Der Eiskanal

Einst war dieser Landstrich grün und schön wie alle anderen. Doch als sich der Drache zum bislang ewigen Schlaf bettete, liegt dieses Gebiet unter einer glitzernden Schneedecke. Es ist kalt und frostig. Hier leben die Eiselfen, aber auch die tapferen Mantroner.
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Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 24. Januar 2013, 11:20

(Baltos und Kjartan kommen von:Haus der Schneewölfe / Mantron )

Mit einem Ruck setzte sich der Schlitten in Bewegung. Malte Schädelbrecher steuerte den Schlitten, auch wenn andere vielleicht mehr Übung darin gehabt hätten. Er wusste wohin sie mussten und war auch nicht unbedarft in diesen Dingen. Vor ihm saß Kjartan und Baltos und keiner blickte zurück auf das, was sie hinter sich ließen.
Strahlend weiße Landschaften glitten an ihnen vorbei. Die Männer hielten sich an den Schlitten fest und die Wölfe gaben ihr Bestes um sie schnell voran zu bringen. Dort wo Erhebungen aus dem Boden traten hatten sich Eiszapfen gebildet die jeglicher Schwerkraft zum Trotze fast waagerecht die Windrichtung der letzten Tage und Wochen anzeigten. Doch jetzt hatte der Wind gedreht und die wärmere Luft ließ überall das Eis sein leises Knirschen hören. Die Männer Mantrons wussten, dass sie sich Gefahr begaben, aber niemand von den tapferen wäre umgekehrt! Das Rumpeln der langen Gefährte, das leise Zischen der Kufen im Schnee begleitete sie in ihrem Schweigen. Schnell ließen sie die Stand und ihre umliegenden kleinen Behausungen hinter sich. Ein paar Stunden ging es so schweigsam voran und ihre Gedanken hatten Zeit sich auf das Bevorstehende zu fokussieren.

Der Wind nahm zu und dunkle Wolken zogen am Horizont auf. Irgendwo über ihnen begann es zu Regnen, doch bevor die Tropfen den Boden auch nur sehen konnten, verwandelte Ventha sie in kleine Geschosse aus Eis. Ein hell klingendes Trommeln setzte ein und schnell bildete sich eine neue Eisschicht über dem weichen Schnee, so dass die Kufen der Schlitten wie Eisbrecher durch das Meer pflügten und sie von Minute zu Minute langsamer voran kamen. Die vielen kleinen halb gefrorenen Perlen des Himmels verbanden sich, sobald sie am Boden zerplatzten, wieder zu einer geschlossenen Platte. An den Pfoten der Wölfe und auf ihren Rücken bildeten sich Eisklumpen und um so dicker die Schicht unter ihnen wurde, um so öfter rutschte der Schlitten auf sie hinauf, brach dann aber unter der Last der Männer wieder ein. Jeder Schritt wurde zu einer vagen Chance, dass die dünne Eisschicht unter ihren Pfoten halten würde oder nicht. Auf den Mänteln der Tapferen, auf ihren Schultern und Helmen, auf ihren Armen und Haaren wuchsen Eiszapfen und ließen sie allesamt wie Eisbestien aussehen, hielten sie nur lange genug still. Bewegten sie sich, rutschten die sich schnell bildeten kleinen Platten von ihren Körpern und zerschellten am Boden.
Die seltsam laue Luft von nur noch knapp -19° Celsius empfing sie, als sie sich dem Eiskanal näherten. Man spürte förmlich die Anspannung der Krieger wachsen und alle Augen waren auf den Horizont gerichtet. Jeder für sich hatte etwas bei sich, das er nun umklammert hielt. Was dem einen ein Kleinod war, war dem anderen seine Waffe oder ein stilles Gebet.
Man konnte durch den Eisregen nicht weit sehen, geschweige denn klare Umrisse erkennen, doch irgendwo vor ihnen zeichnete sich ein dunkler Fleck im Gestöber ab. Das Eis unter ihnen wurde dünner, was man zum einen am Knirschen hören konnte, zum anderen daran erkannte, dass sie hinaus auf den regelmäßig aufzubrechenden Eiskanal fuhren. Malte betrachtete wie einige Andere auch den unsicheren Untergrund und rief dann seinen Männern durch den Wind zu:
„Wenn ihr die Schlitten verlasst, verteilt euch! Nie mehr als zwei Mann an einem Ort, verstanden?!“
Ein nicken ging durch die Reihe des ersten Schlittens. Langsam steuerte er sie auf den dunklen Fleck vor ihnen zu. Dann tauchten plötzlich die ersten Veränderungen unter ihnen auf. Kjartan war einer der Ersten, die es bemerkten und Baltos vor sich drauf aufmerksam machte. Sein ausgestreckter Arm deutete auf eine Stelle. Das Eis war inzwischen so dünn, dass man darunter die schwarze Tiefe erahnen konnte. Kjartan war Seemann, deshalb war sein Auge geschulter für die Unstimmigkeiten der See. Seine Hand wies auf eine Eisschicht neben ihnen. An der Oberfläche hatte sich nichts verändert, doch sah man deutlich, das darunter etwas sich in einem fließenden Bogen genähert hatte und einen gut zwei Meter messenden breiten Eisstrang hinter sich her gezogen haben musste. Der Bogen hatte die Oberfläche berührt und die Eisdecke an dieser Stelle verstärkt und heller gemacht. Dann sahen sie die nächste Stelle und es wurden immer mehr. Das Eis wurde wieder dicker, was für die Schlitten gut, aber für ihre Aufgabe schlechter wurde. Malte steuerte den Schlitten sicherheitshalber in einem leichten Schlingerkurs weiter voran, immer in dem er versuchte auf dem dicken Eis zu bleiben, dort wo die Lichter aus seiner Erzählung das Meer hatten erstarren lassen. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, diese Stränge unter dem Eis würden so etwas wie ein Netz weben. Sie kreuzten andere und bewegten sich in einer enger werdenden Spirale auf den dunklen Punkt vor ihnen zu. Langsam kamen sie in Sichtweite und ihre Augen durchdrangen den Eisregen, doch das Bild was sich ihnen bot, war sicher nicht das erhoffte.
Die „Drachenblut“, das stärkste Schiff der Tapferen ragte schräg aus einem Dornenwald aus Eis. Gleich einem Käfig hatten die Stränge die Oberfläche durchstoßen und Schiff und Mannschaft gefangen genommen. Der Bug des Schiffs ragte aus dem Wasser, als hätte etwas es von unten angehoben und im gleichen Moment musste das Meer erstarrt sein. Gleich einem Eispanzer hatten sich dicke Schickten am Rumpf empor geschoben und die Drachenblut in einen Eiskristall eingeschlossen. Das Segel war gerissen und war halb im Innern eingefroren und halb hing es in Fetzen herab.Steuerbord vom Bug war der dornige Eispanzer besonders dick und zog sich noch fast 50 Meter weit in den Eiskanal hinein. Dieser Stelle gegenüber war der Panzer am dünnsten und dorthin steuerte Malte den Schlitten, hielt ihn aber in knapp 40 Metern Entfernung an und sie stiegen ab. Das Eis unter ihren Füßen war dort wo die seltsamen hellen Bögen an die Oberfläche traten fest und stabil, aber es gab auch dünne Stellen auf die man Acht geben musste. Wie geheißen verteilten sich die Mantroner nacheinander, sobald sie den Schlitten verlassen hatten. Gefächert näherten sie sich der Drachenblut am Backbordheck. Eine gespenstische Stille lag über dem Eis und nur ihre Schritte begleiteten sie. Kjartan wurde durch die Sorge um seinen Bruder schnell voran getrieben und Baltos folgte ihm als sein Schultermann. Die Dornen aus Eis um sie herum, erinnerten ihn vielleicht ein wenig an die Tropfsteinhöhle der Eisbestie und ein kalter Schauer jagte über seinen Rücken. Das was in der Höhle über Jahrzehnte natürlich entstanden war, hatte hier in Sekunden Magie geformt. Im Vorbeigehen betrachtete Baltos einen ein bisschen genauer und konnte etwas im Innern erahnen, was wie ein dünner glitzernder Faden aussah. Kjartan sah durch das gläserne Gefängnis verzerrt die gebrochenen Aufbauten der Drachenodem. Ihr Rumpf schien noch intakt zu sein, doch die Aufbauten, sowie der Mast waren gebrochen und „schwebten“ teils im Eis gefangen um die Blase herum. Er erklomm gerade mit Hilfe seiner Axt die Schräge, die zum Heck hinauf führte, als aus dem Innern plötzlich ein Mann gegen die Eisschicht prallte. Mit beiden Händen trommelte er gegen die verzerrende Eisschicht. Sein Mund öffnete sich und er schien etwas zu rufen, doch außer einem leisen dumpfen Murmeln drang nichts nach außen. Der Schrecken in seinen Augen sprach jedoch Bände. Schnell gesellten sich einige andere der Mannschaft hinzu und gestikulierten wild und unverständlich. Wenigstens waren sie noch am Leben! Doch wie lange, wenn sie dort eingesperrt waren? Die Luft würde bald knapp werden, berücksichtigte man die Zeit, die sie hier schon fest saßen. Kjartan sah seinen Bruder, wie er sich an den anderen vorbei drängelte um zu ihm zu kommen. Seine verzerrten Umrisse zeigten einige blutig rote Stellen, aber er ging aufrecht und legte die Hand ans Eis. Auch sein Gesicht sah aus, als hätte er etwas gesehen, das nicht zu beschreiben war. Er machte eine weisende Bewegung auf alles um sich herum und zuckte dann hilflos mit den Schultern. Ein Griff an den Hals und etwas, was wie ein Husten aussah, machte die wachende Luftnot deutlich. Zwei andere Seemänner zogen behutsam den Ersten der erschienen war von der Wand zurück und schienen ihn beruhigen zu wollen.
Derweil war Baltos noch gefangen, von dem Schreck, den das so plötzliche Auftauchen des Seemanns ausgelöst hatte, aber wandte sich seiner winzigen schimmernden Entdeckung wieder zu. An der Spitze, dort wo der Eisdorn nur knapp noch die Dicke eines Fingers hatte, war das Glitzern am besten zu sehen und gepackt vom Forscherdrang, brach er das oberste Stück ab, um es genauer zu betrachten. Sein Forscherdrang wurde sofort befriedigt, denn im gleichen Moment, da das Eis brach, wuchs es doppelt so dick wieder nach und hätte ihn fast umgeworfen! Aktive Magie, die sich wehrte, wenn man sie zerstörte!
Baltos sah zu Kjartan hoch, der grade im Begriff war seine Axt gegen das Eisgefängnis zu erheben.

