover eine absolute Niete war, sie aber Lariana zuliebe immer wieder mitmachte. Denn Spaß hatten sie, nur konnte man seine Resultate selten ohne Bauchschmerzen essen. "Lari, ich kann dir nicht zurückgeben, was du mir gibst. Ich ... werde es nie können. Es wurde mir genommen und ist für immer verloren, bevor ich es kennen lernen oder gar verstehen durfte. Ich weiß, du hast es mir erklärt und Professor Filius hat sich sehr bemüht, es mir zu vermitteln. Ich ... habe die Worte gehört, aber ... ich begreife sie nicht. Außerdem passiert nichts." Er dürckte ihre Finger und kämpfte damit, nicht erneut in Tränen auszubrechen. Wieder schweifte sein Blick ab. Er schämte sich so sehr! "Ich liebe dich nicht. Ich werde es nie tun. Ich ... kann es nicht tun. Du sagtest, es kribbelt, aber da ... ist nichts. Ich spüre rein gar nichts." Nichts außer Scham für seine Unfähigkeit und ein düsteres Glimmen irgendwo tief in seiner Seele, das genau wusste, wer dafür verantwortlich war. Wer ihn gebrochen und zerstört hatte.
Er ließ Larianas Hände los und wich sogar einen halben Schritt von ihr zurück. Sein Blick war noch immer auf den Boden gerichtet. "Es ist nicht so, dass ich dich nicht mag. Ich ... glaube, ich mag dich. Jedenfalls bin ich gern in deiner Nähe und mir gefällt, was wir tun. Mir gefällt es, meine Zeit mit dir zu füllen, aber ... es überwältigt mich nicht ansatzweise so, wie es laut euren Erklärungen sein sollte. Falls dir das genügt ... falls du mit dem leben kannst, was auf dieser Ebene von mir übrig ist ... falls du keinerlei Hoffnung auf mehr in mich setzen kannst ... dann ... dann bleibe ich gern bei dir und so wie wir jetzt sind. Ich werde dir nur niemals ... mehr ... geben können." Niemandem. Er presste die Lippen fest aufeinander, um ihr Zittern zu unterdrücken. Es war eine bittere Erkenntnis und ganz gleich wie Lariana darauf reagierte, verbrachte Synnover den Rest des Tages allein. Er brauchte diesen Abstand, um zu verarbeiten, was er soeben erkannt hatte. Und um zu weinen - heimlich, für sich, während er alten Kot und Stroh aus den Ställen der Pegasi schaufelte.

Die Stallarbeit zählte nicht zu seinen Lieblingsaufgaben. Es war eine andere Form der körperlichen Arbeit, die wenig mit kämpferischen Bewegungen zu tun hatte. Hier kam es auf Kraft an und auch nach Tagen hatte er noch Msukelkater. Hierfür war er weniger gemacht. Außerdem stank der Mist schrecklich! Doch Synnover klagte auch hierbei nicht. Er tat, wie ihm geheißen. Da hatte es Larianas Bruder Layan hatte es in dieser Hinsicht leicht mit ihm. Ein ehemaliger Sklave wusste eben, Aufgaben ohne Murren zu erledigen. Er machte es einfach, bemühte sich, gut darin zu sein und auch wenn ihm Schmutz oder Gestank missfielen, ließ er es sich nicht anmerken. So war der Bruder seiner Beziehung ebenfalls zufrieden mit ihm. Aber Synnover ging auch bei den Pegasi mit Ehrgeiz heran. Das zeichnete sich eigentlich bei allem aus, vom gemeinsamen Kochen mit Lari abgesehen. Da alberte er lieber herum oder naschte, denn sie beide wussten, dass seine Gerichte nur im Chaos enden konnten. Manchmal ärgerte er Lariana beim Backen, wenn er den Wind aufwehen ließ, um ihr Mehl ins Gesicht und die Haare zu zaubern. Dann lachte er so offen und herzlich, dass sie ihm kaum böse sein konnte. Bei ihr fand er das Selbstbewusstsein, das er in Morgeria stets nur als Maske getragen und ebenso wenig aufrichtig gefühlt hatte wie alles andere. Hier in Hymlia lebte er zum ersten Mal. Und ganz gleich, mit welchem Inhalt er seinen Tag ausfüllte - Luftmagie, Lesen und Streiten mit Galina, Fächerkampftraining, Pegasusmist wegschippen oder die Tiere striegeln, mit Lariana Zeit verbringen - es fühlte sich verdammt gut an. Sogar dann, wenn nicht alles gelang. Wenn Galina ihn mit dem Fächer eine überzog oder er in den Misthaufen fiel und zu Hause erst mehrere Stunden baden musste, bevor Lariana ihn überhaupt ansehen wollte. Dafür war sie für ihn da, wenn er bei Filius' Unterricht vor lauter Müdigkeit über den Lehrbüchern einschlief oder bei einer Lektion den Blick gen Himmel richtete, um sich in Träumereien zu verlieren. Sie achtete auf ihn und er nahm es an, vergolt es ihr mit alles, was er in der Lage war, zu geben.
Es war eine gute Zeit. Synnover lernte viel. Daran hielt er fest. Wo Zarrah immer mehr in den Hintergrund rückte, bis er gar nicht mehr an sie dachte, da hielt er an seinem Vorsatz fest, die selbst gesteckten Ziele zu verfolgen. In der Luftmagie war er nacht acht Wochen gut genug, um sie wort- und gestenfrei zu wirken, auch wenn er noch keine sturmartigen Angriffszauber versucht hatte. Diese wollte er unbedingt lernen, übte sich bis dahin aber an seinem Atemnotzauber. Um ihn zu wirken, brauchte er gar nicht mehr die Hand zur Faust ballen, att es aber aus Reflex immer noch. Und auch wenn Filius ihm geraten hatte, das Wispern beim Magiewirken zu ignorieren, lauschte er stets nach der Stimme, die ihm so oft schon geholfen hatte. Er merkte, dass sie stumm blieb wie seine Magie, wenn er versuchte, die Luft zu dominieren. Das abzulegen, damit hatte Synnover die größten Schwierigkeiten, aber irgendwann bekam er den Dreh raus und die Magie wurde für ihn empfänglicher. Trotzdem lauschte er noch immer, erzählte Filius nicht nicht mehr davon. Sollte der Hymlianer es doch seltsam finden. Synnover war es irgendwie ein Anker, auch wenn er das Wispern nicht immer hörte. Er wusste, es war noch irgendwo da und beobachtete ihn. Dann fühlte er sich nicht allein der Gewalt der Luftmagie gegenübergestellt. Dabei beherrschte er sie durchaus gut für seinen Wissensstand. "Ich muss noch besser werden, Professor!", gönnte er sich selbst allerdings keine Ruhe. Auch hier war es oftmals an Lariana, ihn an Pausen zu erinnern oder seinen unsteten Geist abzulenken, damit er sich nicht in etwas verbiss. Denn wenn das passierte, konzentrierte er sich auch und zwar in einem Übermaß, dass er vergaß zu essen oder zu schlafen. Beide Extreme würden ihn nicht zum Ziel bringen, aber noch suchte Synnover die Balance. Beim Fächerkampf funktionierte es leichter und bei der Pflege der Pegasi musste er sich zu den Aufgaben antreiben, indem er gedanklich immer wieder an sich selbst appellierte, wofür er all das eigentlich tat. Für mich. Für das, was ich verdiene. Für all die Jahre, die ich das hier nicht haben konnte. Rachedurst war ein guter Treibstoff. Glücklicherweise ließ Synnover sich davon nicht überwältigen. Damit konnte er interessanterweise gut haushalten. Er gönnte sich nur gerade so viel, an seinen Plänen festzuhalten. Er kämpfte verbissen darum, sich zu verbessern und zu lernen. Nur eine verlor er dabei immer mehr aus den Augen ... aus den Gedanken. Nur wenn Layan ihn im Stall aufsuchte oder eine neue Aufgabe zuteile, flammte die Erinnerung auf. Denn der große Bruder besaß ein ähnlich strukturiertes, aber gerechtes Gemüt wie eine gewisse Dunkelelfe, ohne dabei mit der Hitzköpfigkeit einer zornigen Galina zu agieren.

Fest stand, dass sein gesamtes Umfeld Synnover mehr als gut tat. Er fügte sich ein, ohne sich zu verlieren. Vielmehr fand und erfand er sich neu. Er entdeckte Schönheit in Dingen, die er am Boden verabscheut hatte. Er durfte Dinge besitzen, Menschen mögen oder nicht und musste sich vor allem ihre Zuneigung nicht erkaufen, indem er sich selbst aufgab. Hymlia war ein Paradies, an dem er im Grunde für immer glücklich werden könnte. Warum der letzte Funke - gerade beim Thema Liebe - nicht überspringen wollte, konnte er sich nicht erklären. Aber er verfiel nicht in Kummer darüber, solange Lariana es nicht tat. Er nahm es hin und versuchte, das Beste aus allem zu machen. Er versuchte, sich selbst zum Besten zu machen. Denn es war wichtig! Wofür? Für wen? ... So ganz wusste er es nach achten Wochen nicht mehr zu sagen. Es war auch plötzlich nicht mehr so wichtig, obwohl er daran festhielt. Denn es machte Spaß, es erfüllte ihn und gab seinem Leben auf eine Weise einen Sinn, den er nie für möglich gehalten hätte. So zogen die Tagen, Wochen, Monate ins Land, ohne dass es Synnover überhaupt bewusst wurde. Er ließ vieles hinter sich. Das weiße Kaninchen war nur noch ein Name am Boden aus einer Zeit, der er den Rücken gekehrt zu haben schien. Das war auch nicht schwer, wenn vor ihm doch so vieles lag, das Freude strahlend auf ihn wartete. Und Synnover war inzwischen bereit, es mit ausgestreckten Armen zu empfangen.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Dienstag 24. September 2024, 20:42

Niemand hielt Synnover davon ab, seinen eigenen Weg zu gehen. In den 8 Wochen, die er nun bereits in Hymlia lebte, hatte sich sein Leben grundlegend geändert. Er durfte lernen und lernte fleißig. Er erhielt Wertschätzung ganz ohne Gegenleistung und er durfte sagen, wenn ihm etwas missfiel, ohne gleich körperliche oder seelische Strafen zu erwarten. Er lernte sich mit seinen Entscheidungen wohlzufühlen und sich nicht ständig zu fragen, ob ihm sein Wille zum Nachteil gereichte. Synnover hatte nicht immer sofort leichtes Spiel, aber er wurde besser und besser, jeden Tag, den er in dieser wundervollen Obhut weit oben im Himmel verbrachte. Fernab von allem, was schlecht war in seinem Leben. Von allem Gift, das ihn zu etwas gemacht hatte, das er niemals hätte sein dürfen. Synnover lernte das Leben zu lieben und er lernte, dass Zuneigung Wunden balsamieren und womöglich irgendwann heilen konnte. Lariana entpuppte sich als sehr viel bessere Lehrerin, als es Zarrah jemals gewesen war. Sie war einfühlsam, achtsam und mit ihren Gefühlen im Reinen. Sie konnte Empathie soweit empfinden, dass sie behutsam mit Synnover umgehen konnte. Zarrah hatte diese Fähigkeit nicht wirklich besessen. Den Willen zwar schon, aber nicht die nötige Erfahrung, es behutsam anzugehen. Ihre Methoden waren eben die einer Dunkelelfe, die ihr Leben in Morgeria gelebt hatte und sich jeden Tag, jede Sekunde ihres Heranwachsens damit hatte herumschlagen müssen. Nicht nur bei Synnover hatte das Narben hinterlassen. Doch Zarrah war in Ferne gerückt. Was sie derzeit tat oder nicht tat, war nicht wichtig. Die Elfe war vermutlich längst weitergezogen und verfolgte finstere Pläne, wie sie es auch getan hatte, als sie und Synnover sich begegneten. Der Hymlianer aber hegte immer seltener Gedanken an sie oder an Crystin, Razag und all die anderen, die er zurückgelassen hatte. Hier oben im weißen Hymlia war alles wundervoll und das Leben begrüßte ihren verlorenen Lehrling mit offenen Armen. Lariana’s Empathie war der wichtige Nährboden, den es für Synnover brauchte.

Natürlich musste er nicht immer und ständig die Laken mit Lariana teilen. Er besaß sogar ein eigenes Zimmer inzwischen, in das er seine Habe bringen und verwahren konnte. Lari hatte es ihm nach der ersten Woche überlassen, als er sie fragte, ob er jede Nacht mit ihr intim werden müsste. ‚Natürlich nicht‘, hatte sie nachsichtig lächelnd geantwortet und ihm so die Möglichkeit eingeräumt, sich auch mal zurückzuziehen. Doch auch Lariana selbst hegte nicht jede Nacht den Wunsch nach Nähe. Auch sie brauchte Freiraum, Abstand, um sich auf Synnover’s Nähe wieder freuen zu können. Es entwickelte sich eine Natürlichkeit zwischen ihnen, die keinen Raum für Frust oder Inakzeptanz ließ. Jeder tat, wonach ihm war. Und jeder akzeptierte, wenn dem anderen nach etwas anderem war. Es wurde so leicht die Welt unter seinen Füßen zu vergessen. Denn auch nachdem er ihr gestanden hatte, dass er nicht dazu fähig war, Liebe zu empfinden, hatte Lariana nur leicht gelächelt, ihm über die Wange gestrichen und etwas Mehl darauf verteilt. Dann hatte sie ihn zärtlich geküsst und ein ‚Schon gut‘ geraunt. Sie versicherte ihm, dass es so, wie es war richtig sei und sie sich sehr wohl fühle. Und auch danach konnte Synnover keine Anzeichen entdecken, dass dem nicht so wäre. Die Tage verflogen und wurden Alltag. Eine neue Routine für den verlorenen gegangenen Sohn aus den Wolken und er arrangierte sich selbst mit den weniger liebsamen Aufgaben. Manchmal verlor er sich in der Verbissenheit und musst eingefangen werden. Es war in Ordnung, denn er war umgeben von Menschen, die auf ihn achteten, damit es ihm gut ging. Hier konnte er erkennen, dass nicht alle immer nur auf ihren Vorteil bedacht waren. Zarrah hatte begonnen, was die Menschen in Hymlia nun fortführten. Und dabei verlor er die Anfänge aus den Augen, was nur richtig und normal war. Denn hier oben war er Mensch und nicht weniger als das. Er durfte sich auch über die Anstrengungen seiner Arbeit beschweren, ohne gleich Strafe fürchten zu müssen. Er durfte Fehler machen, ohne sie gleich heimgezahlt zu bekommen. Hymlia war seine Heimat und das wurde immer deutlicher.

Als er gerade einmal die Arbeit im Stall der Pegasi beendet hatte, trat Layan an ihn heran, als er gerade Forke und Schaufel reinigte, um sie für heute in die Gerätekammer zu stellen. „Synnover!“, sprach ihn Lari’s Bruder an und seine tiefsonore Stimme hatte etwas beruhigendes. Dabei sahen ihn die grauen Augen abwartend an, bis die Aufmerksamkeit reichte, um weiterzusprechen. „Hast du einen Moment länger Zeit, heute?“, fragte Layan ihn und deutete mit dem Daumen hinter sich. Offenbar brauchte der Himmelsreiter seine Hilfe. „Ich habe Turok gesattelt, aber er steht einfach nicht still“, berichtete der Hymlianer und Synnover wusste, dass Turok einer der Pegasus-Hengste war. Er war wild und ungestüm, brauchte noch viel Unterricht, bis er einsetzbar wäre. Aber Layan arbeitete immer nach dem Beenden der täglichen Aufgaben daran, Turok auszubilden. Nun brauchte er offenbar Synnover dabei. „Die anderen sind schon nach Hause gegangen. Ich hatte gehofft, dass du noch einen Moment deiner Zeit erübrigen könntest.“, sagte er bittend und überließ es aber Synnover selbst, ob er helfen würde. Er wusste inzwischen, dass es in Ordnung war, sich zu entscheiden. Die Frage war nur, wo hörte Selbstbestimmung auf und fing Unhöflichkeit an? Wollte er Layan nun vor den Kopf stoßen? Oder kannte er bereits die feinen Nuancen zwischen Sklaventum und Hilfsbereitschaft? Layan ging zumindest davon aus, dass Synnover ihm half und schritt durch die Stallgasse hinaus auf den Paddock, wo die Tiere manchmal standen. Turok stand gesattelt da und buckelte ungeduldig. Ihm passte es nicht, aufgezäumt herumzustehen und zum Warten verdammt zu sein. „Würdest du ihn festhalten, bitte?“, rief Layan und ging weiter, ohne dann doch auf seine Antwort zu warten. Vielleicht wollte der Himmelsreiter eigentlich etwas ganz anderes? Wollte er vielleicht nur den richtigen Moment abpassen, um mit Synnover zu reden? Was könnte er wohl wollen?
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Freitag 27. September 2024, 00:33

Irgendein Barde sang einst, dass die Freiheit über den Wolken grenzenlos sein musste. Er hatte Recht. Synnover durfte dies in den letzten acht Wochen durchaus erkennen. Er lernte, was Freiheit wirklich bedeutete. Nach wie vor hatte er Pflichten, aber diese waren freiwillig aufgenommen worden, um seinen Teil am Leben in Hymlia beizutragen. Dafür besaß er die Freiheit, lernen zu dürfen und das auf so vielfältige Weise, dass ihm manches Mal richtig der Kopf rauchte. Trotzdem ließ er keine seiner Lektionen fallen, biss sich durch oder musste hin und wieder auch einen Rüffel kassieren. Doch keine Bemerkung seitens Professor Filius, weil er im Unterricht wieder eingeschlafen war oder verträumt in die Weite des Himmels starrte, ließ sich mit den Strafen am Boden vergleichen. Syn nahm es hin und versuchte, weiterzumachen, sich noch mehr anzustrengen. Er hatte ein Ziel vor Augen, auch wenn seine Gedanken gelegentlich abschweiften. Aber auch das durfte sein. Er durfte sein. Er war frei.
Lariana entpuppte sich hierbei nicht nur als beständiger Anker, um sich im Treiben der Geschehnisse festzuhalten. Sie war mit ihrer geduldigen, behutsamen Art für Synnover mehr Wegweiser als es Zarrah je hätte sein können. Sie deutete ihm den Pfad auf eine Art, bei der keine Strafe drohte, sondern die er genießen konnte. Sie entdeckte gar mit ihm zusammen und heilte Wunden seiner Seele. Synnover bedauerte, dass er es ihr nicht mit Liebe zurückzahlen konnte, aber er ging ehrlich mit ihr um. Er teilte es ihr mit, wollte sich dennoch bemühen, ihr diesen Mangel an Emotion nicht aufzuladen. Sie sollte nichts bemerken und sie schien sich sogar damit zufrieden zu geben. Beide genossen ein aufrichtiges Miteinander, dem trotz einseitiger Liebe nichts fehlte. Fast nichts, denn hin und wieder nahm auch Lariana sich ihre Freiheiten heraus. Dann holte sie Synnover abends nicht zu sich in ihr Zimmer, nicht in ihr Bett, sondern schlief allein. Und auch er durfte allein schlafen. Inzwischen besaß er seine eigenen vier Wände im Haus der Hymlianerin, die er nach eigenen Wünschen gestalten und in die er sich zurückziehen konnte. Das tat er, wenn Lari ihn darum bat. Tatsächlich aber waren dies die dunkelsten Stunden im Reich über den Wolken.
Synnover lernte viel, aber auch nach acht Wochen gelang es ihm nicht, nachts allein zu sein. Jedenfalls nicht, um erholsamen Schlaf zu erlangen. Wenn er in den weichen Laken seines Bettes lag, schnappte er sich zu Beginn noch eines der großen Kissen, klemmte es sich unter den Arm und an die Beine, aber es fühlte sich nun einmal nicht wie ein anderer Körper an, der an seiner Seite ruhte. In Nächten, die Lariana allein verbringen wollte, tat Synnover kein Auge zu. Hierüber schwieg er jedoch, wollte seiner Partnerin auch ihre Freiheit gönnen, so wie sie ihm die seine zugestand. In diesen Nächten suchte Synnover sich Beschäftigung. Meistens öffnete er eines der raumgroßen Fenster, ließ die kalte Nachtluft ein und beobachtete die Sterne am weiten Himmel. Dann sehnte er sich nach der Wärme eines Körpers, der ihn umfing. Dann erinnerte er sich hin und wieder auch an Zarrah, aber wenn das geschah, schmerzte sein Herz. So suchte er sich auch hiervon Ablenkung.
In der ersten Zeit machte er heimliche Spaziergänge durch das nächtliche Hymlia. Er wanderte wie ein Geist zwischen den Häusern entlang, ohne Ziel, aber auch ohne Gedanken. Er vertrieb sich die Zeit, bis die Dämmerung einen neuen Tag ankündigte. Einmal war es vorgekommen, dass seine Füße ihn bis vor Galinas Haus führten, wo er Stunden vor ihrer Tür stand und das Holz musterte. Er wagte nicht zu klopfen, sondern wandte sich irgendwann wieder ab und kehrte nach Hause zurück. Hätte Galina in dieser Nacht geöffnet, hätte vieles umstürzen können. Synnover war noch nicht soweit, allein zu schlafen. Aber er kämpfte, um seine Beziehung mit Lariana nicht zu gefährden. Er mied fortan sogar den Bezirk, in dem Galina wohnte bei seinen nächtlichen Wanderungen. Dennoch war sie ausschlaggebend für eine Alternative. Synnover nutzte die schlaflosen Nächte, um weiterhin den Fächerkampf zu trainieren. Er wiederholte die choreographischen Angriffs- und Verteidigungsbewegungen. Er tanzte langsam seine Kür, mit der er inzwischen eher den Wind auf magische Weise leitete als mit den Spitzen der Fächer wirklich anzugreifen. Das war es, was ihm lag und womit er in einer gefährlichen Situation wohl den größten Erfolg hätte - vorausgesetzt, der Wind spielte mit.
Das einstige weiße Kaninchen lernte, sich anzupassen, um zu überleben. Es lernte, sich auch an die Freiheit anzupassen. Es lernte, dass es nicht nur noch um's Überleben ging, sondern auch darum, das Leben zu genießen. Und es gelang. Mit dem Verstreichen der Tage vergaß Synnover nach und nach all die Jahre, die sein Leben bestimmt hatten. Sie wichen neuen Erfahrungen. Sie wichen seelischer Heilung. Er entdeckte sich selbst, doch gänzlich verlor er seine Vergangenheit nicht aus den Augen. Bei jeder Aufgabe, die er erfüllte, erinnerte er sich auch stets selbst daran, wofür er sie tat. Natürlich für sich und weil er Interesse zeigte, aber ein winziger Funke in seinem Inneren ließ ihn sein Leben am Boden nicht loslassen. Er konnte noch nicht loslassen. Es war noch nicht erledigt, aber er musste bereit sein. So hängte er sich mehr und mehr in seine Pflichten hinein, auch jene, die sich um die Pegasi drehten. Nach wie vor hatte er keinen davon fliegen dürfen und an eine Karriere als Himmelsreiter war noch nicht zu denken. Larianas Bruder beaufsichtigte weiterhin seine Tätigkeiten als Stallausmister, denen er so gewissenhaft nachging wie es sein unsteter Geist zuließ. Er gewann an Routine und der Geruch von himmlischem Pferdemist störte ihn alsbald auch nicht mehr. Doch dann kam ein Tag, an dem sich etwas ändern sollte.

Die Ställe waren ausgemistet. Die Pegasi hatten frisches Futter erhalten und jene, die in ihren Boxen standen, waren gestriegelt. Ihre Mähnen schimmerten von seidigem Glanz. Bei Syn glänzte nur die Stirn, an der Strähnen seines weißen Haares verschwitzt klebten. Er atmete tief durch. Heute war die Arbeit besonders anstrengend gewesen, ohne dass er einen Grund dafür hätte nennen können. Wenn er heim käme, würde er sich zunächst einmal ein heißes Bad gönnen und dann versuchen, es sich mit Lariana gemütlich zu machen. Er genoss es, die Abende Arm in Arm ausklingen zu lassen. Große Worte waren dafür überhaupt nicht notwendig. Seinem Glück standen nur noch eine schmutzig Forke und Schaufel im Weg ... und Layan, dessen Stimme plötzlich den Raum erfüllte und die nach ihm rief. Syn hatte sich inzwischen an seinen eigentlichen Namen mehr als gewöhnt. Es tat gut, dass andere ihn benutzten. Es tat gut, ihn laut zu hören und nicht immer nur in seinem Geiste, denn im Haus der Nachtklingen hatte er nicht einmal gewagt, ihn zu wispern. Er hatte dieses eine Eigentum nie aufgeben wollen. Jetzt war er froh darum, es der Welt gegeben zu haben, auf dass sie es nutzte.
Syn wandte sich mit fragendem Blick Layan zu. "Hast du einen Moment länger Zeit heute?"
"Wenn du mich in der Zeit stinkend erträgst", erwiderte er mit kaschiert guter Laune. Denn insgeheim sehnte er sich eigentlich sehr nach dem Bad, aber Synnover wusste, dass er bei Larianas Bruder lieber einen ehrgeizigen Eindruck hinterließ. Das würde ihn näher an sein Ziel heranbringen, eines Tages als Himmelsreiter einen der Pegasi zu fliegen. Er musste sich durchbeißen. Baden konnte er im Anschluss noch! Layan hatte seinen Konter bereits als Zustimmung angesehen und bewegte sich aus dem Stall hinaus. Dabei deutete er mit dem Daumen schon zur Box, die für Turok bestimmt war. Der Pegasus stand nicht darin, musste sich folgich entweder in der weitläufigen Koppel, dem Paddock oder im Flug befinden. Da Layan aber erklärte, dass er ihn satteln wollte, konnte Letzteres schon einmal nicht zutreffen. "Ich helfe dir", bot Synnover aus freien Stücken an. Ob es wirklich sein Wille war, anderen zu helfen oder weil er nach wie vor glaubte, dass es ihm die meisten Vorteile einbrächte, war immer noch eine Grauzone in seinem Denken. Hätte man ihn darauf angesprochen, hätte er es selbst nicht eindeutig beantworten können. Vermutlich traf beides zu. Mit der Zeit sollte sich aber hoffentlich die Hilfsbereitschaft durchsetzen ... oder eben nicht. Dann wäre er jemand, auf den man sich in der Not nicht unbedingt verlassen könnte, das aber mit Sicherheit!
Syn folgte dem Hymlianer hinaus in den umzäunten Bereich zwischen Stallung und Koppel. Turok stand dort bereits. Den Sattel trug er auch schon, nur wirkte das Tier nicht gerade bester Laune. Dass man ihm den Sattel aufgelegt hatte, gefiel ihm sichtlich wenig. Er buckelte und spannte immer wieder die kraftvollen Muskeln an, als könnte er das Leder so von seinem Rücken schütteln.
Der Anblick ließ Syn erstarren. Die meisten Pegasi, um die er sich bisweilen hatte ein wenig kümmern dürfen, waren nicht wie Turok. Sie wirkten im Vergleich zu ihm geradezu zahm, vor allem aber nicht so störrisch. Sie waren wie ... Wie ich, stelle Synnover mit wachsendem Entsetzen fest. Turok aber zeigte immer noch ein Feuer. Er wollte sich nicht unterkriegen lassen, aber anstelle es heimlich zu tun, rebellierte er offen. Es fehlte nur noch, dass er nach Layan oder einem anderen Hymlianer biss. Er hatte sich nicht gefügt mit falschen Versprechen, Geschenken oder einer Form von Zuneigung, von der er wusste, dass ihre Bedeutung so leer war wie sein Herz ... und doch mehr als er zu hoffen wagte.
Ein Schaudern ergriff Synnover und er zuckte einen Herzschlag früher zusammen, als dass man es Layans Ruf hätte zuschreiben können. Mit geweiteten Augen richtete er den Blick auf den stämmigen Hymlianer. "Würdest du ihn festhalten, bitte?", fragte dieser. Syn nickte mechanisch und ehe sein Denken wieder einsetzen konnte, fand er sich vor Turok. Er reckte seine Hände zum Geschirr, um den breiten Kopf des Tieres unter Kontrolle und dessen Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Er tauschte einen Blick mit dem Hengst. Er war wesentlich größer als Synnover und könnte ihn vermutlich zertrampeln, würde dieser nicht rechtzeitig ausweichen. Und Syn war davon überzeugt, dass Turok bereit wäre, über diese Leiche zu gehen. Denn er wollte...
"Er will frei sein und sich nicht von dir unterwerfen lassen. Wenn du ihn brichst, verlierst du ... all das hier." Syn schaute nicht Layan an, sondern Turok. Er fühlte etwas in Bezug auf den Pegasus, das er nur selten für andere übrig hatte. Er bewunderte ihn. Das Tier kämpfte - offen und ungebändigt. Es ließ sich nicht unterkriegen und zeigte sein Missfallen. Obwohl Sattel und Zügel es einschränkten, so wirkte es doch auf Synnover für den Moment freier als er zu seiner Zeit bei den Orks oder Dunkelelfen. Kurz fragte er sich, ob er unter Karrish und Yolintha so hätte auftreten können wie Turok. Ob er als kleiner Bengel sich Sodth und den anderen Orks so hätte widersetzen können. Ob er den Mut aufgebracht hatte. Nein, die hätten mich getötet. Allesamt. Er löste seinen Blick von dem Pegasus, um ihn auf Layan zu richten. Dann lächelte er schmal, schüttelte den Kopf. Nein. Weder Layan noch irgendein anderer Hymlianer würde eines ihrer Tiere töten, weil es sich widersetzte. Es besaß Freiheit und dass man Turok sattelte, bedeutete nicht, dass man sie ihm nahm.
Syn umfasste das Leder des Zaumzeugs etwas fester, ruckte gar ein wenig daran. Er konnte den heißen Atem des Tieres auf seiner Haut spüren, als Turok die Nüstern blähte. Fest schaute er ihn an. Unwillkürlich musste er an Zarrah denken. Sie hatte Regeln aufgestellt - für ihn, Razag und Crystin. Keine davon sollte einen ihrer Gruppe drangsalieren. Zarrahs Regeln waren wichtig gewesen, um gemeinsam zu agieren. Nur so hatten sie überhaupt so weit weg von Morgeria gelangen und auch dessen Häscher überwinden können. Sie hatte keinem von ihnen etwas genommen, indem sie ihre Freiheit mit Regeln umzäumte. Im Gegenteil! Sie hatte Synnovers Namen genommen und jetzt konnte er ihn freier nutzen als je zuvor.
"Er will dir nichts Böses. Er setzt ein paar Grenzen, die eingehalten werden müssen, damit ihr beide fliegen könnt. Er nimmt dir jetzt etwas, damit ihr es gemeinsam später genießen könnt", erklärte er Turok, während er sich leicht gegen seinen riesigen Kopf lehnte.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Samstag 28. September 2024, 18:43

Das Leben war nicht immer leicht zu händeln und auch Synnover würde noch die eine oder andere Hürde nehmen müssen. Zweifelsohne aber hatte er bereits vieles gelernt, was andere ganz nebenbei erfuhren. Der einstige Sklave aber musste sich stets ein Bisschen mehr bemühen, denn im Grunde hätte er vieles bereits verinnerlichen sollen, wäre er nicht den Orks vor die Füße gefallen. Er wäre zu einem ganz anderen geworden, vielleicht manierlich, höflich und nicht so zerbrochen vom Leben. Aber Synnover durfte spüren, dass es nicht endgültig war, was er erlebte. Es war nicht das, was ihn ausmachen musste, denn er hatte es selbst in der Hand, wenn die Umgebung stimmte. Und so entschied er sich bereits für das Richtige, indem er Lariana reinen Wein einschenkte und sie auch nicht mit Galina hinterging. Es kostete Mühe, weil er es so gelernt hatte, aber es fand bereits ein Umdenken statt. Und das war sicherlich als Positiv zu bewerten. Dass er es nicht ertrug allein zu schlafen, war einfach einer Gewohnheit geschuldet, die er sich gegriffen hatte, um die Zeit als Sklave halbwegs zu überstehen. Nun fiel es ihm schwer, diese zu unterlassen oder nicht negativ zu bewerten, aber auch das gelang immer mal besser und dann wieder schlechter. Was ihn allerdings ganz und gar nicht kalt ließ, war die Tatsache, dass etwas eingesperrt wurde, das eigentlich frei sein wollte. So war Turok überhaupt für Syn interessant gewesen und nun durfte er erleben, wie ungezähmt das Tier wirklich war. Sobald sich Layan mit Synnover näherte, da tänzelte das geflügelte Pferd und wackelte mit dem Kopf. Es blähte die Nüstern, drehte die Ohren. Er war wirklich noch jung und doch wagte das Tier nicht, nach Layan zu schnappen.
Der Himmelsreiter blieb die Ruhe selbst und gab Synnover Anweisungen, den Kopf festzuhalten. Syn aber war wie gebannt von dem Tier. "Er will frei sein und sich nicht von dir unterwerfen lassen. Wenn du ihn brichst, verlierst du ... all das hier.", erwähnte er und Layan musterte Synnover einen Moment, als wisse er nicht, ob er darauf antworten sollte. Er wusste schließlich, dass der Pegasus sein Naturell behalten wollte. Und auch Layan wollte das. Synnover erkannte Parallelen zu sich selbst, was die Verbindung, die er fühlte, nur deutlicher machte. Er sah sich, eingesperrt in einen Käfig und unter Schloss und Riegel gehalten, damit er niemals seine Flügel ausbreiten und fliegen lernen konnte… Aber inzwischen erkannte er auch, dass es manchmal nötig war, Regeln zu formulieren. "Er will dir nichts Böses. Er setzt ein paar Grenzen, die eingehalten werden müssen, damit ihr beide fliegen könnt. Er nimmt dir jetzt etwas, damit ihr es gemeinsam später genießen könnt", wusste er dem Tier mitzuteilen, während Layan die beiden beobachtete. Turok schnaubte aufgeregt und ruckte öfter mit dem Kopf, damit Syn ihn losließ, aber schließlich wurde das Tier etwas ruhiger. Synnover konnte fühlen, dass die Anspannung etwas aus dem muskulösen Körper wich und er deutlich entspannter wurde. Immer wieder schnaubte er ihm den Atem ins Gesicht. „Du scheinst ihn zu verstehen“, bemerkte Layan schließlich nach einer kleinen Weile und kam ebenfalls an den Kopf. Der Himmelsreiter wirkte stets etwas erhaben und imposant, aber er war nur einen halben Kopf größer als Synnover selbst. Er musterte den Kopf des Pferdes und hob langsam die Hand, um ihm über die Blesse zu streicheln. Turok senkte ein wenig den Kopf. „Wenn sie den Kopf senken, dann unterwerfen sie sich“, erklärte Layan und forderte den Neu-Hymlianer dazu auf, es ihm gleichzutun.

