Sie gab sich Mühe. Sie gab sich richtig Mühe, weiter zu machen und nicht ständig Trübsal zu blasen. Aber mit jeder weiteren Minute, die verging, mit jeder weiteren Nacht, in der Kazel sie nicht im Arm hielt, wurden ihre Sorgen und ihr ungutes Gefühl größer. Das Herz wurde ihr schwerer und die Freude über kleine Erfolge verpuffte, sobald der Moment vorbei war. Umso mehr bemühte sie sich, solche Momente gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Doch manchmal gab es keinen Ausweg und dann saß sie nur still da, starrte aus dem Fenster und vermisste ihren Liebsten schrecklich. Hin und wieder stellte sie sich dabei vor, wie die Tür aufgehen und er plötzlich wieder da wäre, wie sie ihm um den Hals fallen und ihn zugleich erwürgen würde für all die Zeit, in der er sie allein gelassen hatte. Und selten malte sie sich auch aus, wie es wäre, ihm zu erzählen und zu zeigen, was sie in den vergangenen Tagen erreicht hatte. Aber all das blieben nur Luftschlösser und am Ende landete sie ein ums andere mal unsanft in der Wirklichkeit.
Wenigstens war sie jemand, der wusste, sich wieder aufzurappeln, sodass sie während ihrer Warterei nicht vollständig aufgab, sondern weiter machte. Ja, das musste sie sogar, denn diese neue Aufgabe lenkte sie nicht nur tagsüber ab, nein, es erschöpfte sie körperlich auch dermaßen, dass sie großteils traumlos schlafen konnte. Nur vereinzelt bemerkte sie jene Bilder, mit denen ihr Geist alle Eindrücke verarbeitete, und wachte dabei stets schwitzend und zitternd auf, um sich darufhin in Zissus' Arme zu flüchten und von ihm umschlossen allmählich in den Schlaf zu sinken.
Oder es war bereits früher Morgen und sie hatte bis spät in die Nacht hinein gearbeitet, um den Freund lieber in Ruhe zu lassen und allein in dem viel zu großen Bett jenes Pensum an Schlaf zu holen, das ihr Körper am dringendsten brauchte. So, wie an diesem Morgen, als Arina mit dem Brief zu ihr kam und in ihr eine Welle an Gefühlen damit auslöste. Hoffnung war sofort zur Stelle, denn ja, sie hoffte und wollte glauben, trotz aller Merkwürdigkeiten, diese Nachricht könnte ihr etwas über Kazels Verbleib sagen, wenn er nicht sogar von ihm selbst wäre. Das Herz hüpfte wild in ihrer Brust und sie war froh, dass sie bereits saß, denn ihre Knie wurden weich wie zerlaufende Butter.
Mit leicht zittrigen Händen öffnete sie das Schreiben und kratzte all ihr Können rund ums Lesen zusammen. Und wünschte sich kurz darauf, es nicht getan zu haben. Die wirkliche Botschaft hatte sie noch nicht entziffert bei dieser geübten, allerdings recht schnörkeligen Handschrift. Aber sie hatte erkennen können, dass es nicht um den Mischling ging.
Entsprechend verpuffte jegliche Hoffnung in ihr und das sah man ihr auch an, sie fiel richtiggehend in sich zusammen und schien tiefer in den Sessel zu sinken. Ihre Schwester bewahrte sie jedoch vor einem vollkommen Sturz in die Trübsal, indem sie die Jüngere ansprach. Viel konnte Janay ihr zwar nicht zurück geben, aber immerhin war sie zu einer Bitte fähig. Wobei sie nicht sicher war, ob sie wirklich würde zuhören können.
Da half ihr die sanfte Berührung an der Hand viel mehr, denn diese gab ihr Halt. Auch wenn sie ihr endgültig die Tränen in die Augen steigen ließ, gegen die sie tapfer ankämpfte. Die Worte plätscherten indes an ihr vorbei und dennoch passte ihre Antwort darauf irgendwie. "Weißt du, er... er hat sich über... über meinen Zustand gefreut... Ich dachte, er... er würde mich... uns... nicht verlassen... egal, wie hochadelig er ist...", murmelte sie in sich hinein und schniefte verdächtig.
In diesem Moment klopfte es an der Tür. Die junge Frau zog ihre Hand zurück, zog ihre Beine an und machte sich richtiggehend klein. Und noch ein bisschen kleiner, als sie die Stimme hörte, denn gerade jetzt war sie nicht für Fröhlichkeit zu haben. Dafür brauchte sie erst einmal ein bisschen Zeit, um sich wieder sammeln zu können nach dieser Enttäuschung. Somit beteiligte sie sich nicht an dem kurzen Gespräch zwischen den beiden Dunkelelfen, sondern vergrub sich nur weiter in sich selbst. Lediglich einmal reagierte sie, indem sie selbst für Elfenohren kaum hörbar nuschelte:"Hab keinen Hunger..."
Nein, der Appteit war ihr wahrlich vergangen. Obwohl ihr ebenso wie den zwei anderen klar wäre, dass sie letzten Endes etwas essen würde, weil ihr Körper das brauchte. Aber noch war sie nicht soweit.
Und dann, plötzlich, veränderte sich ohnehin alles um sie herum. Ein kalter Schauer, den sie schon ein paar Mal erlebt hatte, erfasste sie und holte sie dadurch aus ihrer Schutzhaltung heraus. Als sie aufsah, konnte sie sehr schnell feststellen, dass sowohl der Pfauenelf, als auch ihre Schwester erstarrt waren, gleichfalls wie eine Fliege, die ihr bis dahin noch gar nicht aufgefallen war.
