Neuanfang im Kloster

Ein alter Priester hat dieses wunderschöne Kloster errichtet. Es besitzt einen Garten, Friedhof und neben den Beträumen und Schlafzellen sogar einige Zimmer für Reisende.
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Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Freitag 27. Mai 2016, 09:36

Merek stand mit dem Rücken gegen die Stallmauer gelehnt und blickte auf das Kloster. Der Schatten des Gebäudes hatte sich schützend über ihn gelegt, sodass er nicht von der gleißend hellen Sonne geblendet wurde. Noch schlimmer als schöne Tage waren schöne Tage bei Schnee. Nicht nur stand die Sonne tief, sondern es blendete ihn nicht nur von oben, sondern auch die Reflexion des Lichtes schmerzte in seinen Augen. Dennoch empfand er es als angenehm, dass es aufgehört hatte zu schneien. Das Jagen war in den letzten Tagen schier unmöglich gewesen und so gab es seit seiner Ankunft im Kloster nur Brühe mit mehligen Kartoffeln zum Mittag. Natürlich konnte er sich glücklich schätzen, überhaupt eine warme Mahlzeit bekommen zu haben. Hätte er sich weiterhin in der Wildnis aufgehalten, wäre er in den letzten Nächten sicherlich mit leerem Magen zu Bett gegangen. Wenn er nicht vorher erfroren wäre.
Das Leben im Kloster gestaltete sich für ihn als schwierig. Nach anderthalb Jahren als Einsiedler, war auf einmal wieder Leben um ihn herum. Kreaturen aller Ethnien befanden sich hier im Kloster. Beinahe hatte er vergessen, wie man Gespräche führte und aufrecht erhielt, wenn man denn in eines verwickelt wurde. Bisher hatte er keine nennenswerten Bekanntschaften gemacht. Manche beäugelten ihn missbilligend, manche ignorierten ihn. Es war ihm egal. Sobald der Schnee geschmolzen war und der Frühling etwas Wärme mit sich brachte, würde er von Dannen ziehen.
Viele Mönche lebten in den alten Gemäuern. Merek hatte mitbekommen, dass sie sich der Energiemagie verschrieben hatten. Davon gehört hatte er schonmal. Jedoch schienen viele von ihnen die längste Zeit ihres Lebens mit Meditieren zu verbringen. Meditation war in seinem Studium auch Teil der Ausbildung gewesen. Dabei fokussierte man sich aber auf eine gewisse Aufgabe, die man zu erledigen hatte, um sie dann auch zu erledigen. Nicht der Ruhe wegen. Merek hatte beinahe einen gesamten Tag damit verbracht, einer kleinen Gruppe von Mönchen bei ihrer Mediation zuzusehen. Nichts war geschehen. Dann hatte er aufgegeben.

Merek griff nach der Mistgabel und stapfte durch den Schnee zurück in den Stall. Eine Hälfte hatte er bereits ausgemistet. Um die anderen 6 Boxen würde er sich nun kümmern. Ställe ausmisten war anstrengenden Arbeit. Er brachte die Pferde heraus, band sie fest, mistete die Box aus und musste gelegentlich neues Stroh hineingeben. Dann waren noch die Pferde mit Heu und Wasser zu versorgen. Das Wasser musste erst aus einem Brunnen geschöpft und herbeigetragen werden. Wieso hatte man nicht einen zweiten Brunnen vor den Stallungen errichtet?
Merek seufzte erleichtert, als er das letzte Pferd wieder in seine Box brachte. Es war ein breitschultriges, braunes Arbeitstier, das sicher große Lasten tragen konnte. Aber es war störrig und eigensinnig. Zweimal hatte es nach Mereks Hand geschnappt, als er ihm ein Halfter anlegen wollte. Zweimal hatte es versucht, ihn mit den Vorderhufen beim Scharren zu erwischen. Doch Merek wich schnell zur Seite. “So, mein Guter”, er tätschelte die Wange des Tieres, “Haben wir es also doch noch geschafft!” Der Braune wieherte leise und schüttelte den Kopf, bevor er elegant den Schweif anhob und einen Haufen Pferdeäpfel in das frische Stroh fallen lies.
“Ehrlich?”, fragte Merek, die Augenbrauen hochgezogen. Wieder ein leises Wiehern. Merek schnaubte leise. Natürlich.

Draußen ruhte er sich nach getaner Arbeit ein wenig auf einem umgekippten Baumstamm aus. Er sah zu, wie ein paar kräftige Männer Feuerholz hackten.
“He, Schwarzauge! Was glotzt du denn so in der Gegend herum? Hast du nichts zu arbeiten?” Merek wandte sich um. Er erkannte diese Stimme, noch ehe er seinen Besitzer ausfindig machen konnte. Ein Anflug von Wut durchfuhr seinen Körper. Was bildete der Kerl sich eigentlich ein? Sie hatten keine 5 Worte miteinander gewechselt und er meinte, ihm schon Spitznamen geben zu dürfen. Er sah dem Mann fest in die Augen.
“Mein Name ist Merek. Und IHR werdet mich auch bitte so nennen!”

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Dienstag 31. Mai 2016, 22:16

Der Mann, dem Merek gegenüberstand, wurde selber nur "Schelle" genannt und stand mit verschränkten Armen und einem breiten - nach Mereks Empfinden höhnischen - Grinsen vor ihm. Der Name schien naheliegend, denn am Knopfloch der Brusttasche an seiner dicken abgewetzten Jacke hing eine kleine Glocke, die allerdings nicht klingelte. Besah man sich die großen, nein riesigen, schwieligen Hände von Schelle, drängte sich jedoch auch eine zweite Deutungsmöglichkeit auf. Ansonsten besaß der braunhaarige Kerl, der vielleicht auf die vierzig zuging, nicht unbedingt einen SO gewaltigen Körperbau, aber man musste sich fragen, woher er diese Pranken bekommen hatte.

Schelle also.
“Mein Name ist Merek. Und IHR werdet mich auch bitte so nennen!”
Die Brauen des Mannes hoben sich und er deutete mit dem Oberkörper eine Verbeugung an: "Oh, Verzeihung Herr Prinzessin Merek." Hatte sein erster Zuruf vielleicht noch bärbeißig jovial geklungen, so troff die Stimme nun vor Spott. "Geruhen Ihro Gnaden also weiter durch die Gegend zu glotzen, oder wolle Er vielleicht den Arsch hoch bequemen, um uns bei schnöder Arbeit zur Hand zu gehen?"
Die Männer bei den Hackklötzen lachten rauh, hörten dabei aber nicht mit dem Hacken auf, dessen Geräusche fast rythmisch - oder nervtötend - die Stille zerstörten. Zu allem Überfluss wehte in diesem Moment auch noch eine Windböe Schnee vom Stalldach und wie eine fein zerstäubte kalte Dusche über den ehemaligen Lichtmagier, was Schelles Grinsen noch zu verstärken schien. Mit Knirschen ging eine Tür zu einem der Seitengebäude auf und eine der berobten Mönchsfiguren betrat den Platz, schien der Szenerie vor dem Stall aber keine Beachtung zu schenken.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Mittwoch 1. Juni 2016, 18:29

"Oh, Verzeihung Herr Prinzessin Merek." Wie gerne wäre er bei Schelles angedeuteter Verbeugung aufgestanden und hätte einfach sein Knie hochgezogen. Sachte, nur einmal kurz die Nase streifen. Ganz, wie es sich für eine Prinzessin gehörte. Doch er blieb ruhig sitzen, stocksteif, die Hände zu Fäusten geballt. Er spürte, wie seine Knöchel knackten. Er konzentrierte sich auf den Schmerz, den seine Fingernägel ihm zufügten, während sie sich feste in seine Handinnenflächen krallten.
Bleib ruhig!
Reiß einen blöden Witz!

Er öffnete kurz den Mund, um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder. Er kannte keinen blöden Witz.
Merek war so einen rauen Umgang nicht gewohnt. In Zyranus waren alle nett zueinander und während seiner Zeit alleine, hatte er, abgesehen von seinem Pferd, nie Gesellschaft gehabt. Den einen oder anderen Plausch mit einem Reisenden oder Händler zählte er nicht. An diesen Ton musste er sich erst gewöhnen.
"Geruhen Ihre Gnaden also weiter durch die Gegend zu glotzen, oder wolle Er vielleicht den Arsch hoch bequemen, um uns bei schnöder Arbeit zur Hand zu gehen?" Er hörte, wie die anderen sich über ihn lustig machten, während sie mit ihren groben Beilen weiter rhythmisch auf das Holz schlugen. Seine Arbeit hatte er bereits verrichtet. Sie hatten ihre selbst zu erledigen. Zudem hatte er noch nie ein Beil in seinen Händen gehalten. Bei der schlechten Sicht, die er dank des grellen Schnees hatte, würde er sich eher ein Bein abhacken, als irgendein Holzstück auf dem Schneebedeckten Boden. Nicht, dass er einen der Männer um eine Anleitung zum Holzhacken fragen konnte, ohne dass er sich völlig lächerlich machte. Er wusste nicht einmal, wie er einen Beil halten musste, um eine passable Kraftübertragung zu erreichen. Jeder hatte seine Qualitäten. Das war nicht eine von ihm.

Merek stand auf, um einigermaßen mit Schelle auf Augenhöhe zu sein. Mit zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen sah er den Pöbel an. Er reckte sich, soweit er konnte, um auch nur einen Zentimeter größer zu wirken. Er ging Schelle gerade bis zum Kinn. Sein Herz pochte angestrengt in seiner Brust. Es ärgerte ihn, dass er nichts hatte kontern können; dass er so dargestellt wurde, als hätte er nichts zum Gemeinwohl beigetragen.
Eine Windböe blies ihm die dunklen Haare ins Gesicht.
Platsch.
Mist, verdammter!
Merek schnaubte. Mit beiden Händen wild fuchtelnd, versuchte er das kalte, weiße Nass aus seinem Kragen zu schaufeln. Schnee und er, sie würden keine Freunde werden. Nicht nur, dass das grelle Weiß bestialisch seine Sicht minderte, es ihn in dieses Kloster gelockt hatte, nein, es musste nun auch noch zur Belustigung anderer beitragen. Einen Moment lang dachte er darüber nach, einfach eine Hand voll Schnee in Schelles Gesicht zu werfen, wie Rowan und er es früher immer mit ihren Freunden gemacht hatten. Nur etwas weniger spielerisch.
Der Braunhaarige blickte ihn breit grinsend an. Die Wut in Merek wuchs langsam. Es brauchte nicht mehr viel, bis er genug hatte. Seine Gedanken wurden durch das Knirschen einer Tür unterbrochen, die in der Nähe geöffnet wurde und wieder zufiel. Ein Mönch trat in die gleißende Sonne und ging seinen Weg über den Hof. Er würdigte sie keines Blickes.

"Ich habe meinen Teil bereits erledigt, also erledigt Ihr", Merek hielt kurz inne. Er hatte bereits gemerkt, dass er mit einer höflichen Anrede hier nicht weit kam und sich eher lächerlich machte, "also erledigst du deine! Ich bin hier nicht zugeteilt!" Die Fäuste geballt, wandte er sich zum Gehen. Ein kleiner Teil in ihm hätte gerne geholfen, wie er es früher in seiner Heimat auch getan hätte. Früher. Aber die Art, wie er angegangen wurde, ließ Wut in ihm aufkommen. Sein Hals war trocken, als er versuchte zu schlucken. Die Lippen presste er fest aufeinander, schwer durch die Nase ausatmend.
Kontrolle. Er musste Kontrolle bewahren.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Sonntag 5. Juni 2016, 22:59

Der Braunhaarige blickte ihn breit grinsend an. Die Wut in Merek wuchs langsam. Es brauchte nicht mehr viel, bis er genug hatte.
"Ich habe meinen Teil bereits erledigt, also erledigt Ihr", Merek hielt kurz inne. Er hatte bereits gemerkt, dass er mit einer höflichen Anrede hier nicht weit kam und sich eher lächerlich machte, "also erledigst du deine! Ich bin hier nicht zugeteilt!"
Die Fäuste geballt, wandte er sich zum Gehen.

Ein schwer definierbares Brummen folgte von schräg hinter ihm. "Gemerkt, Prinzessin." Grammatikalisch korrekt sollte das kurze Gebrummel wohl "Das habe ich mir gemerkt, Prinzessin" heißen - aber wieso hatte Merek das gerade überhaupt gehört? Kontrolle. Er musste Kontrolle bewahren. Dass er sich sich selber entfremdet vorkam, war nichts Neues, aber diesen Lidschlag lang stand er wirklich neben sich und ein Teil seines Verstandes registrierte, dass er selbst auf diese kurze Distanz dieses fast tonlose Geblubber hinter sich mit seinen Ohren nicht hätte hören können - und sicher nicht hätte hören sollen.
Kontrolle. Er musste Kontrolle bewahren. Wie durch eine Wand aus Glas von der Emotion getrennt fühlte es sich an, wie die Wut unter dem Deckel seiner Kontrolle weiter hochkochen wollte.

Sein Kopf ruckte unwillkürlich und fast wie unter Zwang einmal herum und er blickte noch einmal zurück zu Schelle, nachdem er sich zum Gehen gewandt schon ein oder zwei Schritte von ihm fort bewegt hatte.
Und was er sah war ein grober Möchtegern-Haudrauf, dessen Gesicht bald so weiß war wie der verdammte Schnee um ihn drum herum. Schelle starrte Merek einfach nur an, die Augen tellergroß. Was war los? In Mereks Ohren dröhnte es, ohne dass er einen Ton gehört hatte, und im nächsten Augenblick wurde ihm bewusst, dass es totenstill um ihn herum war. Er hörte gar nichts, oder? Die Männer an den Hackklötzen hatten in ihrer Arbeit inne gehalten und sahen ihn ebenfalls an. Einer war zurückgewichen. Einer machte mit hektischem Gefuchtel gerade eine Geste, die Merek als abergläubischen Unfug kannte, mit dem man angeblich böse Geister und ähnliches vertreibe.
Hörte er wirklich nichts? Doch: jeder Tropfen nicht gefrorenen Wassers, der in seiner weiteren Umgebung irgendwo herunter tropfte, klingelte, dass es schon nach einer kurzen Weile Zuhören nerven konnte. Die Männer atmeten. Schelles Herzschlag wummerte gegen seine Brust. Ein köstlicher Ton, den ein Teil von Merek gerade liebend gerne zum ewigen Schweigen gebracht hätte...
Der ehemalige Lichtmagier war zum Glück genügend in den Grundgesetzen der Magie geschult, dass er nach dieser ersten Überraschung verhältnismäßig schnell begriff, dass hier ein Zauber seine Wirkung entfaltet haben musste, den er bisher noch nicht kannte:

Alles schien still, aber auf welche Geräusche auch immer er sich gerade zu konzentrieren versuchte, sie erschienen ihm innerhalb eines gewissen Wirkbereiches unverhältnismäßig laut; das berühmte "die Stecknadel im Raum fallen hören können" wurde gerade bei ihm Realität. Es war dem Effekt vergleichbar, wenn einem zu nachtschlafender Zeit im Dunkeln selbst leise Geräusche ungewöhnlich laut vorkamen.
Merek hörte ein Knirschen und schloß die Augen, weil es schon nach wenigen Schritten, die der Mönch durch den Schnee tat, fast unerträglich wurde und in seinem Kopf widerhallte. Überhaupt setzte im wahrsten Sinne des Wortes dröhnender Kopfschmerz ein. Was war los? Was mochten die anderen gerade an ihm sehen, was sie so schockierte?
Der Mönch behielt Merek ernst und starr im Blick, während er Schelle die Hand in beruhigender, aber auch mit Bestimmtheit dirigierender Geste auf die Schulter legte. "Geh", sagte er leise und scheuchte mit minimalistischem Deut auch die anderen fort, die dieser Aufforderung nur zu gerne zu folgen schienen.
Dann schob der Mönch die Hände in seine Ärmel und konzentrierte sich wieder auf den Magier, atmete einmal tief durch.
Er schien einen Zauber zu wirken, vermutlich etwas Defensives oder rein auf den Mönch bezogenes, dafür hatte man als Magier irgendwann eine Art Ahnung oder Gespür, aber der Berobte sagte nichts und schien weder Furcht noch Ärger zu verströmen. Er schien einfach nur wachsam zu warten. Es konnte Merek eigentlich nur recht sein, denn er war genügend mit sich selbst beschäftigt.
Aber was war los?
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Donnerstag 9. Juni 2016, 18:54