Layan ließ Synnover dabei jedoch in seinem Rücken und prüfte nicht, ob Turok ebenfalls den Kopf senkte oder nicht. Er holte eine Fliegenhaube vom Gatter der Umzäunung und kehrte schließlich zu Synnover zurück. Turok blieb an Ort und Stelle, auch wenn er immer mal wieder die Ohren drehte. Er blieb wachsam, wenn auch nicht mehr so ablehnend. „Pegasi sind Fluchttiere. Turok strotzt nur so vor Kraft und Willen und das soll er auch behalten. Aber es kann gefährlich sein, wenn er nicht ruhiger wird. Deshalb setzen wir den Jungtieren diese Hauben auf, damit sie eine eingeschränktere Sicht haben und lernen, sich nicht vor allem zu erschrecken.“, erklärte Layan weiter und noch immer besaß er eine ausnehmend sonore und beruhigende Stimme. „Setze ihm die Haube auf, Synnover“, hielt er ihm die Haube hin und wartete, bis der andere es in die Tat umsetzte. Das Prinzip war einfach, denn die Haube wies zwei Aushöhlungen für die Ohren auf und der Rest erklärte sich von selbst. Am Ende wurde die Haube mit Klett befestigt. Allein das würde Turok helfen, dass er sich weiter merklich entspannte. Dann musterte Layan jedoch Synnover genau. „Lariana erzählte mir, dass du dich für die Ausbildung zum Himmelsreiter interessierst?“, begann er das Gespräch und musterte Syn weiterhin seelenruhig, während Turok den Kopf senkte und sich mehr um das Gras zu seinen Hufen kümmerte. Synnover schien beruhigend auf den Hengst zu wirken, denn er blieb in dessen Nähe, was Layan stumm registrierte. „Die Ausbildung wird vieles abverlangen. Du wirst trainieren müssen, unsere Gesetze und unsere Gebräuche lernen müssen. Du wirst eine Akademie durchlaufen müssen und eine Prüfung absolvieren am Ende. Danach wird man dir einen Pegasus anvertrauen, der fortan unter deiner Obhut stünde. Viel Verantwortung. Ich habe aber die letzten Tage gesehen, dass du gewissenhaft sein kannst. Die Frage ist, ob du das Training auch durchhältst. Lariana versicherte mir, dass du dafür geeignet wärst, Teil der Himmelsreiter zu werden. Es wären 10 Monate Ausbildungszeit, bis zur Prüfung.“
Er schwieg einen Moment und beobachtete Synnover’s Reaktionen. Dann aber seufzte er auf und blickte zu Turok. „Warte mit einer Antwort, Synnover…“, hielt er ihn auf, falls er Anstalten machte, etwas dazu zu sagen. „Zuvor muss ich dir etwas sagen, was dir die Entscheidung vielleicht vereinfachen würde…“, setzte er an und hob den Blick. „Bei meinem letzten Rundflug vor 2 Tagen durchbrach ich die Wolkendecke und ließ Falkaun, meinen Pegasus, ein wenig das Meer spüren. Er liebt es die Hufen im Flug durch das Wasser zu ziehen. Als ich wieder zurückwollte, da fiel mein Blick auf etwas im Wasser. Es waren schließlich Trümmerteile von einem Schiff, die sich über die Oberfläche verteilten. Ich drehte einige Runden über sie hinweg, auf der Suche nach Überlebenden. Ich fand niemanden, nicht eine Seele ob tot oder lebendig… Aber ich fand das hier“, zog er ein Stück Holz aus seiner Manteltasche und hielt sie Synnover hin. Er erkannte deutlich den silbernen Pfeil, nun, zumindest Reste davon. Es war die Befiederung des Pfeils, der den Namen am Bug des Schiffes unterstrichen hatte. Die ‚Silberpfeil‘… Das Schiff von Erin, Amos, Sprotte und all den anderen… Es war also gekentert? Oder versenkt? Layan gab Syn einen Moment. Einen Moment, in dem er Zeit hätte, sich das Stück Treibgut anzusehen. Sobald er es etwas drehen würde, würde er jedoch auf der Rückseite etwas erkennen können, was nicht dorthin gehörte... Eine stilistisch eingeritzte Rose, die sich um einen Dolch rankte. Was hatte das zu bedeuten? Hoffnung? Abschied? Was nur?! „Ich konnte nicht erkennen, was passiert war. Vielleicht in Unwetter? Ich weiß es nicht… Auch nicht, was aus deinen Freunden wurde. Ich habe keinen von ihnen gesehen. Aber“, begann er und legte Synnover eine Hand auf die Schulter, „Wenn du es willst, hast du hier ein zu Hause. Und wenn du es wirklich willst, dann kommst du zur Aufnahmeprüfung um die Ausbildung der Himmelsreiter.“, bot er an und es war seine Art ihm Zuspruch zu geben. Er konnte nicht wissen, was es mit Synnover machte, nur noch ein winziges Stück Holz des Schiffes in den Händen zu halten, das ihn in die Freiheit und schlussendlich auch hierhergebracht hatte. Was war aus seinen Freunden geworden? Und… wenn sie nicht mehr waren… was sprach dagegen, sich den Himmelsreitern anzuschließen?
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Sonntag 29. September 2024, 14:20

Auch wenn sie nicht persönlich hier war, so hatte Zarrah'lindae von den Nachtklingen durchaus ihre Spuren bei Synnover hinterlassen. Nicht nur, dass er die Erkenntnis, welche er selbst hatte machen dürfen, nun versuchte, an einen Pegasus weiterzugeben, er wandte auch Zarrah Blick an. Unbewusst vielleicht, doch seine lindgrünen Augen hafteten mit Entschlossenheit auf dem Tier, ohne es dadurch einschüchtern zu wollen. So vermittelte Syn die nötige Ruhe, bis sie auch auf Turok überging. Der Pegasus zappelte weniger und versuchte nun auch nicht mehr, seinen Kopf von den Händen des heimgefundenen Hymlianers zu lösen. Denn Synnover wusste, dass Turok nicht eingesperrt sein sollte. Sie waren sich ähnlich, nur dass das Tier auf rebellische Art der Außenwelt klar machte, dass es frei sein wollte. Syn hatte diesen Wunsch stets nur für sich gehegt, bis er so klein geworden war, dass er sich so tief in seinem Herzen versteckte, dass nicht einmal er ihn noch verspürte ... bis jemand die Tür zu seinem Käfig öffnete und ihn in die Welt stieß. Zarrah war es nicht gerade sanft angegangen, doch nur durch ihr Handeln hatte er den Punkt erreicht, an dem er jetzt stand. Synnover wollte für Turok ein ähnliches Vorbild sein, auch wenn er es ganz instinktiv so sah.
"Du scheinst ihn zu verstehen", merkte Layan schließlich an, der die ganze Situation aufmerksam beobachtet hatte. Synnover spähte nur aus dem Augenwinkel zu ihm herüber, ohne Turoks Zaumzeug loszulassen. "Ja", erwiderte er knapp. Hier zeigte sich nun einmal, dass er nicht jedem vertraute und auch nicht jedem seine Lebensgeschichte offenlegte. Auch nach acht Wochen nicht. Dieses Privileg musste man sich verdienen, so wie Lariana es getan hatte und selbst sie kannte die Einzelheiten nicht. Synnovers Augen wanderten über Turoks Kopfform hinweg. Auch er hatte es sich soeben verdient. Plötzlich senkte das Tier seinen breiten Schädel. Layan strich dem Tier über die Blesse.
"Wenn sie den Kopf senken, dann unterwerfen sie sich", erklärte er.
"Weiß ich", entgegnete Synnover, ohne eine Ahnung von der Pferde- oder Pegasushaltung zu haben. Aber wie oft hatte auch er seinen Kopf senken müssen, wenn die Herrschaften anwesend waren? Man durfte ihnen nicht in die Augen schauen, solange sie den Sklaven nicht dazu aufforderten. Denn es bedeutete, sein Eigentum mit sich selbst auf eine Ebene zu setzen. Zarrah hat mich immer direkt angesehen, huschte ein scheuer Gedanke durch seinen Geist. Er schwand sofort wieder, als Layan Synnover aufforderte, Turok ebenfalls mit seiner Handbewegung zu unterwerfen. Der Neu-Hymlianer zögerte. Sein Glück war es, dass Larianas Bruder ihm alsbald im Vertrauen den Rücken zuwandte. Syn berührte zwar die Blesse des Pegasus, zog Turoks Kopf anschließend aber am Zaumzeug empor und schaute ihn wieder direkt an. Wir sind gleich, sagte sein eigener Blick. Über seine Lippen drang nicht ein verräterisches Wort, aber soeben hatte Layan einen Teil von Synnovers Gunst verloren. Er mochte mit Morgerias Bewohnern nicht vergleichbar sein, aber Turok war für ihn doch auch nichts weiter als ... Eigentum. Ein Ding. Etwas, das man nur bedingt die Freiheit kosten ließ. Jene, die man in den eigenen, persönlichen, viel zu kleinen Rahmen packte und Turok würde ihm auch noch dankbar dafür sein! Ein düsterer Blick richtete sich auf Layans Hinterkopf. Nun war es Synnover, der angespannt da stand. Aber nicht für lange, denn der große Bruder seiner Beziehung widmete sich wieder dem Gespräch. Turok erhielt eine seltsame Haube, die Syn ihm überstreifen sollte. Ihm missfiel dies, er folgte der Anweisung aber. Hier war er auf Seite des Pegasus und wollte ihm keinen Ärger bereiten, irgendwie.
"Pegasi sind Fluchttiere. Turok strotzt nur so vor Kraft und Willen und das soll er auch behalten. Aber es kann gefährlich sein, wenn er nicht ruhiger wird. Deshalb setzen wir den Jungtieren diese Hauben auf, damit sie eine eingeschränktere Sicht haben und lernen, sich nicht vor allem zu erschecken."
"Ich bezweifle, dass er Angst hat", murmelte Synnover. Dann ging er in sich. Die weite Welt zu sehen war nicht, was ihm Unbehagen bereitet hatte. Sie war groß, faszinierend und bot ihm Dinge, die er nie zuvor hatte sehen dürfen. Es war überwältigend, aber brachte ihn nicht zum schlottern. Was er gefürchtet hatte, als er zum ersten Mal die weite Freiheit sah, war ... Was Karrish und Yolintha sagen würden, wüssten sie davon. Und wie sich mich für dieses Verbrechen strafen würden. Er schauderte sogar jetzt, weil allein die Vorstellung ihm eine Gänsehaut bescherte. Gewiss, seine Strafen fielen weitaus weniger physisch aus als die anderer Sklaven. Weniger ... schmerzhaft. Denn gegenüber Yolintha war jede einzelne Wiedergutmachung körperlicher Natur. Für Karrish war er in die Arena gegangen und hatte auf Leben und Tod gekämpft. Es war nicht so schlimm wie körperliche Züchtigung bei anderen Sklaven ... jedenfalls aus Synnovers Sichtweise. Denn immerhin hatte er auch schöne Kleidung und einen Teil an Luxus erhalten. Noch immer entschuldigte er den Umgang der Nachtklingen gegenüber sich selbst. Obwohl er sehr gut wusste, was sie ihm angetan hatten, verteidigte er sie weiterhin.
Layan riss ihn aus seinen düsteren Gedanken. "Lariana erzählte mir, dass du dich für die Ausbildung zum Himmelsreiter interessierst?" Synnover schaute auf. "Eigentlich will ich nur fliegen", gestand er mit einem schiefen Lächeln. "Aber das können nur die Himmelsreiter tun, nicht wahr?"
Layan warnte ihn. Er klärte ihn über die Ausbildung zum Himmelsreiter auf und was sie ihm abverlangen würde. Hartes Training, das Erlernen von Regeln, Gesetzen und Bräuchen. Beides war nichts, was er nicht bestehen würde. Beides hatte er in Morgeria schon getan. Wer sich dort nicht anpasste, starb. Die Andeutung, dass Synnover allerdings eine Akademie besuchen und eine Prüfung würde ablegen müssen, überraschte ihn. Er gewöhnte sich ohnehin noch immer daran, mit Lariana und anderen Studenten bereits an einer Akademie für Luftmagie zu studieren - einfach so! Unter den Augen von Professor Filius, zusammen mit anderen Lernbegierigen. Er musste Unterrichtsstunden besuchen, theoretische und praktische Übungen mitmachen, Hausaufgaben erledigen und in seiner Freizeit sogar hin und wieder an das Lehrinstitut gehen, um Wissen nachzuschlagen. Karrish hätte ihm das nie erlaubt. Lesen und schreiben - auf Celcianisch ausschließlich! - war ihm erlaubt worden. Und nun ging er auf eine Akademie, die ihm so viel mehr Wissen vermittelte. Mehr noch, er sollte auf zwei Akademien lernen?
"Lariana versicherte mir, dass du dafür geeignet wärst, Teil der Himmelsreiter zu werden." Lariana liebt mich auch - sagt sie. Sie würde mich in kein schlechtes Licht rücken. Auf ihren Zuspruch darfst du nicht vertrauen. "Es wären 10 Monate, bis zur Prüfung."
Synnover entgleisten die Gesichtszüge. Selbst, wenn er sich auf eine seiner vielen Masken der Vergangenheit konzentriert hätte und all seine Selbstbeherrschung zusammengenommen hätte, wäre eine unnahbare Fassade jetzt in sich zusammengestürzt. Er starrte Layan an. "Zehn...?!", brachte er hervor. "W-wie lange bin ich denn schon hier?" Er hatte dieses Zeitgefühl nicht. Er hatte stets von einem Tag zum nächsten gelebt. Erkennbare, wiederkehrende Ereignisse in seinem Leben eixstierten nicht. Es gab keine Geburtstage oder andere Festivitäten, die ihn oder sein direktes Umfeld dermaßen betrafen, dass er daran den Fluss der Zeit hätte ausmachen können wie andere es taten. Es war Aufstehen, Alltagsroutine, Training oder Kämpfe in der Arena, abendliche Zeit in Karrishs Räumlichkeiten verbringen und die Nacht bei Yolintha. Hin und wieder gab es Feierlichkeiten mit Gästen, zu denen er dann geschickt wurde, aber sie besaßen kein rhythmisches Schema, um daraus einen Kalender zu erstellen. Nein, Syn hatte nicht einmal bemerkt, dass es nun schon acht Wochen her war, dass er Hymlia betreten hatte. Ihm kam die Zeit auch nicht lang vor. Er hatte mit vielleicht einer Woche gerechnete, hätte man ihn gefragt. Aber zehn Monate ... klang nach sehr viel Zeit. So lange würden Zarrah, Razag, Crystin und die Silberpfeil kaum auf ihn warten. Sie würden Rumdett verlassen und wie sollte er sie dann finden? Er würde ohnehin noch herausfinden müssen, wo dieses Rumdett läge und wie er dorthin gelänge.
Layan musste ihm seine Nachdenklichkeit von der Nasenspitze abgelesen haben, denn er beschwichtigte Synnover sofort, noch ehe dieser wirklich auf die Information der Ausbildungszeit hatte reagieren können. Er bat ihn zu warten und irgendwie klang es ob seines Seufzens bedrückt. Das brachte Layan mehr Aufmerksamkeit ein als es irgendeine rationale Erklärung getan hätte. Aber die kam auch nicht. Der Hymlianer holte etwas Anderes hervor und dies sollte jegliche Planung Synnovers grundlegend verändern.
"Was ist das?", fragte der Weißschopf, als Layan ihm ein Stück Holz in die Hände drückte. Es stammte nicht von einem Tischler, so viel konnte selbst ein Laie erkennen. Dazu wirkte es zu wenig verarbeitet, auch wenn es kein natürlich gewachsenes Stück mehr war. Aber die Ränder wirkten gesplittert und rau. Es roch salzig ... wie das Meer.
"Bei meinem letzten Rundflug vor zwei Tagen durchbrach ich die Wolkendecke und ließ Falkaun, meinen Pegasus, ein wenig das Meer spüren. Er liebt es, die Hufe im Flug durch das Wasser zu ziehen. Als ich wieder zurück wollte, da fiel mein Blick auf etwas im Wasser."
"Was hat das mit mir zu tun?", versuchte Syn noch abzuwiegeln, obwohl ihm die bittere Wahrheit wie schleichendes Gift durch die Blutbahn kroch, bis hinauf zu seinem Herzen, um es bei vollem Einschlag der folgenden Worte gefrieren zu lassen. "Es waren schließlich Trümmerteile von einem Schiff, die sich über die Oberfläche verteilten. Ich drehte einige Runden über sie hinweg, auf der Suche nach Überlebenden. Ich fand niemanden, nicht eine Seele, ob tot oder lebendig... Aber ich fand das hier." Layan deutete auf das Stück Holz, ehe er es Synnover reichte. Jener ergriff es noch nicht mal, schon erkannte er das Symbol. Der gefiederte Silberpfeil, der dem Schiff seinen Namen gegeben hatte. Syn versteifte sich. Vorsichtig drehte er das Holz in Händen, erkannte auf der Rückseite die eingeritzte Rose, die einen Dolch umschlang. Beinahe hätte er das Treibgut fallen lassen. Seine Finger zuckten. Zugleich aber verkrampften sie sich derart um das Holz, dass es ihm nicht entgleiten konnte. Sein gesamter Körper spannte sich an. Dass er leichenblass geworden war, konnte man anhand seiner ohnehin schon hellen Haut kaum erkennen.
Layans Worte flogen nur so an ihm vorbei. Er nahm sie kaum auf und doch hörte er jedes einzelne davon, als würde es sich wie ein Nagel in sein Herz hämmern. "Ich konnte nicht erkennen, was passiert war. Vielleicht ein Unwetter?" Ja ... ein Unwetter, in dem ich nach Hymlia bin, anstatt mit anzupacken. Oder sie zu beschützen, wie ich es beteuert habe. "Ich weiß es nicht ... Auch nicht, was aus deinen Freunden wurde. Ich habe keinen von ihnen gesehen." Razag. Crystin. Erin, Amos ... Sprotte... "Aber..." Ich hätte sie alle nicht retten können. Keinen von ihnen. Aber sie hätte ich mitnehmen können. Mitnehmen sollen! Sie hat mich gebeten, nicht allein zu gehen. Ich hab sie zurückgelassen...
Etwas Schweres landete auf Synnovers Schulter, umschloss Haut, Muskeln und Knochen. Das Gewicht des Aufpralls allein reichte aus, dass er das Holz nun doch fallen ließ. Es wirkte, als brach es aus seinen Händen heraus. Und es klang entsetzlich laut, als es auf dem Boden des Paddock aufkam. Syn glaubte, den Schmerz des Holzes beim Aufschlag zu spüren. Alles in ihm schmerzte, aber es ging von seiner Brust aus. Er wagte nicht, die Hand auf sein Herz zu legen. Er wagte nicht, sich in Gegenwart anderer seinen Gefühlen hinzugeben. Weil er es getan und eigenmächtig entschieden hatte, hatte er sie zurückgelassen. Und nun ist sie ... sie alle sind...
"Wenn du es willst, hast du hier ein Zuhause. Und wenn du es wirklich willst, dann kommst du zur Aufnahmeprüfung um die Ausbildung der Himmelsreiter."
Synnover starrte auf das Stück Holz am Boden. Er starrte die Blütenblätter der Rose an, die nicht so fein ausgearbeitet waren wie bei seinem Hautbild im Nacken - vermutete er, denn gesehen hatte er es schließlich nie. Trotzdem erkannte er das Symbol, es war eindeutig. Er starrte auf das Zeichen der Nachtklingen, welches so viel bedeuten könnte auf diesem Stück Holz. Ein Abschied. Ein Lebenszeichen. Eine Warnung von Verfolgern, die das Schiff gefunden und Zarrah ihrem Schicksal überführt hatten... Für Synnover zeigte es nur eines: Veränderung inmitten des Chaos. Mit diesem kleinen Stück Treibgut veränderte sich alles. Er würde sich verändern müssen. Anpassen müssen, um zu überleben. Nun, das konnte er gut. Aber auch andere würden die Veränderung hinnehmen müssen.
"Ja", brachte Syn nach einer gefühlten Ewigkeit hervor und es klang mehr nach dem Ausstoßen aller Gefühle über diese Hiobsbotschaft, als nach einer Reaktion auf Layans Angebot. Erst als er aufschaute, den Hymlianer ansah, würde dieser bemerken, dass Syn bewusst gesprochen hatte. Sein Blick war geengt, hart, aber nicht feucht von Tränen oder schwer von Kummer. Er schaute entschlossen drein ... und ein wenig distanziert. "Ich will die Ausbildung antreten. Bevor ich aber zusage, muss ich noch mit Lariana sprechen. Ich muss ihr etwas Wichtiges mitteilen und danach ... frage ich dich erneut, ob das Angebot noch gilt." Oder ob ihr mich vom Rand der Himmelsstadt stoßt.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Montag 30. September 2024, 09:47

In seinem Leben gab es stehts nur die Unterwerfung. Es gab immer jemanden, der ihn besaß oder besitzen wollte. Der seine eigene Unzulänglichkeit an ihn übertrug und schließlich verlangte, dass er mit Handlungen und Worten dafür sorgte, dass es für eine Nacht anders war. Synnover kannte Unterwerfung nur als etwas Negatives, was ihn dazu verleitete, Layan in ein Licht zu rücken, das der Bruder von Lariana nicht verdiente. Er sprach davon, dass Turok sich unterwarf, aber er dominierte ihn dabei nicht. Turok entschied sich dafür, weil er Vertrauen in den Himmelsreiter fasste. Ein Prozess, der Geduld und Pflege benötigte. Wenn Synnover sich erinnerte, dann konnte er feststellen, dass Layan in den letzten Tagen stets noch lange im Stall geblieben war, um sich ganz besonders um Turok zu kümmern. Dabei knallte niemals eine Peitsche oder er wurde laut dem Tier gegenüber. Er saß meist still da, ließ Turok grasen, ihn beschnuppern oder beobachten. Er tat nichts. Und eben jenes Nichts führte dazu, dass das Tier sich schließlich entschied, dem Himmelsreiter Vertrauen zu schenken. Er unterwarf ihn nicht, um ihn zu besitzen. Er lud ihn ein, bei ihm zu leben. Es war ein langer Prozess das zu erkennen und Synnover hatte sehr viele Fortschritte gemacht, sodass er eines Tages auch den Unterschied darin erkennen konnte. Nun aber schockierte ihn etwas ganz anderes, denn er wurde sich bewusst, dass erheblich Zeit verstrichen war. Für ihn hatte sich das kaum so angefühlt und mit dem Fokus auf all die Unterrichte und Abende mit Lari, verflossen die Stunden und Tage. "W-wie lange bin ich denn schon hier?" Layan musterte ihn und lächelte einen Moment ehrlich. „Es sind jetzt neun Wochen, Synnover.“, erklärte er und musterte den jungen Mann stumm. Layan lud auch Synnover ein, bei ihnen zu leben. Er bot ihm an, dass er an der Akademie der Himmelsreiter eine Ausbildung absolvierte und Synnover fand Gefallen an dem Gedanken, auch wenn ihn die lange Zeitspanne abschreckte. Wie sollte er Zarrah und die anderen finden, wenn er so lange fort wäre? Würde man ihn überhaupt noch zurück erwarten? Bevor seine Gedanken sich in eine Richtung bewegen konnten, unterbrach der ältere Bruder Lari’s ihn dabei. Er zeigte ihm ein Stück Holz, das alles verändern sollte. Synnover wehrte sich gegen die aufkommende Dunkelheit und leugnete noch die Wahrheit. Ein normaler Prozess und nicht minder schmerzhaft.
Denn schließlich riss Layan mit seinen Worten die Mauer nieder, die Synnover eilig versuchte aufzubauen. Es war ein Stück der Silberpfeil. Und es war zerbrochen, hässlich an der Kante ausgerissen. Die Enden waren spitz und scharfkantig. Acht Wochen war es her, dass Synnover auf dem Schiff in den Himmel aufgestiegen war. Das Unwetter war heftig gewesen und jetzt musste er die bittere Wahrheit erkennen, dass es offenbar … zu heftig war. Das Schiff konnte der Naturgewalt nicht standhalten. Während er in den Himmel aufstieg und alles und jeden zurückließ, da kämpften seine Freunde ums Überleben. Vergeblich. Layan hatte niemanden von ihnen gefunden. Ob sie in der Weite des Meeres trieben? Ihre Körper leer und ohne Leben? Razag nicht. Der hatte sich wahrscheinlich zu den Aquaden gerettet und Crystin mitgenommen. Amos und Erin waren Seefahrer… das kalte Grab war wohl das schönste, das sie hätten auswählen können. Ebenso, wie die Mannschaft. Doch was war mit Zarrah?

Die Dunkelelfe hatte eine Mission und sicher nicht vor gehabt dort zu sterben. Nein… sie wollte mit ihm mit, sie wollte nicht, dass er allein ging. Für sich? Oder weil sie wollte, dass er in Sicherheit war? Dass sie weiter auf ihn achten konnte, wie sie es versprochen hatte? Das Versprechen konnte sie nun nicht mehr einhalten, denn alles was blieb, war dieses Stück Holz und eine stilistisch geritzte Rose. Ein Abschied… eine Warnung… ein letzter Gruß… unausgesprochene Worte, die jetzt auf ewig fehlen würden in seiner Geschichte. Synnover wusste, dass die Elfe etwas für ihn gefühlt hatte. Filius hatte ihm die Augen geöffnet und vielleicht erinnerte er sich an das Hochgefühl, das er dabeigehabt hatte. Nun war es das Einzige, was er noch hatte. Layan gab dem Hymlianer Zeit, die Gedanken zu sortieren. Dabei beobachteten ihn die grauen Augen genau und lasen jede Regung ab. Er sprach ihm gut zu, wollte nicht, dass Synnover sich nach der Nachricht allein fühlte. Er war willkommen. Weiterhin und daran würde sich auch nichts ändern. Synnover aber glaubte, dass sich nun alles ändern würde. Ändern müsste. "Ja", brachte er hervor und Layan runzelte kurz die Stirn. „Du sagst ja?“, fragte er nach und Syn hob den Blick. Er war entschlossen, aber es fehlte auch die Trauer, die es wohl gebraucht hätte, um jetzt nichts zu tun, was in eine falsche Richtung lief. Layan kannte Syn nicht und er maß sich nicht an, ihm dahingehend Ratschläge geben zu wollen. "Ich will die Ausbildung antreten. Bevor ich aber zusage, muss ich noch mit Lariana sprechen. Ich muss ihr etwas Wichtiges mitteilen und danach ... frage ich dich erneut, ob das Angebot noch gilt." Der Himmelsreiter musterte Synnover nachdenklich. Dann nickte er. „In Ordnung, nimm dir Zeit.“, räumte er ein und trat beiseite. Turok hob schnaubend den Kopf und sah zum Eingang des Paddocks. Dann hörte auch Synnover Schritte und schließlich tauchte Lariana’s strahlendes Gesicht auf.
Sie lächelte, winkte dann fröhlich und kam schließlich zu ihnen. „Oh, ihr arbeitet an Turok?“, fragte sie unverfänglich und ohne Argwohn, dass etwas nicht stimmen könnte. Layan aber musterte seine Schwester, nahm sie kurz in den Arm und küsste zur Begrüßung ihr Haar. „Lariana, ich habe eine schlimme Entdeckung gemacht. Das Schiff, auf dem Synnover gewesen ist, liegt in Trümmern.“, sprach er und Lariana’s Gesicht gefror. Sie starrte Synnover an. „Überlebende?“, japste sie ergriffen. Layan seufzte. „Ich konnte niemanden finden. Weder lebendig noch tot.“, gab er zu und Lariana löste sich aus der Umarmung ihres Bruders, um auf Synnover zu zutreten und ihn in die Arme zu schließen, falls er es zuließ.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Mittwoch 2. Oktober 2024, 09:33

Synnover hatte Layan als keinen Mann erlebt, den er mit einem Karrish oder einer Yolintha vergleichen würde. Erst Recht nicht im Bezug auf den Umgang mit seinen Tieren. Layan kümmerte sich gewissenhaft, vor allem aber geduldig und behutsam um die Pegasi. Da stand er seiner Schwester in nichts nach! Aber vielleicht erschreckte es den Neugzugang Hymlias deshalb auch so sehr, als der andere denselben Begriff verwendete, mit dem Syn so viel Negatives verband. Er konnte nichts Vertrauensvolles in Unterwerfung sehen, nicht mehr. Früher, da hatte er sich selbst nur zu gern und möglichst tief in den Staub geworfen, um Karrish zu zeigen, wie dankbar er ihm war und wie sehr er im Grunde um dessen Aufmerksamkeit buhlte. Mit der Zeit hatte er sich, vor allem bei Yolintha, Privilegien erarbeitet, die ihm all das ersparten. Er musste nicht mehr vor den Nachtklingen kriegen. Er selbst hatte Sklaven gleichermaßen wie Dreck angesehen und auch so behandelt, einfach weil er sich auf der Karriereleiter dieses Schicksalspfades ganz oben gesehen hatte ... und dann war er einfach auf einen Haufen Leichen geschmissen worden, um mit ihnen zu verwesen. Warum? Weil er den Ansprüchen eines für Karrish spannenden Triells nicht genügte. Denn nach wie vor war Synnover überzeugt, diesen Kampf gewonnen zu haben. Vielleicht lag der Grund in Razags Überleben, denn auch wenn ihr dritter Kontrahent in der Arena das Zeitliche gesegnet hatte, der Ork war ebenfalls nicht gestorben. Synnover hatte sich hin und wieder bei dem Gedanken erwischt, ob er noch immer unter Karrish diente, wäre Razag beim Triell gestorben. Ob er sich dem Dunkelelfen dann immer noch aufopferungsvoll und selbstzerstörerisch unterwarf. Es gab eine Zeit, da hätte er alles dafür gegeben, diesen Zustand wiederherzustellen. Jetzt, hier und heute, ertrug er es nicht einmal, dass ein Freigeist wie Turok einen ähnlichen Platz einnehmen sollte und sei es auch ohne jegliche Strafe oder harte Hand wie er selbst es aus Morgeria kannte.
Inzwischen hatte sich einiges in seinem Leben, vor allem aber seinem Denken, geändert. Synnover fing dennoch gerade erst an, wirklich zu leben. Dass es bereits über zwei Monate her war, die er dafür gebraucht hatte, erschreckte ihn. Und dass es weitere zehn Monate in Anspruch nähme, wollte er seinen selbst auserkorenen Lehrweg nachverfolgen, stellte ihn vor ein Problem. Denn Zarrah wartete auf ihn. Sie alle warteten. Dass sich das Problem auf so schmerzhafte Weise in Luft auflöste, ahnte er nicht und sicherlich hätte er sich jede Alternative lieber herbei gesehnt als diese.

