Die Strömung der Gezeiten

Diese Küstenstadt ist verrufen, gefürchtet und niederträchtig. Hier leben Rassen aller Art und sie sind Piraten, Hehler und Gesindel. Neue Besucher sollten sich einer Gemeinschaft anschließen, wenn sie in Rumdett überleben wollen.
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Die Piraten haben sich den Dunkelelfen angeschlossen!
Sie erhielten Freibriefe für ihre Raubzüge auf See. Teilweise haben sie hierzu auch Amazonen angeheuert.
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Samuel Hatch
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Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Mittwoch 28. Mai 2014, 23:13

Samuel erwachte, doch er öffnete weder das ihm verbliebene Auge, noch bewegte er sich. Er lauschte dem Kreischen der Seemöwen und sog tief die salzige Luft durch die Nase. Er liebte den Geruch der See. Doch am heutigen Tage wurde der Genuss durch unglaublich hämmernde Kopfschmerzen getrübt.

"Argh... verdammt... hätte ich doch nur weniger von diesem Fusel gesoffen..." murmelte er zu sich selbst, während er langsam gegen den Sonnenschein blinzelte. Er hob eine Hand, um den hellen Schein von seinem Gesicht fernzuhalten. Langsam und erschöpft erhob er sich von seinem sogenannten Nachtlager: einer versteckten Seitengasse nahe der Stadtgrenze. In Rumdett wurde man zwar häufig im Schlaf ausgeraubt oder schlimmeres, doch Samuel hatte in den vielen Jahren hier gelernt, wo er sich nachts verstecken muss, wenn er sich keine Unterkunft in einer der Spelunken oder der Bordelle leisten konnte.

Auf den Beinen stehend, sah er sich schwankend um. Seine Hand wanderte in seine Manteltaschen und danach zu seinem Gürtel, um zu prüfen, ob noch alle seine Habseligkeiten da waren. Alles war an seinem angestammten Platz.

"Gut... wenigstens etwas..." Der verkaterte Pirat streckte sich und nahm danach einen großen Schluck aus seinem, mit Rum gefüllten, Flachmann. Jetzt war der nur noch zur Hälfte voll.

In der letzten Zeit hatte Samuel wenig Glück auf Kaperfahrten und mit zwielichtigen Geschäften in Rumdett gehabt, und mittlerweile war er total abgebrannt. Seine Barschaft betrug gerade einmal lächerliche fünf Fuchsmünzen.

Der Rum begann zu wirken. Der starke Alkohol drängte das Hämmern in seinem Schädel etwas in den Hintergrund und Samuel schulterte seinen zerschlissenen Seesack. Er sah zum Himmel auf und beobachtete für einen Moment die Seevögel, die sich vom Wind trieben ließen. Dann setzte er sich in Bewegung. Er hatte kein genaues Ziel, doch eines wusste er: Jetzt musste er vor allen Dingen erst einmal Geld beschaffen...

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Samstag 31. Mai 2014, 23:53

Es war ein verkaterter Mittag, an dem Samuel Hatch sich durch Rumdett schleppte. Zu der Zeit waren nicht viele Leute auf der Straße und von denen waren die meisten ebenfalls verkatert. Es gab nur wenige Leute, die den Tag nüchtern und emsig nutzten. Zum Beispiel rollte ein etwas älterer Mann ein versiegeltes Fass mit einer Schubkarre über den Pflaster, während ihn eine schwangere Frau begleitete, die eine Quetschkommode trug. Seltsames Zeug gab es.
Nach einer dreiviertel Stunde zielloses Umhergewandere passierte tatsächlich etwas. Samuel wurde von etwas weichem am Kopf getroffen. Nässe und Dreck geriet in sein Haar und dann rollte das Etwas von seinem Kopf herunter. Ein Brocken Moos.
„Hey, Zyklop!“, schallte eine lachende Stimme von oben.

Da saß ein Junge auf dem Dach des Gebäudes, an dem Sam gerade vorbeigegangen war. Der Knabe hatte die Oberschenkeln genau auf der Regenrinne liegen und ließ die Beine hinab schaukeln. Das Moos hatte er vermutlich mit den Fingern aus der Rinne gekratzt.

„Sam Hatch heißt du, nicht wahr?“, meinte der Junge grinsend. „Man sucht dich.“

Die Beine baumelten lustig. „Willst bestimmt wissen, wer und warum! Für jede Fuchsmünze, die du mir hochwirfst, beantworte ich eine Frage, in Ordnung?“

Der Junge war weit außerhalb von Greifreichweite. Die Regenrinne hing fest an einem senkrechten Abflussrohr, um das Wasser zum Rinnstein zu führen.
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Sonntag 1. Juni 2014, 22:10

Während Sam versuchte, das lauter werdende Dröhnen in seinem Schädel zu ignorieren, schleifte er sich mühselig und langsam durch die dreckigen Gassen und Hinterhöfe. Auf einer der Straßen kam ihm ein sehr sonderbares Pärchen entgegen, doch bevor er überhaupt realisierte, wie absurd diese Situation war, waren die beiden auch schon um eine Ecke gebogen.

"Seh' ich schon Trugbilder?" murmelte er zu sich selbst. "Scheiß Alkohol..." brummte er, als er einen weiteren Schluck aus seinem Flachmann nahm. Er zuckte nur mit den Schultern und vergaß die beiden recht schnell wieder.

Während er seinen eigenen, verkaterten Gedanken nachhing, traf ihn plötzlich etwas weiches am Kopf. Im ersten Moment dachte er an Möwenscheiße... es war so gut wie immer Möwenscheiße. Manchmal hatte er die Vermutung, die ganze verfluchte Stadt wäre aus Möwenscheiße gebaut. Doch das weiche Etwas rollte von seinem Kopf und er konnte es erkennen: Ein Brocken Moos?!

„Hey, Zyklop!“, schallte eine lachende Stimme von oben.

Sofort richtete der Pirat angriffslustig den Blick nach oben, doch als er den Übeltäter sah, wurde seine Mine eher resignierend und genervt.
Natürlich... einer der kleinen Drecksbälger... dachte er sich und stöhnte entnervt.

Der Knabe hatte die Oberschenkeln genau auf der Regenrinne liegen und ließ die Beine hinab schaukeln.

„Sam Hatch heißt du, nicht wahr?“, meinte der Junge grinsend. „Man sucht dich.“

Die Beine baumelten lustig. „Willst bestimmt wissen, wer und warum! Für jede Fuchsmünze, die du mir hochwirfst, beantworte ich eine Frage, in Ordnung?“

Im ersten Moment schoß Sam ein düsterer Gedanke durch den Kopf, der eine riesige Litanei an Beschimpfungen, seine drei Wurfmesser und das Gesicht des Bengels beinhaltete, doch er drängte ihn sehr schnell beiseite. Möglicherweise könnte er nützlich sein. Aber so einfach würde er es dieser kleinen Ratte nicht machen: Wenn er spielen wollte, dann spielten sie!

Der Pirat deutete dem Burschen, er solle sich kurz gedulden, sammelte dann eifrig ein halbes Dutzend Kieselsteine vom Gehweg, jeder groß genug um bei einem Treffer spürbare Schmerzen zu hinterlassen, aber nicht groß genug um wirklich Schaden anzurichten. Dann nahm er aus seinem fast leeren Geldbeutel die verbliebenen fünf Füchse und zog zusätzlich noch eines seiner Wurfmesser.

"So mein Kleiner! Das Spiel läuft folgendermaßen: Ich werfe dir eine Münze hoch, und stell' dir die erste Frage. Wenn mir die Antwort gefällt, werf' ich dir die nächste Münze hoch und so weiter. Gefällt mir die Antwort nich' oder verspricht sie zu wenig Gewinn, kriegst du 'nen Kiesel an den Kopf! Und wenn ich mitbekomme, dass du lügst, oder gefällt mir die Antwort ganz und gar nicht... tja dann..." Er hielt sein Messer so, dass der Junge es genau sehen konnte.
"Aber keine Angst: Es ist ja nur ein Spiel, nicht wahr?" Er lächelte schelmisch.

"Bist du einverstanden?" Er hielt nun eine der Münzen wurfbereit.

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 8. Juni 2014, 11:47

Der selbstbewusste Knirps beobachtete, was Samuel unten tat, und zeigte erste Anzeichen von Nervosität. Er fingerte an seinem Kragen und zog vorsorglich schon einmal seine Beine hoch. So bot er weniger Angriffsfläche gegen geworfene Kiesel und konnte schneller abhauen, wenn es brenzlig wurde.

Auch nicht viele Leute auf der Straße waren, hielten diese wenige an. Als der Pirat die Kiesel zusammen hatte, gab es bereits ein Publikum von etwa zehn Leuten, die beobachteten, was sich da zusammenbraute. Wenn Hatch genauer hinsah, konnte er sogar schon zwei Männer sich auf eine Wette einigen sehen.

„Klar, ein Spiel!“, meinte der Junge wacker. „Dann schieß' mal los mit der ersten Frage.“
Der Knabe tastete währenddessen mit den Fingern über die von den Möwen weiß dekorierten Dachschindeln. Vielleicht verstand Sam, dass er nach einer losen Platte suchte. Vielleicht als Schild, vielleicht aber auch, um selbst ein Wurfgeschoss zu haben. Moosbrocken würden definitiv nicht ausreichen, wenn die Lage eskalierte.
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Sonntag 8. Juni 2014, 14:47

Das sich Schaulustige um ihn herum versammelten, passte Sam zwar überhaupt nicht, denn wenn der Junge nun wider erwarten doch wichtige Informationen auspacken sollte, hörten es alle, doch das lies sich nun leider nicht mehr ändern. Der Bursche auf dem Dach zog vorsichtshalber schon mal die Beine ein, und schien auch so etwas nervöser.

Das hast du davon, mir dumm zu kommen, du kleiner Mistkäfer... dachte sich Sam und lächelte verschmitzt. Doch der Kleine blieb tapfer und nickte.

„Klar, ein Spiel!“ meinte der Junge wacker. „Dann schieß mal los mit der ersten Frage!“

Sam nickte. Er betrachtete kurz sein kleines Publikum.
"Als erstes wollen wir wohl alle wissen, WER mich sucht! Oder Leute?" Er lächelte in die Menge und sah dann hoch zu dem Jungen. Er holte aus und warf die Münze nach oben... Scheinbar, denn in letzten Moment stoppte er und funkelte den Burschen böse an: "Denk dran, Kleiner: Komm nich' auf die Idee, mich mit Rätseln oder Zweideutigkeiten hinzuhalten. Ich will einen Namen, verstanden?! Und lass das Gefummle da oben! Wenn ich nicht sehe, was deine Hände machen, werd' ich nervös, und nervöse Leute werfen gern Messer nach kleinen Kindern."