“Gemerkt, Prinzessin.” Merek hasste es, wenn Menschen nicht wussten, wo sie einen Schlussstrich zu ziehen hatten. Dieser Schelle hatte jede Form von Anstand verloren. Wahrscheinlich hatte er diesen niemals besessen.
Er hielt inne.
Wieso hatte Merek das gerade überhaupt gehört?
Diese zwei einfachen Worte hallten in seinem Kopf wider. Zu weit war er entfernt von Schelle, um dessen grummelnde Laute verstehen zu können. Sein Mund war trocken. Dennoch versuchte er, die letzten Spuren des Speichels seiner kratzigen Kehle hinunter zu würgen.
Zur Hölle mit ihm!
Sein Kopf ruckte unwillkürlich und fast wie unter Zwang einmal herum und er blickte noch einmal zurück zu Schelle, nachdem er sich zum Gehen gewandt schon ein oder zwei Schritte von ihm fort bewegt hatte.
Merek sah seinem Gegenüber fest in die Augen, wollte ihn gerade anfauchen, da sah er Schelle vor sich stehen, bleich wie das weiße Nass um sie herum, die Augen weit aufgerissen. Der Rüpel wirkte so mindestens einen halben Kopf kleiner, wie er da stand, als hätte er einen Geist gesehen. Merek runzelte die Stirn. Wenn dort etwas hinter ihm gewesen wäre, hätte er das vor ein paar Momenten gesehen. Doch außer dem Mönch und den anderen Holzhackern befand sich niemand in der Nähe. Oder?
Gerade wollte Merek sich umdrehen, um nachzusehen, dann realisierte er, dass der starre Blick ihm, dem Magier, galt. Was sah Schelle, das er selbst nicht wahrnahm?
Schmerzverzerrt zuckte er zusammen, als es in seinen Ohren dröhnte. Reflexartig griff seine rechte Hand Richtung Ohr.
Verdammt! Wo kommt das her?
Niemand hatte etwas gesagt. Es wehte kein Wind. Der Schnee lag ruhig wie ein Schleier auf dem Boden. Es waren keine Tiere in der Nähe, die Laute von sich gaben.
Er hörte gar nichts, oder? Die Männer an den Hackklötzen hatten in ihrer Arbeit inne gehalten und sahen ihn ebenfalls an. Einer war zurückgewichen. Einer machte mit hektischem Gefuchtel gerade eine Geste, die Merek als abergläubischen Unfug kannte, mit dem man angeblich böse Geister und ähnliches vertreibe.
Hörte er wirklich nichts? Es herrschte doch Totenstille. Angestrengt presste Merek den Atem durch seine Zähne. Er brauchte einen Moment, um das Dröhnen in seinem Kopf einordnen zu können. Es war ein Herzschlag. Sein Herzschlag, der mit dem Pulsieren seiner Schläfen einher ging. erzürnt wandte Merek sich um. Ein Tropfen klingelte in seinen Ohren. Wasser, dass sich aufgrund der Sonne aus seinem Schneeverbund gelöst hatte und nun zu Boden fiel. Er wollte sich die Ohren zuhalten, doch etwas in ihm ahnte, dass dies nicht funktionierte. Was passiert mit mir? Kräftig ging sein Atem. Er fühlte sich, als würde er die Szene beobachten, ohne ein Teil davon zu sein. Er sah sich selbst vor Schelle stehen, im Weggehen. Doch aus einem unverständlichen Grund konnte er seine Füße nicht vom Boden lösen. Ruhe. Er wollte einfach nur Ruhe.
Er vernahm einen weiteren Herzschlag. Einen schnelleren, härteren, der nicht der seine zu sein schien. Schelle. Unwillkürlich musste Merek Grinsen. Wie gerne hätte er diesem gerade ein Ende bereitet? Wie gerne hätte er gezeigt, dass seine ‘Prinzessin’ eher eine Wilde war?
Er hat mir nichts getan. Merek blickte in Schelles angsterfülltes Gesicht. Aber er hätte es mit Sicherheit verdient. Mit einer Hand drückte er sein anderes Handgelenk, bis es schmerzte. Würde er ihn verletzen, wäre er nicht besser als sein Bruder. Er durfte nicht grundlos morden. Er spürte, wie wieder Speichel in seinen Mund floss, wie bei einer wilden Bestie, die seine Beute fixiert hatte und nur auf den Richtigen Moment wartete, um sie zu packen und zu töten.

Der Magier wusste, er musste einen Zauber wirken. Nur mit Mühe formulierte er sich selbst den Gedanken, dass er eigentlich gar keinen Zauber wirken wollte. Schon gar keinen, den er nicht kannte, der ihm mehr Schmerzen als Nutzen brachte. Was tat er überhaupt? Er spürte, wie die Energie in ihm dafür verwendet wurde, um in etwas anderes Entwickelt zu werden. Er fühlte die Anstrengung, die ihn die Magie kostete. Seinen Herzschlag, der rapide an Geschwindigkeit zunahm. Seine Augen, die nur noch mit Mühe seinen Gegenüber fokussieren konnten, weil die Welt um ihn herum verschwamm. Doch seine Ohren schienen alle Laute in der Umgebung förmlich aufzusaugen.
Das Knirschen des Schnees riss ihn aus seinen Gedanken. Gerade hatte er sich einigermaßen an die Geräuschkulisse gewöhnt, jetzt musste sich der alte Mann auch noch in Bewegung setzen. Wieder kochte ein Schwall Wut in ihm auf. Er wollte sagen: “Haltet Euch raus, alter Mann!”, doch in diesem Moment setzte ein beißender Kopfschmerz ein, sein Schädel schien beinahe in tausend Stücke zu zerschellen.
Mit zusammengekniffenen Augen erblickte Merek die Männer, die mit ihren Äxten wie gebannt dastanden und scheinbar unfähig waren, sich vom Fleck zu bewegen.
Was war los? Was mochten die anderen gerade an ihm sehen, was sie so schockierte?
Merek verstand noch immer nicht. Was auch immer er tat, es verängstigte die Männer. Nur der Mönch, der neben Schelle trat, schien unberührt. Ernst blickte der Alte in seine Richtung, während er den eben noch vorlauten Schelle beruhigen musste.
Er schickte sie weg. Alle. Warum sollten sie weg? War er etwa…gefährlich? Ein Gedanke, der ihn gleichzeitig schockierte und ihm Freude bereitete. Eine tiefe Zufriedenheit, die Merek in diesen Tagen nur selten empfand.
Dann schob der Mönch die Hände in seine Ärmel und konzentrierte sich wieder auf den Magier, atmete einmal tief durch. Er schien einen Zauber zu wirken, vermutlich etwas Defensives oder rein auf den Mönch bezogenes, dafür hatte man als Magier irgendwann eine Art Ahnung oder Gespür, aber der Berobte sagte nichts und schien weder Furcht noch Ärger zu verströmen. Er schien einfach nur wachsam zu warten.
Die Augen fest auf den Mönch gerichtet, stand Merek einige Augenblicke einfach nur da. Er wusste nicht, ob ihn diese Unbefangenheit aufregte, oder ob der Geistliche sogar beruhigend auf ihn wirkte. Erneut durchfuhr ihn ein beißender Schmerz. Dann sank er einfach auf die Knie, den Kopf mit seinen Händen haltend, den Blick gen Boden gerichtet. Sein Puls pochte in seinen Schläfen.
“Ich wollte nicht…” Er suchte nach Worten, schüttelte den Kopf, was mit einem stechenden Schmerz in seiner rechten Schädelhälfte quittiert wurde. Sein Atem kam noch immer schnell und unkontrolliert. Jeder Atemzug brannte in seiner Brust. Ja, was wollte ich nicht? Schelle Leid zufügen? Ihn umbringen? Das kalte Nass des Schnees fraß sich langsam durch seine Lederhose. Er spürte das Klamme an seinen Beinen, ignorierte es jedoch. Er hatte einen Zauber gewirkt, ohne zu wissen, was er da tat. Schon wieder. Nichts Bekanntes, nichts, was er kontrollieren konnte. Etwas, von dem er nicht wusste, was genau es war und wie er es handhaben musste. Er suchte nach einer Legitimierung seiner Handlung, doch er fand keine. Woher die Wut? Woher der Kontrollverlust? Hatte er nicht gelernt und gelebt, Magie nicht zum Schaden anderer einzusetzen? Hatte er nicht diejenigen verachtet, die ihre Macht nutzten, um andere umzubringen? Seine Hände vergruben sich in den Schnee. Wäre ich weitergegangen, hätte ich Kontrolle über das gehabt, was ich tat? Hätte ich ihn wirklich getötet? Hätte ich ihn töten können?
“Ich wollte niemandem etwas antun.” Seine Laute waren nur ein kehliges Krächzen, das mehr ihm selbst galt als seinem Gegenüber.
Ich dreckiger Lügner.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 9. Juni 2016, 22:51

Erneut durchfuhr ihn ein beißender Schmerz. Dann sank er einfach auf die Knie, den Kopf mit seinen Händen haltend, den Blick gen Boden gerichtet.
“Ich wollte nicht…”
“Ich wollte niemandem etwas antun.” Ich dreckiger Lügner.

Fast, als hätte der Mönch den Gedanken gelesen - vielleicht war es aber auch einfach nur zu offensichtlich - erklang die sonore Antwort:
"Ich glaube Euch. Zumindest zu einem gewissen Teil."
Die völlige Ausgeglichenheit der Stimme mit feinen Nuancen in der Betonung konnte tatsächlich etwas Beruhigendes haben. Der Mönch kam langsam zwei kleine Schritte näher, noch ohne in Armreichweite des knienden Mannes zu kommen, und schaute mit Gleichgültigkeit oder leichter Besorgnis zu Merek herab, je nachdem, was man der fast ausdruckslosen Mimik unterstellen wollte. "Ihr habt Schmerzen?" Der ältere Mann, der bei näherer Betrachtung um die 50 Jahre alt sein mochte, balancierte auf einem schmalen Grat zwischen Frage und Feststellung. "Ich kann Euch zu einem Raum bringen, in dem sich das womöglich bessern könnte."
Warum klang der Mönch dabei so vorsichtig? Die vage Formulierung klang glatt nach einer Falle.

Andererseits klang jedes in Aussicht stellen von Linderung überaus verlockend. Mereks Schädel dröhnte noch immer fürchterlich. Selbst wenn für Magiere Kopfschmerzen ein durchaus normales Phänomen bei langen Lektüren waren, diesen Zustand konnte niemand lange haben wollen! Früher... hätte der Lichtmagier Merek sich bereits selbst hiervon geheilt. Für einen Moment, als der Mönch sich genähert hatte, glaubte er noch, ein feines Knistern zu vernehmen, feiner sogar als bei Feuer. Es war nicht der knirschende Schnee. Es war so flüchtig, dass ihm sein gerade sowieso durchdrehender Hörsinn auch einen Streich spielen mochte.
Schon die leichte Annäherung verursachte bei Merek ein Aufrichten der Nackenhaare, als stelle der Mönch für ihn eine Bedrohung dar.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Sonntag 12. Juni 2016, 09:47

"Ich glaube Euch. Zumindest zu einem gewissen Teil.” Ich nehme mir das ja noch nicht einmal selbst ab. Kaum merklich schüttelte Merek unbewusst den Kopf. Nur so stark, dass der Schmerz nicht an Intensität zunahm. Es war von Anfang an ein Fehler gewesen, hierher zu kommen. Niemals hätte er sich anderen Menschen anschließen sollen. Nun geschah das Unvermeidliche. Er brachte Ärger mit sich. Ob der Mönch ihm wahrlich glaubte, spielte eigentlich keine Rolle. Er konnte dieser absolut ruhigen, ausgeglichenen Person nicht abnehmen, was sie von ihm wollte. Es war doch vorbei, oder nicht?
Der Mann kam zwei Schritte auf ihn zu. ”Ihr habt Schmerzen?” Der ältere Mann, der bei näherer Betrachtung um die 50 Jahre alt sein mochte, balancierte auf einem schmalen Grat zwischen Frage und Feststellung.
Merek sah auf, die Stirn in Falten gelegt. Sieht es etwa so aus, als hätte ich Schmerzen? Er blieb still. Wahrscheinlich meinte er es nur gut. Vielleicht wollte er helfen. Vielleicht konnte er sogar etwas gegen diese Kopfschmerzen unternehmen. Vielleicht… Einen wirklich klaren Gedanken zu fassen, war sehr anstrengend für den ausgelaugten Magier. Das Pochen und Stechen in seinem Kopf schien sich nicht beruhigen zu wollen. Die Gegenwart des Mönches änderte dies nicht unbedingt zum Positiven.
"Ich kann Euch zu einem Raum bringen, in dem sich das womöglich bessern könnte.” Die Aussicht auf Besserung klang für den Geplagten äußerst einlandend. In einem vergangenen Leben hätte Merek seinem Leiden bereits ein Ende gesetzt. Selten hatte er seine früheren Fähigkeiten so vermisst, wie in diesem Augenblick. Fähigkeiten, die ihm immer so selbstverständlich erschienen waren, als er sie noch nutzen konnte. Jetzt benötigte er Hilfe. Und wie durch einen glücklichen Zukunft, sollte er diese auch bekommen.
Ein Raum, in dem sich das womöglich bessern könnte? Merek ließ sich die Worte des Geistlichen nochmals genauer durch den dröhnenden Kopf gehen. Was konnte es für einen Raum geben, der ihm die Schmerzen nehmen konnte? Gab es Räume, die Lichtmagie enthielten? Oder gar heilende Kräfte hatten? Merek kniff die Augen zusammen, als ihm ein anderer Gedanke kam: Was, wenn es ein Gefängnis war. Eine Möglichkeit, seine magischen Fähigkeiten auszuschalten, solange er sich darin befand? Was, wenn er ihn in Ketten legen und wegsperren wollte? Ihn gar umbringen? Denk nach. Es gibt keinen Grund, mir selbstlos helfen zu wollen. Wobei die Definition von Hilfe sehr weit gefasst sein kann. Meine Schmerzen sind auch vergangen, wenn ich nicht mehr bin. Merek stöhnte leise auf, als er versuchte, sich auf einem Knie abzustützen. Er fühlte sich müde und ausgelaugt. Der Mönch hatte seinen Blick weiter fest auf ihn gerichtet. Es war schwierig, unter der tief ins Gesicht gezogenen Kapuze seine Augen auszumachen. Gerne hätte er sie gesehen, die beobachtet. In ihnen zu lesen versucht, welche Absichten er verfolgte. Doch dies blieb ihm verwehrt.
Für einen Moment, als der Mönch sich genähert hatte, glaubte er noch, ein feines Knistern zu vernehmen, feiner sogar als bei Feuer. Es war nicht der knirschende Schnee. Es war so flüchtig, dass ihm sein gerade sowieso durchdrehender Hörsinn auch einen Streich spielen mochte.
Doch er hatte definitiv etwas vernommen. Oder? Es fiel ihm schwer, sich zu konzentrieren, seine Aufmerksamkeit etwas anderem zu widmen, als seinem Kopf. Die anderen Schmerzen konnte er gut ausblenden, die zehrten nicht an seinem Verstand.
Schon die leichte Annäherung verursachte bei Merek ein Aufrichten der Nackenhaare, als stelle der Mönch für ihn eine Bedrohung dar.
Eine Gänsehaut machte sich auf seinem gesamten Körper breit, während ein Schauer über seinen Rücken fuhr. Wirkte der Mönch anfangs noch beruhigend auf ihn, verspürte er nun pure Abneigung. Beinahe sogar Furcht.
Es kostete ihn viel Mühe, ein paar höfliche Worte an den Geistlichen zu verfassen: “Vielen Dank, Euer Hochwürden, aber das wird nicht vonnöten sein!” Er bemühte sich um ein Lächeln, um seine Aussage zu unterstreichen. Auf keinen Fall wollte er Schwäche zeigen. Mit aller Kraft nahm er sich zusammen und zog seinen Körper, sich auf dem aufgestellten Knie abstützend, nach oben. Er wankte ein paar Schritte und die Welt schien sich für einen Moment lang zu drehen, bevor er einen einigermaßen festen Stand fand. Der Mönch war ihm für seinen Geschmack zu nahe gekommen. Viel zu nah.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Montag 13. Juni 2016, 16:47

“Vielen Dank, Euer Hochwürden, aber das wird nicht vonnöten sein!” Mit Mühe kämpfte sich Merek wieder auf beide Füße und brauchte einen Moment, bis seine Umgebung aufhörte, sich zu drehen, als hätte er zu viel getrunken. Der Mönch beobachtete ihn weiterhin aufmerksam und in einer reservierten, nichtssagenden Haltung. Er nickte angedeutet zu der höflichen Floskel, die sein Gegenüber von sich gab und selbst was er davon hielt, war schwer einzuschätzen.
Die Wirkung des Zaubers, was auch immer genau es gewesen sein mochte, schien verebbt zu sein, womit sich auch langsam - quälend langsam - wie erwartet Linderung der Schmerzen einstellen würde. Für den Moment war nur zu hoffen, dass das Gefühl, das Stechen im Kopf wäre nicht mehr ganz so fürchterlich bohrend, nicht einfach bloß eine Täuschung oder Gewöhnung war.