Synnover starrte noch immer auf das Holz, das zwischen Heuspänen und von Hufabdrücken umgeben auf dem Erdboden lag. Er bekam kaum mit, was Layan ihm sagte. Er fühlte nur zwei Dinge: eine unsagbare Leere, die seinen ganzen Körper aushöhlte, nur um sie dann mit Schmerz zu füllen. Die Pein pulsierte zusammen mit seinem Herzschlag, im gleichen Rhythmus, und sie erschwerte ihm das Atmen. So stieß er die Luft nur sehr flach durch die Nase aus, sog sie ebenso flach wieder ein, dass man kaum ein Heben und Senken seiner Brust mehr wahrnehmen konnte. Er wirkte wie erstarrt. Aber wer Synnover betrachtete, interpretierte darin eher einen Schock denn aufkommende Trauer. Er sah ernst aus, aber nicht von Kummer zerfressen. Er wusste nach all der Zeit immer noch seine Masken zu tragen und versuchte jetzt, sich alle gleichzeitig aufzuziehen, um sein wahres Innerstes nicht nach außen preiszugeben. Nicht vor Layan, den er zu wenig kannte, um derart offen vor ihm zu sein. So teilte er ihm schlicht mit, mir Lariana sprechen zu wollen und dann erst eine endgültige Entscheidung hinsichtlich der Ausbildung zum Himmelsreiter abzugeben. Aber er war weiterhin interessiert. Er wollte das tun - zumindest sagte er es.
Glücklicherweise erschien Lariana bei den Koppeln, so dass Synnover in seinem Zustand nicht erst noch nach Hause gehen musste. Er konnte sich im Moment ohnehin nicht rühren und die Hymlianerin erfuhr von ihrem Bruder sehr schnell den Grund. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie zu Synnover herüber. Er erwiderte den Blick nicht. Seine Augen hefteten sich nach wie vor an das Stück Holz, das zu seinen Füßen lag.
"Überlebende?", richtete Lariana sofort und mit einem Japsen das Wort an ihren Bruder. Jener schüttelte voller Bedauern den Kopf. "Ich konnte niemanden finden. Weder lebendig noch tot."
Syn seufzte aus. Dann umgab ihn die Wärme eines anderen Körpers. Lariana näherte sich in tröstender Geste an, umarmente ihn, als er kein Anzeichen von Ablehnung zeigte. Und auch jetzt ließ er es zu, obgleich die Wärme nicht bis zu seinem Herzen durchdringen konnte. Stattdessen gab er mit fester, monotoner Stimme von sich: "Das Meer ist so groß. Ich habe mit Crystin unter Raz' Anweisungen versucht, schwimmen zu lernen. Selbst wenn man es beherrscht, kann man unmöglich so viel Kraft aufbringen, um Land zu finden. Man ... geht vermutlich einfach unter und ... stirbt." Nicht einmal Razag traute er zu, das Unglück überlebt zu haben. Vielleicht hatte sein Freund länger durchhalten können als andere - er war schließlich mehr eine Wasserratte als ein Ork in dieser Hinsicht - aber nicht einmal Razag könnte das gesamte Meer durchschwimmen, um wieder an einen Strand zu gelangen. Nicht einmal er. Warum sich etwas vormachen?
Synnover straffte seine Haltung in Larianas Armen. Es gelang ihm, den Blick vom letzten Stück der Silberpfeil zu lösen. Stattdessen richtete er ihn nun auf die Hymlianerin. Er betrachtete ihr Gesicht, schaute ihr in die Augen, ohne in seinen auf nur eine Spur von Emotion fernab distanzierter Ernsthaftigkeit zu zeigen. Er riss sich zusammen, wie er es sechs Jahre seines Lebens hatte tun müssen. Er kannte es, auch wenn er es eigentlich hatte von sich werfen wollen. Es war gar nicht so schwer, dorthin zurückzukehren.
Syn hob die Hand zu ihrem Gesicht. Er strich ihr einige Strähnen hinter das Ohr und legte dann dei Finger an ihre Wange. Er streichelte sie, betrachtete sich ihre Schönheit und dachte an die Momente, die er in den letzten neun Wochen mit ihr geteilt hatte. "Lari ... meine Schöne", begann Syn, ehe er ihr unverblümt mitteilte, was er ihr hatte sagen wollen. Etwas, das sein musste. Etwas, das ihn vor mehr Schmerz bewahren würde. "Ich verlasse dich. Und ich ziehe aus. Ich brauche mein eigenes Heim. Ich werde eure Gutherzigkeit nicht weiter in Anspruch nehmen." Dabei blickte er auch wieder zu Layan. Die Erklärung, die folgte, galt beiden. Eine Ausrede für seine wahren Beweggründe, aber schlüssig genug wohl, um plausibel zu erscheinen. "Die Ausbildung zum Himmelsreiter dauert lang und wird mir viel abverlangen", wiederholte er zunächst die Worte des anderen. "Gleichzeitig kann und will ich alles andere, was ich lernen darf, nicht aufgeben. Und auch wenn ich bereit wäre, dafür dann meinen Schalf zu opfern, würde es auf lange Sicht nicht funktionieren. Ich muss also auf alles verzichten, was möglich ist, um Zeit und Konzentration zu haben für die Dinge, die ich lernen will." Jetzt heftete sich sein Blick erneut fest an Layan. "Vorausgesetzt, es ist mir auch ohne die Beziehung zu deiner Schwester erlaubt, die Ausbildung anzutreten."
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Freitag 18. Oktober 2024, 12:25

Es war manchmal besser, wenn man sich nicht an die Hoffnung klammerte. Synnover hatte in seinem Leben gelernt, dass Hoffnung etwas für Narren war. Andererseits hatte ihn die Hoffnung auch weitermachen lassen. Hoffnung darauf, einen Blick seitens Karrish zu erhalten. Hoffnung, ein warmes Bett mit jemandem zu teilen. Hoffnung, nicht allein sein zu müssen. Mehr aber hatte er nie zu hoffen gewagt. Nie geglaubt, es gäbe etwas anderes für ihn auf dieser Welt, die so klein gewesen war in seinem Fall. Synnover wurde eines Besseren belehrt, denn er lernte Hoffnungen zu gestatten. Die Hoffnung, dass die Freiheit echt war, die ihm angeboten wurde. Die Hoffnung, dass sein Freund wirklich ein Freund war und nichts im Gegenzug verlangte. Die Hoffnung, nie wieder etwas tun zu müssen, das er nicht wollte und schlussendlich, nachdem er gemeinsam mit Zarrah auf das Meer geschaut hatte an den Klippen, bevor sie die Silberpfeil betraten, die Hoffnung, eines Tages seine Heimat kennenzulernen. Sie hatte sich bestätigt und nun stand er weit oben über den Köpfen aller Karrish‘, Yolintha’s und Reißer, die ihn auf ewig kleingehalten hatten. Er hatte sich erhoben und wurde von der Hoffnung weitergetragen, bis zu einem neuen Kapitel des Lernens, des Erlebens und Lebens. Und nun? Nun blieb von denjenigen, die ihm diese Hoffnung erst ermöglicht hatten nur ein kleines Stück Holz zurück. Es lag dort auf dem Boden zu seinen Füßen und mochte kein Wässerchen zu trüben. Nur das Wasser seiner Seele färbte dieses Holz dunkel. Selbst Lariana’s Erscheinen konnte ihm dabei nicht helfen. Er sah hilflos zu, wie die Nachricht seine Seele zurückwarf und verschließen wollte. Lari nahm ihn in tröstender Absicht in den Arm und doch fühlte er nichts in seinem Herzen. "Das Meer ist so groß. Ich habe mit Crystin unter Raz' Anweisungen versucht, schwimmen zu lernen. Selbst wenn man es beherrscht, kann man unmöglich so viel Kraft aufbringen, um Land zu finden. Man ... geht vermutlich einfach unter und ... stirbt.", sagte er monoton und Lari drückte etwas fester zu. „Oh Synnover, das… es gibt hundert verschiedene Szenarien. Das… ist nur eine Möglichkeit, aber gewiss nicht die, die wirklich passiert ist!“, versuchte sie ihm sanft und warm gut zu zureden. Synnover aber hob nur ernst den Blick, berührte ihre Wange und sie lächelte nichtsahnend, was er im Sinn hatte. "Lari ... meine Schöne" „Ich bin für dich da!“, säuselte sie sanft und schmiegte sich in seine Berührung. "Ich verlasse dich. Und ich ziehe aus. Ich brauche mein eigenes Heim. Ich werde eure Gutherzigkeit nicht weiter in Anspruch nehmen." Einen Moment lang hielt die Welt den Atem an. Lariana lächelte noch, denn die Worte waren noch nicht von ihrem Ohr zu ihrem Verstand gelangt. Dann aber gefror das Lächeln und etwas in ihrem Blick brach entzwei. Sie verstand nicht. „Was?“, japste sie nach und Layan trat einen Schritt zur Seite, ohne den Abstand erheblich zu vergrößern.
Er musterte die Szene, hielt sich aber zurück. "Die Ausbildung zum Himmelsreiter dauert lang und wird mir viel abverlangen. Gleichzeitig kann und will ich alles andere, was ich lernen darf, nicht aufgeben. Und auch wenn ich bereit wäre, dafür dann meinen Schalf zu opfern, würde es auf lange Sicht nicht funktionieren. Ich muss also auf alles verzichten, was möglich ist, um Zeit und Konzentration zu haben für die Dinge, die ich lernen will. Vorausgesetzt, es ist mir auch ohne die Beziehung zu deiner Schwester erlaubt, die Ausbildung anzutreten.", erklärte er den beiden Geschwistern und Lariana trat zurück. Sie starrte Synnover an.

Das dunkle Blau ihrer Augen wirkte nicht ganz so sanftmütig, wie er es gewohnt war. Sie zeigten deutlich ihr Unverständnis über seine Entscheidung. Layan öffnete den Mund, um etwas zu sagen, denn die letzten Worte waren an ihn gerichtet. Bevor er aber auch nur einen Ton herausbringen konnte, hob Lari eine Hand in seine Richtung und zeigte ihm ihre Handfläche. Sie gebot ihm Einhalt. Ihren Blick aber nahm sie nicht von Synnover. „Ist das wirklich dein Ernst?!“, fragte sie mit fester Stimme. Ihre Brauen senkten sich und verliehen ihr einen ärgerlichen Ausdruck. „Synnover, du machst mit mir Schluss? JETZT?“, hakte sie nach und auch wenn Lariana nicht die Angewohnheit hatte zu schreien, waren ihre Worte nicht schüchtern oder gar brüchig. Sie besaß eine feste, klare Stimme die verdeutlichte, was sie davon hielt. Sie trat also zwischen Layan in ihrem Rücken und Syn, den sie ansah und verschaffte sich seine Aufmerksamkeit. „Nun hör mir mal zu, Synnover! Ich akzeptiere, dass du mich nicht so lieben kannst, wie du es möchtest. Das haben wir geklärt. Aber ich akzeptiere nun nicht diese Übersprungshandlung und lasse dich in deinem Schmerz allein!“, erklärte sie. „Ich bin für dich da, auch wenn du nach dieser Nachricht Abstand brauchst. Das versteh ich alles, aber ich verstehe nicht, wieso du mich jetzt einfach wegwirfst!“, nun klang sie doch ein wenig verletzt, aber sie kämpfte tapfer darum, diese Emotionen nicht mit in ihre Worte fließen zu lassen. Sie war ein Goldstück, auch wenn es sie sehr viel Selbstbeherrschung kostete. „Mache die Ausbildung zum Himmelsreiter, das wird genau das richtige sein, denke ich. Aber ich bleibe an deiner Seite. Natürlich, wenn du mich nicht mehr leiden kannst, wenn ich dir zu viel bin, dann… dann muss ich das akzeptieren, aber Synnover…“, sie trat auf ihn zu und hob das Stück Holz auf, das sie daraufhin in seine Hände legte, ohne ihre wieder von seiner Haut zu nehmen. „Synnover, ich liebe dich und möchte, dass es dir gut geht. Ich empfinde Trauer, wie du, weil du deine Freunde offenbar verloren hast. Das ist nichts, das du allein tragen musst. Wir können es gemeinsam. Und ich denke nicht, dass es jetzt gut wäre, wenn du allein wärst, weißt du? Niemand will mit so etwas allein ins Bett gehen. Und dieses Stück Holz muss nicht bedeuten, dass sie alle … nicht mehr sind. Es könnte auch sein, dass sie sich mit den Beibooten gerettet haben, oder? Dass das Schiff nicht zu retten war, aber sie haben das erkannt und sich vorher gerettet. Versuche nicht diese Gedanken in dich einzuschließen! Lass uns darüber reden, sage mir, was dich beschäftigt… Ich bitte dich… Ich bin hier und du nicht allein…“, versprach sie ihm und lächelte gar wieder. Sie streichelte, während ihrer eindringlichen Worte seine Handrücken, bevor sie die Hände zurückzog und ihn anblickte. „Und natürlich darfst du die Ausbildung machen. Wir haben dir gesagt, dass dir hier alle Wege offenstehen…“, bekräftigte sie abermals. Layan nickte im Hintergrund. Er hatte seine Schwester reden lassen und man konnte in den grauen Augen leicht Stolz erkennen, weil Lariana eine so empathische und aufrichtige Person war. Synnover hatte alle Möglichkeiten… welche würde er wählen?
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Mittwoch 23. Oktober 2024, 18:57

Es war nicht Larianas Umarmung, die ihn zusammenzucken ließ, sondern die Nennung seines Namens. Synnover. Das über Jahre hinweg gehütete Geheimnis, welches nur mit Zarrahs Hilfe endlich mit der Welt geteilt werden konnte. Dem Träger war es nach dem ersten Schrecken gut damit gegangen. Es hatte sein Herz erwärmt, wenn er diesen - seinen! - Namen auf so unterschiedliche Weisen hatte hören dürfen. Aussprache, Stimmlage, die Betonung der Silben, ohne essentielle Gedanken des Spotts oder der Verachtung dahinter. Es hatte sich gut angefühlt, Synnover zu hören. Nun jedoch blieb nichts davon ... außer Verlust. Verlust und Schmerz.
Nie wieder würde er ihn so hören können, dass es ihn auf positive Weise berührte und ihm eine Gänsehaut bescherte. Nie wieder würde er ihn von ihr ausgesprochen hören ... denn vermutlich, höchstwahrscheinlich war sie inzwischen tot. Mit ihr starb sein Name. Mit beiden starb seine Hoffnung.
"Ich bin für dich da!" Er nickte. Er wusste es, aber genau das machte es so schrecklich, dass er es kaum ertrug, sie anzusehen. Dabei empfand Synnover sie seit jeher als ungemein schön. Für ihn stach sie sogar aus der Masse der Hymlianer heraus mit ihren Nachthimmelaugen, die normalerweise so zauberhaft glitzerten. Jetzt lagen Sorge und der Wunsch, ihn zu trösten darin. All das machte es nur noch schlimmer. Er sah keinen anderen Weg, wenn er nicht zusammenbrechen und verzweifeln wollte. Denn das durfte Syn sich nun nicht erlauben. Er hatte doch Pläne gehabt, so viele Pläne. Aber ich hatte auch vorgehabt, zu ihr zurückzukehren... Schmerz durchstach sein Herz, brachte dessen Rhythmus ins Wanken und breitete sich in Impulsen der Pein über sein Nervensystem im gesamten Körper aus. Er versuchte, es durch flache Atmung zu kompensieren, aber jeder weitere Blick in Larianas Gesicht schürte ihn von neuem. So würde er es nicht schaffen. Auch wenn Razag, Crystin und Zarrah möglicherweise - Mit Sicherheit! Wer sollte das überleben können? - tot waren, durfte er seine Pläne nicht aufgeben. Nur deshalb war er hier, in Hymlia. Aber er durfte sich auch nicht vom Schmerz leiten lassen, diesen nicht füttern.
Es kostete Syn Überwindung, diese Entscheidung zu treffen. In seinem Denken war sie jetzt allerdings die einzig richtige. Er stieß Lariana metaphorisch von sich, auch wenn er physisch nur minimalen Abstand zu ihr aufbaute. Ihrem Blick wich er aus, nachdem er ihr seine Worte mit der Wucht einer eisigen Flutwelle entgegengeschleudert hatte. Er wollte eine Trennung, schob die Last eines Lernenden und die harten Prüfungen einer Himmelsreiter-Ausbildung vor, um ihr die Wahrheit nicht offenlegen zu müssen. Ihre Reaktion brachte ihn erneut dazu, heftig zusammen zu zucken.
"Ist das wirklich dein Ernst?! Synnover, du machst mit mir Schluss? JETZT?" Die Worte, die Art und Weise wie sie ihn erreichten, Larianas feste Stimme und nicht zuletzt erneut die Nennung seines vollen Namens lösten etwas bei Syn aus.
Yolintha von den Nachtklingen galt als impulsiv, leidenschaftlich, aber dennoch besaß auch sie die nötige Beherrschung, ihre Stimme selten schrill werden zu lassen. Vielmehr gelang es ihr, die gesamte Sklavschaft des Hauses allein durch das Ausbleiben eines Wutausbruchs darin einzuschüchtern. Das Herrische und Dominante einer Strafpredigt dieser Frau war es, was die meisten fürchteten. Und gerade Synnover wusste, dass unterschwellig mitschwingender Hohn, sowie ein spöttisches Lachen mehr Schaden anrichten konnten als eine Zorneswelle jemals in der Lage wäre. Bilder tanzten vor seinem inneren Auge, ließen ihn unter Larianas ungläubigen Ausrufs erstarren. Paralysiert stand er vor ihr, den Blick durch sie hindurch gerichtet und mit der Aufmerksamkeit in einer Erinnerung gefangen, die ihm schon einmal den Boden unter den Füßen fortgerissen hatte. Damals, als er es gewagt hatte zu glauben, Liebe zu verstehen. Als er Yolintha diese Gefühle von Zuneigung gestanden und dafür ihre Verachtung geerntet hatte. Damals, als sie ihm klar machte, was er niemals begreifen würde, weil sein Stand es ihm verbat. Damals ... als sie seine Seele zertrampelte.
Er schloss die Augen, die heiß brannten, aber die Bilder ließen sich dadurch nicht verdrängen. Unbewusst wich er von Lariana zurück, löste sich soweit von ihr, dass der Körperkontakt verloren ging. Und erneut zuckte er zusammen, als er seinen Namen hörte. Er keuchte.
"Nun hör mir mal zu, Synnover! Ich akzeptiere, dass du mich nicht so lieben kannst wie du es möchtest. Das haben wir geklärt. Aber ich akzeptiere nun nicht diese Übersprungshandlung und lasse dich in deinem Schmerz allein!" Aber du verschlimmerst ihn, schrie es in seinem Kopf, in dem er nach wie vor Yolinthas höhnisches Lachen aus allen Ecken hören konnte. Es wurde von einem Echo begleitet, das tief in seine Seele drang. Es erreichte ihn selbst hier in Hymlia.
"Also bin ich gar nicht frei?", murmelte er, ohne dass ihm selbst klar war, ob er dabei zu der imaginären Stimme der Dunkelelfe oder zu Lariana sprach. "Ich darf gar nicht entscheiden, was ich möchte?" Er strauchelte. Es traf ihn tief, wie damals schon, als Zarrah ihm aufgezeigt hatte, dass all die Geschenke, die Privilegien und nicht zuletzt auch Karrishs Wohlwollen nur blanke Illusion gewesen waren ... so wie die Masken, die er tagtäglich trug, um zu überleben.
Aber Lariana war keine Nachtklinge. Sie besaß nicht den Blick auf ihn, als wäre er ihr Eigentum. Sie sah ihn als Individuum und vor allem schwärmte sie so sehr für ihn, dass Liebe daraus entstanden war. Sie war aufrichtig und rein. Sie ließ ihn nicht im Stich und sie schubste ihn in einer Notsituation auch nicht über den Rand einer Klippe. Es schmerzte ungemein.
"Ich bin für dich da, auch wenn du nach dieser Nachricht Abstand brauchst. Das versteh ich alles, aber ich verstehe nicht, wieso du mich jetzt einfach wegwirfst!" Vielleicht, weil ich selbst es nicht anders kenne ... außer ... von ... Er konnte den Gedanken nicht zu Ende führen. Bereits jetzt schnürte es ihm die Kehle zu, dass er kaum ein Wort hervorbrachte. Er kämpfte darum, eine unnahbare Miene zu wahren und sich keinen Emotionen hinzugeben, für die man seine Seele nur noch mehr malträtieren könnte. Larianas Beistand aber durchstieß all das mit heißer Klinge. Es brannte, es schmerzte und er wusste nicht damit umzugehen. Vor allem aber nannte sie weiterhin seinen Namen.
Er hörte ihn und nur ihn allein durch einen Nebel ihrer Worte heraus. Sie riet ihm, die Ausbildung zum Himmelsreiter fortzuführen und sei es nur, um darin Ablenkung zu finden. Sie würde ihn aber nicht verlassen und auch nicht zulassen, dass er es entschied. Sie versuchte sogar, ihn aufzumuntern, indem sie die Überlegung anstellte, dass ein Stück Treibholz nicht gleich das Schrecklichste bedeuten musste. Sie drückte es ihm wieder unter der Nennung seines Namens in die Hände, aber Syn sah sich nicht imstande, das Gewicht zu halten. Erneut fiel das Holz vor seine Füße. Er ignorierte es. Er hörte es nicht einmal. In seinen Ohren klang nur sein Name nach, den er niemals wieder mit einer ganz besonderen Stimme würde wahrnehmen dürfen ... und das allein ließ sein Herz zerspringen.
"... dann muss ich das akzeptieren, aber Synnover..."
Hör auf.
"Synnover, ich liebe dich und möchte, dass es dir gut geht."
Sag ihn nicht mehr, bitte.
"Versuche nicht, diese Gedanken in dich einzuschließen! Lass uns darüber reden, sage mir, was dich beschäftigt ... Ich bitte dich..."
Es waren nicht ihre Worte, die ihn zurückholten. Es war die sanfte Berührung seiner Finger auf seinem Handrücken, als sie sich annäherte. Weich und warm. Es fühlte sich gut an und zugleich rammte ihn diese Nähe nur mehr Klingen in den Leib. "Syn", brachte er nach einer gefühlten Ewigkeit hervor. Seine eigene Stimme klang belegt. Dann festigte sie sich etwas, nachdem er sich einmal geräuspert hatte. Layan musste es ebenfalls hören. Er hob den Blick, schaute in Larianas Augen, sah ihr Lächeln und wich beidem aus. Er spähte zu ihrem Bruder herüber, den er ebenfalls nur bedingt lang betrachten konnte. Sein Blick wanderte die Umgebung ab, suchte einen Fixpunkt. Er starrte auf das Holzstück der Silberpfeil. Er wusste wieder, was er mitteilen wollte. "Nur noch Syn. Ich ... will ... den anderen Namen nicht mehr benutzen. Er ... ist ... mit ihnen ... gestorben." Mit ihr gestorben. Er entzog Lariana die Hand, welche sie gestreichelt hatte.
"Ich bitte dich ... Ich bin hier und du nicht allein..."
Aber genau das wäre er jetzt am liebsten gewesen. Nicht, weil er sich nach der Einsamkeit sehnte, sondern weil er es gewohnt war, schreckliche Erfahrungen nur mit sich selbst auszumachen. Weil er es gewohnt war, dass er anderen - hohen Herrschaften - seine eigenen, belanglosen Emotionen nicht aufzubürden hatte. Er sollte ihnen die Laune nicht verderben. Er sollte die Kundinnen nicht wecken, nachdem sie befriedigt worden waren. Er sollte funktionieren, denn alles darüber hinaus war doch ohnehin etwas, das er nicht verstand. Oder das ihn zerfraß...
Syn hob den Kopf. Eine Träne hatte es geschafft, sich aus seinem Augenwinkel heraus zu stehlen. Sie rann seine feinen Züge entlang bis zum Kinn, wo er sie mit dem Handrücken fortwischte. Dann spähte er flüchtig zu Layan herüber, während er versuchte, dessen Schwester durch sanftes Schieben etwas abseits zu bringen. Entweder das oder der Himmelsreiter musste kurzfristig gehen. Syn würde sich nur Lariana allein anvertrauen und selbst das war im derzeitigen Zustand seiner selbst ein kostbares Privileg. Bevor die beiden also nicht unter sich wären, käme kein Ton mehr von ihm.
Dann aber holte er Luft. Es klang rasselnd und seine Brust brannte ihm, als wäre er eine weite Strecke gespurtet. "Es ist fast sechs Jahre her", begann er. Die Hymlianerin konnte er immer noch nicht anschauen. So richtete Syn seinen Blick in die Ferne, auf den Himmel, der ihm wieder unendlich weit weg vorkam. "Damals dachte ich, man hätte mich gebrochen und meine Seele zertrümmert, weil man mir aufzeigte, dass ich gar nicht wissen kann, was Liebe ist. Weil sie nicht für meinesgleichen gedacht ich, würde ... ich sie niemals verstehen. Ich ... hab mich damit abgefunden, mich arrangiert. Es war einsam, aber ich gewöhnte mich daran. Ich ... kam zurecht. Ich hatte es trotzdem schön und manchmal ... fühlte es sich nicht so schlimm an." Er atmete durch, legte den Kopf leicht zurück, um das erneute Brennen seiner Augen zu unterdrücken. Er lauschte seiner eigenen Atmung. Er kannte die Methoden. Tief und ruhig durchatmen, dann schwanden die Tränen ehe sie auftauchten. Er hatte es so lange und oft üben können. Es war leicht, sich zu beherrschen, wenn es gelang, alles auszuschließen und über jegliche Emotion erhaben zu sein. Wenn es gelang, doch Syn hatte mit einer Sache nicht gerechnet. Er ... verstand. Die Erkenntnis traf ihn, noch während er Worte für Lariana suchte. Am Ende entkam ihm lediglich: "Aber ich weiß jetzt, was Liebe ist. Ich hab nur nicht gedacht, dass ... sie ... so ist. So ... grausam. Sie ... zerreißt mir die Seele." Ich liebe sie ... und sie wird es niemals erfahren. Er keuchte auf, unfähig weitere Tränen zu vergießen, denn alles in ihm zog sich zusammen. Endlich aber gelang es ihm, Lariana wenigstens anzuschauen. "Da ist ... nur ... Schmerz. Und Leere. Der Schmerz füllt sie komplett aus." Er streckte seine Hand nach dem Gesicht der Hymlianerin aus, wagte im letzten Moment aber nicht, ihre Wange zu berühren. Die Finger zogen sich erneut zurück. "Ich mag dich, Lari. Mehr sogar als ich sagen kann ... und das ist es. Das ... ist das Problem." Eine Pause entstand, in der Syn sich neu sammeln musste. Er war vollkommen überwältigt von all der Pein, die sein Herz umfing. "Sie sind fort." Sie ist fort! "Keine noch so tiefe Wunde in der Schwarzen Arena hat jemals so ... wehgetan. Nichts hat mich jemals so sehr zerrissen. Damals, vor knapp sechs Jahren, dachte ich, man hätte mich gebrochen und meine Seele zerstört." Er lachte freudlos und knapp auf, schüttelte den Kopf über seine eigene Dummheit. "Das war nichts im Vergleich zu ... dem hier. Meine Seele ist von Rissen durchzogen. Es genügt das Gewicht einer Feder, um sie in Myriaden Splitter zerspringen zu lassen." Seine lindgrünen Augen suchten den Sternenhimmel in Larianas Antlitz. "Wenn ich zulasse, dass ich dich ... noch mehr mag ... und wenn ..." Er brach ab, konnte es nicht aussprechen. Zu nah war der erst erfahrene Verlust. Syn schüttelte den Kopf wiederholt. "Ich ... kann nicht ... es ist für mich eindacher, für immer allein zu sein. Es ist ... vertraut. Ich war mein Leben lang allein. Ich ... das stehe ich durch, aber nicht ..." Ob Yolintha mich nur hatte schützen wollen? Weil sie wusste, dass Liebe nur zerstört? Dass es meine Seele zerreißt? Dass Lariana sich in Bezug auf ihn ebenfalls so fühlen könnte, gerade weil sie ihn längst liebte, konnte Syn nicht in den Fokus nehmen. Vielleicht dachte er in einer ruhigen Minute darüber nach, wenn er über seine eigenen Bedürfnisse und seinen Zustand hinwegsehen könnte. Denn dass er es inzwischen wenigstens gelegentlich konnte, war nicht mehr von der Hand zu weisen. Er hatte sich entwickelt. Gerade deshalb fiel es ihm nun endlich schwer, sich lieber von allem zu distanzieren, für das er Zuneigung empfand. Denn auch dies schmerzte in seiner Brust, aber er kam auf keine andere Lösung, weil Trost ihm so fremd war und sich so ... falsch für ihn anfühlte, seit er wusste, dass Zarrah ihn nie wieder vom Gegenteil würde überzeugen können.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Freitag 8. November 2024, 13:12

Synnover hatte in seinem Leben aufgehört den Schmerz der Welt zu fühlen. Eben jenen Schmerz, der sich in die Seele fraß, weil Dinge Bedeutung hatten. Weil Personen wichtig waren. Jenen Schmerz hatte er seit Yolintha’s niederschmetternden Lachen über seine Gefühle ad akta gelegt. Er hatte ihn vergraben, nie wieder hervorgeholt und schließlich vergessen. Er hatte sein Leben dem körperlichen Schmerz gewidmet. Er hatte sie der Leere gewidmet, die an die Stelle getreten war. Aus Synnover, der aufrichtig liebte, wurde Syn, der sich seinen Vorteil erkämpfte. Und dann wurde er aus dieser Sicherheit, die zwar kalt und trostlos gewesen war, hervorgezerrt. Erneut wurde ihm bewusst gemacht, dass seine Zuneigung lächerlich gewesen war. Dass Karrish nicht die Konstante in seinem Leben einnahm, die er in dem großen Bruder der Drei gesehen hatte. Man riss ihm schmerzhaft die Scheuklappen von den Augen und zwang ihn dazu, wahrhaftig zu sehen. Und auch wenn er strauchelte, wenn er wankte und sich sträubte, er hatte begonnen zu sehen. Zu hoffen. Zu fühlen. Er hatte es zugelassen, dass sich Zarrah und Razag in sein Herz schlichen. Auch wenn er es nicht rechtzeitig erkannt hatte. Synnover hatte den Prozess des Lernens bereits begonnen und konnte auf diesem Weg kaum zurück. Er fühlte wieder, was es bedeutete überhaupt eine Wahl im Leben zu haben. Er fühlte was Bindungen bedeuteten. Dass sie zwar verletzlich machten aber im selben Moment auch stärkten. Dass Freunde einen bei dem unterstützten, was man sich selbst erhoffte. Zarrah hatte Synnover ziehen lassen, als er die Wahl gehabt hatte. Und sie tat es für ihn, denn für sich selbst hatte sie andere Hoffnungen gehabt. Synnover musste nun mit der Nachricht, dass sie alle vermutlich dem Meer zum Opfer gefallen waren, erkennen, dass er sehr viel mehr Herz in sie investiert hatte, als er noch glaubte. Es war eben leicht, wenn man Abstand zu den Dingen gewann. Wenn man aus sicherer Entfernung selbst darüber entschied, ob man weitergehen wollte oder nicht. Nun wurde ihm diese Entscheidung jedoch aus der Hand genommen und er erkannte, dass er einen Fehler begangen hatte. Einen, der nicht wieder gutzumachen war, denn es gab niemandem, bei dem er Abbitte leisten konnte. Die Erkenntnis war zu heftig. Sie kam so unvermittelt mit aller Gewalt zurück, dass es seinen Puls aus dem Takt brachte und das Atmen erschwerte. Seine antrainierten Muster allerdings standen, wie kleine Soldaten parat, und schritten ein, um Syn’s Seele vor dem Schmerz zu bewahren. Er stieß von sich, was ihm hätte helfen können. Lariana traf es wohl am Härtesten, denn sie waren in den letzten Wochen eine Einheit geworden. Die Hymlianerin ließ sich aber nicht so einfach davonjagen. Sie hielt an Synnover fest und tat etwas, das er so auch nur mit einer erlebte. Man kämpfte um ihn. Er war jemandem wichtig. Lari aber versuchte es mit aller Empathie, die sie aufwenden konnte, aber Synnover war nicht in der Lage einen vernünftigen Gedanken zu fassen. Er sah Zarrah vor sich. Er wusste auf einmal, dass die Dunkelelfe wichtiger für ihn war, als er je hätte offen aussprechen können. Im Stillen vermehrte das seinen Schmerz und ließ Lariana auf verlorenem Posten kämpfen. "Also bin ich gar nicht frei?" Unterbrach er Lariana in ihrem Versuch, ihm begreiflich zu machen, was er da gerade tat. Die Weißhaarige stutzte als wäre sie gegen seine aufgestellte Mauer geprallt. "Ich darf gar nicht entscheiden, was ich möchte?" Sie runzelte die Stirn. Das war unerwartet für sie, und doch fing sich Lariana wieder und sagte ihm, dass sie für ihn da wäre. Sie sprach ihn so an, wie sie ihn kennengelernt hatte und doch unterband Synnover diese Geste. Er zog sich zurück. Kehrte dorthin, woher er kam, damit er wusste, wie er weitermachen konnte. "Syn. Nur noch Syn. Ich ... will ... den anderen Namen nicht mehr benutzen. Er ... ist ... mit ihnen ... gestorben." Lariana’s Augen füllten sich mit Tränen. Ihre Lippen bebten bei diesen Worten und Layan traf ein hilfloser Blick. Sie versuchte es dennoch. Sie bemühte sich so sehr, aber Synnover wusste nicht mit all dem umzugehen.