Nach einem letzten Blick warf er das glänzende Stück Metall nun doch in die Höhe.
Noch während es sich drehend im Aufwärtsflug befand, hoffte ein kleiner Teil von Sams Verstand, dass der Kleine es nicht fangen würde... Er konnte sich einfach nicht gut von Geld trennen.

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 15. Juni 2014, 11:21

Plötzlich flackerte das im Gesicht des Jungen die Erkenntnis auf, dass er womöglich einen Fehler gemacht hatte. Nachdem er bereits den Bedingungen zugestimmt hatte, versuchte er nachträglich noch einzurufen:

„Aber ich muss das Geld auch bekommen. Du wirfst es nicht einfach nur einen halben Schritt weit in die Luft oder so!“

Da wurde schon die erste Frage gestellt und die Münze hoch geschleudert. Sie landete genau auf der Kante der Regenrinne, wackelte vor und zurück, als konnte sie sich nicht entscheiden, wohin sie nun fallen sollte, und rutschte dann in die Rinne hinein. Der Junge beugte sich vorsichtig vor, wobei er die Augen auf Samuel gerichtet hat. Er nahm die Münze.

„Ich kann dir nur einen Namen nennen, der Rest sind seine Gehilfen. Er heißt...“ und seine Stimme wurde leiser „Morozov.“

Leider war das nicht leise genug. Ein Mann aus der Menge hörte das, flüsterte es an die anderen und einer von denen entfernte sich. Der Junge schaute auf den Piraten herab. „Sind wir jetzt fertig?“

Morozov war kein berühmter Name, aber wer die Hierarchie von Finns Säbelschwingern kannte, der wusste, dass dieser Mann so etwas ähnliches wie ein Vermögensverwalter war. Wenn ein hochrangiger Säbelschwinger Schätze hatte, die er nicht am Leib tragen konnte und nicht in einer Sandbank vergraben wollte, dann ging er zu Morozov. Der Mann passte mit seinen Leuten darauf auf und vermittelte auch Hehler. Wenn etwas verloren ging, bezahlte Morozov den Wert davon aus eigener Tasche – und jagte Diebe gnadenlos.
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Sonntag 15. Juni 2014, 21:02

Samuel spürte eine leichte Befriedigung, als er bemerkte, dass der Bengel scheinbar ernsthaft über seine Frechheit nachdachte. Das Leben hier in Rumdett war nun mal kein einfaches, und das mussten auch die Kleinsten lernen. Er hätte nicht sagen können, ob er dem Jungen wirklich eines seiner Messer entgegen geschleudert hätte oder nicht, doch das wusste der kleine Mann auf dem Dach ja nicht, und genau diese Ungewissheit war es, die ihn hoffentlich in nächster Zeit die Dinge etwas bedachter angehen lies.

Nachdem er bereits den Bedingungen zugestimmt hatte, versuchte der Junge nachträglich noch einzurufen:

„Aber ich muss das Geld auch bekommen. Du wirfst es nicht einfach nur einen halben Schritt weit in die Luft oder so!“

Na bitte... geht doch! Du scheinst ja doch cleverer zu sein, als ich dachte, wenn du zumindest in Betracht ziehst, dass ich dich verarschen könnte. Lern d'raus! dachte der Pirat. Die Münze war allerdings schon im Flug und landete ziemlich wackelig auf der Rinne. Allerdings konnte der Junge sie noch ergreifen.

"Naja... ich hab wenig Übung im Geld werfen..." murmelte Sam sarkastisch zu sich selbst, während der Kleine oben das Geldstück einsackte.

„Ich kann dir nur einen Namen nennen, der Rest sind seine Gehilfen. Er heißt...“ und seine Stimme wurde leiser „Morozov.“


Das verbliebene Auge des Freibeuters weitete sich unmerklich. Der Name brachte etwas in ihm zum Klingeln, doch im ersten Moment konnte er nicht sagen, was es war. Viel wichtiger war für Sam, dass sich einer der Umstehenden bei der Erwähnung des Namens aus dem Staub machen wollte. Für den Bruchteil einer Sekunde war er drauf und dran dem Mann hinterher zu eilen, und ihn zur Rede zu stellen, doch er entschied sich dagegen. Stattdessen sah er ihm unauffällig nach, und versuchte sich möglichst genau zu merken, wie er aussah. Sam lebte schon zu lange in Rumdett, um noch an Zufälle dieser Art zu glauben. Falls es ein Wiedersehen geben sollte, wäre es besser ihn zu erkennen.


„Sind wir jetzt fertig?“ ertönte die helle Stimme des Jungen auf dem Dach.

Sam sah wieder nach oben und grinste den Bengel an.

"Nein mein Kleiner, sind wir noch nicht! Du willst doch Geld verdienen, oder?" Er nahm eine weitere der verbliebenen Münzen zur Hand, hielt sie so, dass der Junge sie sehen konnte, und rief ihm zu:

"Frage Nummer Zwei: Wo finde ich diesen Moso... Dingsda... Morozov! Genau das war's! Wo ist er?"

Sam warf die Münze nach oben. Ihren Flug beobachtend, schien er nach außen hin völlig ruhig und gelassen amüsiert, doch seine Gedanken überschlugen sich in rasendem Tempo.

Morozov... Morozov... komm schon, denk nach! Woher kennst du den Namen? Woher? Morozov...

Noch während die Münze in der Luft war, viel es Samuel wie Schuppen von den Augen. Morozov, der "Schatzhüter". Dieser Kerl und seine Bande verwahrten die Reichtümer andere Piraten, die unter Finns Kommando standen. Bei Verlust entschädigte er selbst. Samuel war, als hätte er mal ein Gerücht gehört, das besagte, dass Morozov absichtlich Dinge stehlen lies und deren Besitzer entschädigte, nur um an die Ware zu kommen, die ihre ehemaligen Besitzer nicht verkaufen wollten, doch ob das stimmte, hatte Sam nie sonderlich interessiert. Er selbst hatte ohnehin nie genug besessen, um Morozovs Dienste in Anspruch zu nehmen.

Was will der Typ also von mir? Wieso sucht er mich? Schulde ich ihm Geld? Nee... dem doch nich'... also zumindest nich', dass ich wüsste...
Und wer zum Henker war der Kerl, der hier grade die Biege gemacht hat, und vor allem: Warum?


Diese, und viele andere Gedanken, mitunter an seinen geliebten Flachmann, schwirrten Sam durch den Kopf, während er sanft lächelnd die fliegende Münze beobachtete.

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 22. Juni 2014, 11:27

Als er die Münze dieses Mal hochwarf, prallte sie an einer Dachschindel ab und wurde Richtung Straße zurückgeschleudert. Der Junge warf sich blitzschnell nach vorne, schnappte sie gerade noch so aus der Luft und seufzte erleichtert.

„Am einfachsten findest du ihn genau hier. Du musst einfach nur warten, bis er oder ein Gehilfe vorbeikommt.“

Angenommen aber, Samuel hatte sich unwissentlich Ärger mit Morozov eingebrockt oder er hatte einfach nur das Pech, dass ihm ein Diebstahl in die Schuhe geschoben wurde, den er nicht begangen hatte, dann wäre hier zu warten vielleicht nicht die beste Option.

„Ich gehe jetzt, in Ordnung?“, kam es vom Straßenbengel auf dem Dach.

Ein Pirat mit goldenen Ohrringen und guter Kleidung trat aus der Menge zu Samuel.
„He, du, ich habe auf dich gewettet. Und deine Frage hat er nicht wirklich beantwortet, oder? Ich gebe dir vier Lysanthemer von meinem Gewinn ab, wenn du ihn mit deinem Wurfmesser triffst, klar?“

Die Augen des Jungen weiteten sich, als er die Situation begriff. Er sprang auf und versuchte über das Dach auf die andere Seite des Hauses zu entkommen. Samuel hatte genau die Zeit für einen gut gezielten Wurf.
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Sonntag 22. Juni 2014, 19:38

Die Münze prallte an der Dachkante ab. Jedoch konnte der Straßenjunge sie mit einem waghalsigen Manöver doch noch fangen. Samuel beobachtete aufmerksam das Gebaren des Kindes, welches seine Gedanken in Bruchteilen von Sekunden in eine andere Richtung lenkte.
Warum war der Bengel hier? Ist er geschickt worden, um mir die Nachricht zu bringen? Er hat mich sofort erkannt, zumindest war er sich ziemlich sicher, als er mich angesprochen hat. Er hat also gewusst, dass er nach einem Kerl mit nur einem Auge suchen musste. Aber ist ihm das aufgetragen worden, oder hat er Morozov nur belauscht, und versucht jetzt Profit aus seinem Wissen zu schlagen?

„Am einfachsten findest du ihn genau hier. Du musst einfach nur warten, bis er oder ein Gehilfe vorbeikommt.“

Die Antwort des Knaben riss Samuel sofort von seinem inneren Monolog fort, und ließ ihn unauffällig seine Umgebung mustern. Er spürte, wie das Verlangen nach Alkohol in ihm stärker wurde. Mit Rum im Magen konnte er einfach besser und schneller denken...
Nichtsdestotrotz überschlugen sich seine Gedanken noch immer. In rasender Geschwindigkeit warfen sie neue Fragen auf, die es möglichst bald zu beantworten galt.

Einfach hier warten? Was soll den der Mist jetzt? Moment... ist das hier vielleicht alles geplant? War das Treffen mit dem Bengel hier Zufall? Verflucht, ich brauch' was zu trinken. In Ordnung, reiß dich zusammen Sam! Wenn das hier kein Zufall ist, dann werd' ich wahrscheinlich nich' lange warten müssen, bis einer von Morozovs Leuten hier auftaucht. Persönlich wird er wohl kaum hier aufschlagen. Bleibt immer noch zu klären, warum der Pisser mich sucht. Will er mir 'n Geschäft vorschlagen? Glaub' ich nich'. Was dann? Rum wär jetzt klasse! Reiß dich zusammen! Erst das hier! Das ist wichtiger!

„Ich gehe jetzt, in Ordnung?“, kam es vom Straßenbengel auf dem Dach.

Der Pirat nahm die Frage des Kindes nur am Rande wahr. Er sagte nichts dazu, und würdigte den kleinen Mann auch keines Blickes. Vertieft in seine Gedanken lies er die Kieselsteine achtlos zu Boden fallen, einzig das Wurfmesser behielt er in der Rechten. Seine linke Hand wanderte in seine Manteltasche und umfasste das kühle Metall des Flachmanns.

