Der Scheideweg

Das nördliche Königreich steht unter den Fittichen des Königs Hendrik dem Zweiten. Strenge Sitten herrschen hier und das Volk ist zweitrangig. Hier kann man nur ein schönes Leben führen, wenn man Reichtum und adeliges Blut besitzt.
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Der König ist mit den Dunkelelfen ein Bündnis eingegangen und lässt sie über seine Armee verfügen. Das gesamte Königreich hat sich den Wünschen der Dunkelelfen zu beugen!
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Dienstag 13. Februar 2024, 11:30

Ja, Lianth erwartete wirklich nichts Großes vom Leben. Warum auch? So, wie es vor seinem unfreiwilligen Ausflug gewesen war, war es doch gut gewesen. Er hatte sein kleines Heim, seinen Bruder in der Nähe, konnte sich um ihn kümmern und lebte ein friedliches und ungestörtes Leben. Er musste in diesem Leben keine Sorge haben, dass man entdecken könnte, was tatsächlich unter seiner Kleidung schlummerte. Er musste nicht befürchten, dass man ihn als Monster betitelte, einfach, weil niemand verstand und verstehen wollte. In Grandea hatte Lianth gelernt, dass man als Mensch kaum Zeit hatte. Er hatte gelernt, dass die Dinge nicht immer so funktionierten, wie er sich das in seiner Welt ausmalte. Überraschungen existierten und verängstigten den Elfen. Er sah darin nicht die Chance, dass er auch positiv überrascht werden könnte, wenn er sich jemanden außerhalb von Vellyn anvertraute. Tami war neugierig und jene Neugierde würde Lianth gewiss noch das eine oder andere Mal kalt erwischen. Sie fragte nach seiner Wulst unterhalb des Hemdes, vollkommen frei von höflicher Distanz. Es interessierte sie, aber nicht, weil sie ihn vorführen oder necken wollte. Sie wollte es schlicht wissen, weil es ihr aufgefallen war. Sicherlich sollte er in Zukunft vermeiden, die Rothaarige zu nahe an sich heranzulassen. Beim nächsten Mal könnte sie doch noch hinter sein Geheimnis kommen. Und dann? Ob Tami ihn als Monster sehen würde? Lianth wollte sich damit nicht näher auseinandersetzen, denn für ihn kam es einfach nicht in Frage, irgendwem davon zu berichten. Er wollte nach Hause, sein altes Leben wieder aufnehmen und sich an die Beseitigung dieser Verwandlung machen.
Aber zuvor mussten sie den Weg noch bestreiten. Tami genoss die Freiheit sichtlich und war gleichwohl beschämt darüber, dass sie bisher nicht viel mehr aus ihren Leben hatte machen können. Gerade wollte Lianth ihr diesen Gedanken ausreden, was für ihn schon eine wahre Leistung war, da wurden sie durch ein hilfloses Rufen aufgeschreckt. Sofort wurde ihnen beiden klar, dass eine Notlage herrschen musste. Eine Frau fiel bäuchlings zu Boden und jammerte. Dann fiel ihnen der Feuerschein auf und eine Alarmglocke ertönte durch die dunkle Nacht. Tami war schneller im Begreifen als Lianth und rief ihn noch, ehe sie ohne groß darüber nachzudenken losrannte. Schon verschluckte die Dunkelheit ihren Körper und Lianth kniete sich neben die Frau. Jene weinte und griff nach dem Elfen, um sich an ihm festzuhalten. Sie hatte Angst. „Meine Kinder… mein… Mann!“, klagte sie unter Tränen und wurde von einem heftigen Schluchzen geschüttelt. Lianth konnte riechen, dass die Frau an der Hand, die sich an ihn krallte, verbrannt war.

Es roch irgendwie nach Braten, aber der Gedanke, dass es menschliche Haut war, die verkohlt wurde, vermieste den Gedanken an Essen. „Meine Familie..“, jammerte die Frau weiter und hielt Lianth noch einen Moment länger auf. Hier lag eine Verletzte, die an der Hand eine Verbrennung trug. Doch die Rufe und Schreie in seinem Rücken zeugten davon, dass noch viel mehr verletzt würden, wenn er sich nicht beeilte zur Hilfe zu eilen. Tami war schon längst nicht mehr in seiner Nähe. Er gab der Frau noch einen gutgemeinten Rat, doch jene verkroch sich vor Trauer in sich selbst und blieb einfach liegen, wo sie war. Sie schluchzte. Lianth aber straffte die Schultern und eilte daraufhin den Flammen entgegen. Seine Naturmagie war hier nicht von Vorteil. Er fasste noch auf dem Weg zum Unglück einige Gedanken diesbezüglich, doch alles wurde ausgemerzt im Anblick des Ausmaßes. Lianth fand hinter einem kleinen Waldstück ein Gehöft vor. Offenbar war es ein Ausläufer des Dorfes Alberna, aber das nur am Rande. Das Gehöft bestand aus mehreren Gebäuden, Ställen und Gattern. Es gab Vieh, das aufgeregt im Stall muhte und wieherte, dann gab es klagende Kälbchen und Schafe, die sich unruhig im Gatter umherbewegten. Ein Hauptgebäude stand lichterloh in Flammen und aus diesem liefen einige Menschen schreiend heraus. Kinder waren darunter, Frauen und Männer. Die Frauen liefen zum Brunnen in der Mitte des Gehöfts und begannen eifrig Wassereimer zu füllen, die dann die Männer und Kinder in einer flugs etablierten Kette zum Haupthaus führten, um sie dort in die Flammen zu kippen. Lianth wurde vom Feuerschein und der Hitze geblendet, doch dann erkannte er neben einem Gebäude einige Körper, die im Gras lagen. Einige wanden sich vor Schmerz, andere rührten sich gar nicht mehr. Bei ihnen war eine schmale Gestalt, die sich über sie beugte und mit eiligen Bewegungen offenbar aus einer Umhängetasche einige Verbände verteilte. Die schmale Gestalt war eine Frau und sie war hochkonzentriert auf die Verletzten. Allerdings wirkte sie auch reichlich überfordert aufgrund der Menge der zu Behandelnden. Bevor Lianth jedoch auf diese Verletztenablage zugehen konnte, krachte es mit einem Mal und ein flammender Balken stürzte vom Dach des Hauptgebäudes ein. Schreie wurden laut, dann wichen die Löschenden zurück und rissen die Arme hoch. Einer, der ganz vorne gestanden hatte, kreischte auf, als ihm Funken in die Augen flogen.
Er sank zu Boden und dann entdeckte Lianth Tami. Sie griff beherzt nach dem Mann, um ihm auf die Beine zu helfen und ihn von dem brennenden Haus fortzuschaffen. Sie kam auf Lianth zu und sah reichlich erschrocken aus. Das Mädchen hatte offenbar bereits einen kleinen Überblick erhalten können. „Da sind die Verletzten, Lianth!“, rief sie und deutete auf die Menschen, die er bereits entdeckt hatte und die Frau, die sich kümmerte. „Du die Patienten, ich die anderen!“, entschied sie einfach und war schon wieder auf dem Weg direkt in die Flammenhölle. Der Mann, der die Funken in die Augen bekommen hatte, stand hilflos vor Lianth. Dann ertönte eine neue Stimme: „Bringt ihn her! Er benötigt eine Bandage!“, rief die Frau und Lianth konnte erkennen, wie sie ihm winkte. Die Frau dort war … eine Elfe. Sie war tatsächlich wunderschön, wenn man denn nun ein Auge dafür haben konnte. Ihre langen Haare wirkten seidig im Schein des Feuers und immer wieder blitzte das schöne Silbergrau ihrer Augen auf. Sie besaß feine Züge und eine schlanke Gestalt. Ihre Ausstrahlung war trotz der Fülle an Arbeit ruhig. Sie wusste, was sie tun musste, ihr fehlten nur ein paar Hände. Immer wieder barst unter der Feuersbrunst ein Teil des Hauses und erfüllte die lichterloh erhellte Nacht mit schrecklichem Getöse. Die Rufe der Menschen waren gellend und das Weinen der Kinder herzzerreißend. Unermüdlich versuchte Tami beim Löschen zu helfen, auch wenn die Feuermassen viel zu heftig waren. Lianth musste zusehen, wem er helfen wollte. Der Elfe, die wie er, eine Umhängetasche trug und offenbar eine Heilkundige war, oder er schritt mutig in Richtung der Flammen und half Tami.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Donnerstag 15. Februar 2024, 18:55

Es roch nach Braten. Vellyns Bekannte, eine Elfe, zu der Lianth keinen engeren Kontakt pflegte, konnte einen zauberhaften Braten zubereiten. Zumindest schwärmte sein Bruder immer davon und auch Lianth musste zugeben, dass ihm der Gedanke einer Marinade mit Honig als Hauptbestandteil durchaus reizte. Als Vegetarier hatte er aber niemals von dem Braten probiert, sondern nur gerochen, wenn besagte Elfe mit einigen noch dampfenden Scheiben in die Apotheke gelaufen kam, um sie Vellyn zu schenken. Auch jetzt dachte Lianth nicht über den möglichen Geschmack von Braten nach. Ihm kam lediglich die Erinnerung hoch. Sie schwand jedoch ebenso schnell wieder, als er den Ursprung dafür feststellte. Die Frau, welche sich voller Angst an ihn klammerte, hatte sich die Hand verbrannt. Sogar im Dunklen hoben sich die betroffenen Hautstellen vom Rest ab, weil die Ränder wie geschmolzen wirkten und eine verkohlt schwarze Kruste als Grenze bildeten.
Das muss gekühlt und gereinigt werden, dachte der Shyáner, ohne beim bloßen Anblick in Panik zu geraten. Vieles konnte ihn verschrecken, aber nicht, wenn es sich dabei um seine Tätigkeit als Heilkundiger drehte. Irgendwie schaffte er es dann, jegliche Furcht, Sorge und den Schrecken abzulegen. Er konzentrierte sich vielmher darauf, möglichst rasch ein Heilmittel zu finden. Leider waren seine Kräutervorräte nicht mehr so reichhaltig wie noch zu Beginn seiner Reise, aber er besaß seinen Trinkschlauch mit Wasser. Jenen drückte er der Frau in die Hände. Verbrennungen waren natürlich nie schön, aber sie würde es überleben. Hingegen jene arme Seelen, die man über das Alarmgeläut hinaus schreien hören konnte...
"Kühlt die Verbrennungen, so gut Ihr könnt. Ich sehe nach Eurer Familie. Ich versuche, zu helfen", richtete Lianth stammelfrei einige Worte an die Frau, denn er musste sie um ihrer Familie Willen nun zurücklassen. Wenn eine Chance bestand, ihren Mann und die Kinder zu retten, dann musste Lianth diese Chance ergreifen. Er würde sich natürlich nicht in ein brennendes Haus hinein stürzen, um den Helden zu spielen. So gedankenverloren war er nicht und bei weitem nicht mutig genug. Aber er wollte am Rand auf jene Heroen warten, die die Verletzten bargen, damit er sie behandeln könnte. So lief er los, lenkte sich im Rennen noch mit dem Gedanken ab, dass seine Naturmagie hier nichts ausrichten konnte und erreichte etwas später als Tami endlich das Gehöft.
Flammen züngelten von einem der größeren Wohngebäude zum Nachthimmel herauf und erhellten die Umgebung mit flackerndem Lichtschein. Das animalische Geschrei vieler Stalltiere mischte sich mit den Rufen der Einwohner, die bereits daran arbeiteten, vom Brunnen bis zum Haupthaus eine Eimerkette zu bilden. Ganz vorn befand sich Tami und schaffte es gerade so, einen Fremden vor einstürzenden Balken zu retten. Funken schlugen ihm entgegen und trafen seine Augen.
"T--Tamiiii...iiiieeeek!", rief auf Lianth nun vor Schreck, verschluckte sich unter einem Fiepsen an ihrem Namen und sprang aufgescheucht nach hinten, als die Balken mit lautem Krachen vom Feuer zerfressen wurden. Schon schleifte Tami den Geretteten mit sich, denn er konnte nichts sehen und schrie immer wieder über den Schmerz seiner Augen. Sie erreichte mit ihm ihren Begleiter und wies gleichzeitig auf weitere Verletzte, die nahe im Gras lagen. Lianth hatte sie schon ausgemacht, ebenso eine Gestalt, die sich um jene kümmerte. Sie wirkte reichlich überfordert. Darüber hinaus entging dem Shyáner aber nicht, dass auch sie spitze Ohren besaß. Eine Elfe! Er freute sich irgendwie, denn schon fühlte er sich ihr verbunden. Noch dazu erkannte er die typischen Utensilien, die er selbst bei sich trug. Die Elfe war mit einer Heilertasche ausgestattet.
"Bringt ihn her! Er benötigt eine Bandage!", rief sie in Lianths Richtung, meinte sogar ihn. Denn Tami war schon wieder auf dem Sprung, um noch mehr Menschen zu retten. Sie hatte Lianth den Blinden einfach in die Arme gedrückt und jener fackelte deutlich weniger lange als das zu löschende Feuer. Es ging um Leben. Es ging darum, dass er als Heiler aktiv wurde. Da funktionierte er, wo er sonst kaum ein Wort herausbrachte. Mit schnellen Schritten, aber so festem Griff wie ihm mit seiner Statur möglich war, brachte er seinen Patienten zu den anderen auf das Gras. Natürlich hätte er auch Tami nacheilen können, aber sie hatte zum einen die Rollen bereits verteilt und zu manderen traute Lianth ihr mehr als zu, mit der Situation fertig zu werden. Direkt bei den züngelnden Flammen wäre er nur ein weiteres Hindernis für alle. Hier aber konnte er nützlich sein und so setzte er den Mann behutsam im Gras ab und warf der fremden Elfe einen überraschend festen Blick zu. Wo der verhältnismäßig junge Elf ansonsten eher geduckt und in sich gekehrt das Mauerblümchen im Schatten gab, legte er jetzt eine dominante Haltung an den Tag, dass man kaum glauben mochte, es handelte sich um Lianth.
Er wies den Geblendeten an, ruhig sitzen zu bleiben, zückte dann selbst eine Bandage aus seiner Tasche und suchte auch sofort nach schmerzlindernden Mittelchen. Irgendwo musste er doch noch irgendeine angerührte Paste übrig haben! "Ich kümmere mich um ihn", erklärte er der Elfe, ohne von seiner Arbeit abzulassen. Auch ihn hatte sofort die Konzentration gepackt. "Ich bin Lianth", stellte er sich nebenbei vor, nicht nur der Elfe, sondern auch dem Patienten. Es half, mit ihnen zu sprechen und auch wenn er es nicht gern tat, wusste er um die Wirkung. Patienten ließen sich ablenken, so dass er seine Arbeit verrichten konnte, ohne den jeweiligen noch beruhigen zu müssen, weil er irgendeine Geschichte zum Besten gab, auf die man mechanisch mit Nicken und einem Lächeln reagieren konnte. "Wo braucht Ihr am meisten Unterstützung?", fragte er die Heilkundige, als er sich schon daran machte, dem Opfer des Funkenflugs die Augen schnell, aber sorgsam etwas zu reinigen. "Ich bin Heiler, ich unterstütze Euch, aber Ihr müsst mir einen kurzen Überblick verschaffen, damit ich helfen kann." Nicht einmal verhaspelte er sich oder schluckte vor Schreck ein paar Worte herunter. Lianth sprach klar, deutlich und über den Lärm hinaus, ohne zu schreien. Allein dadurch strahlte er professionelle Ruhe aus, an der ander sich nähren konnten. Hier war jemand, der offenbar wusste, was zu tun war. Hier saß einer mit Mut und genug Selbstbewusstsein, in dieser Lage Entscheidungen zu treffen. Dass sich ausgerechnet der größte Feigling so ins Rampenlicht stellte, bemerkte jener gar nicht. Denn es ging gerade nicht um ihn - zum Glück. Es ging darum, Verletzte zu versorgen und Notleidenden zu helfen.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Montag 19. Februar 2024, 09:39

Lianth war Heiler, durch und durch. Er war kein Held, wie er im Buche stand aber er kannte sich in seinem Metier bestens aus. Tami hatte ihn gefragt, ob er der ‚Beste‘ werden wollte, doch diesen Anspruch hatte er gar nicht. War wohl auch utopisch darüber nachdenken zu wollen, wenn man nicht mal eine Ahnung davon besaß, wie groß diese Welt eigentlich war. Lianth wollte einfach nur helfen und sich rettend einbringen. Dass das Schicksal ihm eben jene Situation vor die Füße warf, war… ein Wunder. Dennoch brachte ihn das sofort in einen gewissen, selbstbestimmten Modus, der keine Unsicherheiten zuließ. Nachdem sich Lianth vergewisserte, dass die Hilfesuchende am Boden überleben würde, konnte er der Rothaarigen nacheilen und erreichte ebenfalls das Gehöft. Jenes stand bereits zu Teilen in Flammen und im Anbetracht dessen, brauchte Lianth einen Moment, um sich zu orientieren. Er sah die Helfer, die eine Kette vom Brunnen bis zum Haupthaus bildeten und fleißig Wassereimer in die Flammen kippten. Das Haus würde wohl nicht mehr zu retten sein, aber die Flammen durften unter keinen Umständen auf die nächsten Gebäude übergehen. Lianth erkannte Tami, direkt bei den Flammen und hatte sofort Angst um sie, als ein Balken hinabstürzte und krachend seine tödlichen Flammen als Funken in die Luft spuckte. Ein Mann wurde an den Augen getroffen und Tami brachte ihn schleunigst zu der kleinen Patientenablage in ausreichender Entfernung. Nun konnte auch Lianth erkennen, dass sich dort an die fünf Patienten befanden, die sich teilweise vor Schmerzen wanden. Zwischen ihnen stand eine schlanke Elfe mit silbernen Augen, die im Schein des Feuers zu leuchten schienen. Das lange, dunkelbraune Haar erinnerte an Schokolade und wellte sich fein. Sie entdeckte Lianth tatsächlich und winkte ihn zu sich. Sie brauchte Hilfe und Tami hatte bereits entschieden, wie sie sich aufteilten. Allerdings war das Mädchen auch waghalsig und achtete im Anbetracht der Gefahr nicht sonderlich gut auf sich selbst. Sie half, zeigte eine ehrbare Persönlichkeit, aber dennoch war sie verdammt nahe an den Flammen dran. Ob ihre eigene Magie sie davor schützen konnte? War sie besonders feuerfest?

Keine Zeit, um darüber nachzudenken! Die Elfe wartete, bis Lianth sie erreichte und lächelte erleichtert auf. Lianth ließ den Geblendeten ins Gras sinken. Jener hielt sich die Hände über die Augen und jammerte vor Schmerz. Als Lianth der anderen Elfe einen festen Blick zuwarf, erwiderte sie jenen dankbar. Daraufhin kümmerte er sich um den Verletzten und bandagierte seine Augen, damit sie für eine Weile geschont würden. Er durfte sie jetzt nicht so beanspruchen und musste dabei unterstützt werden. Zuvor aber kramte er noch ein wenig Kamillepaste hervor, damit die Haut, um die Augen herum, behandelt werden konnte. "Ich kümmere mich um ihn. Ich bin Lianth“, stellte er sich dann vor und die Heilerin wandte sich, nachdem sie sich überzeugt hatte, dass er versiert war, einem anderen Mann zu, der an seinem Daumen blutete. Auch die bandagierte ohne große Mühe. „Ich bin Amara. Freut mich Lianth! Ich bin froh, dass Ihr da seid!“, räumte sie ein und kümmerte sich um die kleinere Blutung. "Wo braucht Ihr am meisten Unterstützung? "Ich bin Heiler, ich unterstütze Euch, aber Ihr müsst mir einen kurzen Überblick verschaffen, damit ich helfen kann." Sie nickte, während beide Elfen weiter an ihren Verletzten arbeiteten. „Den Göttern sei Dank, dass Ihr Heiler seid, Lianth. Gut, wir haben 6 Verletzte. Ihr behandelt den Geblendeten, ich den fast abgetrennten Daumen. Ich bandagiere ihn und kümmere mich um die Blutung. Danach haben wir noch einen Patienten mit massiven Verbrennungen. Der muss unbedingt, als nächstes behandelt werden. Lianth – ich fürchte wir können nur versuchen unser Bestes zu geben.“, räumte sie ein. Ihre Stimme war klar und fest, ähnlich, wie seine und sie wirkte souverän, wenn auch etwas gehetzt, weil sie so viel zu tun hatte. Amara beendete ihre Bandagierung und sah zu Lianth.
Dann fiel ihr silberner Blick auf eine Frau am Boden, die sich kaum noch rührte. „Lianth!“, rief Amara ihn und drängte zur Eile. Sie stieg über einen anderen Mann, der sich stöhnend den Bauch hielt, und kniete sich neben die Frau. „Sie atmet kaum noch, sie hat massive Verbrennungen. Sie war im Haupthaus und wurde von dem Feuer überrascht. Wir müssen ihre Kleidung entfernen, die hat sich in ihre Haut eingeschmolzen. Ich brauche eine Schere, Tupfer und Wundalkohol“, sagte sie zackig und nahm ihre Tasche daraufhin ab. „Bedient euch und seht, was ihr findet. Ich habe gerade erst alles aufgestockt!“, bemerkte sie und beugte sich daraufhin über die Frau. Das Gesicht war völlig verrußt und schwarz. Ihre Nase war schwarz und auch in ihrem Mund war es dunkel. Amara japste. „Sie hat die Dämpfe eingeatmet. Wir… wir brauchen Luft, sie…“, Amara presste die Hände auf den Brustkorb. „Sie atmet nicht!“, rief sie mit einem Mal und setzte beherzt an, die Frau am Boden mit einer Mund-zu-Mund-Beatmung zu unterstützen. Dann begann die Elfe auf dem Brustkorb der Frau zu drücken. „Ihr müsst übernehmen!“, wies sie Lianth an. „Ich kann uns etwas Zeit verschaffen!“ Sobald Lianth sie ablöste, begann Amara die Augen zu schließen und ihre Hände auf Lianth’s zu legen, während er die Frau versuchte wiederzubeleben. Die Luft um Amara begann zu flirren und erst wirkte es, als würden Lianth’s Augen nicht mehr richtig mitmachen wollen, doch dann spürte er einen wahren Energieschub durch seine Hände gehen, der sich sofort auf die Frau unter seinen Fingern ausbreitete. Jene öffnete daraufhin den Mund und japste nach Luft. „In Ordnung! Jetzt die Schmerzen, die Wunden und die Luft. Habt ihr etwas, das ihr beim Atmen hilft?“, fragte sie und Lianth erinnerte sich vielleicht, dass er noch etwas Eukalyptus dabeihatte. Konnte er mit Hilfe seiner Magie ebenfalls dafür sorgen, dass jene Blätter einen Geruch verströmten, die der Patientin beim Durchatmen halfen? Amara sah ein wenig erschöpfter aus, als vor ihrer Magie, die sie ganz offenbar angewandt hatte. Trotzdem war sie mit Eifer dabei, die Patientin zu retten. Und sie zählte auf Lianth, dass er ihr dabei helfen konnte.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Freitag 23. Februar 2024, 10:01

Tami hatte Lianth gefragt, ob er der beste Heiler Celcias sein wollte. Er war noch sehr weit entfernt von diesem Titel, den er im Grunde überhaupt nicht anstrebte. Aber er war gut, vor allem erfahren. Elfen hatten das Menschen immer voraus. Sie besaßen einfach mehr Zeit zum Lernen und auch wenn sie sich in ihrer Art diese Zeit ließen und eher lässig über Jahrzehnte beibrachten, was kurlebigere Völker in wenigen Jahren erarbeiten mussten, so erhielten sie auf ihrem Gebiet dennoch Erfahrung. Lianth war erfahren und so blickte er auf die Verletzte am Boden. Er eilte rasch zu ihr hin, nun da der Geblendete bandagiert und versorgt war. Normalerweise hielt Lianth sich gern damit auf, noch ein wenig auf seine Patienten einzureden, sie zu beruhigen und ein wenig über sie zu erfahren - ja, selbst ein Introvertierter wie er interessierte sich auch für andere Lebende und wenn er heilte, konnte er derlei Gespräche nebenher führen. Doch jetzt fehlte dafür die Zeit. Es gab zu viele Verletzte, zu viele mit Schmerzen. Eine nahezu völlig Verbrannte hatte es sichtlich am schwersten getroffen. Als Amara, die brünette Elfe mit den Silberaugen, auf sie aufmerksam machte, wechselte der Shyáner den Platz. Er ließ sich sofort neben der Frau nieder. Sie stöhnte vor Schmerzen und hatte allen Grund dazu. Die Haut war verbrannt, teilweise mit ihrer Kleidung verschmolzen. Amara musste es gar nicht erwähnen, da suchte Lianth schon seine kleine Silberschere. Behutsam, dennoch so schnell es gleichzeitig möglich war, schnitt er sich einen Weg durch die Kleidung. Es kümmerte ihn dabei nicht, die körperlichen Aspekte der Verletzten freizulegen. Sollte man doch gucken. Sie war sicher eine Augenweide, einst. Jetzt jedoch erkannte er nur schrecklich, durch die Flammen entstellte Haut. Diese Narben würden nie mehr verschwinden. Sie müsste sie regelmäßig mit verschiedenen Pasten und Salben einreiben, um die Haut geschmeidig zu halten. Sie würde Schmerzmittel einnehmen müssen, um es zu ertragen, bis die Stellen soweit vernarbt wären, dass sie dort nichts mehr spürte. Ein harte Schicksal, aber eines, mit dem man noch leben könnte. Lianths erste Analyse wechselte zusammen mit seiner Perspektive.
Amara forderte ihn auf, sich an ihren Utensilien zu bedienen. Schere, Tupfer und Wundalkohol hatte er selbst, auch wenn die Flasche einen leichten Riss erhalten hatte durch den Zusammenprall mit den grandessarischen Soldaten. Solange er sie nicht auf den Kopf stellte, würde der restliche Alkohol nicht auslaufen, aber das war hier nicht das Problem. Lianth musterte die Verletzte vor sich. Amara öffnete ihr den Mund, um sie zu beatmen. Der Shyáner betrachtete den Mundraum. Er schaute in einen Schlund reinster Schwärze. Die Verbrennungen reichten sogar bis in die Luftröhre hinein. Jeder Atemzug musste die Fremde an den Rand des Harax bringen.
"Sie hat die Dämpfe eingeatmet. Wir ... wir brauchen Luft, sie... Sie atmet nicht!" Amara folgte ihrem Bestreben. Sie gab ihr Bestes. Sie versuchte es mit Reanimation, indem sie in den rhythmischen Abständen der Herzschläge auf die Brust drückte. Lianth übernahm sofort. Er war nicht kräftig, aber seine Muskeln trainiert, gerade bei dieser Aufgabe. Es war nicht seine liebste Tätigkeit als Heiler. Er erinnerte sich, dass er seinen Bruder mindestens zwei Mal hatte auf diese Weise am Leben halten lassen müssen. Herzkrankheiten waren nicht nur eine Belastung für den Patienten. Seine Finger zuckten, doch Lianth überwand sich. Hätte er damals keinen Mut bewiesen, wäre sein lieber Vellyn nicht mehr Teil seiner Welt. Dieser Frau wollte er die Chance nicht verwehren. Auch Amara kämpfte um sie. Etwas regte sich. Lianths Blick huschte nur lang genug von der Verbrannten fort, um sich die Bestätigung zu holen, dass die Braunhaarige tatsächlich Magie anwandte. Mit Luftmagierin hatte er selbst nicht allzu viel zu tun, kannte die Ausübung des Elements dennoch. In Shyána Nelle wurden sehr viele Richtungen gelehrt und sogar ein zurückgezogenes Seelchen wie Lianth hatte sie kennen gelernt. Hier konnte Luftmagie nun wirklich nützlicher sein als seine Naturkräfte.
Amara gelang es, die Schwärze im Inneren der Frau mit frischem Sauerstoff zu versorgen. Lianth spürte ihr Herz unter seiner Massage wieder selbstständig schlagen. Geschafft war es noch nicht.
"In Ordnung! Jetzt die Schmerzen, die Wunden und die Luft. Habt Ihr etwas, das ihr beim Atmen hilft?" Er antwortete mit einer Handlung auf ihre Frage. Nun, da er die Herzmassage einstellen konnte, griff er wie von selbst in seine Heilertasche. Seine Finger wanderten die kleinen Innentaschen entlang, auch wenn er nicht nach Flakons und Salbendöschen, nach Medizinerbesteck und abgepackten Tupfern suchte. Er griff in eine Ecke mit reichlich Säcklein. Die Fingerspitzen berührten Leder, wanderten darüber. Er fand, was er suchte, denn der Beutel für die Eukalyptusblätter besaß eine entsprechende Einkerbung im Leder in Form dieser Blätter. Die eingeritzten Bildchen halfen Lianth wie eine Blindenschrift dem nicht mehr Sehenden. Er hatte sie nicht nur selbst ausgesucht und von einem Feuermagier in das Leder brennen lassen, sondern auch außerhalb seiner Behandlungen mit Liebe berührt, gestreichelt, nachgefahren. Er kannte die Markierungen der Beutel, konnte blind danach greifen und sie finden. Schon zückte er das Behältnis für dne Eukalyptus und holte gleich zwei Blätter hervor. Falls Amara die Pflanze kannte, würde sie sofort verstehen. Wenn nicht, müsste sie sich gedulden, denn Lianth sah nun keine Zeit für ein erklärendes Gespräch. Stattdessen war er es, der mit klarer Stimme jetzt forderte: "Ich brauche Mörser und Stößel!" Beides war zu schwer, um es mit sich herum zu schleppen, vor allem wenn man in Shyána Nelle und sicher in einer Apotheke lebte. Dort gab es das Gerät. Es stand in einem der Regale bereit, sowohl für Lianth als auch Vellyn und sie nutzten es regelmäßig, dass der Stößel nach einer kräuterhaften Note roch, die trotz allen Waschens nicht mehr zu entfernen war. Für einen Atemzug drang die Erinnerung an diesen Duft in Lianths Nase, dann konzentrierte er sich wieder. Sofern Amara ihm Mörser und Stößel nicht hatte geben können, improvisierte er mit herumliegenden Steinen. Es ging nur darum, genug Eukalyptus zu zerkleinern, damit die Blätter ihre Dämpfe entfalteten. Mit Einsatz seiner Magie regte der Shyáner Elf die Blätter an, das Aroma zusammen mit dem öligen Pflanzensaft abzugeben. Auf diese Weise umgab es seine Hände stärke, welche er der Verletzten nun unter die Nase hielt. Die Dämpfe würden ihr das Atmen erleichtern. Es funktionierte bei Erkälteten sehr gut, aber LIanth musste der Wahrheit ins Gesicht blicken.
"Es ist zu spät", entschied es. Ein wenig Eukylaptus und frische Luft zum Atmen halfen nicht, wenn dein Innersten vollkommen schwarz verkohlt war. Die Frau atmete selbstständig. Ihr Körper arbeitete, aber ihr Bewusstsein war bereits weit weg. Als Heiler gehörte es auch dazu, bittere Wahrheiten zu erkennen und Entscheidungen zu treffen. "Wir müssen unsere restliche Energie für die übrigen Patienten einsetzen." Natürlich sollte man niemanden aufgeben. Wenn eine Situation aber so aussichtslos war wie hier und das Leben der Verbrannten für immer derart mit Schmerz und Einschränkungen verbunden wäre, sie jetzt noch kaum etwas davon hatte, war es an den Heilern abzuwägen, wieviel man dem Leben selbst noch zumuten wollte. Heiler sollten Leben retten, erleichtern und verlängern, aber nicht zwanghaft erhalten, wenn es nicht mehr lebenswert wäre. An dieser Stelle mussten sie Gott spielen.
Phaun - wenn ich falsch entscheide, lass mich meinen Irrtum erkennen und dieses Opfer meiner Entscheidung leben. Dann will ich alles tun, dieses Leben zu erhalten, schickte LIanth ein stilles Stoßgebet an den Hirschgott. Florencia und Phaun hatten ihn stets geleitet. Die Herrin der Natur schenkte ihm ihren Segen durch vielfältigen Pflanzenwuchs und mit dem Segen ihrer Göttlichkeit, damit Lianth Phauns Schöpfung behandeln konnte. Heiler seiner Art harmonierten mit dem Götterpaar und einige riefen sogar deren Kind an, wenn sie zweifelten und alle Hoffnung fahren ließen. Lianth tat das nicht. Er vertraute darauf, dass Phaun schon wüsste, wann die Zeit eines jeden gekommen wäre. Lianth musste als Heiler die Entscheidung treffen, aber sein weißer Tiergott würde ihn schon auf den rechten Weg führen. Wenn er kein Zeichen erhielt, würde er dafür sorgen, dass die Verbrannte den besten Übergang zurück in seine Wälder erhielt, den er ihr schenken konnte. Heiler heilten nicht nur, sie beendeten auch unnötiges Leid.
"Geht zurück zu den übrigen Patienten", wies Lianth Amara an und signalisierte ihr so den Status quo. Er würde bleiben und entweder weiter um die Patientin kämpfen, sofern er deutliche Lebenszeichen - Überlebenszeichen - erkannte oder aber er würde sie übersetzen, damit es schnell und leidlos ging. Danach wollte er sich Amara wieder anschließen und die nun zurückgehaltenen Reserven für jene einsetzen, die noch eine Chance hatten.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Montag 26. Februar 2024, 14:24