Noch immer schienen sie auf dem kleinen Platz vor dem Stallgebäude alleine zu sein, aber auch das würde sicher nicht ewig so bleiben. Der Mönch zeigte ein wenig mehr Regung, als er scheinbar nachdenklich prüfend für einen Moment Mereks nähere Umgebung zu betrachten schien, dann zeigte sich ein angedeutetes Nicken. Er atmete einmal spürbar tiefer ein. Musste er sich selber überwinden, die folgenden Worte zu sprechen?
"Ihr seid Euch aber bewusst darüber, dass Ihr gerade einen Zauber gewirkt habt, Gast dieser Mauern?"
'Gast dieser Mauern'? Die Worte wirkten, als wären sie mit Bedacht gewählt worden - ohne zurechtweisenden Unterton, doch wie ein Hinweis, auf den es noch einmal zu deuten galt. Als wäre es der ablenkenden Eindrücke nicht genug, juckte für einen kurzen Moment auch noch seine Hand - normalerweise nichts, was nicht im Alltag passieren mochte, aber sollte es eine Bedeutung haben, dass es ausgerechnet die Stelle um seinen Ehering herum war? Die Frage des Mönchs selber klang freundlich, fast väterlich besorgt. Merek fühlte sich an die Momente in seinen Jugendtagen erinnert, wenn in Zyranus verängstigte Kinder, deren Eltern derlei nicht kannten, behutsam über die ersten unkontrollierten Ausbrüche ihrer Magie befragt wurden.
Buschige Brauen mit einigen weißen Haaren dazwischen wölbten sich über braunen Augen mit kleinen Krähenfüßen, der Blick ruhte wieder aufmerksam und mit offensichtlich großer innerer Ruhe auf dem Fremden.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Donnerstag 16. Juni 2016, 13:13

"Ihr seid Euch aber bewusst darüber, dass Ihr gerade einen Zauber gewirkt habt, Gast dieser Mauern?"
'Gast dieser Mauern’?
Wahrlich, er war nur ein Gast hier. Geduldet. Für einen Moment wurde er von einer großer Welle an Traurigkeit überschwemmt. Sie packte ihn und riss ihm den Boden unter den Füßen weg. Er hatte keine Heimat mehr, keinen Ort, den er Zuhause nennen konnte. Wo auch immer er sich befand, er würde Gast bleiben. Gerade als er diesen Gedanken verarbeitete, juckte sein linker Ringfinger.

Was meine Familie wohl von mir denken würde, wenn sie wüsste, was aus mir geworden ist? Merek schluckte hart. Würden sie ihn erkennen? Ihn mit offenen Armen empfangen? Er wusste, dass mehr als die Hälfte seiner Familie ausgelöscht worden war. Etwas, was er anfangs versucht hatte zu verdrängen: Den Anblick seiner toten Eltern, seiner Tochter Kethana. Die angsterfüllten Augen seiner Frau, als er sie kurz ansah, bevor er seinem Bruder Einhalt gebot. Sie hatte nie zuvor Gewalt erfahren und sie hätte dieses Gefühl auch nie erfahren sollen. Selbst, wenn sie und ihr gemeinsamer Sohn noch am leben waren, niemals würde er zu ihnen zurückkehren können. Er war nicht mehr der Mensch, der er einst gewesen war: Liebevoll, gerecht, gut. Er war unkontrollierbar. Wie hätte er garantieren können, dass er sie in einem Anflug von Wut nicht verletze? Dennoch stellte er sich oft die Frage, wie es ihnen ging, was sie taten. Hatten sie nach ihm gesucht? Oder hatten sie ihn aufgegeben, weil sie nie an eine Überlebenschance geglaubt hatten?

Die Frage des Mönchs selber klang freundlich, fast väterlich besorgt. Merek fühlte sich an die Momente in seinen Jugendtagen erinnert, wenn in Zyranus verängstigte Kinder, deren Eltern derlei nicht kannten, behutsam über die ersten unkontrollierten Ausbrüche ihrer Magie befragt wurden.
“Sehr wohl, dessen bin ich mir bewusst”, entgegnete Merek nickend, “Ich war einst ein Lichtmagier!” Er wusste nicht, warum er ihm das mitteilte. Die Worte hatten mit einem Seufzen einfach seinen Mund verlassen, ohne dass er etwas dagegen hatte unternehmen können. Einst. Das klang in diesem Moment so weit entfernt wie nie zuvor. Die Erinnerung an ein Leben, welches nicht das seine zu scheinen vermochte. Ein schönes Leben. Ein zufriedenes. Erneut juckte sein Finger. Ein unangenehmes, störendes Gefühl. Zu gerne hätte er seine Handschuhe ausgezogen, um sich zu kratzen. Stattdessen atmete er einmal tief durch, rümpfte kurz die Nase. Das werde ich ja wohl noch ertragen können. In Merek kam der kurze Gedanke auf, dass ihm dieser Zufall etwas sagen wollte. Vielleicht war noch nicht alles zu spät. Möglicherweise gibt es irgendwo Hilfe. Wenn Magie etwas hervorrufen konnte, so konnte sie den Effekt sicherlich auch negieren.
“Ich sollte gehen”, fügte Merek an, ohne auf eine Reaktion des Mönches zu warten. Er war eine Gefahr für die anderen Gäste. Vielleicht sogar für die Mönche. Alleine konnte er niemanden verletzen und jetzt, da das Wetter sich langsam beruhigt hatte, würde er wohl in der Wildnis überleben. Doch ausgesprochen klang die Idee nicht mehr so gut, wie gedacht. Sollte er tatsächlich gehen? Wo sollte er hin?

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Freitag 17. Juni 2016, 22:21

Was meine Familie wohl von mir denken würde, wenn sie wüsste, was aus mir geworden ist? Mereks Blick wurde für einen Moment traurig und er schluckte hart, als die Erinnerung ihm grausame Bilder zeigte, die Trauer, Schrecken und doch auch Sehnsucht nach der Zeit davor weckten. Seine Eltern. Kethana. Ana und Quinn. Die einen mit Sicherheit tot... und die anderen?
Immernoch hatte er Schwierigkeiten, sich das Aussehen der geliebten Wassermagierin und seines Sohnes wirklich in Erinnerung zu rufen. Grün. Waren ihre Augen nicht grün gewesen?
Als würde sein Gedächtnis ihm Streiche spielen, war da nur ein verschwommenes Bild, flüchtig wie ein Traum oder ein Anblick hinter dichtem Nebel. Angsterfüllte Augen? Wirklich? Oder hatte sie ihn dankbar angesehen?
Er war nicht mehr der Mensch, der er einst gewesen war: Liebevoll, gerecht, gut.
Er hatte geholfen, ja. Grüne Augen, die ihn dankbar ansahen, und ihm das Gefühl gaben, Ana nahe zu sein. Bleib stark. Ein wehmütiges Lächeln schlich sich in seine Mundwinkel, das er kaum registrierte. Ana. Wie hätte er garantieren können, dass er sie in einem Anflug von Wut nicht verletze? Dennoch stellte er sich oft die Frage, wie es ihnen ging, was sie taten. Hatten sie nach ihm gesucht? Oder hatten sie ihn aufgegeben, weil sie nie an eine Überlebenschance geglaubt hatten?
Er hatte sie nicht gesucht, oder?

Doch er war dem Mönch, der seine Gegenwart mit stoischer Ruhe und womöglich gar so etwas wie Fürsorge gerade zu ertragen schien, gewissermaßen eine Antwort schuldig, und vielleicht war es auch auf die gedankliche Ablenkung und Wehmut zu schieben, dass Merek mehr preisgab, als er es unter anderen Umständen getan hätte: “Sehr wohl, dessen bin ich mir bewusst”, entgegnete Merek nickend, “Ich war einst ein Lichtmagier!”
Die Brauen des Mannes ihm gegenüber hoben sich kurz zuckend. Einst? Der Kopf legte sich einen Deut schief und der Blick, mit dem der ungewöhnliche Gast betrachtet wurde, wurde noch etwas forschender. Einst.
Langsam ergibt das Sinn... Aber es wäre gefährlich. Aber wenn er Lichtmagier war, muss er das doch selber wissen? Nachdenkliches Blinzeln war zu beobachten, das sogar etwas irritiert wirkte.
“Ich sollte gehen”, stellte Merek fest, auch wenn es ihm kurz darauf wie eine zweifelhafte Idee erschien.
"Das solltet Ihr nicht", erlaubte sich der Mönch ruhig, doch mit gewisser Eindringlichkeit zu widersprechen und schien sich trotzdem noch einen Deut zu entspannen, er streckte den Rücken ein wenig durch, dass die Haltung gelassen wie nach hinten gelehnt wirkte. Im Vergleich zu Merek wirkte er gerade relativ souverän. Er fügte gemächlich an: "Es ist an niemandem hier, Euch Vorschriften zu machen, wann Ihr zu gehen und zu bleiben habt, solange Ihr Euch an die Regeln haltet - auch nicht an mir.
Doch Ihr werft Fragen auf, bei denen sich mir wiederum langsam die Frage stellt, ob Ihr Euch... Eurer selbst so bewusst seid, wie Ihr es sein solltet?"
Er legte den Kopf nun deutlich schief und war sich wohl bewusst, dass seine Frage kryptisch klang, aber er atmete dann selber einmal durch, als riefe er sich zur Ordnung und wartete zunächst die Reaktion Mereks ab.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Samstag 18. Juni 2016, 21:09

"Das solltet Ihr nicht” Merek kniff die Augen zusammen, entspannte sich jedoch schnell wieder. Für einen kurzen Moment hatte er angenommen, der Mönch wollte ihm Vorschriften machen. Die Ruhe und Gelassenheit, die von ihm ausging, ob sie nun wahrhaftig war oder nicht, erfasste auch Merek. Dies waren keine Worte der Weisung, dies war vielmehr ein eindringliche Bitte.
"Es ist an niemandem hier, Euch Vorschriften zu machen, wann Ihr zu gehen und zu bleiben habt, solange Ihr Euch an die Regeln haltet - auch nicht an mir. Doch Ihr werft Fragen auf, bei denen sich mir wiederum langsam die Frage stellt, ob Ihr Euch... Eurer selbst so bewusst seid, wie Ihr es sein solltet?”
Fragen. Merek mochte keine Fragen. Sicher, auch er hegte eine unbestreitbare Wissbegierde, dennoch widerstrebte es ihm, auf solche Fragen antworten zu müssen. Fragen forderten Antworten, die wiederum neue Fragen aufwarfen. Sie drückten, wie ein Stück Fleisch, dass sich zwischen den Zähnen verfangen hatte. Wenn man es dann mit einem spitzen Gegenstand heraus gepult hatte, pochte das Zahnfleisch unaufhörlich. Zu allem Überfluss setzten sich natürlich danach Essensreste noch viel schneller dort fest. Ihm war dieser Rattenschwanz zuwider. Warum hatte er seine verdammte Klappe nicht halten können?

Ob ich mir meiner bewusst bin, was ist denn das für eine Frage? Es ist völlig normal, dass ich von heute auf morgen im Dunkeln besser sehe als eine Katze, mich die Sonne ungemein blendet, eines meiner Augen eine andere Farbe angenommen hat und meine Hände völlig schwarz sind. Genauso überaus unspektakulär ist es, dass ich die Magie, die mir Jahre lang gelehrt wurde, zu keinem Stück mehr anwenden kann, dafür aber Ausbrüche von etwas habe, das ich weder haben möchte, noch kontrollieren kann.
Wie viel Kraft hat es mich gekostet, auch nur einen Hauch der Schattenmagie zu meistern? Wie viele Schmerzen musste ich durchstehen, um die einfachsten Zauber anzuwenden? Hass war früher für mich ein Begriff den ich aus Erzählungen und Büchern kannte. Wut vielleicht noch von Rowan. Aber nie, niemals hatte ich solch intensive, negative Gefühle empfunden. Den Gedanken zu hegen, jemanden umbringen zu wollen? Völlig ausgeschlossen. Dessen bin ich mir überaus deutlich bewusst.


Doch Merek sagte nichts von alledem. Er hatte bereits zu viel gesagt, das war ihm schmerzlich bewusst geworden, als er des Mönches Reaktion erlebt hatte. Er sah den Mann an, wie er vor ihm stand: den Kopf zur Seite geneigt, ruhig atmend, wartend darauf, wie Merek nun reagieren würde.
“Mir scheint, Euer Hochwürden, als wüsstet Ihr mehr über mich, als ich das tue.” Merek deutete mit dem Kopf eine leichte Verbeugung an. Ihm war bewusst, dass der Mönch auf etwas hinaus wollte, was ihm wahrscheinlich nicht ganz so bewusst war. Seine Worte hatten irgendwie vorsichtig oder vielmehr zurückhaltend geklungen, als wollte er nicht alles aussprechen, was er dachte. Ob seine Informationen sensibel waren? Merek hatte nie über das, was ihm widerfahren war, gelesen. In Zyranus während seiner Magierausbildung hatte es nur wenige Bücher über die Schattenmagie gegeben. Noch weniger, auf die er tatsächlich Zugriff hatte. Und die wenigen, die er gelesen hatte, beschäftigten sich eher allgemein mit dem Thema. In Zyranus gab es nur wohlwollendes Miteinander. Alles, was Gefahr barg, blieb den höchsten Magi unter ihnen vorenthalten.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Montag 27. Juni 2016, 23:15

“Mir scheint, Euer Hochwürden, als wüsstet Ihr mehr über mich, als ich das tue.”
"Es reicht 'Bruder', so Ihr auf einer Anrede besteht", warf der Mönch nun hörbar gutmütig ein und stellte sich vor: "Aber Ihr könnt mich auch gerne Levin nennen."
Er holte einmal tiefer Luft und entließ sie in einem zügigen Ausatmen. "Doch ich kann mir denken, dass Ihr gerade lieber Antworten wollt, als Höflichkeitsfloskeln, nicht? Lasst uns doch ein Stück gehen. Zum einen - verzeiht - wird es mir langsam empfindlich kühl hier draußen und mit der feuchten Kleidung solltet auch Ihr nicht unnötig lange hier weiter im Wind stehen und die Männer warten sicher darauf, ihre Arbeit am Feuerholz abschließen zu können."
Bruder Levin, wie er sich nun also vorgestellt hatte, lud Merek ein, ihm zu dem Seitenflügel des Klosters zu folgen, den er zu Beginn der Ereignisse schon angesteuert hatte. "Wie Ihr wisst, wird in diesen Mauern die Kunst der Kontrolle über den eigenen Lebensfluss gelehrt. Gemeinhin 'Energiemagie' genannt. Ich finde den Begriff furchtbar." Bruder Levin schüttelte den Kopf und öffnete die dicke Tür, die ins Innere der Gemäuer führte. Es war tatsächlich angenehm, aus dem Wind heraus zu kommen. Fast noch angenehmer war das Abnehmen der Helligkeit. Fackeln und Feuerschalen erhellten immer mal wieder die Gänge, doch die Lichtquellen waren sparsam verteilt. Schatten dominierten.