Morozov sucht meines Wissens nach nur nach Dieben. Das wär' scheiße... denn das heißt, er hält mich für einen. Was ja so falsch nich' is', aber ich kann mich beim besten Willen nich' erinnern, dem Scheißer was gestohlen zu haben. Verflucht. Was mach' ich jetz'... Hm... Hier bleiben und warten? Oder lieber weglaufen? Weglaufen!? Verflucht noch mal Sam! Du bist Pirat! Wann genau hast du deine Eier verkauft? Weglaufen... Pah... Neenee... Ich warte! Soll er doch kommen, und sagen was er von mir will!

Gerade als Sam seinen Entschluss gefasst hatte, an Ort und Stelle zu warten, trat ein Mann vor ihn. Als erstes fielen Samuel die teuren Klamotten und die noch teurer wirkenden Ohrringe ins Auge.

„He, du, ich habe auf dich gewettet. Und deine Frage hat er nicht wirklich beantwortet, oder? Ich gebe dir vier Lysanthemer von meinem Gewinn ab, wenn du ihn mit deinem Wurfmesser triffst, klar?“

Am Rand seines eingeschränkten Sichtfeldes nahm Sam gerade noch wahr, wie der Junge auf dem Dach scheinbar panisch versuchte, die Flucht zu ergreifen. Er hatte das Messer noch immer in der Hand... Er könnte ihn treffen...

Der Kerl hat doch tatsächlich 'ne Menge Kohle darauf gewettet, dass ein anderer Pirat einem Kind ein Messer an den Kopf wirft! Was sagt man dazu? Und ich dachte immer Piraten sorgen selbst für ihre Beute...

Er musterte den Kerl sehr genau, und ließ den Moment, in dem er das Messer nach dem Jungen hätte werfen können, betont langsam verstreichen. Er setzte sogar noch einen drauf: Er steckte das Messer weg und genehmigte sich stattdessen einen großen Schluck aus seinem Flachmann, der nun beängstigend leicht geworden war. Mit dem Geschmack von Rum im Mund fühlte sich Sam gleich viel wohler. Er grinste gefährlich und trat einen Schritt näher an den Mann heran.

Sam war mit Sicherheit kein guter Mensch, und hatte in seinem Leben mehr als nur einmal moralisch verwerfliche Dinge getan, um an Geld zu kommen. Aber ein Kind für vier Lysanthemer töten? Sein Kopf schlug ihm für einen kurzen Moment vor, nur ans Geld zu denken. Das wäre einfach verdientes Geld, das er im Moment dringend brauchen könnte. Aber war das der Weg, den er als Pirat sonst gegangen war?

TÖTE UND ERBEUTE! schoss es Samuel wie ein Armbrustbolzen durch den Kopf. Vielleicht war es der Rum, vielleicht seine ohnehin gereizte Stimmung, wahrscheinlich aber eine Mischung aus beidem, die ihn einen weiteren Entschluss fassen ließen. Schlag den Kerl einfach zusammen, und nimm dir seine Kohle! Warum auch nicht. Der Kerl schien Beute zu versprechen. Zumindest mehr als ein kleines, wehrloses Kind. Doch auch wenn er abgebrannt, ruchlos und aggressiv war, Sam war definitiv nicht dumm. Er stürzte sich nicht sofort auf den Mann, sondern taxierte ihn vorerst. Sich einem Piraten derart aufdringlich entgegenzustellen, der einem Kind Gewalt androhte, falls ihm dessen Antworten nicht passten, und dann auch noch mit Geld zu winken, war mit Sicherheit nicht das Klügste, was dieser Kerl je getan hatte.

"Hör mal zu, du Süßwassermatrose! Ich hab' heut' echt 'nen beschissenen Start in den Tag gehabt, verstanden? Und jetzt kommst du zu mir, und laberst mich voll, ich soll 'n Messer nach dem Rotzbengel werfen, damit DU deine verfluchte Wette gewinnst? Hast du sie noch alle? Ich mach' kein Kind kalt, nur damit jemand wie DU, der nicht die Eier in der Hose hat, es selbst zu tun, mehr Kohle abgreifen kann!"

Samuels griff um sein Entermesser wurde fester. Natürlich hatte er keine Ahnung, ob es clever war, dem Kerl zu drohen. Immerhin wusste er nicht, wer er war. Hinzu kam, dass einige Leute zusagen, aber die würden wahrscheinlich nur neue Wetten auf den Sieger abschließen. Und: Sam war mit Leib und Seele Pirat, und eines hatte er noch nie besessen: Angst!

"Was genau also hindert mich jetzt daran, dich solange Zähne spucken zu lassen, bis du mir die vier Lysanthemer freiwillig gibst? Na?"

Sams Grinsen wurde breiter... und auch bösartiger. Ein Gefahr verheißender Schatten zog über sein Gesicht, während sein Blick zwar auf dem Kerl ruhte, er aber trotzdem versuchte, seine Umgebung im Auge zu haben. Schlechte Erfahrungen hatten ihn vorsichtiger werden lassen. Aber der Umstand, womöglich jetzt doch noch Geld zu machen, indem er sich einfach am Guthaben dieses Schnösels bediente, war zu verlockend, um es zu ignorieren.

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 29. Juni 2014, 19:08

Der Pirat beobachtete die Situation amüsiert, auch wenn er sah, sein Geld einfach über das Dach davonflitzte. „Arr, einer der guten Sorte was?“ Das Arr klang auf ironische Weise stereotypisch. Samuel erkannte aber, dass er die vier Lysanthemer auch auf andere Weise bekommen konnte, vielleicht sogar mehr.

Der Mann in der feinen Kleidung lachte, als der Einäugige das zur Sprache brachte. Beim Lachen hatte er aber ein Auge offen und ließ seine Deckung nicht runter. „Das ist durchaus ein Gedanke. Ich muss dich aber enttäuschen. Ich bin ein leidenschaftlicher Spieler und ich habe all das Geld, das ich im Moment bei mir habe, verwettet. Auch wenn es noch in meiner Geldbörse ist, gehört das meinen Kollegen da hinten und wenn du auch nur eine Münze anrührst, kriegst du es mit ihm zu tun.“

Er zeigte auf einen großen Mann in der Menge. Der Wettpartner grinste und nickte.

„Aber weil du einen so guten Willen hast, schau dir meine Ohrringe an.“ Er nahm die Hände an die Ohren und zog ruckartig an den Ringen. Ein Ring löste sich problemlos, beim anderen zeriss das Ohrläppchen. Der Mann zuckte nicht einmal. Dann streckte er die Zunge aus, legte die beiden Ringe darauf – an einem hängte noch ein Stückchen Fleisch - und schluckte.

„Schlitz mir den Bauch auf und hol' dir die Ringe, wenn du kannst. Und wenn sich dabei zeigt, dass du mit so viel Alkohol intus immer noch ein guter Kämpfer bist , dann wird mein Kollege dafür sorgen, dass du meinen Platz bei den Blutsäufern einnimmst.“ Der Verrückte war voller Vorfreude und führte die Hände zu den Hosentaschen. Eine Sekunde später war er in ein paar Messingschlagringe geschlupft.
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Mittwoch 2. Juli 2014, 22:45

Nachdem Sam dem Fremden gedroht hatte, fing dieser an zu Lachen. Doch anstatt empört oder irritiert zu wirken, hellte sich Sams Miene auch etwas auf.
Na zumindest ist er kein schwächlicher Feigling. Sam bemerkte ebenfalls, dass der Kerl ihn dennoch weiter beobachtete und seine Deckung, trotz der gespielten Belustigung, nicht vernachlässigte. Wenigstens verspricht er eine ordentliche Keilerei!

„Das ist durchaus ein Gedanke. Ich muss dich aber enttäuschen. Ich bin ein leidenschaftlicher Spieler und ich habe all das Geld, das ich im Moment bei mir habe, verwettet. Auch wenn es noch in meiner Geldbörse ist, gehört es meinem Kollegen da hinten und wenn du auch nur eine Münze anrührst, kriegst du es mit ihm zu tun.“

"Oh, wie ich schlottere..." murmelte Sam sarkastisch in seinen Bart.
Der sogenannte "Kollege" des Piraten war ein ziemlich großer und kräftig wirkender Geselle. Nicht gerade ein Wunschgegner. Vor allem nicht auf nüchternen Magen und mit diesen hinterhältig bohrenden Katerkopfschmerzen. Sam sah, wie der Kerl ihm zugrinste, aber auch das hielt ihn nicht von einem so Sam-typischen Spruch ab. Er musste halt zu allem einen Kommentar abgeben.

„Aber weil du einen so guten Willen hast, schau dir meine Ohrringe an.“
Samuels Aufmerksamkeit schwenkte sofort wieder zu dem Mann vor ihm. Dieser riss sich die Ohrringe ab und verschluckte sie, ohne mit der Wimper zu zucken. Schier vollkommen unbeeindruckt beobachtete der Einäugige das Schauspiel, das sich ihm bot. Er sah das rote Rinnsal, das sich langsam vom Ohr abwärts seinen Weg über den Hals des Mannes suchte.
Blut... dachte er, ...das ist eines der wenigen Dinge, die hier alles zusammenhalten. Diese Stadt besteht aus wenig mehr, als aus Blut, Gier, Rum und Möwenscheiße... Und trotzdem... Ich liebe diese Stadt!

"Was bist du denn für'n perverser Spinner?" Sams Blick zeigte Irritation, Verwunderung und Interesse, doch nicht im geringsten Angst. Es war zwar nicht das erste Mal, dass er derartige Absonderlichkeiten hier in Rumdett zu Gesicht bekam, doch er fand sie immer wieder aufs Neue interessant.

„Schlitz mir den Bauch auf und hol' dir die Ringe, wenn du kannst. Und wenn sich dabei zeigt, dass du mit so viel Alkohol intus immer noch ein guter Kämpfer bist, dann wird mein Kollege dafür sorgen, dass du meinen Platz bei den Blutsäufern einnimmst.“

Kurz darauf war der Mann nun auch schon mit zwei Schlagringen bewaffnet. Doch auch das schien den einäugigen Freibeuter ziemlich kalt zu lassen.
"Wie bitte? Du denkst ernsthaft, dass mich die paar Schluck Rum vom Kämpfen abhalten? Hast du zu viel Salzwasser geschluckt, oder was?" Betont langsam zog er seine Waffen. Das Entermesser in der Rechten, den Säbel in der Linken, lächelte er gelassen und nickte auch dem großen Kameraden des Mannes noch einmal zu.