Wenn er sich in etwas sicher fühlte, dann war es das Heilermetier. Lianth schwamm darin, wie der Fisch im Wasser und wusste sich zu bewegen und zu verhalten. Er bedurfte keiner Anleitung und vor allem musste ihn niemand an die Hand nehmen, wie in anderen Bereichen seines Lebens. Tami und die restlichen Krähen hatten Lianth aufgezeigt, dass sein Weltbild keiner genauen Prüfung standhielt. Sie wiesen ihn auf Fehler in seiner Sichtweise hin und schließlich musste er selbst annehmen, dass eben nicht alle so freundlich waren, die ihm begegneten oder die feinen Absichten wahrten, die er ihnen andichtete. Ob der General nun so schlecht war, wie es Ysara und die anderen behaupteten, hatte er nicht mehr verifizieren können, aber das brauchte er auch nicht. Jetzt war seine Aufmerksamkeit überhaupt anderweitig gefragt, denn das kleine Gehöft mit den verschiedenen Gebäuden brannte lichterloh. Und er hatte sofort einige Patienten zu behandeln. Wo andere aber vor Schreck erstarrten, wusste Lianth sich zu bewegen. Ohne Umschweife folgte er der Bitte der zweiten Elfe und folgte seiner natürlichen Begabung. Lianth verarztete den Geblendeten, bis die verbrannte Patientin am Boden seine Aufmerksamkeit bedurfte. Amara arbeitete mit ihm Hand in Hand und schaffte es, mit Hilfe eines magischen Energieschubs, den Tod einen Moment lang von der gebeutelten Frau fernzuhalten. Während Amara die Patientin auf herkömmliche Weise beatmete, wusste Lianth noch eine andere Linderung. In seinem Beutel fanden sich Eukalyptusblätter, denen er die ätherischen Öle entziehen wollte und verlangte nach Mörser und Stößel. Amara sah auf und schüttelte nur bedauernd den Kopf, deutete aber auf zwei Steine, die in Greifweite lagen. Nachdem sich der Geruch entfaltete, verstärkte Lianth diese magisch und der Duft nebelte die Patientin ein. Er belebte die Bronchien bis in die Alveolen und erweiterte sie, damit sie mehr Sauerstoff aufnehmen konnten. Allerdings hatte Lianth bereits die Nasenlöcher und den Mundraum inspiziert, sodass klar war, wie sie vo,n innen aussehen musste. Der giftige Dampf des Verbrennungsprozesses hatte ganze Arbeit geleistet. Die junge Frau musste direkt an der Ursache gewesen sein. Lianth ahnte, dass er dieses Mal nicht der Heiler sondern vielmehr der Henker sein musste.
Manchmal unterschieden sich diese Tätigkeiten kaum, lediglich die Ambition dahinter. “Es ist zu spät“, sprach er das Unvermeidliche aus und erreichte damit die Elfe. Sie hob den silbernen Blick und starrte ihn an. „Was?“, japste sie und blickte zur Patientin, die kaum noch Kraft besaß. „Nein!“, rief die Heilerin und schüttelte das braune Haar. Amara kehrte von einer Fußbandage zur Verbrannten zurück und sah auf sie hinab. „Nein…“, flüsterte sie, legte ihre Hände auf sie und schloss abermals die Augen.

Erneut bemühte sie eine Energie, die sie der Frau zuteil werden lassen wollte, doch es reichte nicht. "Wir müssen unsere restliche Energie für die übrigen Patienten einsetzen.", versuchte Lianth sie einzufangen und Amara presste die Lippen aufeinander. Die Elfe verzog das Gesicht zu einer Leidensmiene. „Ihr habt Recht…“, hauchte sie erstickt und ließ keinen Zweifel daran, wie schwer es ihr gerade fiel. Lianth schickte ein Gebet an den Gott der Jagd und erhielt kein Veto auf seine Entscheidung. Manchmal musste man solche Dinge entscheiden und seine eigenen Ambitionen hintenanstellen. Der Frau würde ein ewig langer Leidensweg erspart bleiben. Es würde kaum das Leben sein, das sie kannte. Entstellt und schmerzgeplagt für Jahre. Sie würde ihrer eigentlichen Tätigkeit wohl nicht mehr nachkommen können… alles neu erlernen müssen. Amara blinzelte und Lianth konnte Tränen erkennen, die ihr den Blick verschwimmen ließen. Sie hatte die Hand der Frau unter ihrer und schniefte kurz. „Möge dich Manthala segnen und auf deinem Weg in die ewige Nacht begleiten.“, sprach sie ihr in einem andächtigen Moment zu, ehe sie mit bitterer Miene zu Lianth sah. “Geht zurück zu den übrigen Patienten“, wies er sie an und Amara blickte abermals hin und hergerissen zur Patientin. Dann aber nickte sie, erhob sich und wischte dich eilig die Wangen trocken. Sie straffte die Schultern und widmete sich wieder dem zu bandagierenden Fuß.
Lianth hatte Zeit, sich der verbrannten Patientin anzunehmen. Während er ihr den Übertritt nach Kata Mayan erleichterte, löschten die anderen Menschen das Haupthaus und schließlich kehrte etwas Ruhe ein. Amara kümmerte sich um andere Patienten und der Elf hatte einen Moment, sich die Patientin näher zu betrachten. Tatsächlich fiel bei Musterung auf, dass bei der Frau einige Ungereimtheiten vorzufinden waren. So besaß sie am Haaransatz zwei Erhebungen, die irgendwie wie kleine Ohren aussahen. Und wenn Lianth genauer hinschaute, stellte er fest, dass die Frau auch an Händen und Bauch massiven Haarbewuchs aufwies. Jene waren versengt und schwarz gekraust. Und bei einem Umdrehen würde der Elf feststellen, dass sie, ähnlich wie er, einen kleinen Schwanz gehabt zu haben schien. Er war nicht so deutlich, wie bei ihm und buschiger, dennoch lag es nahe, dass die Frau einem ähnlichen Leiden unterlegen gewesen sein musste. Während er sich eingehender beschäftigte oder vor Schreck alles stehen und liegen ließ, legte sich eine unheimliche Stille nach all dem Trubel über das Gehöft und ihre Bewohner. Die Patienten, die nicht schlimmer verletzt waren, hatten sich inzwischen zu ihren Lieben begeben und man lag sich in den Armen, weinte, war erleichtert und betrauerte Verluste. Tatsächlich war die Frau die einzig Tote, aber offenbar eine wichtige Persönlichkeit gewesen. Bevor die weiteren Aufräumarbeiten begannen, suchte Tami Lianth auf und sah nach ihm. Die Rothaarige sah reichlich mitgenommen aus und hatte überall Rußflecken. Sie hustete etwas und am Arm leuchtete eine rote Wunde, die auf zu viel Hitze zurückzuführen wäre. Verschwitzt blickte sie Lianth an, ehe er auf die Patientin rutschte.

„Ist sie…?“ , führte sie den Satz nicht zu ende. Tami trat nervös von einem Bein auf das nächste und wusste nicht recht mit dem Bild umzugehen. Dann hielt sie Lianth ihren Arm hin. „Hast du vielleicht noch eine Kleinigkeit für mich übrig? Nicht schlimm, wenn du es für wichtigere brauchst… es… brennt nur so haraxisch.“, schob sie kleinlaut nach und hustete erneut. Allmählich lichteten sich die dunklen Rauchschwaden und es kehrte eine Ruhe ein, die trotz allem geschäftig wurde. Man musste aufräumen, den Verlust verarbeiten. Ein Mann trat auf Tami und Lianth zu. Er hatte einen deutlichen Bauch, ein halsloses Gesicht und kleine Augen. Trotzdem lächelte er warm und hielt Tami und Lianth die Hand hin. „Morris Gutsch der Name, vielen Dank, für eure Hilfe! Ich…“, seine kleinen, dunklen Augen huschten kurz zu der Toten. „Offenbar ist das Kaminfeuer schuld. Es muss gefunkt haben und traf dann auf den zu dicht stehenden Esstisch.“, murmelte er betroffen und seine Stimme wurde leiser. „Arme Janda… das hat sie nicht verdient“, murmelte er und für einen Moment verfing er sich in dem Bild. Dann seufzte er schwer. „Nun, wir werden ein Begräbnis abhalten. Dann eine kleine Totenwache. Ihr seid recht herzlich zu Speis und Trank eingeladen, für eure Hilfe nicht viel, aber… das mindeste!“, meinte er und nickte ihnen zu. Dann fiel sein Blick auf die Elfe, die an einer Hausecke stand, den Rücken zu ihnen gewandt und offenbar schluchzend. „So ein liebes Herz, verkraftet den Verlust dreimal so schwer…“, murmelte er betroffen, fühlte sich aber nicht bemüßigt, zu ihr zu gehen, um ihr Beistand zu gewähren. Tami warf Amara einen Blick zu. „Kannte sie sie?“, Morris nickte. „Amara lebt seit einer Weile hier und ist so etwas wie unsere persönliche Heilerin. Sie nimmt das sehr mit, fürchte ich.“ Morris warf Lianth und Tami einen Blick zu. „Nun, ich helfe beim Aufräumen. Dann bereiten wir eine Mahlzeit und erweisen Janda die letzte Ehre.“ Er ließ die beiden allein und Tami blickte zu Lianth. „Wie geht’s es dir?“, wollte sie wissen, bevor sie einen Blick über die Schulter warf. Unabhängig davon, ob Lianth ihr mit ihrer leichten Verbrennung helfen konnte oder nicht, seufzte sie. „Ich denke, ich werde fragen, ob ich was helfen kann.“, sie blickte erneut zu Lianth. „Ist es in Ordnung, wenn wir ein wenig hierbleiben? Ich glaube, sie können noch etwas Hilfe gebrauchen, nach der Tragödie. Und um ehrlich zu sein… ich könnte schon etwas zum Essen vertragen, was meinst du?“
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Mittwoch 6. März 2024, 14:57

Es war die Routine. Sie gab ihm Sicherheit. Natürlich hatte LIanth trotz seines elfisch deutlich längeren Lebens nicht jede Krankheit gesehen, nicht jede Verletzung behandelt und wusste auch, dass es nicht für jedes Problem eine Lösung aus der Tier- und Pflanzenwelt gab. Aber er hatte genug Erfahrung in seinem Handwerk sammeln zu können, um auch in ungewissen Situationen einen kühlen Kopf bewahren zu können. Manche Handgriffe und Verhaltensweisen blieben eben immer gleich. Sie waren es, die ihm Sicherheit schenkten, so dass sich sein beruhigter Verstand auf die noch ungelösten Dinge konzentrieren konnte. Heilkundiger zu sein war im Grunde leicht. Man folgte erlernten Methoden, routinierten Pfaden und erhielt für seine Mühen zu erwartende Ergebnisse. Aber es existierte wie in allen Dingen auch die Kehrseite der Medaille. Wenn man erkennen musste, dass jedes weitere Mühen umsonst wäre oder man durch die erlernten Mittel zwar ein Leben verlängern, jedoch keineswegs mehr lebenswert machen könnte. Wenn man die Entscheidung anderer treffen musste, loszulassen. Für Lianth hatte es sich niemals so angefühlt, wie andere ihn und seine Profession verurteilen mochten. Er spielte nicht Gott, wenn er über Leben und Tod eines anderen entschied. Dies war kein Spiel. Es wurde zur Bürde und er übernahm die Verantwortung zu entscheiden, wieviel er seinem Patient noch auflasten wollte oder ob er ihn ziehen ließ und sich diese Entscheidung für immer auf die eigene Fahne schrieb. Im Grunde war dort kaum noch Platz und schaute man sich unter anderen Heilkundigen um, sah es genauso aus. Auch Soldaten trugen solche Fahnen mit sich und selbst Tiermütter, wenn sie entscheiden mussten, welches ihrer zu viel geborenen Kinder sie fraßen, damit ihre Kraft für den Rest des Wurfes ausreichte. Es war nicht leicht. Das Leben war nicht leicht. Die vor ihm liegende Patientin würde es aber nun hinter sich lassen. Sie hatte gekämpft, aber hier sollte es enden. Lianth entschied das. Er spielte nicht. Er wollte ihr nur ein längeres Leben mit so viel Leid ersparen, dass sie an keinem Tag mehr die Augen schließen und sagen könnte: "Heute lief es gut." Das würde ihr mit ihrem verbrannten Inneren nicht mehr passieren. Sie wäre auf ewig auf Hilfe angewiesen und dies würde wiederum ihr Umfeld belasten - stärker als es Kummer um den Verlust eines Lebewesens könnte. Denn jener würde sich früher oder später zusätzlich aufladen. Es war unumgänglich.
Er erkannte dies, andere nicht. Noch nicht. Sein Bernstein wanderte über Amaras Miene und suchte ihren Blick. Lianths war standhafter denn je. Wenn er als Heiler agierte, gelang es ihm, die Souveränität auszustrahlen, die andere brauchten, um sich der Wahrheit zu stellen. Noch konnte die fremde Elfe es nicht tun. Noch versuchte sie, das Leben der Verbrannten zu retten ... zu verlängern ... ihr Schicksal in eines aus Leid und Schmerz zu verwandeln, weil sie nicht loslassen wollte. Der Shyáner verurteilte sie nicht dafür. Er stigmatisierte sie auch nicht als eogistisch, weil sie noch nicht bereit war. Wer war das schon? Wenn man an jemandem hing, wollte man ihn in seinem Leben nicht missen. Lianth konnte es nur zu gut nachvollziehen. Er hatte alles getan, um seinen Bruder auch in seiner Welt zu halten. Er hatte Erfolg gehabt und Glück, denn Vellyn litt nicht allzu sehr unter den Nachwirkungen seiner Herzprobleme. Er musste sich einschränken, das stimmte, aber er konnte noch lachen. Zumindest hoffte Lianth es. Wenn nicht ein Brief seinen Bruder je erreicht hatte...
"Ihr habt Recht..."
Lianth schloss die Augen und senkte den Kopf, als würde er wieder auf die Verbrannte schauen. Um sie ging es und sie entschieden über ihren Kopf hinweg, aber sie hatten wirklich alles versucht. Es war das Vernünftigste, ihr mehr Leiden zu ersparen. Er gab Amara Zeit, sich von der Patientin zu verabschieden. Längst war klar, dass sie mehr für die Elfe bedeutete. Er hielt sich zurück, wartete geduldig, während hinter ihnen noch immer die Flammen loderten, Verletzte stöhnten und die Unversehrten darum kämpften, dass ihre Zahl nicht wuchs.
Überrascht hob er erst den Blick, als Amara ihr Gebet an Manthala richtete. Die Göttin der Nacht war ihm nur soweit geläufig, als dass er über sie maximal Namen und Bedeutung ihrer Existenz gelesen hatte. Sie war überhaupt nur erwähnt worden, weil es diesen Lichtgott gab - Lysanthor, Herr der Sonne und göttlicher Schutzpatron jener Elfen, die mit seinem Licht auf magische Weise Heilung bewirkten. Lianth hatte sich als tiefgläubiger Anhänger des heiligen Götterpaares wenig um andere höhere Wesen gekümmert. Er brauchte sie nicht. Florencia und Phaun gaben ihm alles, was nötig gewesen war, dass er sein Leben als erfüllt ansah. Im Gegenzug zu vielen Religiösen wertete er die Götter anderer aber auch nicht ab. Sie besaßen ihren Platz und wenn die seinen es nicht missbilligten, dass man gemeinsam die schützende Hand über Celcia hielt, wer war Lianth schon, sich darüber zu stellen? Nein, das tat er nicht. Er entschied nur darüber, dass die verbrannte Frau vor ihm bald ihren letzten, schmerzvollen Atemzug tun würde. Er schickte Amara zu den übrigen Verletzten. Sie musste nun Abstand gewinnen und zu sich selbst zurückfinden. Es gab noch viel zu tun.
Sobald sie fort war, widmete er sich der zum Tode Geweihten. Mit dem gebührenden Respekt bereitete er sie auf ihre letzte Reise vor. Dabei fielen ihm jedoch einige Dinge auf, die sogar ihn stutzig werden ließen.
Zuerst musterte er die Erhebungen, die an Ohren erinnerten. Dann bemerkte er, dass auf ihren Handrücken keine verbrannte Haut zu finden war, sondern Pelz, der mit dem Gewebe verschmolzen war. Sie besaß Fell, sowie unnatürliche Ansätze für Ohren. Nun war es an ihm, beinahe die Fassung zu verlieren. Er japste, doch es ging im allgemeinen Gekröse der Rettungsaktion unter. Sollte er es wagen, nach mehr zu schauen? Lianth konnte nicht anders. Nie zuvor hatte er jemanden gesehen, der so stigmatisiert - so krank - war wie er, von seinem Vater abgesehen. Behutsam, um ihr nicht noch mehr unnötiges Leid zu verursachen, drehte er die Frau um und entdeckte den buschigen Ansatz eines Schwanzes. Keine Verlängerung eines humanoiden Körpers. Sie war ... wie er!
Erschreckt zuckte Lianth zurück und ließ die Patientin unachtsam auf ihrem Gesicht landen. Er hörte ihr schmerzhaftes Stöhnen und eilte sich, sie zurück auf den Rücken zu bewegen. Mit nunmehr zitternden Händen hauchte er ihr langsam, aber respektvoll das Leben aus. Anschließend schloss er ihre Augen und legte ein Tuch über ihr Gesicht. Es war ein deutliches Symbol für alle, die sie so sehen würden. Er faltete ihre verbrannten Hände auf ihrem Bauch und ließ seine Magie noch einmal zum Einsatz kommen. Es war nicht leicht, denn der Boden war hart durch die Jahreszeit. Wo sich keine Keimlinge neuer Gräser oder Pflanzen finden ließen, bat seine Naturmagie die Wurzeln, sich des Körpers anzunehmen. Sie sollten einen Rahmen um die nun Tote bilden, ein natürliches Bett, das sie ruhig liegen lassen würde, bis jemand ihr ein Grab geschaufelt hätte. Sacht wanden sich einige der dünneren Wurzeln um ihre Extrmitäten, um sie in ihrer Position zu halten. Eine davon schob sich auch unter ihren Hals, ungeachtet des Tuches. Wenn jemand starb, verloren jegliche Muskeln die Kraft und sie sollte nicht platt aussehen. Das hatte sie nicht verdient. Ebenso wenig hatte sie verdient, dass jemand sie in ihrem Tod nun als das erkannte, was sie war. Die Wurzeln legten sich über den Pelz ihrer Hände, verbargen die unebenen Stellen an ihrem Haar und würden sich wie ein Knoten um ihren Schwanzansatz schmiegen.
Als es getan war, erhob Lianth sich. Er atmete einmal tief durch, ehe er sich halb umwandte. Sein Blick wanderte über die Szenerie. Eine seltsame Stille hatte sich über das Gehöft und seine Umgebung gelegt. Das Rauschen und Knacken von Flammen, die zum Himmel emporstiegen und sich vom Holz des Hauses labten, war verklungen. Die Schreie hatten aufgehört, ganz gleich ob in Angst, Schmerz oder Forderung ausgestoßen, um die Eimerkette zu bilden. Das Haupthaus war nicht mehr zu retten gewesen, aber die Bewohner hatten es geschafft, den Schaden einzudämmen. Rauch verlor seine tanzende Spur im Nachthimmel. Ohne das Feuer war es plötzlich viel dunkler hier. Interessanterweise trübte sich dadurch nicht die Hoffnung, im Gegenteil. Die Menschen konnten aufatmen. Sie lagen einander in den Armen. Keiner von ihnen wirkte dermaßen ernsthaft verletzt, dass er oder sie es nicht überstehen würde. Hier und heute gab es nur ein Opfer zu betrauern.
Lianth schaute erneut auf die Verstorbene herab, als vertraute Schritte laut wurden. Plötzlich tauchte Tami neben ihm auf und mit ihrem Erscheinen erhellte sich auch die Miene des Elfen. "G-geht es d-dir gut?", fragte er, stammelte dabei erneut. Es war vorbei. Der Heiler hatte sein Bestes gegeben und verzog sich wieder, bis seine Talente gebraucht würden. Zurück blieb Lianth, scheu wie eh und je. Ganz von selbst machte er sich kleiner, kehrte in diese ungesund aussehende Duckhaltung zurück und knibbelte sofort wieder am Träger seiner Tasche, kaum dass er sie wieder umgelegt hatte.
"ist sie...?" Er nickte nur, besaß jetzt nicht mehr das Durchsetzungvermögen, Tami zum Wegschauen zu bewegen. Sie sollte es nicht sehen, aber Lianth konnte es nicht ändern. Glücklicherweise wusste sie abzulenken, als sie ihren Arm vorzeigte.
"Oh ... oh, d-das musst du kühlen, Tami. Spül es mit Wasser aus. Danach ... warte..." Er zog die Tasche hervor und begann zielstrebig darin zu suchen. Ein seufzen verkündete jedoch, dass er feststellen musste, seine Kräuter nicht so aufgestockt zu haben wie geplant. Beinwell fand sich nicht mehr. Er holte dafür andere Pflanzen hervor. "Das ist Spitzwegerich und etwas Ringelblume. Ich zerstampfe beides für dich zu einer Paste, die trägst du auf, sobald du die Stelle ausreichend gereinigt hast. Die guten Kräuter habe ich leider aufgebraucht." Ebenso wie seine naturmagischen Kräfte. Er brauchte Ruhe, um sie wieder wirken lassen zu können. So lange mussten Tami und mögliche weitere Patienten noch warten. Einer von ihnen wollte das offenbar nicht. Den Bauch voran trat er zu ihnen und entpuppte sich nicht nur als unverletzt, sondern offenbar auch Redner des Gehöfts. Er stellte sich als Morris Gutsch vor, bedankte sich und gab der Verstorbenen einen Namen.
Janda...
Lianth schaute noch einmal auf die Tote herab. Die Welle an Worten schwappte über ihn hinweg. Er nahm sie auf, ohne groß darauf zu reagieren. Die Gefahr war gebannt, der Mut des Heilers verflogen. Auch für Amara reichte es nicht. "So ein liebes Herz, verkraftet den Verlust dreimal so schwer ..." Lianth schaute zu der Hauswand herüber, an der Amara lehnte. Er sah sie weinen. Sie brauchte Trost. Er brachte den Mut nicht auf, obwohl sie beide vor kurzem noch so energisch darum gekämpft hatten, niemanden zu verlieren.
"Wie geht's dir?" Tami holte ihn aus seinen Gedanken heraus. Lianth wandte sich ihr zu. Er lächelte, wenn auch verlegen. "I-ich bin u-unverletzt. D-danke f-für deine ... S-Sorge, a-aber sie ist ... n-nicht nötig."
"Ich denke, ich werde fragebm ob ich was helfen kann. Ist es in Ordnung, wenn wir ein wenig hierbleiben?" Lianth nickte bereits, ehe Tami alles weiter ausführte. Unter so vielen Fremden zu sein behagte ihm zwar nicht, abder sie hatte einen wichtigen Nerv bei ihm getroffen. Diese Menschen brauchten Hilfe. Ihre Heilerin trauerte. Man konnte ihr nicht alles abverlangen. Sie hatte jemanden verloren, der ihr wichtig war. Jemand, der Krankheitsanzeichen aufwies wie Lianth sie besaß. "I-ich ... tröste ... s-sie..." Er deutete zur Hausecke, doch würde noch eine ganze Weile brauchen, um überhaupt in diese Richtung zu gehen. Entweder blieb Tami noch bei ihm und stand etwas deplatziert einfach neben Jandas Leichnam oder sie verfolgte ihre eigenen Pläne, um beim Aufräumen zu helfen. Als Lohn winkte Nahrung, wie Morris beiden versprochen hatte. Lianth war nicht hungrig. Er schaute zu Arama herüber, musterte ihre leicht bebenden Schultern. Er sah, dass niemand sich um sie kümmerte. Hab Mut. Sie braucht einfach nur jemanden, der bei ihr steht. Das ... das bekommst du hin! Du musst nicht reden. Als Seelenheiler hatte Lianth sich noch nie hervorgetan. Die Empathie mochte er besitzen, nicht aber den nötigen Mut, Worte des Trosts zu spenden. Jetzt würde es nötig sein. Er setzte einen zaghaften Schritt in Richtung der anderen Elfe. Noch einen. Dann blieb er wieder stehen, schaute sich um. Die Bewohner des Gehöfts wirkten beschäftigt. Lianth umklammerte den Riemen seiner Tasche, straffte die Schultern, ging zwei Bögen als Umwege, bei denen er vorgab, nach Verletzten am Boden zu suchen, beugte sich einmal im Dunkeln nach einigen Pflanzen und streifte sie doch nur mit den Fingern. Er würde auch kein Unkraut einfach so herausrupfen, nur um vorzugeben, Heilkräuter sammeln zu wollen. Irgendwann aber ließ es sich nicht länger aufschieben. Irgendwann erreichte sogar er als zweiter hinter einer Schnecke das Haus.
"Äh...", machte er leise auf sich aufmerksam. Und das war es. Er hatte den Mut aufgebracht, wenigstens bis zu Amara zu treten. Worte bekam er nicht heraus und auch mit tröstenden Gesten hielt er sich zurück. Er wagte es nicht, die Elfe in ihrer Trauer zu stören. Vielleicht wollte sie ja lieber allein sein. Dann hätte er nun einen großen Fehler gemacht. "I-ich ... äh ..." Unschlüssig, ob er gehen oder bleien sollte, tapste Lianth von einem Fuß auf den anderen.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 7. März 2024, 09:56