Er kannte es nicht, dass er sich an jemandem anlehenen durfte. Dass er klagen und straucheln durfte. Trotzdem rannte er nicht einfach los. Er zog Lari etwas mit sich und sie folgte, während Layan im Abstand blieb. "Es ist fast sechs Jahre her. Damals dachte ich, man hätte mich gebrochen und meine Seele zertrümmert, weil man mir aufzeigte, dass ich gar nicht wissen kann, was Liebe ist. Weil sie nicht für meinesgleichen gedacht ich, würde ... ich sie niemals verstehen. Ich ... hab mich damit abgefunden, mich arrangiert. Es war einsam, aber ich gewöhnte mich daran. Ich ... kam zurecht. Ich hatte es trotzdem schön und manchmal ... fühlte es sich nicht so schlimm an." Während Syn erzählte, traten beide ein wenig an den Rand der Koppel und blickten in den sich dunkler verfärbenden Himmel. Die Nacht würde bald hereinbrechen, während die Schwärze bereits jetzt in ihre Seelen Einzug hielt. "Aber ich weiß jetzt, was Liebe ist. Ich hab nur nicht gedacht, dass ... sie ... so ist. So ... grausam. Sie ... zerreißt mir die Seele." Lariana hatte ihre eigenen Tränen nicht aufhalten können, hielt sich aber zurück. Sie unterbrach Synnover nicht, sie lenkte nicht den Fokus auf sich. Trotzdem waren ihre Wangen benetzt von der salzigen Flüssigkeit. "Da ist ... nur ... Schmerz. Und Leere. Der Schmerz füllt sie komplett aus." „Oh Syn..-nover…“, japste Lariana und trat etwas näher. Er berührte sie, sie war nicht sauer. Es machte sie traurig, dass er das erleiden musste. "Ich mag dich, Lari. Mehr sogar als ich sagen kann ... und das ist es. Das ... ist das Problem." Sie schüttelte den Kopf. „Es ist kein Problem…“, wollte sie einwenden, aber Synnover war noch nicht fertig. "Keine noch so tiefe Wunde in der Schwarzen Arena hat jemals so ... wehgetan. Nichts hat mich jemals so sehr zerrissen. Damals, vor knapp sechs Jahren, dachte ich, man hätte mich gebrochen und meine Seele zerstört. Das war nichts im Vergleich zu ... dem hier. Meine Seele ist von Rissen durchzogen. Es genügt das Gewicht einer Feder, um sie in Myriaden Splitter zerspringen zu lassen. Wenn ich zulasse, dass ich dich ... noch mehr mag ... und wenn ... Ich ... kann nicht ... es ist für mich einfacher, für immer allein zu sein. Es ist ... vertraut. Ich war mein Leben lang allein. Ich ... das stehe ich durch, aber nicht ..." Lariana holte zitternd Luft und wandte sich zur Seite. Sie verließ ihn nicht, aber sie musste einen Moment über seine Worte nachdenken. Sie schaute in den Himmel und die stummen Tränen brachte ihre Porzellanhaut zum Schimmern. Sie schniefte. Es wurde still um sie beide. Es war schwer zu sagen, wie lange sie einfach nur schweigend nebeneinander standen und in den Wind schauten. Aber irgendwann erklang wieder ihre Stimme. „Weißt du… manchmal schließen sich Türen, damit andere sich öffnen können.“, sagte sie und ihre Stimme klang fest, wenn auch etwas belegt. Sie hatte einen Kloß im Hals. „Und manchmal begleiten wir uns nur ein Stück des Weges. Manche sind dafür da, um uns auf dem Lebensweg zu helfen, der für uns bestimmt ist. Wieder andere kommen, um zu bleiben. Um uns stets zu leiten, uns zu führen. Ich… ich kann nicht leugnen, dass es mir das Herz zerreißt, dass du mich nicht mehr sehen willst. Aber… aber ich verstehe, dass du jetzt Zeit brauchst.“, sie musste innehalten, weil ihre Stimme bebte. Es fiel ihr sehr schwer, ihre Gefühle für ihn zu unterdrücken, damit sie ihm sagen konnte, was er hören musste. Sie wollte ihm nicht noch mehr Kummer bereiten. „Ich bin heute zur Koppel gekommen, weil ich Neuigkeiten für dich habe… Ich ahnte ja nicht, dass Layan schon mit dieser schrecklichen Botschaft deine Welt aus den Angeln hob…“, sie seufzte mitleidig. „Du sollst wissen, Synnover, dass du jedes Recht darauf hast, allein zu entscheiden. Ich nehme dir das nicht weg… wie könnte ich? Ich liebe dich, sehr sogar und du…“, sie wandte ihm ihr Gesicht zu und versuchte sich in einem kleinen Lächeln, „du bist mein Wegbegleiter. Ich wäre gerne auch für dich eine längere Gefährtin gewesen… ich will nur sagen… ich bin da. Egal wann dir danach ist, du… die Tür steht dir immer offen, in Ordnung? Versprichst du mir nur etwas?“, bat sie dann und wandte sich ihm gänzlich zu. „Versprichst du mir, dass du nicht in die Einsamkeit abgleitest und alles vergisst, was du hier gewonnen hast? Deine Freunde haben dich ein Stück des Weges begleitet… sie waren die Geburtshelfer für den Synnover, der nun hier in seiner Heimat ist. Der Träume hat, der lachen kann und beginnt, seine Vergangenheit abzustreifen.“, sie lächelte mit feuchten Augen. Ihre Nasenspitze war etwas gerötet, weil sie schniefte.
„Lass es nicht umsonst gewesen sein… Wo auch immer deine Freunde jetzt sind… sie waren es, die dich hergebracht haben und die sehen wollten, dass du fliegst.“, meinte sie. Dann fingerte sie ein Stück Pergament aus ihrem Gürtel und schaute es bedächtig an. Sie atmete tief durch. „Synnover, ich schätze, es ist nicht der Moment, aber… du bist nicht allein, ich kann es nicht oft genug sagen.“, sie hielt ihm das Pergament hin und legte es ihm schließlich in die Hände. Sie schloss seine Faust darum und drückte seine Hände mit ihren. Erneut bebte ihre Lippe. „Ich liebe dich…“, schniefte sie und schloss ihn so innig und schnell in die Arme, als hätte sie Angst, dass er sie wegstoßen konnte. Und bevor er genau das tun konnte, war sie es, die sich löste und über die Koppel eilte, ohne noch mal zurückzublicken. Man konnte sehen, dass sie weinte und nun ihren Emotionen freien Lauf ließ. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass der Abend so enden würde, das war offensichtlich. Aber sie zürnte ihm auch nicht. Sie wollte verstehen und sie gab ihn frei, weil er frei war, den Wunsch zu äußern. In seiner Hand aber hielt er das Pergament, das sie ihm gab. Sobald er es entrollte, würde er die Handschrift von Gallanva erkennen können. Der Willkommensbotschafter und Vater von Lariana und Layan hatte eine unverwechselbare Art mit vielen Schnörkeln und Bögen zu schreiben:

Synnover Federflug - im Alter von 5 verschollen
Vater- Pharo Federflug
Mutter- Vella Federflug
Geschwister- Kira Federflug, 16 Jahre
Adresse: Wolkengasse 4, Hymlia
Schriftrolle Fuss
Lariana hatte offenbar Recht. Wenn sich eine Tür schloss... öffnete sich eine andere...
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Mittwoch 13. November 2024, 15:05

Leere und Schmerz und Masken. Das waren die drei Säulen, auf denen Synnovers Leben aufgebaut worden war. Ein Dach aus Angst lag darüber. Angst davor, dass man ihm anmerkte, dass er sich andere Konstanten für ein festeres, neues Fundament wünschte. Angst davor, dass seine Masken bröckelten und die Wahrheit freilegten. Nämlich, dass er all die Zeit stets versucht hatte, die Leere mit irgendetwas zu füllen. Ganz gleich was, Hauptsache, sie nahm ihn nicht ein. Er war weit genug gegangen, Körper und Seele zu verkaufen. Er hatte keine Wahl. Friss oder stirb, hieß es für Sklaven in Morgeria. Wer aus der Reihe tanzte und zwar, indem er sich negativ hervortat, der wurde aus dem System entfernt. Wem es jedoch gelang, sich positiv hervorzutun und Aufmerksamkeit zu erregen, weil man interessant war, der durfte etwas Neues erhalten, mit dem er die Leere füllen konnte: Schmerz. Körperlich, seelisch. Es war allemal besser als gar nichts zu fühlen. Schrecklich wurde es nur, wenn man das Falsche empfand - oder was andere als falsch definierten. Liebe war falsch. Emotionale Ausbrüche waren falsch, ganz gleich ob sie in Schreien, einem Tränenmeer oder freudigem Lachen endeten. Das Leben anderer mit eigenen Bedürfnissen zu stören war falsch. Darum hatte man sich selbst zu kümmern, still und allein für sich. Viele Sklaven starben für sich allein, nachdem sie für sich allein gelebt hatten. Synnover hatte Dank Zarrah'lindae einen Ausweg erhalten, weil sie ihm keine Wahl gelassen hatte. Sie hatte ihm nicht nur gezeigt, dass alles in Morgeria Falsche richtig war. Sie hatte ihn aufgefordert, es als richtig zu sehen und für sich einzufordern. Das hatte er getan. Für einige Zeit hatte Synnover gelebt ... und dann war Zarrah gestorben. Vermutlich. Zusammen mit Raz'ulak dem Furchtlosen. Sicher hatte er nicht einmal den Tod gescheut. Und Crystin, die warme Spuren aus Licht auf seiner Seele hinterlassen hatte, ähnlich wie die Frau, der er nun entgegenblickte. Und Angst kehrte zurück. Das Dach wurde schwer, getragen von Nachwuchs, geschaffen aus seinen Emotionen, Empfindungen und Liebe, die er für all diese Seelen empfand, die er in seine aufgenommen hatte. Er hätte es nicht zulassen sollen, denn jetzt drohte sein Dach unter der Last all dieser Angst einzubrechen. Angst davor, dass jedes Quäntchen mehr alles zum Einsturz bringen und ihn endgültig vernichten könnte. Er durfte dieses Dach nicht weiter beladen. Er musste mit seinen Säulen gegenhalten, ob er wollte oder nicht. Denn zwei davon waren besonders stark, gefestigt und mit Metall versehen, um alles durchzuhalten. Der Schmerz kehrte mit der Information zurück, was seinen Freunden geschehen war. Die Leere breitete sich aus, als ihm klar wurde, dass es Liebe war, die sein gesamtes Konstrukt dermaßen belastete. Liebe fütterte den Schmerz, nährte die Leere und schuf neue Ängste. Liebe für eine Person, die nie davon erfahren oder ihn gar zurücklieben könnte. So saß sein gesamtes Sein unter diesem zitternden Dach, getragen von zwei kräftigen und einer nahezu vegessenen Säule. Seine einsame, kleine Existenz. Sie würde bestehen, hier im Schatten sitzen und sich gar ein wenig in ihrer kleinen Welt bewegen dürfen, solange sie auf Dach und Säulen achtete - auf jede von ihnen. Synnover legte seinen Namen ab und wandte sich den Masken der eingestaubten Säule zu. Syn griff nach ihnen.

Eine illusionäre Ruhe legte sich über ihn. Syn blickte mit glatten Zügen auf die hereinbrechende Dämmerung. In wenigen Minuten hätte der Verlauf die Farbe von Larianas Augen angenommen und es müssten nur noch die Sterne erscheinen, um ein perfektes Abbild ihres Blicks an den Himmel zu zaubern. Es schmerzte, das zu sehen, weil es auch schmerzte, Lariana anzusehen. Seine Welt war zu einem kleinen, engen Schrankfach geworden. Er roch das Holz, den eigenen Schweiß und die Angst darin, nie wieder die Tür öffnen zu können. Sein Herz krampfte. Er muste sich von all dem lösen, um atmen zu können. Er musste den Himmel wieder anschauen können, ohne an Lariana zu denken. Vielleicht gelänge ihm das dann auch mit Zarrah, wann immer er ... überhaupt dachte.
Ein Schauer rann ihm über den Rücken. Es piekte. Es schmerzte. Denn er wusste insgeheim, dass er Lariana nicht von sich stoßen wollte. In seinem emotionalen Chaos glaubte er aber auch, dass es für ihn die einzige Möglichkeit war, zu überleben. Ansonsten würde er an all dem Schmerz vergehen.
"Oh Syn...nover..."
Er keuchte, schüttelte den Kopf. Warum benutzte sie den Namen immer noch? Spürte sie nicht, wie sehr sie ihn damit quälte? Kein Peitschenhieb könnte so tiefe Narben hinterlassen wie der leise Klang seiner eigenen Namenssilben. Endlich wurde sie still. Sie wandte sich sogar ein Stück weit ab, um nun ihrerseits in den Himmel zu schauen. Der Abschied für immer leitete sich ein. Syn wappnete sich. Auch das würde schmerzen, aber sein Leben hatte ihn darauf vorbereitet. Er hatte so viele kommen und gehen sehen, oft genug durch seine eigene Hand. Jeglicher Versuch eines Kindes, mit Goblins in den Hinterhöfen etwas Kontakt aufzubauen, war meist noch am gleichen Tag zunichte gemacht worden, weil er im Kampf gegen sie hatte überleben müssen. Später setzte es sich in der Arena fort. Manchmal verlangte man ja auch von ihm, gemeinsam mit jemandem zu kämpfen. Razag... Auch das schmerzte. Aber wie viele andere würde dieser Schmerz schneller und leichter vergehen als alles, was sein, Crystins, Zarrahs Tod und Larianas wiederholte Nennung seines Namens - ihre Nähe zu ihm - auslösen könnten. Er musste sich auf den kurzen Schmerz konzentrieren, denn jenen würde er überstehen. Es würde wehtun, aber nicht ewig. Syn schloss die Augen, während er seinen Körper unbewusst anspannte, weil seine Seele nach allen Möglichkeiten suchte, die Gefühle für Lariana auszusperren.
Als er glaubte, es beinahe geschafft zu haben und bereit zu sein, musste sie jedoch erneut sprechen. Syn biss sich auf die Unterlippe. "Ich ... ich kann nicht leugnen, dass es mir das Herz zerreißt, dass du mich nicht mehr sehen willst. Aber ... aber ich verstehe, dass du jetzt Zeit brauchst." Er schwieg. Er fürchtete, jedes Wort könnte seinen Entschluss gefährden. Denn er wollte Lariana sehen. Er sah sie gern, am liebsten beim Backen. Da entfaltete sie eine Passion, die ihn zwar nicht ansteckte - Syn gehörte wahrlich nur als Esser in die Küche -, aber die ihm eine gewisse Wärme schenkte. Jedes Mal, wenn sich Mehl auf ihrer Nase absetzte oder sie gemeinsam vom Teig naschten. Wann immer Lari ihm die ausgestochenen Plätzchen zeigte oder lachte, weil seine Verzierungen im Ofen zu einem bunten Klumpen zusammengeschmolzen waren. Er würde es vermissen, aber er würde überleben. Das musste er, denn in seinem Inneren war ein noch härterer Entschluss gereift. Er musste sich darauf konzentrieren, zu lernen. Möglichst viel in möglichst kurzer Zeit. Er müsste ein Weltklasse-Luftmagier, ein phänomenaler Fächerkämpfer und nicht zuletzt der beste Himmelsreiter werden, den Hymlia je gesehen hätte. Nein. Ich muss nur in allem besser werden. Und Himmeslreiter. Zehn Monate ... Wenn er die durchstand, würde er tun, was voll und ganz seinem Willen entsprach. Er musste durchhalten. Er musste überleben ... auch wenn es bedeutete, lieb Gewonnenes hinter sich zu lassen. Es muss sein.
Sie hatte schon wieder zu Sprechen begonnen. Es glitt an ihm vorbei wie das Rauschen eines Baches. Wasser war mit den Fingern so schwer greifbar. Wenn aber ein silbrig glänzender Fisch heraussprang, um ihn vollzuspritzen, wurde selbst er aufmerksam. Sein Silberfischchen trug seinen Namen. Lariana musste ihn wieder nennen. In Syn krampfte sich alles zusammen. Er japste auf.
"Ich will nur sagen ... ich bin da. Egal, wann dir danach ist, du ... dir Tür steht dir immer offen, in Ordnung?" Er nickte mechanisch. Er würde das Angebot nicht annehmen. Er konnte nicht. Denn dann würde er Lariana vielleicht noch zu sehr mögen ... und wenn auch sie stürbe... er wollte es sich nicht ausmalen. Wieviel an ihm konnte denn och zerbrechen?! "Versprichst du mir nur etwas?" Ihre schönen Augen tauchten in seinem Sichtfeld auf. Sie nahmen es vollkommen ein. Syn stellte erst jetzt fest, dass auch sie geweint hatte und ihr das Wasser erneut in den Augenwinkeln stand. "Versprichst du mir, dass du nicht in die Einsamkeit abgleitest und alles vergisst, was du hier gewonnen hast?" Er öffnete den Mund, um etwas zu erwidern. Um ihr zu sagen, dass er es nicht versprechen konnte, weil die Einsamkeit für ihn bestimmt war. Weil sie ihn zusammehielt, gemeinsam mit dem Schmerz und den Masken, die er tragen würde, damit niemand sich an diesem Elened stören könnte. Dass es nur das war, was er kannte und was funktionierte, ohne dass er sich selbst zerstörte. Etwas wie seine Freundschaft zu Razag und Crystin, seine Zuneigung zu ihr selbst, seine ... Liebe zu ... Das darf es nicht geben. Nicht für mich. Nicht jetzt. Vielleicht eines Tages ... Hoffnung starb zuletzt. Nach wie vor hegte etwas in ihm, so klein es auch war, die Hoffnung, dass er sich irrte. Aber er konnte und durfte sich nun nicht daran klammern. Denn er musste-
"Deine Freunde haben dich ein Stück des Weges begleitet ... sie waren die Geburtshelfer für den Synnover, der nun hier in seiner Heimat ist. Der Träume hat, der lachen kann und beginnt seine Vergangenheit abzustreifen."
"Hör endlich auf damit!" Es klang nicht halb so harsch wie er es hinausbrüllen wollte, denn ihm fehlte die Kraft. Ihm fehlte die Wut. Syn wurde von Angst, Leere und Schmerz erfüllt. Nichts davon war leidenschaftlich genug, um solche Worte mit Kraft anzureichern. Sie klangen verzweifelt. Er bettelte. Dann fasste er sich. Er ließ einmal die Schultern rollen, bemühte sich um eine ruhige Miene und noch ruhigere Stimme. Letztere zitterte leicht. "Er ... ist nicht mehr, verstehst du denn nicht? Er - sie! - ist tot." Er kniff die Augen zusammen, um den Tränenfluss aufzuhalten. Dieses Mal gelang es.
"Lass es nicht umsonst gewesen sein ... Wo auch immer deine Freunde jetzt sind ... sie waren es, die dich hergebracht haben und die sehen wollten, dass du fliegst." Er nickte langsam, die Augen noch immer geschlossen. Ja, er musste fliegen. Das war jetzt alles, was zählte. "Synnover, ich schätze, es ist nicht der Moment, aber ..." Der Rest ging unter. Gequält winselte er und krümmte sich vor. "Hör endlich auf, mich so zu quälen!", keuchte er. Der Name waren Tausend Messerstiche in sein Herz. Und noch ehe er sie wahrlich beschimpfen konnte, um vielleicht einen viel größeren Fehler zu machen, als den Abstand zu verlangen, den er aus eigener Sicht brauchte, schob eine zierliche Hand etwas in die seine. Anschließend schlangen sich zwei warme Arme um seinen Hals. Wärme schloss ihn ein, dass er erstarrte. "Nicht...", wisperte er so heiser, dass es keinen Klang bekam. Hatte er es überhaupt ausgesprochen? So warm... und weich... Seine Maske bekam Risse, seine Distanz bröckelte. Er wollte alle Mauern niederreißen. Syns Finger zuckten zögerlich.
Lariana war zu schnell. Sie löste sich, ehe er den letzten Sprung machen und sich überwinden konnte. Die Wärme schwand. Der verführerische Moment, einfach aufzugeben und seine Seele doch noch zerstören zu lassen, war vorbei. Syn sah noch einen silbrigen Haarschopf, der sich mit wellenartigen Sprüngen von ihm entfernte. Er sah Tränen durch die Luft glitzern, als hätte jemand Diamantstaub geworfen. Und er vernahm das Echo von Larianas Liebesschwur in seinem Geist. Das war er, der Abschied für immer. Lauf ihr nicht nach, gemahnte er sich und zwang sich zugleich, ihr Verschwinden bis zum Schluss anzusehen. Er folterte sich mit diesen Bildern. Es war der bessere Schmerz, aber einer, der gerade für den Moment alles überdeckte. Er würde zu schnell vergehen, doch es war besser so. Es musste so sein.
Synnover wusste nicht, wie lange er nun allein am Koppelzaun stand. Inzwischen war die Dämmerung hereingebrochen, so dass Hymlias Lichter bald wie kleine, matte Sonnen die Wege würden erhellen müssen. Pastellfarben verblassten, Grau breitete sich aus. In ihm herrschte Schwärze. Da erinnerte er sich an das Übergeben in seiner Hand. Er hatte jene so fest zur Faust geballt, dass es ihm bisweilen gar nicht mehr aufgefallen war. Nun aber bemerkte er es und warf einen Blick darauf. Lariana hatte ihm eine Nachricht überbringen wollen, offenbar eine gute, denn ihre Laune war herzlich gewesen, bevor auch sie durch die Schreckensbotschaft aus der Bahn geworfen worden war. Was war das nun für eine Botschaft? Syn entfaltete das Papier. Er erkannte Gallanvas schnörkelige Schrift, die ihm schon immer eher wie kleine Gemälde vorgekommen war. Er brauchte eine Weile, um die wenigen Zeilen in der wachsenden Dunkelheit zu lesen. Dann las er sie ein zweites, ein drittes und viertes Mal. Tränen tropften auf das Papier. Schließlich sog er die Luft scharf ein und zerknüllte die Nachricht. "Nur noch Syn", sprach er sich selbst zu, steckte das Papier mit den Namen seiner Eltern und Schwester aber ein.

Die nächsten Tage verliefen anders als es die Hymlianer seit der Rückkehr eines der ihren gewohnt waren, zumindest was Syns unmittelbares Umfeld betraf. Im Haus des Willkommensbotschafters Gallanva traf man ihn nicht mehr an. Er hat sein weniges Hab und Gut genommen und war ausgezogen. Nun stellte es sich als Vorteil heraus, dass er einen Anteil seines Lohns zurückgelegt hatte. Davon zahlte er jetzt das kleinste erschwingliche Zimmer in der Schänke "Zur Leuchtenden Wolke". Er aß dort - allein - an einem der abgelegensten Tische. Am gleichen Tisch versuchte er auch, den Vormittag lang die luftmagisch theoretischen Lektionen in seinen Kopf zu bekommen. Zu Professor Filius' Unterricht war er nicht mehr erschienen. Mit dem Lehrenden hegte er keinerlei Groll, fürchtete nicht einmal, dass es ihm Probleme machen könnte, die Bindung zu ihm zu halten. Allerdings war Syn nicht bei der Sache. Er würde den Lektionen weder folgen, noch seine Übungen anständig durchführen können. Das hatte er noch in der Nacht nach seinem Bruch mit Lariana bemerkt, als er versucht hatte, sich mit Luftmagie abzulenken. Der Wind strauchelte, gehorchte ihm nicht oder weigerte sich vollends, überhaupt zu wirken. Frustriert hatte er seine Übungen abgebrochen. Seither fasste er nicht den Mut auf, dem Professor unter die Augen zu treten, der so viel in ihn gesetzt und ihn mehrfach gelobt hatte. Er würde die Blicke der anderen Schüler nicht ertragen, noch weniger mögliches Beileid, am allerwenigsten ihren Spott, dass der Tod eines Orks, einer Dunkelelfe und einer Heilerin ihn überhaupt dermaßen belastete.
Also versuchte er es für sich, aber auch im Selbststudium brachte er nicht die nötige Konzentration auf, um sich länger als wenige Minuten mit einer Thematik zu beschäftigen. Es half auch nichts, dass er sich dabei selbst ohrfeigte oder viel zu viel Geld in Getränke steckte, um seinen Frust herunterzuspülen. Wenigstens hier besann er sich schnell, denn er musste sparsam sein, wenn er das Zimmer behalten wollte. Dabei bräuchte er es nicht einmal wirklich. Ein Stauraum irgendwo hätte ausgereicht.
Syn schlief kaum. Es gelang ihm nicht. Schon die Abende, wenn Hymlia ruhiger wurde, schickten ihm Tagträume mit Szenarien, wie die letzten Momente seiner Freunde ausgesehen hätten. Reue stieg regelmäßig in ihm auf, nicht einmal Zarrah mitgenommen zu haben. Er hätte sie alle mit nach Hymlia retten sollen. Alle. Razag, Crystin, Erin und Amos, Flosse und sogar Sprotte. Sogar ihn! Ob auch nur einer überlebt haben mochte? Syn bezweifelte es. Das Meer war so groß und schön und weit wie der Himmel. Wenn das Schiff zerbrach, auf dem man fuhr, konnte man unmöglich eine Chance haben. Geplagt von diesen Bildern und Gedankengängen war auch an Schlaf nicht zu denken. Davon ab, dass er schon im Hause Wolkenlos schwierig gewesen war, wenn Lariana ihren Freiraum und eine Nacht für sich haben wollte, zeichnete sich auch nach zwei Monaten immer noch ab, dass Syn kaum ein Auge zubekam, wenn er der Platz neben ihm im Bett leer blieb.
Um sich von alldem abzulenken, verweilte Syn oft im Schankraum. Andere Gäste, die Musik und der Lärm überdröhnten das Chaos in seinem eigenen Kopf und wenn er sich selbst gelegentlich auf die Tanzfläche begab, um dort umher zu wirbeln, beruhigte sich teilweise sogar sein Herz. Aber er tanzte allein. Er saß allein und er blieb allein. Wann immer jemand auf ihn zukam, suchte er schweigend das Heil in der Flucht. Er war schneller, windiger. Er entkam jedes Mal. Dann saß er irgendwo am Rand der Himmelsstand, die Beine über die Kante baumelnd, blickte zum Himmel und weinte stumm. Es gab bei ihm keinen Ausbruch. Er schrie nicht, weder seinen noch Zarrahs Namen. So hatte er es nicht gelernt. Die Nachtklingen sagten nichts über seine Tränen, aber sie hatten stets erwartet, dass er still weinte.

Heute Nacht waren die Gefühle in ihm besonders schlimm. Er war müde, fühlte sich kraftlos und ausgelaugt. Vor allem aber nahm sich die Bewirtung der Taverne heute ihren freien Abend. Es gab keine Trinkenden, keine feierlaunigen Studenten, keine anderen Gäste, die das Tanzbein schwangen oder halb berauscht zur Melodie der Musiker sangen. Es war erschreckend still in Hymlia ... und laut in Syns Kopf. Er verließ also die Schänke und streifte wie ein heimatloser Streuner durch die Straßen, beide Hände in den Hosentaschen vergraben. Die Einsamkeit machte ihm heute schwer zu schaffen. Er würde überhaupt kein Auge zutun und morgen sollte er sich doch mit Layan treffen, um über die Eignung zum Himmelsreiter zu entscheiden. Das durfte er nicht vermasseln. Druck lastete auf ihm, paarte sich mit der bereits vorherrschenden Müdigkeit und dem Kummer in seinem Herzen. Wie von selbst führten ihn die Füße zum Haus des Botschafters. Vor der Tür blieb er stehen. Sein Blick glitt jedoch zum Fenster. Er schnupperte instinktiv, erhoffte isch fast, die Aromen von Larianas Kochkünsten zu erhaschen. Dann versteifte er sich. "Nein ... ich darf nicht nachlassen." Er sprach es laut genug aus, um es selbst zu hören und sich zu erinnern, nicht einzuknicken. Schon wandte er sich ab, lief zügig, bis er rannte und wieder in den Straßen verschwand. Seine Augenwinkel brannten heiß, aber er vergoss keine Träne. Als er abbremste und sich mit dem Rücken gegen eine Hauswand lehnte, las er den Straßennamen gegenüber: Wolkengasse. Syn zuckte zusammen. Dann stieß er sich ab und schlich einige Gebäude entlang. Bei Hausnummer sechs blieb er stehen, um zur vier herüberzuschauen. Durchaus mit Neugier erfasste er den Anblick dessen, was offenbar auch mal sein Heim gewesen sein musste. Verschollen im Alter von 5 Jahren, erinnerte er sich an die Notiz auf dem Zettel, die neben seinem eigenen Namen gemacht worden war. Synnover Federflug. Er spähte aus den nächtlichen Schatten hervor. Nichts am Haus weckte in ihm Erinnerungen, ebenso wenig wie es die Namen seiner Eltern getan hatten. Vermutlich war er zu klein gewesen, hatte sie vielleicht nur Mama und Papa genannt. Oder aber etwas hatte all seine Erinnerungen an sie gelöscht. Und Kira Federflug? Sechzehn Jahre ... war er denn in etwa so alt? Er wusste es nicht. Alles, was er wusste, war, dass er sechs Jahre bei den Nachtklingen verbracht hatte. Aber er hatte sich auch älter gefühlt als zehn, als man ihn dorthin brachte. Für Syn stand nur eines fest: Seine Eltern hatten offenbar schnell für Ersatz gesorgt. Mit diesem Gedanken riss er Gallanvas Notiz in zwei Teile, warf sie zu Boden und wandte sich ab. Es ist besser so. Sie haben sich mit einem Leben ohne Synnover abgefunden ... ich muss das auch tun. Außerdem sollte er sich auch nicht an neue Bekanntschaften binden, ebenso wenig wie an alte. Jeder könnte plötzlich im Meer sterben. Er schauderte, schlang im Gehen die Arme um sich selbst. Er fühlte sich schrecklich allein.
Und dann blieb er stehen, als er sich an Larianas Bitte erinnerte. Das Versprechen, nicht in die Einsamkeit zurückzukehren. "Aber was soll ich denn tun?", wisperte er in die Stille der Nacht.
Keine zehn Minuten später stand er vor der Pforte eines Hauses, den Kopf gesenkt. Er zögerte, wagte es nicht. Weitere Minuten vergingen, in denen er sich nicht rührte. Schließlich riss er sich zusammen, straffte seine Haltung und klopft energisch an. Hoffentlich war Galina überhaupt zu Hause. Hoffentlich würde sie die Tür öffnen und hoffentlich war sie noch immer an ihm so interessiert wie an anderen Männern ihrer langen Liste. Denn sie war aktuell seine einzige Chance ... auf Ablenkung, auf Schlaf und einer Nacht, der Einsamkeit zu entkommen, um sein Versprechen zu halten.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. November 2024, 09:34

Synnover liebte. Er liebte und die Erkenntnis war so niederschmetternd und unstet für ihn, dass er kaum Luft bekam. Der Hymlianer musste mit der traurigen Nachricht erkennen, dass er längst wusste, was Liebe war. Er hatte sich lediglich davor verschlossen aus Angst, dass sein mühsam und mit Blut und Tränen erschaffenes Seelenhaus einstürzte, sobald er es in den Grundfesten erschütterte. Doch jetzt wog die Last dieses Wissens umso schwerer. Zarrah war nicht nur diejenige, die ihm die Freiheit vor die Füße geworfen hatte, sie war vor allem auch jene, die bis in sein Herz gelangt war, um dort mit einem Finger etwas zu berühren, was er für tot gehalten hatte. Sie erweckte es zum Leben, aber sie würde niemals erfahren, dass sie es gewesen war, die es schaffte. Was fing man an mit Liebe, die nicht erwidert wurde? Syn hatte nur das Wissen, dass sie es tat, weil Professor Filius ihn auf die Spur gebracht hatte. Aber er hatte es niemals von ihr erfahren und würde es nun auch nicht mehr. Er musste sich nun an das halten, was ihn jahrelang beschützt hatte. Und das schloss die Einsamkeit ein. Auch wenn er sich nach Lariana sehnte, nach ihrem guten Herzen und ihrer umhüllenden Seele, die seiner so schmeichelte, konnte er jetzt nicht damit umgehen. Er fürchtete zu zerspringen, endgültig und so zog er sich von allem zurück, das unbekannt und vulnerabel war. Und es schmerzte, dass er Lari damit traf. Er mochte sie. Er mochte sie wirklich und er wollte sie nicht von sich stoßen, aber es war die einzige Methode, die er kannte. Syn kehrte zurück und verdrängte Synnover. Letzterer hatte die Freiheit berührt und war flügge geworden. Jetzt musste er erkennen, dass er zu hoch hinaus geflogen war. Die Sonne hatte seine Flügel geschmolzen und er war wieder gefallen. An jenen Ort, wo das Stück Treibgut ein Loch in den Boden und seine Seele schmolz.

Nachdem Synnover Lariana erfolgreich dazu gebracht hatte, ihn nicht mehr Synnover zu nennen und sie daraufhin ebenfalls erstmal Abstand brauchte, erlebte er alles weitere wie in Trance. Er wusste nicht mal mehr, wie er die nächsten Tage überhaupt gestaltete. Er zog bei Lariana aus und konnte sich ein Zimmer in der Taverne anmieten. Der Wirt dort war ein freundlicher Mensch, der ihm das Zimmer gar zum halben Preis überlies, weil er wusste, wie hart die Zeiten sein konnten. Syn würde also eine Weile dort wohnen können. Das Zimmer war nichts im Vergleich zu dem Haus in dem Lariana wohnte. Aber es war weitaus gemütlicher als so manch andere Taverne. Es ließ sich nicht mit der Waldhütte vergleichen, wo er das erste Mal mit Zarrah… Nein, wo sie das erste Mal… Die Gedanken waren das Problem. Er schaffte es kaum sich nicht damit zu beschäftigen und für Ablenkung, wie seinen Studien, fehlte ihm einfach die Konzentration. Synnover schlief nicht mehr und das hatte weitere Folgen. Er hatte keine Chance auf einen vernünftigen Pfad zu gelangen, wenn er nicht schlief, nicht zur Ruhe kam. Unruhig und vor allem rastlos fand er sich manchmal vor dem Haus der Frau wieder, die ihm so viel Gutes beschert hatte. Aber die er nicht aufsuchen konnte, aus Angst, dass er sie auch noch verlieren würde. Es war eine seltsame Art zu denken, aber die Einzige, die er kannte. Synnover hatte daran weniger gedacht, aber mit der Nachricht über seine Freunde, musste Syn sich eingestehen, dass es ein viel zu hohes Risiko war. Er verbat sich selbst die Zuneigung und Wärme, die Lariana ihm wohl hätte geben können und lief weiter. Bis er plötzlich ein Gassenschild erkannte. Wolkengasse. Seine Augen suchten automatisch nach der Nummer, die er auf dem Zettel gelesen hatte. Nummer 4. Er beobachtete das Haus und fand eine hübsche Fassade vor. Es hatte jeweils zwei Fenster in den Stockwerken. Syn erkannte die Blumenkästen die im Erdgeschoss, neben der roten Eingangstür und im ersten Stock vor den Fenstern hingen. Sie waren mit hübschen Wolkenblumen bepflanzt. Doch neben dem Eingang fand sich eine einzelne Blüte, die mehr den Blumen am Boden ähnelte. Sie war zartgrün und besaß einen wunderschönen Kelch. Auch fiel die rote Tür auf, denn alle anderen waren Grün. Einladend war das gemütliche Licht, das durch die Fenster ein wenig auf die Gasse fiel. Als ein Schatten plötzlich an einem der Fenster auftauchte, zerriss Syn das Papier und ließ es achtlos liegen. Dieses Kapitel würde er nicht aufschlagen. Er musste sich darauf konzentriere, der Beste zu werden. Er hatte eine Aufgabe! Für Luftmagie fehlte ihm derzeit die Konzentration, aber morgen würde er sich in die Ausbildung begeben. Und das wäre etwas, was Körper und Geist verlangte. Doch wenn er jetzt nicht schlief… wie sollte er morgen dann bestehen? Syn’s Füße lenkten ihn wie von selbst zu einer weiteren, hart erlernten Erinnerung. Ohne auch hier darüber nachzudenken, lief er die Gassen entlang und fand sich mittlerweile gut zurecht. Es war nicht schwer, lebte man erstmal hier. Und schließlich fand er sich vor Galina’s Haus wieder. Er sah die Tür, sah das Licht, das auch hier brannte. Sie war zu Hause… hoffte er. Er musste schlafen, er musste dringend Ruhen.