"Ganz wie du willst..." erklang Sams Stimme gelangweilt. Doch er griff nicht sofort an, auch wenn er jeden Moment bereit war, sich zu verteidigen.
Pah... Blutsäufer. Als ob ich diesem Hampelmann-Verein beitreten würde. Der Kerl ist doch nicht ganz sauber in der Rübe...
Doch auch wenn Sams Körpersprache Arroganz, Langeweile und absolute Gelassenheit ausstrahlte war er nicht überheblich genug, um seinen Gegner zu unterschätzen. Unwissentlich hatte sein Gegner ihm schon einiges über sich verraten. Erstens: Schmerzen schienen ihn nicht sonderlich zu beeindrucken, das hieß jeder Treffer von Sam musste ein Wirkungstreffer sein. Mit kleinen Schnitten oder unbedeutenden Stichen würde er ihn nicht außer Gefecht setzen können. Zweitens: Der Kerl war Blutsäufer, und wahrscheinlich stand er unter Alkoholeinfluss. Das konnte von Vorteil sein, musste es aber nicht. Und Drittens: Das kampfeslustige Grinsen in dessen Visage verriet dem Einäugigen, dass er vermutlich über genug Kampferfahrung verfügte, um ein ernstzunehmender Gegner zu sein.
Die Schlagringe waren allerdings ein Vorteil für Sam. Deren Reichweite war um einiges kürzer als die seiner eigenen Waffen. Jedoch behielt er den kompletten Körper seines Gegners im Auge, um Kniestößen, Tritten oder sonstigen Manövern ausweichen zu können.
Der Pirat drehte sich leicht, sodass es sein Gegner schwerer hatte, seine blinde Seite zu attackieren. Für einen Rückzieher wär es jetzt längst zu spät... Auch wenn das nie eine Option für Sam gewesen war. Ohne Vorwarnung setzte er einen schnellen, gezielten Stich mit dem Säbel. Das Ziel war die untere Halspartie seines Gegenübers. Während der wenigen Sekundenbruchteile, in denen seine Klinge auf den Gegner zuschnellte, legte er sich bereits eine Taktik für seine nächsten Manöver zurecht. Dem Stich würde der Kerl sicherlich entweder seitlich ausweichen, oder sich darunter hindurchducken. Beim Ducken würde Sam zurückweichen und Angriffe mit dem Entermesser abwehren. Das seitliche Ausweichen war schon schwieriger. Er schätzte seinen Gegenüber als erfahren genug ein, das dieser auf die blinde Seite auswich, um einen Vorteil zu erhalten. Sollte das passieren, würde Sam sich einfach mitdrehen, und den vorgestreckten Säbel weit schwingen.
Wenn der Kerl zurückweichen würde, würde der Einäugige weitere Stiche folgen lassen.

"Der Tanz hat begonnen. Zeig' was du kannst!"

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 9. Juli 2014, 21:04

Der Irre, gegen den Sam kämpfte, wich dem ersten Stich aus, indem er einen Satz nach hinten machte. Als der Einäuige nachsetzte, machte er es noch einmal, aber beim dritten Angriff klatschte er mit seinen flachen Hände, als würde er eine Fliege aus der Luft erschlagen und die Klinge verkantete sich mit den Schlagringen und stoppte.
Er grinste und drehte seine fest zusammengefalteten Hände. Die Drehung übertrug sich über den Säbel auf Samuels Handgelenk bis zur Schmerzgrenze und weiter. Noch ein weiterer Ruck und der Blutsäufer hatte Samuel von seinem Säbel befreit. Jetzt, wo der Reichweitevorteil des verkaterten Piraten dahin war, machte sein Gegner einen Vorstoß.

Er ging auf Tuchfühlung mit Samuel Hatch und boxte gegen seine Oberarme und Schultern. Keiner der Schläge war besonders kräftig und es war offensichtlich: Wenn dieser Blutsäufer den Kampf beenden wollte, würde er die Schläge einfach auf die verwundbaren Stellen Gesicht, Hals oder Bauch konzentrieren. Aber der Verrückte wollte mit seinem Gegner - den er für unbewaffnet hielt – spielen.
Mehr als blaue Flecken würde er von den derzeitigen, spielerischen Schlägen nicht bekommen. Aber langsam steigerte sich das Tempo und die Intensität.

„Na, hoch die Fäuste! Oder soll das alles sein?“
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Samstag 12. Juli 2014, 01:47

Sam stach zu. Einmal, zweimal, dreimal... Plötzlich schlugen die metallenen Schläger seines Gegners zusammen. Bevor Sam auch nur die Chance hatte, einen Schlag mit seinem Entermesser zu setzen, wurde er von seinem Säbel getrennt. Verdammt, der Kerl ist schnell... waren Sams Gedanken, als sein Gegner plötzlich in die Offensive ging. Instinktiv wich der Einäugige etwas zurück, wurde jedoch trotzdem an Schultern und Armen getroffen. Wider erwarten hielt sich sein Gegner jedoch zurück.

„Na, hoch die Fäuste! Oder soll das alles sein?“

Spinnt der? Was zum Klabautermann läuft denn verkehrt in seinem Kopf? Sam konnte zwar die Reaktion seines Gegners nicht verstehen.... aber das musste er ja auch nicht. Der Blutsäufer war nicht der Einzige, der schnell sein konnte. Sam tat so, als würde er weiter vor den Schlägen zurückweichen. Er wartete auf eine winzige Pause zwischen den Angriffen seines Gegners und ging dann blitzschnell seinerseits zum Angriff über. Jedoch nicht blindlings, um nicht in eine Falle laufen zu können. Er spuckte dem Mann mitten ins Gesicht und nutzte den winzigen Moment der Ablenkung, um sich unter den Angriffen hinweg zu ducken und seine nun freie Hand in die Haare des Schnösels zu krallen. Er wollte ihn damit hindern, ausweichen zu können. Da er gleichzeitig versuchte, dessen Kopf nach hinten zu reißen, verkleinerte er auch das Sichtfeld seines Gegners. Doch das war noch nicht alles. Beim Aufrichten aus der leicht geduckten Haltung nutzte er seinen Schwung, um sein Entermesser mit Wucht und enormer Kraft in dessen Magengrube zu stoßen.
Die Spitze des blank geschliffenen Metalls schnellte auf den Körper des Mannes zu. Sam war klar, dass er damit aufs Ganze ging, doch er hatte einfach keine Lust auf die Spielchen dieses Wahnsinnigen.

Hoch die Fäuste... so ein Schwachsinn! Armee Irrer...Hättest du mir einfach diese gottverdammten vier Lysanthemer gegeben du Idiot!

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Samstag 19. Juli 2014, 21:42

Tatsächlich. Der Blutsäufer hatte das Messer wohl überhaupt nicht registriert. Mit einer gerissen Ablenkung wollte Samuel ihm eines auswischen und ihm letztlich ein Messer in den Magen rammen. Er spuckte dem Mann ins Gesicht.

Der Speichel traf ihn unter dem rechten Auge, aber er zuckte nicht einmal. Stattdessen riss er die Arme in eine parallele Verteidigungshaltung vor die Brust und seine Augen glitten über Samuel Hatch. Diese schnellen Reaktionen passten gar nicht zu dem vorherigen flapsigen Kampfstil. Vielleicht hatte er irgendwann im Leben eine ordentliche Kampfausbildung genossen und solche Schutzreflexe hatten sich auf ewig in sein Hirn gebrannt.
Als Samuel seine Haare packte und das Messer blitzen ließ, hatte er beide Arme bereit. Mit der Faust des einen Arms boxte er in Samuels linkes Handgelenk . Den Ellenbogen des anderen Armes ließ schnell runter sausen. Das Messer wurde dadurch abgelenkt. Die Klinge traf anstelle der verwundbaren Gedärme den Oberschenkel.

Der Pirat setzte die Fäuste auf Samuels Brust und schubste ihn von sich weg. Während er sich den Speichel aus dem Gesicht putzte, hatten beide Seiten Zeit für eine kurze Schadensbegutachtung. Der Mann in der feinen Kleidung hatte eine Wunde am Oberschenkel, die aber nur schwach blutete. Er musste sich jetzt eher auf das andere Bein stützen. Samuels Handgelenk war geprellt und die nächsten paar Stunden nicht mehr zu gebrauchen.

„Jetzt wird’s spannend.“, meinte der Pirat. Er schlupfte aus den Schlagringen und hob den Säbel auf, den er dem Einäugigen entrissen hatte. Humpelnd und mit erhobenen Säbel ging er auf ihn zu. Aber er hielt inne.
„Moment mal!“ Er schaute sich um. Die Zuschauer hatten ihren Abstand zum Kampfgeschehen vervielfacht. „Irgendwas ist hier nicht in...“

„FÜR DIE FEUERQUALLEN!“, dröhnte er von den Dächern auf beiden Seiten. Insgesamt ein halbes Dutzend Knaben – darunter auch der freche Informationenhändler – hatten sich oben versammelt. Sie hatten lose Dachziegel, zerbrochene Töpferwaren, Kieselsteine und ähnliche Munition, die sie je nach Größe werfen oder mit ihren Zwillen verschießen konnten. Und genau das machten sie auch, sie eröffneten Feuer auf die Straße, ohne die beiden Kämpfer zu differenzieren.
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Samstag 26. Juli 2014, 23:45

Der Speichel traf ihn unter dem rechten Auge, aber er zuckte nicht einmal.
Sam war sich nun beinahe sicher, dass der Kerl unter Drogen stehen musste. Egal wie sehr man seinen eigenen Körper unter Kontrolle hatte, aber bestimmte Schutzreflexe wie zum Beispiel ein Zwinkern konnte man sich nicht einfach abtrainieren. Was genau der Typ intus hatte, war dem Einäugigen ziemlich einerlei. Als der Kerl dann auch noch schnell und gefasst reagierte, war Sam auch klar, dass er es hier mit einem geübten und erfahrenen Kämpfer zu tun hatte.
Hätt' ich dir gar nicht zugetraut, du Schönling... dachte sich der Pirat, während sich ein Grinsen auf sein Gesicht stahl.
Der Konter seines Gegners kam zu schnell, um dem Angriff auszuweichen. Sein linkes Handgelenk wurde hart getroffen, und Sam musste die Zähne zusammenbeißen, um dem stechenden Schmerz entgegen zu wirken. Das Entermesser schlug zumindest eine nicht zu verachtende, blutende Wunde im Oberschenkel dieses Gockels. Doch die scheinbare Überheblichkeit des Mannes lies ihn nach Sams Auffassung einen weiteren Fehler begehen. Anstatt die Situation zu nutzen, und einen schnellen, harten Gegenangriff zu starten, während der Einäugige noch keine Zeit hatte zu reagieren, verschaffte sich der gut gekleidete Mann lieber mehr Platz und wechselte die Waffen.