Nur wer sich in seiner Sache sicher war, strahlte auch eine Souveränität aus. Manche brauchten dafür immer einen Rahmen, andere waren von Natur aus selbstbewusster. Lianth war ein Meister seines Fachs und die Liebe zu anderen half ihm, sich auch stark und wissend zu geben. Sobald aber seine Arbeit getan war und eine andere Form der Interaktion anstand, zog er den Kopf ein und sich in sein Schneckenhaus zurück. Es war fast bedauerlich, ihn so zu sehen, aber zumindest eine Person in seinem Umfeld, schien sich davon nicht beeinflussen zu lassen. Tami trat auf Lianth zu und hatte sich bereits als Konstante in seinem Blickfeld manifestiert. Zwar stotterte er bei ihr genau so, wie bei allen anderen, aber Tami überging das einfach. Sie behandelte ihn, wie jeden anderen auch. Sie hielt ihren Arm fest, weil sie leichte Verbrennungen davongetragen hatte und bat Lianth um Hilfe. Der Heiler aber hatte seine Kräuter und Tinkturen für die Opfer des Brandes aufgebraucht. Dass er nun nichts ‚Gutes‘ mehr für Tami übrighatte, tat ihm leid, doch er wollte ihr nicht einfach so absagen. "Oh ... oh, d-das musst du kühlen, Tami. Spül es mit Wasser aus. Danach ... warte..“ Aufmerksam beobachtete sie ihn dabei, wie er in seiner Tasche wühlte. "Das ist Spitzwegerich und etwas Ringelblume. Ich zerstampfe beides für dich zu einer Paste, die trägst du auf, sobald du die Stelle ausreichend gereinigt hast. Die guten Kräuter habe ich leider aufgebraucht." Tami warf einen Blick über die Schulter und suchte scheinbar nach einer Wasserquelle. Dann nickte sie Lianth zu. „Bin gleich zurück!“, sagte sie und lief schon zu einem Brunnen, an dem sie auch das Löschwasser geholt hatten. Lianth konnte sehen, wie sie mit einem Bewohner des Gehöfts sprach und er ihr dann half, Wasser zu fördern, bis sie ihren Arm abwusch. Währenddessen hatte Lianth Zeit, die Paste herzustellen. Nachdem Tami zurückgekehrt war, trat auch der dickliche Morris Gutsch auf den Plan und lud Tami und Lianth als Dank zum Essen ein. Tami bedachte den Elfen dabei mit einem Blick, wie er auf die Tote, Janda, blickte. "I-ich bin u-unverletzt. D-danke f-für deine ... S-Sorge, a-aber sie ist ... n-nicht nötig.", antwortete er auf ihre besorgte Nachfrage und erntete von Tami wieder ein Lächeln. „Na, aber sehr gern!“, zog sie ihn ein wenig auf, denn sie hatte gewiss nicht seinen körperlichen Zustand gemeint. Morris Gutsch verabschiedete sich und Tami erkundigte sich, ob Lianth einverstanden wäre, wenn sie einen Moment hierblieben, um noch etwas zu helfen. "I-ich ... tröste ... s-sie..." Tami sah zur Hausecke und entdeckte die Heilerin weinend. Sie verzog das Gesicht. „Ja, gut, tu du das. Ich bin da nicht so die Richtige, schätze ich. Ich sage immer etwas falsches!“, lachte Tami dann unsicher und wollte schon losflitzen. Mitten in der Bewegung hielt sie noch mal inne und kehrte zum Elfen zurück. „Fast vergessen!“, grinste sie und griff nach der Paste, die sie sich auf den Arm schmierte. „He! Ringelrich und Spitzblume wirken total schmerzlindernd, ist das stark!“, rief sie überrascht aus und merkte nicht mal, dass sie die Blumen total durcheinanderbrachte. Sie strahlte Lianth an und roch an der Paste. Dann verzog sie das Gesicht. „In Ordnung, das ist nicht so meins, aber es soll ja auch nur helfen, nicht?“, hustete sie etwas nasal und schüttelte sich. „Danke Lianth!“, rief sie ehrlich und wahrhaftig dankbar, dass er ihr einfach so hatte helfen können. Die braunen Augen blitzten ihn ermutigend an und schon war Tami wieder weg.

Nun aber stand Lianth verloren neben Janda, deren Totenbett er wundervoll hergerichtet hatte. Das aber zehrte im Moment auch etwas an seinen Kräften. Er spürte, dass er im Moment wohl nicht mehr sehr viel Energie hatte und Ruhe bräuchte. Neue Kräuter musste er wohl erstmal auf herkömmliche Weise finden. Aber sobald sie im Kapayu waren, wüsste er auch alles zu finden. Mit reichlicher Verzögerung schaffte es der Shyáner dann aber doch noch, sich der weinenden Amara zu nähern. Es war einfach nicht seine Stärke, sich mit anderen zu unterhalten und ihnen im Smalltalk ein wenig Ablenkung zu geben. Er konnte zwar erkennen, wie sich die Gegenüber fühlten aber er war einfach nicht so gut darin, Gespräche zu führen. Tami war das schnurzegal, die sabbelte ihn in Grund und Boden. Aber von sich aus? Trotzdem wollte er es wagen, weil sein gutes Herz nicht sehen konnte, wie sich jemand schlecht fühlte. "Äh...", drang seine Stimme eloquent zu Amara herüber und die Elfe zuckte zusammen. Ihr Blick war gerade auf eine Schnecke gerichtet gewesen, die an ihr vorbeischleimte. Nun aber erfassten die silbernen Augen den Elfen und sie wischte sich schnell über das tränennasse Gesicht. „Oh“, machte sie und versuchte zu lächeln. "I-ich ... äh ..." Abwartend sah Amara ihn an, ob da noch etwas käme. Doch dann seufzte die Elfe und strich sich das braune Haar zurück. „Ich weiß, ich weiß… Als Heilerin sollte man sich nicht so gehen lassen, nicht wahr?“, schniefte sie und wischte noch mal über die Augen. Amara lehnte sich gegen die Hauswand und schniefte erneut. „Es ist nur, Janda, die Frau dort hinten, war eine liebe Freundin. Sie hatte es nie leicht in ihrem Leben, seit sie dieses Virus in sich trug und schien …“, erneut brachen Tränen aus ihr heraus und sie vergrub ihre Hände in ihrem Gesicht. Es schüttelte sie einen Moment, dann tauchte sie wieder auf. „Es schien, dass sie endlich angekommen wäre. Sie hatte angefangen sich wieder aus dem Haus zu trauen, blühte ein Bisschen auf…“, sagte sie nachdenklich und schien sich an die Erlebnisse zu erinnern, die sie mit Janda gehabt hatte. Dann fiel ihr Blick auf das Totenbett, das Janda in einiger Entfernung in einer friedlichen Position hielt.
„Ihr habt das wirklich schön gemacht, ich danke euch sehr, für eure Hilfe!“, nickte sie ihm zu. Dann richteten sich die Augen der blassen Elfe auf Lianth selbst. „Lianth, richtig?“, fragte sie nach und wischte noch mal mit ihrem Ärmel über Augen und Nase. „Ihr seid ein versierter Heiler.“, bescheinigte sie ihm. „Danke. Wirklich, ihr… ihr kamt zur rechten Zeit.“, sie blickte erneut auf Janda. „Trotz allem, wart ihr der strahlende Stern in Manthala’s düsterem Reich“, murmelte sie. Dann stieß sie sich von der Hauswand ab und kam einen Schritt auf ihn zu. Lianth konnte erkennen, dass sie ein Stück größer war, als er aber nur, weil er sich so duckte. Ansonsten dürfte er sie wohl um ein paar Zentimeter überragen. „Geht es eurer Begleitung gut?“, fragte sie unverfänglich und blickte zur Mitte des Gehöfts, wo Tami zusammen mit anderen einige der Balken verräumte. „Ist sie ein Mensch?“, fragte sie erneut nach und schien dennoch nur freundlich zu sein. Dann strich sich Amara durch die langen, braunen Strähnen und band ihre Haare zu einem Zopf. Der schlanke Hals wirkte dadurch länger und gab ihr ein noch zerbrechlicheres Aussehen als durch ihre helle Porzellanhaut sowieso schon. „Lianth, wollt ihr mich ein Stück begleiten? Ich brauche neue Kräuter und habe etwas außerhalb im Licht des Mondes ein wenig etwas angepflanzt.“, fragte sie und deutete auf seine Tasche. „Vielleicht könnt ihr auch etwas gebrauchen?“, lächelte sie freundlich und wartete ab.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Freitag 8. März 2024, 19:05

Dass Lianth in Tamis Gegenwart nicht ständig stammelte, hatte er bereits bewiesen. In dem Lagerhaus war es sogar beinahe komplett verschwunden. Denn dort hatte er sich wohlgefühlt. Es hatte nur ihn und die rote Krähe gegeben. Er musste auf niemanden achten und sie war freundlich zu ihm gewesen, geradezu verständnisvoll, aber vor allem strahlte sie von Anfang an eine Begeisterung aus, die der Shyáner vielleicht auch besaß, aber gut umsorgt in seinem Herzen trug. Man musste ihn deshalb nicht bedauern. Lianth wollte weder Mitleid erregen, noch hatte er es nötig. Er fühlte sich ja recht wohl. Nun, abgesehen von jetzt. Ein Großbrand mit Verletzten entpuppte sich nun einmal nicht als die beste Situation, um sich selbst zu öffnen. Darüber hinaus wuselten hier zahlreiceh Fremde umher, was schon dafür sorgte, dass Lianth sich lieber etwas in sich selbst zurückzog. Was blieb, war ein Stottern und Stammeln. Er fasste zwar den Mut zusammen, sich Amara zu nähern - denn er ertrug es nicht, sie so zu sehen - aber es genügte leider nicht für ein von Beistand begleitetes Gespräch. Tatsächlich brachte er neben einigen Lauten kaum mehr aus sich heraus und als sie sich endlich zu ihm umdrehte, fiepste er sogar kurz vor Schreck. Als hätte er nicht erwartet, dass sie sich ihm zuwandte. Seine Wangen röteten sich und er wich ihrem Blick aus, kratzte sich verlegen an der Wange, dass er dort einen kleinen Fleck aus Ruß und Blut zurückließ.
Vielleicht wäre Tami doch die bessere Wahl gewesen, die Elfe zu trösten. Selbst wenn sie etwas Falsches gesagt hätte, sie plapperte zumindest. Lianth verfiel in Schweigen.
Sie interpretierte seine Zurückhaltung auf ihre Weise. "Ich weiß, ich weiß ... Als Heilerin sollte man sich nicht so gehen lassen, nicht wahr?"
"S-sollte m-man n-n-nicht?", nuschelte Lianth und schaute auf. Doch kaum trafen sein Bernsteinblick und ihr silberner aufeinander, senkte er den Kopf und drehte ihn leicht zur Seite. Nun musterte er eine seichte Schleimspur im Gras. Sie musste von der Schnecke stammen, die ihn auf seinem Weg zu Amara überholt hatte. Aber so scheu er sich nun zeigte, lauschte er der Elfe doch weiterhin aufmerksam. Sie musste nicht explizit erwähnen, dass Janda eine Freundin gewesen war. Das hatte man anhand ihrer Reaktion schnell deuten können, sogar jemand wie Lianth! Was ihn jedoch aufhorchen ließ, war ihre Andeutung zum Zustand der Verstorbenen. Ihm klingelte die Information geradezu in den Ohren. Sie zuckten und Lianth hob erneut den Blick, wenn auf zaghaft.
"Sie hatte es nie leicht in ihrem Leben, seit sie dieses Virus in sich trug und schien..." Ein erneuter Tränenausbruch, geboren aus Kummer unterbrach sie. Amara warf die Hände vor die Augen und schluchzte. Lianth zuckte zusammen, machte einen halben Schritt zurück und hob die Hände. Es war nicht ganz ersichtlich, ob er beschwichtigend auf die Elfe einreden oder sich ergeben wollte. "V-vi...? Oh ... OH! B-bitte ... e-es ... b-beruhigt E-euch... äh ... oh, n-nicht doch ... b-bitte..."
"Es schien, dass sie endlich angekommen wäre. Sie hatte angefangen, sich wieder aus dem Haus zu trauen, blühte ein bisschen auf..." Lianths Blick wanderte in die Ferne, wo Jandas Körper in dem Bett aus Wurzeln lag, ihr Gesicht mit dem Tuch verdeckt. Es wirkte sehr ruhig, wohingegen um sie herum die Aufräumarbeiten bereits in vollem Gange waren. Der Shyáner behielt den Blick auf ihr, wohl wissend, dass unter den Wurzeln verbranntes Haar auf den Handrücken zu finden gewesen war und ansätze tierischer Ohren unter dem Schopf. Erneut zog Amara falsche Schlüsse, aber sie ahnte ja nicht, wie verbunden Lianth sich der Toten gerade fühlte und wie nachdenklich die wenigen Informationen über sie ihn machten.
"Ihr habt das wirklich schön gemacht, ich danke Euch sehr für Eure Hilfe!"
"D-das ... i-ist doch ... d-das g-gehört dazu..." Nicht selten dankte man Lianth für seine Fähigkeiten, sein Fachwissen oder einfach seine Unterstützung. In den meisten Fällen machte es ihn jedoch eher verlegen. Es kam ihm immer viel zu übertrieben vor, denn seine Leistungen waren eher gering. Er gab sein Bestes, aber manchmal reichte es nicht. So wie heute. Nein, heute war ein Dank wirklich nicht nötig. Ehe er es aber zu einem halben Gestotter formulieren konnte, hakte Amara schon weiter nach, fragte noch einmal nach seinem Namen. Er nickte, schluckte somit seine Antwort herunter und war dann wieder still. Nur seine Wangen glühten. Amara dankte ihm zu überschwänglich. Strahlender Stern in Manthalas düsterem Reich? "I-ich ... n-nein, d-das i-ist zu viel des G-guten ... trotzdem ... v-vielen ... D-Dank." Lianth knibbelte an einem losen Faden seines Lederriemens herum. Nun, da seine Hände nicht mehr damit beschäftigt waren, Wunden zu versorgen oder Leben zu retten, wusste er nicht, wohin damit. Allerdings musste er auch zugeben, dass er sich in Amaras Gegenwart nicht so wohl fühlte wie bei Tami. Sein Blick huschte gelegentlich über die Umgebung, auf der Suche nach ihrem Rotschopf als Fixpunkt. Und wieder einmal...
"Geht es Eurer Begleitung gut?"
"Äh ... n-nur e-eine leichte Ver-Verbrennung. I-ich hab ... das schon..."
"Ist sie ein Mensch?"
"Äh ... j-ja. I-ich ... schätze ... sch-schon." Allzu viele Menschen kannte Lianth schließlich nicht. Tatsächlich waren Grandeas Bewohner die ersten, mit denen er sich mehr oder weniger bewusst umgeben hatte. Im Grunde unterschieden sie sich nicht groß von Elfen. Sie waren etwas stämmiger, kleiner und besaßen nicht so grazile Züge wie die Shyáner oder Dunkelelfen. Außerdem besaßen sie runde Ohrmuscheln, was bei Lianth einen seltsamen Eindruck hinterließ. Der Anblick war einfach ungewohnt. Aber vielleicht mussten Menschen so sein. Es war der Lauf der Natur. Sie mussten robuster sein, um in einer trostlosen Umgebung wie Grandea überleben zu können.
"Lianth, wollte Ihr mich ein Stück begleiten? Ich brauche neue Kräuter und habe etwas außerhalb im Licht des Mondes angepflanzt. Vielleicht könnt Ihr auch etwas gebrauchen." Am liebsten hätte er abgelehnt, sich rasch zurückgezogen und ein Versteck gesucht, in dem er sich klein machen und eine Weile ausruhen konnte. Die Hektik hatte ihn angesichts der Gefahren nicht gepackt, denn da musste er präsent sein. Nun aber holte ihn langsam die Beklemmung ein. So viele Fremde, so viele Fragen! Aber ich muss meine Vorräte aufstocken. Also atmete er tief durch, straffte die Schultern, ließ sie wieder hängen und klammerte sich fester an seine Tasche, als könnte sie ihn vor zu viel Konversation retten. Nur Mut... Er nickte langsam. "J-ja ... d-das klingt ... sehr g-gut. Nur ... I-Ihr ... Ihr macht m-mir e-ein wenig Angst."
Lianth merkte gar nicht, wie mutig er manchmal war. Denn nicht jeder würde die Wahrheit über seine Gefühle einfach so offenlegen und als gestandener, kleiner Elfenmann zugeben, dass diese zarte Porzellanfigur von Frau bei ihm Unwhohlsein auslöste - was ohnehin seltsam war, wenn man bedachte, dass er es mit Tami nicht nur ausgehalten, sondern ihre eifrige Art gar genossen hatte.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Samstag 9. März 2024, 09:35

Lianth war es unangenehm, dass man Dankbarkeit für etwas ausdrückte, dass im Grunde selbstverständlich war. Allerdings unterschätzte er da die Wirkung von jemanden, der Hilfe anbot und auch angedeihen ließ. Zu wissen, dass jemand das Schicksal mit einem teilte und alles daransetzt, dieses aufzuhalten oder umzuwandeln, war für viele Lebewesen Grund genug, einen Dank auszusprechen. Die schöne Nachtelfe bildete da keine Ausnahme. Lianth kam zur rechten Zeit, denn Amara wäre in den vielen Verletzten untergegangen. Und wo sie sich nicht freimachen konnte, von dem Schicksal ihrer Freundin, da konnte Lianth das ohne jeden Zweifel. Er half. Das war etwas, das jedes mitfühlende Wesen berührte. Ihn ja auch. Er war ganz ergriffen davon gewesen, als Tami ihm ihre Hilfe anbot. Man war nicht länger allein und dafür erhielt auch er die Dankbarkeit. "I-ich ... n-nein, d-das i-ist zu viel des G-guten ... trotzdem ... v-vielen ... D-Dank." Amara lächelte leicht. „Ihr seid bescheiden. Das ehrt euch nur noch mehr“, erwiderte sie und seufzte daraufhin. Sie erkundigte sich nach Tami und Lianth geriet darüber etwas ins Straucheln mit seinen Gedanken. Amara machte ihm ein wenig zu schaffen. Aber er wollte gewiss nicht unhöflich sein. "J-ja ... d-das klingt ... sehr g-gut. Nur ... I-Ihr ... Ihr macht m-mir e-ein wenig Angst.", antwortete er auf ihr Angebot, sie ein Stück zu begleiten. Amara hielt in ihrer Bewegung inne. Sie blickte Lianth überrascht an und für einen Moment… passierte überhaupt nichts.
Dann sank die Elfe etwas in sich zusammen und seufzte. „Oh“, machte sie und schien resigniert zu sein. „Das.. tut mir leid. Ich weiß, dass Nachtelfen allgemein nicht gern gesehen sind und…“, erneut seufzte sie „Schon gut.“ Sie versuchte zu lächeln und strich sich die langen, braunen Haare über die Schulter, um in einer nervösen Handlung darüber zu fahren. „Ich will euch nicht ängstigen, Lianth. Ich dachte nur, ich mögt vielleicht eure Vorräte aufstocken und dachte, es wäre das Mindeste.“ Amara ließ ihre Haare in Ruhe und blickte zu einem kleinen Wäldchen, hinter dem Gehöft. „Ich habe einige Kräuter angepflanzt. Dort hinten. Ihr könnt das Beet nicht verfehlen.“, erklärte sie nun und seufzte leise. „Geht ruhig hin, sobald ihr wollt. Nehmt euch, was ihr braucht und wollt. Es ist mein Geschenk, für eure Hilfe.“ Dann drehte Amara ihre Tasche wieder nach vorn und hielt sie am Riemen, wie es Lianth auch oft tat. Es nahm ein wenig das Gewicht von der Halsbeuge und entlastete diese. „Ich werde zu Morris gehen und sehen, ob sie noch etwas brauchen.“, sagte sie und räusperte sich verlegen. „Verzeihung noch mal, es lag mir fern, euch in die unangenehme Lage zu bringen“, bemerkte sie noch etwas zerknirscht und machte sie schließlich auf den Weg zur Gehöftmitte.

Lianth konnte noch erkennen, dass die Elfe mit Morris Gutsch sprach, der daraufhin einen Blick auf Lianth warf. Was gesprochen wurde, konnte er nicht erkennen, aber Amara schien tatsächlich zu glauben, dass seine Angst darin begründet lag, dass sie eben den Nachtelfen angehörte. Sie war höflich genug, sich von ihm zurückzuziehen und ihm den Raum zu geben, den er brauchte. Offenbar war Lianth nicht der Erste, der ihr suggerierte, dass sie nicht willkommen war. Auch wenn er es gewiss nicht so gemeint hatte. Bevor sich nun aber eine unangenehme oder gar willkommene Stille ausbreiten konnte, wurde er erneut in seinem Wunsch nach Ruhe gestört. „Hey, das ging ja fix mit der Heilerin.“, hörte er Tami anerkennen und schon stand die Rothaarige neben ihm. Sie blickte zu Amara und schnalzte mit der Zunge. „Sie wirkt ganz nett“, meinte sie schulterzuckend und wandte sich dann Lianth zu. „Du siehst ziemlich fertig aus. Vielleicht solltest du dich mal eine Weile ausruhen!“, bemerkte sie das offensichtliche und gähnte nun selbst herzhaft. Ihr Blick glitt über die freie Wiese hinterm dem Gebäudeteil, an dem Amara ihrer Trauer freien Lauf gelassen hatte. „Oh, ich weiß!“, feixte Tami mit blitzenden Augen.
Sie griff nach Lianth’s Mantelrevers und zog leicht daran. „Komm mal mit“, führte sie ihn mit sich und an eine Stelle im Gras, die vom hellen Mond beschienen wurde. Hier ließ sie Lianth los und fiel daraufhin ins Gras. Es war weich und jung, offenbar herrschte hier guter Boden. Tami legte sich rücklings hinein und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sie schaute in den Himmel und verlor sich für einen Moment darin, bevor sie wieder sprach: „Glaubst du an die Götter, die uns lenken, Lianth?“, fragte sie plötzlich und wandte den Blick nicht von den Sternen ab. „Meinst du, jemand hat uns hergeführt, damit wir hier ankommen, um helfen zu können?“, wollte die Rothaarige wissen. „Das wäre irgendwie unheimlich und… heftig zugleich. Das würde bedeuten, dass es einen Grund gibt, wieso wir uns trafen und wieso alles kam, wie es kam.“, murmelte sie weiter nachdenklich. Dann drehte sie ihren Kopf und schaute zu Lianth. Ob er ebenfalls lag oder saß? „Wäre doch irgendwie abgefahren, wenns so wäre.“, grinste sie und schaute zurück zum Himmel.
„Einige der Bewohner hier sagten, dass die Frau, die.., nunja, verstorben ist, das Feuer durch Unachtsamkeit verursacht hätte. Aber wie können sie so gemein sein? Ich meine… die Frau ist tot. Die… die wird das doch nicht mit Absicht gemacht haben?! Was für einen Grund sollte jemand haben, sich freiwillig auf so eine Art das Leben zu nehmen…“, überlegte sie betroffen und seufzte. „Es gibt doch immer einen Weg… egal, was einem gerade passiert…“, dachte sie laut. Tami schloss für einen Moment die Augen. „Hör mal“, flüsterte sie und der Wind rauschte sanft durch jedwedes Blattwerk. „Friedlich… diese Stille, nachdem das passierte… ich hoffe, die Frau findet auch Frieden…, ich wünsche es ihr.“
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Samstag 9. März 2024, 17:50

Eben noch hatte er verlegen gelächelt und mit gleicher Intention wieder auf die Schnecke zwischen den platt getretenen Grashalmen geschaut. Dass Amara ihm jedoch Komplimente aussprach, wo er es als selbstverständlich ansah, das war, was Lianth etwas Unbehagen bereitete. Vielleicht hätte er sich besser erklären sollen, aber genau hier fielen seine Defizite auf. Er hatte sich nicht deutlich genug ausgedrückt und Amara zog die falschen Schlüsse. Als er mit der unschuldigen Offenheit eines Kindes anmerkte, dass sie ihm Angst machte, da bezog sein Gegenüber es sofort auf ihre Herkunft.
"Das ... das tut mir leid. Ich weiß, dass Nachtelfen allgemein nicht gern gesehen sind und..."
"N-Nacht...?" Lianth schaute auf. Er betrachtete sich Amara nun zum ersten Mal mit anderer Sichtweise. Sie war nicht einfach nur sehr blass und ihre Augen wie Mondperlen, weil man es auf einen stubenhockerischen Lebensstil und ihre Magie zurückführen könnte. Sie war eine jener Nachtelfen, über die Lianth bereits gelesen hatte. Sie besaßen einen traurigen Nachteil, für Heilkundige jedoch äußerst faszinierend. Ihre Haut vertrug das Sonnenlicht nicht und zwar in einem Ausmaß, dass sie sich regelrecht davor schützen mussten. Deshalb zog diese Unterart der Elfen es vor, im Mondschein spazieren zu gehen. Shyána Nelle war fernab jeglicher anderen Zivilisation und konnte nicht auf detaillierte Aufzeichnungen zurückgreifen, aber selbst bei den Elfen des Urwaldes gab es Erwähnungen zu ihren Mond liebenden Verwandten. Amara war allerdings die erste von ihnen, die Lianth wahrlich zu Gesicht bekam. Er musterte sie plötzlich so penetrant und mit einer Faszination, dass es wohl nun an ihr war, Angst zu bekommen. Aus reiner Dankbarkeit für seine Taten und vielleicht nun noch aus einer Spur Höflichkeit heraus bot sie ihm weiterhin an, seine Vorräte aufzufrischen. Amara selbst wandte sich jedoch rasch zum Gehen. Mit schnellen Schritten schuf sie Distanz, ehe Lianth sich überhaupt in der Lage wähnte, ihr zu antworten und die Sache aufzuklären. So blieb ihm nichts Anderes übrig, als ihr nachzusehen. Er seufzte leise. Das hatte er ja nun gehörig verbockt.
Sein Ausdruck, aber auch seine allgemeine Erschöpfung ob der anstrengenden letzten Momente ging nicht spurlos an ihm vorüber. Vor allem aber wurde es bemerkt und zwar bevor der Shyáner seine Begleiterin bemerkte. Tamis vertraute Stimme ließ seine Spitzohren zucken, noch ehe er den Kopf nach ihr umwandte.
"Du siehst ziemlich fertig aus. Vielleicht solltest du dich mal eine Weile ausruhen!"
"Tami! Äh ... d-du a-aber auch." Zu mehr kam es gar nicht. Nicht, dass Lianth hätte mehr sagen wollen. Schon blitzten Tamis Augen wie Sterne und sie griff nach seinem Mantel. Anschließend zog sie ihn mit sich. Er wehrte sich nicht, stolperte aber ein wenig ungelenk hinter ihr her. Außerdem musste er noch etwas geduckter gehen, weil Tami den Stoff seiner Kleidung durchaus energisch mit sich schleifte. Zum Glück hatte sie nicht versucht, seine falschen Speckröllchen zu packen. Da Lianth aber genau in diesem Moment an seinen rattenhaften Anhang dachte, warf er im Gegen einmal einen Blick auf das Hemd, das er trug. Er stopfte einige Teile des Stoffs wieder in die Hose. Das Textil war fleckig von Schweiß, Ruß und Blut. Er musste all seine Sachen dringend waschen, aber nicht jetzt. Erst einmal begleitete er Tami, bis sie am Zielort angekommen war.
Mondlicht fiel auf ein gutes Stück Gras, das buschig und selbst im matten Licht satt wirkte. Tami ließ sich darauf nieder, streckte sich und verschränkte Arme hinter dem Kopf. Ihr Blick glitt zum Nachthimmel empor. Lianth folgte ihm und betrachtete sich ebenfalls eine Weile die Sterne. Er stand jedoch. Erst als Tami ihn ansprach, ließ er zunächst seine Tasche an den Rand und sich selbst dann ebenfalls ins Gras sinken. Er saß, schaute abwechselnd mal nach oben zum Himmel und dann wieder herab zu Tami.
"Glaubst du an die Götter, die uns lenken, Lianth? Meinst du, jemand hat uns hergeführt, damit wir hier ankommen, um helfen zu können?"
Er dachte eine Weile über diese Fragen nach, um sie wirklich zu verinnerlichen. Dann schüttelte er zaghaft den Kopf. "N-nein. Ich glaube an die G-Götter. An Florencia und Phaun. A-aber ich glaube nicht, dass sie ... u-uns lenken. S-sie schauen zu, was ihre Schöpfung treibt. D-das ist der Lauf d-der Dinge u-und ... so auch spannender für sie, schätze ich."
Tami hatte offensichtlich nicht vor, alsbald wieder aufzustehen und so ließ auch der Elf sich schließlich nieder, bis er neben ihr lag. Sie musste nur den Kopf drehen, um ihn anzuschauen. Er war ihr doch schon sehr nahe. Lianth lag seitlich, stützte seinerseits den Kopf in die Hand seines angewinkelten Armes. Mit der anderen fuhr er verträumt durch die jungen Gräser zwischen sich und Tami. Er streichelte die frischen Halme, als wollte er sie ermuntern, noch größer und höher zu wachsen. Doch seine Magie setzte er dafür nun nicht ein. Seine Begleitung hatte Recht. Er war durchaus erschöpft und benötigte etwas Ruhe. Die frische Nachtluft und die nun eingekehrte Friedlichkeit trugen dazu sehr gut bei.
"Einige der Bewohner hier sagten, dass die Frau, die ... nunja, verstorben ist, das Feuer durch Unachtsamkeit verursacht hätte."
"S-sie hieß Janda. Sie war eine Freundin v-von Amara ... d-das ist die Nachtelfe. Wusstest du, dass sie e-eine ist? Ich hab noch nie eine echte Nachtelfe g-gesehen." Aber Tami beschäftigten derzeit andere Dinge. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, dass Janda an diesem Unglück selbst schuld war. Sie konnte sich nicht vorstellen, was dazu führte, dass man sich freiwllig in Brand steckte, um zu sterben.
Lianth, der sonst so warmherzige, gutgläubige Lianth, fand ein Motiv. Er zog seine Hand zurück und legte sie an seinen Bauch, wo der Rattenschwanz wullstig unter dem Stoff verborgen war. Janda hatte ein Virus in sich getragen. Das Virus! Er hatte an ihr Veränderungen bemerkt. Wahrscheinlich war sie schon weiter gewesen oder ahnte, dass es gar keine Heilung dafür gäbe. Vielleicht hatte sie keinen Ausweg gesehen. Vielleicht war es den übrigen Bewohnern nur Recht. Sie schien damit offen umgegangen zu sein, wenn auch Amara davon wusste und die Information sofort mit einem Fremden wie Lianth zu teilen bereit gewesen war. Vielleicht hatten alle hier geahnt, dass sie früher oder später zum Monster würde und sie hatte entschieden, dass es besser für das Gehöft war, wenn sie ... ging, bevor sie jemandem etwas antat. Dass sie die Kontrolle über das Feuer verlieren würde, war wohl nicht Teil ihres Plans. Aber letztendlich konnte Lianth hier nur spekulieren.
"T-Tami?", fragte er in die Ruhe hinein. "Wenn es keine Aussicht a-auf ... Rettung für dich gäbe. W-wenn du krank wärst ... würdest du d-dann nicht verhindern wollen, dass andere deinetwegen zu Schaden k-kommen?" Plötzlich hockte der Elf sich auf. Was hier geschehen war, ließ ihn seine eigene Situation überdenken und aus anderer Perspektive sehen. "V-Vielleicht sollte ich nicht n-nach Hause gehen", murmelte er und schien über seine eigenen Worte ein wenig erschreckt. Scheu lugte er zu Tami herüber. Sie war bisher vollkommen nett zu ihm gewesen. Sie wollte ihn begleiten und hatte dafür ihr Heim und ihre Familie zurückgelassen. Nun gut, sie alle flohen aus Grandea, aber sie hätte mit Elian, Ysara und den anderen Krähen gehen können. Sie blieb hier, bereit ihm zu vertrauen. Lianth wollte ihr das zurückgeben. "I-ich ... bin krank", gestand er, duckte sich dann jedoch und kauerte sich zusammen.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 13. März 2024, 09:43