Und er wusste, wie er sich das holen konnte. Es funktionierte. Immer. Was das mit seiner Seele machte, die inzwischen Geborgenheit, Wärme und Zuneigung erhalten hatte, das würde sich dann am nächsten Tag zeigen. Jetzt aber straffte er seine Haltung und klopfte gegen die braune Tür zu Galina’s Haus an. Er wartete. Es brannte Licht. Sie musste da sein. Oder zumindest ihre Familie. Aber bisher blieb alles ruhig. Bis sich plötzlich eilige Schritte eine Holztreppe hinab bewegten. „…Ja-ja- ich weiß. Und trotzdem solltest du dir mal überlegen, ob du nicht mal wieder vorbeischaust. Ich mach den ganzen Scheiß allein!“, hörte Syn dann erst nuschelig, durch die geschlossene Tür und anschließend deutlich eine Frauenstimme. Als die Tür dann schwungvoll geöffnet wurde, wurde er tatsächlich umgerannt. „uhmpf!“, hörte er noch, als die Person zu der Stimme hinaustrat und den Kopf ins Innere des Hauses gerichtet hatte. Syn spürte, wie er umgerempelt wurde und ihn dann zwei Hände packten, damit er nicht fiel. „Hoppla!“, hörte er in dem Chaos noch, ehe er sich sortiert bekam und Ausschau nach der Verursacherin halten konnte. Anders als vielleicht erwartet, war nicht Galina diejenige, die sich ihm zeigte. Kein rotes Haar leuchtete ihm entgegen. Es war schlohweiß, seinem sehr ähnlich. Lange und wild umrahmte es ein ebenso schönes Gesicht, wie er hier schon oft gesehen hatte.
Dieses jedoch war etwas jünger, wies klare, zartgrüne Augen auf und eine perlmuttfarbene Haut. Die feinen, roten Lippen kräuselten sich zu einem Lächeln, das der Trägerin einen gewitzten Ausdruck verlieh. „Entschuldige!“, sagte sie dann und gluckste. Hinter ihr tauchte dann Galina auf. „Synnover!“, rief die Rothaarige überrascht und blickte über die Schulter des anderen Mädchens zum Hymlianer. „Was machst du hier?“, fragte Galina, ehe das Mädchen sich aber in den Fokus schob. „Synnover?“, fragte sie und kurz runzelte sich ihre Stirn. Ihre Augen tasteten sein Gesicht ab und sie sah ihn richtig an, während sie immernoch seine Arme festhielt. „Du kannst jetzt abhauen, Kira, ich habs verstanden! Ich bin morgen da!“, schnarrte Galina, die es eilig hatte die andere loszuwerden, als ahnte sie, weshalb Synnover da war. Doch Kira rührte sich nicht. Sie starrte Synnover an und in ihren zartgrünen Augen, die seinen so ähnlich waren, puzzelte sich eine hoffnungsvolle Erkenntnis zusammen, die jedoch mit Zweifel gepaart war. Das konnte schließlich nicht sein…
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Donnerstag 14. November 2024, 15:14

Er wusste es. Syn wusste, dass es falsch war, jetzt zu Galina zu gehen. Er wusste ebenso, dass er in alte Muster zurückfiel, aus denen er sich im Grunde längst befreit hatte. Dank ... Zarrah... Aber genau das war der Grund, warum er nun vor der dunklen Tür stand und die Maserung im Holz betrachtete. Sie war für alles der Grund. Sie hatte ihn aus einem Schicksal als Haustierchen einer Gruppe von Orks geholt. Sie hatte ihn zu den Nachtklingen gebracht. Sie ... war indirekt dafür verantwortlich, dass man sein junges Leben Elfen wie Yolintha vorgeworfen hatte, die nicht nur seinen Körper, sondern auch seine Seele missbrauchten, über Jahre! Sie war der Grund, dass er in Karrishs manipulativem Spiel etwas wie Wertschätzung gesehen und sich voll und ganz von ihm abhängig gemacht hatte. Trotzdem blieb sie in Syns Augen frei von Schuld. Denn sie hatte ihn auch gerettet. Sie hatte ihn aus seinem alten Leben und in die Freiheit gerissen, ihm Wälder und den Himmel gezeigt. Echte Zuneigung, ohne dass sie im Gegenzug etwas von ihm erwartete. Sie hatte ihn Freundschaften aufbauen, Fehler machen, vor allem aber lernen lassen. Sie hatte ihm seinen Namen gestohlen, damit er ihn mit der Welt teilen konnte. Sie war überall. Er konnte sich ihr auch nach ihrem vermeintlichen Tod nicht entziehen, weil seine Gedanken das einzige suchten, was ihm nach seinem Leidensweg zum ersten Mal gut getan hatte. Weil er sie ... liebte. Es schmerzte abartig.
Syn hatte keine Wahl. Er musste den Kopf irgendwie frei bekommen. Er brauchte Schlaf, ein paar Stunden Frieden. Ansonsten würde er morgen bei Layan Fehler begehen, die seine ganze Zukunft beeinflussen würden. Das durfte nicht passieren. Er hatte sich doch Ziele gesteckt. Verbissen wollte er sie auch erreichen, da zeigte sich die Spur Ehrgeiz, die er in Morgeria nie wllentlich aufgebracht hatte. Dort hatte er gehandelt, gelernt und gesiegt, weil andere es von ihm erwarteten. Hier in Hymlia - in Freiheit und ohne Zarrah - erwartete er es von sich selbst. Er musste morgen erfolgreich sein und deshalb war es nötig, heute seine ganze Existenz zu verkaufen. Wieder einmal. Ein letztes Mal. Einmal nur noch ... wie oft hatte er diese Ausrede vor sich selbst genutzt, um die nächste Nacht mit einem verführerischen Lächeln auf den Lippen durchzustehen. Auch jetzt rang er es sich ab und es gelang. Denn das konnte er. Er war ein Maskenspieler, ein Schausteller wie Razag ihn genannt hatte. Er war perfekt und würde es für Galina heute Nacht wieder sein. Sie brauchte die Hintergründe nicht zu kennen, solange sie ihn nur zu sich ins Bett zerrte und dort schlafen ließ, sobald er ihr die Scherben seiner Seele übergeben und seinen Leib verausgabt hätte. Er würde schlafen. Er würde sich erholen und morgen einfach nicht mehr darüber nachdenken. Er würde funktionieren wie er es immer getan hatte - gegen seinen Willen. Wie frei bin ich denn wirklich ohne ... sie...?
Mit der Schwere seines Herzens als Gegengewicht war es wiederum ein Leichtes die Hand zu heben. Sacht trafen seine Knöchel auf das Holz. Hatte man sein Klopfen überhaupt gehört? Aus dem Inneren wurden Stimmen laut. Syn beherrschte inzwischen genug Hymlikor, um die Worte zu deuten, ihren Kontext allerdings nicht. Vor allem erkannte er die lautere, die nähere Stimme nicht als Galinas. War es ihre Mutter? Eine Schwester? War Galina überhaupt zu Hause? Gerade als er darüber nachdachte, einen Rückzieher zu machen und sich abzuwenden, riss jemand von innen die Tür auf und lief direkt in ihn hinein. Silberweißes Haar flog vor seinen Augen hoch. Der Laut des Aufpralls stieß warmen Atem gegen seine nackte Haut unter dem Hemd. Es war nicht vollkommen schmutzig, aber Syn hatte seit seinem Auszug keinerlei haushälterischen Pflichten für sich erledigt. Er bekam es ja nicht einmal hin, das Studium der Luftmagie fortzusetzen. Das einzige, was halbwegs klappte, war die Übungschoreographie mit seinen Kampffächern. Denn die beherrschte er schon gut und die Bewegung lenkte ihn von allem anderen ab. Wenigstens eine Weile. Wenn sie zu sehr in Fleisch und Blut überging, dass er auf die Ausbesserung kleiner Fehler nicht mehr achten musste, stahlen sich Gedanken an Zarrah in seinen Geist und dann war es mit dem Üben vorbei. Wie sollte er so alltägliche Dinge wie Wäschewaschen bewältigen, die er nicht einmal im Haus der Nachtklingen übernommen hatte? Dafür hatte es Sklaven gegeben, von denen er sich im Wert hatte abheben können. Und nun? Wieviel Wert besaß er noch, dass er schon wieder bereit war, sich in die Hände einer Frau zu begeben, die nichts für ihn empfand - maximal Lust?
Aber es waren nicht Galinas Hände, die ihn nun langsam von sich drückten, um seine Unversehrtheit zu begutachten. Syn schaute in ein lindgrünes, munteres Augenpaar, umrahmt von Haaren so weiß wie seine. Die Haut glich dem sanften Perlmutt rosiger Muscheln. Sein Gegenüber war bezaubernd, aber das galt für nahezu alle Hymlianer. Weder sie noch er stachen groß hervor - nun gut, Syn mochte aufgrund der eher fahlen Haut, den Augenringen und seiner distanzierten Miene durchaus gerade eine Ausnahme bilden. Es war jedoch nicht der Grund, weshalb dieses Mädchen ihn plötlzich mit geweitetem Blick anschaute. Der Grund war...
"Synnover! Was machst du hier?" Zunächst zuckte er zusammen, als wäre er sich irgendeines Schmerzes durch den unglücklichen Aufprall der Fremden gerade erst bewusst geworden. Er krümmte sich leicht. Sein Herz zog sich zusammen und es schnürte ihm die Kehle zu. Galina sprach seinen Namen auch nicht so schön aus, wie er es sich wünschte. Er sehnte sich nach einer ganz bestimmten Klangfarbe und dennoch schaffte sie es, ihm erneut einen Dolch tief durch den Leib zu rammen, der sein Herz bluten ließ. Als wäre das nicht schon genug, wiederholt die Fremde den Namen glatt und ja, jetzt starrte sie ihn mit gerunzelter Stirn und seltsamem Blick an, den er selbst nicht ganz deuten konnte.
Er musste sich davon befreien, bevor sie ihn beide weiter malträtieren würden. Dafür war er schließlich nicht hergekommen. "Syn ... nur noch Syn. Benutz den ganzen Namen nicht mehr", bat er Galina und ärgerte sich über sich selbst. Er klang so erbärmlich! Wie sollte er sie verführen und dazu bewegt bekommen, sich mit ihm zu bewegen, damit er danach neben ihr im Bett schlummern könnte? Er klang wie ein Bittsteller, der mehr Geschlechtskrankheiten als Freuden zu bieten hätte. Sie würde ihn sofort der Tür verweisen, aber sie tat es nicht. Stattdessen wollte sie ihren Gast zum Gehen bewegen: "Du kannst jetzt abhauen, Kira, ich hab's verstanden! Ich bin morgen da!"
Syn stutzte. Nun wanderten seine Augen über die Gestalt seines Gegenübers. Weißes Haar, hellgrüne Augen, eine samtweich anmutende, helle Haut. Ein perfekter Körper, jung und straff. Jung ... sechzehn Jahre vielleicht? Zwei Menschen starrten einander an, musterten sich gegenseitig und verarbeiteten die durch ihre Namen gerade eingeholten Informationen. In der einen wuchs Hoffnung, im anderen ... Unbehagen. Das kann nicht sein ... aber Hymlia ist klein! Wenn sie es ist ... nein ... keine neuen Bindungen ... ich darf das nicht zulassen! Sein Geist schweifte um einen Versuch, die Ablehnung herbeizuführen, ohne sich verdächtig zu machen. Er war abgelenkt, so dass sein Mund Zeit hatte, endlich zu handeln. Denn jeder wurde von einer Neugier angetrieben, die aus Sehnsucht geboren worden war, der Einsamkeit zu entkommen. Allerdings wollte sie es auf andere Weise tun als der Rest von Syns Sein. Hier öffnete sich eine neue Tür, wie Lariana gesagt hatte und ein kleiner Teil von Syn hoffte darauf, dass er nicht mit dem Schmerz verbunden wäre, der ihn nun schon Tage lang lähmte.
"Kira?", stieß er sachte hervor und ehe sein Verstand begriff, was er da eigentlich gerade anstellte, waren seine Lippen schon weiter. "So wie ... Kira Federflug?" Sie sah ihm ähnlich. Allein ihr Blick, die wunderschönen Iriden. Syn hatte sie oft im Spiegel seines Zimmers in Morgeria betrachtet. Er hatte Schmuck ausgewählt, um den Glanz dieses Grüns zu untermalen, ohne den Fokus davon zu nehmen. Dunkelelfen liebten seine hellen, grünen Augen, weil alles an ihnen oftmals ... nun ... dunkler war. Selbst Zarrahs Grün besaß eine tiefere Intensität. Wo Synnover wie ein grünlicher Quarzstein wirkte, hatte er bei den Nachtklingen immer in reine Smaragde geblickt. Aber Zarrahs waren die schönsten Juwelen gewesen. Jene, mit denen er sich am liebsten geschmückt hatte, wann immer ihr Blick auf ihm gelegen hatte.
Sie schwirrte durch seinen Geist, erfüllte schon wieder oder immer noch seine Gedanken. Selbst jetzt, als er in das Antlitz seiner mutmaßlichen Schwester schaute. Als es vor ihm verschwamm, weil ihm die eigenen Augen feucht wurden. Aber der Schmerz wog schwerer. Er senkte den Kopf, die Lider. Er verschloss sich vor diesem Anblick. Es darf nicht sein. Ich bin nicht hier, um den Schmerz zu stärken. Nicht hier, um ... ihre Welt aus den Fugen zu heben. Sie hat Eltern. Die auch die seinen sein könnten. Sie hat ein Leben. Das auch das seine sein könnte. Sie hat mich nie kennen gelernt. Sie kann nichts vermissen. So wie er ein Leben lang in Morgeria nichts vermisst hatte, was man vor ihm bewusst verborgen hielt. Es geht ihr gut. Sie wirkt glücklich. Syn riss die Augen auf. Er starrte Kira entgegen, bemerkte nicht, dass seine Finger sich auch bereits an ihr festhielten, was auch immer er zu greifen bekam. Er starrte sie an. Er sah sich. Er war nie glücklich gewesen und es hatte Zarrahs forsches Handeln bedurft, ihn in die Veränderung zu schubsen, damit er das erkannte. Die Frage blieb, ob sie noch glücklich wäre, wenn es nach einem Wiedersehen, einem Kennen- und Mögenlernen nur doch wieder zu Verlust käme?
"Hallo ... Kira ... ich bin ..." Er stockte, holte Luft. Es schmerzte. Es brannte in seinen Lungen. Tränen rannen ihm über das Gesicht, weil er es kaum ertrug. Und er konnte es nicht. Er konnte ihn nicht sagen, nicht mehr nutzen. Er konnte nur eines tun. "Ich bin ... was vom verschollenen Bruder noch übrig ist." Syn. Er war nur noch Syn.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. November 2024, 23:09

Synnover war schon immer unfrei gewesen. Er hatte einen Weg eingeschlagen, der sich stets an anderen orientierte. Orientieren musste. Der kleine Mensch, der sich in einer vollkommen fremden Welt wiederfand und überleben musste. Der in den Orks, den Reißern so etwas, wie Familie erkannte. Weil er in seinem kleinen Herzen das innige Bedürfnis danach verspürte. Weil er es nicht in Worte fassen konnte, aber spürte, dass ihm etwas fehlte. Das Band einer Familie war etwas robustes. Es war kein Fähnchen im Wind. Synnover hatte geglaubt, dass ihm nichts fehlen würde. Er hatte die harte Wahrheit genommen und vor die geheimen Sehnsüchte seiner Gene geschoben. Liebe existierte nicht für ihn, denn er hatte sie nie erfahren. Doch nun… sah er sich plötzlich einem Spiegel konfrontiert, der ihm noch ganz andere Dinge aufzeigte. Die Familie, die er glaubte nie besessen zu haben, stand in Form von lindgrünen Augen, wilden, schlohweißen Haaren und einer feinen Haut vor ihm. Seine Vergangenheit griff nach seiner Gegenwart und umklammerte seine Arme. Die Erkenntnis war… Heftig. Während das Mädchen, das jünger als er selbst sein musste, noch immer starrte, erkannte Synnover einen Zusammenhang zu Informationen, die ihm direkt in den Nacken bissen. Und sie machten ihm Angst. Nein, sie versetzten ihn in Panik, weil er sich dagegen entschieden hatte. Er wollte keine Bindungen und doch… Doch war da etwas, dem er sich nicht entziehen konnte. Dieser Blick, als würde er ihm aus dem Spiegel entgegen blicken.

“Kira?“, wollte er wissen und die weiße Mähne schwang einmal vor und zurück bei ihrem Nicken. Noch immer ließ sie ihn nicht los. Sie waren wie erstarrt. "So wie ... Kira Federflug?" „Ihr kennt euch?“, fragte Galina aus dem Hintergrund und hatte derweil die Arme verschränkt und sich gegen den Türrahmen gelehnt. Sie trug ein weites Kleid, das man für die Gemütlichkeit im Haus anzog. Kira aber blinzelte. Sie öffnete die roten Lippen als wollte sie etwas sagen, aber sie schaffte es noch nicht. Sie stand gerade zwischen einer Wahrheit, der Hoffnung und einer Kindheit zwischen Normalität und Sehnsucht. Synnover ertrug es nicht. Er musste den Blick senken und focht einen inneren Konflikt aus. Er sah sich und das Leben, das er hätte führen können, führen sollen! Seine Hände brauchten Halt, weil seine Knie sonst nicht standhalten würden. Er war schon am Ende. Deswegen war er überhaupt nur hier. Hier bei Galina. Hatte also alles einen Sinn? War alles vorbestimmt? Musste es so sein? Und als er seine brennenden Augen wieder anhob, starrte ihm Kira immer noch perplex entgegen. Sie konnte sich nicht rühren aus Angst, es könnte alles nur Einbildung sein. "Hallo ... Kira ... ich bin ...Ich bin … was vom verschollenen Bruder noch übrig ist.“ „WAS?!“, hörte man Galina forsch quäken aber das änderte nichts. Keiner nahm jetzt Notiz von dem Rotschopf. Die Dinge veränderten sich und eine neue Tür wurde aufgestoßen. Plötzlich spürte Syn einen Ruck durch seinen Körper gehen. Nur kurz darauf spürte er eine mehr als innige Umarmung, die ihm zuteil wurde.
Er wurde umarmt, von seiner Schwester. Sie drückte ihn so fest, dass kein Zweifel bestand, dass sie sehr genau wusste, wer er war. Sie drückte ihn so sehr, dass er spüren konnte, dass sie im Bewusstsein aufwuchs, dass etwas fehlte. Dann hörte er sie schniefen und erleichtert auflachen. Noch immer ihren Bruder im Arm haltend, legte sie den Kopf in den Nacken und ließ ihren Gefühlen freien Lauf. Sie lächelte und weinte, dann zog sie den Rotz hoch: „Bei Ventha… da ist er…“, lachte sie, drückte Syn noch einmal und presste ihm gar einen innigen Schmatzer auf die Wange. Erst dann drückte sie ihn etwas von sich, um ihn anzusehen. Das Lindgrün der Schwester strahlte ihm feucht entgegen. „Du bist deutlich zu spät, aber… Ach wen interessiert das?! Jetzt bist du hier!“ Sie herzte ihn abermals und wandte sich dann zu Galina um, die ungläubig starrte. „Du hast einen Bruder?? IHN?“, fragte sie und Kira legte Syn einen Arm um die Schultern. „DAS ist er! Ja!“, sie feixte. Galina glotzte. Dann aber wandte sich Kira an den großen Bruder. Sie griff nach seiner Hand und zog ihn sanft mit sich. Weg von Galina. Weg von dem Haus, das seine Seele doch nur fressen würde. Kira würde Syn aber loslassen, wenn er es forcieren würde. Dennoch würde seine kleine Schwester ihn nicht einfach gehen lassen.

Kira blickte ihn oft genug von der Seite an und lachte dann einfach. Sie verspürte Glück, dann rollten wieder Tränen, weil sie es nicht glauben konnte. Immer wieder schüttelte sie den Kopf. „Ich fasse es nicht… ich meine, ich habe so viele Geschichten von dir gehört, ich kenne alles aus den ersten Jahren bevor du… ich kann es nicht glauben, dass du einfach hier stehst… Mein … Bruder… mein…. Mein großer Bruder!“, sprudelt sie los. Kira würde gemeinsam mit ihm, sollte er folgen, ein wenig die Straße entlanggehen, bis sie an einer Bank ankäme. Hier musste sich die Jüngere setzen und klopfte neben sich. „Weißt du, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, dass du zurückkommst??“ sie lachte. Kira wirkte lebensfroh und strotzte vor Energie. „Willst du Mama und Papa besuchen? Also, ich kann voll verstehen, wenn dir das zu heftig ist. Wir können damit auch warten aber… oh man, Syn… die werden umfallen, wenn sie dich sehen!“, schnatterte sie und musterte ihn. „Sie haben nie aufgehört an dich zu denken… ich meine… Du hast immer zu meinem Leben gehört und jetzt… jetzt kann ich mit dir reden… wir haben sogar jedes Jahr deinen Geburtstag gefeiert. Ich… du warst immer mein großer Bruder und jetzt endlich darf ich dich kennenlernen…“, sie wischte sich die Augen und zog erneut den Ärmel über ihre Nase. „Ist das heftig…“, schniefte sie abermals und lächelte ihn daraufhin an.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Freitag 15. November 2024, 12:23

Er wollte das nicht. Er sah sie direkt an und verschloss sich. Er wollte und er durfte keine Bindung eingehen, nicht einen Deut breit. Es würde nur dazu führen, dass neue Hoffnung in ihm aufkeimte. Hoffnung, die zerstört wurde und zwar nicht durch Dinge oder Personen, bei denen er hätte eingreifen oder etwas verhindern können, wenn es soweit war. Es würde durch höhere Mächte zerstört, denen er nichts entgegenzusetzen hatte, sobald er sie agieren sah. Was hätte er tun können, wäre er selbst auf dem Schiff geblieben? Gegen ein Unwetter? Auch Syn wäre mit den Trümmern der Silberpfeil versunken. Auch er wäre gestorben ... wie alle, denen er einen Platz in seinem Herzen gestattet hatte. Wie Zarrah.
Gegen Angriffe hätte er etwas unternehmen können. Das hatte er getan. Er hatte Zarrah geholfen, Razag und Crystin vor den Häschern zu retten. Er hatte Saqir getötet. Aber was machte man gegen Himmel und Erde, gegen Wassermassen? Er hätte sie alle mitnehmen sollen, als es noch nicht zu spät war, aber zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht ahnen können, welche Auswirkungen sein Alleingang für sie alle haben würde. Jetzt schmerzte es, durchlöcherte seine Seele, dass er kaum in der Lage war zu atmen. Jede Bindung würde zu einem solchen Schmerz führen. Er durfte es nicht zulassen. Er wollte das nicht.
Je länger Syn allerdings in den Spiegel in Form seiner Schwester blickte, desto mehr bröckelte die Maske, die er vor allem wegen sich selbst aufgesetzt hatte. Eine Maske aus falschem Willen und Angst. Angst davor, sich erneut des Risikos aus Schmerz aufzusetzen, weil er längst wusste, dass der andere Weg ihn zerstörte. Nur weil er vertraut war, bedeutete das nicht, dass er sicher wäre. Er könnte ihn nicht auf ewig so weitergehen. Seine Sehnsucht schrie nach Nähe zu anderen, denn er hatte sie kennengelernt. Er war es, der nun etwas vermisste und es ließ sich nicht ausblenden. Er wollte seine Schwester ansehen, kennen lernen, ihren Namen nennen, ihre famiiäre Nähe erleben. Gerade Letztere, die er so nur von Zarrah, Razag und Crystin ... von Lariana und der Familie Wolkenlos bisher kannte. Er wollte sie von jemandem, der vom gleichen Blut war, jetzt da er direkt in ihre samtgrünen Augen schauen durfte und dort die gleiche Hoffnung sah, die er in der hintersten Ecke seines Herzen versteckte.
Glücklicherweise setzte sich sein Herz durch, bevor sein Verstand intervenieren konnte. Er sprach Kira nicht nur mit dem vollständigen Namen an - jenen, den er auch tragen müsste - er teilte ihr auch mit, wer er selbst war. Wenngleich Syn seinen Namen nicht nennen konnte. Es ging nicht. Nichts schmerzte ihn so sehr wie "Synnover" nicht von Zarrahs Lippen klingen zu hören und dann schon wieder an sie zu denken. Er brachte es nicht über's Herz. Sie würde von allein herausfinden müssen, wer er war. Vielleicht half Galina, so hoffte er. Die Hymlianerin zeigte sich jedoch überrascht.
"Ihr kennt euch?" Syn richtete den Blick zum Türrahmen, in dem sie lehnte. Er schüttelte den Kopf. Dann wurde er jedoch abgelenkt. Ein Ruck ging durch seinen Körper. Ihm folgte die Wärme, die sich nur durch einen anderen Körper aufbaute, der sich an den seinen schmiegte. Es war die schönste Wärme und jene, die er sich heute Nacht von Galina erhofft hatte. Das hier aber ... fühlte sich noch besser an. Er ließ es vollkommen zu, klammerte sich schwach an ihr fest, aber er hielt sich fest. Auch er wollte nun nicht loslassen.
"Bei Ventha ... da ist er..." Kira lachte ihm entgegen, die Augen tränenfeucht. Mit dieser Reaktion überrasche sie Syn. Jener hatte nicht erwartet, dass sie ihn so offen ansprach, als kannte sie ihn wirklich. Als wäre er eine Weile fort gewesen und enlich wieder zu Hause. Dass sich der Zeitraum über eine weitaus längeres Intervall erstreckte, machten ihre folgenden Worte deutlich. Immerhin war Syn Hymlia seit seinem fünften Lebensjahr ferngeblieben. "Du bist deutlich zu spät, aber ... Ach, wen interessiert das?! Jetzt bist du hier!"
"Hast du mich denn erwartet?", brachte er leise hervor, während Kira ihm einen herzlichen Schmatz auf die Wange schenkte. Es war nicht der erste in seinem Leben, aber er fühlte sich außergewöhnlich an. Ihm fehlte die höfliche Etikette, hinter der sich nur die hemmungslose Lust verbarg, seinen Körper an den Rand des Machbaren zu treiben. Stattdessen fand er etwas darin, das Syn nicht definieren konnte. Kira hieß ihn so selbstverständlich und doch so liebevoll Willkommen wie es nur in einer Familie möglich war. Einer Familie, in die ein lange vermisste Mitglied zurückkehrte. Syn kannte es nicht und konnte ihre Reaktion - so herzlich sie auch war - nicht ganz nachvollziehen. Perplex hing er in ihrer Umarmung, während Kira und Galina sich einen verbalen Schlagabtausch widmeten.
"Du hast einen Bruder?? IHN?"
Warum nicht mich?, fragte sich Syn und sandte einen fast beleidigten Blick zu der Hymlianerin mit den roten Haarspitzen herüber. Durfte er denn keine Schwester haben? War es so weit? Keine Liebe, keinen freien Willen, keine ... Familie?! Er stutzte. Seit wann löste es Ärger in ihm aus? Er war Sklave gewesen. Er hatte nichts besessen, überhaupt nichts. Nicht einmal seinen Namen, hätte er ihn nicht als Geheimnis bewahrt und gehütet. Sein Geist aber forderte gerade indirekt, dass Galina seine Zugehörigkeit zu Kira Federflug anerkannte! Warum?
Ein Arm legte sich um seine Schulter. Die Wärme lullte ihn ein, machte ihn auf eine angenehme Art benommen. Am liebsten hätte Syn die Augen geschlossen, um in dieser Umarmung einzuschlafen. Schlafen ... neben seinem Schwesterchen...
"DAS ist er! Ja!" Syn lächelte mit teils überraschter Miene. Es war seltsam, dass ihn jemand so vehement verteidigte, sich für ihn einsetzte. Und es war schön. Von so viel Herzenswärme umfangen zu werden, ließ einen auch unachtsam sein. Plötzlich fand er sich an der Hand seiner Schwester wieder. Sie zerrte ihn einfach mit sich. Er konnte nichts unternehmen, außer ihr perplex zu folgen. Galina erhielt einen letzten Blick über die Schulter zurück. Eigentlich hatte er doch zu ihr gehen, bei ihr liegen wollen, um genau das zu erhalten, was Kira ihm gerade gegeben hatte. Er wollte mehr davon. Er folgte ihr.
Der quirlige Wildfang stromerte durch Hymlias Straßen. Dass sie ihr vertraut waren, bewies ihr Blick, den sie ausschließlich auf Syn gerichtet hielt. Obwohl sie nicht auf die Pfade achtete, wusste sie sich fließend auf ihnen zu bewegen. Sie kannte ihre Stadt. So konnte sie sich ganz ihrem Bruder widmen. Tränen traten ihr dabei wiederholt in die Augen. Syn musterte sie. Seine Flüsse waren versiegt und einer zurückhaltenden Neugier gewichen. Er blieb ein wenig skeptisch, so sehr es ihm auch insgeheim gefiel. Es herrschte aber immer noch eine Angst in ihm, geprägt durch eine seiner schlimmsten Erfahrungen, die er hatte machen müssen. Sein Erlebnis mit Yolintha, als er ihr voller Vertrauen sein Herz geöffnet hatte und vom spitzen Absatz ihres Lederstiefels zertrampelt worden war. Ja, er fürchtete, dass Kira mit ihm spielte und sobald er sich auf sie einließ, ihn verlachen würde. Er war jetzt schon nur noch ein Wrack. Er glaubte gar, dass sie den Rest seiner Seele zerstören könnte, wenn sie auch nur noch einmal seinen vollständigen Namen aussprach.
Sie dann aber so begeistert zu sehen - begeistert von ihm! - wischte das Misstrauen mit jedem weiteren Wort hinfort. "Ich fasse es nicht ... ich meine, ich habe so viele Geschichten von dir gehört, ich kenne alles aus den ersten Jahren, bevor du ... ich kann es nicht glauben, dass du einfach hier stehst ... Mein Bruder ... mein ... Mein großer Bruder!"
Syn schwieg zunächst. Nicht, weil er nichts zu sagen hätte, sondern weil Kira ihn mit dieser Fülle an Informationen regelrecht lahm legte. Sie wusste von ihm. Das musste heißen, dass ihre gemeinsamen Eltern von ihm gesprochen hatten, sobald sie alt genug gewesen wäre zu verstehen. Man hatte ihn nicht vergessen, sondern dem jüngeren Schwesterchen von ihm erzählt. Sie war nicht nur ein Ersatz. Vor allem schien sie mehr als nur von seiner Existenz zu wissen. Geschichten aus seiner Kindheit, die offenbar positiv genug gewesen waren, dass sie ... regelrecht begeistert war, einen großen Bruder zu haben. Nein! Ihn als großen Bruder zu haben. Ausgerechnet ihn?
Als Kira endlich eine Bank ansteuerte, die abgelegen genug war, um sich ungestört unterhalten zu können, ließ Syn sich nieder, noch bevor sie neben sich auf den Platz klopfen konnte. Er seufzte. Sein Körper verlangte nach Ruhe, sehnte sich nach Schlaf und nach Kiras warmer Nähe. Aber er wagte es nicht, die Distanz zwischen ihm und ihr zu verringern. Familie war eine Struktur, die ihm vollkommen unbekannt war. Er musste erst analysieren und lernen, sich darin zu bewegen, um zu wissen, welche Verhaltensweisen man von ihm erwartete. Oder aber er machte, was er wollte.
Syn drehte den Kopf und schaute Kira entgegen. Er öffnete seine Lippen, aber erneut kam sie ihm zuvor. "Weißt du, wie sehr ich mich danach gesehnt habe, dass du zurückkommst?" Ihr Lachen steckte an. Zumindest hob Syn die Mundwinkel und gluckste ein wenig. Die Heiterkeit schwand, als sie ihre gemeinsamen Eltern erwähnte. Syns helle Haut nahm noch etwas mehr an Blässe an und er erstarrte regelrecht. "Willst du Mama und Papa besuchen? Also, ich kann voll verstehen, wenn dir das zu heftig ist. Wir können damit auch warten, aber ... oh Mann, Syn ... die werden umfallen, wenn sie dich sehen!"
"Sie ... sollten mich gar nicht sehen. Und du auch nicht. Eigentlich wäre es besser, wenn du mich sofort wieder vergisst", erwiderte er. Die Aussicht, seinen Erzeugern gegenüberzutreten, legte ihm einen schweren Stein in den Magen. Kira hatte in ihrer arglosen Art Recht. Es war zu heftig. So viele Heftigkeiten in so kurzer Zeit. Er kämpfte doch noch immer damit, Zarrah, Crystin und Razag zu vergessen, damit der Schmerz endlich nachließ. Er kämpfte damit, Lariana zurückzulassen, damit die Sehnsucht nachließ. Er versuchte, sich auf all die Dinge zu konzentrieren, die er möglichst schnell meistern wollte. Luftmagie, sein Kampffächertraining, die Ausbildung zum Himmelsreiter ... Ha! Hinzu kam doch noch die unüberwindbare Aufgabe, jetzt noch genug Schlaf zu erhalten, damit er morgen überhaupt den Eignungstest dafür würde bestehen können. Plötzlich tauchte Kira hier auf und nun wollte sie ihm noch seiner Fmailie vorstellen! Er japste, weil er glaubte, selbst in den freien Straßen Hymlias keine Luft zu bekommen. Seine Atmung beschleunigte sich und er faltete die Hände ineinander, um sich zu beruhigen. Atme ... du sitzt in keinem Schrank ... es ist genug Luft da. Du kannst langsam atmen. Sie wird dir nicht ausgehen. Du wirst nicht ersticken ... Atme!
Syn fasste sich wieder. Er nahm einen tiefen Luftzug durch die Nase ein, schloss die Augen, hielt die Luft in sich und stieß sie dann unter einem erleichterten Seufzen wieder aus. Ja, jetzt kehrte die Kontrolle ein wenig zurück. In der Zwischenzeit hatte Kira einfach munter weitergeplappert. Sie war aufgeregt. "Wir haben sogar jedes Jahr deinen Geburtstag gefeiert. Ich ... du warst immer mein großer Bruder und jetzt darf ich dich kennen lernen..."
"Du ... kennst doch schon mehr von mir als ich." Er schmulte zu ihr herüber, um ihre Reaktion darauf zu erhaschen. Sie wirkte so unendlich glücklich, ihn getroffen zu haben. Es war seltsam ... und schön. "All die Geschichten, die du erwähnst ... ich kenne keine einzige. Ich erinnere mich nicht an ein Leben in Hymlia. An ... Eltern ... ich hatte nie welche. Ich hatte Sodth und die Reißer. Ich hatte ..." Yolintha. Karrish. ... ... Zarrah ... Syn schluckte den Kloß im Hals herunter. Der Schmerz im Herzen blieb. "Und warum feiert man den Geburtstag eines anderen? Was ist daran besonders, dass man ihn überhaupt verzeichnet. Du ... weißt, wann ich geboren wurde? Auf den Tag genau?" Er schüttelte den Kopf. Das konnte er nicht glauben. Die Nachtklingen feierten solche Ereignisse nicht. Und falls doch, so war er nicht zugegen gewesen. Jede Festivität, auf die er geschleift worden war, hatte zwar stets ein Thema, aber für Syn stand es nie im Vordergrund. Es war ein Fest, mit Gästen. Er war da, um sie zu becircen, mit ihnen zu tanzen und später irgendwo zu verschwinden oder gar vor versammelter Mannschaft zu demonstrieren, wie potent das weiße Kaninchen war und welche Freuden es der dunkelelfischen Damenwelt bereiten konnte. Was kümmerte es ihn, warum sie feierten?
Und wann hatte er nach Kiras Hand gegriffen? Er starrte auf seine Finger, die ihre hielten. Er drückte sie sogar! Sein Blick wanderte empor, hinauf in ihr Gesicht. Er verfing sich in ihren Augen. Seine eigenen füllten sich mit Tränen. "Ich sollte nicht hier sein. Du solltest nicht wissen, dass es mich noch gibt. Ich muss lernen ... und schlafen ... und Himmelsreiter werden ... und dann..." Er schluckte. "Geh nach Hause, Kira." Aber seine Hand ließ die ihre nicht los. Syn war hin- und hergerissen, sowie mit allem einfach nur heillo überfordert. Und trotzdem war es ... schön. Heftig.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. November 2024, 23:48