Levin warf immer mal wieder einen Seitenblick zu ihm, als wolle er sich vergewissern, ob Merek ihm weiter folgen mochte, während er weiter erzählte: "Eine bessere, kurze Benennung will mir bis zum heutigen Tage jedoch selber nicht einfallen. Nun, wie dem auch sei: Wer sich mit der Energiemagie befassen will, muss als erstes lernen, mit seinen inneren Kräften in Einklang zu gelangen und ein Gefühl für die Energien zu entwickeln, die den eigenen Körper durchfließen. Es ist eine sehr empfindliche Manipulation der Lebenskraft, wenn wir das, was in dieser Hinsicht 'Magie' genannt wird, wirken wollen, und so ist es sicher nicht allzu verwunderlich, dass die Schüler dieser Kunst sehr bald ein feines Gespür dafür entwickeln, wenn Lebensenergien - erst auf die eigenen bezogen, später aber auf ein sich ausweitendes Umfeld - im Ungleichgewicht sind."
Sie gingen an mehreren Türen vorbei, durch lange Flure und Merek konnte relativ problemlos nachvollziehen, dass sie sich dem östlichen Ende des Hauptgebäudes näherten. Weniger ersichtlich war, wo der Mönch eigentlich hin wollte. Quartiere waren über das ganze Kloster verteilt, wären sie auf dieser Etage geblieben, hätten sie sich dem Speisesaal genähert, aber Levin nahm eine steinerne Treppe, die nach oben führte. Merek war in den oberen Geschossen bislang kaum gewesen, hauptsächlich, weil dort die Werkstätten und Schulungsräume oder Rückzugsorte der magielernenden Mönche lagen.

"Als Ihr dort draußen unter dem Einfluss des Zaubers standet, war für mich recht deutlich erkennbar, dass dies 'nicht Ihr' wart, sondern dass sich dort in massiver Weise ein Fremdeinfluss Bahn brach. Seid Ihr Euch dessen bewusst? Wisst Ihr, was es ist?" Sie betraten einen Flur, in dem sich ab und an grob gewebte Teppichläufer befanden, meist nur aus Schilf gewebt, doch dies reichte schon, um der steinernen Umgebung etwas vom kalten, bedrückenden Charakter zu nehmen. Sie gingen an einem offen einsehbaren Raum vorbei, in dem eine handvoll Mönche saßen und mal wieder Meditationübungen nachzugehen schienen. Ruhige Anweisungen erklangen von einer älteren, weiblichen Stimme, die dazu gehörende Person gerade nicht zu sehen:
"Schau auf die Flamme.
Sieh ihre Mitte,
erkunde ihren Körper.
Konzentriere dich
auf das Keshtra Manipura
und begib dich dorthin.
Folge der Flamme.
Folge ihren Bahnen,
hinein bis in die feinsten Enden ihrer Fasern."
Wer immer die Frau war, sie hatte eine unglaubliche Gabe, ihren Worten einen Rythmus zu verleihen, der irgend etwas in Merek zu berühren schien und ihn entfernt an die Wärme seiner Lichtmagie erinnerte. Er hatte gar nicht gemerkt, dass er einen Moment lang stehen geblieben war, und als er sich von den teils fremdartig klingenden Worten löste, weil sie eine längere Pause machte, sah er in Levins Gesicht ein feines Schmunzeln. "Schön, nicht wahr? Wollen wir weiter?", lud er ihn abermals ein, ihm zu folgen.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Sonntag 10. Juli 2016, 21:36

Gerne folgte Merek dem Mönch in die Gemäuer. Er hatte recht, die nasse Kleidung hatte ihn mittlerweile sehr ausgekühlt und auch, wenn die schlimmsten Tage überstanden sein mochten, war es noch immer bitterkalt draußen im Schnee. Seine Neugierde war geweckt. Vielleicht hatte er genau an diesen Ort kommen sollen.

"Wie Ihr wisst, wird in diesen Mauern die Kunst der Kontrolle über den eigenen Lebensfluss gelehrt. Gemeinhin 'Energiemagie' genannt. Ich finde den Begriff furchtbar."
Energiemagie. Davon hatte er gehört, schon bei seinen Studien der Magie in Zyranus. Eine geistige Magie, die viel Ruhe und Meditation bedarf. Bis Merek hier im Kloster angekommen war, hatte er von sich angenommen, geduldig zu sein. Im Vergleich zu den Mönchen jedoch, war er die Ungeduld in Person. Er wusste, dass die Energiemagie die körpereigene Energie nutzte, um Zauber zu erschaffen. “Kontrolle über den eigenen Lebensfluss” klang natürlich viel eindrücklicher.
Levin öffnete die Türe, die ins Innere des Klosters führte. Die Gänge waren durch das dicke Gemäuer wärmer als draußen und es herrschte eine angenehme Windstille. Mereks Augen passten sich sehr schnell dem gedämmten Licht an. Sofort merkte er, wie entspannend die Dunkelheit auf ihn wirkte und wie strapaziert seine Augen durch das gleißende Weiß des Schnees waren. Sie fühlten sich schwer und müde an. Ein wohliges Gefühl ergriff Merek. Beinahe schon fühlte er sich geborgen. Dennoch lauschte er aufmerksam auf Levins Worte. Worte, die vielleicht eine Erklärung hatten. Oder auch nur einen Hinweis.

"Nun, wie dem auch sei: Wer sich mit der Energiemagie befassen will, muss als erstes lernen, mit seinen inneren Kräften in Einklang zu gelangen und ein Gefühl für die Energien zu entwickeln, die den eigenen Körper durchfließen. Es ist eine sehr empfindliche Manipulation der Lebenskraft, wenn wir das, was in dieser Hinsicht 'Magie' genannt wird, wirken wollen, und so ist es sicher nicht allzu verwunderlich, dass die Schüler dieser Kunst sehr bald ein feines Gespür dafür entwickeln, wenn Lebensenergien - erst auf die eigenen bezogen, später aber auf ein sich ausweitendes Umfeld - im Ungleichgewicht sind.”

Merek nickte. Das war nachvollziehbar. So wie er gespürt hatte, als Levin draußen einen Zauber gewirkt hatte, von welcher Natur er auch immer gewesen sein mochte. Wie er schon einst als Jugendlicher gespürt hatte, dass sein Bruder Rowan der Schattenmagie verfallen war, noch bevor er sie einsetzte. Doch was hatte das mit ihm zutun?
Levin führte sie beide zum östlichen Teil des Hauptgebäudes. Wohin genau, das war Merek nicht bewusst. Levin wollte wohl kaum im Speisesaal nun etwas verköstigen. Nicht, dass es Merek hätte verwundern sollen, falls er doch dorthin ging. Diese Mönche waren für ihn noch immer ein Buch in einer fremden Sprache. Er konnte die einzelnen Buchstaben und Worte lesen, aber er verstand sie nicht. Er hatte Muster in ihren Verhaltensweisen ausmachen können, aber nichts, was, abgesehen vom Meditieren, auch nur irgendwie hätte auf ihre Absichten und Ziele hätte schließen lassen können.
Doch Levin führte ihn eine steinerne Treppe hinauf in die oberen Geschosse. Ein Ort, den Merek bisher nur in einer kurzen Führung durch das Kloster kennen gelernt hatte. Hier befanden sich die Räumlichkeiten der hier lebenden Mönche und er hätte es als unhöflich empfunden, dort unerlaubt herumzulungern.

"Als Ihr dort draußen unter dem Einfluss des Zaubers standet, war für mich recht deutlich erkennbar, dass dies 'nicht Ihr' wart, sondern dass sich dort in massiver Weise ein Fremdeinfluss Bahn brach. Seid Ihr Euch dessen bewusst? Wisst Ihr, was es ist?"

Dass ich nicht ich war. Ein Fremdeinfluss.
Merek wollte den Gedanken, der sich ihm auftat, gerne wieder beiseite schieben. Eigentlich war ihm klar, was es war. Eigentlich war es ihm durchaus bewusst, was geschehen sein musste. Doch er hatte nie zuvor von etwas gehört oder gelesen, was dem nahe kam.
Rowan.
Da war es. Doch Rowan war tot. Durch seine Hand gestorben, als er versuchte, Merek zu vernichten. Oder? Ja, was war dann geschehen? Leere. Vernichtende Leere.

Gedankenverloren bemerkte er kaum, wie sie sich weiter durch die Gänge bewegten, in denen nun Teppiche den Boden zierten. Erst, als sie an einem warm beleuchteten offenen Raum vorbei schritten, zog ihn eine sanfte Frauenstimme in ihren Bann.


"Schau auf die Flamme.
Sieh ihre Mitte,
erkunde ihren Körper.
Konzentriere dich
auf das Keshtra Manipura
und begib dich dorthin.
Folge der Flamme.
Folge ihren Bahnen,
hinein bis in die feinsten Enden ihrer Fasern."



Wie gebannt starrte Merek in die Richtung, aus der diese rhythmischen und ruhigen Worte kamen. Worte mit einer Stimme, mit der sie hätte einen ganzen Marktplatz hypnotisieren können. Unbewusst blieb er stehen. Eine Wärme, von der er beinahe vergessen hatte, dass sie existierte, durchströmte ihn. Ein angenehmer Schauer durchfuhr seinen Körper und hinterließ eine feine Gänsehaut bei ihm. Für einen Moment war die Welt in Ordnung.
Er erinnerte sich der Zeit, in der er mit seiner Frau und den Kindern im Winter vor dem Kamin saß und sie Geschichten von vergangenen Helden erzählten. Eine Zeit, in der das Böse weit entfernt von ihnen war, in der nichts und niemand ihnen etwas hätte anhaben können. Eine Zeit der Liebe und des inneren Friedens.

"Schön, nicht wahr? Wollen wir weiter?"
Levin riss Merek aus den Gedanken an seine heile Welt. Nur mit Mühe löste er sich von diesem Anblick. Schön wurde dem nicht einmal gerecht, was er hörte und sah. Vor allem nicht dem, was er fühlte.
Er schüttelte den Kopf. Es war nur Meditation. Keine wahrhaftige Geborgenheit. Kein Frieden. Keine Freiheit. Nichts, was ihm helfen konnte.

Still folgte er Bruder Levin. Mehr als einmal wollte er einen Satz formulieren, um zu erklären, was vorhin nach Levins Frage durch seinen Kopf ging. Doch er verwarf diese Gedanken immer wieder, suchte nach einem Ansatz, der nicht ganz so fern von Welt klang, als das, was er dachte.
“Mein Zwillingsbruder, Rowan”, begann er nach einigem Zögern dann doch, ärgerte sich aber sofort wieder über seine Worte. Er seufzte, schloss ergeben seine Augen. Die Erinnerungen an den Tag schmerzten ihn sehr.
“Ich habe ihn umgebracht, nachdem er meine Familie angriff” Zum allerersten Mal hatte er diese Worte laut ausgesprochen. Zum ersten Mal fühlte es sich nicht wie ein böser Traum an, sondern wahrhaftig. Eine Erkenntnis, die Merek die Luft aus den Lungen drückte.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. Juli 2016, 22:55

Levin riss Merek aus den Gedanken an seine heile Welt. Nur mit Mühe löste er sich von diesem Anblick. Schön wurde dem nicht einmal gerecht, was er hörte und sah. Vor allem nicht dem, was er fühlte.
Er schüttelte den Kopf. Es war nur Meditation. Keine wahrhaftige Geborgenheit. Kein Frieden. Keine Freiheit. Nichts, was ihm helfen konnte.
Die Haut direkt um seinen Ehering herum brannte, als hätte er in verdammten Brennesseln gewühlt und als würden Ameisen darunter kriechen. Aber er konnte doch nicht jetzt die Handschuhe ausziehen!

Es war nicht so, dass es unignorierbar war, aber es erschwerte das Vorhaben, einen Satz zu formulieren, um zu erklären, was vorhin nach Levins Frage durch seinen Kopf ging.
"Mein Zwillingsbruder, Rowan", begann er nach einigem Zögern dann doch, ärgerte sich aber sofort wieder über seine Worte. Er seufzte, schloss ergeben seine Augen. Die Erinnerungen an den Tag schmerzten ihn sehr.
“Ich habe ihn umgebracht, nachdem er meine Familie angriff” Zum allerersten Mal hatte er diese Worte laut ausgesprochen. Zum ersten Mal fühlte es sich nicht wie ein böser Traum an, sondern wahrhaftig. Eine Erkenntnis, die Merek die Luft aus den Lungen drückte.

Bruder Levin ging, während Merek zunehmend um jedes Wort rang, in einer Geschwindigkeit vorwärts, die auf Außenstehende teils schleichend langsam wirken musste und sich komplett an Mereks Fähigkeit ausrichtete, noch einen Fuß vor den anderen zu setzen. Er gab zwar noch eine Richtung vor, aber eigentlich war es Levin, der Merek begleitete, nicht anders herum.
Nachdem der ehemalige Lichtmagier die schrecklichen Worte ausgesprochen hatte, hob der Mönch nach einem ersten Registrieren die Aussage abwägend nachdenklich das Kinn, während sein Blick grüblerisch über die grob behauenen Steine des Flures huschte. Sie näherten sich mehreren Türen an einer Ecke des Gemäuers, wo sich der zuvor stur längs ziehende Flur in verschiedene Richtungen und Möglichkeiten aufzweigte, den Weg fortzusetzen.

"Ein Zwillingsbruder... Euer Zwillingsbruder...", echote sein Begleiter nachdenklich leise. "Das mag ein beeinflussendes Faktum sein, ja. In mehreren Kulturen gibt es Geschichten und Legenden darüber, dass die geistige oder gar seelische Verbindung zwischen Zwillingen stets eine Besondere sei."
Er legte den Kopf schief, um Merek weiter behutsam forschend anzusehen, während er in dem Bereich, in dem sich der Flur vielfach aufteilte, für den Moment stehen blieb. Die Hände schob er wieder in die Ärmel seiner Robe. "Eure Überwindung, die Ihr für Eure Worte aufbringen müsst, ist unübersehbar, und Eure Offenheit ehrt Euch", deutete er bedacht ein wohlwollendes, vielleicht gar respektbezeugendes Nicken an, "Ihr habt mein Mitgefühl, soweit ein Fremder behaupten darf, dass es mir für Eure Verluste leid tut." Der Kopf neigte sich zur anderen Seite.
"Was mir vorschwebt, ist, Euch eventuell Gewissheit verschaffen zu können, was in Euch ruhen - oder toben - mag. 'Was los ist', um es sehr profan auszudrücken. Doch da Ihr Magier seid, ist es wohl angebrachter, zu erklären, dass ich in der Lage wäre, Eure Lebensströme zu sondieren, körperlich wie geistig, und daran auszumachen, wie es um die... nun... 'Besitzverhältnisse' in Euch wirklich bestellt ist."
Er hob abwartend die Brauen. "Sofern Ihr daran interessiert seid. Versteht sich."
Spürte Merek da wieder diese Vorsicht, die auf Gegenreaktionen gefasst zu sein schien? Auf was ließe er sich bei dieser 'Untersuchung' ein? Wenn der Mönch, der sich so nett gab, überhaupt ehrliche Absichten hegte...
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Sonntag 24. Juli 2016, 17:55

"Ein Zwillingsbruder... Euer Zwillingsbruder...", echote sein Begleiter nachdenklich leise. "Das mag ein beeinflussendes Faktum sein, ja. In mehreren Kulturen gibt es Geschichten und Legenden darüber, dass die geistige oder gar seelische Verbindung zwischen Zwillingen stets eine Besondere sei.”
Unwillkürlich nickte Merek bei Bruder Levins Worten. Eine besondere Verbindung hatten die Zwillingsbrüder wahrlich geteilt. Immer hatte sie etwas Besonderes verbunden, etwas, was nur sie spürten. Als Kinder und Jugendliche hatten sie sich blind verstanden, auch wenn sie so gegensätzlich waren. Merek wusste immer genau, was Rowan im Schilde führte und Rowan merkte, wenn Merek nicht seiner Meinung war, ohne dass dieser seine Gedanken äußern musste. Trotz der Differenzen, die sie trugen, er hatte Rowan immer geliebt. Anders, als ‘einfache’ Geschwister. Auch Rowans dunkle Seite konnte er spüren. Sie wuchs in ihm, bevor er Merek und seine Familie verlassen und eine riesige Leere in dem jungen Magier hinterlassen hatte. Er hatte sie auch gespürt, als sie sich wiedergesehen hatten, doch blendete er dies aus. Wie sehr hatte er sich gewünscht, dass alles einfach wie früher wurde? Wie sehr hatte er gehofft, dass sie wieder alles teilen konnten? Wieso hatte Rowan ihm das verwehrt?
Merek ballte eine Faust. Sein Blick war Gedankenverloren gen Boden gerichtet. Woher sie gingen war ihm schon seit ein paar Augenblicken nicht mehr bewusst. 
Alles hätte er Rowan gegeben. Alles. Was hatte er bekommen? Wut, Hass, Verzweiflung. Zerstörung.