Wenn man sein Leben lang immer und immer wieder ins Stocken geriet, dann merkte man irgendwann, dass das Leben an einem zu schnell vorbeizog. Lianth wollte gewiss niemanden verprellen und war weit entfernt davon, jemandem etwas Schlechtes anzudichten. Aber er war einfach nicht gut mit Worten und schon gar nicht, wenn er eingeschüchtert wurde von etwas. Es fiel ihm schwer, sich vernünftig und unmissverständlich auszudrücken, wenn er nicht den Schutzmantel seiner Heilerei trug. Und er musste nun erkennen, dass man ihm seine Absichten nicht an der Nasenspitze ansehen konnte. Amara glaubte, er würde sie meiden wollen, weil sie dem Volk der Nachtelfen angehörte. Sie musste bereits Erfahrungen in diese Richtung gemacht haben und fühlte sich dementsprechend zurückgesetzt. Aber sie wurde nicht unfreundlich oder sagte ihm gar, was sie wirklich davon hielt. Sie blieb höflich, räumte ihm immer noch das Recht ein, dass er sich nehmen durfte, wonach ihm war und daran bestand kein Zweifel, dass sie es so meinte. Aber sie zog sich auch zurück. Amara würde niemandem zur Last fallen, wie Lianth sich nicht in Menschenmengen aufhalten wollen würde. Sie wusste, dass sie zu weichen hatte, wenn man sich unwohl in ihrer Gegenwart fühlte. So lehrte es sie, das Leben. Bevor Lianth sich aber wirklich unwohl fühlen konnte, wurde er bereits wieder abgelenkt. Tami tauchte auf und teilte ihm prompt mit, wie müde er wirkte. "Tami! Äh ... d-du a-aber auch." Das Mädchen lachte leise und zog Lianth mit sich. Sie besaß überhaupt keine Hemmungen, sich Lianth auf ganz normale Weise zu nähern und sogar körperlich zu werden. Tami war ein Freigeist, der in Form eines Inferno’s in Lianth’s Leben getreten war. Aber es passte. Die beiden konnten unterschiedlicher nicht sein und doch… passte es.

Tami fand für sie beide ein kleines Fleckchen, das der Krähe reichte, um sich dort niederzulassen. Seufzend streckte sie ihre Glieder aus und machte es sich gemütlich, während Lianth noch eher unschlüssig daneben stand. Erst als Tami ihm eine doch eher schwere Frage stellte, setzte sich der Elf ebenfalls auf den Boden. Er konnte spüren, wie sehr seine Glieder es ihm dankten. Die letzten Tage waren doch um einiges anstrengender gewesen als er es gewohnt war und allmählich machte sich Erschöpfung breit. Auch Tami sah müde aus, aber sie hielt sich wacker. Ihren Arm hatte sie durch Lianth bandagieren lassen, der weiße Verband hatte bereits einige Flecken erhalten. Tami war nicht etepetete und hart im Nehmen. Gleichwohl aber beschäftigten sie tiefergehende Fragen und Lianth musste einen Moment nachdenken, ehe er antwortete: "N-nein. Ich glaube an die G-Götter. An Florencia und Phaun. A-aber ich glaube nicht, dass sie ... u-uns lenken. S-sie schauen zu, was ihre Schöpfung treibt. D-das ist der Lauf d-der Dinge u-und ... so auch spannender für sie, schätze ich." Tami wandte den Kopf ihm zu und musterte ihn, während er seine Antwort formulierte. Sie schnaubte amüsiert auf. „Ja! Da hast du sicher recht. Die… wollen sehen, was wir selbst anstellen, damit wir anschließend reumütig zu ihnen beten!“, lachte sie und meinte es nicht ganz so zynisch, wie es klang. Lianth erkannte, dass Tami hier vorerst nicht weg würde, denn immer wieder blinzelte sie und wirkte schläfrig. Auch Lianth wollte seinem Rücken etwas mehr Ruhe gönnen und legte sich schließlich doch neben die Krähe. Sofort drehte sich ihr Kopf und sie lächelte ihn an. „Ziemlich bequem, nicht wahr?“, fragte sie und räkelte sich noch mal genüsslich. Dann gähnte sie herzhaft und streckte alle Glieder von sich. „Ich habe das Gefühl seit Jahren nur noch gelaufen zu sein!“, seufzte sie, bevor sie wieder zum Himmel blickte. Erneut führten ihre Gedanken in tiefgründigere Gefilde. Und Lianth, der das weiche Gras befühlte und seine Körperwärme, Tami einlullte, erklärte ihr, wieso die Bewohner so denken könnten.
"S-sie hieß Janda. Sie war eine Freundin v-von Amara ... d-das ist die Nachtelfe. Wusstest du, dass sie e-eine ist? Ich hab noch nie eine echte Nachtelfe g-gesehen." Überrascht sah Tami zurück in das Gesicht des Elfen. „Nachtelfe?“, sie überstreckte den Kopf, als könne sie noch einen Blick auf Amara erhaschen, doch die war nicht zu sehen. „Nee, wusste ich nicht. Hab auch noch nie eine gesehen.“, murmelte sie und kehrte wieder in eine bequeme Haltung zurück. Ihr fielen ein wenig die Augen zu, während Lianth seine Gedanken ordnete. Er dachte darüber nach, dass Janda sehr wohl ein Motiv gehabt haben könnte. Dass es ihr sehr schlecht ergangen sein musste, wenn sie doch am selben Virus litt, wie er. Vielleicht sah sie keinen Ausweg. Würde es ihm denn genau so ergehen, eines Tages? "T-Tami?" „Hmh?“, machte die Krähe und drehte leicht den Kopf, öffnete aber in dem Moment noch nicht die Augen. "Wenn es keine Aussicht a-auf ... Rettung für dich gäbe. W-wenn du krank wärst ... würdest du d-dann nicht verhindern wollen, dass andere deinetwegen zu Schaden k-kommen?" Nun aber öffneten sich die hellbraunen Augen und sie betrachtete Lianth’s Gesicht. Sie dachte über seine Worte nach. „Also… wenn ich alle Möglichkeiten geprüft hätte und jede Meinung die gleiche ist, nämlich die, dass ich eine Gefahr wäre für andere und ich keine Rettung zu erwarten habe… dann… doch, ja, würde ich es verhindern wollen.“, antwortete sie und musterte ihn argwöhnisch. "V-Vielleicht sollte ich nicht n-nach Hause gehen" Tami war mit einem Schlag hellwach. Etwas lag hier im Argen. Sie drehte sich ihm zu, ebenfalls auf die Seite und spiegelte seine Haltung, indem sie ihren Kopf auf ihre Handfläche stützte. „Wieso sagst du das, Lianth?“, fragte die Rothaarige und musterte ihn ruhig. "I-ich ... bin krank" „Was?“, entfuhr es ihr, was Lianth sofort scheu zusammenzucken ließ. Tami aber war nicht erbost darüber, dass er es ihr verheimlicht hatte. Ganz im Gegenteil. Die Rothaarige trug… Sorge in ihrem Blick. Sofort glitt er über sein Gesicht, seinen Körper und wieder zu seinem Gesicht. „Wie? Was?“, fragte sie entsetzt. Tami setzte sich hin und starrte Lianth an. „Was ist passiert, Lianth?“; fragte sie drängend. „Und… und du bist dir sicher, dass es keine Rettung für dich gibt?“, schloss sie aus seiner vorherigen Frage. „Scheiße noch eins, das… Nein!“, entschied sie sich und mit einem Mal funkelte der Blick selbst in der Dunkelheit. Tami schüttelte unwillig den Kopf. „Erzähl mir alles!“, forderte sie ihn mit Nachdruck auf. Aber Lianth kannte ihre forsche Art schon ein wenig. Tatsächlich sprach aus ihr keinerlei Wut oder Enttäuschung, weil er es nicht gesagt hatte. Sie sprach aus Sorge und sie sprach aus dem Willen heraus, ihm helfen zu wollen. Tami ließ im Grunde keinen Zweifel daran, dass sie Lianth mochte. Und sie würde dem Elfen gewiss nicht jetzt den Rücken kehren, weil er mit der Wahrheit herausrückte. Wie auch immer jene schließlich aussehen würde.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Mittwoch 13. März 2024, 20:28

Tami bot nicht nur eine ausgiebige Ablenkung zu dem kleinen Missverständnis mit Amara, sondern rettete Lianth auch davor, sich selbst aus der Situation zurückzuziehen. Wäre sie nicht aufgetaucht, hätte er sich Gedanken gemacht, bis sein Gewissen ihn plagte. Aber ob er den Mut aufgebracht hätte, zu Amara zu gehen und die Situation aufzuklären, blieb ungewiss. Vielleicht hätte er auf umgedreht, wäre still und heimlich von der Bildfläche verschwunden und allein weitergezogen. Oh, wie gut, dass Tami da war. Sie verhinderte Kurzschlussreaktionen, die ihm auch körperliche Schwierigkeiten hätten bereiten können. Denn die Krähe hatte Recht: Er sah nicht nur mitgenommen aus, er war es auch. Sein Körper dankte es ihm, dass er sich alsbald neben Tami im Gras niederließ. Es dauerte sogar nicht lange und er unterdrückte ein erstes Gähnen. Er war erschöpft, wie sie alle, aber irgendwie genoss er nun auch die Zeit mit der Rothaarigen. Obwohl sie vehement am Plappern war und so aufgeweckt wie Lianth ruhig, fühlte er sich in ihrer Gegenwart noch am wohlsten. So lauschte er ihren Ausführungen, beantwortete ihre Fragen und gab auch zum Götterthema seine Meinung kund. Es machte Spaß, sich mit ihr zu unterhalten und gemeinsam darüber zu sinnieren, ob man höheren Wesen wie Florencia und Phaun eine aktive oder passive Rolle zusprechen wollte. Außerdem lag es sich im Gras recht passabel. Gern hätte Lianth mit ein paar naturmagischen Tricks für noch mehr Gemütlichkeit gesorgt, doch er fühlte sich so wie Tami es andeutete: Als wären sie nur noch gelaufen. So nickte er ihr zu, lächelte und genoss die Nacht.
Es hätte schön bleiben können. Vielleicht wären sie einfach friedlich nebeneinander eingeschlafen und erst durch Außenstehende oder dem Summen früher Insekten geweckt worden. Die Schläfrigkeit wich allerdings vollkommen aus Lianths Gliedern, sobald sein Gespräch mit Tami andere Gefilde betrat. Sie kamen auf Janda zu sprechen und einen möglichen Grund für ihr plötzliches Dahinscheiden. Tami konnte sich keine Motivation vorstellen, das eigene Leben zu beenden. Lianth hingegen - der gutgläubige, stets warmherzige und etwas zu naive, aber allein schon als Heiler am Leben hängende Lianth - konnte es sehr wohl. Jedenfalls, nachdem er Informationen über Janda erfahren hatte, von denen Tami nichts wusste. Er deutete es an, versuchte sich selbst nicht zu direkt mit einzubinden. Am Ende aber blieb er einfach die ehrliche Haut, die er war. Es fiel ihm schwer zu lügen und wenn er sich doch einmal dazu zwingen musste, schlug es ihm gewaltig auf den Magen, das Gemüt oder ließ ihn anderweitig über einen längeren Zeitraum leiden. Außerdem sah er keinen Grund, sich eine falsche Geschichte auszudenken. Er musste Tami ja nicht alles erzählen - dachte er. Es genügte, ihr mitzuteilen, dass er krank wäre und es vielleicht besser für ihn, seinen Bruder oder ganz Shyána wäre, wenn er nicht nach Hause zurückkehrte - dachte er. Aber er hatte nicht mit Tamis Neugier gerechnet oder mit ihrer Sorge. Beides war aufrichtig und beides ließ sie sich ihm zudrehen, dass sie einander direkt anschauen konnten.
In den braunen Grundsteinen ihrer Seele lag die Sorge offen, dass es Lianth sofort bedauerte, seine Krankheit überhaupt erwähnt zu haben. Doch Jandas Schicksal hatte ihn gehörig erschreckt. Jetzt aber verunsicherte ihn der Blick der Krähe. Er fühlte sich nicht wohl, weil sie sich um ihn sorgte. Er wich ihrem Blick aus. Die Gräser, auf denen sie lagen, sahen doch wirklich interessant aus!
Ihr Schatten, vom Mond geschaffen, fiel auf ihn, als Tami sich aufsetzte. "Was ist passiert, Lianth?" Er seufzte aus. Das hatte er nicht gewollt. Nun würde er die Wahrheit erzählen müssen und entweder verachtete sie ihn dann oder hatte Angst oder ... schaute ihn mit so viel Mitleid im Blick an, dass er es kaum ertrug. Es ging ihm ja noch verhältnismäßig gut! Seit einer Ewigkeit hatte sich nichts mehr an ihm weiter verändert. Die Sorge, dass er zu einer monströsen Ratte würde oder jemanden beißen und ebenfalls infizieren könnte, blieb jedoch. Er hatte nun einmal nie genug Informationen über seine Veränderungen herausfinden können. Er wusste zu wenig, vor allem ob es ein Heilmittel gab. Janda hätte sich vielleicht mit ihm zusammensetzen können, aber sie war tot. Eine Möglichkeit blieb noch: Amara. Als Freundin der Toten wusste sie vielleicht etwas. Doch dann müsste Lianth auch ihr mehr erzählen und bei Tami fiel es ihm schon schwer, über diesen Schatten zu springen.
"Und du bist dir sicher, dass es keine Rettung für dich gibt?" Sie ließ aber auch nicht locker.
"T-Tami ..." Lianth setzte sich nun ebenfalls wieder auf. Er knetete seine Finger, quetschte sie immer, bis sie ganz schwitzig waren. "D-das hab ich doch gar nicht ge-gesagt. I-ich weiß noch nicht v-viel. I-ich suche noch nach einem Heilmittel. I-ich ... habe noch nicht alle Möglichkeiten ... geprüft." Er schaute auf. "D-Deshalb bin ich doch erst losgezogen, in den Wald. V-Vellyn, mein Bruder, er ... er sieht mich s-so an wie ... du es gerade tust." Der Elf schluckte und senkte den Kopf wieder. Tami hingegen machten seine kryptischen Worte beinahe wütend und nur noch neugieriger.
"Scheiße noch eins, das ... Nein! Erzähl mir alles!"
Lianth zuckte unter ihrem Ausbruch zusammen. Er schüttelte den Kopf. Es hatte Jahre gedauert, bis er sich halbwegs sicher fühlte, seinem Bruder - einem Blutsverwandten - zu beichten, was ihn befallen hatte. Tami kannte er erst seit gefühlt ein paar Tagen. Andererseits...
"D-du warst die ganze Zeit so n-nett zu mir." Er lächelte und kratzte sich mit zwei Fingern verlegen an der Wange. Das Mondlicht spiegelte sich in seinen aufgeklebten Bernsteinsplittern wider, gleichermaßen wie in seinen Augen. Es sah aus, als trüge er kristallisierten Honig auf der Haut. Einige davon hatte Lianth durch die Strapazen schon verloren. Tatsächlich ließen sich nur noch einer unter dem rechten Auge und der größte von ihnen - auf der Stirn - ausmachen. Aber sie schimmerten warm, so wie sein Blick. "Ich bin es dir wirklich schuldig, weil ... i-ich glaube, wir können uns inzwischen F-Freunde nennen. A-aber deshalb ... will ich's eigentlich nicht erzählen." Seine Finger zuckten vor, als wollte er nach Tamis Händen greifen. Er berührte sie, hatte das Bild von den verbrannten Haaren auf Jandas Handrücken vor Augen, konnte plötzlich auch den Geruch davon wieder wahrnehmen und scheute sich, sein Vorhaben durchzuziehen. Langsam legte er seine Hände auf den eigenen Oberschenkeln ab. "I-ich bin keine Gefahr - jedenfalls bisher nicht! B-bitte lauf nicht weg, f-falls es dir A-Angst macht. Weil mir ... macht es auch Angst." Lianth atmete einmal bewusst tief durch. Er schloss die Augen dabei, sammelte sich. Nur Mut... Dann nickte er und berührte die Wulst am unteren Teil seines Hemdes. "Das hier s-sind keine Speckröllchen." Er atmet noch einmal tief durch. Es fiel ihm wahrlich nicht leicht. Seine Finger zitterten sogar ein wenig vor Aufregung. "I-ich glaube, es ist das Beste, w-wenn du es einfach selbst siehst. I-ich muss ihn dir z-zeigen ... d-du kannst ihn auch anfassen, wenn du willst. L-lass dich nicht von der Größe beeindrucken ... die i-ist gar nicht wirklich von Vorteil." Verlegen stahl sich ein Schmunzeln in seine Züge. Noch einmal zusammenreißen, Mut sammeln. Er straffte die Schultern, war bereit und ... fingerte an seiner Hose herum, um die Schnürung zu lösen. "E-es wird wohl Zeit, dass ich dir ... m-meinen Schwanz zeige! Also schön ..." Schon schob er die beiden Teile der vorher zugebundenen Hose etwas auseinander, um Platz zu schaffen. Dann fiepste er wie ein scheuer Nager auf. "O-oh .. er zuckt schon. I-ich bin ... etwas n-nervös." Nochmal durchatmen und schließlich griff Lianth sich in den Hosenstoff. Er fasste jedoch entgegen aller Erwartungen nicht nach vorn, um sein bestes Elfenstück zu präsentieren. Zunächst zog er das vorher reingestopfte Ende des Hemdes hinaus. Anschließend berührte er seine Wulst und zupfte leicht daran. Geshcmeidig wie eine Schlange glitt ihm der Rattenschwanz zwischen beide Hände. An der dicksten Stelle maß er wohl den Umfang eines Kinderarmes, fiel zum Ende hin aber dünner aus, so dass sie Schwanzspitze lediglich noch so breit wie ein Finger war. Die Oberfläche war minimal behaart und die Haut besaß eine feingliedrig geschuppte Textur wie eine Plattenpanzerung aus Gewebe oder eben der Körper einer Schlange. Sanft bog sich der Schwanz, als er seinen Weg aus der Hose heraus suchte und sich endlich einmal lang machen konnte. Als wäre er ein eigenständiges Lebewesen ließ er sich faul über Lianths Hände hinweg auf seinem Schenkel nieder und zuckte mit der Schwanzspitze geradezu keck in Tamis Richtung.
"E-eine Ratte hat mich gebissen, wie auch meinen ... meinen Vater. E-er starb an Fieber." Lianth zuckte hilflos die Schultern. "I-ich weiß nicht, ob das besser wäre als ... als e-ein Monster zu werden." Er japste plötzlich, da er es laut ausgesprochen hatte. Sofort kauerte er sich zusammen, zog die Beine an und zuckte mit dem rattenhaften Anteil seines Körpers etwas zurück. Lianth vergrub das Gesicht in den Händen. Er fürchtete, sich aufzuschauen. Er fürchtete sich davor, dass Tami geflohen sein könnte oder schlimmer: dass sie zu einer Waffe griff, um ihn zu erschlagen. Vielleicht würde er gleich brennen wie das Gehöft. In seine gesteigerte Atmung mischte sich ein ängstliches Fiepsen. Schwanz und auch Spitzohren zuckten, die Schultern zitterten, aber er wehrte sich weder gegen einen möglichen Angriff, noch floh er. Dazu gehorchten ihm seine Beine gerade zu wenig.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. März 2024, 15:49

Warum es ausgerechnet die forsche Tami war, der Lianth vertrauen lernte und bei der er sich wohlfühlte, konnte keiner zum jetzigen Zeitpunkt erklären. Lianth fühlte sich bei ihr im Moment am Wohlsten. Sie war eine Konstante und hatte sich für ihn eingesetzt. Sie war sogar zurückgekommen, um sich ihm anzuschließen. Lianth wusste, dass Tami ihm nichts böses wollte. Warum hätte sie das alles auf sich genommen und gar ihre Familie und Freunde verlassen, wenn sie es nicht ehrlich mit ihm meinte? Trotzdem war das Geheimnis so erschreckend für Lianth, dass er es just in dem Moment bereute, angesprochen zu haben. Denn auch ihm war bereits klar, dass er damit nur die neugierige, energische Seite der Krähe geweckt hatte. Lianth aber war zu höflich, zu schüchtern und zu lieb, um jetzt noch einen Riegel vorzuschieben. Er sah in ihr besorgtes Gesicht und auf einmal kam er aus der Nummer nicht mehr heraus. Wie könnte er denn jetzt nicht ehrlich zu ihr sein? Auch wenn das Mitleid oftmals schlimmer war als der Spott. Denn Lianth wollte gewiss niemandem zur Last fallen. Es lag ihm fern, sich in den Mittelpunkt zu drängen und dort im Licht zu stehen, um begafft zu werden. Tami aber reagierte nicht aus Schaulust. Sie machte sich Sorgen, was Lianth wiederum leidtat. Tami verlor die Schläfrigkeit und setzte sich sogar auf. Ihre Aufmerksamkeit gehörte ihm und Lianth bereute. Die Krähe kombinierte sein Gesagtes mit den zusätzlichen Informationen und bombardierte ihn nun mit Fragen. „T-Tami… D-das hab ich doch gar nicht ge-gesagt. I-ich weiß noch nicht v-viel. I-ich suche noch nach einem Heilmittel. I-ich … habe noch nicht alle Möglichkeiten … geprüft. D-Deshalb bin ich doch erst losgezogen, in den Wald. V-Vellyn, mein Bruder, er … er sieht mich s-so an wie … du es gerade tust.“ Das Mädchen hob die Augenbrauen. „Wie… wie sehe ich dich denn an? Du erzählst mir gerade, dass du krank bist und wunderst dich, dass ich mir Sorgen mache?“, fragte sie ein wenig bissig, auch wenn sie es nicht böse meinte. Sie verlangte die ganzen Informationen. Sie wollte alles wissen. Und stürzte den scheuen Elfen damit in ein echtes Dilemma.

Lianth wusste ja nicht, was er nun weglassen und was er sagen sollte. Es war verzwickt, denn irgendwo mochte er Tami und wollte vermeiden, dass sie ihn verstieß. Oder wegrannte. Oder die Gutsbewohner bat, gemeinsam mit ihr diese Abscheulichkeit fortzujagen. Aber Tami’s Aufforderung war strikt. Nun musste er beichten. Der Gang zum Schafott war niemals leicht und doch musste er gegangen werden. Jetzt kam er nicht mehr heraus. "D-du warst die ganze Zeit so n-nett zu mir.“ Die Rothaarige nickte leicht, um ihn zu ermutigen. Sie beobachtete, wie er an seiner Wange kratzte und sich verlegen gab. Die junge Frau seufzte innerlich. "Ich bin es dir wirklich schuldig, weil ... i-ich glaube, wir können uns inzwischen F-Freunde nennen. A-aber deshalb ... will ich's eigentlich nicht erzählen." „Aber es wird sich ja nichts ändern“, meinte sie so davon überzeugt, dass sie auch die Schultern zuckte.
Lianth’s Hände zuckten vor und er wollte Tami berühren, was jene aber nicht mitbekam. Ihre Aufmerksamkeit lag in seinem Gesicht. Sie wartete gespannt darauf, was er ihr gleich mitteilen würde. Sie glaubte schon, dass er nur noch wenige Tage zu leben hätte, so, wie er herumdruckste. „I-ich bin keine Gefahr – jedenfalls bisher nicht! B-bitte lauf nicht weg, f-falls es dir A-Angst macht. Weil mir … macht es auch Angst.“ Verständnislosigkeit machte sich bei ihr breit. Tami konnte sie vielen losen Enden nicht verstehen und zusammenfügen. Sie machte sich keinen Reim darauf, wie auch? "Das hier s-sind keine Speckröllchen." Er hatte durchgeatmet und Tami es ihm unbewusst gleich getan. Nun würde er es offenbaren.
Die Krähe blickte auf seine Wulst und runzelte die Stirn bei seiner Aussage. „Nicht?“ “I-ich glaube, es ist das Beste, w-wenn du es einfach selbst siehst. I-ich muss ihn dir z-zeigen … d-du kannst ihn auch anfassen, wenn du willst. L-lass dich nicht von der Größe beeindrucken … die i-ist gar nicht wirklich von Vorteil.“ Tami’s Blick rutschte an Lianth herunter und schließlich unsicher wieder hoch. „Ehm… Was?“, stutzte sie und blinzelte irritiert. „Du meinst..?“, fragte sie und spürte den trockenen Mund, der ihr auf einmal das Sprechen erschwerte. Ihr Herz klopfte, da griff er bereits an seinen Hosenstoff und… fingerte daran herum. „Lianth was… was machst du da ich meine…“, sie sah sich unsicher um und prüfte die Umgebung. „Echt jetzt?!“, japste sie. Ihr stieg die Hitze in die Wangen und ließ jene rot leuchten.

