Tiere rissen nicht grundlos. Sein elfischer Verstand mochte damals die Kontrolle über das Tier verloren haben. Das war vielleicht das einzige, was er persönlich als Problem ansah. Er durfte sich nicht verlieren.
Ja, er würde sich Gedanken machen müssen und die Zeit dafür bekäme Isildur noch, nur nicht jetzt. Es gab Wichtigeres, zumindest im Auge der Mantronerin. Sie musste Thure Sturmschreier sprechen, musste ihm den Ausgang ihrer bisherigen Verhandlungen in Rumdett erzählen und sich den Wunsch ihres Volkes einholen. Wenn man mit den Rumdettern - mit der furchtlosen Cattie - ein Bündnis schließen wollte, würde man nach Santros reisen und die dortigen Kapitäne und Kaufmänner überreden müssen. Und nicht zuletzt deren Regierung!
Jetzt jedoch hatte die Gruppe erst einmal vor, vor den regierenden Mann des Mantronerdorfes zu treten. Sie erreichten das gewaltige Langhaus.
Erhabenheit, Größe. Anders konnte man den Moment, der sich ihnen durch den Anblick des Langhauses bot, nicht beschreiben. Isildur machte ihn zunichte. Ein Spieltrieb oder einfach nur das Bedürnis, den Piraten zu necken? Mit einem klatschenden Geräusch versenkte er einen eiskalten Schneeball am Hals des Mannes. Otis griff sofort die getroffene Stelle, wischte sich die Überreste des Angriffs ab und murrte. Er mochte soweit hergestellt sein, dass er den Marsch selbst in Angriff nahm, aber für Späße war der Landpirat derzeit nicht zu haben. Der Wolfself erntete einen düsteren Blick.
"Wir nutzen das Langhaus für alles. Es ist Heimstatt des Anführers und seiner Sippschaft. Es ist Treffpunkt bei Absprachen oder prahlerischen Geschichten-Abenden und es ist auch Heilhaus, wenn wir es als solches benötigen. Ja." Atka reckte die Schnauze. Seine Ohren stellten sich auf. "Du riechst es auch."
Stürmisch grüßte Atka dann die Schwangere, welche die Gruppe herein bat und sich als Ventha-Priesterin Elin Meersegen vorstellte. Sie besaß etwas Warmherziges an diesem eisigen Ort, schenkte jedem einzelnen ein Lächeln, auch wenn der Geruch von Krankheit und Tod auch von ihr nicht abzuschütteln war. Zuversicht und Hoffnung lag in ihrem Blick.
"Eine Schlacht gegen Unbekannte, Isildur", sprach Elin ruhig. Sie wies auf vereinzelte Kranke, die auf Lagerstätten am Boden, nahe des Feuers, ruhten. Viele von ihnen besaßen vor Schmerz verzerrte Gesichter, kämpften gegen das Übel an, das ihren Körper befallen hatte. Fiebrig wirkten sie, mit Schweiß auf der Stirn, so kalt wie das vorherrschende Wetter.
"Nicht ganz, mein Weib!", donnerte plötzlich eine Stimme durch das Langhaus. Köpfe drehten sich und Blicke richteten sich auf den Koloss von einem Mann. Muskelbepackt mit Haar so hell wie gebleichtes Gold. Seine Augen hatten Schrecken gesehen und doch erkannte man darin einen ungebändigten Kampfgeist. Dieser Mann ließ sich nicht zu Fall bringen. Er war ein Berg. Um seine Schultern schwang sich ein Überwurf, gefertigt aus einem erlegten Eisbären. Ansonsten zierten bei der Eiseskälte nur Leder und gar Metall seinen Körper. Einige Riemen hielten die reich verzierte Kriegsaxt am Gürtel, welcher mit Ornamenten gestaltet war, die Wolfsköpfe und deren Tatzen zeigten. Der Kopf des Eisbären legte sich über die rechte Schulter. Jemand hatte dem Tier glitzernde Saphire in die Augenhöhlen eingearbeitet, die bei jedem der klirrenden Schritte hell aufblitzten. Hinter dem Mantroner betraten weitere Berge das Langhaus. Es waren Männer wie Frauen, allesamt Krieger und schwer gerüstet. Ihre wettergegerbte Haut zeigte Blutspuren, teilweise aus dem eigenen Körper.
"Mein lieber Thure", grüßte Elin den Vordersten von ihnen. Etwas Freude schwang in ihrer Stimme mit, aber sie blieb ruhig wie ein Bergsee. Der angesprochene Mantroner schenkte ihr für Sekunden einen herzlichen Blick. Dann huschten die harten, hellen Augen über Isildur, Otis, blieben bei Bryoja hängen. Ohne große Umschweife sprach er sie an: "Du warst erfolgreich, Bryoja Wolfsruf. Willkommen zurück."
"Sturmschreier", entgegnete die Mantronerin und neigte ehrerbietig das Haupt. Auf Celcianisch fügte sie an, damit auch ihre Begleiter verstanden: "Wie mein Gefährte Isildur bereits deiner Frau gegenüber erwähnte, komme ich mit Neuigkeiten, die einiges an neuer Arbeit für uns bedeuten. Die furchtlose Cattie ist einem Bündnis nicht abgeneigt, doch heißt hierfür das neue Ziel Santros ... und mit einem unserer Schiffe käme ich einfach schneller voran."
Thure nickte nur. "Du hast alles im Griff? Verzeih meine kurzen Worte, aber diese riesige Schlange im Eis - dieses Drachenwesen - bereitet mir aktuell mehr Sorgen. Du sollst alles Nötige erhalten, was du brauchst."
Bryoja trat einen Schritt vor. Ihre Haltung straffte sich und Forderung lag in ihrer Stimme: "Ich muss Santros überreden, von Cattie und ihren Piraten abzulassen. Ein Dreierbündnis oder kein Bündnis, Sturmschreier. Ich werde es schaffen, aber hierfür muss ich meine Sippschaft auf Reisen nehmen. Ich werde meine Familie und das Drachenschiff meines Vaters nach Santros führen."