(Baltos ist dran)
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Freitag 25. Januar 2013, 13:56

In Mantron herrschte reges treiben und man sah das sich jeder Mann der eine Waffe halten konnte vorbereitete, auf was auch immer dort kommen mag. Baltos hatte sich noch ein Stück Trockenfleisch aus den Proviant genommen und hatte es sich dann so gut es ging gemütlich im Schlitten gemacht.
Genüsslich kaute er auf den Fleischstreifen herum, es kam ihn wie eine Ewigkeit vor, seit er das letzte mal etwas zwischen die Zähne bekam und das war es auch fast. Der Jäger hatte Gesternfrüh das letzte Mal etwas zu sich genommen und das war bei seinen Energieverbrauch eine lange Zeit. Durch die masse an Muskeln brauchte der Einäugige auch mehr zu essen als ein normaler Bürger in den wärmeren Region Celcias. Als er das für seinen Geschmack, kleine Stück Fleisch herunter geschluckt hatte, trank er noch etwas von seiner Medizin und schloss danach die Augen. Der Schlaf setzte auch sofort ein, nur war es mehr ein Halbschlaf. Baltos spürte den Eisregen auf seiner Haut und bewegte sich ab und an, damit der Schnee von seinen Oberkörper fiel. Blieb aber sonst reglos. Er vertraute Malte das er den richtigen Weg nahm und die gefahren des Eises richtig deutete. Denn wenn ein Seemann der Mantroner das nicht wusste, wer dann?! Außerdem hätte er wohl kaum eine Chance bei einem Einbruch den eisigen Fluten zu entkommen.
Als der Schädelbrecher Anweisung gab sich auf dem Eis nur in Zweiergruppen zu bewegen, öffnete Baltos sein Auge. Es tat ihn sichtlich gut etwas schlaf nach zu holen, auch wenn so ein halbes Nickerchen auf einen Eiswagen nicht gerade ideal war, reicht es dem Jägersmann. Jedenfalls für die bevorstehende Aufgabe.
Mit wachen Blick betrachtete er seine Umgebung. Sie befanden sich direkt auf dem Eiskanal und durch den Schneeregen konnte man schon die leichten grauen Umrisse der Drachenblut erkennen. Doch das war es schon.

Als Kjartan den Eisjäger auf die Schulter tippte und auf eine besonders dünne Stelle im Eis zeigte, wurde dem Mantroner bewusst, das sie es hier wahrscheinlich mit irgendetwas magischen zu tun haben mussten.
Denn solche Eisspiralen im Wasser waren mehr als unnatürlich und der Einäugige würde sich erinnern wenn er von so einen Phänomen gehört hätte. Doch das hatte er nicht!

Ihr Schlittenführer begann einen leichten Schlangenlinienkurs einzuleiten, um weiterhin auf der dicken Eisschicht zu fahren. Ab jetzt konnte man überall solche Spiralen im Wasser erkennen, sie kamen systematisch und vereinten sich im Anschluss mit dem Ziel die Drachenblut! Für Baltos der nun mal ein Jäger war, sah es genau danach aus, was auch immer der Verursacher war, er hatte Ausschau gehalten und als er seine Beute entdeckt hatte, zugeschlagen.
Und wie es aussah war der Angriff erfolgreich. Die Drachenblut war Komplett von einen Eisigen Gefängnis umgeben. Würde die Sonne scheinen und keine Väter und Söhne auf diesen Schiff gefangen sein, hätte der Anblick auch etwas schönes und faszinierendes haben können. Doch in der jetzigen Situation war es alles andere als schön, was sie da sahen.
Malte suchte eine Stelle wo das Eis die Drachenblut nicht ganz so fest im griff hatte und hielt trotzdem zur Sicherheit, ein gutes Stück entfernt an. Jetzt schwangen sich alle vorsichtig aus dem Schlitten, Baltos konnte sehen wie der zweite Schlitten kurz nach ihnen anhielt. Das Eis begann schon langsam bedrohlich zu knacken, darauf fächerte die Aufklärertruppe gleich auseinander.

Kjartan lief als erstes voran und der Jägersohn folgte ihn. Vorsichtshalber hatte er Fluchbrecher gezogen, hier stimmte etwas ganz und gar nicht und als er diese Eisdornen sah, musste er sofort an die Eisbestie denken.
Die Gruppe lief vorsichtig dem eingefrorenen Schiff entgegen und Baltos beschlich immer mehr das Gefühl als würde er in eine Falle laufen.
Ähnlich wie er im Eisreich auf Jagd ging. Platziere den Köder und schlag im bestmöglichen Moment zu.
Nur das diesmal der Köder keine Maus oder ein Fisch war, sondern ein ganzes Schiff, gefüllt mit Mantronern.
Und die Beute waren wahrscheinlich sie oder, Ventha bewahre, ganz Mantron!

Mittlerweile hatten sie das Schiff erreicht und Kjartan war ein stück nach oben geklettert um in das innere des Gefängnisses zu schauen. Baltos hingegen betrachtete einen von diesen Eisdornen. Er konnte eine Art Faden im inneren erkennen. Dieser silberne Glanz hatte etwas Faszinierendes. Es dauerte eine weile bis er sich von diesen Anblick abwenden konnte und wieder zu Kjartan blickte.
Dieser befand sich schon ein gutes Stück über ihn als auf einmal einer der Matrosen der Drachenblut gegen die Eiswand sprang und wie wild gegen diese Schlug. Was er sagte, konnte weder Baltos noch Kjartan verstehen.
Es kamen immer mehr der eingefrorenen Crew an die Stelle, doch im Moment konnten sie nichts für sie tun.

Dieser Faden ließ Baltos keine ruhe, er sah sich noch einmal das Gebilde an und brach dann ein kleines stück des gefrorenen Wassers ab. Wäre er nicht so angespannt gewesen, hätte es ihn von den Beinen gehauen. Das kleine Stück Eis das er abgebrochen hatte, regenerierte sich explosionsartig und wuchs nach. So etwas hatte er noch nie erlebt. Diese Eisdornen waren mehr als Gefährlich, nicht auszumalen was passieren könnte wenn man mit einer Axt auf diese Säulen einhackte. War vielleicht das ganze Eis in der Umgebung der Drachenblut der art verändert? Baltos hoffte das dem nicht so war, denn sonst gab es kaum eine Aussicht auf Rettung für die Mannschaft der Drachenblut. Und diese armen Männer mussten jämmerlich ersticken.
Der Jäger lies sein Blick wieder durch die Gegend schweifen und als er sah wie Kjartan von seiner erhöhten Position aus das Eis zerhacken wollte, brüllte der Jägersohn mit ganzer Kraft: „HAAAAAALLLLLLLLTTTTTTTT!!!!!!!!!“ In der Hoffnung seinen Kameraden vor einen schrecklichen Fehler zu bewahren.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Samstag 26. Januar 2013, 10:21

Die lange Fahrt auf den Schlitten hatte bei vielen der Männer die Anspannung nur noch wachsen lassen. Baltos hingegen, vielleicht lag es an der seltsamen Wirkung der Medizin, nutzte die Gelegenheit um sich noch ein wenig auszuruhen. Das Trockenfleisch milderte den Effekt ein wenig, so dass er auch noch einen Schluck aus dem Schlauch des Heilers nach trank. Er sah etwas entspannter dem Schicksal entgegen, denn dieses leicht fliegende Gefühl von Kraft, das ihn durchströmte, ließ die Sorgen verblassen. Dann hatten sie den Schauplatz erreicht, den Malte beschrieben hatte und als wären seine Erzählungen im Eis erstarrt, fanden sie die Drachenblut schräg aus dem Meer gehoben, im Eis gefangen. Es war ein schaurig schöner Anblick, grazil wie Kristall und doch voller glitzernder Macht. Besonders die schimmernden Fäden hatten es seinen Augen angetan und als er einen untersuchte und die drastische Wirkung zu spüren bekam, fokussierte sich sein Blick auf Kjartan, der seiner Axt bereits erhoben hatte.
„HAAAAAALLLLLLLLTTTTTTTT!!!!!!!!!“
, brüllte der Jägersohn mit ganzer Kraft! Seine Stimme war tief und grollte über das Eis und ließ den Krieger in der Bewegung stoppen. Die Kjartans Axt berührte nur leicht die Oberfläche, aber nichts geschah. Sie war noch nicht eingedrungen. Etwas unwirsch drehte er sich zu Baltos um und starrte ihn an. Der Seemann wollte seine Kameraden befreien und nun hielt ihn ein Jäger auf.
„Warum, um Venthas Willen?!?“
Auch ein paar der anderen Männer näherten sich durch den Hindernissparkur der Eismagie. Finn war einer der ersten der zu Baltos trat und mit einer Handbewegung den anderen gebot ein wenig Abstand zu halten. Das Eis unter ihren Füßen war tückisch.
„Baltos, was ist los? Warum …?“
Der Jägersohn hatte seinen Arm ausgestreckt, wies auf den kristallinen Stalagmiten und erklärte kurz mit seinen eigenen Worten was er entdeckt hatte. Die Nachricht wurde mit größter Sorge in den Gesichtern der Mantroner von Mann zu Mann weiter gegeben. Malte, der irgendwie das Kommando übernommen hatte, befahl:
„Verflucht sei was auch immer, hier seine Macht gewebt hat! Wir müssen irgendwie da rein!Männer, sucht eine Stelle, wo ihr wenig von diesen Dingern findet. Seid vorsichtig! Schwärmt aus und wer als erster etwas findet, dem spendier ich ein Fass Met!“
Der Schädelbrecher war kein Dummer Mann, wenn gleich sein Name auf ein gesteigertes Maß an Aggressivität hin deutete. Sofort verteilten sich die Tapferen und begannen die Gegend abzusuchen.
Kjartan stand noch etwas zögerlich oben am Heck des Schiffes. Sein Bruder wirkte erleichtert. Vielleicht hatten sie auch dort drinnen die Erfahrung machen müssen, dass rohe Gewalt nicht die Lösung ihrer Probleme war. Kjartan betrachtet den kleinen Haufen der Mannschaft. Es waren zu wenige. Wo waren die anderen. Sein Blick begann umher zu schweifen.
Da meldete schon der Erste seinen grausigen Fund. Jesper rief tief bestürzt:
„Hier, … hier ist einer! Sie haben versucht … Oh Ventha möge uns schützen!“
Leif Fintenfuchs kam als nächster in seine Nähe und schon sein Gesichtsausdruck ließ nichts Gutes ahnen. Nach und nach näherten sich die anderen. Das Schiff hatte sich über den Meeresspiegel erhoben, aber nicht durch eine Bestie, wie alle vermutet hatten, sondern man sah am Bug der Drachenodem einen Mann im Eis erstarrt, der seine Hacke noch in den Händen hielt. Er war nur undeutlich zu erkennen, doch unter ihm schienen sich noch weitere Schatten zu befinden. Anscheinend hatten sie selbst sich versucht aus dem Eis zu befreien und die magische Reaktion damit erst ausgelöst. Nur die, die das Schiff nicht verlassen hatten, waren diesem Schicksal entgangen und drohten nun zu ersticken. Eine bedrückende Stille breitete sich zwischen den Männern aus und einen Moment lang standen sie starr da, bis Maltes Stimme über das Eis bellte:
„Steht nicht rum! Sucht weiter! Die Toten haben ihren Platz gefunden. Die Lebenden brauchen unsere Hilfe!“
Das riss sie alle aus ihren Gedanken.
Kjartan suchte am oberen Teil des Eises, das die Drachenodem direkt umschloss, aber hier war das schimmernde Geflecht sehr eng. Am Bug, dort wo es die Männer die helfen wollten kalt erwischt hatte, war es am schlimmsten und der Strang der von dort weg oder hin führte glomm unter dem Eis wie ein Arm, der seine Finger nach dem Schiff ausgestreckt hatte. Immer wieder riefen die Männer auf ihrer Suche einander zusammen, wenn sie etwas gefunden hatten. Herro war der nächste, der etwas meldete, aber es stellte sich nur als erstarrter Fischschwarm heraus. Malte betrachtete jedoch den Schwarm ein wenig länger, so das der Jäger Olof an den Seemann heran trat und fragte:
„Was denkst du?“
„Sie sind nicht geflohen.“
„Was?“
„Schau, sie sind gefangen worden, als sie auf das Schiff zu schwammen. Wieso sind sie nicht geflohen? Fische machen doch so was nicht! Sie fliehen, wenn etwas größeres als sie sie bedroht.“