"E-es wird wohl Zeit, dass ich dir ... m-meinen Schwanz zeige! Also schön ..." „Was?!?!“, japste sie erneut auf und starrte mit großen Augen auf den doch sonst so scheuen Elfen. „Ich glaube nicht, dass wir… ich meine du und ich, wir… wir… also, ich mag dich auch und so aber.. Lianth, bist du sicher…“, Tami war völlig überrumpelt von seiner doch ungewohnt forschen Art, sie jetzt und hier zu verführen. „Ist das ein Scherz? Ist „krank sein“ ein Synonym bei euch in deinem Tal?!“, fragte sie noch immer reichlich verwirrt. "O-oh .. er zuckt schon. I-ich bin ... etwas n-nervös." Tami kam auf die Knie und hockte auf einmal vor Lianth, auf ihren Knien und starrte den Elfen mit leichtender Birne an. Ihre Augen konnten sich nicht von dem Herumfingern seiner Hände lösen, so perplex war sie. Jeder, absolut jeder hätte diese Situation auf eine ganz bestimmte Art und Weise interpretiert, wenn er die beiden so gesehen hätte. Tami auf den Knien, Lianth, der an seiner Hose herummachte. Dann aber öffneten sich Tami’s Augen weit, als Lianth des Rätsels Lösung präsentierte. Er holte nicht sein besten Stück heraus, sondern zeigte todesmutig und voller Vertrauen, seinen Rattenschwanz. Tami glotzte auf den wulstigen Teil. "E-eine Ratte hat mich gebissen, wie auch meinen ... meinen Vater. E-er starb an Fieber." „Oh!! Den Göttern sei Dank! SO EINEN Schwanz meintest du, ich dachte schon, du willst jetzt.. hier… mit… mir…Ach, lassen wir das“, Tami haute sich gegen die Stirn und schüttelte den Kopf. Dann sah sie aber zu Lianth und wie er sich zusammenkauerte. Er machte sich klein, machte sich bereit für seine Vernichtung. I-ich weiß nicht, ob das besser wäre als ... als e-ein Monster zu werden." „Ein Monster?“, Tami blickte auf das Häufchen Elend, das sich in Form des Elfen vor ihr zusammenkauerte. Lianth vergrub sein Gesicht hinter seinen Händen und wollte die Welt aussperren. Jetzt würde er gleich erfahren, dass er all die Zeit Recht behalten hatte, nichts zu sagen. Aber er wollte ihr nichts vormachen.. sie war doch so nett… „Lianth“, hörte er ihre Stimme vorsichtig sagen.
Tami war etwas herangerutscht und legte behutsam eine Hand auf seine Schulter. Wärme verteilte sich dort, wo ihre Hand lag. „Sieh mich an“, forderte Tami leise und sollte er einen Blick riskieren wollen, würde ihm ein freundliches Lächeln entgegenstrahlen. Tami’s Hand fuhr langsam seinen Arm entlang und weiter zu seiner Hüfte. Vorsichtig tastete sich Tami vor und berührte dann tatsächlich ganz zart seinen… Schwanz. Sie ließ ihre Fingerkuppen über die ganze Länge seines Rattenschwanzes laufen und betrachtete fasziniert, wie er eventuell zuckte. Dann aber sah sie zu Lianth zurück und griff nach seinen Händen, die sie von seinem Gesicht nehmen wollen. „Und du hast dich die ganze Zeit versteckt? Aus …Angst?“, fragte sie. Tatsächlich wirkte Tami nicht sonderlich verschreckt. Sie war zwar überrascht und sichtlich auch ein wenig unsicher im Bezug auf seine Reaktion. Aber weglaufen wollte sie bestimmt nicht. „Ich habe noch nie gehört, dass Ratten das… das auslösen? Wie.. wie geht das? Und was bedeutet das alles?“, kamen schon die Fragen. „Aber es gibt doch bestimmt ein… Mittel? Oder bleibt das so? Wird das noch mehr?“, fragte sie. Tami war gewiss neugierig und sicher war sie auch etwas voreilig oder manchmal zu schnell, zu laut. Aber sie war eine gute Seele. Sie blieb bei ihm und sie dachte nicht eine Sekunde daran, den Elfen davonzujagen. „Hast du noch mehr solcher Merkmale? Wie.. äußert sich denn dieser Biss? War das eine besondere Ratte?“, plapperte sie. Plötzlich lachte Tami auf: „Ich dachte schon, du willst mich verführen!“, platzte sie heraus und lächelte Lianth strahlend an.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Freitag 15. März 2024, 17:40

Man sollte meinen, jemand mit einem Gemüt wie Tami es besaß, würde den scheuen Elfen eher verschrecken. Stattdessen suchte er bevorzugt ihre Nähe, wenn er sich schon unter andere begeben musste. Sie besaß deutlich extrovertiertere Züge als sein Bruder, aber beide konnten Lianth gegenüber mit ihrer Art durchaus forsch sein. Nur Mut, hatte Lavellyn ihm regelmäßig aufgefordert, aus seinem Schneckenhaus zu kommen. Jetzt hörte er auf ihn, zeigte Mut und hatte so große Angst wie nicht einmal unter den Androhungen der dunkelelfischen Soldaten. Er offenbarte Tami nach und nach sein Geheimnis und begann mit einem gewaltigen Missverständnis. Bereits als er an seiner Hose werkelte, stockte der Krähe der Atem. Seine Worte halfen auch nicht weiter, sondern untermauerten nur die Annahme, die sich im Geist der Rothaarigen auftat. "Du meinst...? Lianth, was ... was machst du da, ich meine ... Echt jetzt?!" Da war es schon zu spät. Er kündigte es sogar an und prahlte auf eine seltsam schüchterne, sogar ängstliche Art mit der Größe seines Schwanzes. Tami begann zu japsen. Sie wurde von Lianth vollkommen überrumpelt und sollte jetzt nicht nur sehen, sondern auch anfassen! Was käme als nächstes? Würde er sich über sie legen? War das das Monster, welches er ansprach? Hatte er seine Triebe nicht unter Kontrolle? Es passte doch so gar nicht zu ihm!
"Ist das ein Scherz? Ist 'krank sein' ein Synonym bei euch in deinem Tal?!" Kurz schaute der Elf zu ihr auf und runzelte die Stirn, weil ihre Wangen fast so rot waren wie ihr Haar. "E-ein Synonym wofür?", fragte er nach, schüttelte dann aber den Kopf. "N-nein, nein. Sch-wanz ist ... ist Schwanz ... i-ich glaube, manche würden ihn v-vielleicht noch als fleischliche Sch-Schlange bezeichnen oder als ... Riesenwurm. D-Dabei ist er gar nicht glitschig. Das ... das ist b-beleidigend." Und schon präsentierte Lianth wagemutig das Missverständnis. Er war es Tami schuldig - für ihre Freundlichkeit und weil sie ihre Familie aufgab, um ihn zu begleiten. Weil sie ihn so sorgenvoll angesehen hatte wie Vellyn, der am Tag der Offenbarung plötzlich sehr gut nachvollziehen konnte, warum sein Brüderchen nur noch zurückgezogener gelebt, sich gar in seinem Heim versteckt gehalten und oft heimlich geweint hatte. Und wie Vellyn schmetterte Tami ihm nichts entgegen, was Lianths Furcht bestätigt hätte. Er kauerte sich zusammen, konnte ihre Reaktion gar nicht sehen, aber er hörte sie auch weder schreien, noch fortlaufen. Stattdessen berührte sie ihn mit warmer Hand seine Schulter. "Lianth. Sieh mich an."
Vorsichtig lugte er zwischen seinen Fingern hindurch. Ihr Lächeln strahlte ihr auch aus den nussbraunen Augen entgegen. Langsam ließ Lianth beide Hände von seinem Gesicht herab gleiten. Tami ahmte die Geste nach, allerdings vom Platz an seiner Schulter aus. Ihre finger wanderten zunächst bis zu seiner Hüfte herunter und schoben sich dann auf die Oberfläche des Rattenschwanzes. Er fühlte sich warm an und glatt, mit feinen Härchen, die ein wenig kitzelten. Die Maserung der Haut aber erinnerte an den Leib einer Schlange und ein wenig wand er sich auch so wie jenes Reptil. Lianth blieb ganz ruhig sitzen. Je weiter Tami ihn erkundete, desto mehr entspannte er sich sogar dabei. Denn sie lief nicht schreiend fort oder schimpfte ihn ein Ungeheuer. Sie begegnete ihm mit offener Neugierde, mit Faszination. Und sie überhäufte ihn mit einem Berg an Fragen.
"Und du hast dich die ganze Zeit versteckt? Aus ... Angst?"
"Ich will niemanden verschrecken", wisperte er und ließ erneut den Kopf hängen. "Was ... wenn ich zu einer Ratte werde und ... andere beiße? Ich will niemanden anstecken .. o-oder ... t-" Er schluckte leer, als er sich an die dunklen Tage seines Lebens erinnerte. Als sein Vater mit Fieber im Bett lag und irgendwann nicht mehr atmete. Als er auch Fieber bekam, es aber verbarg, weil er für seine Mutter und Vellyn da sein musste. Für seinen Bruder, dessen Herz den Tod des Vaters nicht ertrug.
"Ich habe noch nie gehört, dass Ratten das ... das auslösen? Wie ... wie geht das? Und was bedeutet das alles? Aber es gibt doch bestimmt ein ... Mittel? Oder bleibt das so? Wird das noch mehr?" Lianth zog seine Hände aus ihren. Sie hatte danach gegriffen, aber jetzt war ihm die Berührung unangenhm. Er schlang sich die Arme um den Leib. "Ich hab keine Antworten", keuchte er. "Ich hab gesucht, aber ... i-ich kann nur hoffen, dass ich etwas finde, bevor es ... mehr wird." Sein Schwanz zuckte nervös und vollführte dann einen Bogen über Tamis Kopf hinweg, bis er sich in mehreren Kringeln ebenfalls um Lianths Leib gelegt hatte. Nur die Schwanzspitze streckte sich noch etwas munter empor, wackelte und wippte leicht.
"Hast du noch mehr solcher Merkmale?" Lianth seufzte. Er hatte ihr sein Geheimnis verraten, dann konnte er nun auch ganz offen sein. Vor allem, weil sie wie Vellyn nicht vor ihm zurückschreckte. Auch Tami blieb, zeigte Neugier ... und Sorge. Lianth lockerte den Schwanz erneut und legte ihn mit der Behutsamkeit einer Mutter ins Gras. Dann drehte er sich halb, hob das Hemd hinten an. Die Hose saß ja bereits nur noch locker um die Hüfte, so dass Tamit einen Blick auf seinen Steiß werfen konnte. Dort, wo der Schwanz aus seinem Rücken heraus wuchs, war er umrahmt von einem rautenförmigen Stück Pelz. Es besaß die Farbe von Lianths Haaren, wenn sie nicht einmal wieder grün wurden. Es war nur deutlich kürzer und machte einen etwas struppigeren Eindruck. Falls Tami es wagte, ihn dort zu berühren und das Fell zu streicheln - Lianth würde unter der Geste nur einmal kurz zusammenzucken - dann würde sie keinen Unterschied zu einem Tier bemerken. Es war Fell, seidig und weich. Es fühlte sich an, wie ein Stück Hund zu streicheln oder eben ... eine Ratte.
"I-ich hab auch ... Fell auf den Ohren. A-aber das bemerken die wenigstens zum Glück. W-weil ich meist etwas größer bin u-und wegen der langen Haare. Da schaut k-keiner hin." Lianth blieb sitzen wie er war. Er neigte den Kopf leicht und zog seinen vollkommen zerzausten Zopf nach vorn, um wenigstens eines der Elfenohren freizulegen. Man sah den Flaum wirklich kaum. Seine Haut war hell und die Härchen ebenfalls, so nussbraun wie auch die übrigen Haare. Aber gerade wie bei anderen Tieren war Fell an den Ohren unsagbar weich und kuschelig. Lianth bildete da keine Ausnahme. Obwohl Ratten glatte und fellfreie Ohren besaßen, schien es sich bei ihm besonders dort komplett ausgebreitet zu haben. Dafür waren seine Handrücken von Pelz bislang verschont geblieben, nicht wie bei Janda. Er betrachtete seine Finger. Die Nägel waren etwas länger als üblich aber liefen noch nicht spitz zu wie bei winzigen Krallen. "Wenn ich meine Nägel nicht f-feile, dann laufen sie spitz zu ... es piekt, meint mein Bruder. Vor allem a-aber stört es beim Arbeiten. D-Deshalb hab ich i-immer ..." Er zuckte zusammen. "Mein kleiner Bimsstein! Oh, hoffentlich h-hab ich ihn nicht v-verloren! I-ich brauche ihn!" Nervös wandte er sich wieder um und angelte nach seiner Heilertasche. Dabei beugte er sich dicht über Tami hinweg und kam ihr unsagbar nahe.
"Ich dachte schon, du willst mich verführen!"
Er zuckte erneut zusammen, riss den Kopf hoch und ... streifte mit seinen Lippen ihre Wange. Sofort wich Lianth ein ganzes Stück zurück, während sich Röte auf sein Gesicht legte. "E-e-eeek!-E-entschuldigung!", quiekte er. "I-ich wollte n-nicht ... i-ich ... wollte nur e-ehrlich sein. A-aber ich weiß so wenig." Er atmete tief durch. Der erneute Abstand zu Tami half ihm, sich wieder zu beruhigen. Flüchtig fuhr er mit seinen Fingern über die eigenen Lippen, als wollte er sich der Berührung nochmal bewusst werden. Dann schaute er sie wieder an. "Sie hat zugebissen. E-erst meinen Vater und bei seinem Abtransport m-mich. Er bekam sofort Fieber. M-mir ging es gut. Der Biss entzündete sich nur ein wenig, aber wir haben ihn desinfiziert. Ich fühlte mich e-erst Tage später schwächer, doch ... das ... m-mein Vater ..." Lianth konnte es nicht erzählen. Er erinnerte sich an die groteske Fratze, die sich im Sterben bei Ilex Farnhain noch gebildet hatte. Sein Gesicht war wie ein Maul verkrümmt und spitze Schneidezähne hatten die Haut fast durchbohrt. "E-er ... hat stark gekrampft. S-sich ... in dieses ... D-Ding verwandelt u-und ... ist ... er ..." Der Elf legte den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und holte langsam, aber tief Luft, mehrmals. "Vellyns Herz ist schwach. E-er hat sich so erschreckt ... vor d-dem Bild ... Vater Tod ... i-ich ... hab ihn gerettet. U-und dann bekam ich Fieber. I-ich hab mich eingeschlossen, damit n-nichts passiert. D-das ist lange her. Ich bin nicht gestorben, i-ich hatte keine Schmerzen, aber ... vielleicht dauert es n-nur länger. I-ich sollte nicht in der Nähe von jenen sein, die ich liebe, wenn ... wenn ich Vater Schicksal t-teilen muss."
Er sollte nicht nach Hause gehen. Plötzlich richtete er den Blick auf Tami aus. Seine Augen wurden groß. Er starrte sie an, als ihn eine Erkenntnis ereilte. Sie führte dazu, dass er fahrig nach seiner Tasche griff und sich in den Stand aufrappelte. "I-ich ... s-sollte ... gehen. Fort. I-ich sollte n-nicht in deiner Nähe sein. B-bei niemandem. Oh, ich war so dumm! Ich hab all die Jahre ... es könnte jederzeit p-passieren!" Er berührte sein Gesicht, als könnte er die Veränderungen schon spüren. Natürlich war da nichts. Seine kleinen Elfenzähne waren noch immer rund, seine Nase fein und nicht rattenhaft spitz. Außerdem krampfte er nicht, weil er überhaupt keine Schmerzen spürte. Da war nur Unsicherheit und Furcht davor, was er anderen antun könnte.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. März 2024, 21:37

Vermutlich hätte jeder erstmal Schnappatmung bekommen, wenn er so unvermittelt in eine prekäre Situation geraten wäre, wie Tami. Da fehlten gar der schlagfertigen Feuerhexe sämtliche Worte. Aber nicht lange. Stammelnd fragte Tami nach und konnte kaum ihre Worte mit ihren Gedanken in Einklang bringen. Lianth aber verschlimmbesserte die Situation, indem er vor Ehrlichkeit überlief und sich auch noch ganz genau ausdrückte. Dass er von etwas ganz anderem sprach, ahnte Tami natürlich nicht. Die junge Krähe konnte nur noch dem Fauxpas entgegen starren und dann das wohl beste aus der entstehenden Situation machen. "N-nein, nein. Sch-wanz ist ... ist Schwanz ... i-ich glaube, manche würden ihn v-vielleicht noch als fleischliche Sch-Schlange bezeichnen oder als ... Riesenwurm. D-Dabei ist er gar nicht glitschig. Das ... das ist b-beleidigend." „Oh, eh, ja, also das, ehm, ich, öhm“, stammelte Tami einfach nur und merkte gar nicht mehr, was sie plapperte. Sie war zwar schlagfertig und forsch, aber sie war jung. Und bisher hatte sie so gar keine Erfahrungen mit… fleischlichen Riesenwürmen. Die Krähe spürte den trockenen Mund und ihr Herz hämmern. Sie hatte das von dem Elfen am aller wenigsten erwartet. Aber es konnte ja sein, dass er genau das gemeint hatte. Er wirkte so lieb und schüchtern und süß auf eine Art… vielleicht war sein ‚Monster‘ einfach unersättlich? Unsicher, wie sie mit der Situation umgehen sollte, versuchte sie einfach abzuwarten, was sich ihr da gleich präsentieren würde. Als Lianth dann aber einen tatsächlichen, tierischen Schwanz präsentierte – hatte das rein gar nichts mit den Gedanken der Krähe zu tun und sie starrte nur. DAS war mal ein… Schwanz. Tami mochte keine Erfahrungen haben, aber selbst ihr war durchaus klar, dass das nichts mit… unzüchtigem Verhalten zu tun hatte. Fasziniert und neugierig gleichermaßen betrachtete sie den rattenhaften Auswuchs und bemerkte schließlich, wie sehr Lianth sich ängstigte. Die Krähe verbannte alle zuvor gemachten Gedanken und verdrängte sämtliche Bilder dazu aus ihrem Kopf. Jetzt zeigte sich, wieso Lianth eine gute Wahl mit ihr getroffen hatte. Das Mädchen war trotz aller verbalen Raubeinigkeit empathisch und aufmerksam. Sein Geheimnis würde bei ihr in den allerbesten Händen sein. Ihr Lächeln war aufrichtig und nichts an ihr sprach Ekel oder gar Angst. Tami war einfach nur wahnsinnig neugierig und überrascht. Sie hatte es ihm schließlich nicht angemerkt.
"Ich will niemanden verschrecken", murmelte er und Tami sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. „Aber Lianth… wen würdest du denn verschrecken?“, sie lächelte aufmunternd. "Was ... wenn ich zu einer Ratte werde und ... andere beiße? Ich will niemanden anstecken .. o-oder ... t-" Sie musterte ihn und das Lächeln verblasste. Tami wirkte nachdenklich. Sie sprach einige davon laut aus und verlangte Wissen, das Lianth nicht geben konnte: "Ich hab keine Antworten. Ich hab gesucht, aber ... i-ich kann nur hoffen, dass ich etwas finde, bevor es ... mehr wird." Ihre Augen folgten seinem Schwanz und wie er sich schützend um ihn legte.

Tami beobachtete Lianth genau und ein wenig skurril wirkte es schon, aber sie blieb. Und sie veränderte ihr Verhalten ihm gegenüber nicht. Sie fragte nach weiteren Merkmalen und Lianth entschied, dass es nun keinen Unterschied mehr machte. Er zeigte ihr den kleinen Pelz am Rücken und sie betrachtete ihn, kam sogar auf die Knie, und fasste sanft aber ohne Scheu zu. Sie ließ ihre Finger durch das borstige gleiten und sah, wie er zusammenzuckte. Dann unterband sie ihre Berührung wieder. Auch seine Ohren besaßen einen Flaum, den Tami erst jetzt bemerkte. „Es ist ganz weich“, flüsterte sie, als sie auch hiernach die Finger ausstreckte und ihn berührte. Sie lächelte ihn an. Wenn ich meine Nägel nicht f-feile, dann laufen sie spitz zu ... es piekt, meint mein Bruder. Vor allem a-aber stört es beim Arbeiten. D-Deshalb hab ich i-immer ... Mein kleiner Bimsstein! Oh, hoffentlich h-hab ich ihn nicht v-verloren! I-ich brauche ihn!" Tami machte gerade den Mund auf, damit er sich beruhigte, da kam ihr der Elf so nahe, um nach seiner Tasche zu angeln, dass sie sich dazu hinreißen ließ, ihm unvermittelt mitzuteilen, wovon sie anfangs ausging. Das erschreckte Lianth so sehr, dass er seinen Kopf hochriss und sie mit seinen Lippen an der Wange streifte. Sofort zuckte er verschreckt zurück. Diese Berührung war unverhofft erfolgt und brachte den scheuen Elfen einen Moment lang durcheinander. Aber auch Tami starrte ihn an und hob zwei Finger zu jener Stelle, wo er sie berührt hatte. Ihr Herz klopfte, nein stolperte kurz, bevor sie wirklich rot wurde. „Huch..“, sie lächelte dann und räusperte sich nervös. Sie betrachtete seine Geste und dass er sich über die Lippen fuhr. Auch Lianth war erschreck. "E-e-eeek!-E-entschuldigung! I-ich wollte n-nicht ... i-ich ... wollte nur e-ehrlich sein. A-aber ich weiß so wenig." Sie lachte leise. „Macht doch nichts…“, versuchte sie es sportlich zu nehmen und winkte ab. Dass sie allerdings selbst etwas erschrocken über diese unerwartete Berührung war, versuchte sie zu überspielen. "Sie hat zugebissen. E-erst meinen Vater und bei seinem Abtransport m-mich. Er bekam sofort Fieber. M-mir ging es gut. Der Biss entzündete sich nur ein wenig, aber wir haben ihn desinfiziert. Ich fühlte mich e-erst Tage später schwächer, doch ... das ... m-mein Vater ..." Seine Worte halfen der Krähe, sich auf anderes zu konzentrieren. E-er ... hat stark gekrampft. S-sich ... in dieses ... D-Ding verwandelt u-und ... ist ... er ..." Jene Worte und sein vor Erinnerung verändertes Gesicht reichten aus, damit Tami den flüchtigen Kuss beiseiteschob. Sie betrachtete Lianth aufmerksam und gab ihm die nötige Zeit zu erzählen. "Vellyns Herz ist schwach. E-er hat sich so erschreckt ... vor d-dem Bild ... Vater Tod ... i-ich ... hab ihn gerettet. U-und dann bekam ich Fieber. I-ich hab mich eingeschlossen, damit n-nichts passiert. D-das ist lange her. Ich bin nicht gestorben, i-ich hatte keine Schmerzen, aber ... vielleicht dauert es n-nur länger. I-ich sollte nicht in der Nähe von jenen sein, die ich liebe, wenn ... wenn ich Vater Schicksal t-teilen muss." Tami spürte einen Kloß im Hals. Sie konnte nichts sagen, denn sie war gerührt von seinem Schicksal. Die Krähe schluckte ein paar Mal und öffnete dann ihre Lippen, um besser atmen zu können. Sie spürte, wie ihre Nase kribbelte und sich Tränen bilden wollten. Es war traurig zu erfahren, wie sehr Lianth sich sorgte. Sie schniefte kurz, als Lianth eine neue Erkenntnis traf.

"I-ich ... s-sollte ... gehen. Fort. I-ich sollte n-nicht in deiner Nähe sein. B-bei niemandem. Oh, ich war so dumm! Ich hab all die Jahre ... es könnte jederzeit p-passieren!" Tami konnte nicht so schnell reagieren, wie Lianth sich in den Stand erhob. Sie blinzelte perplex und musste die Worte erstmal in ihrem Verstand ankommen lassen. „Was?“, sie runzelte die Stirn und folgte seinem Beispiel aufzustehen. „Nein, Lianth warte doch mal!“, bat sie ihn und trat auf ihn zu. Sie hielt ihn am Ärmel fest und schüttelte die roten Haare. „Das ist doch.. Irrsinn!“, sagte sie daraufhin und trat vor ihn. Noch immer hielt sie ihn fest, doch plötzlich ließ sie seinen Ärmel los und ihre Hand rutschte in seine, um sie zu halten. Sie verzog die Lippen zu einem Lächeln. „Du… du gehst nirgendwohin.“, beschloss sie und hob den Kopf etwas, da er größer als sie war. „Du sagst, du hast dich aus Angst eingeschlossen. Du willst niemanden in Gefahr bringen. Du hast gesagt, dass du so vieles versucht und eine Lösung gesucht hast… Aber bisher bist du nicht fündig geworden, richtig? Wie lange leidest du schon darunter und hast bisher keinen Erfolg verzeichnen können?“ Die hellbraunen Augen ruhten in seinem Gesicht. Ihre Hand drückte leicht die seine. „Lianth…“, hauchte sie ihm sanft entgegen, „Vielleicht ist es an der Zeit, dass du die Hilfe von Freunden annimmst“, lächelte sie. Sie ließ seine Hand los, legte beide Hände auf seine Schultern, stellte sich auf Zehenspitzen und küsste ihn auf die Wange. Ihrer war nicht flüchtig, sondern gut spürbar. Dann ließ sie von ihm ab und lächelte offen. „Wir finden einen Weg. Ich helfe dir dabei!“, versprach sie und nickte noch mal bestätigend. Einen Moment geschah nichts weiter. Sie stand einfach vor ihm und blickte ihn an, mit einer Entschlossenheit in den Augen, die keinen Zweifel zuließ, dass sie meinte, was sie sagte. „Mir tut es unendlich leid, was deinem Vater und deinem Bruder widerfahren ist, Lianth. Ein Grund mehr, dem ganzen auf den Grund zu gehen.“, nickte sie. Tami stemmte die Hände in die Hüften und reckte etwas das Kinn. „Dafür sind Freunde doch da!“, lachte sie und knuffte ihn liebevoll gegen die Schulter. „Und vielleicht, kann ich etwas helfen?“, hörten sie auf einmal eine vorsichtige, weibliche Stimme. Amara stand ein wenig abseits aber dicht genug, um sie gut erkennen zu können. Sie räusperte sich. „Verzeihung, ich… habe nicht gelauscht, ich war nur auf dem Weg zu meiner Unterkunft und… nunja..“, sie räusperte sich.
Amara hielt ihren Taschenriemen ebenso, wie es Lianth gern tat und sie trat vorsichtig näher. Die silbernen Augen musterten Lianth und Tami. „Ich bin Amara“, stellte sie sich der Krähe vor und Tami winkte ganz salopp. „Hallo, ich bin Tami“, tat sie es der Elfe gleich. Amara nickte freundliche, ehe sie zu Lianth sah. Sie öffnete ihre Tasche und fischte ein ledergebundenes Buch hervor. „Das gehörte Janda. Sie hat es bei mir verwahrt, damit ich… nunja, weiterforschen konnte.“, erklärte sie als wüssten alle, worum es ginge. „Hier sind all ihre Aufzeichnungen drin, bezüglich des Virus.“, meinte sie und sah Lianth an. „Mir sind die Merkmale an euch aufgefallen, Lianth und… verzeiht bitte, meine direkte Art aber… ich dachte, ihr wollt vielleicht Janda’s Werk fortführen, etwas gegen das Virus zu finden…“, schloss sie und hielt Lianth das Büchlein hin.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Montag 18. März 2024, 11:08