„Jetzt wird’s spannend.“, meinte der Pirat, während er Sams Säbel aufsammelte und als neue Waffe benutzte.

"Natürlich! Nimm ihn dir ruhig. Nett das du fragst. Dir ist aber schon klar, dass ich den Säbel nach dem Kampf wieder haben will, ja?" meinte Sam nur sarkastisch-flapsig und überging damit die mitschwingende Drohung seines Gegners, während sich sein Grinsen noch verbreiterte.

„Moment mal! Irgendwas ist hier nicht in...“ murmelte der reiche Pirat.
Sam hatte es auch bemerkt. Die Zuschauer hatten den Kreis der beiden Kontrahenten stark vergrößert. Der Einäugige konnte gerade noch eine Bewegung auf einem der Dächer am Rand seines ohnehin bereits eingeschränkten Blickfeldes wahrnehmen, als plötzlich ein lauter Kampfschrei ertönte:

„FÜR DIE FEUERQUALLEN!“

Mit einem Schlag hagelte es Tonscherben, Dachziegel und kleine Steine. Sam vergeudete, im Gegensatz zu seinem Gegenüber, keine Zeit damit, sich nach dessen Ursprung umzusehen. Er hatte eine Bewegung auf dem Dach bemerkt, Kinderstimmen brüllen gehört und nun wurden sie beschossen. Man musste kein Genie sein, um zu wissen, was passiert war, auch wenn man nicht erst nach oben sah.
Sam fühlte sich leicht an seine vielen Enterschlachten erinnert. Brüllen, kämpfen und vielerlei Splitter, die einem um die Ohren flogen, während man versuchte, einen Mann zu töten. Nur das Schaukeln des Schiffes und der Wind samt Gischt fehlten.
Er nutzte die kurzzeitige Verwirrung seines Gegners. Ohne zu brüllen, oder seinen Angriff anderweitig anzukündigen, stürzte er sich auf den Mann, deckte ihn mit Schlägen, Finten und Knie- und Kopfstößen ein. Doch obwohl er mit vollem Einsatz dabei war, das Leben dieses Piraten zu beenden, galten seine Gedanken gleichzeitig auch etwas anderem:
Feuerquallen... Pah... Zu meiner Zeit hatten die Banden noch angsteinflössende und hartgesottene Namen. Diese Kinder heutzutage...

Während seines Angriffs achtete Sam peinlichst genau darauf, sein geprelltes Handgelenk nicht zu belasten. Der Schmerz war auch so schon schwer genug zu ignorieren. Nichtsdestotrotz kämpfte er mit vollem Einsatz und hielt in seinem Können nun nichts mehr zurück. Die Scherben die ihn trafen ignorierte er zähneknirschend, soweit es ging ebenfalls. Er musste sich erst um die größere der beiden Gefahren kümmern, und das war definitiv dieser überhebliche Schnösel.

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Montag 28. Juli 2014, 19:44

Samuel hatte die Entscheidung getroffen, dass der andere Pirat immer noch die größere Gefahr war. Der Mann hatte anders gedacht und war überrascht, dass Samuel ihn angriff statt wie er selbst einen Ausweg zu suchen. Die schnellen Angriffe trafen ihn hart, aber die Kampfreflexe des Mannes sorgten dafür, dass er zumindest die Messerstiche parierte, wenn er schon Tritte, Hiebe mit dem Messerknauf und sogar eine Kopfnuss kassierte.
Anstelle eine Wendung herbeizuführen, ließ sich er sich bis an eine Mauer zurückdrängen. Mit dem Rücken zur Wand wurde seine Verteidigung wilder und er wirkte pardoxerweise zuversichtlich. Immerhin war er jetzt in relativer Sicherheit vor den Geschossen der Frechdachse, während Samuel Hatch die Treffer ertragen musste. Die Kieselsteine würden blaue Flecken zurücklassen und die Scherben hinterließen harmlose Schnittwunden, wenn sie nicht gleich vom Ledermantel aufgehalten wurden.

Ein Junge aber stand direkt über ihm auf der Mauer und hielt einen Dachziegel hoch erhoben und ließ ihn auf Samuel fallen. Wäre es ein Volltreffer gewesen, dann wäre der Schädel des Einäugigen Geschichte. So traf ihn aber nur eine Kante am Hinterkopf, genug dass der Stoß ihm das Bewusstsein für einige Minuten raubte.

Als der Pirat mit der Gehirnerschütterung erwachte, fühlte er überall Schmerzen und ihm fehlte die Orientierung und das Gleichgewicht. Ans Aufstehen war erst einmal nicht zu denken. Er saß in einer Seitengasse auf dem dreckigen Boden an eine unverputzte Mauer gelehnt und ihm gegenüber stand der Pirat mit der feinen Kleidung.
„Oh, wieder aufgewacht. Du warst ein gutes menschliches Schutzschild, wirklich! Nur ein bisschen schwer leider. Aber ich bin trotz des schlechten Beins entkommen und das ist doch die Hauptsache.“
In den Händen hatte er Samuels Flachmann und sein Kopftuch. Von dem Rest Alkohol in der Flasche trank er in einem Zug die Hälfte und den Rest kippte er auf seine Wunde am Oberschenkel.
Und als er die Wunde damit gereinigt hatte, knotete er Samuels Kopftuch als Verband um die Wunde.
„Das nächste Mal, wenn wir uns treffen, kannst du es dir ja zurückholen.“, meinte er lächelnd. Dann humpelte er vorsichtig weg. Zurück ließ er Samuels Entermesser, den Degen und die leergetrunkene Blechflasche – alles lag verstreut um ihm herum.

Irgendwann musste Samuel wieder aufstehen und dann auch die Gasse verlassen. Dann würde er auf einen überdurchschnittlich großen Mann mit schwarzem Haar und einer kurzen Nase treffen. Er stellte sich dem einäugigen Piraten in den Weg und schaute ihn kritisch an. Die Umstände ließen erraten, um wen es sich hierbei handelte.

„Im Ernst - “, meinte Morozov. „Sage mir, was ich in diesem Augenblick von dir halten soll.“

[Samuel Hatch ist jetzt verletzt]
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Dienstag 29. Juli 2014, 23:13

Samuels Treffer schienen Wirkung zu zeigen, auch wenn die wirklich gefährlichen Angriffe trotzdem weiterhin pariert wurden. Er drängte seinen Gegner zurück, bis dieser an einer Mauer stand. Er holte gerade zu einer ziemlich geschickten Finte aus, als plötzlich alles um ihn herum dunkel wurde.

Wellenrauschen... Möwenkreischen... Das Flattern der Segel im Wind... Das Knarren der Rahen...
Samuel stand am Bug eines großen Dreimasters und starrte auf den Horizont. Die kühle Gischt sprühte ihm ins Gesicht. Er liebte den salzigen Kuss der See. Für ihn war das Meer sowohl Vater als auch Mutter, der Grund seines Lebens und der einzige Ort, an dem er für immer verweilen wollte. Nichts auf dieser Welt war ihm so wichtig wie das Meer. Doch plötzlich begann das Schiff bedrohlich zu wanken. Die Wellen schlugen höher, und Sam konnte nur noch schwer die Balance halten. Dann wachte er auf...

Als der Freibeuter das ihm verbliebene Auge öffnete, sah er nur verschwommen. Brüllende Kopfschmerzen und ein ekelhaft starkes Schwindelgefühl plagten ihn. Er brauchte einige Sekunden, um zu realisieren, wo er war und was genau geschehen war.
Nach ein paar Augenblicken erinnerte er sich wieder und als sein Blick sich aufklarte, erkannte er auch den Mann vor ihm wieder. Der Kampf war auch an diesem nicht spurlos vorbeigegangen. Die Wunde am Oberschenkel war nicht zu verachten und die Kopfnuss die er hatte einstecken müssen, hatte ihm ein blaues Auge beschert.

„Oh, wieder aufgewacht. Du warst ein gutes menschliches Schutzschild, wirklich! Nur ein bisschen schwer leider. Aber ich bin trotz des schlechten Beins entkommen und das ist doch die Hauptsache.“

Sams erster Kommentar darauf war, dass er sich zur Seite beugte und sich erbrach. Als er sich wieder gefangen hatte, grinste er den Kerl nur an und sprach: "Verzeih mir, aber nach dem Aufwachen gleich als erstes deine Fresse zu sehen, ist selbst für meinen Magen zu viel."

Erst jetzt realisierte Sam, das der Blutsäufer seinen Flachmann und sein Kopftuch in Händen hielt, und sofort verdüsterte sich seine Miene etwas.
Der reiche Schnösel trank einen Schluck seines Rums und goss sich dann den Rest über seine blutende Wunde.

"Heyheyhey... Was tust du da?! Das ist guter Rum! Trink ihn wenigstens, anstatt ihn so zu vergeuden..." jammerte Sam. Für ihn war es ein Frevel, den guten Alkohol so zu verschwenden.
Danach wickelte der Blutsäufer Sams Kopftuch als Verband um seine Wunde.
Na, ob du dir DAS gut überlegt hast, Freundchen? Wenn du wüsstest, wo das schon überall gewesen ist... dachte er sich, doch sein Blick wurde erneut etwas zorniger.

„Das nächste Mal, wenn wir uns treffen, kannst du es dir ja zurückholen.“ Der Pirat lächelte Sam an und humpelte dann davon.

Sam blieb noch einige Minuten sitzen, bevor er sich mühselig aufrappelte und damit begann, seine Habseligkeiten aus dem Dreck zu suchen. Er verstaute seine Waffen wieder an der Hüfte, zog seinen Seesack und seinen Gürtel mit den Wurfmessern enger und hob seinen mittlerweile leeren Flachmann vom Boden auf. Er sah wahrhaft traurig auf das leere Gefäß und schüttelte es vor seinem Gesicht wie um sich selbst zu bestätigen, dass kein Rum mehr da war.
"Warum...? Warum der Rum? Warum ist er immer dann leer, wenn man ihn am meisten braucht?" bemitleidete er sich selbst. Der Schwindel lies mittlerweile zwar etwas nach, doch die Kopfschmerzen blieben ihm erhalten.
Na toll... Der Tag wird ja immer besser und besser. dachte er sich, doch erstaunlicherweise war seine Laune nach diesem Kampf erheblich besser als davor, auch wenn man ihn bei weitem nicht als Sieger bezeichnen konnte. Er atmete ein paar mal tief durch, streckte sich unter Schmerzen und begutachtete den erlittenen Schaden. Er hatte einige schmerzhafte Prellungen, allen voran sein linkes Handgelenk war wohl noch ein paar Stunden nicht sonderlich zu gebrauchen. Hinzu kamen ein paar unbedeutendere Kratzer und Schnittwunden von den Wurfgeschossen der Straßenkinder und als letztes natürlich sein angeschlagener Schädel. Er fühlte eine blutverkrustete Stelle am Hinterkopf, an der ihn wohl etwas ziemlich hartes und schweres getroffen haben musste. Er tippte auf einen Dachziegel, den eines dieser Bälger auf ihn hatte fallen lassen.
"Verfluchte Kinder.... keinen Respekt mehr vor den Älteren..." knurrte er.