Beide standen kurz grübelnd da, dann suchten sie weiter, doch viele andere in der Umgebung hatten ihre Worte gehört. Die Gruppe der zwei Schlittenbesatzungen verstreute sich immer weiter und auch Baltos ließ die ein oder andere Unstimmigkeit nicht los. Sein erster Gedanke, dass dies alles eine Falle war, verdichtete sich immer mehr. Doch war es wirklich eine Falle für sie? Um so länger sie suchten, um so mehr verdichtete sich das Bild einer Jagd vor seinem inneren Auge. Eine Jagd, die unter dem Eis statt gefunden hatte. Etwas oder jemand, auf jeden Fall mehrere hatten dieses Netz gewoben und hatten etwas anderes, vermutlich etwas großes vor sich her getrieben. Knud Bärenherz fand ein paar alte Eislöcher von Eisbären, die hier in der nähe gejagt haben mussten, doch sie waren schon sehr alt, schon einige Monate. Baltos streifte gerade über das Eis, als er Ulf, den Sohn von Olof Eisenherz dabei beobachten konnte, wie er vorsichtig etwas aus dem Eis unter sich brach und einsteckte. Er sah sich kurz um, ob er dabei beobachtet worden war, aber Baltos ließ sich erst einmal nichts anmerken. Vielleicht war es auch nicht wichtiges, sonst hätte er es sicher gemeldet. Imke Sternenblick stand etwas abseits und kniff die Augen zusammen, als würde sie versuchen im Grau des Eisregens in der Ferne auszumachen. Ihre Aufgabe war es die Umgebung im Auge zu behalten, damit die anderen sich auf die Suche konzentrieren konnten. Svenja Launenwind lief leise mosernd über das Eis und trat dabei teilweise sehr unvorsichtig auf, so dass sie gerade bis zur Wade im eisigen Wasser stand. Sie war durch die oberste Schicht gebrochen und stand nun auf einem der Stränge und fluchte. Selbst ein derbe Worte gewöhntes Mantroner-ohr legte sich bei diesen Flüchen an und Eirik Eulenruf kam ihr zu Hilfe. Es vergingen so einige quälend lange Minuten, in denen sich jeder bewusst war, dass die Zeit der Gefangenen weiter ablief. Doch was sollten sie tun? Von oben kamen sie nicht an das Schiff heran … von oben nicht … In Baltos Kopf formte sich ein selbstmörderischer Gedanke. Sie sahen die Drachenblut nur von oben. Sie hatten inzwischen ein paar dünne Kanäle unter dem Eis entdeckt, die frei von diesen Fäden waren und man mit etwas Glück erreichen konnte. Ihm kam die Jagd der Bären in den Sinn. Diese Tiere schlugen Löcher ins Eis und warteten, bis ihre Beute sich näherte um Luft zu holen um dann zuzuschlagen. Was wenn das was hier gejagt worden war, die Fahrrinne der Drachenodem zum auftauchen hatte nutzen wollen? Und was, wenn die Jäger genau das mit ihren Eissträngen verhindert hatten? Er musste mit jemanden der Seeleute seine Gedanken teilen und Kjartan stand in seiner Nähe. Baltos war ein Jäger des Landes und Kjartan einer der See. Gemeinsam fanden sie vielleicht eine Idee, was zu tun war. Doch der Gedanke sich unter das Eis in den fast sicheren Tod zu begeben, ließ ihn nicht los. Bilder von Haro, wie er eingebrochen war und die Platten sich über ihm geschlossen hatten, schnürten sein Herz in eine schreckliche Enge, doch vielleicht war genau das die Lösung? Sie würden viel Seil brauchen und einen guten Schwimmer! Jemanden der vielleicht motiviert genug war … oder unter Drogen stand. Das Eistauchen war eines der gefährlichsten Freizeitbeschäftigungen der Mantroner und eine Disziplin der Taperkeitspiele. Wer am längsten unter Wasser bleiben konnte war der Sieger und hoch angesehen. Durch das kleinere Lungenvolumen, gewannen in dieser Disziplin häufig die Frauen, da sie weniger Luft brauchten. Doch Baltos musste seine wahnwitzige Idee mit den anderen erst mal teilen. Vielleicht hatten sie ja auch noch andere Lösungswege gefunden.

(Baltos ist dran - bis Kjartan sich zurück meldet)
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Dienstag 29. Januar 2013, 14:55

Der Schrei verfehlte seine Wirkung nicht. Zum Glück für alle, stoppte Kjartan seinen Befreiungsversuch. Wer weiß was mit ihn passiert wäre. Natürlich wurden die Anderen auch aufmerksam und näherten sich Baltos’ Position, das Knacken des Eises lies den Jäger einen Schauer über den Rücken laufen. Er wollte den dazu Gestoßenen gerade zu verstehen geben das sie sich mehr verteilen sollten, da war Finn schon bei ihn und signalisierte den Anderen abstand zu halten.
Natürlich wollte er wissen warum sie das Eis nicht zerhacken durften, genau wie Kjartan zuvor. Der Einäugige deutete auf den Eisstalagmiten. „Wenn dieser Eisdorn beschädigt wird, wächst die betroffene Stelle sofort nach und verdoppelt sein Ausmaß. Das passiert dermaßen schnell, dass man noch nicht einmal blinzeln kann. Ich hatte nur ein Fingergroßes Stück abgebrochen und die Wucht, mit der es nachwuchs, hätte mich fast von den Beinen gefegt. Wenn mich nicht alles täuscht, würde ich sagen, diese silbernen Fäden im inneren sind daran Schuld.“ Finn war einer der Ersten nach der Schilderung von Baltos, der sich die Eissäule anschaute, dabei war er äußerst vorsichtig, danach folgten Andere und die neue Erkenntnis verbreitete sich wie ein Lauffeuer.
Malte der sich anscheinend selbst zum Anführer auserkoren hatte, ließ die Truppe nach einer anderen Möglichkeit suchen das Schiff zu betreten. Baltos lief Gedankenversunken am Schiff entlang, er versuchte die Puzzelteile aus den Informationen die sie gerade entdeckt hatten, zusammen zusetzen. Als Jesper auf sich aufmerksam machte. Sofort lief der junge Mantroner zum Buck des Schiffes. Die Drachenblut befand sich ein stück über ihn, da die Eismassen es hoch gedrückt hatten. Noch während er sich der Position des Rufenden näherte, kam ihn der Gedanke, dass sie hier wahrscheinlich die Quelle fanden. Die dafür gesorgt hatte, das sich das Schiff in dieser Position befand. Diese Vermutung sollte sich auch bestätigen, einige der anderen Kundschafter waren auch schon da und betrachteten die Seelen die für immer im Eis verloren waren.
Mit traurigen blick starte der Einäugige den Mann an, der im Eis seine letzte Ruhestätte gefunden hatte.
Wie viele noch binnen weniger Sekunden eingefroren waren, konnte er nicht sagen. Aber es mussten einige gewesen sein, damit solch eine Reaktion zustande kam. Wenn man überlegte wie die Eissäule auf Baltos kleine Beschädigungsaktion reagiert hatte. Der Jäger hatte alles richtig gemacht als er Kjartan unterbrochen hatte. Denn sonst wäre er jetzt auch solch eine Eisskulptur.
Noch einmal sah der Eisjäger den Mann mit der Hacke an, das Gesicht des Opfers zeigte keinerlei Angst. Er hatte noch nicht einmal Zeit gehabt Angst zu verspüren, der kalte Tot war schneller.