Vermutlich war es gut, dass Synnover in jenem Moment viel zu unstet war. Dass er sich wie das Blatt im Wind fühlte und Kira leichtes Spiel hatte. Sie konnte ihn mit sich ziehen. Weg von Galina, dem Schwert Lysanthor’s, das über ihren Köpfen schwebte. Syn hätte zum wiederholten Male seine Seele verkauft, wenn das Schicksal ihm nicht Einhalt geboten hätte. Dass er ausgerechnet jetzt und an diesem Tag bei der Rothaarigen auftauchte, um dann in seine eigene Schwester zu rennen… es hätte sich keiner ausdenken können. Doch so war es. Und Kira entpuppte sich als herzlich. Sie freute sich scheinbar aufrichtig über diese Begegnung. Syn wusste nicht, was das mit ihm machte. Es fühlte sich unsagbar schön an, dass er das Gefühl bekam, er würde dazugehören. Andererseits war es auch beängstigend. Er hatte Lariana von sich gestoßen, weil er es nicht ertrug eine weitere Bindung einzugehen, die er womöglich verlieren würde. Doch als wollte das Schicksal Abbitte leisten, hatte es ihn zu seinem eigen Fleisch und Blut geführt. Er ließ Galina ratlos und mit leeren Versprechungen zurück. Sein Auftauchen hatte schließlich nur eines bedeuten können und die burschikose Hymlianerin hatte sich schon lange danach gesehnt. Sie hätte ihm bereitwillig die Schenkel gespreizt, damit er tun konnte, was er am besten konnte. Und dann hätte er womöglich in ihrem Bett liegen dürfen. Aber jetzt… war alles anders. Das Schicksal hatte ihm Zarrah und die anderen genommen, aber… hier war Kira. War sie das Pfand für seinen Verlust?
Syn war schweigsam, aber Kira redete für sie beide. Bis sie ihre Eltern erwähnte. "Sie ... sollten mich gar nicht sehen. Und du auch nicht. Eigentlich wäre es besser, wenn du mich sofort wieder vergisst" Kira hob die Augenbrauen, dann aber grinste sie schief auf. „Was?“, fragte sie und schüttelte den Kopf. „Bist du verrückt? Ich kann dich doch nicht einfach vergessen, du… du gehörst mein ganzes Leben dazu und jetzt endlich… ich kann es überhaupt nicht glauben, dass du ‚einfach so‘ vor mir stehst!“, schüttelte sie den Kopf und fuhr sich durch die wilde, weiße Haarpracht. Kira besaß einen schlanken Hals, einen zierlichen aber durchaus athletischen Körperbau und war ungefähr einen Kopf kleiner als Syn. Die weißen Augenbrauen waren prägnant, aber sie waren lediglich der wundervolle Rahmen ihrer so bezaubernden Augen. Ihre Gesichtszüge waren sich nicht unähnlich. Auch sie besaß dieses weiche, engelsgleiche Gesicht. Als Syn an einer Panikattacke vorbeischrammte, wurde Kira aber ganz ruhig. Sie sah ihn von der Seite her an und beobachtete seine Reaktionen. Dann plapperte sie weiter, während Syn die Zeit nutzte, sich zu erden. "Du ... kennst doch schon mehr von mir als ich." Kira hob einen Mundwinkel an und zeigte ein schiefes Lächeln. Es lag eine leichte Unsicherheit darin, doch sie überging diese. „Ja?“, fragte sie nach und wusste ja nichts von ihm. "All die Geschichten, die du erwähnst ... ich kenne keine einzige. Ich erinnere mich nicht an ein Leben in Hymlia. An ... Eltern ... ich hatte nie welche. Ich hatte Sodth und die Reißer. Ich hatte ..." Kira lauschte. Sie ließ Syn reden und gab ihm die Möglichkeit, sich ebenfalls in dieser Situation zurechtzufinden. "Und warum feiert man den Geburtstag eines anderen? Was ist daran besonders, dass man ihn überhaupt verzeichnet. Du ... weißt, wann ich geboren wurde? Auf den Tag genau?" Nun aber hob die beiden Augenbrauen an und machte ein erstauntes Gesicht. „Na,… weil man doch den Tag feiert, an dem neues Leben entstanden ist! Ventha hat dich erschaffen – also, rein bildhaft gesprochen, jeder weiß ja, woher die Kinder kommen, nicht wahr – und dennoch hat die Göttin dafür gesorgt, dass du entstehen kannst. Dass du aus der Liebe unserer Eltern… geboren wurdest. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!“, grinste sie und wurde wieder etwas ernster, als sie bemerkte, dass Syn immer noch sehr zu kämpfen hatte. „Du wurdest am 5. Tag der Zeit der Abendsonne geboren“, sagte sie daraufhin schlicht. Sie lächelte jedoch leicht und erlaubte sich auch keinen Scherz mit ihm. Kira war echt. Sie spielte kein Spiel und hatte keinerlei Interesse daran. Ihre Augen senkten sich auf einmal, als er ihre Hand ergriff. Er drückte sie leicht und Kira hielt ganz still. Sie neigte den Kopf etwas, dass ihr Haar auf die Seite fiel.

"Ich sollte nicht hier sein. Du solltest nicht wissen, dass es mich noch gibt. Ich muss lernen ... und schlafen ... und Himmelsreiter werden ... und dann...Geh nach Hause, Kira." Kira verlor ihr Lächeln etwas. „Wieso?“, fragte sie dann und drehte sich ihm zu. Sie ließ seine Hand nicht los, sondern griff noch mal nach. „Wieso denkst du, dass du das alles nicht auch mit uns machen kannst?“, fragte sie geradeheraus und fügte an: „Du willst Himmelsreiter werden?“, sie strahlte auf einmal, „Das ist so, so großartig! Ich… ich möchte auch, wenn ich älter bin. Noch erlauben Mama und Papa es nicht.. aber ich übe schon! Ich darf manchmal auf einem der Pegasi reiten, aber verrat es niemandem in Ordnung?“, verschwor sie sich mit ihm. Wie Geschwister das eben so machten. Für Kira war Synnover wirklich gerade einfach nur zurückgekommen. Es war absurd, dass sie so gar keine Hemmungen zu haben schien, was ihn anging. „Und was willst du dann machen, wenn du fertig bist?“, fragte sie, da er dieses Geheimnis nicht gelüftet hatte. Doch egal, was Syn antworten würde, Kira hatte auch gehört, dass ihr großer Bruder furchtbar müde zu sein schien. Plötzlich ging ein Ruck durch ihren Körper. Erschrocken nickte sie und sah ihn aus großen Augen an: „Sicher! Du musst absolut ausgeruht sein, wenn du morgen zu Layan willst. Er wird ein wirkliches hartes Programm fahren und da kannst du nicht übermüdet hin!“, wusste sie zu berichten. Kira erhob sich und zog Syn auf die Beine.
„In Ordnung, nicht zu Mama und Papa… hm…“, überlegte sie und nickte. „Ich hab‘ ein Geheimversteck… willst du es sehen?“, fragte sie und biss sich auf die Unterlippe. „Da gehe ich hin, wenn ich mal… allein sein muss, weißt du? Wenn einfach alles zu viel wird und ich… Ruhe brauche.“, verriet sie ihm und nickte in die Richtung, in die sie gehen wollte. Sie würde auf Synnover warten, ob er mit ihr käme. Sie drängte ihn nicht, aber sie bot ihm an, dass er der erste wäre, der es sehen dürfte. Und sie versprach, dass es nicht weit entfernt lag.
Sobald Syn sich einen Ruck gegeben hatte, führte Kira ihn noch einmal durch die Gassen. Sie wählte einen Weg, der die Häuser bald hinter sich ließ und näher an die Koppeln der Pegasi heranführte. Syn konnte im Dunkeln sogar den Schemen des Gebäudes ausmachen, in dem er sein Geld verdiente. Kira aber führte ihn weiter und bog dann hart rechts ab. Sie führte Syn durch eine Reihe von buschigen, weißen Wolken-Blumen und duckte sich. Ein paar Samen verfingen sich trotzdem in ihrem Haar, was sie gar nicht bemerkte. Kira ging weiter und nachdem sie die dichten Blumen hinter sich gelassen hatten, kamen sie tatsächlich an einen älter wirkenden Bretterverschlag heraus. Um sie herum standen einige der einzigartigen Bäume und machten es unmöglich, diese Art Schuppen von den offiziellen Wegen zu entdecken. Auch war hier kein Haus in der Nähe, sodass man durchaus ungestört sein konnte. Ob Kira dieses Versteckt auch für… andere Treffen nutzte? Jetzt aber führte sie Syn auf eine etwas windschiefe Tür zu und öffnete einen Riegel. Sie trat hinein und begann darauf einige Kerzen in Glaskuppeln zu entzünden. Tatsächlich war der Schuppen geräumiger, als man von außen vermutet hätte. Und Kira… hatte richtig etwas daraus gemacht. Alles war selbstgemacht, das konnte man erkennen, aber mit einer unheimlichen Liebe zum Detail.
Stolz bot sie Syn mit einer Geste ihrer Hand an, dass er eintreten und sich umsehen durfte. Nachdem die Kerzen in den Behältern flackerten, konnte Syn sehen, dass man durch einen kleinen Flur tatsächlich in einen etwas größeren Raum gelangte. Man konnte gerade so aufrecht stehen, doch viel interessanter war wohl der kuschelige Boden. Kira hatte hier Decken und Kissen ausgebreitet und eine regelrechte Sitzlandschaft geschaffen. Man konnte sich einfach auf den Boden legen und hätte es sehr bequem. Auch die Wände, die Decken und alles in dieser Hütte aus Holz schrie nach Persönlichkeit. Syn konnte Bilder von Pegasi und Wiesen erkennen, die Kira offenbar selbst mit gemischter Farbe gemalt hatte. Dann hatte sie jede Menge Kleinkram gesammelt. Federn, hübsche Steine, kleiner Nippes in Form von Broschen oder Ketten. Den winzigen Eingangsbereich, der Tür und Schlafecke trennte, diente für Schuhe. Kira zog sie sich bereits aus und hob eine der Kerzen an. Etwas begann zu glitzern, über ihren Köpfen. Sie hatte mit verschiedensten Pailletten die ganze Zimmerdecke ausgekleidet. Überall glitzerte es, warf bunte Lichter auf die Erde und hüllte ihr Geheimversteck in einen sagenhaften Glanz. Als sie die Kerze wieder abstellte, versiegte das magische Licht. „Setz dich. Wenn du schlafen willst, kannst du das hier tun, Syn. Ich verrate Mama und Papa noch nichts, konzentriere du dich auf die Aufnahmeprüfung.“, versprach sie und hob auf einmal den kleinen Finger ihrer rechten Hand an. Sie hielt ihn ihm hin. „Ehrenwort unter Geschwistern!“, meinte sie verschwörerisch und deutete auf seinen Finger. „Du musst einhaken, dann gilt’s!“, grinste sie.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Montag 18. November 2024, 04:40

Hätte Syn damals Zarrah mit nach Hymlia genommen, so hätte sie sich nun zwischen ihn und Galina gestellt. Wahrscheinlich wäre eine plausible, aber distanzierte Ausrede, warum sie den Ort wieder verlassen müssten, vordergründig an ihn gegangen - zusammen mit diesem Blick, den Syn so schwer deuten konnte, der aber jedes Mal mit gleichem Gewicht auf ihm lastete. Diese tiefen Smaragde, deren Funkeln er nicht ganz erkennen konnte. War es Zorn, Traurigkeit ... Enttäuschung, weil er in alte Muster verfiel? Zarrah hätte ihn in jedem Fall davon abgehalten, aber wäre sie damals von ihm mitgenommen worden, wäre es zu keiner dieser Situationen gekommen. Dann hätte sie überlebt. Es gäbe keinen Grund, vor Galinas Tür zu stehen, um erneut einen Teil seiner Seele zu riskieren. Doch Zarrah war nicht hier, war nicht mehr. Kira musste ihn "retten" und sie ging es ohne jede Ahnung an, welches Chaos in seinem Inneren tobte. Sie griff Syn einfach bei der Hand und nahm ihn mit, bis sie auf einer abgelegenen Bank ein wenig zur Ruhe kommen und sich unterhalten konnten. Dabei sprudelte die Hymlianerin wie ein quirliger Bergbach. Ihre Worte plätzscherten über Syn hinweg, der davon wie überfahren war. Es half aber auch, die düsteren Pläne fortzuspülen, die ihn in seiner Einsamkeit beinahe zwischen Galinas Beine getrieben hätten - gewiss ein angenehmer Ort, aber keiner, an dem er sein wollte. Tatsächlich empfand er es nun als Wohltat, von Kiras Geplapper durchlöchert zu werden. Statt Risse in seine Seele zu schlagen, schien jede Frage, jede Anmerkung offene Stellen zu kitten. Denn Kira fragte aus Interesse und mit einer solch bewundernden Begeisterung für ihren Bruder, dass sie es schaffte, sein Herz zu berühren. Das war auch der Grund, warum Syn sie trotz der eigenen Aufforderungen nicht ziehen lassen wollte. Er verlangte von ihr, zu gehen. Gleichzeitig aber umfasste er ihre Hand, damit sie seiner Forderung Widerstand leistete. Es fiel ihm so schwer zu entscheiden, was er gerade wollte. So schwer zu erkennen, was ihm wirklich helfen könnte. Für ihn lag die Antwort aktuell nur in Zarrah. Er brauchte sie, er vermisste sie und sehnte sich so sehr nach ihr, dass er andere Hilfen und Lösungen gänzlich ausblendete.
Es war an der Außenwelt, ihn aus diesem Schicksal zu reißen. Glücklicherweise hatte er eine sehr empathische kleine Schwester an seine Seite gestellt bekommen. "Bist du verrückt? ich kann dich doch nicht einfach vergessen, du ... du gehörst mein ganzes Leben dazu und jetzt endlich ... ich kann es überhaupt nicht glauben, dass du 'einfach so' vor mir stehst!"
"Dein ganzes Leben lang schon?" Das saß. Niemand zuvor, nicht einmal Zarrah hatte ihn so offenherzig und familiär aufgenommen. Natürlich nicht. Der Dunkelelfe hatte es nicht gelegen, ihre Zuneigung zu ihm auf diese Weise zu formulieren. Sie hatte Andeutungen gemacht, dass sie seit Syns Aufnahme bei den Nachtklingen stets ein Auge auf ihn besessen hatte. Dass sie ihn all die Zeit lang beschützte. Das Problem war, dass Syn es aus seiner Perspektive sehen musste, so lange Zarrah sich krytpisch gab. Für ihn hatte sie nur auf ihn geachtet, weil sie im Gegensatz zu ihren Geswchwistern offensichtlich ein Gewissen besaß. Sie hatte ihn benutzt, um von sich selbst abzulenken, inwiefern ihr Schicksal sich durch seine Anwesenheit im Hause überhaupt verändert hatte. Syn kannte keine Details, außer dass Zarrah sogar so weit gegangen war, ihre Eltern umzubringen. Was für sie nur schwer über die Lippen zu bringen gewesen war, hatte er einfach hingenommen, als hätte sie ihm einen kleinen Diebstahl gebeichtet. Er verband nichts mit dem Begriff der Eltern ... bis jetzt. Denn jetzt hatte er plötzlich selbst welche. Dennoch wollte er sie nicht sehen. Kira weckte schon so viel Gefühl in ihm. Sie rührte ihn fast zu Tränen mit ihrer Art, aber gerade das machte es schwer. Er kannte sie keine Stunde und schon besaß sie für ihn einen ähnlichen Stellenwert wie Lariana. Er durfte es nicht vertiefen, weder mit ihr noch mit seinen Erzeugern. Dennoch ... hielt er ihre Hand, damit sie ihn jetzt nicht verließ. Denn auch das brächte sein Herz zum Bluten. Es war gut, dass sie sich nicht so schnell abwimmeln ließ. Auf diese Weise entkam Syn nicht nur unbewusst der aufgebauten Einsamkeit ein wenig, sondern erfuhr auch mehr über sich selbst oder alltägliche Dinge wie Geburtstagsfeiern.
"Ventha hat dich erschaffen - also, rein bildhaft gesprochen, jeder weiß ja, woher die Kinder kommen, nicht wahr - und dennoch hat die Göttin dafür gesorgt, dass du entstehen konntest. Dass du aus der Liebe unserer Eltern ... geboren wurdest. Wenn das kein Grund zum Feiern ist!"
"Ich ... sehe keinen Grund", murmelte Syn. Er verstand es nicht. Er war das Ergebnis einer leidenschaftlichen Nacht zwischen seinen Eltern, die entweder zufällig oder bewusst auf Empfängnis verhütende Mittelchen verzichtet hatten. Er begriff nicht, dass sein eigenes Entstehen ein Symbol ihrer Liebe darstellte. Wie sollte er auch? Er verstand erst seit kurzem, was Liebe überhaupt bedeutete. Dass sie sogar so weit gehen konnte, neues Leben bewusst entstehen lassen zu wollen - aus keinem Vorteil heraus, sondern einfach nur, weil man liebte - würde er noch lernen müssen. Bisher war es ihm unbegreiflich.
"Du wurdest am 5. Tag der Zeit der Abendsonne geboren."
Er schaute auf, direkt in Kiras Augen. Diese Information ... berührte ihn mehr als all das Gerede über Geburtstage oder die Liebe seiner Eltern zueinander. Es war Wissen über ihn. Etwas, das nur ihn allein betraf und fortan ihm gehörte. Es war wie sein Name - Synnover -, den er all die Jahre so tief in sich geheim gehalten und beschützt hatte. Es gab einen Tag im celcianischen Kalender, der ihm gehörte. Der Tag seiner Geburt. Sein Tag.
Syn sog die Luft scharf ein und musste den Blick von Kira nehmen, um nicht wieder in Tränen auszubrechen. Was sollte sie nur von ihrem großen Bruder denken? Syn, die Heulsuse! Wo er sonst seinen Tränen einfach freien Lauf ließ, schämte er sich, diese Kira zu zeigen. Vielleicht, weil sie auf ihn den Eindruck machte, aufrichtig zu ihm auszusehen. Sein Herz flatterte, denn ganz gleich, was sie wieder redete, es war immer erfüllt von Bewunderung für ihr Brüderchen.
"Du wilslt Himmelsreiter werden? Das ist so, so großartig!" Er konnte nicht anders. Syn schmunzelte. "Ich ... ich möchte auch, wenn ich älter bin. Noch erlauben Mama und Papa es nicht ... aber ich übe schon! Ich darf manchmal auf einem der Pegasi reiten, aber verrat es niemandem, in Ordnung?"
"Darfst du? Obwohl du keine zehmonatige Ausbildung gemacht und eine Prüfung abgelegt hast?" Skeptisch musterte Syn seine Schwester. Sie zog ihn doch auf! "Du kommst an einen Pegasus heran und kannst dich ... heimlich mit ihm davonstehlen, um zu fliegen? Oder geschieht das unter Aufsicht, aber keiner spricht darüber? Könnte ich ... auch jetzt schon das Fliegen üben? Falls ich morgen die Eignung vermassle?"
Da sprach er ein Thema an, das Kira alaermierte. Sie hatte längst erkannt, wie müde Syn eigentlich war und dass es ihm nicht nur auf's Gemüt schlug, sondern ihn emotional auch von einer Ecke in die andere warf. Sicher wäre er gefestigter, wenn er genug Schlaf bekommen könnte. Und den brauchte er, davon war die Hymlianerin regelrecht überzeugt. Die Eignungsprüfung würde nicht leicht werden. Er musste ausgeruht sein!
Um das zu bewerkstelligen erhob Kira sich erneut und nahm Syn wieder kurzerhand mit. Er begleitete sie, zu perplex, um anders zu reagieren. Außerdem wollte er nach wie seine Hand nicht aus ihrer lösen.

Kira nahm ihn mit zu einem abgelegeneren Teil Hymlias, der durch großzügigen Bewuchs der wundersamen Wolkenpflanzen gut verborgen war. Letztendlich handelte es sich aber nur um einen Schuppen. Sein schon etwas marodes Äußeres gab keinen Grund, ihn überhaupt betreten zu wollen. Wüssten Uneingeweihte allerdings, was sich hinter der Fassade befand, wäre der Schuppen schon auseinandergefallen, weil so viele Hymlianer sich hineindrängen würden. Auch Syn staunte, als Kira ihn mit übertrieben verstohlener Miene und einem Grinsen ins Innere führte. Hier fanden sich zwar keine Kostbarkeiten mit hohem materiellen Wert - vermutlich war Syns Schmucksammlung in seiner Kommode in Morgeria teurer als alles, was sich in dieser Hütte fand - aber es schenkte einem doch das Gefühl, eine Schatzkammer zu betreten. Überall lag Krimskrams herum, Klimbim und zahlloser Tand. Dennoch schien jedes noch so winzige Kleinod kostbar hergerichtet worden zu sein. Sammlungen verschiedenster Dinge bildeten Kollektionen zum Bewundern. Kira hatte darüber hinaus alles ins rechte Licht gerückt, dass es nicht nur allein für sich dem Auge schmeichelte. Der Schuppen bot im Gesamten eine heimlige Atrmosphäre wie Syn sie aus seiner Zeit in Morgeria nicht kannte. Ähnliches hatte er nur auf der Silberpfeil erlebt, wenn er mit Razag oder Crystin zusammensaß oder Zarrah in ihrer gemeinsamen Kabine aufgesucht hatte, um ihr bei ihrer Seekrankheit stillschweigend beizustehen. Oder mit Lariana. Ja ... der Schuppen erinnerte ihn auf bizarre Weise an Lariana. Er schenkte ihm Ruhe.
Dennoch achtete Syn sofort darauf, eines der kleinen Fenster einen Spalt weit zu öffnen, nachdem Kira die Tür von innen zugezogen hatte. Er wollte nicht ersticken und würde definitiv keinen Schlaf finden, wenn er glaubte, sich wieder in einem abgeschlossenen Schrank zu befinden. Selbst, wenn der Schuppen überraschend viel Raum bot.
Da seine Schwester den gesamten Boden jenseits des Vorraums mit Decken, Kisten und Polstern ausgekleidet hatte, konnte man sich überall niederlassen, um zu schlafen. Man musste vorher lediglich die Schuhe abstreifen. Syn kam der Aufforderung nach und betrat schließlich den weichen Untergrund, der eigentlich ein Schuppenboden sein sollte. Kira entzündete derweil viele kleine Kerzen, die überall im Raum verteilt waren. Schon zauberte sie damit nicht nur etwas Helligkeit, sondern schuf auch einen wundersamen Effekt an der Decke der windschiefen Hütte. Syn schaute zu den glitzernden Pailletten über ihnen empor. "Ein Sternenhimmel...", murmelte er und beobachtete, wie Kiras künstlich geschaffene Sternchen noch eine Weile in allen Farben funkelten. Dann aber stellte sie die Kerze ab, die für diesen Zauber verantwortlich war und das Glitzerspektakel endete.
"Setz dich. Wenn du schlafen willst, kannst du das hier tun, Syn. Ich verrate Mama und Papa noch nichts, konzentriere du dich auf die Aufnahmeprüfung." Plötzlich streckte sie ihren abgespreizten kleinen Finger hin. Syn blinzelte. "Ehrenwort unter Geschwistern! Du musst einhaken, dann gilt's!"
"Ist das ... irgendein magisches Ritual? Ein Zauber, der mich bindet?", fragte er misstrauisch und zögerte noch. Unter einem Seufzen erklärte er schließlich: "Wenn's nur ein Versprechen ist, kannst du dich auf mein Wort nicht verlassen. Ich ... hab schon einmal eins gegeben und konnte es nicht halten." Er hatte geschworen, Zarrah zu beschützen. Das hat ja gut geklappt... Sein Herz zwickte und er senkte den Blick. "Mein Leben ist auf Lügen und Täuschungen aufgebaut. Aber ... wenn dir so viel daran liegt."
Er zeigte, dass er selbst in übermüdetem Zustand noch ein paar Reserven besaß und durchaus schnell sein konnte. In Windeseile war er an Kira heran, hakte sich wie aufgefordert bei ihr ein und tauschte mit ihr einen langen Blick aus. Dann zog er sie am kleinen Finger zu sich heran, umfasste mit der anderen Hand ihre Hüfte, drehte sie und ließ sie dabei tänzerisch von sich fortgleiten, nur um sie dann wieder zu sich zurückzuholen. Mit dieser kleinen Kür hatte er zusammen mit Zarrah im 'Gejagten Eber' geglänzt. Es rief sogar kurz ein Lächeln bei ihm hervor und noch ehe Kira oder Syn es sich versahen, war er der einstudierten Routine gefolgt. Plötzlich fand Kira sich in seinen Armen, leicht nach hinten gebeugt. Er hing halb über ihr, hielt sie in klassischer Tänzerpose fest und war ihrem Gesicht nur noch Zentimeter entfernt. Seine Lippen berührten fast die ihren. Dann besann er sich. Das hier war keine Dunkelelfe, die er verführen sollte, sondern seine Schwester! Sie war vom gleichen Blut! So beschloss Syn, den Körperkontakt anderweitig aufzubauen als mit einem Kuss, denn diese Grenze überschritt nicht einmal er. Er hielt Kira weiterhin fest, berührte nun aber nur ihre Stirn mit der seinen. Er sah ihr tief in die Augen.
"Bleib", bat er sie und erneut klang es wie das verzweifelte Betteln eines Veirrten aus der Wüste, dem man mit dem Versprechen auf einen Schluck aus dem Spuckeimer in die Knie zwang. "Bleib, bis ich eingeschlafen bin und ich sage dir im Gegenzug, was ... dann geschieht." Ihr Nachfragen hatte Syn bislang schließlich gekonnt übergangen. Mit niemandem hatte er bisher darüber geredet. Nicht mit Lariana, Razag, Crystin und schon gar nicht mit Zarrah. Seit seiner Erkenntnis, dass er von Yolintha körperlich wie seelisch missbraucht worden und von Karrish nur benutzt worden war, ohne dass der Älteste der Nachtklingen aufrichtige Sympathie für ihn empfand, war tief in Syn etwas herangereift. Ein Geheimnis, das er zusammen mit seinem Namen zu hüten begonnen hatte. Doch er war nun einsam, müde und Kira seine Schwester. Obwohl er sie so frisch nur kannte, war er bereit, ihr dieses Geheimnis anzuvertrauen. Etwas, worüber er in wacherem Zustand wohl den Kopf geschüttelt hätte. Aber sie war eine Blutsverwandte. Sie interessierte sich für ihn und sie wollte ihm helfen. Seltsam, dass sie alles bei ihr zählte, bei Menschen wie Lariana jedoch nicht. Aber Kira besaß etwas, dass Syn sich ihr öffnen ... wollte.
Da er glaubte, bei ihr Zustimmung durch ein Nicken bemerkt zu haben, entließ er sie nun aus der Tanspose und suchte sich selbst eine besonders gemütliche Stelle auf dem hergerichteten Boden. Er schnappte sich eine Decke, ein großes Kissen und lehnte sich mit dem Rücken gegen Letzteres. Sein Blick glitt kurz zum Spal im Fenster, anschließend wieder zu Kira. Syn gähnte. "Ich muss ... viel lernen. Ich muss die Luftmagie beherrschen, den Kampf mit den Fächern..." Er kuschelte sich tiefer in die Laken und konnte die Augen kaum noch offen halten. "Ich muss diese Ausbildung erhalten, durchhalten und am Ende schaffen. Nur so kann ich fliegen ... und dann ... dann muss ich Hymlia verlassen."
Syn kämpfte gegen den Drang an, einzuschlafen. Denn er wollte Kira noch in sein Geheimnis einweihen. Er zwang sich dazu, die Lider noch einmal anzuheben, um sie anzuschauen. Sein Blick war von Müdigkeit und zahlreichen Tränen deutlich geprägt, aber in seinen Iriden glänzte eine Entschlossenheit, ein gereifter Plan, den er umsetzen würde. Sobald er soweit wäre. "Es ist das Beste, keine engen Bindungen einzugehen. Denn ihr Verlust bringt nur ... Schmerz. Und ich bleibe nicht hier." Es ging nicht anders. Er war Manthalas Reich schon näher als der Welt der Wachen. Langsam sank er zurück in das Kissen, schloss die Augen. Erneut gähnte er. Dann murmelte Syn bereits im Halbschlaf: "Ich kehre um Boden zurück ... nach Hause ... nach Morgeria ... und dann ..." Seine Stimme wurde immer verwaschener. Langsram driftete er ins Reich der erholsamen Schwärze ab und konnte nur hoffen, nicht von Zarrah zu träumen. "... und dann ... werde ich töten. Sie alle. Ich werde alle töten." Mit diesem Versprechen drohte er, in tiefen Schlaf zu versinken.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Montag 18. November 2024, 12:08

Was für eine seltsame Art von Wärme ihn doch durchfuhr. Es war beängstigend und gleichermaßen wohltuend. Kein Bad, keine Lust, keine Befriedigung konnte so groß sein, wie das, was er bei Kira spürte. Die kleine Schwester war unbestreitbar natürlich in ihrer Art ihm gegenüber. Und Synnover konnte bei ihr endlich sicher sein, dass es weder gespielt noch vorteilhaft war. Kira plapperte einfach das, was sie empfand. Aufrichtig empfand ihm gegenüber. Sie kannte das Phantom Synnover. Der große Bruder, der verschwunden war und nun neben ihr die Straßen Hymlia’s erkundete. Für sie war es einfach und das half auch Syn, sich ein wenig von der bleiernen Schwere in seinen Eingeweiden zu lösen. Es war eine Ablenkung, die ihm nicht nur kurz etwas versprach. Er hätte bei Galina gewiss Frieden gefunden. Aber am nächsten Tag? Da wäre er wieder in seiner eigenen Monotonie erwacht und hätte sich wieder etwas suchen müssen, das ihm half aufrecht zu bleiben. Kira aber war wie das Licht und Synnover die Motte, die angezogen wurde. Eine Wärme durchfuhr seinen Körper und füllte ihn an mit Liebe und Geborgenheit. Fühlte sich so Familie an? Es war wohl zu früh danach zu fragen oder sich damit zu befassen. Im Moment aber half es dem Hymlianer, dass ihm leichter ums Herz wurde. Kira hatte ihm wie beiläufig eröffnet, dass er bereits ihr ganzes Leben dazugehört hatte. Er konnte kaum glauben, was er hörte, denn ihm war das Konzept der Familie nicht vertraut. Aber es reichte schon zu erkennen, dass er nicht allein gewesen war. Auch wenn er sich nicht hatte erinnern können… er war nicht niemals unvergessen gewesen. Er hatte sich mal gefragt, ob man denn niemals nach ihm gesucht hatte. Ob man ihn inzwischen vergessen hatte. Hier saß die Antwort: Nein. Er war unvergessen, er war geliebt und er fehlte.