Als Bruder Levin anhielt, blickte Merek auf und sah, dass sich der Flur in verschiedene Räume aufteilte. Auch er blieb stehen und ließ seinen Blick über die verschiedenen Türen schweifen.
"Eure Überwindung, die Ihr für Eure Worte aufbringen müsst, ist unübersehbar, und Eure Offenheit ehrt Euch", deutete er bedacht ein wohlwollendes, vielleicht gar respektbezeugendes Nicken an, "Ihr habt mein Mitgefühl, soweit ein Fremder behaupten darf, dass es mir für Eure Verluste leid tut."
Merek hörte nur mit einem halben Ohr auf Levins Worte. Denn was er auch sagte, der Mönch konnte nicht einmal erahnen, welche Verluste Merek eingebüßt hatte. Seine Worte, sicherlich ein paar auswendig gelernte Phrasen für all die gestrandeten Flüchtigen, die alle eine schwere Lebensgeschichte hatten. Ob Krieg, Tod oder anderweitige Verluste. Die Leute, die hier lebten, hatten alle ihr Päckchen zu tragen. Leere Worte wirkten vielleicht aufbauend und tröstend auf den einen, aber für Merek hatten sie keine Bedeutung. Außer eine Spur an Verbitterung, die sich über ihn legte. Er schluckte seine Gedanken herunter. Levin war höflich, das hatte er zu würdigen. Merek nickte, um Levin zu verstehen zu geben, dass er seine Worte anerkannte. Diese Nettigkeiten waren für ihn noch immer Macht der Gewohnheit, auch wenn er keinen Grund dafür sah.

"Was mir vorschwebt, ist, Euch eventuell Gewissheit verschaffen zu können, was in Euch ruhen - oder toben - mag. 'Was los ist', um es sehr profan auszudrücken. Doch da Ihr Magier seid, ist es wohl angebrachter, zu erklären, dass ich in der Lage wäre, Eure Lebensströme zu sondieren, körperlich wie geistig, und daran auszumachen, wie es um die... nun... 'Besitzverhältnisse' in Euch wirklich bestellt ist.”
Bei Levins Worten hatte Mereks Herz unwillkürlich begonnen, schneller zu schlagen, wie bei einem kleinen Kind, das aufgeregt seinem Geburtstag entgegenfieberte. Er erinnerte sich an die Nervosität vor seinem ersten Tag seiner Magierausbildung, wie er voller Angst und gleichzeitiger Vorfreude noch bis mitten in der Nacht wach in seinem Bett gelegen hatte. Angst, zu versagen und seinen Eltern eine Schande zu sein, aber voller Freude vor dem, was ihn erwartete.
Was los ist. Was hätte er für das Wissen darum gegeben?
"Sofern Ihr daran interessiert seid. Versteht sich."
Ein unangenehm kalter Schauer lief dem Magier über den Rücken. Natürlich war er interessiert. Aber zu welchem Preis? Hatten diese Mönche hier nicht eigentlich gute Absichten? Fremde bei sich aufzunehmen und ihnen Zuflucht zu geben? Unterkunft und Essen für ein wenig Arbeit?
“Meine Lebensströme sondieren…”
Eine allumfassende Übelkeit ergriff Merek, als er die Worte des Mönches wiederholte. Der Gedanke wirkte sehr martialisch auf ihn, als würde Levin von ihm Besitz ergreifen oder in ihn eindringen wollen.
Sein Herz hämmerte noch immer in seiner Brust. Doch die Neugier war der Skepsis gewichen. Er hatte gesehen, was es bewirkte, Magie auf andere zu richten, wenn man nicht die Absicht hegte, den anderen zu heilen. Er hatte die Magie als Todbringer gesehen. Eine Magie auf jemanden anzuwenden, die ihre Kraft aus der Lebensenergie zog, klang in seinen Augen nicht sehr ungefährlich.
Doch was hatte Merek gedacht, als er Levin gefolgt war? Dass dieser ihm ein Pendel vorhalten und ihn diagnostizieren könnte? Seine Naivität hatte ihn schon einmal in Schwierigkeiten gebracht. Hatte er sich nicht gesagt, dass er fern von allen Leuten bleiben wollte denen er, oder die ihm Schaden zufügen konnte, außer es ließe sich nicht vermeiden? Dieses hier ging über das blanke Überleben im Winter hinaus.
“Wie stellt Ihr euch diese ‘Untersuchung’ vor?” Merek merkte selbst kaum, dass seine Muskeln sich völlig verkrampft hatten und er steif war wie ein Brett. Er kniff die Augen zusammen und sah Levin erwartungsvoll an: “Und was habt Ihr davon, dies zu tun?”
Ja, was hatte Bruder Levin davon, ihm zu helfen? Seine Magie einzusetzen, um Merek zu erkunden?
Alles hatte seinen Preis.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 28. Juli 2016, 23:17

“Meine Lebensströme sondieren…
Wie stellt Ihr euch diese ‘Untersuchung’ vor?” Merek merkte selbst kaum, dass seine Muskeln sich völlig verkrampft hatten und er steif war wie ein Brett.
Aber Levin, der ihn immernoch aufmerksam und ruhig beobachtete, merkte es.
“Und was habt Ihr davon, dies zu tun?” Er sah den Mönch erwartungsvoll an und bei diesem zuckten die Augenbrauen etwas, dass es flüchtig amüsiert aussah.
"Ich werde danach wissen, beziehungsweise zumindest besser einschätzen können, ob von Euch eine Gefahr für uns und das Kloster ausgeht", erklärte er erstaunlich unverblümt und gleichbleibend freundlich. "Oder auch nur eine Gefahr für Euch selbst", fügte er ernster an.

Der Mönch behielt den ehemaligen Lichtmagier weiter im Blick und schien einen kurzen Moment zu überlegen, ehe er auf Mereks erste Frage einging: "Aus Euren als Magier erworbenen Kenntnissen dürfte Euch mehr oder weniger vertraut sein, dass es ja in fast allen Disziplinen der Magie die Möglichkeit gibt, die Energien mehrerer Magier miteinander zu verbinden.
Ein Energiemagier aus Zyranus dürfte Euch darüber noch vermutlich ganz andere Abhandlungen um die Ohren hauen, mit Betonung auf der Überlegenheit der Energiemagie über die elementaren Energieformen, doch wir gehen hier das Ganze etwas... mh... 'intuitiver' an."
Bruder Levin schienen diese Gespräche in gewisser Weise Spaß zu machen, denn trotz der offensichtlichen Angespanntheit seines Gesprächspartners (oder gerade wegen?) gewann sein Redefluß etwas leutseliges, dass er sich genauso gut auf einem Marktplatz über das Wetter hätte unterhalten können.
"Es gibt hier mehrere Räume, die der geistigen Entspannung dienen, und einen solchen können wir sicher gut gebrauchen. Es gibt zwar bei interdisziplinären mentalen Verbindungen öfters mal Probleme, aber gerade hier hat die Energiemagie mit erheblichen Vorteilen aufzuwarten und wir wollen ja auch keine gemeinsamen Zauber wirken. Alles, was ich brauche, ist eine Senkung Eurer natürlichen mentalen Blockaden."
Er hob fragend die Augenbrauen. "Habt Ihr in sowas bereits eigentlich Übung, oder wäre das unbekanntes Terrain für Euch?"

"Jedenfalls... mithilfe einer solchen Verbindung wäre es mir möglich, Euren Lebensströmen zu folgen. Und damit würde ich fast automatisch darüber stolpern, wenn bei Euch etwas nicht so ist, wie es sein sollte - wovon ich ausgehe. Ich bin in der Lage, verschiedene magische Einflüsse als solche zu identifizieren und sie einer Schule zuzuordnen."
Seine Brauen schoben sich nachdenklicher zusammen, während er auch etwas bedächtiger fortfuhr:
"Was unten auf dem Platz geschah, scheint ziemlich eindeutig der Schattenmagie zuzuordnen zu sein, aber nach dem, was ich bisher von Euch gehört habe, dürfte also auch mit Einflüssen auf der Geistermagie zu rechnen sein?"
Er hob abwartend die Brauen.
"Auch wenn ich Eure Vorbehalte gut verstehen kann: Alles, was Ihr mir über die Geschehnisse, die zu all dem führten, erzählen könnt, könnte für diese Arbeit von Vorteil sein; könnte es mir erleichtern, Phänomene, auf die ich stoße, auch fehlerfrei zu identifizieren und ihrem Kontext zuzuordnen." Er sah sich flüchtig um. "Und Ihr müsst das auch nicht hier auf dem Flur tun."
Er trat zu einer der Türen ihnen schräg gegenüber und öffnete sie: dahinter war etwas, was wie eine kleinere Durchgangskammer aussah, die im Halbdunkeln lag. Es war wohl bereits Mereks besonderer Fähigkeit zum Sehen zu verdanken, dass er dort drin mehrere Wandregale erkannte, in denen viele Tücher lagen und mehrere Tiegel und bauchige Flaschen standen und diverse Kräuterbündel von der Decke hingen. Nach einem längeren Moment vermeinte er auch einen entsprechenden Geruch auszumachen. Kräuter und Weihrauch, vermutlich. Dahinter schloß sich ohne Tür ein wesentlich größerer Raum an, der ein farbiges Bodenmuster zeigte und durch mehrere Kerzen und Glutschalen beleuchtet zu sein schien.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Sonntag 31. Juli 2016, 16:36

"Ich werde danach wissen, beziehungsweise zumindest besser einschätzen können, ob von Euch eine Gefahr für uns und das Kloster ausgeht", erklärte er erstaunlich unverblümt und gleichbleibend freundlich. "Oder auch nur eine Gefahr für Euch selbst", fügte er ernster an.
Ob ich eine Gefahr für mich selbst bin, ist mir reichlich egal. Was habe ich zu verlieren? Nach all der Zeit nach Hause gehen, Ana in seine Arme schließen und sagen: “Liebste, hier bin ich!”. Wenn sie überhaupt in Zyranus war. Und ihn wiedererkannte.
Wäre ich eine Gefahr für das Kloster…Was täte er dann? Mich umbringen, während ich mich in einem Zustand der völligen Hilflosigkeit befinde?

“Alles, was ich brauche, ist eine Senkung Eurer natürlichen mentalen Blockaden.” Er hob fragend die Augenbrauen.
Das war Merek durchaus bewusst. Selbst wenn man jemanden heilen wollte, musste derjenige die Magie zulassen. Meistens war dies überhaupt kein großes Problem: Verletzte, Schwache und Sterbende schrieen förmlich danach, die Lichtmagie zu empfangen. Wollte derjenige allerdings keine Magie auf sich angewendet, war eine Heilung wesentlich schwieriger. Ein Grund, warum es so schwierig war, geistige Erkrankungen zu heilen. Merek hatte nur von ein paar wenigen Zyranern gehört, die in dieser Kunst versiert waren. Er selbst war noch zu jung und unerfahren gewesen, um gegen den Willen anderer anzukommen.
Doch er würde sich in so einem Zustand dem Mönch völlig hingeben. Er hatte keine Ahnung, wie er sich wehren könnte, wenn etwas geschah, was er nicht wollte, wie er seine Schutzlosigkeit verhindern konnte, ohne Bruder Levin im Weg zu stehen. Der Gedanke, sich überhaupt zu entspannen war in diesem Moment so fern wie seine Fähigkeiten als Lichtmagier. Kaum existent.

"Aus Euren als Magier erworbenen Kenntnissen dürfte Euch mehr oder weniger vertraut sein, dass es ja in fast allen Disziplinen der Magie die Möglichkeit gibt, die Energien mehrerer Magier miteinander zu verbinden. (…) Habt Ihr in sowas bereits eigentlich Übung, oder wäre das unbekanntes Terrain für Euch?”
Merek verschränkte die steifen Arme vor der Brust. Es ärgerte ihn, dass Levin diese Belehrung sehr viel mehr erfreute, als Merek ihm zugestehen wollte. Spaß hatte er schon lange verloren. “Übung wäre zu viel gesagt. In der Magierausbildung wird so etwas selbstverständlich geübt. Nur ist seit dem bereits geraume Zeit vergangen und wie Ihr vorhin mitbekommen habt”, Merek rümpfte die Nase, “steht es um meine derzeitige Kontrolle über die Magie sehr… bescheiden.”
Bescheiden war noch eine sehr nette Umschreibung für das, was Merek tatsächlich empfand, wenn er Magie anwendete. Überhaupt von Kontrolle zu sprechen war beinahe eine Sünde. Ihm wurde für einen kurzen Moment bewusst, dass er genau das langsam lernen musste, wollte er nicht sein Leben lang alleine bleiben. Kontrolle. Kontrolle über seine Wut, über seine Kräfte. Vor allem aber über sich. Völlig unabhängig davon, was in diesem Kloster geschah oder auch nicht. Das, was er in der Zeit alleine an Kontrolle gewonnen hatte, war ein Anfang gewesen. Mehr aber auch nicht.

"Was unten auf dem Platz geschah, scheint ziemlich eindeutig der Schattenmagie zuzuordnen zu sein, aber nach dem, was ich bisher von Euch gehört habe, dürfte also auch mit Einflüssen auf der Geistermagie zu rechnen sein?"
Geistermagie. Denkt er etwa, ich bin besessen? Besessen durch Magie?
Merek antwortete nicht auf Levins rhetorische Frage, nahm diese Aussage einfach so hin. Er wusste es nicht besser und selbst wenn er es besser gewusst hätte, so waren ihm die Hände gebunden. Bisher hatte er nicht von einem Weg gehört, sich selbst zu exorzieren.

"Auch wenn ich Eure Vorbehalte gut verstehen kann: Alles, was Ihr mir über die Geschehnisse, die zu all dem führten, erzählen könnt, könnte für diese Arbeit von Vorteil sein; könnte es mir erleichtern, Phänomene, auf die ich stoße, auch fehlerfrei zu identifizieren und ihrem Kontext zuzuordnen." Er sah sich flüchtig um. "Und Ihr müsst das auch nicht hier auf dem Flur tun.” Er trat zu einer der Türen ihnen schräg gegenüber und öffnete sie: dahinter war etwas, was wie eine kleinere Durchgangskammer aussah, die im Halbdunkeln lag.
Alles, was er in der Dunkelheit ausmachen konnte, sah vielmehr nach einer Vorratskammer aus als nach einer Folterstube. Der Geruch von Weihrauch und Kräutern stieg in seine Nase. Der Weihrauch erinnerte ihn an seine Heimat. Die Messen und Bräuche, in denen Lysanthor verehrt wurde, trieften oft vor diesem durchdringenden, beißenden Geruch, den man noch Stunden später in seiner Kleidung ausmachen konnte.
Doch was waren das für Worte gewesen? Dachte der Mönch etwa, Merek hätte Geheimnisse? Er würde Levin etwas verbergen? Es war hauptsächlich Empörung, die sich zu einem Hauch von Wut gesellte, was Merek bei Levins Worten empfand. Früher war er aufrichtig und ehrlich gewesen. Züge, die andere an ihm kannten und schätzten. Ihm Geheimnistuerei vorzuwerfen, klang beinahe absurd. “Alles, was ich zu erzählen habe, kann ich Euch auch hier erzählen. Da ist nichts, was ich zu verheimlichen habe!”, zischte er durch zusammengebissene Zähne. Beinahe gleichzeitig zog ein stechender Schmerz durch seine Hände. Sein linker Ringfinder kribbelte, als würden ein Dutzend Ameisen in seinem Handschuh ihr Unwesen treiben. Ihn beißen, wieder und wieder. Es erschrak ihn selbst, als ihm sein eigener Denkfehler bewusst wurde. Vielleicht hatte er doch Geheimnisse. Gefährliche Geheimnisse.
Merek ließ seinen Blick durch den dunklen Durchgang zum angrenzenden Zimmer schweifen, der von weitem durchaus gemütlich wirkte. Auch hier konnte er sich nicht vorstellen, dass ihn diabolische Folterinstrumente erwarten würden. Aber brauchte ein Energiemagier diese überhaupt?
Merek wunderte sich zum ersten Mal, wie diese Mönche es schafften, in so vielen der abgedunkelten Räume stets für Licht zu sorgen, und wieso sie es taten. Doch er verwarf diesen flüchtigen Gedanken wieder, als er sich Bruder Levin zuwandte.
“Nach Euch. Wir können reden,” Merek schluckte hart, “Alles weitere sehen wir dann. Ich hoffe, es ist Euch bewusst, dass sich alles in mir dem widerstrebt, was ihr vorhabt und dass ich Euch nicht versprechen kann, Euch Zutritt zu mir zu gewähren.” Mit einer Geste deutete er Levin, die Führung zu übernehmen.
Seine Neugier trieb ihn dazu, Levin zu folgen, obwohl ein Teil in ihm danach schrie, diesem Ort den Rücken zu kehren. Weit, weit weg zu gehen und niemals wieder zu kommen. Er spürte, wie sein Kopf wieder schmerzte. Vielleicht war er tatsächlich einer Erklärung seines Problems nahe. Und wie konnte man ein Problem angehen, ohne seine Wurzeln zu kennen?