Er war schon wieder gegangen, als Malte den Rest der Truppe antrieb weiter zu suchen. Baltos war mittlerweile mehr denn je der Überzeugung, dass es sich hier um eine Falle handelte. Als er dann noch durch Olof und Herro auf den Fischschwarm aufmerksam wurde, bestätigte sich dieser Verdacht voll und ganz. Auch wenn er kein Fischer war, so wusste er doch, das diese Fische dort Fluchttiere waren und beim auftauchen von Gefahr das weite suchten. War vielleicht die Drachenblut gar nicht das Ziel gewesen, sondern etwas anderes? War sie nur zur falschen Zeit am falschen Ort? Aber was bei Venthas mächtigen Schenkeln hatte hier alles einfrieren lassen? Die Mantroner kannten ihren Eiskanal, schließlich pflegten sie ihn auch!
Während all dieser Gedanken beobachtet das Jägerauge wie Ulf etwas aus dem Wasser zog und es heimlich einsteckte. Baltos wollte ihn schon zu rede stellen, als ihn die verwaisten Löcher im Eis auffielen, die Eisbären für die Jagd benutzten.
Und so wurde die vielleicht verrückteste Idee im Kopf von Baltos geboren, die er jemals gehabt hatte.
Er ging sofort zu Kjartan, da er in seinen Augen wahrscheinlich am leichtesten dazu überzeugt werden konnte.

Es dauerte auch nicht lange und der besagte Krieger zur See war gefunden, Baltos ergriff seine Schulter und dirigierte ihn aus der Hörweite der Anderen. Als sie weit genug weg waren, erläuterte er seinen Plan.
„Ich habe einen Plan wie wir eventuell ins innere des Schiffes gelangen. Ich weiß nicht wie geübt du bist aber ich will durch eines der Eislöcher abtauchen und zu diesen Eisspiralen schwimmen. Zu einer die jedenfalls nicht von diesen Faden umgeben ist. Diese Spiralen haben schließlich alle das gleiche Ziel und vielleicht gelangt man so ins innere der Drachenblut. Dafür werde ich aber deine Hilfe brauchen. Also was sagst du?“ Baltos sah zufällig Ulf in der Nähe vorbei gehen. Ihn würde er sich jedenfalls noch vor den Tauchgang vornehmen.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Kjartan » Mittwoch 30. Januar 2013, 18:59

Kjartan war heilfroh, dass Baltos ihn noch durch seinen Schrei stoppen hatte können. Einen Augenblick später und Kjartan wäre wohl wie die Drachenblut in Eis gefangen gewesen. Hätte er seine Axt fest gegen das Eis geschlagen und wäre es gesprungen, es hätte Kjartan im selben Moment in sich aufgenommen. Dass Magie im Spiel sein musste, war dem Krieger bereits länger bewusst. Nun aber hatte er sie selbst gesehen und sie hätte ihn beinahe getötet. Er verfluchte die Magie und er schwor sich, dass er sie brechen würde.

Mit den Gedanken bei seinem Bruder, den er knapp zuvor durch das Eis gesehen hatte, untersuchte er das Eis am oberen Teil des Schiffes. Dieses Gewebe, diese Fäden, dieses Netz, was immer es sein mochte, war hier unglaublich dicht. Es gäbe wohl keine Möglichkeit, hier ins Innere des Schiffes vorzudringen. Die anderen Männer suchten an anderen Stellen, allesamt rund um das Schiff herum. Er konnte nur hoffen, dass einer von ihnen fündig werden würde, denn er selbst hatte wohl einen äußerst schlechten Abschnitt erwischt.

Mit jeder Minute die verging, wuchs seine innere Unruhe. Die Luft für die Besatzung der Drachenblut wurde immer knapper, und sein Bruder war einer von ihnen. Sie mussten einfach einen Weg ins Innere des Schiffes finden, wie auch immer sie es anstellen mochten. Es gab für Kjartan keine Alternative, er MUSSTE seinem geliebten Bruder helfen. Irgendwie. Doch er wusste nicht, was er tun könnte. Er hatte kaum bis überhaupt keine Ahnung von Magie und wie sie aufgelöst werden könnte. Er konnte dieses Gewebe nicht durch rohe Gewalt vernichten. Welche Möglichkeiten blieben ihm also? Vermutlich nicht allzuviele, außer sich auf seine Waffenbrüder zu verlassen. Wenn einer von ihnen einen Weg finden würde, könnte der Krieger ihn beschreiten.

Kurz beobachtete er Svenja Launenwind, die im Eis eingebrochen war. Eirik Eulenruf kam ihr zuhilfe. Kjartan überlegte sich in diesem Augenblick, ob die richtigen Gefährten mitgekommen waren. Da war der Fintenfuchs, dessen sagenhafte Kampfkünste Stoff für so manche Geschichte lieferten. Meistens ging es darum, wie er unehrenhaft und durch Lug und Trug seine Feinde besiegt hatte. Svenja, die zwar das Temperament eines echten Tapferen besaß, aber hier am Eis doch recht unbeholfen wirkte. Andererseits waren der Eisbestientöter Baltos, Malte Schädelbrecher, Olof und sein Sohn Ulf oder Imke Sternenblick mit von der Partie. Sie alle waren gedungene Krieger. Auch wenn er dies von Baltos nicht sicher sagen konnte, so war es doch eine unglaubliche Leistung, eine Eisbestie zu töten. Wie auch immer er dies angestellt haben mochte. Sogesehen wäre der Fintenfuchs vielleicht auch nicht ganz unnütz.

Nach einiger Zeit holte ihn der junge Jäger zur Seite. Außerhalb der Hörweite der anderen sprach er ihn an: „Ich habe einen Plan wie wir eventuell ins innere des Schiffes gelangen. Ich weiß nicht wie geübt du bist aber ich will durch eines der Eislöcher abtauchen und zu diesen Eisspiralen schwimmen. Zu einer die jedenfalls nicht von diesen Faden umgeben ist. Diese Spiralen haben schließlich alle das gleiche Ziel und vielleicht gelangt man so ins innere der Drachenblut. Dafür werde ich aber deine Hilfe brauchen. Also was sagst du?“
Kurz dachte Kjartan über die Worte des Jägers nach. Welche Möglichkeit blieb ihm schon? Es war ein Ansatz, es war genau der Weg, den er zu finden gehofft hatte. Und Kjartan würde ihn beschreiten.
„Es ist einen Versuch wert“, entgegnete er Baltos. „Wie kann ich dir helfen? Sollen wir beide hinabtauchen oder nur einer von uns?“ Der Krieger würde tun, was auch immer ihm Baltos auftrug. „Mein Bruder ist noch da drinnen, wir müssen uns beeilen Baltos. Wenn du willst dass ich schwimme, dann schwimme ich. Wenn du willst dass ich das verfluchte Seil halte und dich wieder rausziehe, wenn es Schwierigkeiten gibt, dann halte ich es die nächsten fünf Tage und Nächte lang.“ Kjartan fasste wieder Mut. Er hoffte, dass die Zeit des Wartens vorüber war, dass er nun endlich losschlagen könnte. „Es ist auf jeden Fall einen Versuch wert. Hier oben ist das Netz viel zu dicht. Unter dem Schiff könnte es genauso aussehen. Aber allzuviele andere Möglichkeiten haben wir nicht. Wenn wir uns lange Taue um den Körper wickeln und tatsächlich ins Innere der Drachenblut gelangen können, könnten wir die Besatzungsmitglieder an den Seilen herauslotsen. Sie müssten nur eine Zeit lang tauchen und immer dem Seil folgen, dann wären sie frei. Und dann könnten wir uns um den Ursprung dieser Maledei kümmern.“

Kjartans Hand wanderte wieder in seine Tasche zum Glücksbringer, den er von Liva geschenkt bekommen hatte. Wenn auch nur irgendwie die Möglichkeit bestand, dass der Krieger seinen Bruder retten könnte, er würde sie ergreifen. Und wenn er durch den ganzen Eiskanal schwimmen müsste, würde er es eben tun. der Krieger hoffte inständig, dass auch Baltos der Auffassung war, es wäre klüger zu zweit zu tauchen. So konnte der eine dem anderen Rückendeckung geben. „Wir sollten den anderen Bescheid sagen“, drängte er Baltos. „Wir werden zur Sicherheit einige Taue aneinanderknoten müssen.“ Kjartan drehte sich um und wollte schon zu den anderen Tapferen marschieren, da wandte er sich nochmals um und streckte dem Jäger seinen Arm entgegen. „Und danke“, sagte er noch knapp, ohne genau darauf einzugehen was er eigentlich meinte. Um ehrlich zu sein handelte es sich nicht nur um eine Sache, es war eher ein pauschales Dankeschön. Dafür, dass sich Baltos trotz seiner Verletzungen entschieden hatte, die Tapferen zu begleiten. Dafür, dass er diesen Vorschlag aufgebracht hatte. Und natürlich auch dafür, dass er Kjartan davor bewahrt hatte, als Eisstatue zu enden.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 31. Januar 2013, 18:45