Ob es wirklich Lianth selbst zuzuschreiben war, sich für Tami entschieden zu haben, blieb dahingestellt. Sie war schließlich ihm gefolgt. Allerdings hatte er ihre Hilfe nicht abgelehnt, sondern gerührt und herzlich begrüßt. Vermutlich war es die Wahl beider, dass sie nun hier zusammen im Gras saßen und erkennen durften, wie die Nervosität sich auf beiden Seiten verflüchtigte. Die unerfahrene Tami war nicht auf den unschuldig naiven Charme eines hübschen Elfen hereingefallen, der seine Triebe nicht im Zaum halten konnte. Lianth durfte hingegen feststellen, dass nicht jeder sofort schreiend davonlief, wenn man sich als Halbratte präsentierte. Zumindest Tami war nicht so. Sie war forsch und laut und redete mehr als der Elf wohl in seinem gesamten Leben bisher, aber sie besaß ein ungemein gutes Herz. Die kleine Krähe blieb. Lianth blieb. Sie teilten fortan sein Geheimnis und er war bereit, sein Wissen darüber auch mit Tami zu teilen. Viel war es leider nicht. Er hatte Jahrzehnte mehr Zeit gehabt, Antworten zu finden, aber es war ihm nicht geglückt. Lianth wusste nichts von der Eixstenz von Hybriden - nicht in rattiger Form. Er kannte die Affenhybriden des Urwaldes, allerdings auch nur aus den Erzählungen anderer Shyáner Elfen. Seine Streifzüge in den Kapayu waren nie so tief gewesen, als dass er sich in das Revier der Affenartigen verirrt hätte. Dort war es gefährlich, denn sie verteidigten ihren Lebensraum. Lianth hatte sehr darauf geachtet, einen Bogen um ihre Gebiete zu machen. So wusste er nur, dass Affenhybriden wohl einst Menschen oder Elfen waren, sich aber .. zu Affen entwickelt hatten? In all der Zeit, in der er sich mit den Folgen des Rattenbisses beschäftigt hatte, war ihm nie in den Sinn gekommen, sich zu fragen, wie es dazu hatte kommen können, dass Florencia und Phaun humanoide, intelligente Wesen in wilde Affen zurückentwickeln ließen. Wahrscheinlich stellte er die Entscheidung der Götter hier auch gar nicht in Frage, sollte er je in diese Richtung spekulieren. Für ihn gab es nur diese bösartige Ratte, durch deren Biss sein Vater und er irgendwie befallen worden waren. Ilex Farnhain hatte die Verwandlung nicht überlebt. Sie war bei ihm aber auch binnen Tagen und sehr heftig eingetreten. Lianth würde die Bilder nicht vergessen. Sie hatten ihn traumatisiert und er scheute sich, sie wieder in Erinnerung zu rufen. Er fürchtete, dass er eines Tages anderen auch solche Bilder bescheren könnte, ehe er sie angriff oder an den Folgen der endgültigen Wandlung starb. Es war eine Angst, die man täglich mit sich trug, aber damit leben konnte, solange man sie nur verdrängen könnte. Jetzt aber war Tami da und sie stellte Fragen und Lianth war eine zu ehrliche Haut, um sie nicht nach bestem Wissen und Gewissen zu beantworten.
Ihre Neugier trieb die Krähe dazu, nach weiteren Merkmalen zu fragen, so dass Lianth sich ihr nun mit weniger Scheu, aber immer noch irgendwie beschämt ob seines Schicksals präsentierte. Er zeigte ihr seinen Rücken, ließ sie gewähren, als sie das Fell im Steiß streichelte und offenbarte ihr den weichen Flaum auf seinen Ohren. Hier kam es dann auch für ihn zu einer neuen Erkenntnis. Nicht wenige Elfen mochten Zärtlichkeiten an ihren Spitzohren. Manche erregte es gar, aber wenn sich dann noch ein ungemein weicher Flaum anbot, dass die streichelnde Hand nicht mehr davon ablassen wollte...
Es ist ganz weich."
"Aaaaahhhhhmmmm....mhhhhh...." Lianth verdrehte die Augen, dass der Honig seiner Iriden wirbelte und sich drehte, als rührte jemand mit einem großen Löffel darin herum. Er neigte sich Tamis Hand entgegen. So konnte sie sich dem Ohr nur noch besser widmen. Und je mehr sie dort berührte, desto weicher wurde auch der Rest des Elfen. Er entspannte sich, neigte sich und lehnte plötzlich mit einem seligen Lächeln, geschlossenen Augen und einer Aura vollkommener Zufriedenheit an Tamis Schulter. Sein Schwanz hatte sich sogar leicht um sie geschlungen, als wäre er ein Arm, der ihr sanfte Geborgenheit spenden wollte. Die Spitze lugte an ihrer Hüfte vorbei, so dass sie diese ebenfalls ergreifen und mit Rattenschwanz "Händchen" halten konnte, falls sie der Hafer stach. Lianth war so entspannt wie sie ihn noch nicht einmal erlebt hatte. Er bemerkte nicht, wie selbstverständlich er doch Nähe zu ihr aufgebaut hatte.
Irgendwann schreckte Lianth jedoch hoch, als er von seinen Nägeln zu sprechen begann und in erschreckter Hektik nach seinem Bimssteinchen suchte. Es war noch da, durch ein Lederband zwischen den Medizinerinstrumenten fest vertäut. Er hätte sich keine Sekunde lang Sorgen machen brauchen. Da wäre es wahrscheinlich gewesen, dass all die Phiolen oder die Flasche Wundalkohol während der abenteuerlichen Eskapaden zu Bruch gegangen wären. Zwei Phiolen hatten auch einen Sprung. Er würde sie irgendwann entsorgen müssen, sobald es ihm auffiel. Im Moment hatte aber wieder Tami seine volle Aufmerksamkeit. Mehr noch, sie durfte von ihm kosten oder eher er von ihr. Gerade hatten seine Lippen ihre Wange flüchtig berührt und nun war er zurückgeschreckt, saß mit hochrotem Kopf da.
"Macht doch nichts...", spielte Tami diese durchaus intime Aktion herunter. Sie erhielt auch kaum Zeit, länger darüber nachzudenken, denn der Bericht des Elfen schlug einen dunklen Pfad ein. Plötzlich wurde es ernst und Lianth ganz betroffen. Jetzt durfte auch Tami besser nachvollziehen können, warum er solche Angst hatte - nicht nur um sein eigenes Schicksal, sondern um das anderer, falls er ihnen etwas antun könnte. Verständlich, dass ein Charakter wie er sich dann lieber zurückzog, um andere zu schützen. Auch jetzt erhob er sich, da ihm bewusst wurde, dass Tami in seiner Nähe in Gefahr sein könnte. Die Angst trieb ihn in die Einsamkeit und das wäre wohl schrecklicher als ein Monster zu sein.
"Nein, Lianth, warte doch mal!" Tami kam ebenfalls auf die Beine und griff nach seinem Ärmel. "Das ist doch ... Irrsinn!"
"I-i-i-ich ... w-w-werde ... v-v-ver-le-letzen ... t-tö- ... i-ich ..." Lianth japste. Er steigerte sich in die Angst hinein. Sie ergriff ihn vollkommen. Jemand wie er, der vermutlich keiner Fliege etwas zu Leide tun wollen würde, hatte es allein schon mit dem Gedanken schwer, wirklich eine Gefahr zu sein. Es belastete ihn und er war stets so tapfer gewesen, so mutig, es einfach still in sich einzuschließen - sich einzuschließen. Er wäre nur hinter einer dicken Tür sicher, in irgendeinem Raum, den er nie wieder verlassen dürfte. Er könnte vielleicht mit anderen durch die schützenden Wände sprechen, aber er würde nie wieder ...
"Du ... du gehst nirgendwohin." Tami umschloss mit ihren Fingern die seinen und unterband so das seichte Zittern. Sie schaute zu ihm auf, redete für ihre Verhältnisse immens ruhig auf ihn ein. Sie machte ihn auf seine Methoden aufmerksam und deren bislangen Misserfolg. Er hatte sich allein durchgekämpft. Nun, nicht ganz allein, aber er konnte seinem herzkranken Bruder auch nicht zu viel der eigenen Last aufbürden. Letztendlich hatte es ja auch zu nichts geführt. "Vielleicht ist es an der Zeit, dass du die Hilfe von Freunden annimmst."
Lianth fand einen Weg hinaus aus seine eigenen Angst. Seine Augen zuckten, dann fanden sie Ruhe in Tamis gleichmäßigem Braun. Wie Holz oder die Oberfläche einer Haselnuss. Wie ... Schokolade. Schokolade machte glücklich... Und plötzlich verbanden sich Honig und Schokolade, weiche Lippen und sanfte Haut. Druck baute sich auf Lianths Wange auf, die darunter zu erröten begann, aber er ließ Tami gewähren. Er war überrascht, doch keineswegs erschreckt. Als sie sich löste, lächelte er verlegen und senkte den Blick etwas scheu.
"Wir finden einen Weg. Ich helfe dir dabei!"
"D-das tust du bereits ... w-wirklich. Vielen Dank, liebe Tami."
"Dafür sind Freunde doch da!" Sie knuffte ihn, aber das ließ den Elfen nicht zusammenzucken. Amaras Einwurf vom Rande schon. Auch sie bot ihre Hilfe an, räusperte sich und trat hinzu. Sofort wich Lianth zurück und eilte sich, den Rattenschwanz zurück in die Hose und unter das Hemd zu stopfen. Es war alles andere als unauffällig und spätestens jetzt würde Amara es bemerken. Dass sie bereits sein Geheimnis kannte, ließ sie recht schnell verlauten, nachdem sie sich bei Tami und jene im Gegnezug vorgestellt hatte.
"L-Lianth...", murmelte der Shyáner, obwohl beide Frauen ihn bereits kannten. Es war ein Reflex, er nervös und unschlüssig, wie Amara nun zu seinem Problem stand. Sie kannte Janda, hatte sie eine Freundin genannt und von ihrem Geheimnis gewusst. Das bedeutete aber nicht, dass sie einem Halbratten-Elfen wohlgesonnen war. Schon gar nicht, nachdem er sie durch seine unbedachten, aber ehrliche Worte etwas verprellt hatte. Nervös friemelte Lianth einige Haare aus seinem Zopf. Er sah inzwischen wie ein ungetrimmter Wildbusch aus. Er benötigte dringend einen Kamm oder eine Bürste. Stattdessen hielt Amara ihm jedoch ein Buch unter die Nase. Lianth betrachtete es, hob anschließend den Blick.
"Das gehörte Janda. Sie hat es bei mir verwahrt, damit ich ... nunja, weiterforschen konnte. Hier sind all ihre Aufzeichnungen drin, bezüglich des Virus."
"V-Virus. Es ... ist ein Virus? D-dann ... kann es bekämpft w-werden, w-wenn man weiß wie." Seine Augen wurden groß.
"Ich dachte, Ihr wollt vielleicht Jandas Werk fortführen, etwas gegen das Virus zu finden..."
"E-ein Virus...", wiederholte Lianth nur. Er konnte es nicht glauben. Sein Herz erfüllte sich mit Hoffnung. Viren gab es zu Hauf und sein Bruder und er hatten viele Pflanzen auf ihre Wirkungen erforscht, um Heilmittel zu entwickeln, die entweder besser oder schneller gegenarbeiten konnten. Wenn seine Wandlung auf einem Virus basierte, dann bestand Hoffnung, auch hier etwas zu finden. Vielleicht nicht, um es gänzlich aus Lianths Körper zu vertreiben, aber um den Fortgang aufzuhalten. Bisher war er keine Gefahr gewesen, für niemanden. Im Gegenteil, Tami gefiel sogar der Flaum auf seinen Ohren! Flüchtig schielte er zu ihr herüber. Dann ergriff er zaghaft das Buch, umklammerte den Ledereinband jedoch mit festem Griff. "D-Danke. Oh, Danke, Amara. J-ja. Natürlich. I-ich werde ... oh ... Danke!" Überschwänglich, weil er nicht wusste, wohin mit seinen Gefühlen zeigte Lianth, dass er vielleicht im Sozialen sehr introvertiert war, aber dadurch keine Scheu besaß, auf Tuchfühlung zu gehen. Seine Arme legten sich etwas stürmischer als erwartet um Amaras Leib und er drückte sie in tiefer, aufrichtiger Dankbarkeit an sich. Falls er Angst vor ihr als Nachtelfe hatte, schienen diese Bedenken nun verflogen. Er herzte die Spitzohrige lange und schmunzelte nur ein wenig verlegen, als er sich löste. Seine Dankbarkeit überwog die Scheu. Noch einmal neigte er sein Haupt vor ihr. "Vielen Dank. Ich ... i-ich werde mein B-bestes geben, um mit dem Buch e-ein Heilmittel ... a-also für alle! Nicht nur f-für mich. E-es gibt bestimmt noch mehr ... J-Janda sah nicht nach R-Ratte aus."
Während er sprach, fingerten seine Griffel bereits an dem Buch herum. Er konnte nicht still halten und auch wenn es viel zu dunkel war, um hier draußen Einzelheiten zu lesen, so musste er es aufklappen und ein wenig darin blättern. Er überflog die Aufzeichnungen, ohne zunächst daraus schlau zu werden, aber er würde sie lesen. Er würde sie studieren und hoffentlich etwas finden, das ihm weiterhalf. Vielleicht könnte er vielen anderen wie ihm helfen, die sich vor Angst vor der Welt zurückzogen. Dieses Büchlein war Gold wert, ob es nun nützliche Informationen enthielt oder nicht. Denn zunächst einmal spendete es Hoffnung, Zuversicht und ... Mut.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 20. März 2024, 09:10

Es war eine vollkommen neue Erfahrung für den Elfen: Seine Veränderungen bargen eben nicht nur Düsternis und Leid, sie konnten auch ein wohliges Gefühl zaubern, wenn er sie mit den richtigen Personen teilte. Lianth erfuhr, dass Tami ein sehr großes Herz besaß und ihn scheinbar wirklich mochte. Sie jagte ihn weder davon, noch rannte sie selbst zurück nach Grandea. Sie blieb und sie berührte ihn an dem weichen Flaum seiner Ohren, dass es ihm überall eine Gänsehaut bescherte. Das Gefühl war unbeschreiblich. Er neigte ihr seinen Kopf entgegen und Tami lächelte verzückt, über diese Regung. Sie kraulte weiter, bis Lianth sich an sie schmiegte und gleichzeitig seinen befreiten Rattenschwanz um sie herum legte. Tami beobachtete den Elfen einen Moment und ließ es geschehen. Den Rattenschwanz jedoch zu nehmen, das wagte sie noch nicht. Auch für die Krähe war es ein Novum und ungewohnt. Bisher hatte sie noch nie jemanden, wie Lianth, gesehen. Sie blieb, aber sie musste sich trotzdem ein wenig daran gewöhnen. Was sie aber nicht daran hinderte, ihm wenig später zu versichern, dass sie mit ihm gemeinsam diesem Rätsel auf die Spur ging! Sie beruhigte seine aufkommende Panik und schaffte es, dass Lianth nicht sofort das Weite suchte, um in der Einsamkeit zu leben. Und noch jemand half dem Elfen unerwartet: Amara hatte sich in die Szene geschlichen und offenbar genug mitbekommen, um sich für eine Handlung zu entscheiden. Sie überreichte dem Elfen ein kleines, in dunklem Leder gebundenes Buch. Es war mit einer Schnürung zusammengehalten und fühlte sich ein wenig abgegriffen an. Die Nachtelfe wollte es ihm geben, damit er vielleicht die Studien, die Janda nicht mehr beenden konnte, fortführen würde. Es war ein Stück Hoffnung in Worte gefasst und Lianth’s Herz quoll beinahe über vor tiefer Dankbarkeit. "V-Virus. Es ... ist ein Virus? D-dann ... kann es bekämpft w-werden, w-wenn man weiß wie." Amara lächelte auf entzückende Art und Weise. Sie war wunderschön, selbst im Zwielicht. „Ist es. Ein sehr, sehr altes und der Ursprung liegt wohl nicht weit entfernt. Es lohnt sich wohl, dem auf den Grund zu gehen.“, berichtete sie und lächelte weiterhin, während Lianth in sich endlich etwas Hoffnung finden konnte. "D-Danke. Oh, Danke, Amara. J-ja. Natürlich. I-ich werde ... oh ... Danke!" plötzlich brach sich die Freude Bahnen und Lianth stürzte auf Amara zu, um sie fest zu umarmen.
„Oh!“, machte die Elfe überrascht und hielt die Arme hoch, ehe sie sich entspannte und ihre Arme ebenfalls um den Elfen legte. Sie war nur ein Bisschen kleiner als er selbst und fühlte sich entgegen der kühlen Haut sehr weich und warm an. Amara’s Herz schlug schnell, während er sich an sie drückte und einen langen Moment standen sie gemeinsam da. Tami beobachtete feixend die Szene und hatte die Hände in die Hüften gestemmt. Es freute sie besonders, dass Lianth nach seinem Schrecken und seiner Angst, auf einmal so viel Hoffnung finden durfte. Bevor es dann jedoch unangenehm werden konnte, löste sich Lianth von der Elfe wieder und beide trugen eine feine Röte auf ihren Wangen. Amara strich sich verlegen durch das lange Haar, bevor sich die silbernen Augen wieder auf ihn legten. "Vielen Dank. Ich ... i-ich werde mein B-bestes geben, um mit dem Buch e-ein Heilmittel ... a-also für alle! Nicht nur f-für mich. E-es gibt bestimmt noch mehr ... J-Janda sah nicht nach R-Ratte aus." Auch sie neigte ihren Kopf etwas, legte ihre Hände an ihre Herzgegend. „Ich bin mir sicher, dass diese Worte bei euch gut aufgehoben sind, Lianth!“ Dann blickte sie zwischen Tami und ihm hin und her, bevor sie nickte. „Richtig, Janda wurde von einem Eichhörnchen gebissen, bevor sie sich verwandelte. Wir wissen, dass es von Tieren übertragen wird und ein jedes Tier Überträger sein kann. Von Tier und Tier geschieht dies aber nicht.“, erklärte die Elfe und Tami nickte, hatte aber kein Wort verstanden. „Aha!“, machte sie. Sie kannte sich mit Infektionen, Viren und Krankheiten nicht aus. Plötzlich grummelte es vernehmlich und Tami hustete.

„Ich habe wirklich Hunger…“, bemerkte sie und Amara lachte glockenklar auf. Sie nickte. „Verstehe. Dann kommt doch herein und esst. Morris hat gewiss bereits für alle eine Stärkung gezaubert.“, meinte sie zuversichtlich und deutete auf das Haus neben dem Abgebrannten. Man hörte darin reges Gemurmel, es brannten Kerzen und ein feiner Duft nach Suppe erfüllte die Luft. Tami folgte dem Fingerzeig und sah zurück zu Lianth. „Willst du dich noch einpacken oder bleibst du so?“, fragte sie vollkommen ohne Wertung. Sie überließ es dem Elfen. Dann lächelte die Krähe kurz auf. „Da drinnen hast du auch mehr Licht, um zu lesen, Lianth. Hier machst du dir nur die Augen kaputt!“, zwinkerte die Rothaarige und wartete, ob Lianth soweit wäre. Dann folgten sie Amara zum Wohnhaus. Als sie an Janda’s vorläufigem Grab vorbeikamen, blieb Amara etwas zurück und seufzte traurig. Tami wandte sich zu ihr um und blieb stehen. „Wir werden nicht zulassen, dass Infizierte die Hoffnung verlieren, wie Janda.“, meinte die Krähe, die inzwischen das Motiv verstanden hatte. Amara blickte auf. Das Silber ihrer Augen schimmerte im Mondlicht. „Ich bin zuversichtlich, dass euch das gelingt. Oder… uns.“, murmelte sie und blickte unsicher zu Lianth. Vielleicht wäre Amara eine Hilfe? Vielleicht aber auch nicht. Nichts musste sofort entschieden werden, jetzt betraten sie erstmal eine warme, gemütliche Atmosphäre.
Im intakten Wohnhaus schlug ihnen Wärme, Licht und würziger Geruch entgegen. Hier tummelten sich ungefähr 8 Menschen, darunter auch Morris und der Mann mit der Augenbinde. Er saß an einem Kamin, über dem an einer Stange ein Topf brodelte und rührte immer mal wieder vorsichtig tastend darin herum. Es gab drei Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen, die sich gerade um einige Krumen Brot stritten, während die Mutter, eine pausbäckige, dickliche Frau, die Hände in die Hüften stemmte und sie zur Ruhe gemahnte. Dann gab es noch einen jungen Mann, etwa Tami’s Alter und mit schwarzen, wilden Haaren. Er besaß eine eher wettergegerbte Hautfarbe und dunkle Augen, die wachsam schienen. Er saß auf einem Schemel und zupfte etwas Kraut von einigen Stängeln. Hinter ihm war noch eine Frau, alt und mit grauen Haaren, Häubchen und Kittel. Sie knetete Teigfladen und warf sie im immer selben Rhythmus auf ein mehliges Brett. Als die beiden Elfen und Tami eintraten, wurden sie gemustert. Morris kam lächelnd auf sie zu und schloss sie in eine ausufernde Geste ein, deutete auf eine große Gemeinschaftstafel in der Mitte des Raumes. Sie nahm das meiste vom Raum ein, der mit Holzboden und Holzwänden eine gewisse Gemütlichkeit ausstrahlte. Rechts vom Eingang, wo der Schwarzhaarige und die Alte wirkten, gab es eine kleine Nische mit Kochutensilien und Wassereimern. Links vom Eingang gab es den Kamin mit dem derzeit Blinden und den Kindern, die sich rauften. Es führte eine schmale Stiege nach oben auf eine Art Heuboden. Dort konnte man ein Nachtlager erkennen, das wohl nicht viel Platz bot. Ansonsten war dieser Raum ganz offenbar nur zum Essen in Gemeinschaft ausgelegt. „Meine Freunde! Helfer in der Not, bitte, bitte, kommt herein und nehmt Platz!“, bat Morris und deutete auf die Tafel. Sie konnten sich einen Platz auf einem Stuhl, am Kopf der Tafel oder auf einer der beiden Bänke aussuchen, die seitlich am Tisch standen. Platz gab es genug. Und gedeckt war tatsächlich für zwölf Personen. Ein Teller würde freibleiben, der war für Janda’s Gedenken.

Auf dem Tisch hatte man für jeden einen Teller, einen Becher und eine Gabel bereitgelegt. Es gab einen Brotkorb und frischem Brot, dazu Wasserkrüge und Milch. Die Kinder setzten sich schubsend und zankend auf eine der Bänke und ihre Mutter dazwischen, damit sie ihnen Ruhe einbläuen konnte. Sie wirkte etwas gehetzt und verschwitzt, atmete einmal tief durch und füllte ihren Kindern dann Wasser, Milch und Brot ein und auf. „Eintopf ist gleich soweit“, sagte der Blinde am Kamin und Morris nickte. Der Schwarzhaarige erhob sich und brachte die Kräuter zum Würzen. Sein Blick fiel auf Tami als sie sich hinsetzte und er stutzte. Offenbar hatte sie sich neben seinen Platz gesetzt, sodass er zögerlich neben ihr Platz nahm. Er wirkte verlegen, schielte aber immer mal wieder zu der Rothaarigen. „Kieran!“, er zuckte mit dem Kopf hoch und blickte zur Alten. „Willst du wohl deiner alten Großmutter helfen und die Knödel ins Kochwasser tauchen!“, der Junge, Kieran, nickte. „Entschuldige!“, bat er und erhob sich wieder, wobei er Tami anstieß, die dann den Blick hob. Sie sahen einander für einen Moment an, dann lächelten sie beide etwas schüchtern. Tami griff sich schnell ein Brot, um es zu zerlegen und räusperte sich. Lianth und Amara hatten freie Wahl. Neben Tami war noch frei oder aber woanders. Sobald alle saßen, wurde ein würziger Eintopf aus Gemüse, Kräutern, Brühe und Fleisch serviert. Der große Topf stand dampfend in der Mitte des Tisches und verströmte seinen Geruch. Schließlich erhielt jeder noch zwei Knödel dazu, mit denen es sich hervorragend die Soße auftunken ließ. Es schmeckte wirklich gut und bot schmackhafte Hausmannskost. Kieran hatte wieder neben Tami Platz genommen und allgemein wurde vor dem ersten Bissen um Ruhe gebeten. Morris erhob sich, der am Kopf der Tafel saß. „Janda – du wirst uns fehlen.“, erhob er seinen Becher und Tami hob eine Augenbraue. Der Tost wurde verhalten erwidert, bevor dann gemeinsam gegessen wurde. Allmählich etablierten sich Gespräche und Lianth hatte durch die Kerzen genug Licht, um eventuell in dem Buch zu schmökern. Allgemein war die Stimmung zur Ruhe gekommen und bot einen Moment des Verschnaufens.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Mittwoch 20. März 2024, 15:11

Eben noch hatte Lianth befürchtet, Tami würde jegliches zart geknüpfte Band sofort durch eine Flucht zerreißen oder aber aggressiv gegen diese Bestie, die er war, vorgehen und nun blieb nicht nur sie an seiner Seite, um zu helfen, es näherte sich auch Amara der Szene. Zunächst versuchte er noch, seine tierischen Stigmata zu verbergen. Es zeigte sich allerdings schnell, dass Amara ihn nicht nur ebenfalls akzeptierte, sondern auch Informationen besaß, die über Jandas gleiches Schicksal hinausgingen. Offenbar hatte sie zusammen mit der Toten geforscht. Sie wusste zumindest, dass es sich um einen Virus handelte, der von jeglichem Tier übertragen werden konnte - auf humanoide Lebewesen. Tiere steckten sich gegenseitig scheinbar nicht an. Für Lianth waren diese Informationen Gold wert. Er lauschte aufmerksam, auch wenn er noch nicht alles verstand, wohl aber mehr als Tami. Das Buch, welches Amara ihm überließ, würde vielleicht helfen. Er konnte es kaum erwarten, seine Nase zwischen die Seiten zu schieben. Lesen war eine Beschäftigung, der er durchaus gern nachging. Sie bedeutete, dass man sich zurückzog, Neues oder Spannendes erfuhr, ohne mit zu vielen Elfen - oder Menschen - sprechen zu müssen. Es war die perfekte Freizeitgestaltung für jemanden wie Lianth.
Hier draußen auf der Wiese und bei fortschreitender Nacht würde er jedoch nicht eine Zeile entziffern können. Das hatte er beim flüchtigen Blättern schon bemerkt. Er konnte nicht einmal erkennen, ob ihm die Schrift überhaupt geläufig war. Wenn Janda ihre Aufzeichnugnen nicht in Celcianisch oder mit etwas Glück auf Lyrintha verfasst hatte, käme der Elf allein nicht weit. Dann müsste er wohl Amara um Hilfe bitten, denn irgendwie bezweifelte er, dass Tami in dieser Hinsicht besser gebildet war. Er hielt sie keineswegs für dumm, sondern hatte nur erkannt, dass in ihrem Umfeld der Zugang zu Bildung nicht jedem ermöglicht wurde. Flüchtig huschte sein Blick zu ihr und dann an ihrem Leib herab, als es auf Magenhöhe laut knurrte.
"Ich habe wirklich Hunger..."
"D-du hast dich a-auch stark verausgabt, um a-allen zu helfen", meinte der Shyáner. Dass er nicht minder schwer um das Leben der Verletzten und Verbrannten gekämpft hatte, berücksichtigte er nicht. Lianth war kein Elf, der sich gern in dne Vordergrund stellte. Folglich prahlte er auch nicht mit seinen eigenen Erfolgen. Vielmehr war er zufrieden, wenn es glückte und sah es als selbstverständlich an, dass auch er aushalf. Seine Profession allein verlangte dies. Es war ihm also nicht nur ein Bedürfnis, sondern gewissermaßen auch eine Pflicht. Tami war jedoch weder an einen Eid, noch an sonstige Bedingugnen gebunden. Sie musste ihr eigenes Leben nicht riskieren und hatte es dennoch gleich mehrmals getan. Sie hatte sich eine Mahlzeit redlich verdient.
"Dann kommt doch herein und esst. Morris hat gewiss bereits für alle eine Stärkung gezaubert."
Lianth versteifte sich. Natürlich meldete auch sein Magen eine gewisse Leere. Zwar hatte er mit Tami gegessen, aber das war Stunden her. Außerdem konnte man ihre kleine Mahlzeit in dem Lagerhaus nicht als groß genug bezeichnen, um bis zum folgenden Morgen satt zu bleiben. Erst Recht nicht, wenn man versucht hatte, ein Gehöft vor dem Ausbrennen zu retten. Der Gedanke, sich dennoch unter die Bewohner zu mischen, nur um etwas essen zu können, weckte Unbehagen in ihm. "I-ich will n-nicht stören...", murmelte Lianth. Jetzt zupfte er nicht an seinen Haaren herum, sondern drehte Jandas Buch zwischen den Fingern. Sein Schwanz züngelte hingegen nervös eine Hand breit über dem Gras umher, als hinge ihm eine Schlange aus der Hose.
"Da drinnen hast du auch mehr Licht, um zu lesen, Lianth. Hier machst du dir nur die Augen kaputt!"
Er nickte zahghaft. Amara hatte ja Recht! So gab er sich geschlagen. Doch offen würde er seinen Virus nicht weiter präsentieren. Es genügte, dass Tami und die Nachtelfe nun schon davon wussten. Die Wahrscheinlichkeit wuchs, dass sich doch noch jemand erschreckte, je mehr von seinem Geheimnis erfuhren. Außerdem hatte Lianth sich über Jahrzehnte hinweg bedeckt gehalten. Er war es gewohnt, nichts von sich zu zeigen und fühlte sich so sicherer. Schon stopfte er den Rattenschwanz wieder zurück in die Hose, wobei er ihn erneut um seinen Bauch schlang. Die Schwanzspitze packte er nach vorn zu ähnlichen anatomischen Modellen seines Körpers. Anschließend stopfte er sich das Hemd wieder etwas unter den Bund, um erneut den Eindruck von Speckröllchen zu vermitteln. Erst als das getan war, sah er sich bereit, Tami und Amara zumindest als stummes und geducktes Schlusslicht zu folgen. Nervös drückte er das Buch an seine Brust und zog den Kopf zwischen die Schultern. Morris allein konnte schon Eindruck hinterlassen. Jetzt aber würde er all jene kennen lernen, deren Wunden er behandelt hatte. Freunde von Janda, die in ihrem Grab aus Moosen und Wurzeln lag. Amara konnte nicht einfach daran vorbeigehen. Sie blieb stehen und trauerte noch einmal sichtlich.
Lianth fehlte der Mut, ihr Worte des Trostes zu spenden. Tami hingegen fand auf sehr präzise Weise heraus, was aufbauen und Hoffnung geben konnte. Sie erntete dafür nicht nur einen warmen Blick aus Amaras silbernen Augen, sondern auch stille Anerkennung von Lianth.
"Wir werden nicht zulassen, dass Infizierte die Hoffnung verlieren, wie Janda."
"Ich bin zuversichtlich, dass euch das gelingt. Oder ... uns."