Nachdem er alles ihm verbliebene verstaut hatte, machte sich Samuel auf den Weg, um die Gasse zu verlassen. Gerade als er um die Ecke bog, bemerkte er einen sehr großen, schwarzhaarigen Mann. Er stellte sich dem einäugigen Piraten in den Weg und schaute ihn kritisch an. Mindestens ebenso kritisch musterte Sam diesen Kerl. Man konnte natürlich nicht sagen, dass der Einäugige in diesem Moment eine erhabene Erscheinung abgab, aber er war definitiv nicht zerschlagen genug, um wie ein geprügelter Hund herumzuschleichen.
Wer ist denn das jetzt schon wieder... dachte sich Sam.
Sein stahlblaues Auge huschte über jede Auffälligkeit des Mannes vor ihm. Sein Geist raste förmlich, während er versuchte, das Gesicht vor ihm einzuordnen... sich zu erinnern, ob er ihn kannte, oder zumindest schon einmal gesehen hatte.

„Im Ernst - Sag mir, was ich in diesem Augenblick von dir halten soll.“

Jetzt viel es ihm wie Schuppen von den Augen. Dieser Kerl musste zu Morozovs Männern gehören... aber Moment: Die Art wie er mit ihm redete verriet Sam, dass dieser Kerl wohl nicht einfach nur ein Handlanger war. Der einäugige Freibeuter seufzte resigniert.

"Morozov nehm' ich an. Hätt' nicht gedacht, dass du hier persönlich aufschlägst. Und ob du es glaubst oder nicht, es ist mir im Moment so ziemlich egal, was du von mir hältst. Hast du noch nie einen Mann nach einer Prügelei gesehen? Wenn du also nicht hier bist, um mir Rum, Tabak und Frauen zu bezahlen, sag' einfach, was du von mir willst, und warum du nach mir gesucht hast."

Trotz seines Zustandes verspürte Sam nicht im geringsten Angst. Falls Morozov ihn mit bösen Absichten gesucht hatte und nun hier war, um ihm eventuell etwas zu tun, dann musste Sam halt verletzt und mit dröhnenden Kopfschmerzen kämpfen. Das wäre nicht das erste mal für ihn. Aber leichte Beute war er mit Sicherheit noch lange nicht...

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 5. August 2014, 18:32

Morozov lächelte belustigt. „Ja, habe ich gesehen, denn so sehen meine Gegner aus, wenn die Schlägerei vorüber ist.“ Große Worte von jemanden, der seinen Lebensunterhalt nicht durchs Kämpfen und Plündern bestritt. Morozov wirkte wie ein Buchhalter – aber man merkte schnell, dass er unter der Oberfläche ein Buchhalter war, der einen mit einem Stuhlbein windelweich prügeln konnte, wenn man eine Quittung verschlampte oder ein Zahldreher in eine Rechnung brachte.

„Ich wäre wohl kaum in meiner jetzigen Position, wenn ich jedem dahergelaufenen Piraten die Tasche mit den Früchten meiner Arbeit füllen würde... ohne Gegenleistung.“

Es war späte Mittagszeit und am Horizont konnte man dunkle Gewitterwolken sehen, die sich Rumdett langsam näherten.

„Es gibt Arbeit, Mister Hatch. Deshalb habe ich nach dir suchen lassen. Lass' dir das nicht zu Kopf steigen. Ich habe einfach herumgefragt, welche von den entbehrlichen Gestalten im Windschatten von Finns Bande halbwegs zuverlässig ist und von allen Namen warst du der erste, der nicht nach einem Volltrottel geklungen hast. Gratulation dazu.“

Morozov musterte Samuel Hatchs Verletzungen und schien darüber nachzudenken, ob dieses vorschnelle Urteil nicht verkehrt gewesen war. Aber dann zuckte er nur mit den Achseln.

„Wenn du mehr wissen möchtest, folge mir.“, meinte er. Morozov trug saubere, einfache Kleidung. An seinem Gürtel hing ein Kurzschwert und ein Dolch, beides in gut verarbeiteten Lederscheiden. Und auch ein kleines Fläschchen und eine Geldkatze waren am Gürtel befestigt. Von seinen Gehilfen war nirgendwo eine Spur zu sehen. Der Chef war wohl ganz alleine unterwegs.
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Sonntag 10. August 2014, 21:45

Sam hörte sich an, was der Mann vor ihm zu sagen hatte. Während Morozov sprach, musterte der Einäugige ihn aufmerksam. Sein Blick blieb für einen kleinen Moment an dem scheinbaren Geldbeutel und der Flasche am Gürtel des Mannes hängen.
Er dachte für den Bruchteil einer Sekunde daran, ihm diesen eventuell zu stehlen, doch irgendwie fehlte ihm zu diesem Zeitpunkt jegliche Motivation dafür. Er lauschte einfach weiter dem Gerede des Mannes.
Arbeit... Soso... Typisch! Hauptsache wir machen die Sache so geheimnisvoll wie möglich, und nachher stellt sich raus, dass ich nur für eine Handvoll Füchse Schlick schaufeln soll... Naja, lassen wir den Wichtigtuer erst mal quatschen... dachte sich Sam und sah zum Himmel. Der Wind wurde stärker und es schien, als würde bald ein Gewitter vom Meer aufziehen.

Das Morozov ihn wahrscheinlich für einen versoffenen Versager hielt, war Sam so ziemlich egal. Warum sollte es ihn auch stören, denn bis jetzt hatte er noch nichts von etwaiger Bezahlung gehört. Doch allein schon seine Neugier brachte ihn schnell dazu, wortlos zuzustimmen, als Morozov ihm vorschlug, ihm zu folgen. Immerhin hatte er ihn gesucht und gefunden, warum sollte sich Sam da nun nicht wenigstens anhören, was der Kerl zu sagen hatte. Also nickte er nur, und setzte sich stumm in Bewegung, als Morozov losging.

Das dieser Pirat scheinbar allein hier war, hätte Sam nie für möglich gehalten. Aber er akzeptierte diesen Umstand genau wie das Wetter. Er nahm es einfach hin.

Nachdem sie einige Schritte gegangen waren, zeigte Sam auf die Flasche an Morozovs Gürtel.
"Du könntest mir nicht zufällig einen kleinen Schluck davon abgeben? Mein Vorrat ist leider etwas... dezimiert worden."
Wie zur Bestätigung klopfte Sam auf seinen leeren Flachmann, und sah leicht besorgt drein.
Alles in Allem wartete Sam nun darauf, dass Morozov mit der Sprache rausrückte. Immerhin wollte der Kerl ja etwas von ihm und nicht umgekehrt.

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 17. August 2014, 07:54

„Das...“ ,meinte Morozov und deutete auf das Fläschchen, „... ist meine Medizin. Nicht alkoholisch und erst recht nicht für dich gedacht.“

Der Mann führte Samuel eine Weile mit sich und erzählte dabei sein Anliegen.
„Wie sehr kennst du dich mit Ökonomie aus? Gar nicht, nehme ich an. Aber ich werde dir alles erklären. Durch Rumdetts aggressiven Geschäftsmethoden erbeuten wir zahlreiche Handelsgüter, die wir weder wollen und noch brauchen. Um sie zu versilbern, ist die einzige langfristig erfolgreiche Strategie, sie an die zu verhökern, die sie sowieso gekauft hätten. Ich spreche dabei von Hehlerei.“

Morozov hörte sich wohl gerne selbst reden.

„Und ein wichtiger – glücklicherweise nicht der wichtigste – Hehler war Caspar. Dieser Kapitän hat aber seine Pflichten ein halbes Jahr lang schleifen lassen. Bis letzte Nacht. Da wurde er von einer jungen Amazone über ein Kartenspiel abgestochen. Die Frau erklärte sich darauf zum neuen Kapitän von Caspars Schiff und hat die ersten zwei Mannschaftsmitglieder, die Einspruch erhoben haben, gleich mit ins Jenseits geschickt. Und danach ist sie zu Finn gegangen und hat erklärt, sie würde mit seiner Erlaubnis Caspars Geschäft für die Säbelschwinger weiterführen.“

An diesem Teil der Geschichte hörte er auf. Am Straßenrand stand ein bulliger Mann. Der Mann hatte vor sich einen Grill mit Rädern stehen, auf dem ganze, entschuppte Thunfische bruzelten. Das erstaunliche an diesem Bullen von einem Mann war, dass er gleich zwei Augenklappen trug. Der Blinde pinselte kontinuierlich eine ölige Kräutermarinade auf den Fisch.

„Ah, da sind wir bereits. Das übliche – aber zweimal!“, bestellte Morozov.
„Ich war persönlich dabei. Das Schauspiel hat ihn belustigt und ein wenig beeindruckt. Und fürs Verkaufen von Beute ist ihm eine Frau gut genug.“

Der Verkäufer reichte ihnen zwei gebratene Thunfische hin. Dann bückte er sich, nahm zwei schmucklose Holzbecher unter dem Grill hervor und füllte sie aus einem Fässchen. Alle Handgriffe waren perfekt.

„Hier.“, grummelte der Blinde und hielt es ihnen hin. Bevor Morozov seinen Becher nahm, holte er mit der freien Hand zwei Silberstücke aus seiner Geldkatze und gab sie dem Verkäufer. Im Becher war Bier, aber es war so wässrig, dass es fast schon zum heulen war. Morozov nahm einem großen Bissen vom Fisch und spülte ihn mit dem bier-ähnlichen Getränk herunter.
Einige Schritte ging er vom Grill weg und lehnte sich an eine Mauer.

„Bis hierhin konntest du mir folgen, oder? Was glaubst du, was ich von dir möchte?“
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Sonntag 17. August 2014, 13:25

„Das...“, meinte Morozov und deutete auf das Fläschchen, „... ist meine Medizin. Nicht alkoholisch und erst recht nicht für dich gedacht.“

Aha… auch der ach so clevere Morozov macht also Fehler. Einem wildfremden etwas derart wichtiges auf die Nase zu binden, kann sich immer als Fehler herausstellen, mein Freund. Sam speicherte diese Information ab, ohne sie zu kommentieren oder anderweitig darauf einzugehen. Der Einäugige folgte seinem neuen Begleiter eine Weile, bis dieser begann zu reden.