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Dienstag 2. August 2016, 23:06

“Übung wäre zu viel gesagt. In der Magierausbildung wird so etwas selbstverständlich geübt." Levin nickte zu seiner Erklärung lediglich - es schien ihm zu reichen. "Es braucht ja kein aktives Zutun von Euch", versuchte er wohl, Vorbehalte zu mildern, "Es hilft lediglich, wenn Euch die Vorgänge 'vertraut' sind."

Merek wurde für einen kurzen Moment bewusst, dass er genau das langsam lernen musste, wollte er nicht sein Leben lang alleine bleiben: Kontrolle. Kontrolle über seine Wut, über seine Kräfte. Vor allem aber über sich. Völlig unabhängig davon, was in diesem Kloster geschah oder auch nicht. Das, was er in der Zeit alleine an Kontrolle gewonnen hatte, war ein Anfang gewesen. Mehr aber auch nicht.
Vielleicht konnte ihm die Art, wie die Mönche hier meditierten, doch von Nutzen sein? Unwillkürlich musste er sich an diese beeindruckende 'Marktplatz-Hypnotiseurin' erinnern und die Ruhe, die sie in ihm ausgelöst hatte. Vielleicht war das doch zu etwas zu gebrauchen. Merek konnte sich kaum vorstellen, in Zyranus diesbezüglich Hilfe finden zu können, mal abgesehen von seinen Schwierigkeiten, überhaupt die Stadt zu betreten. Hier wurden weniger Fragen gestellt.
Nun, gerade jetzt im Moment kamen ja durchaus Fragen auf, aber keine, die etwas mit Karteien über eventuelle Verstöße gegen irgendwelche Gesetze zu tun hätten. Keine Magier-Inquisitoren, die ihn mit Fragen nach Rowan löchern würden. Oder ihn, Merek, gar erforschen wollten, und zwar nach magie-wissenschaftlichen Gesichtspunkten, nicht wie... das hier... Oder drohte ihm doch mehr?
Geistermagie. Denkt er etwa, ich bin besessen? Besessen durch Magie?
Merek antwortete nicht auf Levins rhetorische Frage, nahm diese Aussage einfach so hin. Er wusste es nicht besser und selbst wenn er es besser gewusst hätte, so waren ihm die Hände gebunden. Bisher hatte er nicht von einem Weg gehört, sich selbst zu exorzieren.


Der Geruch nach Weihrauch weckte widersprüchliche Gefühle in ihm. Einerseits erinnerte er ihn an schönere Zeiten, andererseits war das irgendwie... lästig. Das Betreten dieses Vorratsraumes gewann trotz der vermutlich seine Privatsphäre respektierenden Absicht dahinter plötzlich den Charme einer eingeforderten Beichte wider Willen oder etwas vergleichbarem.
“Alles, was ich zu erzählen habe, kann ich Euch auch hier erzählen. Da ist nichts, was ich zu verheimlichen habe!”, zischte er durch zusammengebissene Zähne. Sein Ringfinger machte sich bemerkbar und es erschrak ihn selbst, als ihm sein eigener Denkfehler bewusst wurde. Vielleicht hatte er doch Geheimnisse. Gefährliche Geheimnisse.
Doch er überwand sich, einen weiteren Schritt zu tun, womöglich in Richtung einer Beleuchtung dieser dunklen Geheimnisse.
“Nach Euch. Wir können reden,” Merek schluckte hart, “Alles weitere sehen wir dann. Ich hoffe, es ist Euch bewusst, dass sich alles in mir dem widerstrebt, was ihr vorhabt und dass ich Euch nicht versprechen kann, Euch Zutritt zu mir zu gewähren.” Mit einer Geste deutete er Levin, die Führung zu übernehmen.
Der Mönch nickte und wandte sich selber der Kammer zu, betrat sie und erlaubte sich ein dezentes Durchatmen. Der Umgang mit diesem - ehemaligen, auf jeden Fall aber rätselhaften - Magier glich einer Jonglage mit rohen Eiern, oder eher mit brennenden Fackeln und er war dankbar für seine Ausbildung, die ihn mit so viel innerer Ruhe ausgestattet hatte.

In der ersten Kammer verlangsamte er seinen Schritt, wandte sich den Regalen zu und begann scheinbar, in aller Gemütsruhe nach einigen Dingen zu suchen. Auch Merek fühlte sich hier drin wohler, zumindest was den Lichtpegel anging. In der anschließenden Kammer fiel nun sofort ein äußerst komplexes Bodenmuster auf, eine Art Mosaik, das vielfältigste Kreise und geometrische Muster zeigte. Alles in dem Raum war symetrisch platziert, und das Bild am Boden schien Wiederholungen aufzuweisen, die aber nicht ganz leicht ersichtlich waren. An den Wänden und selbst an der Decke schien es sich in lockererer Art fortzusetzen; der Zweck, den Blick des Betrachters gefangen zu nehmen und sich in den Details verlieren zu lassen, war schnell zu erkennen, aber dazu war es wohl noch etwas zu früh, denn Bruder Levin sprach nebenher fast murmelnd zu ihm, so dass der Magier besser in seiner Nähe blieb, um ihn überhaupt zu verstehen:
"Erzählt mir doch bitte zunächst von Euch. Bisher habt Ihr nur erwähnt, dass Ihr ehemals Lichtmagier wart. Ich weiß nicht einmal Euren Namen..", er schmunzelte flüchtig und fuhr fast nahtlos fort: "Und wenn ich Eure Lebensströme sondieren soll, muss ich zumindest Euch als Individuum ja identifizieren können, und das möglichst eindeutig. Je besser ich das kann, desto besser werde ich auch Fremdeinflüsse identifizieren können. Also wäre es auch nicht verkehrt, mir danach so viel wie möglich über Euren Bruder zu erzählen.
Mhh... dass nichts davon diesen Raum verlässt, versteht sich von selbst, vollkommen gleichgültig, ob Ihr etwas zu verbergen habt oder nicht. Es ist auch nicht an mir, über irgend etwas zu urteilen, wir sind hier schließlich in keiner Beichtnische, auch wenn es hier ein bisschen so riecht, nicht?" Er sog hörbar einmal tief Luft in die Nase und entließ sie mit genießerischem Laut. "Ich mag diese Gerüche, Ihr auch? Wir haben hier alle möglichen Kräuter, mögt Ihr irgend einen Geruch speziell? Heilkräuter vielleicht? Hier ist Beinwell, hm..." Der Mönch-Magier lachte fast kindlich-verspielt und schien sich tatsächlich hier sichtlich wohl zu fühlen. "So etwas sollte man einen Mann nie fragen. Die meisten achten nie auf Gerüche. Dabei muss man sich wundern, wie sehr auch diese oft auf das eine oder andere Detail ansprechen, wenn man erstmal davon weiß."
Er öffnete probehalber mehrere bauchige Tonkrüge und Tiegel aus milchigem Glas, in denen sich meistens Weihrauch zu befinden schien. Er zerrieb einige Kräuter, die von der Decke hingen.
"Ein Novize wusste mal gar nicht, wie sehr er Rapsgeruch liebte, bis er Heimweh hatte, das in die Nase bekam und glatt in Tränen ausbrach... armer Junge."
Er hätte wohl noch weiter plappern können, ließ Merek aber endlich Zeit zum antworten. Das Geruchs-Chaos drohte dem Magier in den ersten Momenten die Sinne regelrecht zu vernebeln, aber es besserte sich schnell. Tatsächlich gewann er sogar das Gefühl, dass sein Kopf allmählich klarer und ein Teil seiner dauernd düsteren Gedanken vertrieben wurde; der Eindruck, dass ihm hier Böses drohen könnte, schwächte sich ab.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Mittwoch 3. August 2016, 21:00


Der Mönch nickte und wandte sich selber der Kammer zu, betrat sie und erlaubte sich ein dezentes Durchatmen.

Unwillkürlich zuckte Mereks linker Mundwinkel. Hörte er da etwa ein wenig Erleichterung heraus? Es freute ihn ein wenig, dass Bruder Levin doch mehr Gefühlsregung besaß, als er von sich preisgeben wollte. Contenance war bei fast allen Lebewesen erschöpflich. Er war erleichtert, dass es nicht nur ihm so ging. Doch Merek musste zugeben, dass er die Nerven seines Gegenüber sicherlich strapazierte. Das wusste er. Doch wie würde Levin sich an seiner Stelle fühlen: Wenn alles, was du zu wissen und zu sein glaubst, mit einem Schlag zunichte gemacht wurde?

Die abgedunkelte Kammer war eine Wohltat für Mereks Augen. Beinahe sofort ließ sein Kopfschmerz nach, selbst seine Muskeln entspannten wieder. Erst jetzt bemerkte er, wie feste er seine Fäuste geballt hatte und löste seinen Griff. Während Bruder Levin aufgeweckt zwischen den Kräutern hin und her wedelte, lehnte Merek sich gegen etwas, das aussah wie eine Arbeitsplatte und und stabil genug war, um sein Gewicht zu halten. Seine Augen waren müde von der Anspannung und ganzen Anstrengung, sich im Hellen zu befinden. Er schloss sie kurz, während er Levin lauschte.
"Erzählt mir doch bitte zunächst von Euch. Bisher habt Ihr nur erwähnt, dass Ihr ehemals Lichtmagier wart. Ich weiß nicht einmal Euren Namen..”
Der ehemalige Lichtmagier war wohl so in Rage gewesen, dass er seinen Faux pas gar nicht bemerkt hatte. Diese Taktlosigkeit war ihm beinahe peinlich. Die vielen Jahre der Höflichkeitsfloskeln und Manieren in Zyranus schienen schon nach kürzester Zeit zu verblassen. Doch Levin ließ ihm zunächst keine Zeit, seinen Fehler zu begradigen. Er wollte wissen, wer er war. Blasse Erinnerungen vergangener Tage, die ihn zu dem Menschen gemacht haben, der er einst war. Doch Merek verfiel nicht wieder seinen Gedanken, er sah Bruder Levin fasziniert zu, wie dieser in der Kräuterkammer richtig aufblühte. Er schien voll in seinem Element, roch an allem, was er in die Hände bekam, suchte Sachen zusammen, legte anderes wieder weg.
"Ich mag diese Gerüche, Ihr auch? Wir haben hier alle möglichen Kräuter, mögt Ihr irgend einen Geruch speziell? Heilkräuter vielleicht? Hier ist Beinwell, hm..." Der Mönch-Magier lachte fast kindlich-verspielt und schien sich tatsächlich hier sichtlich wohl zu fühlen. "So etwas sollte man einen Mann nie fragen. Die meisten achten nie auf Gerüche. Dabei muss man sich wundern, wie sehr auch diese oft auf das eine oder andere Detail ansprechen, wenn man erstmal davon weiß.” Er öffnete probehalber mehrere bauchige Tonkrüge und Tiegel aus milchigem Glas, in denen sich meistens Weihrauch zu befinden schien. Er zerrieb einige Kräuter, die von der Decke hingen.
"Ein Novize wusste mal gar nicht, wie sehr er Rapsgeruch liebte, bis er Heimweh hatte, das in die Nase bekam und glatt in Tränen ausbrach... armer Junge."
Er hätte wohl noch weiter plappern können, ließ Merek aber endlich Zeit zum antworten. Das Geruchs-Chaos drohte dem Magier in den ersten Momenten die Sinne regelrecht zu vernebeln, aber es besserte sich schnell. Tatsächlich gewann er sogar das Gefühl, dass sein Kopf allmählich klarer und ein Teil seiner dauernd düsteren Gedanken vertrieben wurde; der Eindruck, dass ihm hier Böses drohen könnte, schwächte sich ab.

Unwillkürlich bildete sich auf Mereks Lippen ein leichtes, kaum sichtbares Lächeln ab. Ob es Levin im Dunkeln aufgefallen war, konnte der Magier nicht sagen, zumal dieser noch immer sehr mit seinen Kräutern beschäftigt war. Beinahe lebhaft konnte er sich an den Geruch von Anas Kräutergarten erinnern. Weniger Weihrauch, aber genau so ein Durcheinander.
“Ich mag Basilikum”, fiel ihm spontan ein. “Nicht nur wegen der entzündungshemmenden Wirkung, sondern auch, weil es gut riecht.” Tief inhalierte er die Mischung aus den verschiedensten Kräutern hier im Raum. Der Geruch alleine strahlte eine so friedliche, ruhige Wirkung aus, die Merek stetig weiter auftauen ließ. “Also gut, Ihr wollt etwas über mich wissen”, begann er während er seine Hände ineinander rieb. Er war nicht gut darin, viel zu reden. Zu lange war es her, dass er anregende Gespräche mit interessanten Menschen geführt hatte.
“Fangen wir vorne an: Mein Name ist Merek. Merek Fiónn.” Er wartete einen Moment ab, ob der Mönch eine Regung bei diesem Namen zeigte, obwohl er nicht wirklich glaubte, dass ein Mönch so weit von Zyranus und dem weltlichen Geschehen entfernt seine Eltern oder seinen Familienstamm kannte. Sie waren bekannte Lichtmagier, Heiler, gewesen, auch außerhalb der Tore Zyranus. Doch das war bittere Vergangenheit. “Bitte nennt mich Merek”, fügte er schließlich an. Er fühlte sich seinem Erben nicht mehr gerecht, vielleicht sogar schandhaft für seine Eltern. Der bittere Beigeschmack, den sein Nachname auf der Zunge hinterließ, ließ ihm kurzzeitig die Nackenhaare zu Berge stehen. Bruder Levin und er tauschten einen kurzen Blick und Merek glaubte, dass dieser verstand. “Ich bin geboren als Sohn zweier Lichtmagier und habe auch selbst schon früh Tendenzen zur Lichtmagie gezeigt. Mein Zwillingsbruder, Rowan, allerdings, war das komplette Gegenteil von mir. Er war angezogen, wenn nicht sogar besessen von der Schattenmagie. Schon früh hat er sich heimlich damit beschäftigt. Unsere Eltern ließen ihn gewähren, wenngleich er sehr viel Unsinn angestellt hat, gelinde gesagt.”
Der Magier erinnerte sich an mehre Situationen, in denen er seinen Bruder in Schutz genommen hatte, damit er nicht noch mehr Ärger bekam. Obwohl alle wussten, wer der wahre Schuldige war. Er seufzte kopfschüttelnd. “Er hat es mehr als einmal übertrieben. Bis es einen tragischen Todesfall gab.” Merek hatte ein vertrocknetes Blatt eines ihm unbekannten Strauches abgepflückt und drehte es zwischen Daumen und Zeigefinger hin und her. Der Duft, der von dem Blatt ausging, hatte nichts Besonderes und so zerrieb er es in kleine Staubkrumen. 
“Rowan ist damals weggerannt und ich habe ihn erst über ein Jahrzehnt später wiedergesehen. Mittlerweile war ich verheiratet. Ana. Sie ist eine Luftmagierin und hat wunderschöne grüne Augen.” Er lächelte bei dem Gedanken an sie. Was würde er dafür tun, sie nur noch einmal in seine Arme nehmen zu können? Ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte und immer lieben würde? Sie hatten noch ihr ganzes gemeinsames Leben vor sich. Zusammen, mit den Kindern. “Wir hatten zwei Kinder: Quinn und Kethana. Sie war eine wundervolle Mutter.” Der Rest des Krauts fiel zu Boden und Merek vergrub seine Finger in die Arbeitsplatte, an der er noch immer lehnte. “Ich weiß nicht, was Rowan dazu brachte, uns auslöschen zu wollen. Er war nie einverstanden gewesen mit Zyranus, dem höflichen Getue und den ganzen Gutmenschen. Ich hatte nur gedacht…” Seine Stimme versagte kurz, er senkte den Blick und betrachtete seine abgewetzten Lederstiefel, die auch schon bessere Tage gesehen hatten. Dann sah er wieder auf und starrte in die Dunkelheit, in der er auf der anderen Seite des Raumes ein weiteres Regal ausmachte, in dem kleine Döschen, Fläschchen und andere Utensilien standen, wie er sie nur aus einer Küche oder einem Labor kannte. “Wisst Ihr, ich habe Rowan geliebt. Ich habe getrauert, als er fortging und ich war glücklich, als sich unsere Wege erneut kreuzten. Und wohl zu geblendet, was seinen Charakter anging. Ich habe nicht gemerkt, dass er keine guten Intentionen hatte.”
Er stieß sich weg von der Platte und ging ein paar Schritte Richtung des anschließenden Raumes, dem er bisher kaum weitere Beachtung geschenkt hatte. “Ich hatte Euch bereits erzählt, was dann geschah.” Die Symmetrie in dem Raum war beeindruckend und ließ ihn fast künstlerisch erscheinen. Nie hatte er in einem Kloster so einen Raum in einem Kloster gesehen. Er war fasziniert von dem Mosaik am Boden mit seinen vielen verschiedenen Formen und Figuren.