"W-wir werden b-bald w-weiterziehen ... o-oder?" Lianths Bernsteine suchten Tamis Blick. Er haderte immer noch mit dem Gedanken, nach Hause zurückzukehren. So sehr er seinen Bruder auch vermisste, er wollte ihm wirklich nicht zur Gefahr werden. Andererseits wusste er nun, dass es sich um einen Virus handelte und vielleicht konnte er noch mehr Informationen sammeln, bis sie Shyána Nelle erreichten. Fest stand zumindest, dass sie nicht auf dem Gehöft bleiben würden, folglich auch nicht bei Amara. Dass die Nachtelfe möglicherweise bereits mit dem Gedanken spielte, diesen Ort ohne ihre Freundin Janda nicht mehr als Platz zu sehen, an dem sie sich zu Hause fühlte, kam dem Elfen nicht in den Sinn. Es hätte ihn ohnehin reichlich erschreckt. Da würde Tami ein Machtwort sprechen müssen, so wie auch jetzt, als sie das nicht abgebrannte Haus betraten, in dem sich die überlebenden Bewohner zusammengefunden hatten. Sie bereiteten ein gemeinsames Essen vor. Die Kinder spielten schon wieder und stritten um Brot, als wäre der Brand nie geschehen. Der Mann, dem Lianth die Augen verbunden hatte, saß neben einem Kessel und rührte darin.
Lianth nahm das Bild in sich auf. Er hatte noch nie eine Menschenfamilie beobachten können, wie sie miteinander lebten. Es unterschied sich nicht sonderlich vom Leben der Elfen. Jeder schien seine Aufgabe zu haben und den Jüngeren ließ man die Lebenszeit, um Eindrücke und Erfahrungen zu sammeln. Pflichten erfüllen konnten sie noch früh genug. Ihm fehlten ein wenig die Pflanzen an diesem Ort. Lianth hatte sein eigenes kleines Reich voll gestellt mit Töpfen und Eimerchen mit Erde. Von der Decke hingen Keramikkrüge und seine Fensterbank war ein Paradies für jedes Insekt, so viele Blumen warteten dort in Kästen, um bestäubt zu werden. Hier dominierte verarbeitetes Holz.
Wenigstens fing sein Näschen den Duft der gehackten Kräuter auf und es zog ihn automatisch auf die Bank, die dem Schwarzhaarigen am nächsten war, der einige Blätter von Stängeln zupfte. Tami nahm neben Lianth Platz und hatte wohl nicht bemerkt, dass sie dadurch heute zwischen zwei Männern sitzen und speisen würde. Kieran, wie sich alsbald herausstellte, ließ sich neben ihr nieder und beide tauschten erste, verlegene Blicke aus. Lianth betrachtete sich das Bild, ohne auch nur die Spur von Eifersucht zu entwickeln. Warum sollte er auch? Es gab keinen Grund. Zumal jemand wie er wohl kaum seinen Standpunkt klar gemacht hätte, existierte überhaupt einer. Nein, dafür war er zu scheu. Er saß ja jetzt schon wieder eher geduckt da und spielte den schweigenden Beobachter. Als sich herauskristallisierte, dass man ihn in Frieden ließ, da legte er Jandas Buch neben seinen Teller und schlug es auf. Er blätterte bereits darin, noch ehe man ihm auftischte - ein Umstand, der ihn verschreckt zusammenfahren und die Luft unter einem Fiepsen anhalten ließ, bis der Eintopf in seinem Teller gelandet war. Erst dann wagte Lianth wieder zu atmen. Während des Essens konnte er natürlich nur bedingt schmökern. Um die Aufzeichnungen nicht versehentlich mit Eintopf zu besudeln, klappte er das Buch also wieder zu und verstaute es vorerst in seiner Tasche. Gerade rechtzeitig, denn Morris hob seinen Becher für einen Gedenkspruch an Janda an. Dieser fiel überraschend ... nüchtern aus und auch die übrigen Bewohner erwiderten ihn eher verhalten.
Für Lianth stellte es kein Hindernis dar, der durch das Schicksal Gleichgesinnten auf seine Weise zu gedenken. Er hatte den Becher nur unter Schweigen, dafür weitaus andächtiger angehoben als so mancher am Tisch. Jetzt stellte er ihn beiseite und faltete seine Hände in gottesgefälliger Geste, wie man es bei Anhängern des heiligen Götterpaares kannte.

"Gesegnet von Phaun, einen Leib seiner Schöpfung zu tragen
und auf Florencias heiligem Boden zu wandeln,
lässt du dein Geschenk nun hinter dir
und kehrst zu den Göttern zurück.
Werde Teil des Bodens, auf dem andere wandeln mögen
und lass deine Seele durch die Wälder tanzen, wie Blätter im Wind.
Jage mit Phaun, singe mit Florencia
das heilige Lied von der Natur des Vergänglichen."

Sein leise gesprochenes Gebet kam von Herzen, denn er wünschte Janda nichts sehnlicher als im Schutz der Götter ihren Frieden gefunden zu haben, der ihr im Leben verwehrt geblieben war. Sacht faltete der Elf seine Finger wieder auseinander, griff zur Gabel und zerknautschte damit den ersten Knödel. Sein Blick wanderte über den eigenen Handrücken und er fragte sich, ob er je so verzweifelt sein könnte, ein Ende im Feuer zu suchen. Vielleicht, wenn die äußerlichen Merkmale zu groß würden und wenn...
"Janda sch-schien hier a-akzeptiert worden zu sein, we-wenn sie mit d-den anderen auf die-diesem Gehöft hat leben dürfen, o-oder nicht?", fragte er Amara in der Hoffnung, sie hatte sich nahe genug zu ihnen gesetzt, dass er nicht laut sprechen musste. Ansonsten ging die Frage wohl nur an Tami und sie beide könnten lediglich spekulieren. "S-sie bekam U-Unterstützung? D-dann verstehe ich n-nicht, dass sie so v-verzweifelt hatte werden k-können." Er ließ den Blick über die Hofbewohner wandern, wo er an den Kindern hängen blieb. "G-gab es Streit?", fragte er, als er sich an die Kabbeleien der Buben und des Mädchens erinnerte. Manchmal reichte eine Kleinigkeit aus, um Großes zu bewirken. Das galt auch für negative Entscheidungen.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Montag 25. März 2024, 12:30

Lianth durfte lernen, dass manchmal die Vorstellungskraft ein grausamer Begleiter sein konnte. Dann glaubte man plötzlich daran, obwohl man die Welt selbst nicht so sah, dass einem einfach jeder etwas Böses wollte, wenn man sich nur offenbarte. Wenn man sich Fehler vor anderen eingestand und jene die Gelegenheit bekamen, sie zu bewerten. Es war niemals leicht und noch weniger schön, wenn andere darüber zu urteilen begannen, wie viel Wert man selbst innerhalb einer Gesellschaft besaß. Lianth hatte geglaubt, dass sein Wert durch die Merkmale des Hybridentums gen Null sank und sich dementsprechend verborgen. Denn auch wenn der Elf sich in die Stille zurückzog, um seinen Gedanken oder einem guten Buch nachzuhängen, bedeutete es nicht, dass er auch die Einsamkeit vorzog. Lianth brauchte Liebe, Zugehörigkeit und Geborgenheit, wie jede Seele auf dieser Welt. Und gerade ein so liebendes Herz, wie Lianth eines besaß, brauchte die Zuwendung durch Freunde und Familie. Dass Tami und auch Amara den Elfen begleiteten und nicht vor seiner Andersartigkeit zurückwichen, verschaffte dem vulnerablen Herzen eine kleine zusätzliche Schutzschicht. Aber Lianth war nicht immer naiv. Er stürzte nun nicht los und glaubte, die gesamte Welt sähe es, wie die beiden Frauen. Dafür hatte er trotz seiner eigenen Überzeugung schon zu viel leid gesehen. Als Heiler blieb das nicht aus. Er kannte Verletzungen, die selbst zugefügt waren, weil man das eigene Leid nicht mehr ertrug. Es ging nicht immer nur um die Behandlung in ihrem schematischen Prozess. Es ging auch oftmals um die Hintergründe. Nicht immer war eine Verletzung oder Erkrankung nur das. Manchmal steckte mehr dahinter und Lianth hatte gelernt, darauf zu achten. Nun aber achtete er darauf, sich flugs wieder zu verbergen und kehrte daraufhin in das gemütliche Heim ein. Kräuter und einige Wildblumen schmückten den Raum oder erfüllten ihn mit einem Hauch Natur. Lianth erfasste den Trubel und stellte fest, dass es sich wohl bei all den Mitmenschen um eine Familie handelte. Ob blutsverwandt oder einfach nur zusammengefunden, konnte man nicht sehen. Dafür gab es kaum ähnliche Merkmale, bis auf eine gleiche Haarfarbe oder hier und dort mal die gleiche Schädelform.

Tami war bereits Feuer und Flamme und setzte sich an die lange Tafel. Ihr fiel es bedeutend leichter, sich einzufügen, aber sie war auch eine offene Persönlichkeit. Lianth würde stets erstmal abwarten und beobachten, bevor er sich öffnen könnte. Er fand seinen Platz neben Tami und Amara schloss den Elfen zwischen sich und der Rothaarigen ein. Neben Tami saß dann Kieran, er immer wieder die Krähe musterte. Tami aber betrachtete gerade Morris, da er sich zu einem sehr nüchternen Gedenkspruch erhoben hatte. Das allgemeine Schlürfen im Becher ertönte, woraufhin Lianth sich hinreißen ließ, selbst noch ein Gebet zu sprechen. Versanken die ersten Worte noch in angeregtem Tellerklappern und Auffüllen der Köstlichkeiten, wurde es alsbald stumm um den Elfen. Er sprach sein Gebet und alle Augen richteten sich auf ihn. Sie hörten ihm zu, verstanden das Lyrintha jedoch nicht. Allerdings brauchte man den Worten nicht den Sinn zu entlocken, wenn man anhand seiner Haltung und der Melodie der Sprache gut herleiten konnte, worum es ging. Tami lächelte ihrem Freund von der Seite her entgegen und Amara griff sich eine Serviette. Sie tupfte sich leise, verhalten schniefend, die Augen. Als Lianth geendet hatte, blieb es einen Moment ruhig. Die Gesichter der Gehöftfamilie zeigten Anteilnahme und Rührung, bevor sich die Starre löste und alle dazu übergingen, sich das Essen aufzutun. Ein jeder nahm ein belangloses Gespräch auf, während gemeinsam gegessen wurde. „Das war wunderschön, Lianth“, schniefte Amara noch mal und lächelte warm. Sie nickte ihm dankbar zu. „Ich selbst verehre zwar Manthala, aber ich bin mir sicher, dass Janda gerne an Florencia’s und Phaun’s Seite wäre. Sie liebte die Natur und achtete die Schönheit dessen.“, erklärte sie und seufzte. Das Lächeln war ehrlich, wenn auch ergriffen und auch Tami griff plötzlich Lianth’s Hand, um sie zu drücken. „Ich habe kein Wort verstanden, aber ich fand es wahnsinnig schön, deine Sprache zu hören, Lianth“, sie lächelte ihm mit leuchtenden Augen zu, ehe sie ihn losließ und sich dann die Schüssel mit den Kartoffeln griff. Der Eintopf wurde in die Schalen vor ihrer Nase gefüllt und dampfte würzig empor. „hmmm…“, machte Tami voller Vorfreude und tauchte ihren Löffel ein. Dann zuckte sie zurück. „Scheiße! Viel zu heiß!“, rief sie mit einer Empörung aus, die plötzlich für allgemeines Gelächter sorgte und sie schief aufgrinsen ließ. „‘tschuldigung“, murmelte sie und pustete vorsichtig den nächsten Löffel. Lianth aber wandte sich an Amara, die ebenfalls etwas Suppe auf ihrem Teller hatte und noch auskühlen ließ.
"Janda sch-schien hier a-akzeptiert worden zu sein, we-wenn sie mit d-den anderen auf die-diesem Gehöft hat leben dürfen, o-oder nicht?" Sie wandte ihm den silbernen Blick zu und strich sich gleichzeitig das braune Haar über die Schulter zurück. „Richtig. Man wusste, wer sie war und akzeptierte …“, ihr Blick glitt über die Anwesenden und schließlich neigte sie sich etwas vor „duldete sie“, korrigierte sie und lächelte Lianth an. "S-sie bekam U-Unterstützung? D-dann verstehe ich n-nicht, dass sie so v-verzweifelt hatte werden k-können. Gab es Streit?“ Amara seufzte leise und faltete die Hände im Schoß. Sie hatte sich Lianth zugewandt und musste nicht laut sprechen. Alle anderen waren selbst in Gespräche vertieft. Bis auf Tami, die sich voll und ganz auf ihr Essen konzentrierte. „Nun, nicht direkt Streit. Das… ist es nicht. Janda wurde ihre Angst nicht los, dass sie nicht schnell genug war, um die Verwandlung aufzuhalten. Tatsächlich stagnierte sie seit Monaten, aber sie wurde paranoid. Sie sah überall neue Veränderungen. Ihre Nachforschungen liefen in eine Sackgasse, die sie nicht mehr überwinden konnte, weil sich ihr Geist verirrt hatte. Sie…“, Amara senkte den Blick und schluckte kurz. „Sie wurde immer verrückter in ihren Theorien. Sie redete von geheimen Orten und längst vergangenem Wissen, das aber nirgendwo verzeichnet war. Ich… ich bin ehrlich zu euch Lianth, ich weiß nicht, ob sie wirklich etwas erfahren hatte oder aber ihrem Wahn verfiel. Ich will mir kein Urteil erlauben, denn ich habe sie auf ihrem Weg in den Abgrund begleiten müssen und konnte nichts dagegen tun. Mein Volk hat einige interessante Experimente mit Mischungen aus verschiedensten Halluzinogenen gemacht. Vorzugsweise für die verschlagenen Methoden, die man uns so zuschreibt. Ich aber habe versucht jene Erkenntnisse zu nutzen, um das, was Janda quälte, zu verlangsamen. Ihr Ruhe zu geben. Ich kann nicht ausschließen, dass ich vielleicht unvorsichtig gewesen war… vielleicht habe ich alles beschleunigt…“, sie hob die schmalen Schultern und seufzte gequält. „Es wird mich mein Leben lang beschäftigen…Egal, wo ich bin.“, nickte sie und wandte sich daraufhin dem Teller zu. Auch sie aß nun davon.

Plötzlich wurde es neben Tami laut. Kieran knallte seinen Löffel in den fast leeren Teller und deutete auf den Jungen ihm gegenüber, der sich bereits mit seiner Schwester ständig zankte. „Halt dein vorlautes Mundwerk, Triam!“, der Angesprochene feixte und streckte die Zunge heraus. „Du weißt überhaupt nicht, wovon du redest du … Hosenscheißer!“, fuhr Kieran fort und ein überlautes Räuspern seitens Morris unterbrach weiteren Austausch. „Aber es stimmt doch! Kieran war noch bei Janda, kurz bevor das Haus brannte!“, schnatterte Triam weiter und schaffte es, dass Kieran wütend seine Mahlzeit beendete und das Haus verließ. Tami hob beide Augenbrauen und sah von Triam zu Morris und zurück. „Und du meinst jetzt, dass ihm das irgendwie hilft?“, fragte sie erstaunlich neutral und erreichte damit, dass Triam sie erstaunt ansah. „Vielleicht geht es ihm gar nicht mal so gut damit, schon mal daran gedacht?“, fragte sie, schlürfte ihre Suppe und stand beton lässig auf. Sie schnalzte mit der Zunge in Triam’s Richtung. „Schäm dich!“, klagte sie ihn an und ging dem Jungen hinterher. Amara neigte sich Lianth zu. „Kieran hat Janda beim Schreiben geholfen. Aufgrund der Veränderungen konnte sie irgendwann die Feder nicht mehr halten.“, erklärte sie. „Der Junge ist wirklich gut im Schreiben. Ihr werdet keine Mühe haben, das Buch zu lesen. Er schrieb es in celcianisch, die einzige Sprache, die er kann.“, nickte sie erneut. Dann polterte auf einmal Morris‘ Stimme über den Tisch und seine Hand schlug auf die Platte. Er lachte ausgelassen und einige Becher klirrten gegeneinander durch die Erschütterung. „Kinder!“, rief er und schüttelte den Kopf. „Esst weiter.“, befahl er dann schon fast und alle griffen sich wieder die Löffel. „Wir haben heute genug Scherereien gehabt. Das Haupthaus ist vollkommen zerstört und wir müssen zusehen, dass wir es wieder aufgebaut bekommen. Ansonsten werden wir nicht lange überleben können hier. Also esst und stärkt euch. Ab morgen werden wir gemeinsam sehen, was noch zu retten ist und wo wir ein neues Haus bauen.“ Er wandte sich Lianth dann zu, da nur noch er übrig geblieben ist. „Werdet ihr weiterziehen? Oder helft ihr uns?“, fragte er plötzlich recht forsch nach. Amara räusperte sich verhalten und versuchte Lianth durch einen eindringlichen Blick zu verstehen zu geben, dass er sich nicht auf weitere Hilfe einlassen sollte. Hier war eben nicht alles so friedlich, wie es anfangs den Anschein gemacht hatte.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Mittwoch 27. März 2024, 16:04

Welch gütiges Herz in Lianths Brust schlug, erfuhren alle, die seinen Abschiedsworten an Janda lauschten. Auch wenn er das Gebet auf Lyrintha vortrug und nicht jeder der Zuhörer der Elfensprache mächtig war, so schwang schon im Klang der Silben so viel Emotion mit, dass man davon berührt werden konnte. Amara wischte sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel und eine festliche Stille legte sich über die Stube. Lianth war nicht darauf aus, mit seinen Worten so viel bei den Bewohnern des Gehöfts zu bewirken. Er hatte sie für Janda gesprochen und nur für sie allein. Als er nun jedoch auf- und in all die ergriffenen Gesichter sah, da stieg ihm eine seichte Röte in die Wangen und er senkte den Kopf rasch zwischen die Schultern. Verlegen kratzte er an seiner Wange herum, um bloß keinen Blickkontakt mit jemandem aufbauen zu müssen. Glücklicherweise meldete sich bei den meisten rasch der Hunger und man überging diesen gedenkwürdigen Moment schnell damit, aufzutischen. Dem Elfen war es nur Recht. Es reichte, dass Amara ihn - aus seiner Sicht - viel zu hoch komplimentierte. "Ich k-kenne M-Manthalas Weisen nicht", erwiderte er, als die Elfe darauf hinwies, eine Anhängerin der Mondgöttin zu sein, "a-aber ... i-ich glaube, a-am Ende ist es d-doch gleich, so-solange man d-die Ewigkeit n-nicht a-allein verbringen muss. D-das stelle i-ich mir sehr einsam vor ... u-und langweilig."
"Ich habe kein Wort verstanden, aber ich fand es wahnsinnig schön, deine Sprache zu hören, Lianth." Der Shyáner wandte den Kopf und widmete sich nun Tami. Vor ihre Hand auf seiner zuckte er nicht zurück und ihr schenkte er auch ein weniger verlegenes Lächeln als den übrigen. "L-Lyrintha ist eine wirklich wohlklingende Sprache. I-ich kann dir Worte beibringen, wenn du magst." Außerdem übersetzte er sein Gebet noch einmal für Tami. Er ließ sie nicht im Dunkeln tappen, das war nicht Lianths Art.
Wenig später gesellten sich beide aber in die Runde der Essenden ein. Wo Tami sich schnell unter Kraftausdrücken beschwerte und zuweilen die Zunge leicht verbrannte, da aß Lianth mit mehr Bedacht, vor allem aber still. Viele sagten Introvertierten nach, überhaupt keinen Kontakt zu anderen haben zu wollen. Das stimmte nicht. Auch die schüchternen Geschöpfe Celcias suchten durchaus das Soziale, nur selten in der Masse, wie es aufgeschlossenere Geister gern erlebten. Ein gefüllter Raum mit allen möglichen Gelegenheiten, die Geschichten anderer zu hören oder sich gemeinsam auszutauschen war zu viel des Guten. Der Lärm, die Enge, das unentwegte Reden ... es behagte ihnen nicht, kostete sie oftmals viel mentale Kraft, so dass sie zum Regenerieren ihrer eigenen Stärke danach oftmals Tage lang für sich blieben. Lianth ging es ähnlich. Er suchte von sich aus kein Gespräch mit anderen im Raum. Er beobachtete eher und reagierte, falls man ihn ansprach. Dann aber zeigte er sich höflich. Trotzdem saß er nicht wie ein Trauerkloß am Tisch, selbst wenn die Umstände ihm diese Haltung zugesprochen hätten. Immerhin hatte man Janda verloren. Er blieb eher zurückhaltend, erfreute sich still daran, anderen zuzuschauen, wie sie aktiv und offen und redselig waren. Es war Lianths Art, eine Zusammenkunft wie jene unter diesem Dach zu genießen. Am liebsten hätte er sich noch mehr in eine unscheinbare Ecke verzogen und vom Rand der Ereignisse aus mit einem heißen Tee zugeschaut, aber das ließen seine Freunde nicht zu. Tami verwickelte ihn durch ihre Art ständig in Situationen, in denen auch er mal den Mund aufmachen musste und Amara hatte reichlich Informationen für ihn übrig, denen er sich dann doch nicht entziehen wollte.
So erfuhr er, dass man Janda nach ihrer Viruserkrankung und der damit verbundenen Verwandlung eher duldete als wirklich in den eigenen Reihen Willkommen hieß. Eine Duldung spürte man. Im Grunde war sie unerwünscht gewesen, aber vielleicht in irgendeiner Form zu nützlich, um sie zu verstoßen. Amara mochte wohl der einzige Anker in Jandas Leben gewesen sein, der sie noch eine Weile davon abgehalten hatte, ihrer Verzweiflung nachzugeben. Lianth erfuhr von den Ängsten der Toten und dass sie in ihren Foschungen rund um das geheimnisvolle Virus nicht mehr vorankam. Er nickte, denn er konnte es sehr gut nachempfinden. Dann blickte er auf seine Hände herab, auf die Nägel. Sie abzufeilen war angesichts seiner letzten Tätigkeiten kaum nötig. Wenn man nicht nur im Haus saß und gelegentlich mal etwas aufschrieb oder seine Kräuterpasten zusammenstellte, schliffen die Nägel sich auf ganz natürliche Weise rund. Das sichtbare Fortschreiten seiner eigenen Wandlung zur Ratte war seit Jahren eher zum Stillstand gekommen, aber das sagte nichts aus. Vielleicht käme irgendwann ein Schub, der Lianths Maul verlängern und ihn mit Fell überziehen würde. Er wusste nicht, wieviel Zeit ihm noch blieb und darüber nachzudenken machte tatsächlich Angst.
"Sie wurde immer verrückter in ihren Theorien. Sie redete von geheimen Orten und längst vergangenem Wissen, as aber nirgendwo verzeichnet war. Ich ... ich bin ehrlich zu Euch, Lianth. Ich weiß nicht, ob sie wirklich etwas erfahren hatte oder aber ihrem Wahn verfiel." Lianth lauschte, schüttelte den Kopf und legte seine Hand auf den Einband des dunklen Büchleins. Nach dem Essen hatte er es hervorgeholt und ständig in seiner Nähe behalten. Bei dem Krach zu lesen würde ihm wohl schwerfallen. Es allerdings zu sehen oder das Leder zu fühlen, gab ihm Hoffnung und auch wenn Amara eher pessimistisch klang, ahnte sie nicht, dass auch ihre Worte ihm eben jene Hoffnung schenkten.
"Jandas A-Aufzeichnungen s-sind alles, w-was ich habe ... u-und mehr als i-ich je hatte. Ob Wahn o-oder nicht, i-ich will mich d-damit befassen. I-Im besten F-fall kann es m-mir u-und anderen h-helfen", sagte er zuversichtlich.
Sie berichtete von Methoden und dunklen Substanzen der Nachtelfen, mit denen sie versucht hatte, Jandas wachsendem Wahnsinn Linderung zu verschaffen. Nicht nur die Tote hatte Angst gehabt. "Ich kann nicht ausschließen, dass ich vielleicht unvorsichtig gewesen war ... vielleicht habe ich alles beschleunigt ... Es wird mich mein Leben lang beschäftigen ... egal, wo ich bin."
"I-ihr wolltet h-helfen u-und habt Euer Bestes g-getan. H-hättet Ihr nur zu-g-gesehen ... ü-überlegt, wie Euch d-das beschäftigen w-würde." Lianth legte die Hand an sein eigenes Herz. "Es w-wäre so viel schwerer, d-damit zu leben", murmelte er.