Die Nachricht über das magische Netz im Eis verbreitete sich rasend und alle wurden deutlich vorsichtiger, was auch die gefangene Mannschaft der Drachenblut etwas zu beruhigen schien. Trotzdem sah man bei den jüngeren Männern die Angst in den Augen.
Die Suche nach einem Schlupfloch gestaltete sich unerträglich lange für alle, doch für Kjartan war es am schlimmsten, so hatte er doch seinen Bruder dort drinnen und die Luft wurde von Minute zu Minute knapper. Als Baltos dann an ihn heran trat und seine Idee unterbreitete, war er wie erwartet sofort zu allem bereit.
Es war ein gefährliches Unterfangen und bedurfte einiger Vorbereitung, aber es war möglich. Die besten Eistaucher waren allesamt Frauen, doch Svenja und Imke gehörten nicht dazu. Vielleicht könnten sie die Luft länger anhalten, aber sie hatten nicht genügend Kraft um ggf. von unten den Rumpf zu durchbrechen und genau das war der Plan, sofern sie eine freie Stelle fanden.
Baltos und Kjartan tauschten ihre Gedanken aus und sie wussten beide nur zu gut, dass sie auf einander aufpassen mussten. Zusätzlich brauchten sie die Hilfe der anderen, also gingen sie gemeinsam in Richtung von Malte um mit mit ihm und den Anderen ihren Plan zu besprechen. Malte hörte zu und seine Brauen wanderten immer höher.
„Ihr seid wahnsinnig, aber ich find den Plan gut! Wenn ihr heute euch an den Tisch eurer Ahnen gesellen wollt, werde ich euch nicht davon abhalten. Und wenn ihr dabei, Ventha sei mit euch, auch noch einen Weg findet die Anderen da raus zu holen, werd ich euch höchst persönlich den Strick halten!“
In einigem Abstand hatten die alle 13 Mantroner gelauscht und Knud Bärenherz trat ebenfalls einen Schritt vor, nickte Kjartan zu und meldete sich als stärkster unter den Kriegen ebenfalls den Rückweg zu sichern. Malte würde also Baltos halten und Knud Kjartan. Ein paar Absprachen zur Verständigung wurden gemacht. Einmaliges Rücken war zu missverständlich, also würden sie erst bei drei mal kräftig zucken zurück gezogen werden. Zwei mal ziehen würde, mehr Seil bedeuten. Herro wollte sich um die Schlitten kümmern und in einer sicheren Entfernung ein Lager mit Fellen errichten, wo sich die Taucher dann hinterher aufwärmen konnten. Finn Eisläufer kam sofort mit langen Tauen an, die sie sich um den Leib binden sollten, doch vorher mussten sie alles schwere ablegen, dass sie in die Tiefe ziehen könnte. Die Vorbereitungen begannen und Erik Eulenruf ging zurück zur Drachenblut und versuchte dort den Gefangen mit Händen und Füßen begreiflich zu machen, was sie vor hatten. Als dann endlich einer auf den Schiffsboden schaute und nickte, war klar, dass sie auch von oben Hilfe bekommen würden, wenn sie eine Stelle finden würden, die frei von diesen Netzen war. Jesper war der Einzige, der das Tempo durch seine fragenden Einwände etwas bremste, aber er wurde kaum beachtet. Er war eine sorgenvolle Natur und betrachtete Baltos und Kjartan mit verschränkten Armen. Richtige schlagende Argumente konnte er jedoch nicht vorbringen, also schwieg er einfach. Der Tatendrang der Tapferen war geweckt und Vorsicht war hier die Minderheit und keine Stärke. Leif jedoch schlug mit äußerster Vorsicht eines der nächsten Luftlöcher der Bären wieder frei. Sein ausgesprochen guter Umgang mit den kleinen flinken Waffen machte sich hier nun sehr bezahlt. Wo eine Axt zu großen Schaden angerichtet hätte, schnitzte er sich durch die Eisschicht und legte so den Weg für Baltos und Kjartan frei, ohne einen der schimmernden Fäden zu durchtrennen.
Kjartan und Baltos hatten sich ihrer Kleidung, bis auf ihre Lendenschutze entledigt, hatten dicke Taue um die Bäuche gebunden und jeder eine Waffe ihrer Wahl bei sich. Baltos kam in letzter Sekunde noch ein vielleicht hilfreicher Gedanke und ließ sich seinen Trinkschlauch mit der Medizin von Ragan Lebensretter reichen, den er dann Kjartan anbot. Ein bisschen zusätzliche Energie konnte nicht schaden, aber er vergaß auch nicht die Warnung des Heilers zu erwähnen, dass man aufhören sollte zu trinken, wenn die Fingerspitzen anfangen zu kribbeln.
Dann war es soweit.
Ob Wahnsinn oder nicht, jetzt konnten sie nicht mehr zurück!
Nebeneinander stiegen sie in das eisige Loch und sofort jagten tausend Nadeln durch ihre Körper. Doch lange Zeit um sich an den Schmerz zu gewöhnen hatten sie nicht. Ein wütender Schrei dem Schicksal entgegen geschleudert half vielleicht die Lungen noch mal richtig zu belüften, dann mussten sie abtauchen. Das Schlimmste war, die Augen zu öffnen; als rammte man sich Gabeln ins Gehirn! Die Sicht war klar. Doch was sie dann unter Wasser sahen, ließ nicht nur vor Kälte ihr Herz kurz aussetzen!
Was von oben wie eine Spirale ausgesehen hatte, hatte noch eine dritte Dimension und formte in die Tiefe einen langgezogenen Trichter, gleich einer gigantischen Muschel, die natürlichste Form des Meeres und die perfekteste und schönste noch dazu. Das ganze Gebilde schimmerte in zartem Blau. Wie ein schimmernder Strudel hatte sie ihren Verlauf unter dem Drachenschiff entlang gezogen und nun sah man auch, dass proportional nur ein winziger Teil der einzelnen Stränge die Oberfläche berührt hatten. Die enger werdende Spitze zeigte schräg zum Bug des Schiffs, verlief sich dort in der Ferne und die aus allen Richtungen kommenden Stränge des Beginns vereinigten sich kurz hinter dem Heck der Drachenodem und bildeten dort einen offenen Trichter. Allein der Anblick war zum Sterben schön, doch verweilten sie waren sie dem Tode sicher.
Getrieben von Eile und Sorge stießen sich beide von dem äußersten Bogen der Spirale ab und schwammen mit kräftigen Stößen voran, immer tiefer in den Trichter hinein, dann den Bogen hinauf, bis sie den Rumpf der Drachenodem, gleich einem massigen Wahlkörper erkannten. Dort wo die Männer versuchte hatten den Bug aus dem Eis zu befreien, hatten sich die Dornen auch in die Tiefe geformt und voller Entsetzen halb eingefrorene Seemänner unter dem Eis gefangen. Ein Körper hing nur an einem Fuß fest und sein Gesicht und seine Arme drehten sich ständig in der Strömung des Eiskanals, als würde er ihnen zuwinken. Ein anderer war mit dem Kopf voran gefangen und seine Beine fürchterlich verformt. Einer steckte aufgespießt wie ein Käfer auf einer Nadelspitze. Zwei hatte das Eis zwar nicht gefangen, aber doch sofort mit der Wucht der Magie getötet und ihre gebrochenen Körper hingen ein Stück entfernt von der Strömung dort hin getrieben, in den Windungen der Muschel fest. Der schreckliche Anblick brannte sich in das Gedächtnis beider Männer, die ihn sahen. Und doch versuchten sie einen klaren Kopf zu behalten, denn jenen dort, war nicht mehr zu helfen.
Sie sahen sich um und suchten so schnell sie nur konnten eine freie Stelle am Rumpf des Schiffsboden. Kjartans Sorge trieb ihn dabei zu Höchstleistungen an, und hatte er von der Medizin getrunken, so spürte er kaum die tödliche Kälte in seinen Gliedern. Er musste seinen Bruder retten!
Baltos fielen ein paar andere Details auf. Der gefrorene Fischschwarm sah von hier unten aus, als hätte er etwas in den riesigen Trichter treiben wollen. Während Kjartan intensiv den Rumpf absuchte, behielt er die Umgebung mit im Auge, damit sie keine bösen Überraschungen erlebten. Lange konnten sie nicht mehr verweilen, denn die Luft begann schon knapp zu werden. Kjartan entdeckte gerade in gut vier Metern Entfernung eine dunkle Stelle, wo das Eis den Rumpf der Drachenblut nur wenig umschloss und konnte auch nirgends einen dieser Fäden dort hin laufen sehen, als er Baltos Hand an seiner Schulter fühlte. Sie mussten zurück um Luft zu holen, aber jetzt wussten sie wenigstens wo wie hin mussten! Drei kräftige Züge an den Tauen und sie wurden schnell und gleichmäßig zurück gezogen. Kurz bevor sie auftauchten, sahen beide eine Bewegung unter sich.
Erst einer, dann mehrere kleine bläuliche Punkte tauchten aus der Tiefe auf. Scheinbar irgendwo weit unter ihnen schwamm ein Schwarm kleiner fluoreszierender Fische. Sie bewegten sich in einer perfekten Reihe, dann wurden Baltos und Kjartan aus dem Wasser gezogen. Beide wurden sofort in Felle gehüllt und Finn brach noch vor Malte heraus, auch wenn dieser synchron einstimmte:
„Irgendwas entdeckt?“
Baltos und Kjartan schätzten sich beide stark genug und unter der Droge sowieso etwas übermütig ein, dass sie einen zweiten Tauchgang locker überstehen würden. Doch die Option das nun andere unters Eis gingen, würde zu viel Zeit kosten, wäre zwar sicher vernünftiger, aber bis sie die Stelle beschrieben hatten, wären sie vielleicht schon mit dem Ersten zurück. Es reichte ein Nicken, beide stiegen zurück in die Fluten und ließen hoffnungsvolle Gesichter zurück. Zielsicher steuerten sie ihr Ziel an, ohne sich nun von ihrer Umgebung ablenken zu lassen, denn sie würden ihren Atem brauchen um das Loch in den Rumpf zu schlagen. Gemeinsam erreichten sie die Stelle und kontrollierten, dass auch wirklich keiner dieser Fäden hier lang lief. Dann hielten sie einander fest um mehr Kraft aufbringen zu können und schlugen gegen die dicken Bohlen der Eiseiche. Das dumpfe Donnern, dröhnte in ihren Ohren, und bereits nach dem zweiten Schlag gesellten sich von oben mehrere zusätzliche dazu. Nicht lange und die ersten Splitter lösten sich und Luftblasen drückten sich aus dem Innern des Gefängnisses. Hieb um Hieb lösten sich mehr und nun konnten Baltos und Kjartan in die Blase vordringen. Die Luft die sie hier atmen mussten, ließ sie erst mal heftig Husten, bevor sie auch nur ein Wort sagen konnten. Kjartans jüngerer Bruder Sigvard fiel ihm in die Arme. Sie mussten schnell hier alle heraus bringen.

