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von Erzähler » Mittwoch 27. November 2013, 20:46
Soda Solaris ließ Baltos noch immer nicht ganz aus den Augen, aber ihre Neugierde war geweckt. Konnte sie dem Landgänger wirklich vertrauen? Sie versuchte eine Erklärung für Baltos zu formulieren, doch es viel ihr schwer die passenden Worte zu finden.
„Sie halten … meine Kraft gefangen. Ich bin Eisformer und als ich das Schiff untersuchte, nahmen sie mir meine … Kraft, meine Gedanken ... Seit dem bin ich ein Teil von ihnen und muss tun was sie antreibt. Ihr Schiff sollte anlanden, doch der Verrat ließ sie fallen. Wenn du mit mir kommst, wirst du es selbst in ihren Gedanken sehen. Bist du sicher, dass du das willst?“
Die Aquadin zögerte, aber Baltos hatte sich bereits entschieden und nickte noch einmal zur Bestätigung.
„Ich kann helfen, dass du Wasser atmen kannst, dass du uns ähnlicher wirst. Schmeckt dir sicher nicht und hält nur eine Stunde. Dann du ertrinkst, wenn nicht zurück, verstanden?“
Baltos nickte abermals und Soda verschwand für ein paar Minuten in den Fluten des Meers.
Als sie wieder auftauchte und auf ihn zu kam, hob sich ihr dünner Arm und streckte ihm eine schleimig anmutende, schwarze Alge entgegen.
„Iss.“
Der Jäger gehorchte. Wie erwartet breitete sich zäher Schleim in seinem Mund aus, der mit jedem Bissen mehr zu werden schien und kaum hinunter zu schlucken war. Sodas aufmunterndes Gesicht sollte ihn wohl anspornen das widerwärtige Gemisch aus bitterer Galle und einem scharfen Nachgeschmack hinunter zu würgen, doch es half wenig. Anstatt zu helfen, verklebte es mehr und mehr Baltos Mund und Rachen, bis er sich plötzlich verschluckte und es auch in seine Lungen drang. Panik stieg sofort über prickelnde Nervenstränge in seinen Kopf und schnell breitete sich das Brennen bis in seinen ganzen Körper aus. Todesangst kroch durch seine Adern und formte unsinnige Gedanken. Hatte Soda ihn vielleicht doch töten wollen? Hatte Tomdar doch einen Grund gehabt sie umbringen zu wollen? Baltos kam sich vor, als würde er ertrinken, da packte sie ihn auch noch zu allem Überfluss und drückte seinen Kopf unter Wasser.
Instinktiv wollte Baltos die Luft anhalten, doch sah dann Sodas Gesicht neben sich. Sie nickte und machte mit ihrer freien Hand komische Bewegungen, als sollte er tief durchatmen. Es kostete einen Moment Konzentration und Willenskraft, dann tat Baltos wie geheißen und das Salz der Meere kostete seine Lungen.
Nach einigen zuckenden Atemzügen war alle Luft hinaus gehustet und Baltos fühlte, wie das Wasser in ihn strömte, wie etwas zu dünne Luft. Nach ein paar Minuten hatte er sich soweit gefangen, dass er durch die Wasseroberfläche zurück zu Nanuq sehen konnte, der am Ufer stand und leise winselnde Geräusche von sich gab. Eisbären konnten lange tauchen, manche bis zu sechs Minuten, doch eben nicht eine Stunde. Er musste ihn hier zurück lassen.
„Wie fühlst du dich?“
Sodas Stimme neben ihn ließ ihn zusammenzucken, denn das Wasser trug ihren Schall anders als die Luft. Sofort verstand Baltos was sie mit „Krach“ gemeint hatte, als sie von den Kämpfen gesprochen hatte. Ihre Stimme, der ferne Gesang eines Wals, das Rauschen der Strömungen in seinen Ohren, alles war plötzlich viel lauter und intensiver. Auch der Klang hatte sich verändert, so empfand er sie nun etwas tiefer und wärmer. Auf ihre Frage hin antwortete er reflexartig und noch über sich selbst verwundert:
„Gut.“
und war erstaunt über den dumpfen Klang seiner eigenen Stimme. Soda lächelte. Sie hatte ihn, während seines Kampfes, einige Meter hinaus aufs Meer gezogen. Nanuq lief unschlüssig am Ufer auf und ab und tauchte auch ab und an zu ihm hinunter. Das Gefühl, als die Panik nachgelassen hatte, dass alles in Ordnung war ließ ihn ans Ufer zurück kehren und dort Stellung beziehen.