Kira führte Syn durch die beschaulichen Wege der Himmelstadt und auch wenn er müde und erschöpft war, musste er sich nicht quälen. Der Weg war nicht sonderlich weit, aber weit genug von allem anderen entfernt. Hier zeigte Kira ihm, dass sie in ihrer Freizeit offenbar viel Zeit allein verbrachte. Und sich dafür extra einen Ort geschaffen hatte, der ihr Wärme und Geborgenheit versprach. Ob sie sich auch einsam gefühlt hatte? Wie es für sie gewesen war im Schatten ihres verlorenen Bruders aufzuwachsen? Noch war Syn nicht in der Lage, sich diesbezüglich Gedanken zu machen und er musste es auch nicht. Kira war weder sauer noch enttäuscht von ihm. Ganz im Gegenteil. Sie sah zu ihm auf, ohne zu wissen, wer er wirklich war. Und Synnover konnte alles sein. Und sie wollte offenbar ebenfalls Himmelsreiterin sein, denn sie vertraute ihm wie selbstverständlich an, dass sie ab und an heimlich auf Pegasi ritt. "Darfst du? Obwohl du keine zehnmonatige Ausbildung gemacht und eine Prüfung abgelegt hast? Du kommst an einen Pegasus heran und kannst dich ... heimlich mit ihm davonstehlen, um zu fliegen? Oder geschieht das unter Aufsicht, aber keiner spricht darüber? Könnte ich ... auch jetzt schon das Fliegen üben? Falls ich morgen die Eignung vermassle?", erinnerte sich Kira schließlich an seine unbeantwortete Frage. Sie grinste verschwörerisch, dann wurde sie ein wenig rot. „Kennst du schon Layan?“, fragte sie und biss sich auf die Unterlippe. Sie wartete seine Antwort kurz ab und kicherte, ehe sie meinte: „Naja… ich glaube… naja also… aber du darfst es niemandem sagen in Ordnung? Ich glaube..“, sie lehnte sich vor, um zu flüstern, „er mag mich!“, sie hielt sich den Mund zu und schüttelte dann den Kopf. „Ach was… Blödsinn. Vermutlich ist er nur nett. Ich habe eine Weile im Stall geholfen und naja, ich hatte ein Händchen für die Pegasi. Sie vertrauten mir. Also ließ er mich ab und zu mal einen reiten. Und…“, sie räusperte sich. Sie verschwieg etwas, doch das machte vermutlich nichts. Synnover bestaunte ihre kleine Höhle und sie zeigte ihm mit Hilfe der Kerze, das wunderschöne Leuchten. Daraufhin rang sie ihm einen Schwur ab. Syn blieb skeptisch, er kannte solche Dinge nicht. "Ist das ... irgendein magisches Ritual? Ein Zauber, der mich bindet?" Sie grunzte lachend „Was? Nein, keine Sorge. Das … das ist eine verbindende Geste zwischen Geschwistern!“, lächelte sie offen. "Wenn's nur ein Versprechen ist, kannst du dich auf mein Wort nicht verlassen. Ich ... hab schon einmal eins gegeben und konnte es nicht halten." Sie runzelte etwas die Stirn. „Oh, wirklich? Aber… wir halten alle mal ein Versprechen nicht…“, räumte sie ein und zeigte unbewusst, dass auch sie so etwas bereits erlebt hatte. "Mein Leben ist auf Lügen und Täuschungen aufgebaut. Aber ... wenn dir so viel daran liegt." Nun wurde sie ernst.

Auch Kira wusste, dass Synnover irgendwo gelebt haben musste. Dass es offenbar nicht gut verlaufen war, besorgte sie aber sie begann nun nicht ihn auszuhorchen. Kira bewies, dass sie durchaus instinktiv auf einem guten Weg wandelte. Sie bedrängte ihn nicht, sie blieb offen und ehrlich für seine Fragen, stellte aber nur bedingt eigene. Ihr musste klar sein, dass es schwer für ihn gewesen sein musste. Als Syn aber ihren kleinen Finger doch noch griff und sie dann zu sich zog, wurde ihr Gesichtsausdruck überrascht. Damit hatte sie nicht gerechnet. Synnover kannte aber die Gesten, die kleinen Tricks, um die Damenwelt zu umgarnen. Kira fühlte sich grundsätzlich gut an in seinen Händen. Auch sie besaß ihre Reize, auch wenn sie die Volljährigkeit noch nicht gänzlich erreicht hatte. Sie war eine Frau, wunderschön und freundlich. Die Augen, wie seine, wussten ebenso zu verzaubern, da konnte er sich sicher sein. Aber ihr Herz war nicht darauf aus zu gefallen. Sie wusste gar nichts von dieser Macht, die sie ebenso wie Syn am Boden gehabt hätte. Die Tanzschritte brachten Kira zum Erröten. Sie selbst war noch nie Teil von solchen Dingen geworden. Er wusste, dass seine Schwester in dieser Beziehung unschuldig war. Er kannte genügend Frauen, die unberührt waren. „Du kannst das wirklich gut…“, kratzte ihre Stimme trocken. „Vielleicht kannst du mir das Tanzen mal beibringen.“, überlegte sie und bewies erneut, dass sie in ihm wahrlich einen Bruder sah. Seine, wenn auch einstudierten, Reize bewirkten bei ihr nichts. "Bleib, bis ich eingeschlafen bin und ich sage dir im Gegenzug, was ... dann geschieht." Kira hob die feingeschwungenen, weißen Augenbrauen. „Natürlich bleibe ich!“, versprach sie daraufhin lächelnd und musterte Syn.
Gemeinsam legten sie sich in die Kissen und Kira bettete ihren Kopf auf ihren angewinkelten Arm. Sie beobachtete ihren Bruder und wartete, bis er bereit war zu sprechen. "Ich muss ... viel lernen. Ich muss die Luftmagie beherrschen, den Kampf mit den Fächern... Ich muss diese Ausbildung erhalten, durchhalten und am Ende schaffen. Nur so kann ich fliegen ... und dann ... dann muss ich Hymlia verlassen." Nun huschte ein Bedauern durch ihr Gesicht, aber sie sagte weiterhin nichts. "Es ist das Beste, keine engen Bindungen einzugehen. Denn ihr Verlust bringt nur ... Schmerz. Und ich bleibe nicht hier.“ Sie griff nach seiner Hand und drückte sie liebevoll. "Ich kehre um Boden zurück ... nach Hause ... nach Morgeria ... und dann ... und dann ... werde ich töten. Sie alle. Ich werde alle töten." Er schlief ein und verpasste eine Reaktion, seitens Kira. Jene aber starrte ihn an. Das Gehörte war schwer zu verstehen, denn sie wusste nichts über sein entbehrungsreiches Leben. Kira legte die Stirn besorgt in Falten und musterte sein glattes Gesicht, das endlich Frieden fand. Dann neigte sie sich vor, rutschte etwas dichter und gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Was auch immer du erlebt hast, Syn… Du hast jetzt mich… eine Familie. Du wirst nie wieder allein auf dich gestellt sein. Du wirst uns immer haben, egal was ist. Dieses Band kann niemals zu schwer belastet werden, dass es reißt. Ich verspreche es. Ich habe dich endlich wieder… endlich… Ich gebe dich nicht wieder her und wenn du deine Vergangenheit abstreifen musst, dann bin ich bei dir!“, versprach sie mit ruhiger Stimme, um ihn nicht zu wecken. Kira behielt seine Hand in ihrer und schlief ebenfalls langsam ein…

Die Worte, die Kira sagte waberten irgendwo in Synnover’s Verstand, während er in die friedliche Dunkelheit fiel. Tatsächlich brauchte er Ruhe und Erholung. Es war lange her, dass er überhaupt gut schlafen konnte. Und es blieb fraglich, ob das jetzt auch der Fall wäre. Er hoffte, dass er traumlos blieb, aber Manthala hatte in dieser Nacht ein Auge auf ihn geworfen. Nicht mal eine Gottheit widerstand ihm offenbar… Doch anstatt selbst aufzutauchen, schickte sie Botschaften in Form von Bildern. Plötzlich fand sich Synnover an einem See wieder. Um ihn herum war alles in silbernes Licht getaucht. Der Mond strahlte die Baumspitzen an, die sich sanft im Traumwind bewegten. Alles lag im Silberlicht gebannt da und im klaren, dunklen Wasser spiegelte sich nicht nur der Vollmond. Synnover erkannte eine Silhouette. Sie stand dort am Ufer und ließ die nackten Füße vom Wasser umspülen. Sie hatte lange Haare, die sich über den schmalen Rücken bis zu ihrem wohlgeformten Gesäß schlängelten. Der Wind nutzte die zahllosen Strähnen zum Spielen. Ihre Gestalt war in ein ebenfalls silbernes, fließendes Kleid gehüllt. Es ließ die anregenden Stellen nur erahnen und machte es um so aufregender. Als Synnover näher an die Szene trat, drehte sie sich langsam um und aus einem Ebenholz-farbenen Gesicht leuchteten ihm zwei tiefgrüne Smaragde entgegen.
Zarrah stand dort und in einer Weiblichkeit, die er so noch nicht von ihr gekannt hatte. Sie hatte den langen Zopf geöffnet und die weißen Strähnen umspielten die schmalen Schultern. „Ich achte auf dich…“, verließ ihre Stimme die roten Lippen und der Wind trug die Worte zu ihm herüber. Er hörte ihn säuseln. „Ich passe auf dich auf und sorge dafür, dass du sicher bist…“. Dann änderte sich die Szene auf einmal und das ganze Bild schien einmal zur Seite zu kippen. Plötzlich fiel Synnover und lag auf dem Rücken in einem weichem Bett. Über ihm sah er die selben Smaragde und er fühlte die Wärme ihrer Haut auf sich. Er sah die weiblichen Rundungen, wie sie ihn locken wollten. Er sah den Ausdruck ihrer Augen, der warm und voller Genuss… nein… voller Gefühl war. Er hatte damals nicht richtig hingeschaut, es nicht gekannt. Erkannte er es jetzt? Wie sie über ihm saß, sich mit ihm verband und ihre Hüfte bewegte. Der warme Glanz in den ansonsten so zurückhaltenden Augen. Und wie sie etwas zu suchen schien. Er sah es vor sich. Sie waren im ‚Gejagten Eber‘ und Zarrah bemächtigte sich seiner. Es war ein schwerer Fehler, das hatte sie eingestanden. Aber jetzt war Synnover ein Stück weiser. Er konnte anders in ihr Gesicht sehen als damals. Und sie schien etwas zu suchen. Sie suchte.. ihn. Als er es ihr nicht zeigen konnte, verschwand das warme Gefühl in ihren Seelenspiegeln. Sie war von ihm erfüllt worden, aber sie zeigte keine selbstgefällige Befriedigung. Sie war… was? Was war es? Enttäuscht? Nein und ja, aber nicht von ihm. Sie hatte etwas damit bezwecken wollen. Sie hatte ihm helfen wollen und war zu weit vorangeprescht. Synnover aber konnte erkennen, wie sie ihn angesehen hatte. Wie Lariana, als er ebenfalls auf seine Kosten hatte kommen dürfen. Wie Erin, die ihm untersagt hatte KEINEN Spaß zu empfinden. Sie alle waren… nach ihr gewesen. Zarrah aber war die erste die sich von ihm Gefühle erhofft hatte. Sie hatte ihm ihre Gefühle zeigen wollen und einsehen müssen, dass es nicht geklappt hatte. Dass er nicht verstand. Verstehen konnte. Zarrah hatte ihn angesehen wie Lariana. Sie wollte in ihm das Gefühl hervorrufen, wie es sich anfühlte mit jemandem zu schlafen, der aufrichtig war. Sie hatte nur den falschen Moment gewählt…
Mit jener Erkenntnis aber löste sich das Traumbild auf. Zarrah entglitt ihm wieder und am Ende waren es nur noch zwei tiefgründe Augen, die ihn ansahen, bis auch sie verschwanden. „Ich schütze dich… ich verspreche es…“, säuselte es im schwarzen Nichts der Traumlosigkeit und holten Synnover langsam aus seinem Schlaf.


Es war tatsächlich helllichter Tag, als er die Augen aufschlug. Eine feine Briese säuselte durch das Fenster und umschmeichelte seine Nase. Es roch frisch, aber versprach ein schöner Tag zu werden. Die Sonne fiel wärmend durch das geöffnete Fenster und auf das Gesicht, das neben ihm lag. Kira schlief noch, die Haare ordentlich durcheinander und ein Kissen so doll eingeknautscht, dass man meinen könnte, sie suche Nähe. Draußen hörte man bereits hier und dort ein wenig Geschäftigkeit, aber man musste keine Sorge haben, entdeckt zu werden. Synnover hatte geträumt und bevor er aufstehen konnte, war da eine vertraute Stimme nahe seinem Ohr: „Sie passt noch immer auf dich auf“, flüsterte die Stimme im Wind, die er bereits häufiger hörte und nun seit langem nicht mehr wahrgenommen hatte. Dann aber war es vorbei. Der Wind nur noch Wind und er wieder im kleinen Schuppen in Hymlia zusammen mit seiner Schwester. Und er musste zur Prüfung! Layan wartete auf ihn!
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Montag 18. November 2024, 15:28

Normalerweise benötigte er stets jemanden dicht an seinem Körper, damit Syn friedvoll in den Schlaf übergleiten konnte. Zumeist waren es Frauen und üblicherweise dufteten ihre verschwitzten Körper nach der Lust, die er ihnen bereitet hatte. Ihre heftige Atmung als Nachhall seiner Mühen geleitete ihn dann in eine Welt aus Erholung und Schwärze. Dieses Mal kam es anders. Er brauchte keinen Leib, der sich erschöpft an ihn schmiegte. Es genügte, dass man seine Hand ergriff und sie mit eigener warm hielt. Er brauchte nicht die Klänge eines beanspruchten, aber nunmehr entspannten Körpers. Es genügten die sanften Worte, die ihm trotz seiner Offenbarung versicherten, dass er seinen Weg fortan nicht würde allein gehen müssen. Wäre er nicht bereits so müde gewesen, hätte er skeptisch geschnauft. Versprechen dieser Art waren in seinem Leben ebenso bedeutungslos gewesen wie Liebesbeweise. Es waren leere Floskeln, um irgendeinen Vorteil zu erreichen oder sich eine Zusammenarbeit zu sichern, die sofort aufgehoben wurde, sobald man an sein Ziel gelangt war. Syn hatte sich nicht auf das Wohlwollen anderer verlassen können ... nicht einmal bei Karrish, für den er bis zu einem gewissen Zeitpunkt mehr als sein Leben gegeben hätte. Nun war es eine andere, die es getan hatte ... um ihn und seine Freiheit zu schützen. Dieser Gedanke erfüllte auch seinen Schlaf, als er sich in Form einer unwiderstehlich aussehenden Zarrah'lindae in seine Träume schlich.
Gebannt starrte Syn auf die silbrig glänzende Umgebung, die sich unter einem blassen Vollmond auftat. Die Zweige der Bäume rahmten alles in schwarze, dürre Finger ein. Sie streckten sich zum Zentrum des Sees aus, wo sie in all ihrer dunkelelfischen Erhabenheit stand. Das Kleid betonte ihre Kurven, von denen Zarrah nicht einmal ansatzweise so üppige besaß wie ihre Schwester. Aber Syn empfand sie um Längen schöner. Sie war ... zauberhaft.
So wie der Wind mit einzelnen Strähnen ihrer offenen Haare spielte, so weckte es auch in ihm das Bedürfnis, nach dieser feinen Silberseide zu greifen und sie zwischen seinen Fingern hindurchgleiten zu lassen. Er wusste, wie es sich anfühlte: glatt und weich, wie ihr Körper. Und warm. Syns Sehnsucht nach dieser Geborgenheit ließ ihn einige Schritte durch das Wasser machen. Er spürte nicht einmal, ob es kühl war. Er spürte nicht die Feuchtigkeit. Er war erfüllt von der Sehnsucht, Zarrah nahe zu sein. Da wandte sie sich zu ihm um, schaute ihn direkt an und sein Herz wusste nicht, ob es wild hämmern oder ganz still stehen sollte.
"Ich achte auf dich... Ich passe auf dich auf und sorge dafür, dass du sicher bist..."
Syns Finger streckten sich nach Zarrah aus. Er erreichte sie fast. Ein Stückchen noch und er könnte ihre Worte mit seiner Geste unterstreichen, die ihr das gleiche versprochen hatte. Er streckte sich. Nur noch etwas, dann könnte er seine Hand auf ihren Schopf legen. Da bannte ihn ihr smaragdgrüner Blick wie ein Zauberspruch. Er erstarrte sofort und sein Herz entschied sich, ganz klein zu werden, sich in sich selbst zu winden, um den letzten Rest Kummer auszuwringen und durch seine Adern fließen zu lassen. Sie würde auf ihn achten und für seine Sicherheit sorgen?
"Aber ... wie denn...?" Er hatte sie verlassen. Er hatte sie zurückgelassen. Wie sollte sie ihn - wie er sie?! - beschützen? Syn griff ins Leere. Da war nur noch Zarrahs Blick, der ihn jedes Mal erstarren ließ, wenn er sich mit dem seinen kreuzte. Er konnte diesen Augen nicht länger standhalten. Er sank auf seine Knie, ins Wasser hinein, das jetzt vor ihm das Weite zu suchen schien. Er hockte in Silber, in Schwärze? Er wusste es nicht. Er sah nur noch smaragdgrüne Augen, die Trauer darin, dann das Leuchten ... das Gefühl. Er fühlte sie.
Syn lag, Zarrah hockte auf ihm. Ihre Bewegungen erwiderte er sofort, ließ sich antreiben und durchaus auch animieren, es zu wagen, Freude daran zu empfinden. Denn jetzt sah er diese Szene ganz anders. Er sah, was in Zarrahs Iriden hoffnungsvoll funkelte. Er erkannte, was sie suchte. Und er lächelte mit eigenen feuchten Augen. "Ich weiß es ... ich weiß es endlich ..." Er würde das Fragende endlich aus ihrem Blick bannen können. Sie müsste nicht länger suchen. Er war hier und er wollte ihr mitteilen, was er wusste, gelernt hatte ... und endlich verstand.
Da verschwamm sie vor seinen Augen. Ihr Körper wurde durchsichtig, verwaschen, löste sich auf und verschmolz mit dem Schwarz seiner Traumwelt. "Ich schütze dich ... ich verspreche es..."
"Nein ... geh nicht ... bitte, bleib ..."

"Zarrah!" Das Keuchen ihres Namens aus seinem eigenen Mund riss Syn zurück in die Wirklichkeit. Ein Ruck ging durch seinen Leib und er saß aufrecht auf dem Lager, das ihm nur teilweise erholsame Stunden geschenkt hatte. Schweiß stand ihm auf der Stirn, aber er war es nicht, der ihm über das halbe Gesicht rann. Syn hob die Finger zu seinen Augen. Die Ränder waren feucht, ebenso wie seine Wangen. Er folgte dem Pfad seiner Tränen mit den Fingerspitzen. Ihm war kalt, aber von innen heraus. Schon krümmte er sich nach vorn, verbarg das Gesicht in Händen und weinte erneut - stumm, wie üblich. Er durfte niemanden mit seinen Unzulänglichkeiten wecken. Mit seiner Sehnsucht. "Zarrah...", schluchzte er einmal auf und hielt sofort den Atem an. Reiß dich zusammen! Es war nur ein Traum. Sie ist tot...
"Sie passt noch immer auf dich auf", säuselte es nahe an seinem Ohr. Kurz darauf streichelte der Wind das Salz von seinen Wangen. Er schnaufte, wenn auch halbherzig: "Filius meinte, du bist seltsam und ich solle nicht auf dich hören ... was immer du bist. Erzähl mir nicht, was ich hören will. Es schmerzt nur umso mehr, wenn ich die Wahrheit herausfinde." Wie bei Karrish. Langsam senkte er die Hände, blickte auf die Leere darin hinab. Dann ballte er sich zu Fäusten und wischte sich die Augen. Er musste an seiner Entschlossenheit festhalten. Er hatte sie verloren, aber er durfte jetzt sein Ziel nicht aus den Augen verlieren. Das helle Licht des neuen Tages, welches zusammen mit einer angenehmen Brise durch den Fensterspalt strömte, erinnerte ihn daran, was nun zu tun war. Layan wartete.

Kurz sondierte Syn die Lage. Er entdeckte Kira. Sie schlief friedlich neben ihm. Sie war geblieben, hatte sich sogar von seinem Versprechen zu töten nicht abschrecken lassen. Sie war noch immer bei ihm. Sie sah noch immer zu ihm auf. Sie vergaß ihn nicht, auch wenn er in zehn Monaten gehen würde. Sie war die Hoffnung darauf, dass er zurückkehren und dann die Bande würde knüpfen können, die er sich selbst nun verwehrte.
"Natürlich bringe ich dir das Tanzen bei", murmelte Syn und strich einmal sanft über Kiras Haar. Es war schön, ebenfalls weich, aber es gehörte nicht Zarrah. Er vermisste das Gefühl ihrer Haare unter seiner Hand. Er vermisste sogar den schwachen Duft, der nach einer solchen Berührung an seinen Fingern haftete. Er vermisste sie so inständig, dass er einen Moment lang nur still dasitzen und auf Kira herabblicken konnte. Erst die nächste Brise, getragen vom Wind, weckte ihn erneut auf.
Vollkommen ausgeschlafen war er nicht. Tatsächlich fühlte er sich nach dem Traum sogar ein wenig neben sich, aber es half nichts. Die Aufnahmeprüfung wartete und es blieb seine einzige Chance, näher an sein Ziel zu gelangen. Zehn Monate wären schon eine lange Zeit. Er durfte nicht noch mehr verschwenden, wenn er jetzt versagte. In Morgeria hatte man ihm auch nie die Wahl gelassen. Da war es uninteressant, ob er ausgeschlafen oder totmüde in der Schwarzen Arena antreten musste. Es zählte nur, ob er am Ende überlebte. Zwar ging es bei der Himmelsreiter-Eignungsprüfung nicht direkt um Leben und Tod, aber sie zu bestehen, war essentiell in Syns Planung.
So lautlos er konnte, erhob er sich und richtete seine Kleidung. Für ein Frischmachen war es wohl bereits zu spät, außerdem fehlten ihm die Mittel. Wann hatte er das letzte Mal in einen Spiegel gesehen? So gut es ging fuhr er sich mit den Fingern durch die Haare, wischte sich noch einmal über das Gesicht und schlich auf Zehenspitzen aus dem Schlafbereich in den Vorraum. Er schlüpfte in seine Schuhe und verließ den Schuppen. Frische Luft und ein klarer Himmel begrüßten ihn. Er atmete tief durch. Von einem Morgenlauf zur Koppel würde er schon munter werden. Und dorthin wollte er gehen, in der Hoffnung Layan anzutreffen. Denn wohl die Himmelsreiter selbst ausgebildet wurden, das hatte er noch nicht in Erfahrung bringen können.
Und wenn sich die Möglichkeit ergab, mit Layan über seine Schwester zu sprechen, würde er auch das tun. Larianas Bruder mochte sie anscheinend und Kira war angetan von ihm. Was beide daran hinderte, einfach übereinander herzufallen, wusste er nicht. Für ihn war das Weltbild aber auch ein anderes. Das könnte noch unangenehm werden, sowohl für Kira als auch Layan. Nicht für Syn. Der würde , seiner Meinung nach, dem Schwesterchen zu einer Entjungferung durch ihren Schwarm verhelfen. Das und zu einem besseren Tanzstil, das war er ihr schuldig ... für alles. Für die Wärme, die ihn nun etwas zuversichtlicher zur Koppel der Pegasi laufen ließ.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Montag 18. November 2024, 21:08

Syn hatte in all der Zeit in Morgeria gelernt, für sich zu weinen. Er hatte es perfektioniert und so wachte auch niemand auf, wenn er stumme Tränen weinte. Jetzt war er aufgewühlt von dem Traum, der Sehnsucht und der Trauer. Sein Körper, sein Geist – all das musste erst noch lernen, ohne Zarrah und seine Freunde auszukommen. Es würde Zeit brauchen und vermutlich würde das nicht der letzte Traum dieser Art bleiben. Letztendlich aber quälte es ihn. Die Worte, die Zarrah im Traum gesprochen hatte waren wie blanker Hohn, denn sie konnte das Versprechen schließlich nicht mehr halten, oder? Und er konnte ihr nicht mehr zeigen, dass er endlich gelernt hatte einen Unterschied zu sehen. Ob er ihn fühlen würde… nun, das hätte sich erst zeigen müssen, aber er hatte in jedem Fall Fortschritte gemacht, die Zarrah niemals sehen würde. Es war bitter, das erkennen zu müssen. Aber ohne sie wäre er niemals soweit gekommen. Und Lariana hatte versucht zu sagen, dass manche einfach nur ein kleines Stück des Weges mit einem gemeinsam gingen. Vielleicht war Syn auch für anderes bestimmt. Für das Leben in Hymlia, gemeinsam mit Kira und seinen Eltern. Gemeinsam mit Lariana, mit Pegasi und Luftmagie. Vielleicht war das sein Leben, das die Götter für ihn vorgesehen und durch Zarrah’lindae von den Nachtklingen auf den Weg gebracht haben… Nun musste sich Synnover selbst auf den Weg machen. Die gesäuselten Worte des Windes tat er mit der Warnung seines Professors ab. Er glaubte dem Wind nicht mehr bedingungslos. Er war vorsichtig geworden, aber eine Antwort erhielt er auch nicht. Leise und so, wie er jahrelang geübt hatte, verließ er den heimeligen Schuppen, während Kira noch schlief. Sie war unter seiner Berührung oder seinen Worten nicht aufgewacht. Sie schlummerte offenbar sehr viel friedlicher, als es ihm gegönnt worden war, doch das machte auch nichts. Syn musste sich ohnehin jetzt auf etwas anderes konzentrieren. Der Schlaf half ihm, sich wieder mehr zu fokussieren. Also orientierte er sich im hellen Licht des Tages und wusste daraufhin den Weg zur Koppel.

Im Laufschritt fühlte er, wie sich der Wind an ihn zu erinnern schien. Er sauste an seiner Seite entlang und kühlte ihn ab, sollte er warm werden. Syn spürte aber noch etwas anderes: Der Wind war wie ein alter Bekannter. Er war nicht einfach nur da, er sprach auch sein magisches Potenzial an. Er musste nur wieder die Konzentration dafür finden, es zu nutzen. Später. Jetzt ging es um andere Talente und als er der Koppel näherkam, musste er feststellen, dass das ganze hier ein reges Spektakel zu sein schien. An der Koppel standen und lehnten zahlreiche Zuschauer. Sie alle waren extra früh an diesem Tag aufgestanden, um den neuen Rekruten dabei zuzusehen, wie sie sich um die begehrten Plätze duellierten. Es waren Einzelne, Familien mit und ohne Kinder oder auch Greise anwesend. Es war fast wie in der Arena, wenn er zu einem Kampf aufbrach und doch war die Stimmung eine vollkommen andere. Es gab sogar Menschen, die ihre Waren durch Rufe an den Mann oder die Frau bringen wollten. Kleine Kinder aßen eine seltsam fluffige Süßigkeit, die ihre Münder färbte und an Stielen klebte. Es war… belebend? Zwischen den Schaulustigen befand sich ein schmaler Gang, der freigelassen worden war, damit sich alle Freiwilligen auf der Koppel einfinden konnten. Sein Instinkt war richtig gewesen, sodass er nicht lange brauchte, um Layan zu entdecken. Er trug eine weiß-goldene Rüstung, die ihn erhabener machte als seine Art ohnehin schon suggerierte.
Er stand in der hymlianischen Himmelsreiter-Rüstung vor einigen Jungen und zwei Mädchen, die allesamt das Gleiche trugen: Weiße Einteiler, die klar machten, dass sie in den Rang eines Novizen oder einer Novizin eintreten wollten. Als Syn den Weg zu ihnen einschlug, wurde er dann plötzlich aufgehalten. Man drückte ihm einen Overall in die Hand und deutete auf die Stallungen. Jene waren ausgenommen von Besuchern und nur den Rekruten vorbehalten. Hier konnte er sich umziehen und es gab auch Getränke und einiges an Obst zum Stärken. Hinter der Koppel, am hymlianischen Rand, wehten einige Flaggen des Menschenvolkes und die Farben der Himmelsreiter. Weiter entfernt konnte Synnover seltsame Wolken erkennen. Sie waren zu Ringen geformt und bildeten einen weitläufigen Rundkurs um die fliegende Landmasse herum. Das Wetter schien zu halten, denn ansonsten gab es nur vereinzelte Wolken. Sobald Syn sich umgezogen hatte, musste er sich zu den anderen gesellen. Schließlich waren sie 9 Rekruten und Layan nickte Synnover anerkennend zu. Er war gekommen. Das war schon mal ein Bonuspunkt. Doch sprechen konnte Synnover erstmal nicht mit Lariana’s Bruder. Er hatte andere Pflichten zu tun, war hin und wieder im Gespräch mit jemandem und die anderen Rekruten waren nervös. Sie waren ebenfalls nicht sonderlich zu Gesprächen aufgelegt. Bis der letzte, noch fehlende Rekrut eintrudelte.

Ein großer Kerl mit eigenwilliger Optik: Er trug das weiße Haar auf einer Seite lang, auf der anderen kurzgeschoren. Seine Augen zierten einige Piercings. Seine Kleidung war hier und dort zerschlissen, aber es sah so aus, als wäre es gewollt. Um seinen Hals trug er ein Halsband mit Nieten und um seine Augen hatte er schwarze Schminke verteilt. Beim Näherkommen sah Syn, dass er blassgraue Augen hatte, die irgendwie trüb wirkten. Er sah nicht wirklich aus, wie ein Hymlianer. Und als er sich neben Syn in die Reihe stellte, nickte er ihm kurz zu, sodass das Vorwippen seiner Haare Aufschluss gab: Er war kein reiner Hymlianer. Der Kerl hatte spitze Ohren und musste eine Art Elf in sich tragen. Nun aber schienen sie vollzählig zu sein, denn Layan stellte sich vor ihnen auf. Er blickte auf ein Pergament und sah immer wieder auf, bevor er einen Haken setzte. Offenbar prüfte er die Anwesenheiten. Als er bei Syn ankam, nickte er und fasste daraufhin den Halbelfen ins Auge. „S’idan. Du stehst nicht auf der Liste.“, bemerkte Layan und der Elf zuckte die Schultern. „Dann schreib‘ mich drauf.“ Layan behielt den Blick einen Moment auf S’idan Doch schließlich senkte er seinen Blick, kritzelte den Namen auf die Liste und hob den Blick auf die Rekruten. „Ihr alle wollt potenzielle Himmelsreiter werden! Um aufgenommen zu werden und das Trainingsprogramm absolvieren zu können müsst ihr eine Reihe von Aufgaben meistern. Diese sind: Kampf, Magie, Gemeinschaft und Flug. Im Kampf geht es darum zu zeigen, ob ihr euch im Falle des Falls erwehren könnt. Wir werden nicht bei Null anfangen können, deshalb solltet ihr gewisse Kenntnisse mitbringen. Ihr werdet gegeneinander antreten und mit nicht scharfen Waffen kämpfen. Anschließend prüfen wir eure Magie-Fähigkeiten. Professor Filius hat sich bereiterklärt, das alles zu überwachen. Magie ist kein Entscheidungsgrund. Nicht jeder Himmelsreiter kann auch Magie wirken, aber es hilft euch, falls andere Disziplinen nicht ausreichend sind. Gemeinschaft beinhaltet Teamarbeit. Ihr werden in zwei Gruppen aufgeteilt und müsst eine Aufgabe gemeinschaftlich Lösen. Wir sind eine Einheit und brauchen solche, die als Einheit funktionieren. Alleingänge sind nicht das, was uns ausmacht. Am Ende dieser drei Disziplinen wird bereits eine Vorentscheidung gefällt. Und zum Schluss folgt noch der Flug. Ihr werdet ohne Übung, ohne vorherige Instruktion auf einen Pegasus gesetzt und dürft zeigen, wie er der Aufgabe gewachsen seid.“ Layan war vor ihnen auf und abgeschritten. Dann aber blieb er stehen. „Noch irgendwelche Fragen?“, wartete er ab, ob sich jemand regte. Dann ertönte ein kurzer Pfiff von Seiten der Zuschauer. Wenn Syn sich kurz ablenken ließ, würde er Kira entdecken, die ihm freudestrahlend zuwinkte. Sie war hier, sie schaute ihm zu. Layan folgte dem Pfiff und entdeckte Kira ebenfalls. Einen Moment betrachtete er sie und ihren Blick zu Synnover verwirrt. Er wusste schließlich nichts davon, dass sie verwandt waren, doch dann war er wieder professionell und würde etwaige Fragen beantworten.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Donnerstag 21. November 2024, 19:26

Passte Zarrah wirklich noch auf ihn auf, wie es ihm die unbekannte und dennoch vertraute Stimme gesäuselt hatte? Warum vertraute er nicht darauf? Bisher hatte sie ihm auch stets geholfen, indem sie ihm zum richtigen Zeitpunkt die Zauber nannte, mit denen er Zarrah hatte vor dem Ersticken retten können ... Zarrah. Das war der Grund. Warum hatte die Stimme ihm nicht gesagt, dass sie sterben würde, wenn er sie zurückließ. Dass sie alle hatten sterben müssen?! Es schmerzte, daran zu denken. Es schmerzte, an sie zu denken und am meisten würde es schmerzen, sich wieder falsche Hoffnungen zu machen, die am Ende dann unter Yolinthas spöttischem Gelächter zertrümmert würden. Er schauderte.
Vielleicht hatte auch Lariana Recht. Vielleicht war Zarrah nur eine kurze Gefährtin gewesen. Wegbereiterin für seinen Pfad zurück in sein Schicksal, in ein Leben, das Götter oder wer auch immer für ihn vorgesehen hatten. Hierbei blieb jedoch die Frage, warum schon wieder andere - und seien es die Götter - für ihn entschieden? Er war doch frei! Es waren seine Entscheidungen, die seinen Weg ebnen sollten, oder nicht? War Freiheit doch nur gelogen, eine Farce wie alles andere? Wie Liebe? Nein. Ich liebe sie... Sie alle. Syn konnte aktuell nicht einmal verdeutlichen, wen er nun genau meinte und doch konnte er seinen Gedanken über Zarrah hinweg ausweiten. Natürlich hatte auch Lariana längst einen Platz in seinem Herzen gefunden, wenngleich nicht mit demselben Maß. Und Kira? Die bohrte sich gerade tief hinein, aber die Zuneigung für sie war von einer ganz anderen Natur. Sie war nicht wie die Freundschaft zwischen ihm, Razag und Crystin gewesen war. Sie wog ein wenig mehr. Gleichzeitig aber fehlte hier die Anziehung für ihren Körper. Die gab es nicht und durfte es nicht geben, denn Kira war seine Schwester. Selbst Syn hatte Grenzen. Er könnte allerdings auch nicht sagen, ob er sich sträuben würde, wenn man ihn erneut versklavte und unterwürfig machte. Er hatte so viele Dinge in seinem Leben schon getan ... so viele, weil andere es wollten und für ihn entschieden.
Jetzt war die Zeit gekommen, dass er diese Entscheidungen traf. Selbst wenn die Götter ihn im Hymlia sehen wollten, würde er sie vertrösten müssen. Es gab vorher noch etwas Anderes zu tun und es würde blutig werden. Um diesen Plan jedoch aktiv umzusetzen, müsste er sich weiter stählen, in so vielen Kategorien des Angriffs und der Verteidigung wie möglich. Und er müsste fliegen können. Die Eignungsprüfung wartete auf ihn.