(Baltos ist drann)
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Kjartan » Samstag 2. Februar 2013, 19:17

So sollte es also sein. Baltos und Kjartan würden ins Eismeer hinabtauchen, um nach einem Weg in das Schiff zu suchen. Der Krieger war froh, dass sich Knud Bärenherz, der stärkte unter den Kriegern, dazu bereit erklärte, Kjartans Seil zu halten. So konnte er zumindest sichergehen, dass, sollte etwas schiefgehen, sein lebloser Körper zurück an Land gezogen werden würde.
Baltos und Kjartan legten sämtliche Kleidung ab, um nicht in die Tiefe gezogen zu werden. Lediglich den Lendenschurz beließen sie an und griffen nach brauchbaren Waffen. Seine Breitaxt ließ der Tapfere an Land, damit würde er unter Wasser nicht allzuviel ausrichten können. Stattdessen hatte er sich eine Art Meißel und einen Einhandhammer besorgt. Damit würden sie gegen den mächtigen Rumpf aus Eiseichen mehr anrichten können. Den Hammer steckte sich der Krieger in den Lendenschurz und überprüfte, ob er auch festsaß, während er dem Eisbestientöter Baltos den Meißel übergab.

Die anderen Tapferen blieben nicht untätig: Während sich Herro um die Schlitten kümmerte und ein Lager aus Fellen errichtete, brachte Finn Eisläufer lange Taue, die sich die beiden Schwimmer um den Bauch binden würden. Erik Eulenruf versuchte in der Zwischenzeit, die Besatzung der Drachenblut zu instruieren. Sie würden wohl von innen mithelfen müssen, sobald Kjartan und Baltos einen sicheren Platz für ein Loch gefunden hätten. Alle Beteiligten leisteten ihren Beitrag, einzig der Hasenfuß Jesper wirkte statisch. Er war seit jeher ein Feigling gewesen und es verwunderte Kjartan auch nicht groß, dass der Angsthase auch nun keinen vollen Beitrag leistete.
Bereit zum Abtauchen, reichte Baltos dem Krieger noch seinen Trinkschlauch mit Ragans Medizin. Zuvor warnte ihn der Jäger aber noch, auf keinen Fall zuviel zu trinken. Kjartan nahm einen Schluck und hatte kurz das Gefühl, als hätte er soeben Drachenurin geschluckt. Dennoch trank er weiter, bis seine Fingerspitzen zu kribbeln begannen.

Voller Tatendrang tauchte er ins eiskalte Wasser ein. Der Seemann fühlte sich, als würde er eben doch zu einer Eisstatue werden. Wie Tausende spitzer Nadeln stach ihm das Wasser in die Haut. Die Luft drohte ihm ob der Kälte aus der Luft gepresst zu werden. Doch Kjartan zuckte nicht zusammen. Jetzt ein Zeichen der Schwäche von sich zu geben war unmantronisch. Die Tapferen wurden nicht umsonst die Tapferen genannt. Auch wenn sie Schmerzen empfanden, so unterdrückten sie diese so gut es ging. Vor allem aber zeigten sie den Schmerz nicht.
Gemeinsam tauchten die beiden unter. Der nächste Schreckensmoment folgte auf den Fuß, als er die Augen öffnete. Es fühlte sich an, als würde ein Dolch ihm durch die Augen ins Gehirn getrieben. Kjartan musste den Schmerz unterdrücken. Er musste einen Weg zu seinem Bruder finden. Die Schmerzen vergingen, seinen Bruder würde er auf immer verlieren.

Als sich seine Augen an das klare und doch eiskalte Wasser gewöhnt hatten, stockte dem Krieger beinahe der Atem: Was er zuerst für eine Spirale gehalten hatte, zog sich in Form eines Trichters in die Tiefe. Wie ein Tunnel verlief das Gebilde unter dem Schiff entlang und Kjartan erkannte, dass nur ein Bruchteil der magischen Stränge an die Oberfläche drang. Er kannte dieses Spektakel von Eisbergen. Von oben betrachtet war oft nicht mehr als ein mittelgroßer Eisbrocken zu sehen. Doch was sich unter der Wasseroberfläche verbarg, war eine konstante und unberechenbare Gefahr für alle Schiffe. Die unerfahreneren Piratenschiffe, die versuchten das Eismeer zu durchqueren, wurden nur zu oft ein Opfer dieses Phänomens.

Die immer enger werdende Spitze wies schräg zum Schiffsbug und irgendwo hinter dem Heck der Drachenblut musste sich eine Vielzahl der magischen Stränge vereinigen. Mit kräftigen Zügen stießen sich Baltos und Kjartan von der Oberfläche der Spirale ab und tauchten tiefer in den Trichter ein. Das eiskalte Wasser machte das Schwimmen schwer, doch durch die Medizin, das heiße Blut und die Sorge um seinen Bruder wurde Kjartan immer weiter vorangepeitscht und schaffte es, die Kälte zu ignorieren.
Er schwamm immer weiter, vorbei an einigen Glücklosen, die zu Eis erstarrt waren. Er hatte nicht einmal daran gedacht zu ergründen, um wen es sich hier wohl handeln könnte. All seine Gedanken lagen auf seinem Ziel, Sigvard zu retten. Die anderen waren längst tot, hatten vermutlich nicht einmal Schmerz empfunden. Davon durfte er sich nicht ablenken lassen.

Mit einem Mal bemerkte der Seemann, dass er vermutlich eine geeignete Stelle gefunden hatte. Nur etwa vier Meter von ihm entfernt befanden sich keinerlei Stränge am Schiffsrumpf. Das war ihre Chance! Er griff bereits nach dem Meißel in seinem Lendenschurz, als ihn Baltos von hinten an der Hand griff. Sie mussten zurück um Luft zu holen. Kurz wollte sich Kjartan losreißen und zu der Stelle schwimmen, um Sigvard zu befreien. Die Medizin und seine allbekannte Heißblütigkeit drohten seinen Verstand zu betäuben. Nur durch Baltos‘ eindringliche Geste riss sich der Seemann zusammen und ließ sich vom Bärenherz zurückziehen.
Augenblicke bevor er aus dem Wasser gezogen wurde, bemerkte Kjartan einige bläuliche Punkte aus der Tiefe. Der Krieger hatte keine Möglichkeit, genauer hinzusehen, denn gleich darauf war er bereits an Land geholt worden. Also tat er die Punkte als einen Schwarm fluoreszierender Fische ab.

Einer der Tapferen wickelte ihm ein Fell um die Schultern und sofort fragte Finn Eisläufer, ob die beiden etwas entdeckt hätten.
„Ich habe eine Stelle gefunden. Wir müssen wieder zurück“, antwortete Kjartan forsch mit keuchendem Atem. „Jetzt!“, fügte er fordernd hinzu und streifte das Fell ab. Der Seemann dachte nicht daran, jetzt jemand anderen für sich schwimmen zu lassen. Er wusste wo die betroffene Stelle lag und ihnen blieb keine Zeit mehr. „Achtet auf die Zeichen aus dem Schiff!“, sagte er noch und tauchte unter.

Ohne Umschweife oder großartig auf seine Umgebung zu achten schwamm Kjartan wieder an besagte Stelle. Gemeinsam mit Baltos untersuchte er nochmals die Stelle auf die magischen Fäden und erkannte, dass hier wohl eine Schwachstelle im magischen Netz lag. Die beiden legten den Meißel am Schiffsrumpf an und schlugen gemeinsam mit dem Hammer so stark wie möglich dagegen. Das dumpfe Dröhnen drohte ihre Trommelfelle platzen zu lassen, dennoch schlugen sie immer wieder mit vereinten Kräften gegen den Meißel. Nach und nach begannen sich Splitter zu lösen und bereits nach wenigen Schlägen hörten sie von innerhalb des Schiffes ebenfalls Schläge. Darauf hatte er gehofft. Von außen war es schwer, wenn nicht unmöglich, ein Loch zu schlagen, das groß genug für einen Mantroner war. Innen wussten nun aber die Seeleute, wohin sie schlagen konnten und halfen ihren beiden Befreiern so gut es ging.
Und dann war es soweit: Das Holz barst und Baltos und Kjartan drangen in den Hohlraum vor. Die Luft war stickig und knapp davor zu brechen. Der Krieger hustete und keuchte tief. Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit, eher der Sauerstoff ausging. Sie mussten die Besatzung rausbringen. Einige der Männer der Drachenblut jubelten, und ehe Kjartan auch nur irgendetwas sagen konnte, fiel ihm sein Bruder in die Arme.

„Sigvard“, lächelte Kjartan und wandte sich danach den anderen Männern zu. „Das ist Baltos, Sohn des Drago Flinklanze, Eisjäger und Eisbestientöter“, stellte er seinen Gefährten vor wie es Sitte war. „Mein Name ist Kjartan, Bruder des Sigvard, Sohn des Baldor Eisbrecher.“ Dem Krieger war bewusst, dass sie nun schnell handeln mussten. „Seid ihr stark genug euch am Tau entlangzuhanteln?“, fragte er die Männer. Kjartans Plan war, dass er und Baltos im Schiff warteten, bis sich die Besatzungsmitglieder der Drachenblut das Seil entlanggehantelt haben bis zur Oberfläche. Dies war seiner Meinung nach der schnellste Weg, die Seeleute zu evakuieren. Die Männer, die zu schwach waren um selbst zu schwimmen, könnte er am Ende das Tau um den Bauch binden und sie zurückziehen lassen. Er selbst – und Baltos, sofern er mit dieser Vorgehensweise einverstanden war – würden dann als Letzte zurückschwimmen oder sich ziehen lassen. Bevor es aber losging, müssten sie noch den Männern draußen mit Gesten Bescheid geben, dass Malte und Knud Bärenherz nicht ziehen dürfen, bis Kjartan und Baltos es ihnen von innen gestikuliert hätten. Denn sollten sich die Seeleute am Tau festhalten, während sie sich zurück an Land hanteln würden, könnten es die Tauhalter falsch verstehen und Baltos und Kjartan aus Versehen zu früh zurückziehen.
Solange die Männer unterwegs wären, würde er mit dem Tau um den Bauch im Schiff warten, und erst dann, wenn das Bärenherz und der Schädelbrecher ziehen könnten, würde er es ihnen zeigen.

Der Krieger erklärte den Seeleuten seinen Plan und hoffte, sie würden ihm zustimmen.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Montag 4. Februar 2013, 13:26

Baltos hatte schon damit gerechnet das Kjartan sofort mit diesen irrwitzigen Plan einverstanden war. Schließlich war sein Bruder auf dem Schiff gefangen, der Jäger hätte wahrscheinlich auch nicht anders reagiert. Sie hatte sich sofort geeinigt wie sie vorgehen wollten und das sie beide in die eisigen Fluten steigen würden. Gesagt getan gingen sie zu Malte und den anderen und stellten ihren Plan vor. Kjartan reichte noch zuvor Baltos den Arm und bedankte sich, der Jäger ergriff diesen wortlos und blickte ihn kurz in die Augen. Worte waren hier fehl am Platz, der Jäger würde ihn jederzeit wieder helfen, ob er es ihn nun dankte oder nicht. Dann wendeten sie sich wieder den Anderen zu.