„Wie sehr kennst du dich mit Ökonomie aus? Gar nicht, nehme ich an. Aber ich werde dir alles erklären. Durch Rumdetts aggressive Geschäftsmethoden erbeuten wir zahlreiche Handelsgüter, die wir weder wollen und noch brauchen. Um sie zu versilbern, ist die einzige langfristig erfolgreiche Strategie, sie an die zu verhökern, die sie sowieso gekauft hätten. Ich spreche dabei von Hehlerei.“

Sam hörte aufmerksam zu. Das Morozov ihm unterstellte, er hätte wenig bis gar keine Ahnung von Ökonomie, wurmte den Piraten mehr, als er je zugeben würde. Was seine Intelligenz betraf, war Sam leicht am Stolz zu packen. Er wusste, dass er cleverer als die meisten anderen Piraten in Rumdett war, und er wusste auch, dass er es meist zu seinem Vorteil nutzen konnte, wenn andere ihn in dieser Hinsicht unterschätzten, und dennoch fühlte er sich verletzt bei Aussagen dieser Art. Allerdings lies er auch diese Sache unkommentiert und lauschte den Ausführungen Morozovs.

„Und ein wichtiger – glücklicherweise nicht der wichtigste – Hehler war Caspar. Dieser Kapitän hat aber seine Pflichten ein halbes Jahr lang schleifen lassen. Bis letzte Nacht. Da wurde er von einer jungen Amazone über ein Kartenspiel abgestochen. Die Frau erklärte sich darauf zum neuen Kapitän von Caspars Schiff und hat die ersten zwei Mannschaftsmitglieder, die Einspruch erhoben haben, gleich mit ins Jenseits geschickt. Und danach ist sie zu Finn gegangen und hat erklärt, sie würde mit seiner Erlaubnis Caspars Geschäft für die Säbelschwinger weiterführen.“

Auch diesen Teil von Morozovs Ausführungen kommentierte der sonst so redselige Pirat nicht. Jenen, die Sams typisches Verhalten kannten, wäre diese Veränderung sofort aufgefallen, und noch weniger hätten gewusst, was es bedeutete. Er sortierte die Informationen und untersuchte sie noch während Morozov davon erzählte bereits auf etwaige Hintergründe, Motive, versteckte Lügen und Möglichkeiten, Profit daraus zu schlagen.

Morozov führte Sam an einen Stand, an dem es gebratenen Fisch gab. Scheinbar lud er ihn ein. Sam nickte nur dankend, als ihm ein Stück gebratener Thunfisch und ein Becher verwässertes Bier gereicht wurde.

„Ich war persönlich dabei. Das Schauspiel hat ihn belustigt und ein wenig beeindruckt. Und für´s Verkaufen von Beute ist ihm eine Frau gut genug.“
Sams neuer Arbeitgeber kostete die Speise und ging dann einige Meter weiter, um sich dort an eine Mauer zu lehnen.

„Bis hierhin konntest du mir folgen, oder? Was glaubst du, was ich von dir möchte?“

Da war es wieder. Die Frage kannst du dir sparen, du Pisser. Bis jetzt hast du schließlich nichts wirklich schwierig zu verstehendes erzählt…dachte er sich. Sam konnte ziemlich schnell ungemütlich werden, wenn man seine Intelligenz in Frage stellte, doch im Moment beherrschte er sich noch recht gut. Er lehnte sich genüsslich kauend neben seinem neuen Begleiter gegen die Wand und schaute dabei etwas verträumt in die Flammen des Grills, bevor er mit vor Sarkasmus triefender Stimme begann zu reden:

„Also, wie du ja schon anmerktest, hat das niedere Volk wie ich natürlich nicht einmal im Ansatz so viel Wissen über die ach so komplizierte Ökonomie der Hehlerei, wie du. Einer der Hehler ist abgestochen worden. Da er aber seine Pflichten, aus welchem Grund auch immer, sowieso hat schleifen lassen, ist dieser Verlust durchaus zu verkraften. Jetzt muss natürlich für Ersatz gesorgt werden. Wie praktisch, dass die Mörderin des alten Hehlers sofort aus eigenem Antrieb seine Geschäfte übernehmen möchte, und das auch noch mit dem großen Boss vorher bespricht. Netter Zufall, nicht wahr? Aber wie dem auch sei, es gibt noch einiges zu tun. Als aller erstes muss man natürlich folgenden Gedanken verfolgen: Was, wenn die Amazone nicht nur aus purer Habgier und egoistischen Gründen gehandelt hat? Natürlich sieht es im ersten Moment so aus, als wäre das ein gutes Geschäft für Finn. Aber jemand derart intelligentes wie du hat sicherlich schon die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Amazone von jemandem damit beauftragt worden ist, nur um Finn dann zu hintergehen. Wenn das eintreten sollte, wären die finanziellen Verluste ziemlich schnell ziemlich hoch, nicht wahr? Stell dir vor, die Blutsäufer oder die Augenklappen hätten diese Amazone geschickt. Dann stünde sie höchstwahrscheinlich auch unter deren Schutz. Die erste Aufgabe, die also zwingend ausgeführt werden muss ist, zu prüfen, ob sie sauber ist. Also alle Kontakte, ihre Motive und so weiter überprüfen.“

Sam nahm einen großen Schluck des verwässerten Bieres, um seine Kehle zu befeuchten. Der Fisch und das weniger starke Getränk taten seinem erschöpften Körper ganz gut. Seine Gedanken rasten währenddessen auch um andere Dinge, wie zum Beispiel: Wieso hatte die Amazone einen solchen Plan ausgeheckt? Es gab in Rumdett andere Wege als den Hehlerposten eines anderen zu übernehmen, um an Geld zu kommen… einfacherer Wege. Und wieso wurde akzeptiert, dass Caspar ein halbes Jahr mit seiner Pflicht im Rückstand lag? Mal angenommen, er arbeitete in den großen Seestädten, die Rumdett am nächsten Lagen, dann könnte der ausgebrochene Krieg zwar ein Grund für einen Gewinneinbruch bedeuten, aber nicht als Ausrede für ein halbes Jahr ohne jegliche Gewinne dienen. Allerdings verschwieg er Morozov diese Gedankengänge, und konzentrierte sich wieder darauf, was er gefragt wurde.

„Aber das ist sicherlich nicht das, was du jemand derart unbedeutendem wie mir übertragen würdest. Ich vermute, ich soll eher Ersatz für die Zwei aus der Crew liefern, die ebenfalls Fischfutter geworden sind. Oder du fragst mich vielleicht gleich persönlich, ob ich bei dieser Amazone anheuere. Oder nein, noch langweiliger: Ich soll wieder für geordnete Struktur der Hehlerei sorgen. Also die Hafenpapiere in Ordnung bringen, Ladelisten fälschen und vor Allem neue Beziehungen zu anderen Hafenstädten aufbauen, um neue Märkte zu erschließen? Ich bitte dich, das kannst du selber bestimmt besser..."

Wenn Sam hätte ehrlich sein müssen, hätte er nicht sagen können, was Morozov von ihm wollte. Also wartete er vorerst ab, was dieser dazu sagen würde. Und dann musste ja auch der Punkt der Bezahlung noch geklärt werden. Sam hatte schon ziemlich genaue Vorstellungen davon, was er als Bezahlung haben wollen würde…

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 24. August 2014, 18:31

Morozov hörte sich an, was Samuels Ideen waren und seine Augenbrauen und Mundwinkel hoben sich gleichermaßen leicht an. „Ich bezahle gut für intelligente Leute.“, sagte er in einem vielversprechenden Tonfall.

„Orphelia, die junge Dame, habe ich schon lange vor dieser Geschichte überprüft. Sie kam zusammen mit ihrer Mutter in die Stadt. Und die Mutter kam zusammen mit der Gesandtschaft von Xytras. Die alte Dame ist gefährlich und geheimnisvoll – keiner meiner Informanten hat ihren Hintergrund herausfinden können. Aber Orphelia selbst ist eine streitlustige Draufgängerin, süchtig nach Glücksspiel mit großen Einsätzen. Sie tanzt ihrer Mutter auf der Nase herum und hält das ganze für ein Abenteuer. Natürlich besteht ein Restrisiko, dass das ganze nur eine unglaublich komplizierte Fassade für eine Verschwörung ist, aber genauso gut könnte ich in diesem Moment an einer Gräte ersticken und ich esse trotzdem weiter, nicht wahr?“

Um das zu betonen spuckte er eine Fischgräte in seinen gerade geleerten Becher.

„Und wegen diesen unstetigen Charakterzügen bin ich besorgt. Finn hat mich angewiesen, dass sie so früh wie möglich ihre erste Fahrt antritt. Aber die Ladung werde ich bestimmen und es wird nur ein halbes Schiff voller Reis und Zuckerrohr sein. Zielhafen Xytras.“ Morozov spielte also in zweierlei Hinsicht auf Nummer sicher. Keine allzu wertvolle Ladung und gewohntes Terrain für die Frau.

„Und da kommst du ins Spiel, Mister Hatch. Wenn du zustimmst, wirst du Mannschaftsmitglied für die erste Fahrt. Aber du wirst auch Orphelia im Auge behalten und mir alles berichten, was es wert ist, berichtet zu werden.“

Der Pirat schaute Samuel Hatch tief ins Auge. Und sprach dann leise ein paar sehr gewählte Worte.

„Und wenn die ganze Sache den Bach runter geht, wäre es natürlich nicht verkehrt, wenn jemand da ist, der das Ruder herumreißt. Wörtlich oder im übertragenen Sinn. Das darf man doch wohl sagen, oder?“
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Dienstag 26. August 2014, 19:26

Sam hörte sich genau an, was Morozov zu sagen hatte. Die Geschichte um Orphelia kam ihm zwar immer noch mehr als fragwürdig vor, doch es war ja nicht sein Geld, das auf dem Spiel stand und Morozov und Finn würden schon wissen, was sie taten.

Der "Verwalter" spielte also in zweierlei Hinsicht auf Nummer sicher. Keine allzu wertvolle Ladung und gewohntes Terrain für die Frau, während der ersten Fahrt. Und zudem sollte es auf dem Weg nach Xytras keine nennenswerten Probleme mehr geben, seit der dunkelelfischen Invasion, auch wenn Sam seine ganz eigene Meinung zu den diplomatischen Beziehungen der Piraten und den spitzohrigen Unheilsbringern hatte.