Mit einem Mal änderte sich die Stimmung. Am Tisch wurde es laut und Kieran legte sich mit einem der Burschen an. Was immer Kern der Diskussion war, sie drohte, zu eskalieren. Lianth machte sich auf seinem Platz sofort klein, klammerte sich an seinem Zopf fest und wagte nicht, aufzuschauen. In solchen Situationen fühlte er sich bisweilen arg unwohl und wäre am liebsten unter den Tisch gekrochen, um sich zu verstecken. Ehe seine Gestalt langsam in diese rettende Richtung herabsinkten konnte, intervenierte Morris mit einem Räuspern, aber auch Tami mischte sich ein. Lianth schmunzelte schwach ob ihrer Worte. So wie er oder Amara nicht am Rande stehen und zusehen konnten, wenn sie in der Lage wären, etwas zu unternehmen, so konnte die junge Krähe es nicht lassen, ihren Schnabel aufzureißen. Interessant war, dass sie bei derlei weisen Worten oftmals ungemein ruhig sprach. Damit versetzte sie nicht nur Triam in Erstaunen, sondern brachte auch Lianth zu ihr zurück. Er riskierte einen Blick, aber in jenem Moment sprang Tami schon vom Tisch auf, mahnte den Jungen, sich zu schämen und verließ das Haus auf der Suche nach Kieran.
"Kieran hat Janda beim Schreiben geholfen. Aufgrund der Veränderungen konnte sie irgendwann die Feder nicht mehr halten", raunte Amara mit ihrer nebulösen Stimme von der Seite an Lianths Ohr, dass es zuckte. Sein Blick fiel auf das kleine Buch. Er legte die Hand darauf. Die jüngeren Notizen stammten somit aus der Feder des Heranwachsenden. "M-meint Ihr, Janda h-hat sich ihm möglicherweise in m-manchen Dingen anvertraut?" Kieran könnte eine weitere Anlaufstelle sein, um mehr Informationen über das Virus zu erhalten, falls das Buch selbst nichts mehr hergab. Aber noch war Lianth nicht soweit. Er hatte ja kaum Gelegenheit gehabt, einen Blick in die Seiten zu werfen und auch jetzt wurde sie ihm verwehrt.
Morris setzte dem aufgekommenen Streit endgültig ein Ende, erinnerte an die wichtigen Dinge, mit denen sich alle würden befassen müssen und gab die Pläne der nächsten Tage bekannt. Da das Hautphaus zu einer unbewohnbaren Ruine herabgebrannt war, musste man für Ersatz sorgen. Morgen schon wollten die Bewohner des Hofes damit beginnen, ein neues Haupthaus zu errichten. Das bedeutete, dass man Ressourcen heranschaffen und auch einen guten Platz finden musste, wo es fortan stehen sollte. Plötzlich wandte der selbst ernannte Vorsteher des Gehöfts sich an Lianth: "Werdet ihr weiterziehen? Oder helft ihr uns?"
"Äh-äh-äh.....ähhhhh!", gab der Shyáner zunächst nur wenig aussagekräftig von sich. Tami war fort. Sie konnte nicht für ihn sprechen. Sein Blick huschte Hilfe suchend zu Amara und erhaschte ihr verhaltenes Räuspern. Doch selbst wenn sie Lianth offen geraten hätte, lieber weiterzuziehen, hätte er sich nur schwer dazu durchringen können. Gerade noch hatte er ihr schließlich Mut gemacht damit, dass sie versucht hatte zu helfen, wo andere die Augen vor verschlossen. Wie sollte er sich dieser eigenen moralischen Haltung nun entziehen und fortgehen? Er behielt den Kopf gesenkt, aber traute sich, Morris eine Antwort zu geben.
"I-ich muss das mit T-Tami abklären, a-aber ... w-wir könnten h-helfen, also soll-sollten wir bleiben, nicht? I-ich ... kann nicht v-viel tragen, a-aber ... es gibt b-bestimmt etwas, bei d-dem ich ... nun ..." Erneut fiel sein Blick auf das Buch. Es lag neben der geleerten Schale, in der nur noch ein Rest Brühe vom Eintopf schwamm. Wenn Tami und er blieben, könnte er in dem Buch lesen. Er könnte mit Kieran sprechen und noch mehr von Amara erfahren. Auf der Gegenseite hingegen stand, dass sein Bruder wohl nach wie vor glauben musste, ihm sei im Urwald etwas zugestoßen. Andererseits hatte Lianth inzwischen auch schon mit dem Gedanken gespielt, gar nicht mehr zurückzukehren. Vielleicht wäre es besser, bevor das Virus vollends in ihm ausbrach. Vielleicht wäre es für Lavellyn besser, wenn er sich nicht um sein Brüderchen kümmern musste. Wenn er keine Sorge mehr haben musste, so wie Amara sie um Janda hatte. Er könnte ihm so viele Scherereien ersparen, ihm eine Last zu sein. Vellyn könnte sein ruhiges Leben in Shyána Nelle fortführen, ohne die Sorge, dass sein Bruder eines Tages selbst wahnsinnig oder zum Monster würde ... oder beiden Schicksalen entkam, indem er sich und sein Heim in Flammen aufgehen ließ.
Ein Schauer jagte Lianth über den Rücken und hinterließ eine unangenehme Kälte, dass er fröstelte. Er schlang beide Arme um seinen Leib, klemmte seine Haare dadurch ein. "I-ich bleibe u-und helfe ... sofern T-tami und i-ich euch keine Last sind wegen ... N-Nahrung und U-Unterkunft." Dann seufzte er aus, drehte sich vorsichtig zu Amara. "U-und am M-Morgen würde ich ... von den Kr-Kräutern ... a-also ... wenn i-ich i-immer noch ... darf?"
Er konnte nur hoffen, dass Tami seiner Zusage zustimmte und nicht allein weiterzog. Ohne sie würde es schwerer ... und stiller.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Erzähler » Dienstag 2. April 2024, 13:43

Lianth hatte wahrlich seine Komfortzone verlassen und hielt sich in Anbetracht dieser Tatsache doch sehr wacker. Gewiss war auch Tami ein Faktor, der ihn weitermachen ließ, aber nicht nur. Lianth bemühte sich redlich, um sich all den Widrigkeiten, denen sein schüchternes Herz ausgesetzt war, entgegenzustellen. Er speiste für gewöhnlich allein oder wenn in Gesellschaft, dann doch nur mit seinem Bruder Vellyn. Meist schwiegen sie dabei oder Lianth las in einem Buch. Natürlich führten er und Lavellyn auch Gespräche. Aber Lianth kam nicht oft genug vor die Tür – die tatsächliche, wie metaphorische, um sich an anregenden Gesprächen zu beteiligen. Sein Wissen stammte auch Büchern und dem Erlernten innerhalb von Shyána. Aber selbst ein Abenteuer erlebt zu haben, färbte auch die Erzählung darüber und bannte Zuhörer. Sollte er also jemals wieder nach Hause kommen, wäre seine Erzählung um einiges farbenfroher, weil er die Emotionen dahinter wirklich erlebt hatte. Bevor es aber an das Erzählen von Heldengeschichten ging… musste Lianth sich noch der Geschichte stellen. Amara konnte ihm noch mehr zu der verstorbenen Janda erzählen und wieder wurde er Zeuge ihrer auferlegten Schuld. Amara glaubte wohl, dass sie an Janda’s Prozess der Verwandlung fatal mitgewirkt hatte. Er versuchte ihr Mut zu machen und erntete für seine einfühlsamen Worte ein dankbares Lächeln. „Ihr habt Recht, Lianth. Hätte ich nichts getan… nun… Danke.“, kürzte sie ihr inneres Dilemma ab und widmete sich der Suppe, wie alle anderen auch. Der Disput, der auf einmal entstand, änderte das Gefüge im Raum. Das Leben floss zügig dahin und ständig änderte sich etwas. Lianth musste sich ordentlich ins Zeug legen, mit den Lebensstrudeln mitzuhalten und nicht unterzugehen. Offenbar entflammte ein Streit und es war Tami, die sich sodann auf eine Seite schlug. Lianth konnte nicht anders, als das Mädchen zu bestaunen. Sie wirkte gerade in hitzigen Momenten besonnen- vielleicht ein Vorteil ihrer Magie. Gleichwohl konnte die Rothaarige aber auch selbst in Flammen aufgehen – sofern sie in Stimmung war. Es würde wohl ein Rätsel bleiben, warum es jene, Rothaarige war, die Lianth für sein Vertrauen auserkoren hatte. Bei Amara war das noch nicht so. Er konnte die nebulöse Schönheit nicht gut einschätzen und wusste nicht recht mit ihrer Aufmerksamkeit umzugehen. Tami hatte Lianth kaum eine Wahl gelassen und sich so das Vertrauen gesichert. Amara war zurückhaltender, obwohl auch sie nicht mit Worten geizte. Sie weihte den Elfen in die Beziehung von Kieran und Janda ein.
Der Junge hatte ihr also geholfen, einige der Notizen zu verfassen und womöglich auch einiges anvertraut. Doch bevor sich dieser Gedanke festigen konnte, da war es Morris, der sich gleich zwei weitere Helfer sichern wollte. Lianth geriet in Bedrängnis. Seine Höflichkeit gebot es ihm, die Hilfe freimütig anzubieten aber Amara räusperte sich verhalten und versuchte dem Elfen etwas subtil mitzuteilen. Das verwirrte ihn nur noch mehr. "I-ich muss das mit T-Tami abklären, a-aber ... w-wir könnten h-helfen, also soll-sollten wir bleiben, nicht? I-ich ... kann nicht v-viel tragen, a-aber ... es gibt b-bestimmt etwas, bei d-dem ich ... nun ..." Morris‘ Grinsen wurde breiter und breiter, je länger Lianth stammelte. Dabei machte er sich nicht lustig, aber die Worte, die Lianth herauspurzeln ließ, die stimmten den dicken Anführer glücklich.

„Sehr schön, sehr schön!“, feixte Morris und legte einen undeutbaren Blick auf Lianth. Amara senkte ihren und schien zu seufzen. Offenbar passte es ihr nicht, dass sich die Dinge so entwickelten. Aber Lianth war nun mal hilfsbereit. Und wenn jemand seine Hilfe benötigte, dann tat er alles, was in seiner Möglichkeit lag. Morris schien das erkannt zu haben und nutzte diese Erkenntnis für sich aus. “I-ich bleibe u-und helfe … sofern T-tami und i-ich euch keine Last sind wegen … N-Nahrung und U-Unterkunft. U-und am M-Morgen würde ich … von den Kr-Kräutern … a-also … wenn i-ich i-immer noch … darf?“, entschied sich Lianth schon sicherer und schloss Tami gleich mal mit ein. Amara hob noch mal an: „Aber Morris, die beiden sind nur zufällig hergelangt. Sie haben bereits geholfen und…“, Morris zischte. „Papperlapapp! Der Mann ist doch in der Lage sich zu entscheiden, oder nicht? Er kauert zwar wie ein Mäuschen, aber deshalb ist sein Wort nicht weniger wert! Er und seine Begleitung bleiben noch und helfen! Basta!“, fuhr er mit donnernder Stimme der zarten Elfe übers Gemüt. Ihre Augen blitzten unwillig, doch dann nickte sie. „Na schön.“ Amara erhob sich, strich sich die Kleidfalten glatt und reckte ihr Kinn. „Sie können bei mir nächtigen“, bot sie an und Morris zögerte kurz argwöhnisch, doch dann nickte er und wedelte mit der Hand. „Wenn du meinst“, entließ er sie und Amara berührte Lianth kurz an der Schulter, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. „Seid ihr fertig mit essen? Lasst uns dann gehen“ bat sie und machte sich bereits auf den Weg zur Tür.
Der Geruch von Verbranntem lag noch immer beißend in der Luft. Tatsächlich war bereits die tiefste Nacht vorbei und ein zarter, heller Schimmer rührte sich am Horizont. Der Morgen war nicht mehr weit, sodass auch hier und dort einige frühe Vögel ihr Lied begannen. Kühl wehte der Wind entgegen und sie konnten eine vertraute Stimme hören, die offenbar hinter dem Haus war: „Kieran! Dann musst du fort von hier. Du kannst das doch nicht mit dir machen lassen. Verdammt noch mal, was ist das nur für ein Ort?!“, hörte man Tami schimpfen und ihre Frustration war allgegenwärtig. Amara lenkte ihre Schritte dorthin und legte einen Finger an ihre Lippen. „Shhh! Tami, nicht so laut. Man kann Euch hören!“, warnte die Elfe und Tami zuckte zusammen, als sie so unvermittelt angesprochen wurde. Das Mädchen richtete gleich ihre Augen auf Lianth und trat dichter. „Alles in Ordnung, Lianth?“, fragte sie ihn und tastete sein Gesicht mit ihrem Blick ab. Kieran musterte die beiden einen Moment, ehe er sich an Amara wandte. „Jetzt wird alles umsonst gewesen sein!“, sprach er leise und ebenso verzweifelt. Amara nickte. „Ich weiß, Kieran. Wir sollten zusehen, dass wir von hier verschwinden.“, der Dunkelhaarige nickte niedergeschlagen. Amara stutzte, dann biss sie sich auf die Unterlippe und wandte sich abermals an Lianth und Tami. „Kommt“, bat sie beide und führte sich noch etwas weiter von dem Haus weg, damit sie ungestört sein konnten. Kieran, Amara, Lianth und Tami erreichten schließlich endlich den kleinen Garten, den die Nachtelfe bereits erwähnte. „Bedient euch, Lianth.“, bot sie abermals an und deutete auf die Pflanzen. Während Lianth sich einen Überblick über das Gewächs verschaffen konnte, redete Amara weiter: „Kieran und ich sind gemeinsam hergekommen“, begann sie und Kieran zischte „Amara!“, doch die Elfe hob nur eine Hand, damit er still blieb. „Kieran fand ich eines Tages im Wald Arus, nicht weit von unserer Heimat. Er war noch ein Kind und ganz allein. Sein Vater fiel einem Bärenangriff zum Opfer, seine Mutter schaffte es nicht, das Kind zu versorgen. Also überließ sie es Florencia und Phaun für seine Sicherheit zu sorgen. Manthala war gnädig und übernahm die Fürsorge, sodass ich ihn in der Nacht halb erfroren auffand.“, Lianth konnte den Worten lauschen und gleichwohl erfasste sein Kennerblick, dass es hier auffallend viele Pflanzen gab, die er allesamt nicht häufig zu Gesicht bekam in Shyana. Tatsächlich leuchtete das Beet von Amara in weiß und Rot-Gelb. Kelchförmige Blüten schienen den Mond selbst übertrumpfen zu wollen.
Mondwinde war ebenso vorhanden, wie die ‚Königin der Nacht‘, eine weiße, vielblättrige Blüte mit roten und gelben Gräsern. Alles, was hier wuchs, war Lianth womöglich durch Bücher bekannt, aber seltener dadurch, dass er sie bereits mal wahrhaftig gesehen hatte. Offenbar baute Amara überwiegend Pflanzen ihrer Heimat an. Auch die leuchtenden Pilze, die im Nachtelfenreich als Lichtquelle dienten, fand man hier. „Erst später fand ich heraus, dass Kieran tatsächlich hervorragend bei uns im Nachtelfenreich leben konnte. Er… brauchte kein Licht zum Sehen und das als Mensch!“, erklärte Amara weiter. Tami runzelte die Stirn und betrachtete den Dunkelhaarigen, der sich eher ablehnend zeigte. Dann aber blitzten seine Augen im Schein des Mondes auf, als würden sie reflektieren. Schließlich wandte er sich der Gruppe zu und meinte trotzig: „Na und wenn schon?! Ich habe kein Interesse daran, meine Lebensgeschichte auszubreiten!“, schnauzte er und Amara seufzte. „Aber er ist wie du, Kieran.“, murmelte Amara leise beschwichtigend. Tami machte plötzlich große Augen. „Wie? Du hast auch dieses Virus?“, plapperte sie und Kieran wich ihrem Blick aus.

Tami schüttelte den Kopf. „Wie weit verbreitet ist das denn bloß?“, schaute sie überrascht in die Runde. Amara fuhr fort: „Als ich erkannte, dass Kieran nicht bloß menschlich war, begann ich meine Nachforschungen. Leider kam ich im Reich der Nachtelfen nicht sonderlich weit. Mein Volk ist sehr mit sich und weniger der Welt beschäftigt. Also entschied ich mich, das Reich zu verlassen und für Kieran und mich eine Möglichkeit zu finden, wo wir leben und forschen konnten. So trafen wir hier vor einigen Monaten ein und fanden einen Ort, an dem wir uns etwas zur Ruhe begeben konnten. Janda fand kurze Zeit später her. Tatsächlich vereinte uns das Schicksal von Kieran und Janda in einem Maße, dass uns dazu brachte, mit verschiedenen Kräutern und Gewächsen experimentieren zu wollen.“ Amara deutete auf die Pflanzen. „Wir stellten Pulver, Tränke und Salben her, aber nichts davon erzielte eine… Wirkung.“, seufzte sie und Kieran starrte verbissen auf einen unbestimmten Punkt. Tami runzelte erneut die Stirn. „Aber wie ist denn das möglich? Ich meine… es ist doch ein Virus, oder nicht? Ich habe wirklich keine Ahnung von Pflanzen und Krankheiten, aber es muss doch etwas mit Wirkung geben?“, fragte sie in die Runde und betretenes Schweigen machte sich breit. Dann war es Kieran, der sich zu Wort meldete: „Offenbar ist es nicht ‚bloß ein Virus‘.“ Er wandte sich an Lianth und musterte ihn. „Welches Tier war es bei dir? Ich kann nicht leugnen, dass ich bei dir eher Beutetier rieche…“, erklärte er und Amara räusperte sich. Sie warf schnell erklärend ein: „Kieran wurde von einem Silberfuchs infiziert. Sie sind Allesfresser und er hat eine sensible Nase und gute Ohren. Sein Haar war früher blond, seine Augen blau. Jetzt aber ist es schwarz, wie das Fell eines Silberfuchses und seine Augen grün-grau. Er hat sonst nur noch die Merkmale, dass er flink ist und gut klettern kann.“ Der Junge schnupperte. „Ratte, hm?“, fragte er und nickte. „Janda wurde von einem Eichhörnchen infiziert. Ihre Verwandlung schritt schnell voran und … sie kam damit nicht klar.“, Kieran nickte auf das Buch von ihr. „Sie hat darin alle Gedanken aufgeschrieben, die sie hatte. Und später schrieb ich für sie. Morris Gutsch weiß um unsere… ‚Besonderheiten‘. Und er lässt keine Sekunde aus, uns daran zu erinnern, dass er uns einen Platz gab.“, murrte Kieran und Amara wandte sich an Lianth: „Lianth, Eure Hilfsbereitschaft in Ehren, aber ihr solltet zusehen, dass Ihr von hier verschwindet.“, Kieran schnaubte. „Wir auch, Amara. Wir auch…“ Tami sah von einem zum anderen und stemmte daraufhin die Hände in die Hüften. „Und warum gehen wir dann nicht einfach?“, fragte sie und blickte Lianth an. „Uns hält hier doch nichts? Wir wollen nach Shyáná Nelle. Ich bringe Lianth zu seiner Familie zurück.“, plapperte Tami und blickte Amara und Kieran an. „Wohin wollt ihr?“, Amara und Kieran tauschten Blicke, ehe Kieran die Schultern zuckte. „Mal sehen. Hier bleibe ich aber gewiss nicht!“ Und Amara seufzte unglücklich.
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Re: Der Scheideweg

Beitrag von Lianth » Samstag 6. April 2024, 10:15

Lianth konnte Amaras Reaktion nicht wirklich verstehen. Ihre Signale überraschten ihn. Es war doch klar, dass Morris nun Hilfe benötigte. Sicher, der Shyáner war kaum in der Lage, bei schweren Aufbauarbeiten mit zur Hand zu gehen. Einen Balken konnte er ebenso wenig schleppen wie ihn mit Hammer und Nägeln zusammenzuzimmern. Vielleicht genügte es allerdings schon, die Leiter zu halten. Außerdem bekäme die Nachtelfe Unterstützung, falls sich jemand bei den Aufräumarbeiten und dem Wiederaufbau verletzte. Umso verwirrter verfolgte Lianth den kurzen Abtausch zwischen ihr und Morris. Letzterer entschied schlussendlich über den Kopf aller hinweg: "Er uns seine Begleitung bleiben noch und helfen! Basta!"
"Äh ... i-ich...", begann Lianth, aber sein Fiepsen kam kaum gegen die Masse an, die Morris allein schon bot. Seine Worte wurden von dessen bloßer Präsenz überrollt und er selbst wieder zum Schweigen gebracht. Er hatte zwar seine Hilfe zugesagt, das stimmte. Und natürlich würde Lianth sein Möglichstes dafür tun. Er konnte in dieser Richtung nicht Nein sagen. Tami allerdings schon und er hatte angemerkt, dass er sie dazu noch befragen wollte. Auch Amara schien nach diesem letzten Strohhalm zu greifen, denn offensichtlich missfiel ihr Lianths Entscheidung. Kurzerhand lotse sie ihn
unter dem Vorwand, ihm den Schlafplatz in ihrem Heim zeigen zu wollen, mit sich. Es ging hinaus ins Freie, aber statt zu Amaras Unterkunft verfolgte die Elfe Kierans und Tamis Spuren. Man brauchte nicht die feinen elfischen Sinne, um beide auszumachen. Tami war laut genug, so dass man schnell ahnte, sie konnte nur hinter dem Haus sein. Weil sie Kierans Namen aussprach, ließ sich schlussfolgern, dass der Bursche mit dem dunklen Schopf in ihrer Nähe sein musste.
Tatsächlich standen beide einander gegenüber und der rote Wirbelwind redete auf Kieran ein, wie sie es schon bei Lianth getan hatte. Der Shyáner fühlte sofort eine Art von Vebrindung zwischen sich und dem Jungen, denn sie waren beide Opfer von Tami geworde. Es reichte aber nicht, um ihm ein Mut machendes Lächeln zu schenken. Lianth hielt den Kopf zwischen die Schultern gesenkt und spielte eher Amaras Schatten, als jene sich dem Duo näherte.
"Shhh! Tami, nicht so laut. Man kann Euch hören!" Das half, sie zu unterbrechen, aber auch Lianth trug durch seine Haltung dazu bei. Scheinbar in Sorge wandte Tami sich nämlich sofort an ihren Begleiter und fragte, ob alles in Ordnung mit ihm sei. Er nickte zaghaft. Er sah nicht nervöser aus als sonst. Nun doch, ein wenig. Schließlich würde er gleich mit ihr besprechen müssen, ob sie blieben um zu helfen. Amara schien dagegen. Lianths Helferkomplex sprach eindeutig dafür. Es hing nun von Tami ab. Als der Elf sich dazu durchringen konnte, den Mund zu öffnen, drangen jedoch nicht seine Worte daraus hervor und auch nicht von seiner Stimme gesprochen. Ebenso wenig kamen sie aus seiner Richtung. Amara sprach, forderte die Jüngeren auf, ihr zu folgen. Gemeinsam ging es nun zu ihrem kleinen Kräutergarten, wo sie Lianth einlud, sich zu bedienen. Er nickte, wirkte nun aber nicht so zaghaft wie sonst. Als Heiler brauchte er regelmäßig pflanzliche Vorräte und würde sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Tatsächlich atmete er sogar auf, als er sich zwischen all die Pflanzen kniete. Endlich! Seine eigenen Vorräte waren erschreckend geschrumpft. Doch während die anderen sich unterhielten, stutzte er. Seine Augen glitzerten, als rührte jemand einmal kräftig den goldenen Honig herum. Behutsam streckte er seine Finger aus, um die Exoten des Kräutergartens zu berühren. Von den meisten kannte er nur Umschreibungen, von wenigen vereinzelte Bilder, aber beides war so detailliert verzeichnet worden, dass für ihn kein Zweifel bestand, welchen Kostbarkeiten er nun gegenüber saß. "Die Königin der Nacht ... Mondwinde ... leuchtender Purpurmantel ... Florencias Schatzkammer, fürwahr." Geradezu verliebt streichelte der Elf die samtweichen Blüten des Liliengewächses und tippte den strahlenden Hut des Pilzes an, der eigentlich nur im Reich der Nachtelfen zu finden war. Lianth war so fasziniert, dass er von Kierans Hintergrund nur unbewusst mitbekam. Seine Ohren nahmen das Gespräch auf und sicherlich registrierte er es auch irgendwo, aber vollauf hörte er nicht zu. Erst bei einer für ihn selbst essentiellen Aussage, fuhr er zusammen und riss unter einem nagetierhaften Fiepsen den Kopf herum.
"Aber er ist wie du, Kieran."
"Wie? Du hast auch dieses Virus?"

Lianth sprang auf die Beine zurück, ohne sich am Gaten bedient zu haben. Er starrte Kieran an, musterte ihn. Es gab Details, die plötzlich ins Auge sprangen, aber im Vergleich zu Lianths Veränderungen würde niemand sofort darauf schließen, dass sich hinter dem Burschen ebenfalls ein Infizierter verbarg. Er hatte weder Fellauswüchse noch einen Schwanz.
Amara klärte nun die ganze Geschichte auf, auch wenn es Kieran überhaupt nicht schmeckte, dass seine Wandlung so in den Mittelpunkt gestellt wurde. Lianth konnte es nachvollziehen, aber er konnte auch nicht aufhören zu starren. Im Gegensatz zu den meisten, die davon vielleicht erfuhren, fühlte er sich Kieran aber erneut ... verbunden. Tami hatte Recht. Es gab überraschend viele außerhalb von Shýana Nelle, die mit dem Virus zu kämpfen hatten. Lianth kannte in seiner Heimat nicht einen Elfen wie ihn und nun begegnete er schon dem zweiten Lebenden, der sein Schicksal teilte. Janda würde er leider zu nichts mehr befragen können, aber Kieran hatte sich mit ihr zusammengetan und ganz gleich, wieviel er wusste, es fühlte sich einfach gut an, mit dem eigenen Schicksal nicht vollkommen allein auf Celcia zu sein.
"Wir stellten Pulver, Tränke und Salben her, aber nichts davon erzielte eine ... Wirkung", seufzte Amara aus. Kieran wandte den Blick ab, um zu einem unsichtbaren Fixpunkt zu starren. Lianth betrachtete beide. Er wagte sich einen Schritt aus dem Kräuterbeet heraus, auf beide zu. "I-ich hatte a-auch kein Glück m-mit meinen ... V-Versuchen", murmelte er. Er hatte es versucht. Er hatte viele Experimente an sich durchgeführt und nahezu jegliche Form pflanzlicher Mittel angewandt, die ihm nicht aufgrund ihrer reinen Substanzen in den Tod jagten. Vellyn war bald hinzugekommen und hatte ihm die Mittelchen gebraut. Als Apotheker war er versierter, aber auch er hielt sich zurück, seinen Bruder Gift schlucken zu lassen. Beide Elfen glaubten ohnehin nicht an eine Heilung auf diesem Weg. Wenn, dann half nur etwas, das so unentdeckt war wie die Krankheit selbst. Deshalb hatte Lavellyn sein Brüderchen auch dazu ermutigt, in den Kapayu aufzubrechen. Deshalb allein war er nun hier.
"Welches Tier war es bei dir? Ich kann nicht leugnen, dass ich bei dir eher Beutetier rieche..." Kierans Andeutung genügte, dass Lianth fpnf kleine Schritte zurück und in die Schatten der Nacht wich. Er klammerte sich verkrampft wie ertappt an seiner Tasche fest, obwohl die Runde inzwischen wusste, dass sich zwei Wesen mit einem Wandlungsproblem in ihren Reihen befanden.
"Kieran wurde von einem Silberfuchs infiziert. Sie sind Allesfresser und er hat eine sensible Nase und gute Ohren."
"Ratte, hm?"
, fragte Kieran erneut nach, war sich aber schon ziemlich sicher. Seine Nase konnte vermutlich auch die bloße Angst spüren, die Lianth in sämtliche Glieder gefahren war. "B-bitte ... f-friss m-m-m-mich n-nicht! I-ich ... b-bin harmlos. I-ich bin ... k-kein M-Monster!" Er kauerte sich zusammen, behielt aber trotz aller Angst den Blick auf Kieran gerichtet. Vielleicht, weil sein Instinkt ihm sagte, dass man der Gefahr besser ins Auge schaute, um zu wissen, in welche Richtung man weglaufen musste. Doch dann legte sich eine unbekannte Ruhe über den Elfen. Die Bernsteine, die das Fenster zu seiner Seele bildeten, wuchsen. Er blinzelte einmal, ein zweites Mal. Schließlich bemerkte er, wie er aus seiner furchtsamen Kauerhaltung zurück in den aufrechten Stand kehrte. Vielleicht bemerkte Tami als einzige, dass er sich dabei ausnahmweise so groß machte, wie er nun einmal war und nicht immer etwas gebeugter, weil er sich vor Scheu duckte. Er vergaß es gerade. Stattdessen war sein Blick vollkommen auf Kieran ausgerichtet. "W-wir beide ... s-sind keine", bemerkte er. Vor ihm stand keine Bestie und niemand, der ihn anfallen und fressen würde. Kieran war ein Verbündete, ein Gleichgesinnter. Sie beide kämpften mit denselben Ängsten. Sie beide sahen nicht nach Ungeheuer aus. Vor ihm stand ein Junge, der ebenso versuchte, sein Geheimnis zu wahren und jegliche Anzeichen auf Entdeckung verhindern wollte. Vor ihm ... stand ein Junge. Kieran war einfach nur ein Junge, dunkles Haar, schöne grüne Augen - allein mit seinem Schicksal. Mutig. So hatte Lavellyn seinen eigenen Bruder genannt, um ihn aufzubauen. Lianth gab nicht auf, auch wenn er sich lang und oft in seine Kammer zurückzog. Aber er hätte auch Jandas Weg wählen und allem ein Ende bereiten können. Doch dazu blieb er zu mutig, zu hoffnungsvoll. Kieran ging es ähnlich. Er hatte dem verstorbenen Eichhörnchen das Schreiben abgenommen, als es nicht mehr ging. Er hatte mit ihr Aufzeichnungen festgehalten, selbst Experimente versucht. Auch er kannte keinen Ausweg und dennoch gab er ebensowenig auf wie Lianth.
Der Shyáner stapfte an Tami und Amara vorbei, bis er direkt vor Kieran stand. Noch immer umgab ihn eine innere Ruhe, für die allein sein Bruder einfach nur stolz gewesen wäre. Und dann war er nur noch mutiger. Er hielt dem anderen Virusbefallenen seine Hand hin, die Finger zitterten nur minimal vor Nervosität. Dafür war seine Stimme klar und frei von Gestammel: "Ich bin Lianth Farnhain, aus Shyána Nelle. Ich ... bin wohl bald eine Ratte, ja." Er wich scheu Kierans Blick aus. Auch wenn es ihm gelungen war, es nun offen auszusprechen, so schämte er sich, als wäre sein Schicksal seine eigene Schuld. "U-und T-Tami und ich b-bleiben im Dorf, u-um zu helfen. D-dann könnten wi-"
"Lianth, Eure Hilfsbereitschaft in Ehren, aber ihr solltet zusehen, dass ihr von hier verschwindet."
"Wir auch, Amara. Wir auch..."
"Und warum gehen wir dann nicht einfach?"
Tami war so schrecklich unkompliziert, dass Lianth sie nur mögen konnte. Sie machte mit ihrem Geplapper vielleicht eine Menge Lärm und wirbelte einiges auf, aber ... ihre Worte lösten Knoten auf derart simple Weise, als hätte es nie Probleme gegeben. Lianths Zutand war für sie auch keine große Sache gewesen. "Uns hält hier doch nichts? Wir wollen nach Shyána Nelle. Ich bringe Lianth zu seiner Familie zurück. Wohin wollt ihr?"
"Mal sehen. Hier bleibe ich aber gewiss nicht!"

"W-was i-ist denn d-das Problem hier?", fragte Lianth. Er verstand, dass Tami weiterziehen wollte. Aber er sah auch die Notwendigkeit, dass das Dorf nun wenigstens ein neues Hauptgebäude brauchte. Was ihn verwirrte waren Kierans und Amaras Reaktionen, sowie ihr Wunsch, diesen Ort verlassen zu wollen. "K-Können wir d-denn einfach so ... l-los? I-ich hab Morris gesagt, i-ich helfe..." Zumindest der Elf befand sich nun in einem kleinen Dilemma. Er konnte sich von diesem Versprechen doch nicht einfach lösen. Er konnte seine Hilfe nicht verwehren. "Ohje..."
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