Baltos brauchte noch einige Minuten um sich an die neue Art zu atmen zu gewöhnen. Erst als er vollkommen ruhig geworden war, bemerkte er auch, dass das Wasser um ihn herum, die Eiseskälte die es haben musste und auch die Dunkelheit, ihn nicht mehr so sehr störten wie zuvor. Er war keineswegs zu einem Aquaden mutiert, aber das grässliche Kraut, die Alge, die sie ihm zu essen gegeben hatte, hatte eine starke Wirkung. Die Sinne des Jägers passten sich mehr und mehr der Unterwasserwelt an und ließen ihn voller Staunen die Wunder des lebendigen Meers erleben. Gleich einem Vogel schwebte er neben Soda unter einem wellenden Himmel dahin, welcher sich an der Küste brach. Ein Fischschwarm flog an ihnen vorüber und vollführte in synchronen Bewegungen ihren gemeinsamen Tanz. Baltos blickte nach unten und konnte vom gebrochenen Mondlicht silbern erleuchtete Korallenbänke erkennen. Langsam tauchten sie hinab in diese leise flüsternde Zauberwelt.
Nachdem sie das Korallenriff hinter sich gelassen hatten, steuerte Soda mit Baltos an der Hand auf eine unterseeische Bergkette zu. In diesen Untiefen, die den Meeresspiegel fast berührten, ragten, gleich den Knochen eines abgenagten Skeletts, die Überreste eines Schiffswrack in die Höhe. Zwischen zwei hohen Schloten eingekeilt, hing der geborstene Rumpf. Der Bug ragte steil nach oben, so dass der Mast des Vorseegels fast waagerecht zwischen den Felswänden hing. Das abgebrochene Heck und der gesamte Rest des Schiffes hingen gefährlich instabil in der Schräge.
Trümmerteile lagen weit um den Unglücksort verstreut und Baltos konnte im Näherkommen Details, wie einige vom Sand überzogene Rumflaschen und teils sogar noch intakte Kisten der Ladung erkennen. Soda begann in einer langsamen, großen Spirale sich dem Schiff zu nähern.
Baltos Blick fiel auf eine Felsformation unter ihnen, hinter der ein paar Stangen aus dem Sand ragten. Das Wrackteil hatte sich durch die Strömung ziemlich weit vom Schiff entfernt. Um so näher sie kamen, um so eher erkannte er, dass es sich um einen Käfig handelte. Ein von der Zeit und den Fischen abgenagtes Skelett hatte dort seine letzte Ruhestätte gefunden. Soda und er sanken tiefer um besser sehen zu können. Ein erleichterter Schauer lief ihm über den Rücken, als er erkannte, dass es sich um ein Tier gehandelt haben musste. Der Schädel hatte die Größe eines jungen Wolfes, doch was die Schnauze kürzer und die Zähne schärfer. Die Pfoten hatten gebogene Krallen und der ganze Körper war deutlich schlanker und graziler gebaut als es ein Hund oder Wolf hätte sein können. Der Blick aus den leeren Augenhöhlen war gespenstisch und leer. Es war ein Anblick, so ahnte Baltos, der ihn verfolgen könnte, wenn er es zu ließ.
Soda Solaris zog ihn weiter die Spirale näher dem Schiff entgegen, als es hinter seiner Augenklappe heftig zu jucken begann. Gleichzeitig löste die Aquadin ihre Hand von seiner und entfernte sich ein paar Meter. Ihr Arm machte eine ausladende Geste und er vernahm ihre Stimme:
„Sieh hin und höre ihnen zu. Vielleicht findest du dann, was du suchst.“
Baltos sah und hörte nichts.
(Bitte beschreibe, was Baltos an Kleidung und Ausrüstung mit ins Meer genommen hat.)