Den Schädelbrecher musste man nicht lange überzeugen und der Rest der Truppe war auch sofort Feuer und Flamme für den Plan, Ausnahme bildete hier nur Jesper. Er war bei vielen Männern als Feigling verschrien und sorgte während der Vorbereitung für den Tauchgang auch nicht dafür, dass sie diese Meinung über ihn so schnell loslassen würden. Baltos hatte kein Problem mit Jesper und bevor noch einen der anderen Männer oder den beiden Frauen der Geduldsfaden riss, ging er auf ihn zu. „Jesper wenn du eine bessere Idee hast dann nur raus damit?!“ Damit hatte der Mantroner der bei allen Frauen wegen seines Aussehens begehrt war, nicht gerechnet. Der Jägersohn ließ ihn einfach stehen und ging zum Schlitten mit dem Proviant.

Die Wölfe lagen immer noch angebunden in aller ruhe auf den Eis und dösten vor sich hin. So wie der Eisjäger diese Tiere kannte würden die sich erst wieder bewegen wenn es etwas zu fressen gab oder der Befehl zum Aufbrechen ertönte. Beim Anblick dieser treuen Begleiter wurde Baltos sofort an Geri erinnert. Er bat Ventha das sie seinen neuen Freund die Kraft gab seine Verletzungen zu überwinden. Danach ging er zu den Fässern in denen sich das Robbenfett befand.
Er nahm sich eins der Fässer und spannte seine Muskeln an. Seine kräftigen Arme schlangen sich um das hölzerne Gefäß. Vorsichtig wuchtete er das Holzfass auf die gefrorene Eisschicht und rollte es dann zu Kjartan. Das Fett würde den Erfrierungsprozess herauszögern und war ein bekanntes Mittel unter den Mantronern.
Ausgerechnet Imke und Svenja bemerkten das Vorhaben des Jägersohns und kamen mit einen breiten grinsen auf die beiden Jüngeren zu. Kjartan und Baltos die von ihrem Glück noch nichts wussten, waren gerade dabei sich zu entkleiden, als die kräftigen Damen sich genau hinter ihnen befanden. Imke übernahm den Seemann und Svenja den Jäger. So kam es das Baltos und Kjartan von den beiden Frauen mehr als gründlich mit Robbenfett eingerieben wurden. Eine Chance sich zu wehren hatten sie nicht und die anderen Männer würden ihnen bestimmt nicht helfen.

Nach der gründlichen Behandlung der Damen gingen die beiden Männer zu dem frisch geschlagenen Eisloch von Leif. Die Seilenden waren fest um ihre Bäuche gewickelt und Baltos gab Kjartan ein wenig von seiner Medizin. Natürlich nicht ohne ihn vorher zu warnen. „Wenn du ein kribbeln in den Fingern spürst solltest du aufhören.“ Der Wind blies unaufhörlich über den vereisten Kanal und trotz der Tatsache dass der Mantroner fast Nackt war, spürte er die Kälte kaum. Aber als Baltos in das Loch mit seinem dunklen Wasser blickte, wusste er, dass sich das gleich ändern würde. Da viel ihn Ulf wieder ein, dieser hatte doch etwas vor den anderen verborgen, aber als Kjartan den ersten Schritt in das kalte Nass machte, musste Baltos sein vorhaben den Verdächtigen zur rede zur stellen, verschieben.
Schon als sein Fuß den ersten Kontakt mit dem Wasser machte, kam sich der Jäger vor als würde die Kälte ihn Umarmen. Wie einem Verwandten den man schon lange nicht mehr gesehen hatte. Der Einäugige kannte die Kälte und diese kannte ihn. Sie war es die ihm seinen besten Freund genommen hatte und sie war es auch die sein eines Auge gestohlen hatte. Die Beiden waren sich so vertraut wie kaum jemand anderes. Baltos hatte ihr schon soviel gegeben und war schon wieder dabei ihr ein Geschenk zu machen. Wer wusste schon wie dieser Tauchgang ausging? Vielleicht schaffte er es und würde zusammen mit Kjartan die Besatzung retten können. Würde aber dann an einer Erkältung zu Grunde gehen. Vielleicht lauerte auch einen Wesen in den eisigen Tiefen, was nur darauf wartet zwei noch warme Köder im Kanal zu fressen. Oder Baltos würde durch Erfrierungen Körperteile verlieren!
Trotz all dieser negativen Gedanken war der Jäger bereit wieder einmal ein Tanz mit der Kälte zu wagen, um den tapferen Männern und Frauen auf der Drachenblut zu helfen.
Er hatte schon die ganze Zeit wie ein Wolf gehechelt, um somit seine Lungenflügel weiter aufzublähen, damit sie genug Sauerstoff fassen konnten.
Als sein Unterleib vom eisigen Nass erfasst wurde holte er noch ein letztes Mal tief Luft und tauchte dann völlig ab.


Baltos hatte sein eines Auge geschlossen als er abtauchte. Er spürte nur die Kälte um sich herum, wie sie versuchte in seinen Körper einzudringen und her über diesen zu werden. Es war ein vertrautes Spiel und das letzte Mal hatte der Jägersohn verloren. Doch diesmal nicht! Sein Auge öffnete sich und wurde auch gleich von der Kälte begrüßt.
Die ersten Bewegungen im Wasser waren Kräfte zerrend, das Herz des Mantroners arbeitete auf Hochtouren und lies das Blut in die benötigten Richtungen rauschen. Die Welt die sich ihn zeigte wurde von einer drückenden Stille beherrscht. Nur die Bewegungen der Beiden verursachten ein Geräusch. Ansonsten war es so ruhig wie auf einem Friedhof. Kjartan war schon ein gutes Stück voraus geschwommen und Baltos musste sich sputen um den anderen Mantroner einzuholen. Mit kräftigen Bewegungen seiner muskulösen Armen, kämpfte sich Baltos durch die Wassermassen und holte so Stück für Stück seinen Begleiter ein.
Die Umgebung in der sie sich befanden war so gleich schön wie erschreckend. Diese Trichter der sich unter dem Schiff gebildet hatte, hatte etwas Magisches. Die ganze Zeit während sie sich den eisigen Gebilde näherten, musste Baltos an eine Muschel denken.
Doch sie waren nicht hier um sich die Unterwasserwelt anzuschauen, sondern Mantronerleben zu retten!

Je tiefer sie in den Trichter eindrangen umso mehr gab es zu sehen. Nur wollte man das wirklich sehen?
Baltos sah Friedhelm Gutmensch, ein Mantroner der so ziemlich der netteste Seemann war dem man sich vorstellen konnte. Er war nur mit den Füßen festgefroren und der Rest seines Körpers wurde von der Strömung bewegt.
Es war schon makaber das es unbedingt dieser Mann sein musste, der ihnen, so wie es schien, fröhlich entgegen Winkte. Baltos besah sich auch der anderen Leichen und wie beim winkenden Leichnam viel ihn auch hier auf das diese nicht von Fischen angeknabbert waren. Das war sowieso etwas was Baltos seltsam fand. Wo waren die ganzen Fische abgeblieben? Dieses was auch immer konnte doch schlecht den ganzen Fischbestand des Eiskanals eingefroren haben?

Während dieser Überlegung hatte Kjartan schon den Rumpf erreicht und suchte nach einer geeigneten Stelle.
Der Jäger hatte ein ungutes Gefühl und behielt lieber die Umgebung im Auge. Es verwunderte ihn schon sehr hier nicht einen lebenden Fisch zu sehen. Denn das konnte nur bedeuten das sich einen Bedrohung in der Nähe befand.
Baltos spürte wie seinen Lunge langsam anfing zu berennen und Kjartan würde es wahrscheinlich nicht anders ergehen. Doch da sollte sich der Jäger Irren! Denn der Seemann hatte anscheinend noch genug Luftreserve um mit den Durchbruchsversuch zu beginnen. Aber als Baltos sich die Augen des Mannes anschaute, sprachen diese eine andere Geschichte. Die Droge musste wohl die Kontrolle über ihn genommen haben, denn als der Eisjäger ihn signalisierte aufzutauchen, schüttelte dieser Energisch mit den Kopf. Baltos hatte keine Lust auf Diskussionen. Vorallen nicht an diesen Ort, mit mangelnden Luftreserven. Er zog einfach dreimal kräftig an der Leine von Kjartan. Diese wurde danach sofort nach oben gezogen. Ob er nun wollte oder nicht. Dann wiederholte er die Prozedur bei sich selbst und schwamm mit der Zugkraft von Malte dem Ausgang entgegen.

Kurz bevor Baltos durch das Loch wieder an die Oberfläche gezogen wurde, sah er die vermissten Fische in weiter Entfernung in Formation schwimmen. Zumindest hoffte er dass es Fische waren. Denn unter Wasserkämpfen gehörte nicht gerade zu seiner Paradedisziplin.
Mit diesen Gedanken kam er wieder an die Oberfläche. Sofort atmete er tief ein, um der Lunge ihren verlangten Treibstoff zu liefern. Die Anderen hüllten die Beiden auch gleich in die bereitgelegten Felle ein, damit diese sich nicht noch mehr Unterkühlten. Finn war der erste der fragte ob sie erfolg hatten und Baltos überließ Kjartan das reden. Nur war dieser viel zu aufgebracht und hielt sich äußerst kurz. Dann war er auch schon wieder ins Wasser gesprungen und abgetaucht. Der Jäger blickte die Anderen kurz an, seufzte und sprang hinterher.