Sie fand tatsächlich bei den Koppeln der Pegasi statt. Syn verlangsamte seinen Sprint in einen zügigen Gang, bei dem er an den Koppelzäunen entlang Richtung Ställe lief. Er konnte schon all die Besucher sehen und die Zierden, mit denen der Bereich geschmückt worden war. Die Prüfung war nicht nur für ihn wichtig, sondern stellte auch ein Ereignis für ganz Hymlia dar.
Andere würden unter dieser Erkenntnis möglicherweise nervös, knickten ein und überdachten ihre Entscheidungen noch einmal. Syn hingegen ... fand ... Ruhe. Es lag nicht nur am Wind, der ihm bei seinen Beweungen Auftrieb gab, als hätte er die Flügel eines Pegasus. Auch wenn es ihm dadurch einen federnden Schritt verlieh. Es lag an der gesamten Atmosphäre des Veranstaltungsortes. Er betrachtete sich die Zuschauer. Es waren so viele Hymlianer gekommen. Sie lehnten am Koppelzaun und schauten auf die vorbereiteten Rondelle, die Bahnen und seltsame, ringförmige Wolkenformationen am Himmel. Auch Syn betrachtete sich diese. Eine Ahnung stieg in ihm auf. Würde er heute schon fliegen? Könnte ich jetzt schon...? Nein, zu früh. Selbst wenn es gelingt ... ich kann noch nicht gut genug kämpfen und ... meine Magie... Sie hatte ihn nicht verlassen. Wie um das zu unterstreichen, fegte eine Brise an ihm vorbei, als wollte der Wind persönlich ihm einen Klaps auf den Hinterkopf geben. Syn bremste ab, blieb stehen und betrachtete seine Hände. Er ließ einen winzigen Wirbel entstehen, der über seine Fingerknöchel tanzte wie die klischeehafte Münze über die Hand eines Halunken aus der Gosse. Dann schüttelte er den Luftzug fort. Er beherrschte sie noch und wenn er sich stärker auf seine Kräfte konzentrierte anstatt auf seine Trauer, würden ihm die Zauber schon gelingen, die er inzwischen gelernt hatte. Allerdings ... Es reicht noch nicht. Es ist zu früh. Ich muss diese Ausbildung wenigstens anfangen.
Und dafür musste er die gleich stattfindende Prüfung bestehen. Syn setzte sich wieder in Bewegung, um keine Zeit mehr zu vertrödeln. Dabei war er nicht einmal zu spät dran, wie er feststellen durfte. Durch einen schmalen Gang zwischen den Versammelten bahnte er sich seinen Weg bis zu Layan und anderen Prüflingen, deren Gesichter er noch nicht gesehen hatte. Für Syn spielte es aber auch keine Rolle. Es war besser, sich nicht zu sehr mit seinen kontrahenten anzufreunden. Er würde sie hier und heute wohl auch töten müssen. Dafür wappnete er sich innerlich und versuchte, seine Emotionen herunterzuschrauben. Die Umgebung half ihm dabei. Es war wie in der Schwarzen Arena ... und das weiße Kaninchen würde heute zeigen, dass es mehr als befähigt wäre, einen Pegasus zu reiten.
Auf der Koppel angekommen, fiel sein Blick zuerst auf Layans Rüstung. Er sah ... beeindruckend aus. Syn staunte, ohne es sich zu sehr anmerken zu lassen. Doch seine Augen fuhren bereits die Details der Rüstung ab. Sein Hirn malte ihm Bilder von sich selbst in einer solchen Ausrüstung. Etwas nervös war er schon. Doch noch ehe er Layan erreichte, hielt man ihn auf und schickte ihn zum Umziehen in einen Bereich der Stallungen. Getränke und kleine Snacks standen ebenfalls bereit, doch ihm war gar nicht nach Essen zumute. Er gönnte sich lediglich eine Hand voll Trauben und einen Schluck Wasser, um überhaupt etwas im Magen zu haben. Mehr aber auch nicht. Er durfte jetzt nicht träge antreten. Dass er hingegen diesen eher langweiligen Overall anziehen sollte, missfiel ihm. Damit fiel er überhaupt nicht auf. Wie sollte er das Publikum für sich begeistern?
Syn merkte nicht, wie sehr er bereits wieder in alte Muster veriel. Vielleicht tat er es auch bewusst, denn irgendwo gaben ihm diese vertrauten Routinehandlungen die Sicherheit, die er seit seiner Flucht aus Morgeria verloren zu haben schien. Und tatsächlich spürte er, dass er sich irgendwie wohl fühlte, als er neu eingekleidet die Koppel betrat. Doch anstelle nun direkt zu Layan und den anderen Prüflingen zu gehen, spazierte das weiße Kaninchen den Koppelzaun ein Stück weit ab. Das war er dem Publikum schuldig. Und wie schon in der Schwarzen Arena, als man ihn noch gar nicht kannte, ließ er sich nichts anmerken. Er winkte den Zuschauern zu, schenkte einigen Damen ein Zwinkern oder Lächeln und den Herren einen fast schon überheblichen Blick. Schließlich war er es, der hier antreten durfte. Er war besser als sie allesamt! Er würde sich prüfen lassen ... und gewinnen! "Ich bin das weiße Kaninchen", murmelte er vor sich her und es gab ihm das nötige Selbstbewusstsein, damit er erhobenen Hauptes zu den Prüflingen und Layan treten konnte. Selbstsicherer als an allen Tagen zusammengenommen seit seiner Ankunft in Hymlia reihte er sich unter die anderen Rekruten ein. Kurz kreuzte sein grüner Blick den hellen von Layan. Letzterer nickte, durchaus mit Anerkennung. Und Syn? Er tat es mit dieser professionell unnahbaren Art ab, die ihn über alles und jeden erhaben machte und die seine Kontrahenten möglicherweise als Arroganz interpretieren könnten. Es kümmerte ihn nicht. Er war nicht hier, um Freundschaften zu schließen, sondern um zu gewinnen. Ich werde als Sieger aus der Schwarzen Arena herausgehen. Ich werde der Letzte sein, der steht. Dass er sich gar nicht in Morgeria und erst Recht in keiner Arena befand, nahm er schon nicht mehr wahr. Er fühlte sich wohl in seinem Denken. Er fühlte sich sicher, kraftvoll und unbesiegbar. Er würde hier tun, was er immer tat. Das weiße Kaninchen würde all seine Gegner ausspielen, die Lorbeeren einheimsen und später mit irgendeiner Schönheit das Lager teilen, bis seine Ausbilding begänne. Sein gesamter Geist bereitete sich auf die Prüfungen vor und er war ... unglaublich ruhig, fast schon tiefenentspannt.
Als schließlich der letzte Rekrut eintraf, ließ Syn sich von dessen Optik kein bisschen einschüchtern. Dieser Hymlianer ... oder Mischling, denn Syn erkannte die Spitzohren ... spielte hier wohl auch nur eine Rolle. Offenbar hatte er sich für die des Rebellen entschieden. Syn war fast geneigt, mit den Augen zu rollen, aber er beließ es bei einem einfach Schnaufen. Die Größten fallen am tiefsten, dachte er nur bei sich. Statt sich also einschüchtern zu lassen, wägte er die Masse des Kerls neben sich ab. Wie schnell mochte er mit diesen Muskeln wohl sein? Wie lange würde es dauern, ihn auszuspielen? Syn ging ein wenig in die Knie. Er lockerte seine Beine aus und begann tatsächlich, sich etwas zu dehnen. Dafür war vorher schließlich kaum Zeit gewesen und er nutzte seine Chance, solange Layan mit dem Elfen beschäftigt war. So erfuhr er auch dessen Name. S'idan. Der würde so schnell vergessen werden wie der des weißen Kaninchens bekannt. Auch hier in Hymlia würde man ihn feiern!
Dafür musste er allerdings einige Prüfungen bestehen. Es ging nicht nur um eine. Layan stellte ihnen vor, was man gleich von ihnen erwarten würe. Ein Kampf gegeneinander, mit stumpfen Waffen. Syn war nicht überrascht. Es war eben doch nicht Morgeria. Hier sollte niemand getötet werden. Dass man sich jedoch antreten ließ, hatte er fast schon erwartet. Dass man hingegen auch ihre magischen Fähigkeiten sehen wollte, kam für ihn etwas überraschend. Schon lockerte er auch seine Finger und hoffte darauf, dass die Stimme im Wind ihm seine bissigen Worte vom Morgen nicht allzu übel nahm. Aber brauchte er ihn denn? Käme er inzwischen nicht auch ohne die Stimme aus? Er hatte einige Zauber erlernt, wenngleich er sie die letzten Tage kein bisschen geübt hatte. Er war ja nicht einmal zu Filius' Unterricht erschienen. Mehr als die magische Prüfung machte Syn aber die Disziplin zu schaffen, bei der es um Gemeinschaft und Teamgeist ging. Er blinzelte und starrte Layan an. Das ... war neu. Erwartete man von ihm eine Art gemeinsames Kämpfen wie mit Razag beim Triell? Nein. Sie sollten eine Aufgabe gemeinschaftlich lösen. Das klang nicht nach einer kämpferischen Herausforderung. Er biss die Zähne zusammen und mahlt ein wenig mit dem Kiefer. Das wird wohl der schwierigste Teil werden. Zum Schluss nannte Layan noch was Fliegen. Man wollte sehen, wie sie sich auch unausgebildet auf den Rücken der Pegasi machten. Syn schaute sich flüchtig um. Ob man ihm Turok zuteilte? Das geflügelte Pferd war jung und ungestüm, aber Syn verstand sich mit ihm inzwischen doch recht gut. Zumindest hatte er seine Stallbox ebenso pflichtbewusst gesäubert wie die der anderen Tiere.
"Noch irgendwelche Fragen?", holte erst Layan Syns Aufmerksamkeit zurück, nur um sie sofort wieder zu verlieren. Ein Pfiff aus den Zuschauerreihen ließ alle zum Ursprung desselben schauen. Auch Syn blickte herüber und erkannte Kira, die wild und sehr aufgeregt winkte. Er erwiderte es nicht, schmunzelte aber sacht. Sie war hier. Sie war aufgewacht, hatte sich angezogen und war gekommen, um ihm zuzuschauen. Oder...?
Syn wandte den Kopf wieder herum. "Ich habe eine Frage", meldete er sich und wartete, bis Layan sich ihm widmete. Vor den versammelten Prüflingen, den Wind im Rücken und den Lärm der Zuschauenden in den Ohren fragte er frei heraus: "Wenn ich die Prüfung bestehe, würdest du mit meiner Schwester Kira ausgehen?" Falls Layan zustimmte, gäbe es über Syns eigene Entschlossenheit noch eine weitere Motivation, sich besonders stark anzustrengen und alle an die Wand zu spielen.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 21. November 2024, 22:03

Es war vertrautes Terrain. Synnover kannte sich mit dieser Art von Belustigung sehr gut aus, war sie doch Zeit seines Lebens einziger Inhalt dessen gewesen. Der Hymlianer in der dunklen Stadt strahlte stets hell und war ein aufgehender Stern gewesen. Er war eine Spur erhabener als alle anderen Sklaven und hatte eine Spur mehr Privilegien. Hier würde es genau so werden, wenn er erstmal fertig war! Das Publikum zu gewinnen war nicht schwer. Er wusste was funktionierte, er kokettierte mit der Damenwelt und zeigte den Herren sehr deutlich, wo sie ihn mal gernhaben konnten. Synnover war ein Prachtexemplar von Mensch. Und jeder durfte es sehen! Dass er sich hier nicht mehr in der dunklen Stadt und in Obhut der Nachtklingen befand, das vergaß er. Er verfiel sofort in alte Muster und es war nur verständlich. Es war das, was ihm in Fleisch und Blut übergegangen war. Allerdings durfte er erkennen, wenn er genauer hinschaute, dass seine Blicke und Luftküsse nicht die normale Reaktion hervorriefen. Es schlug ihm eher Verwunderung entgegen, einige lächelten unsicher. Die Hymlianer kannten dieses Spiel nicht und für sie ging es hier auch nicht um eine Schau bis aufs Blut. Sie waren gekommen, um zu sehen, wer fortan ihr Reich beschützen würde.
Es war ein Event, ja aber nicht, um den Hunger nach Barbarei zu stillen. So fiel die Reaktion nicht ganz so, wie von Syn erwartet aus, aber er erntete auch keinen Hohn oder Spott. Man empfand sein Tun als erheiternd und so blieb die Erfahrung zwar anders, aber positiv. Sie winkten ihm erfreut zu, lachten ihn an und nicht aus und er bekam auch ein wenig mehr Applaus, als er sich in die Reihe der Rekruten einfügte. Man mochte ihn. Aber nicht, weil er die Damenwelt zum Schmelzen brachte und die Herren in Arroganz übertraf. Hymlia hatte Platz für ihn und nahm ihn weiterhin auf. Während sich S’idan endlich ebenfalls einreihte, erklärte dann auch Layan, worauf es hier ankam. Und er überraschte Syn, der doch von ganz banaleren Dingen ausging. Ihm wurde bewusst, dass dies nicht einfach werden würde. Er musste sich auf jeden Fall konzentrieren und vor allem richtig anstrengen. Kämpfen würde eventuell kein Problem darstellen, denn das kannte er. Allerdings stellte es ein Novum dar, dass er nicht töten sollte. Ja, nicht mal verletzen… Aber wenn er am Ende niemanden mit ‚Atemnot‘ niederstreckte… wie sollte er ihn dann besiegen? Und Magie. Er hatte die ganze Zeit nicht mehr daran gearbeitet. Aber er hatte von Filius einiges gelernt. Er musste sich nur erinnern, wie er es bewerkstelligt hatte. Gruppenarbeit war vollkommen neu und es stellte sich schnell heraus, dass er hier nicht mit jemandem zusammen kämpfen sollte. Fliegen war aufregend, denn nichts lockte ihn so sehr, wie das Fliegen. Es würde also spannend werden und es blieb nur zu hoffen, dass die paar Trauben und der Schluck Wasser ausreichten, um ihn zu stärken.

Nun aber wollte Layan noch klären, ob jemand noch eine Frage hätte. Bisher meldete sich niemand und als Syn sich ihm zuwandte, war Layan beinahe so weit, die Prüfung zu eröffnen. "Ich habe eine Frage", und erhielt Layan’s Aufmerksamkeit. "Wenn ich die Prüfung bestehe, würdest du mit meiner Schwester Kira ausgehen?" Der Himmelsreiter wusste im ersten Moment überhaupt nichts zu sagen außer ein „Was?!“, ehe ihm bewusstwurde, dass alle die Stimme des Bodengängers gehört hatte. Es wurde eine Spur ruhiger im Publikum und Kira klatschte sie soeben mit der flachen Hand gegen die Stirn. Sie zog die Schultern hoch und wollte sich ganz offensichtlich verstecken. Einige Umstehende betrachteten sie grinsend. S’idan prustete los und klopfte Syn ungeniert gegen das Schulterblatt. Auch die anderen Rekruten bissen sich amüsiert auf die Unterlippe. Layan aber beäugte alle mit einem strengen Blick, ehe er zum Publikum kehrte und auf Kira fiel. Sie luscherte hinter den Finger hervor und war puterrot angelaufen. Layan behielt den Blick einen Moment auf ihr, ehe er sich Synnover annäherte und zu ihm beugte. Sein grauer Blick richtete sich auf ihn. Die Rüstung sah aus der Nähe noch beeindruckender aus und Syn erkannte sogar echtes Gold daran. „Wenn du am Ende Rekrut wirst, dann gehe ich mit deiner Schwester aus. Und du mit meiner!“, forderte er, lehnte sich zurück und streckte seine Hand vor. Schlug Syn also ein?
Wie auch immer diese Abmachung ausging, am Ende widmete sich Layan wieder der Pflicht. Er schritt die Reihe ab, gab das Zeichen, dass es losging und das Publikum brandete auf. „Legen wir los!“, rief er und erntete wilden Applaus. Die erste Prüfung ging um das Kämpfen. Tatsächlich stellten sie sich zu Pärchen auf und Syn hatte das Los gezogen, gegen S’idan anzutreten. Der Halbelf war ihm körperlich überlegen. Er war größer, besaß etwas mehr Muskeln, war aber gleichzeitig schlank. S’idan griff sich von einem Tisch seine Waffe der Wahl.
Syn fand sogar Kampffächer dort, auch wenn sie niemandem ernsthaft schaden konnten. Sobald sich also jeder etwas ausgesucht hatte, mussten sie sich in vorbereitete Kreise stellen. Sie waren nicht sehr ausladend, ungefähr vier Meter im Durchmesser. „Wenn ihr es schafft euren Gegner über die Kreislinie zu bekommen, dann erhaltet ihr einen Punkt. Landet er auf seinem…“, Layan grinste kurz, „Arsch – fünf Punkte!“, heizte er die Rekruten an, sich Mühe zu geben. S’idan feixte. „Nichts leichter als das, Synavor“, nannte er ihn falsch, obwohl nicht klar war, ob er es nur falsch verstanden hatte oder mit Absicht so sagte. Im Grunde war S’idan nicht unsympathisch. Er war nur einfach der Rebell, wie Syn bereits festgestellt hatte. Jedenfalls hatte der Hymlianer mit den spitzen Ohren ein Kurzschwert und einen Schild. Syn musste sich überlegen, wie er ihn austricksen wollte. Er würde sich als guter Kämpfer herausstellen, der sich nicht so leicht überrumpeln ließ. Auch war er schnell und pfiffig, Syn würde sich wirklich anstrengen müssen oder auch mal selbst außerhalb des Kreises landen, je nach dem, wie er sich nun anstellte. Dass er kämpfen konnte, lag auf der Hand. Und er war wendiger als der andere. Sobald jemand 10 Punkte gesammelt hatte, war dieser Teil der Prüfung beendet. Nun lag es bei Syn dem weißen Kaninchen eine neue Krone aufzusetzen.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Samstag 23. November 2024, 13:57

Verwirrte Blicke war er gewohnt, auch aus Morgeria. Allerdings geschah es eher selten, doch damals, als Syn zum ersten Mal in der Schwarzen Arena aufgetreten war, hatte das Publikum nicht gejubelt. Da war es überraschend ruhig in den Rängen über ihm geworden, vom Tuscheln der Zuschauenden einmal abgesehen. Niemand hatte erwartet, dass der kleine, viel zu schmale Bursche mit der hellen Haut und den weißen Haaren auch nur zwei Sekunden im sandigen Rund überleben würde. Der Jubel danach war umso größer gewesen. Daraufhin entstanden solche Momente mit anfänglicher Stille, überraschten Blicken und leisem Getuschel nur noch, wenn Syn einen Auftritt in einem besonders fragwürdigen Kleidungsstück abgelegt hatte - beispielsweise in dem schwarzen Brautkleid, das nun irgendwo vergessen in Celcias Wäldern herumliegen musste. Er hingegen befand sich hoch über den Wolken, in einer neuen Arena und der Kampf würde seine Zukunft auf andere Art und Weise entscheiden als durch sein Überleben. Dabei erkannte Syn, dass es im Gegensatz zu Morgeria deutlich höhere Ansprüche gab, aber das Ereignis war nun einmal auch kein Schaukampf der Gladiatoren einer Arena. Es ging hier um eine Ausbildung zum Himmelsreiter!
Langsam wurde selbst dem verschollenen Sohn bewusst, dass es nicht leicht werden würde. Selbst im Zweikampf könnte er nicht mit seinen üblichen Methoden glänzen. Denn das markierte Rund, welches Layan präsentierte, maß wenig Platz. Ausreichend, um sich dem Kontrahenten zu stellen, aber doch nicht genug, ihn bis zur Erschöpfung hinter sich her zu treiben. Der Abstand mochte gerade so ausreichen, einem wilden Schwerthieb problemlos zu entkommen. Syn analysierte seine Umgebung und erarbeitete anhand seiner Jahre langen Erfahrung unter den härtesten Bedingungen Celcias, wie er es anstellen könnte, in der ersten Disziplin einen Sieg davonzutragen. Tatsächlich ging er auch gedanklich die Zauber durch, die er zuletzt wenigstens als machbar in sein Repertoire hatte aufnehmen können. Sein Atemnot-Trick würde hier und heute nicht funktioneren, denn es sollte weder jemand sterben noch verletzt werden. Damit fiel für ihn auch sein Luftspeer aus der Reihe, zumindest als Waffe. Denn die an der Spitze gebündelte Luft wurde dabei so kalt, dass sie eisig materialisierte und damit ließ sich gewiss einiges an Schaden anrichten. Es blieb also nur noch sein Windschild, aber so könnte er sich wenigstens etwas verteidigen, falls Weglaufen keine Option mehr wäre.
Aber ich habe lange nicht mehr geübt und die letzten Zauber wollten nicht mehr gelingen... Das war ein Problem, das er sich eingestehen musste. Seit der Nachricht vom Schicksal der Besatzung der Silberpfeil hatte er kaum mehr als einen Windhauch zustande gebracht. Es war ganz so, als hätten ihn nicht nur seine Freunde verlassen. Wie um ihm das Gegenteil zu beweisen, streifte Syn erneut eine sanfte Brise, streichelte seine Wange und schob sich unter sein Kinn, um den Kopf etwas anzuheben. So kreuzte sich sein Blick just in dem Moment mit Layan, als dieser ihnen allen eine letzte Möglichkeit gab, Fragen zu stellen. Syn nutzte seine Chance oder vielmehr, er nutzte eine Chance für Kira. Wenn er gewann, sollte der von ihr umschwärmte Himmelsreiter mit ihr ausgehen. Er fragte mit klarer Stimme und offenem Blick, ohne zu bemerken, dass ihn sehr wohl einige Zuschauer hören konnten. Darunter auch Kira, welche sofort die Hand an die Stirn schlug. Auch Layan wirkte, als wäre ihm die Bitte doch unangenehm. Syn ließ ihn nicht aus den Augen, seine eigene Miene war in unnahbare Ruhe gehüllt. Das unterstrich den Ernst seiner Worte. Er meinte es verdammt Ernst. Nicht einmal der kräftige Klopfer seitens S'idan konnte ihn erschüttern. Doch Layan ließ sich nicht konterfrei auf ein solches Spielchen ein. Er verhandelte auch nicht. Er forderte.
"Wenn du am Ende Rekrut wirst, dann gehe ich mit deiner Schwester aus. Und du mit meiner!" Seine vorgestreckte Hand wartete darauf, dass Syn auf diesen Handel einging. Das oder gar nichts. Er hatte die Wahl. Nun entglitten dem kleineren Hymlianer allerdings die Gesichtszüge etwas. Er kniff die Augen voller schmerzhafter Sorge zusammen. Und Furcht. Dann ließ er den Blick über die Zuschauer schweifen, als suchte er nun seinerseits nach Lariana. Zeitgleich hoffte er, ihr schönes Gesicht nicht entdecken zu müssen. Er wusste nicht, wie er dann reagieren würde. Und wenn er nun plötzlich noch einmal mit ihr ausgehen müsste? Was dann?
"Aber ... dann verliebe ich mich doch noch in sie...", murmelte er, senkte den Kopf und ... wischte sich ohne jegliche Scham die Augen. Er weinte stumm, aber wenn die Tränen flossen, hielt er sie nicht zurück. In Morgeria hatte er auf diese Weise weniger Aufmerksamkeit erregt, als wenn man ihn schluchzen hörte. Einen Moment lang brauchte er, sich zu fassen. Dass er alle anderen warten ließ, war ihm vollkommen gleichgültig. Ihre Schicksale interessierten ihn nicht, ein anderes allerdings schon. Er kam wohl nicht drumherum, es auf einen Pfad der Traurigkeit zu führen. "Nagut, dann wird es wohl passieren." Syn schlug ein und suchte wieder Layans Blick. Der andere konnte in den lindgrünen Iriden nichts erkennen, das seine Schwester in ein schlechtes Licht gerückt hätte. Syn widerte es keineswegs an, mit Lariana ausgehen zu müssen, sollte er Rekrut werden. Das Gegenteil war der Fall. So wie er die anderen Anwerber und deren Belange vollkommen ignorieren konnte, so gelang es ihm bei Lariana nicht. Sie hatte sein Herz berührt. Sie war ihm wichtig ... und vielleicht würde er auch ohne Zarrah aktive Liebe noch lernen.
Allerdings befand sich nichts davon in gemachten Tüchern. Vorerst musste er sich in ganzen drei Disziplinen schlagen und anschließend auf einem der Pegasi zeigen, was er konnte. Keine leichte Aufgabe und für die erste stand ihm schon sein ausgesuchter Kontrahent gegenüber. Es war S'idan.
Syn musterte ihn zum ersten Mal genauer, denn vorher hatte er ihn einfach nur als Jugendlichen abgetan, der in einer angeberisch narzistischen Phase des Irrglaubens war, Rebellen wären bei Frauen beliebt. Es kümmerte ihn dabei nicht, welches Alter der Halb-Hymlianer dabei schon erreicht haben mochte. Wenn wirklich ein Teil von ihm elfisch wäre, dann ließ sich das ohnehin nicht so leicht sagen. Ich weiß nicht einmal, wie alt Zarrah is...war. Innerlich seufzte er, als sein Herz sich erneut enger zog.
Syns größtes Problem könnte am Ende noch seine mangelnde Konzentration sein, geboren aus Verlust und Kummer. Er durfte jetzt den Fokus nicht verlieren. Interessanterweise war es genau jener rebellische Kombattant, der ihn aus diesem Tief wieder herausholte und seine Trauer in leidlichen Zorn wandelte. Denn während Syn noch recht nutzlos neben den angebotenen Waffen lag, von denen man sich eine aussuchen konnte, erklärte Layan bereits die Regeln der Disziplin im Kämpfen.
"Wenn ihr es schafft, euren Gegner über die Kreislinie zu bekommen, dann erhaltet ihr einen Punkt. Landet er auf seinem ... Arsch - fünf Punkte!"
"Nichts leichter als das, Synavor."

Der Angesprochene zuckte zusammen. Tatsächlich gelang es S'idan, ihn auf diese Weise zu provozieren, aber nicht, um seinen Namen ins Lächerliche zu ziehen. Es war die Ähnlichkeit zu jenem, den er abgelegt hatte, weil er ihn so schmerzlich an einen anderen Namen erinnerte und an die Frau, die ihn trug. Die seinen freigelassen hatte wie ein Vögelchen - federleicht und erfüllt mit Gesang, weil es seinen Namen hörte. Er schnaubte: "Syn. Nur Syn." Und das war es. Gegenüber S'idan brauchte er nicht mehr zu sagen. Der würde seine Lektion schon noch erhalten. Vielleicht war die Provokation genau das, was Syn nun gebraucht hatte. Er vergaß Zarrah für den Moment, auch Lariana oder dass auch für Kira nun etwas auf dem Spiel stand. Seine Augen wanderten die Waffen ab. Welche sollte er nehmen? Er beherrschte im Grunde kaum eine. Dolch oder Kampffächer, es war einerlei, wenn er damit sowieso nicht töten durfte. Mit Letzteren könnte er aber vielleicht seinen magischen Wind besser lenken und so entschied er sich für die beiden Fächer, die ihm in seinen Händen durchaus vertrauter geworden waren als er es selbst vielleicht erkannte. Immerhin hatte er mit ihnen schon auf dem Schiff jeden Morgen die Choreographie geübt, die Zarrah ihm gezeigt hatte. Natürlich wollte er sich daran jetzt nicht erinnern!

Syn nahm im markierten Kreis Aufstellung. Er blieb am Rand, so dass es nur einen kräftigen Schubs von S'idan bedürfte, ihn aus dem Ring zu fegen. Jener brüskierte sich bereits mit Schwert und Schild. Syn hielt seine Fächer bereit. Es sah albern aus, wie er da stand, als wollte er gleich einen santronischen Flamenco aufführen. Falls erneut Lacher aus den Zuschauerreihen kamen, half ihm das. Denn genau darin fand er Ruhe. Es war vertraut. In der Schwarzen Arena hatte man das weiße Kaninchen oft verlacht ... und war dann verstummt, als es einen Gladiatoren nach dem anderen überwand. S'idan war doch nur einer von vielen, die ihm bei seinem Streben im Weg standen. Er würde ihn beiseite fegen wie jeden anderen, der noch kommen sollte. Er musste. Es gab hierbei einfach keine Alternative.
Ein letztes Mal atmete er durch, um sich innerlich zu wappnen. Dann vernahm er auch schon das Signal für Beginn der Runde. Zunächst tänzelten S'idan und er um das zentrale Rund. Syn machte dabei eindeutig die bessere Figur, denn er unterhielt das Publikum ganz unbewusst, indem er die Position der Fächer immer wieder veränderte und dadurch versuchte, seinen Gegner zu verunsichern. Man durfte niemals Angst im Kampf zeigen, auch wenn einem die Knie schlotterten. Solange der Gegner nervöser war als man selbst, blieb man im Vorteil!
Plötzlich hechtete S'idan nach vorn, um einen Schwertstreich auszuführen. Es war ganz klar, was er vor hatte. Er wollte Syn nicht verletzen, sondern zwingen, die Kreidemarkierung des Kreises zu übertreten. Doch er ahnte nicht, mit wem er es zu tun hatte. Das weiße Kaninchen schlug seinen ersten Haken. Der Platz war nicht perfekt, genügte aber, um der Klinge des Halbelfen zu entkommen. Er mochte ihm in Muskelmasse und Größe überlegen sein, aber das bedeutete auch, dass Syn letztendlich einen Deut wendiger war als er. Es brauchte nicht viel Zeit, nur einen winzigen Vorsprung, der bereits das Zünglein an der Waage sein konnte. Syn wich diesem und weiteren Angriffen aus, aber er merkte schnell, dass er so nicht obsiegen würde. Die Punkte machte man außerhalb des Kreises und jener war zu klein, um S'idan an den Rand der Erschöpfung zu treiben. So bremste er in einem passenden Moment ab, dass sein rebellischer Gegner beinahe von selbst aus dem Ring gerannt wäre. Hier kam Syn ein Geistesblitz, der seinen anfänglichen Gedanken nun in einen Plan verwandelte. Zur Überraschung des Publikums und vielleicht auch S'idans steckte er die Kampffächer in seinen Gürtel. Dann stieß er einen Schrei aus, der eigentlich nur der Ablenkung diente. Schon sprintete Syn direkt auf S'idan zu. Er hatte nicht vor, ihn anzugreifen. Er hatte es auf seinen Schild abgesehen und schon sprang er dagegen, um sich wie eine Klette daran festzuklammern. S'idan würde ihn so nicht mit dem Schwert erreichen können, ohne den Arm seltsam zu verdrehen, aber auch darauf hatte Syn es nicht abgesehen. Er zielte auf drei Szenarien ab.
Zwei davon sahen vor, dass sein Gegner den Schild von sich warf, um einen Vorteil aus der Situation herauszuschlagen. Nämlich, indem er ihn bis aus dem Ring herausschleuderte. Das würde ihm einen Punkt einbringen, fünf wenn Syn dabei auf dem Hosenboden landete. Doch jener rechnete eben schon damit. Er war bereit, einen Punkt zu riskieren, auch wenn er versuchen wollte, rechtzeitig vom Schild herunter und zurück in den Ring zu springen. Wie er dann weiter verfuhr, wusste er noch nicht, aber S'idan hätte in diesem Fall nur noch sein Schwert und müsste rein kämpferisch umdenken. Falls es Syn jedoch nicht gelingen sollte, rechtzeitig vom Schilf abzuspringen, gäbe es die gleiche Situation. Im besten Fall war das Schild dann aber einfach weg.
Die letzte Möglichkeit war jene, auf die Syn hoffte. Nämlich, dass S'idan den Schild samt ihm einfach fallenlassen würde, um ihn abzuschütteln. Dann könnte Syn den Schutz schnappen und sich dahinter verbergen. Er entkäme auf diese Weise nicht nur Schwerthieben, sondern könnte den Schild wie einen Rammbock nutzen, mit dem er den Halbelfen anschließend aus dem Kreis drängen wollte. Wenn ich dann noch impulsiv genug auf ihn losgehe, wird er entweder beiseite stoßen und ich kann ihm die Kante des Schildes in die Kniekehlen rammen, damit er zu Fall gebracht wird oder aber S'idan stellt sich mir mit all seinem Gewicht entgegen. Syn grinste. Er hoffte erneut auf Letzteres, denn dann würde der Klügere - er! - einfach nachgeben und zuschauen, wie Herr von und zu Rebell durch seinen eigenen Schwung aus dem Kreis strauchelte und hoffentlich ordenltich auf seinem Arsch landete! Wichtig war, dass Syn bei allem flexibel blieb.
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