Während die junge Frau noch blinzelte und ihr instinktives Begreifen zu fassen bekommen wollte, erklang bereits eine bekannte Stimme. Lautlos seufzend schloss sie die Augen und spürte, wie ihr auch der allerletzte Rest an Hoffnung verloren ging. Noch immer war es seltsam, diese Gestalt anzusehen, die da neben ihr aufgetaucht war und sie ansprach, als wäre es das Normalste auf der Welt mit einem lebendig wirkenden, ständig grinsenden Gerippe zu plaudern. "Hallo, Tod.", erwiderte sie tonlos und fühlte nicht einmal die Kraft in sich, die aufkommende Leere in ihrem Herzen mit Tränen wegschwemmen zu können.
Doch anstatt, dass er es kurz machte, widmete sich dieses ursächliche Wesen erst einmal ihrem Frühstück, das sie bislang keines Blickes gewürdigt hatte. Wie selbstvergessen griff er nach einer der Erdbeeren. Sie beobachtete ihn und hob eine Augenbraue fragend an. "Was willst du hier? Ich habe nicht vor, so schnell an deinen Strand zurück zu kehren.", bemerkte sie mit einem Hauch Ungeduld und allmählich zurückkehrender Stärke. Als spüre sie, dass die Warterei nun ein Ende hätte. Keines, das ihr gefallen würde, doch immerhin eines, das ihr helfen könnte, endlich wieder nach vorne zu sehen. So sehr es ihr Herz auch zusammen krampfte.
Da halfen seine beruhigenden Worte nur wenig, schließlich ahnte sie, warum er hier war, wenn er schon persönlich auftauchte. Trotzdem legte sie ihre Hand schützend auf ihren Bauch. Er mochte ihr Kazel genommen haben, wovon sie überzeugt war, seine Kinder allerdings würde sie nicht einfach kampflos hergeben!
"Was willst du?", hakte sie noch einmal nach und wollte es endlich hinter sich bringen, wollte es hören und ihr Herz endgültig zerbrechen lassen, um danach weiter zu machen und wieder aufzustehen. So, wie sie es eh und je getan hatte... hatte tun müssen...
Stumm, den Blick so ausdruckslos wie möglich auf das grinsende Antlitz gerichtet, wartete sie und hörte zu, was er ihr zu sagen hatte. Tatsächlich war es in etwa so, wie sie es mit Tods Erscheinen befürchtet hatte. Trotz ihres Vorsatzes stiegen ihr nun die Tränen in die Augen und sie musste den Blick abwenden. Wieder rollte sie sich zusammen und machte sich klein, um sich in sich selbst zu vergraben, solange ihr Bauch das überhaupt noch zuließ.
"So viel dazu, es kann ihm nichts passieren... er kann nicht sterben, weil er dein Gehilfe ist. Ich wusste es!", wisperte sie mit einem Schluchzen, das sie zu ersticken drohte. Mit einem Mal war der Gedanke, wieder zu dem Strand zurück zu kehren, nicht mehr so vollkommen abwegig. Wenn Kazel tot wäre, dann könnte sie ihn dort... könnte ihn doch...
Während ihre Gefühle durcheinander geraten waren und sich immer schneller drehten, das Bild ihres eigenen, sofort eintretenden Nachlebens schärften, um dort ihren Liebsten wieder sehen zu können, suchte sich eines der Würmchen genau diesen Moment aus, um sich zum ersten Mal in seinem noch jungen Leben bemerkbar zu machen. Ein Gefühl, als würde jemand aus ihrem Inneren heraus ihren Nabel kitzeln, ließ ihr den Atem stocken und holte sie aus jeglichem Gedankenspiel schlagartig heraus. Während sie erstarrte und dieser flüchtigen Berührung nachspürte, weiteten sich ihre Augen, je mehr sie begriff, was das gewesen war.
Nun gab es endgültig kein Halten mehr für ihre Tränen, sie liefen ihr die Wangen hinunter wie in Strömen. Ihre Hand wanderte zurück zu ihrem Bauch und sie strich sanft darüber in winzigen Bewegungen. "Verstanden...", hauchte sie beinahe lautlos.
Dann fasste sie sich, schniefte beinahe schon überlaut und sah wieder zu Tod hin. "Ich verstehe.", begann sie noch etwas stockend und musste mehrfach schlucken, ehe sie fortfahren konnte. "Liegt es in deiner Macht, dass... dass ich..." Es war schwer, aber sie wusste, dass sie die folgenden Worte aussprechen musste. Einfach, um klar in die Zukunft sehen zu können. Eine Zukunft, die anders werden würde, als sie bis vor kurzem noch gedacht... gehofft... geträumt hatte.
Also schloss sie die Augen, atmete tief durch und bemühte sich darum, diesen letzten Funken Kraft in sich zusammen zu kratzen. Als sie das Gerippe wieder ansah, sprach sie schnell, um nicht zu viel darüber nachdenken zu können. "Kann ich ihn ein letztes Mal sehen, mit ihm sprechen, um Abschied zu nehmen?" Kaum war die letzte Silbe draußen, folgte ein herzzerreißendes Schluchzen, ehe sie ihre zitternden Lippen aufeinander pressen und sich abwenden konnte.
Das neue Heim
Die Gebäude hier zeigen deutlich den Stand eines Bürgers in Morgeria. Niedere leben in heruntergekommen Barracken, Krieger & Söldner in bunkerartigen Unterkünften oder Zelten. Mächtige Familien leben in finsteren Anwesen, die kleinen Schlössern gleichen.
- Janay
- Spieler-Charakter
- Beiträge: 1072
- Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
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- Nicht-Spieler-Charakter
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Re: Das neue Heim
Beitrag von Erzähler » Freitag 19. Juli 2024, 23:05
Janay macht ab hier einen Zeitsprung, der 7 Jahre umfasst!
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