“Meine Augen waren vor dem Vorfall beide Eisblau. Jetzt”, Merek fuhr mit einer Hand über das schwarze Auge und verdeckte es kurz, “wisst Ihr, wie es aussieht.” Damit hätte er enden können. Doch es fehlte was. Kräftig bissen sich seine Zähne in die Unterlippe, bis er den bitteren Geschmack von Blut in seinem Mund spürte.
Wieso tat er das hier? Eine Frage, die ihm verhältnismäßig selten während seiner Ausführungen durch den Kopf gegangen war. Er hatte einfach geredet. Viel geredet und lange. Nun stand ihm nur noch sein eigenes Unbehagen im Weg, auch noch sein letztes ‘Geheimnis’ zu lüften. Seine eigene Furcht vor dem Unbekannten.
Er versuchte, sich auf die Kräuter zu konzentrieren. Wieder zog er tief die Luft ein, nahm den einlullenden Geruch in sich auf.
“Dann wäre da noch das hier…” Ohne weiter zu zögern zog er seine Handschuhe aus und entblößte seine Hände, während er sich wieder zu Bruder Levin drehte.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 11. August 2016, 23:03

“Ich mag Basilikum”, fiel ihm spontan ein. “Nicht nur wegen der entzündungshemmenden Wirkung, sondern auch, weil es gut riecht.”
Der Mönch nickte registrierend vor sich hin, während er Merek weiter sprechen ließ und schien weiterhin dies und jenes herum zu sortieren, dabei landete aber auch mit Sicherheit nicht nur zufällig ein mit in Celcianisch beschrifteter Tontopf: "Basilikum, gerebelt" bei den Utensilien, die Levin wohl mitnehmen wollte. Bei dem Namen 'Fiónn' schien sich allerdings nicht wie befürchtet ein Wiedererkennen feststellen - oder wenn es so war, verbarg der Energiemagier es zu gut. “Bitte nennt mich Merek”. Bruder Levin und er tauschten einen kurzen Blick und Merek glaubte, dass dieser verstand. Der Mönch nickte bestätigend.
Während Merek weiter erzählte, schien Levin langsam zu einem Ende mit der Sortiererei zu kommen und drehte sich gemächlich um, ließ die Hände wieder in den Robenärmeln verschwinden. Mit der schon mehrfach beobachteten scheinbar unerschütterlichen Ruhe in den braunen Augen hörte er ihm zu.
Interessant. Er spricht von ihr mal, als wenn sie noch lebt, und dann wieder nicht? Und von seinen Kindern nur in der Vergangenheit... Armer Mann.

Levin folgte ihm zunächst still, als Merek sich von der Arbeitsplatte abstieß und dem angrenzenden Raum einen ersten genaueren Blick schenkte. Er kommentierte die zum Ende hin sehr knappen Worte des ehemaligen Lichtmagiers nicht und dachte sich wohl seinen Teil.
Wieder ein bedächtiges Nicken zu der Bemerkung zu den Augen. Eines der Dinge, was nicht in die Geschichte passt.
Fast schien es, als läge es nun wieder an ihm, die weiteren Schritte vorzugeben, doch es erwies sich wieder ein mal als richtig und wichtig, dass Geduld hier zu den höchsten Tugenden zählte:
“Dann wäre da noch das hier…” Ohne weiter zu zögern zog Merek seine Handschuhe aus und entblößte seine Hände, während er sich wieder zu Bruder Levin drehte.
Dieser kam nicht umhin, für einen Moment tatsächlich die Brauen zu heben. Uh, das ist ja doch mehr, als gedacht...
"Hmmm...", reagierte der Mönch nach einem Augenblick gedehnt, "aber weitere Verfärbungen am Körper habt Ihr nicht, nein?" Er trat etwas näher, die Hände weiter in den Robenärmeln lassend und besah sich die schwarzen Hände mit wissenschaftlich-neugierigem Blick genauer. Der Ehering fiel ihm schnell auf, doch was für Levin nun 'der normale Zustand' zu sein schien, erweckte auch Mereks Aufmerksamkeit: denn dass unter dem Ringfinger der linken Hand eine blasse Stelle war, die seinem normalen Hautton entsprach, wusste er ja, doch dieser bisher schmale Bereich war größer geworden!
Nicht viel, aber für ihn mehr als deutlich sichtbar. Es war ein nach außen zerfasernder Bereich, der die bisherige 'Breite' von vielleicht einem halben Zentimeter auf eher einen gut sichtbaren ganzen Zentimeter ausgeweitet hatte.
Allerdings enthüllte ein weiteres Nachschauen, dass auch das Schwarz der Hände nicht untätig geblieben zu sein schien: Merek täuschte sich nicht, an den Handgelenken war das Schwarz ebenfalls ein kleines Stückchen die Arme weiter hochgekrochen, nicht? Doch, definitiv.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Montag 17. Oktober 2016, 14:19

Merek verzog keine Miene, als Bruder Levin seine Brauen hob und für einen Moment tatsächlich überrascht wirkte. Ein zu kurzer Moment. Als hätte Levin antizipiert, dass Merek ihm genau das präsentieren würde. Er selbst war schockiert gewesen, nachdem er seine Hände erblickt hatte. Für ihn hatte es zunächst keine andere Erklärung gegeben, als dass sie abstarben. Doch nichts war geschehen. Levin wirkte, als wäre dieser Zustand etwas nicht unübliches. Nicht normal, aber auch nichts, was ihn erschütterte.
Merek fragte sich erneut, ob es tatsächlich gut war, diesem Mönch blindlings zu vertrauen. Er barg zweifellos mehr Geheimnisse als er selbst. Doch es war sinnlos, davon abgeneigt zu sein. Es war eine Möglichkeit, die sich ihm niemals zuvor aufgetan hatte. Vielleicht seine einzige Möglichkeit.

"Hmmm...", reagierte der Mönch nach einem Augenblick gedehnt, "aber weitere Verfärbungen am Körper habt Ihr nicht, nein?"
Merek schüttelte den Kopf: „Nein, das ist alles.“ Als hätte das nicht gereicht. Der Mönch nickte verstehend und trat einen Schritt näher. Levin beäugte seine Hände, ohne ihm dabei zu nahe zu treten oder sie anzufassen. Merek war dankbar über den Freiraum, der ihm gelassen wurde.
Auch er blickte auf seine Hände. Wann immer möglich, mied er diesen Anblick. Ein Gefühl der Machtlosigkeit überkam ihn jedes Mal wieder, wenn er sie betrachtete. Als würde etwas Böses davon ausgehen.
„Oh“, hauchte Merek, als er die blasse Stelle um seinen Ehering begutachtete. Der helle Fleck hatte sich ausgebreitet, war nun mindestens doppelt so breit. Er hob seine Hand und fuhr mit dem Finger über den Ring. Selbst im Halbdunkeln glänzte das Edelmetall noch. Es war, als würde der Ring gegen das Schwarz kämpfen.
„Es verändert sich…“, sagte er wahrheitsgemäß, „Der Streifen ist breiter geworden.“
Allerdings enthüllte ein weiteres Nachschauen, dass auch das Schwarz der Hände nicht untätig geblieben zu sein schien: Merek täuschte sich nicht, an den Handgelenken war das Schwarz ebenfalls ein kleines Stückchen die Arme weiter hochgekrochen, nicht? Doch, definitiv.
Er zog scharf die Luft ein. Wie konnte es auch anders sein? Lange war das Schwarz nicht vorangeschritten. Oder er hatte es einfach ignoriert, nicht genauer hingesehen. Wenn ein Mensch die Farbe wechselte, musste man das nicht unbedingt begrüßen.
Er fuhr sich über das Handgelenk, das mittlerweile auch dunkel verfärbt war. „Gleichzeitig schreitet auch das voran.“ Vielleicht hatte es etwas mit dem Benutzen der Magie zu tun. Vielleicht mit dem Hass, der sich immer häufiger in ihm ausbreitete. Oder der Hoffnungslosigkeit. Er wusste es nicht, wie er auf so viele Fragen keine Antworten kannte. Vielleicht hatte Levin Antworten.
„Was sagt Ihr?“ Merek stopfte seine Hände wieder in die Handschuhe. Sie beide hatten genug gesehen. Er inhalierte die mit Kräutern erfüllte Raumluft. Er sollte sich entspannen. Ändern konnte er sowieso nichts an dem, was mit ihm geschah. Oder?

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Montag 17. Oktober 2016, 22:57

„Nein, das ist alles.“ Als hätte das nicht gereicht.
Nein, es reichte offenbar nicht, denn es veränderte sich nun auch noch aktiv, wenn er mal gerade nicht hinsah! Es war zum wahnsinnig werden. Aber vielleicht hatte Levin Antworten.
„Was sagt Ihr?“ Merek stopfte seine Hände wieder in die Handschuhe. Sie beide hatten genug gesehen. Er inhalierte die mit Kräutern erfüllte Raumluft. Er sollte sich entspannen.

"Ich sage, wir sehen uns jetzt einmal genauer an, was da los ist", erwiderte der Mönch nach einem Bedenkaugenblick mit einem ruhigen Nicken und verströmte wieder eine großväterliche Zuversicht, die Merek kaum zu teilen imstande war. Der Mann bückte sich nach einer Rolle, die er mitgenommen hatte und entknotete sie in aller Seelenruhe, um sie dann sorgfältig nach mehreren taxierenden Blicken an die Zimmerdecke auf dem Boden auszubreiten. Es war so etwas wie eine Matte, die aus mehreren Lagen Stoff oder dergleichen zu bestehen schien, vielleicht auch Leder dazwischen. "Hier ist es gut...", murmelte er dabei und zog einige Falten glatt, lud Merek dann mit einer Geste ein, darauf Platz zu nehmen - sie war lang genug, dass man sich offensichtlich auch darauf hinlegen konnte und es dann ein wenig bequemer hatte, als direkt auf dem Steinboden.
"Setzt Euch erstmal nur", meinte er gelassen, "aber schaut, dass Ihr Euch theoretisch auch hinlegen könnt. Ich weiß nicht, wie weit wir gleich beim ersten Mal kommen. Mh, 'weit' ist falsch gesagt, denn es gibt kein Wettrennen hier, versteht Ihr?
Ihr sagtet, dass Ihr nicht wisst, wie weit Ihr Zugang zu Euch gewähren möchtet und ich respektiere das." Er wandte sich um, um Merek einmal direkt in die Augen zu sehen und damit seine Aufrichtigkeit zu demonstrieren.

Kurz verengte sich dabei forschend sein Blick, dann hellte sich die Miene auch schon wieder auf. "Ihr behaltet die Kontrolle", setzte er ernst hinzu.
Dies ließ er erstmal so stehen und begab sich mit einigen Säckchen zu vier größeren Rauchschalen, die - ebenfalls symetrisch verteilt - an den Wänden des Raumes standen und bereitete darauf kleine Pfännchen vor, die bald dabei waren, Weihrauch zu verbrennen und seine Düfte frei zu setzen.
Es waren unterschiedliche Sorten, wie Merek irgendwann feststellen würde. Eine Nuance erinnerte tatsächlich stark an die Gottesdienste zu Ehren Lysanthors, eine roch ziemlich penetrant, aber gerade so noch nicht unangenehm und eine roch ziemlich... 'muffig' wäre zu unfreundlich als Beschreibung dafür gewesen, aber es hatte etwas müde machendes, wie die verbrauchte Luft in einem benutzten Schlafsaal.
Levin kehrte zu Merek zurück, betrachtete kurz seine Haltung und ließ sich ohne Unterlage einfach mit knapp einer Armlänge Abstand neben ihm sitzend nieder. Vielleicht vertraute er darauf, dass die Stoffschichten seiner Robe genügend bequem waren oder vielleicht war er auch diesbezüglich schon abgehärtet.

"Habt Ihr Euren Studienabschluss in Zyranus eigentlich gebührend gefeiert? Ich habe da wilde Geschichten gehört." Der Mönch schmunzelte verschmitzt. Wollte er sich jetzt ernsthaft mit Merek über solche Dinge unterhalten?! "Findet sowas eigentlich immer zur gleichen Zeit im Jahr statt? Ich finde ja, man sollte sowas spät im Frühjahr machen. Aber das ist nur meine Lieblingsjahreszeit, weil es da schon schön trocken ist und so viele Blumen blühen. Bevorzugt Ihr eine?"
Er schien tatsächlich zwanglos mit ihm plaudern zu wollen, zeigte aber auch eingestreut während des Redeflusses auf einige Ornamente an den Wänden und raunte leiser:
"Mit meinen Schülern mache ich immer ein Spiel daraus, dann fällt nicht so auf, dass es eine Konzentrationsübung ist: Wer findet die meisten Dreiecke? Fangt mal mit den roten an. Sucht einfach so viele, wie Ihr zu finden meint und schaut dann, ob Ihr mehr oder weniger gelbe Dreiecke findet."
Eine kuriose Aufgabe, soweit Merek sie befolgen wollte. Er musste im ersten Moment glatt suchen, überhaupt rote Dreiecke zu finden, denn die Wände wirkten nicht "kindlich bunt", dass sie sonderlich aufgefallen wären, aber zwischen harmonisierenden und oft abschwächenden anderen Farben waren tatsächlich rote - und gelbe - Dreiecke zu finden, oft eingebettet in komplexeren Formen.
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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Dienstag 18. Oktober 2016, 16:54

"Setzt Euch erstmal nur", meinte er gelassen, "aber schaut, dass Ihr Euch theoretisch auch hinlegen könnt. Ich weiß nicht, wie weit wir gleich beim ersten Mal kommen. Mh, 'weit' ist falsch gesagt, denn es gibt kein Wettrennen hier, versteht Ihr?
Ihr sagtet, dass Ihr nicht wisst, wie weit Ihr Zugang zu Euch gewähren möchtet und ich respektiere das." Er wandte sich um, um Merek einmal direkt in die Augen zu sehen und damit seine Aufrichtigkeit zu demonstrieren.

Merek hielt seinem Blick stand und nickte anerkennend. Er ignorierte seine aufgestellten Nackenhaare so gut er konnte.
Ich behalte die Kontrolle. Sicher. Kontrolle war in letzter Zeit sicherlich eine meiner Stärken.
In seinem Kopf spielten sich verschiedene Szenerien ab, wie er Kontrolle darüber bewahren wollte, wenn Levin sich Zugang zu ihm verschaffte. Wenn er schutzlos war. Doch er vertraute darauf, dass sein Körper und Geist wussten, was sie zu tun hatten. Er wusste, die dunkele Seite in ihm hatte einen starken Lebenswillen - sie würde sich nicht so einfach still und heimlich umbringen lassen. Und was, wenn doch? Dann würde er es wahrscheinlich nicht einmal mehr mitbekommen.
Merek ließ sich im Schneidersitz auf der Matte nieder. Mit dem schwachen Kerzenschein und den unterschiedlichen Gerüchen fühlte er sich einen Moment lang an kalte Winterabende mit seiner Familie erinnert. Wenn Ana und die Kinder die Sessel vor dem offenen Kamin in Beschlag genommen hatten, hatte er so auf dem Fell vor dem Feuer gesessen. Sie tranken Tee und sprachen über die Ereignisse des Tages.
Es störte ihn nicht, dass es keineswegs halb so gemütlich und warm war, wie damals. Es genügte ihm. Der von allen Seiten kommende Weihrauch lullte ihn ein wenig ein. Der Raum ertrank langsam im Qualm. Die Gerüche erinnerten ihn an die Gottesdienste, die er als kleiner Junge mit seinen Eltern besucht hatte. Oder auch später mit seiner eigenen Familie. Seinen Gott zu ehren war eine der wichtigsten Aufgaben im Leben eines Zyraners. Dies hatte nun all seine Bedeutung verloren.