„Und da kommst du ins Spiel, Mister Hatch. Wenn du zustimmst, wirst du Mannschaftsmitglied für die erste Fahrt. Aber du wirst auch Orphelia im Auge behalten und mir alles berichten, was es wert ist, berichtet zu werden.“

Aha... sieh an, sieh an. Das klingt doch schon weitaus interessanter. Sofort dachte Sam darüber nach, was ihn bei diesem Auftrag alles erwarten könnte. Xytras... Der Hafen der Amazonen war ungefähr fünf Tage zu Schiff entfernt, am anderen Ende des Kanals, der nur als Venthas Seeweg bekannt war. Keine wirklich aufregende Fahrt, doch die Aussicht, wieder in See stechen zu können, war für Sam schon sehr verlockend. Doch ganz so einfach wie Morozov sich die Sache vorstellte, war es sicherlich nicht.

Der Pirat schaute Samuel Hatch tief ins Auge. Und sprach dann leise ein paar sehr gewählte Worte.

„Und wenn die ganze Sache den Bach runter geht, wäre es natürlich nicht verkehrt, wenn jemand da ist, der das Ruder herumreißt. Wörtlich oder im übertragenen Sinn. Das darf man doch wohl sagen, oder?“

Soso, ich bin also auch gleichzeitig deine Rückversicherung. Und dazu auch noch eine entbehrliche... cleverer Schachzug, das muss man dir lassen. Aber wenn ich schon das ganze Risiko trage, musst du mir ordentlich was zahlen..., dachte sich der Einäugige schmunzelnd. Eigentlich hatte sich Sam schon in dem Moment entschieden, als Morozov davon sprach, auf See hinaus zu segeln. Allerdings tat Sam so, als würde er kurz darüber nachdenken. Und schließlich gab es ja auch einige Dinge zu bedenken.

"Du willst also, dass ich bei der Amazone anheuere, damit du einen vertrauenswürdigen Mann an Bord hast. Dann musst du allerdings auch bedenken, dass ich dann kein normaler Matrose sein sollte. Wenn ich die Frau im Auge behalten soll, muss ich auch in ihrer Nähe sein, und wenn alle Stricke reißen, und ich den Kahn nach Hause bringen muss, würde mir eine höhere Stellung an Bord die ganze Sache erheblich erleichtern. Nich' wahr?"

Sam konnte irgendwie nicht ganz glauben, dass Morozov nur ihn einsetzte. Er kannte Sam nicht, und immerhin wusste Morozov auch nichts über dessen Vertrauensseligkeit. Daher vermutete Sam ganz stark, dass er nicht der einzige an Bord sein würde, der diese Art von Auftrag ausführte, aber derartige Überlegungen behielt er vorerst für sich.

"Also, wenn du mir zusicherst, dass ich einen Kommandoposten bekomme, um genügend Kontakt zu der zwielichtigen Amazone zu haben, und wir uns über die Bezahlung einig werden, dann sage ich: Aye, ich bin dabei!"

Grinsend kippte er den letzten Rest seines "Biers" herunter und sah seinen neuen Auftraggeber feixend an.

"Wo wir grad beim Thema Bezahlung sind. Du erwartest doch wohl nicht, dass ich einen derart potentiell gefährlichen Auftrag umsonst erledige, oder?"

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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Erzähler » Samstag 30. August 2014, 21:21

Morozov hörte sich an, was Samuel dagegen hielt. Einen hohen Rang an Bord wünschte er sich. „Das wird nicht passieren“, erklärte Morozov hart, „Das ist weder mein Schiff, noch meine Mannschaft, nicht einmal meine Waren. Du wirst vor den anderen Matrosen behaupten, Zweiter Maat Karl hätte dir vor einem Monat ein Arbeitsangebot gemacht. Karl trinkt sehr oft einen über den Durst und hat Erinnerungslücken, ist aber im nüchternen Zustand so stur, dass er selbst eine vergessene Entscheidung verteidigen würde.“

Immer mehr Gräten landeten in seinem leerem Becher, bis der den ganzen Fisch gegessen hatte.

„Du wirst also Kisten schleppen und das Deck schrubben, wie jeder andere Matrose auch. Meiner umfangreichen Erfahrung nach reicht so eine Position aus, um die Qualitäten eines Kapitäns einschätzen zu können.“

Er brachte den Becher voller Gräten und Spieß zum blinden Straßenverkäufer und führte Samuel Hatch dann in eine abgeschirmte Seitengasse.

„Wie du siehst, kann ich dir keinen Kommandoposten anbieten. Aber wenn du immer noch dabei bist, dann können wir über deine Bezahlung reden.“

Er nahm seine Geldkatze und zauberte einen hübschen Stapel Silbermünzen hervor.
„Zehn Lysanthemer als Vorschuss. Wenn du zurückkommst und das ganze war eine harmlose Vergnügungsfahrt, dann gibt es das ganze noch einmal. Aber je mehr brisante, wahre Informationen du bringen kannst oder wenn du im Ernstfall tatkräftig unsere Interessen vertrittst, werde ich wesentlich mehr darauf legen. Und die Aussicht auf zukünftige Arbeit für mich oder für andere Vertraute von Finn ist nicht zu verachten, oder?“

Aber dann verschwand sein Lächeln.

„Das ist keine Verhandlung, Mister Hatch. Wenn du jetzt zu feilschen anfängst, dann hatte Karl vor einem Monat einen anderen Trinkgesellen als dich zum Hilfsmatrosen gemacht.“
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Re: Die Strömung der Gezeiten

Beitrag von Samuel Hatch » Donnerstag 4. September 2014, 19:40

Morozov hörte sich an, was Samuel dagegen hielt. Einen hohen Rang an Bord wünschte er sich. „Das wird nicht passieren“, erklärte Morozov hart, „Das ist weder mein Schiff, noch meine Mannschaft, nicht einmal meine Waren. Du wirst vor den anderen Matrosen behaupten, Zweiter Maat Karl hätte dir vor einem Monat ein Arbeitsangebot gemacht. Karl trinkt sehr oft einen über den Durst und hat Erinnerungslücken, ist aber im nüchternen Zustand so stur, dass er selbst eine vergessene Entscheidung verteidigen würde.
Du wirst also Kisten schleppen und das Deck schrubben, wie jeder andere Matrose auch. Meiner umfangreichen Erfahrung nach, reicht so eine Position aus, um die Qualitäten eines Kapitäns einschätzen zu können.“

"Deine eigene umfangreiche Erfahrung? Du scheinst ja ziemlich lange nicht mehr an Bord eines Schiffes gewesen zu sein, wenn du so denkst!"

Diesen sarkastischen Kommentar konnte sich Samuel nun wirklich nicht mehr verkneifen. Mit jedem Wort, das Morozov von sich gab, drängte sich dem Einäugigen immer weiter der Verdacht auf, dass dieser Buchhalter nicht ohne Grund vornehmlich an Land war...

Sam folgte dem Mann etwas vom Stand weg und hörte ihm weiter zu, auch wenn er sich ein Grinsen nicht verkneifen konnte.

„Wie du siehst, kann ich dir keinen Kommandoposten anbieten. Aber wenn du immer noch dabei bist, dann können wir über deine Bezahlung reden.“

Er nahm seine Geldkatze und zauberte einen hübschen Stapel Silbermünzen hervor.

„Zehn Lysanthemer als Vorschuss. Wenn du zurückkommst und das ganze war eine harmlose Vergnügungsfahrt, dann gibt es das ganze noch einmal. Aber je mehr brisante, wahre Informationen du bringen kannst oder wenn du im Ernstfall tatkräftig unsere Interessen vertrittst, werde ich wesentlich mehr darauf legen. Und die Aussicht auf zukünftige Arbeit für mich oder für andere Vertraute von Finn ist nicht zu verachten, oder?“

Aber dann verschwand sein Lächeln.

„Das ist keine Verhandlung, Mister Hatch. Wenn du jetzt zu feilschen anfängst, dann hatte Karl vor einem Monat einen anderen Trinkgesellen als dich zum Hilfsmatrosen gemacht.“

Sam lachte kurz auf. Er war sichtlich unbeeindruckt von Morozovs Versuch, ihn vom Feilschen abzuhalten. Das hier war Rumdett, und nicht irgendeine Verhandlung am Ratstisch von Pelgar. Was erwartete der Kerl? Feilschen lernte man hier schon als Kind! Aber der Freibeuter klopfte dem Mann gutmeinend auf die Schulter. Er würde Feilschen, allerdings wahrscheinlich anders, als sein Gegenüber erwarten würde.

"Spar dir deine Versuche mich einschüchtern zu wollen, das zieht ja doch nicht. Pass auf. Erstens: Wenn ich keinen Kommandoposten habe, mache ich zwar mit, aber dann brauchst du keine Infos aus der Kajüte des Käpt'ns selbst erwarten. Und Zweitens: Ich will im Moment nur fünf Lysanthemer. Die restlichen kannst du behalten, doch dafür will ich, dass du den Kerl ausfindig machst, der mein Kopftuch hat. Dieses Tuch und ich haben eine sehr innige Bindung zueinander, und sowohl das Tuch, als auch ich, wären äußerst traurig, lange voneinander getrennt sein zu müssen. Verstanden, was ich meine?"

Ob Morozov diese Art von Humor verstehen würde, war Sam herzlich egal. Und immerhin wollte dieser Kerl ja was von ihm und nicht umgekehrt.

"Du weißt schon, dieser feine Pinkel mit der Wunde am Oberschenkel, der kurz vor mir die Gasse verlassen hat, in der du mich gefunden hast. Gehört wohl zu den Blutsäufern... Ein Name und Aufenthaltsort würde mir schon reichen. Also, sind wir im Geschäft?"

Strahlend wie ein kleiner Junge dem eine Süßigkeit geschenkt wurde, hielt er dem Mann die Hand hin, um ihr Abkommen zu besiegeln. Bevor dieser allerdings einschlagen konnte, erwähnte Sam mit auffallend beiläufigem Ton:

"Und wenn du dir jemand anderen suchen willst, dann viel Glück dabei jemanden zu finden, der so clever und geschickt im Schauspiel ist wie ich und dazu noch zu Finn steht...."

Sein Lächeln wurde gerissener. Er war sichtlich gespannt, wie Morozov reagieren würde. Sam wollte zwar sehr gern wider auf die See hinaus, doch er war auch im Verhandeln kein leichter Gegner, und Morozov sollte nicht glauben, nur einen weiteren beinahe hirntoten Gossenpiraten vor sich zu haben.

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