Levin kehrte zu Merek zurück, betrachtete kurz seine Haltung und ließ sich ohne Unterlage einfach mit knapp einer Armlänge Abstand neben ihm sitzend nieder. Vielleicht vertraute er darauf, dass die Stoffschichten seiner Robe genügend bequem waren oder vielleicht war er auch diesbezüglich schon abgehärtet.
Nichtsdestotrotz sah es ungemütlich aus. Merek betrachtete kurz die Matte und rückte ein Stück zur Seite. Für ihn alleine war sie groß genug.
„Ihr könnt gerne hier Platz nehmen“, bot er Levin dennoch an. Damit würde der Mönch zwar noch näher rücken, aber was war körperliche Nähe im Vergleich zu einer geistigen Verbindung? Ein zynisches Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Es war egal.

"Habt Ihr Euren Studienabschluss in Zyranus eigentlich gebührend gefeiert? Ich habe da wilde Geschichten gehört." Der Mönch schmunzelte verschmitzt. Wollte er sich jetzt ernsthaft mit Merek über solche Dinge unterhalten?! "Findet sowas eigentlich immer zur gleichen Zeit im Jahr statt? Ich finde ja, man sollte sowas spät im Frühjahr machen. Aber das ist nur meine Lieblingsjahreszeit, weil es da schon schön trocken ist und so viele Blumen blühen. Bevorzugt Ihr eine?“
Er schien tatsächlich zwanglos mit ihm plaudern zu wollen, zeigte aber auch eingestreut während des Redeflusses auf einige Ornamente an den Wänden und raunte leiser: "Mit meinen Schülern mache ich immer ein Spiel daraus, dann fällt nicht so auf, dass es eine Konzentrationsübung ist: Wer findet die meisten Dreiecke? Fangt mal mit den roten an. Sucht einfach so viele, wie Ihr zu finden meint und schaut dann, ob Ihr mehr oder weniger gelbe Dreiecke findet."

„Ich bevorzuge den Herbst“, murmelte Merek vor sich hin, während er die farbigen Dreiecke an der Wand versuchte zu unterscheiden. Das Geplaudere erschien ihm belanglos. „Ich mag das Geräusch der Blätter unter meinen Füßen und die verschiedenen Farben, die sie annehmen können.“ Er hielt kurz inne, um seine Gedanken zu sortieren. „Zudem habe ich das Gefühl, dass die Welt im Herbst immer langsamer wird, bis sie zum Winter hin beinahe zum Stillstand kommt. Die Tiere, die sich auf den Winterschlaf vorbereiten. Die Ernte, die verrichtet ist und die winterfesten Häuser. Kinder, die anfangs noch draußen spielen, bevor es an den kälteren Tagen immer leerer auf den Plätzen wird. Versteht mich nicht falsch - ich bin kein Freund des Stillstandes - der Herbst ist an sich nicht still, sondern birgt eine Fülle der Veränderungen. Nur geschieht das alles zunehmend langsamer - man besinnt sich wieder auf Wesentliches.“

Merek blickte zur Wand. Zunächst sah er nur die großen Ornamente, die sich in verschiedenen Größen über alle Wände erstreckten. Erst bei genauerem Hinsehen sah er die Dreiecke - auch in den Farben rot und gelb. Es waren einige. Es würde Konzentration kosten, die geometrischen Figuren zu zählen und gleichzeitig im Auge zu behalten, welche er schon gezählt hatte und welche nicht.
Doch bevor er sich dieser Aufgabe widmete, die ihm vielleicht noch als Kind Spaß bereitet hätte, wandte er sich noch einmal seinem Gegenüber zu:
„Bruder Levin“ Der Mönch sah ihn mit erwartungsvollen Augen an.
„Ja bitte?“
„Ihr wisst nun wesentlich mehr über mich, als ich über Euch. Darf ich Euch eine Frage stellen, bevor wir anfangen? Woher kommt Ihr? Was hat Euch hierher verschlagen?“ Er wusste, dass er zwei Fragen gestellt hatte. Dies erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass Levin wenigstens eine davon beantwortete. Gespannt wartete Merek auf seine Antwort, während er sich wieder an den roten Dreiecken zu schaffen machte.

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 19. Oktober 2016, 12:35

Merek betrachtete kurz die Matte und rückte ein Stück zur Seite. Für ihn alleine war sie groß genug.
„Ihr könnt gerne hier Platz nehmen“, bot er Levin dennoch an. Damit würde der Mönch zwar noch näher rücken, aber was war körperliche Nähe im Vergleich zu einer geistigen Verbindung? Ein zynisches Grinsen stahl sich auf seine Lippen. Es war egal.

Der etwas ältere Mann blinzelte ihm lediglich gutmütig zu. "Ich hätte mir ein Kissen nehmen können, wenn ich es brauchen würde, trotzdem danke", meinte er gelassen. Trotzdem war zu bemerken, dass er danach seine Haltung änderte: scheinbar hatte Mereks Angebot ihm zumindest zu verstehen gegeben, dass er dem Zyraner also nicht zwingend so lange wie möglich "von der Pelle bleiben" sollte. Es war logisch betrachtet auch widersinnig, aber man hätte ja immerhin so tun können... Das Aufgeben dieser Fassade war regelrecht zu spüren und Levin schien nun tatsächlich durchaus gemütlich zu sitzen. Er brauchte keine Matte.

Levin lauschte aufmerksam den Erklärungen Mereks zum Herbst und nickte bedächtig. "...Nur geschieht das alles zunehmend langsamer - man besinnt sich wieder auf Wesentliches.“
"Das passt doch gut...", meinte der Mönch zufrieden, "dann begeben wir uns einfach auch in den Herbst. Wir besinnen uns auf Wesentliches." Der Mann schmunzelte leicht. Es schien für ihn nicht ganz einfach, gerade eine Gratwanderung zu meistern: Merek war kein zehnjähriger Schüler, dem er unbefangen neue Dinge erklären konnte. Er saß neben einem ausstudierten Magier, verheiratet, Vater, und war dennoch darum bemüht, hier eine gelöste Atmosphäre zu schaffen und ihn in ein Ritual einzuweisen, dessen Aufbau, Ablauf und Konsequenzen absolutes Neuland waren. So ganz konnte es dabei nicht aus seiner Haut: selbst wenn er "seine Schüler" nicht erwähnt hätte, es war offensichtlich, dass er hier auch unterichtete.

Doch bevor Merek sich der gestellten Aufgabe widmete, die ihm vielleicht noch als Kind Spaß bereitet hätte, wandte er sich noch einmal seinem Gegenüber zu:
„Bruder Levin“ Der Mönch sah ihn mit erwartungsvollen Augen an.
„Ja bitte?“
„Ihr wisst nun wesentlich mehr über mich, als ich über Euch. Darf ich Euch eine Frage stellen, bevor wir anfangen? Woher kommt Ihr? Was hat Euch hierher verschlagen?“

Fragen, die der Mann sicher weder zum ersten Mal hörte noch zum ersten Mal beantwortete. "Da gibt es nicht allzu viel zu erzählen, aber Ihr habt recht, dass es sonst ein Ungleichgewicht gäbe. Beheben wir es." In beiläufiger Geste zog der Mönch das erste Mal, seit sie drinnen waren, die Kapuze seiner Robe ganz nach hinten und ein wuscheliger brauner Haarschopf kam zum Vorschein, den immer mehr weiße Haare zu erobern schienen. An den Schläfen war er fast ganz weiß. Erstaunlicherweise schien das übliche Phänomen, dass die Haare durch unterschiedliche Färbung schmutzig grau wirkten, zu fehlen - entweder, die Haare waren weiß oder eben braun, was teils zu seltsamen Kontrasten führte.
"Ich komme aus Dessaria und sollte", er warf einen bedeutsamen Seitenblick zur Vorkammer mit den ganzen Behältern, "Apotheker werden. Jetzt seid Ihr überrascht, was?" Er lachte leise und nahm wie selbstverständlich seine Stimme zurück, als er registrierte, dass Merek tatsächlich begann, sich mit den Dreiecken zu beschäftigen. Seine Worte lenkten kaum ab und er schien Übung damit zu haben.
"Ich war ein schlaksiger Bursche und etwa dreizehn, als ich im Schattengebirge nach heilenden Mineralien und speziellen Flechten suchen sollte. Unter mir brach irgendwann aber doch unerwartet ein Felsvorsprung ab und ich begab mich schneller auf eine darunter liegende Wiese, als ich es beabsichtigt hatte und brach mir ein paar Knochen."
Es war erstaunlich, wie beiläufig man von einem solchen Unglücksfall erzählen konnte...
"Zum Glück gab es da Wasser, aber es sah eine Weile nicht gut aus, dass ich von dort noch einmal weg käme. Irgendwann fand mich Bruder Enaldo, der leider nicht mehr unter uns weilt, und erklärte mir hinterher, ich hätte mich in eine Art Winterschlaf versetzt. Er hat darin ein so deutliches Potential gesehen, dass er sich gar nicht die Mühe gemacht hat, mich erst zurück nach Dessaria zu bringen. Das haben wir später geklärt. Mir gefiel es hier."
Gelassen endete er die knappe Erklärung und beobachtete, welche Stelle an der Wand Merek gerade zu untersuchen schien.

Er lehnte sich etwas vor, um direkt an ihm vorbei besser auf eine benachbarte Stelle zeigen zu können: "Seht Ihr dort den Drachen?", fragte er leise und schmunzelte spitzbübisch, denn er erwartete Protest, dass er Merek damit gerade doch ablenkte. "Da sind ganz viele. Man darf beim Beobachten der kleinen Dinge nie das große Ganze aus den Augen verlieren, nicht?"
Drache? Verflixt, was für ein Drache?? Wollte Merek die genannte Figur tatsächlich suchen, taten sich einige Schwierigkeiten auf, denn eben noch auf die winzigen Teile des Mosaiks konzentriert, war das Entdecken einer Drachenfigur nun so abstrakt wie das Finden von Figuren in Wolken. Außerdem waren die Dreiecke, die Levin meinte, offenbar zusammengesetzte Formen, die aus Verschiedenen Farbnuancen bestehend dann 'überwiegend rot' waren, ja... Eine Sichtumstellung, die glatt Schwindel hervorrief. Oder war das der Weihrauch?
Aber Himmel, wenn auch solche Dreiecke gemeint waren, dann konnte er ja ewig suchen! Vom Boden bis zur Decke war der Raum voll mit sowas!

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Re: Neuanfang im Kloster

Beitrag von Merek » Mittwoch 19. Oktober 2016, 20:45

In beiläufiger Geste zog der Mönch das erste Mal, seit sie drinnen waren, die Kapuze seiner Robe ganz nach hinten und ein wuscheliger brauner Haarschopf kam zum Vorschein, den immer mehr weiße Haare zu erobern schienen. An den Schläfen war er fast ganz weiß. Erstaunlicherweise schien das übliche Phänomen, dass die Haare durch unterschiedliche Färbung schmutzig grau wirkten, zu fehlen - entweder, die Haare waren weiß oder eben braun, was teils zu seltsamen Kontrasten führte.
Er sieht jünger aus als erwartet. Die Kapuze schmeichelt ihm nicht sehr.
Bruder Levin sprach von seiner Herkunft, als wäre es einfach ein Teil seiner Geschichte. Keine Wehmut, keine Reue. Er schien eins mit sich und seinem Leben zu sein. Eine bewundernswerte Eigenschaft.
„Ein gelehrter Dessarier fernab der Heimat…“, murmelte Merek vor sich hin. Und dann auch noch ein Magier. Er nickte ein paar Mal leicht, vielmehr um seine Gedanken zu Ordnen. Gleichzeitig musste er sich darauf konzentrieren, die Zahl der roten Dreiecke zu behalten und den Ort an der Wand nicht zu verlieren, an dem er sich befand.
„Ihr seid nicht der Vorzeigedessarier, wie es scheint“, Merek blickte für den Bruchteil einer Sekunde zu Bruder Levin hinüber, der scheinbar tiefenentspannt auf dem kalten Boden hockte. Er wirkte zufrieden. Auch er sah sich die Ornamente an der Wand an. „Aber was möchte ich euch von Normen erzählen?“ Er zog die Schultern hoch und konzentrierte sich wieder vollkommen auf die Wand. Kurz überlegte Merek, ob er ein ganz bestimmtes Dreieck bereits gezählt hatte, entschied sich aber dagegen. Dort war er noch nicht gewesen.

"Seht Ihr dort den Drachen?", fragte er leise und schmunzelte spitzbübisch, denn er erwartete Protest, dass er Merek damit gerade doch ablenkte. Drachen? Ich war bei Dreiecken. Was will er jetzt verdammt nochmal mit Drachen?
"Da sind ganz viele. Man darf beim Beobachten der kleinen Dinge nie das große Ganze aus den Augen verlieren, nicht?“
Merek presste die Lippen aufeinander. Ihn in der Bredouille zu sehen, gefiel dem Mönch sicherlich. Wie sollte er die Stelle behalten, an der er war, wenn er sich auf einen größeren Abschnitt konzentrieren musste? Selbst wenn er eigentlich ein gutes visuelles Gedächtnis hatte, diese Anordnung von Ornamenten war einfach zu mächtig und konfus, um die genaue Stelle zu behalten. Er fluchte Innerlich. Langsam glaube er zu wissen, dass Bruder Levin gar keine genaue Antwort auf die Frage nach der Anzahl der Dreiecke wollte.
Du bist heute aber auch ein ganz Schneller, Merek.
Ein bisschen fühlte er sich wie in seine Magierausbildung versetzt. Er kannte diese Art an Aufgaben, bei dem es nicht um die Lösung, sondern um den Weg dahin ging. Nicht speziell das. Aber er hatte in seiner Ausbildung oftmals unlösbare Rätsel bearbeiten sollen. Aufgaben, bei denen es galt, etwas zu schaffen, was mit Magie nicht machbar war. Sehr beliebt war das in Prüfungen. Nie seine Lieblingsübungen.
Als Merek sich darum bemühte, einen größeren Abschnitt ins Auge zu fassen, ohne dabei die eigentliche Stelle zu verlieren, bei der er stehen geblieben war, bemerkte er seinen Fehler:
Die Dreiecke, die Levin meinte, waren offenbar zusammengesetzte Formen, die aus Verschiedenen Farbnuancen bestehend dann 'überwiegend rot' waren, ja... Eine Sichtumstellung, die glatt Schwindel hervorrief. Oder war das der Weihrauch?
Als Kind hätte er jetzt die Arme vor der Brust verschränkt und geschmollt, weil er keine Lust mehr hatte. Es befanden sich Dreiecke in weiteren Dreiecken. Es war schon schwierig genug, einen Quadratmeter so auszuzählen, aber den gesamten Raum? Dann auch noch in rot und gelb? Unmöglich. Ob Bruder Levin wusste, wie viele Dreiecke in den verschiedenen Farben es hier gab? Merek hätte es nicht verwundert, war doch die Meditation hier ein lange geübtes Gut.
Das Bild vor seinen Augen verschwamm leicht. Vielleicht durch den Qualm des Weihrauchs. Vielleicht aber auch aufgrund der vielen feinen Linien, die er anstrengend betrachtete.
Drachen. Wo zur Hölle waren hier Drachen? Bei dem Versuch, einen Teil des Ornaments als Ganzes zu betrachten, verschwammen die Linien der einzelnen kleinen Dreiecke nur noch mehr. Er blinzelte. Seine Augen fühlten sich an, als hätte Stunden im gleißenden Licht verbracht. Schwer und müde waren sie. Gab es hier überhaupt Drachen an der Wand? Oder nur Linien über Linien, die als Gesamtes nur irgendwelche Muster ergaben, in die man hätte alles reininterpretieren können? Sein Kopf schmerzte vor Anstrengung. So gerne er auch aufhören wollte, er würde Levins Spielchen mitspielen. Er musste.

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