Diesmal war die Begegnung mit der Kälte nicht mehr ganz so schlimm, aber das beunruhigte Baltos weit aus mehr. Denn das bedeutete das der Körper auskühlte und das sorgte für steife Gliedmaßen. Er begann immer schneller zu schwimmen damit die Taubheitsgefühle erst gar keine Chance hatte zu entstehen. Kjartan versuchte auch so schnell wie möglich den Rumpf der Drachenblut zu erreichen. Von den blauen Punkten die eventuell Fische waren sah Baltos nichts mehr. Aber sie hatten jetzt auch nicht mehr die Zeit und Luft um nach diesen Ausschau zu halten. Baltos hielt sich am Rumpf des Schiffes fest und fixierte mit seinen freien Hand Kjartan, damit dieser einen Durchgang schaffen konnte. Mit kräftigen Schlägen schlug er auf das Holz und kurze Zeit später, hörte der Jäger das Dröhnen von Schlägen aus dem inneren des Schiffes.
Dann kurz bevor ihn abermals die Luft ausgegangen wäre, gelang der Durchbruch. Eine riesige Luftblase suchte sich einen Weg aus dem inneren des Schiffes nach draußen. Die beiden Mantroner warteten nicht lange und schwammen durch die Öffnung, begleitet von vielen kleinen Luftblässchen.

Helfende Hände griffen den beiden Tauchern auch gleich unter die Arme und zogen sie ins trockene. Baltos begann heftig zu keuchen, die Luft war hier dermaßen verbraucht das sie vielleicht noch eine halbe stunde reichen würde. Nachdem er sich beruhigt hatte, sah er aus den Augenwinkeln heraus, wie Kjartan von seinen Bruder in die Arme genommen wurde und ein Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Eisjägers.
Der Seemann übernahm auch gleich nach der Begrüßung seines Bruders das Kommando und Baltos ließ ihn gewähren. Schließlich war er hier die Landratte. Er selbst ließ sein Blick über die Mannschaft wandern, die sie mit Hoffnungsvollen Augen anblickten. Baltos sah einige die wahrscheinlich nicht mehr in der Lage waren zu schwimmen und es war schwer zu sagen ob sie Überleben würden, wenn man sie der Kälte des eisigen Wassers aussetzte. Aber gab es denn einen anderen Weg?

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Dienstag 5. Februar 2013, 22:00

Die Vorbereitungen waren noch im Gange, als der Schönling der Gruppe durch sein Nichtstun auffiel. Baltos hatte kein Problem mit Jesper. Sie waren einander vorher kaum begegnet und bevor noch einen der anderen Männer oder den beiden Frauen der Geduldsfaden riss, ging er auf ihn zu.
„Jesper wenn du eine bessere Idee hast dann nur raus damit?!“
Dieser schüttelte nur grummelnd den Kopf und murmelte etwas unverständliches beim Weggehen. Sein Gesichtsausdruck war dabei nicht wütend, sondern eher besorgt und was er da auch sagte oder dachte, es schien sich nicht auf Baltos zu beziehen, sondern mehr auf die Situation an sich.
Baltos kam noch der hilfreiche Gedanke sich und Kjartan vorher gründlich einzufetten und unversehens halfen ihnen vier zusätzliche Hände, was von teils lautem Gejohle, teils neidischen Blicken begleitet wurde.
Dann ging es in die eisigen Fluten und das Grauen der verlorenen Seelen empfing sie mit voller Härte. Friedhelm Gutmensch, einer der nettesten Mantroner und totes Opfer der Geschehnisse, winkte ihnen zu und beide erkannten den freundlichen Mann, der überall gern gesehen wurde. Dass eine so freundliche Seele wie Friedhelm solch ein Schicksal ereilen musste, war niemals gerecht. Beide wussten, dass er einen Sohn hinterließ, der zwar schon erwachsen war, aber noch als recht grün hinter den Ohren galt. Die Frau des Hauses Gutmensch war im Kindbett gestorben und so würde der Sohn nun ganz alleine sein. Doch das alles waren Gedanken, die die beiden nur ganz am Rande berührten. Es waren Bilder und Wissen, die in Bruchteilen von Sekunden in ihren Köpfen sich erinnerten und sofort wieder verblassten im Angesicht ihrer Aufgabe.
Während Kjartan zielstrebig voran kam, beobachtete Baltos die Umgebung genauer und ihm fielen immer mehr kleine Ungereimtheiten auf.
Wo waren die Fische? Wo waren die Aasfresser des Meeres die sofort kamen, wenn es irgendwo etwas zu fressen gab? Wo waren die Haie? Hier war Blut geflossen, als das Eis den einen Mann buchstäblich aufgespießt hatte. Ihre Umgebung hätte nur so wimmeln müssen vor Leben, doch die Tiefe wirkte wie ausgestorben.
Auf ihrem Tauchgang erreichten sie endlich die freie Stelle und durchbrachen den Rumpf. Der Zugang zur Drachenblut war geschaffen und Baltos und Kjartan gingen an Bord.
„Sigvard“
, empfing Kjartan seinen Bruder und wandte sich danach den anderen Männern zu.
„Das ist Baltos, Sohn des Drago Flinklanze, Eisjäger und Eisbestientöter“
, stellten er die Gefährten vor, wie es Sitte war.
„Mein Name ist Kjartan, Bruder des Sigvard, Sohn des Baldor Eisbrecher.“
Dem Krieger war bewusst, dass sie nun schnell handeln mussten.
„Seid ihr stark genug euch am Tau entlangzuhangeln?“
Man sah den Männern an, dass es einige vielleicht nicht ohne Hilfe schaffen würden, also entschied man jene zu erst an den dicken Tauen unter dem Eis ins Freie ziehen zu lassen. Sigvard stellte sich bei der Umsetzung dieses Grundgedanken als äußerst erfindungsreich heraus. Nach einer kurzen Absprache, wurde Malte und Knud von ihm signalisiert, mehr Tau zu lassen. Baltos und Kjartan zogen davon so viel es ging ins Innere des Schiffs und banden auf Anweisung des jungen Mannes Schlaufen hinein. Dann wurde ein so präpariertes Seil um den Mast gewickelt und mit dem anderen verbunden, so dass eine Dauerschleife entstehen konnte. Mit ein paar Handzeichen wurde diese einfache aber wirkungsvolle Knotenkonstruktion den Männern draußen begreiflich gemacht und bald konnten sich die Besatzungsmitglieder der Drachenblut in die Schlaufen hängen und sich von den Kräften der Anderen, in dem seltsamen Paternoster, hinaus ziehen lassen. Baltos und Kjartan halfen fleißig mit. Mit gleichmäßigen Zügen zogen sie am Tau und schnell tauchten die ersten Besatzungsmitglieder aus den Bärenlöchern außerhalb des eisigen Gefängnisses auf. Bald waren mit Kjartan Baltos und Sigvard nur noch sechs Männer an Bord der Drachenblut und die Luft wurde immer knapper. Langsam stellte sich bei einigen so etwas wie Panik ein, bei anderen überwog eine bleierne Müdigkeit die vom langsamen Ersticken her rührte. Sie mussten sich beeilen.

Außerhalb der Drachenblut sah Baltos Jasper gerade an Malte herantreten. Er sagte irgendwelche leisen Dinge zu dem Seemann und seine Miene verfinsterte sich zusehends. Plötzlich ließ er das Seil los und packte Jasper an den Schultern. Einer der Männer in der Nähe versuche sofort Maltes Platz einzunehmen, doch der Rhythmus des Unterwasser-Paternosters kam ins Stocken. Malte schüttelte den jungen schönen Mann und stieß ihn dann wütend von sich.
„Warum hast du das nicht gleich gesagt?“
, donnerte es unverständlich für die noch gefangenen über das Eis, doch manchmal sagte die Körpersprache mehr als tausend Worte.
„Hättet ihr mir den vorher geglaubt?“
„Ich schon!“

, brüllte Malte zurück und schon brach das Temperament des Schädelbrechers durch und seine Pranke landete in Jaspers Gesicht. Der junge Mann fiel gestraft nach hinten und Malte drehte sich schnaubend um. Er griff nach dem Seil und brüllte den anderen zu:
„Sie müssen raus aus dem Wasser! Sofort!“

Kjartan stand gerade nach vorne gebeugt über dem Loch im Rumpf als etwas hellblau, leuchtendes daran vorbei huschte. Er wusste mindestens zwei Männer mussten gerade unter dem Eis am Seil sein, aber von diesen konnte das Leuchten gewiss nicht kommen. Er wollte gerade den Mund öffnen, vielleicht etwas aus Überraschung oder zur Warnung sagen, da schoss eine Klaue aus dem Wasser und hielt sich am Rand des Lochs fest. Blaue Haut mit einer feinen, weißen Maserung, wie er sie von einigen Wasserschlangen kannte, die in ihrer Oberflächenstruktur der eines Hais ähnelte, mit langen Fingern und Krallen zwischen denen Schwimmhäute sich spannten, ein schlankes Handgelenk, flossenartige Fortsätze an den Unterarmen, die mit so etwas wie Gräten sich weit auffächerten, zogen einen schlanken Oberkörper und einen noch seltsameren Kopf in die Öffnung. Am Hals öffneten und schlossen sich Kiemen und der Kopf war sehr rund geformt. Dort wo Nase und Lippen bei einem Menschen sein müssen, befanden sich nur schmale Schlitze. Ohne aufzutauchen, schauten ihn zwei überdimensional große, leicht schräg stehende, dunkelgrüne Augen, wie aus einem Spiegel an. Dann tauchte auch die andere Hand auf, an deren Unterarm so etwas wie ein Muschelmesser gebunden war, etwas langes in der Hand hielt und die Aufmerksamkeit des Seemanns verlangte. Die Aufmerksamkeit hatte es auf jeden Fall und als es sich dann ein Stück vom Rumpf wieder in die Tiefe abstieß, erkannte Kjartan auch den langen Gegenstand in der Hand. Es war ein Dreizack. Das Wesen betrachtete das Schiff von unten und legte den Kopf erst fragend schief um ihn dann frustriert zu schütteln. Eine Berührung mit dem Dreizack genügte um das Geflecht der Magie zu deaktivieren.
Das Gesicht … der nackten Frau? Zumindest wölbten sich da sehr schwer zu erahnen zarte Rundungen an den entsprechenden Stellen … Es zuckte zusammen und seine Gesten veränderten sich. Es drehte sich immer wieder zu Kjartan und nun trat auch Baltos, durch das veränderte Verhalten von Kjartan neugierig geworden, an das Loch. Er sah das seltsame Wesen, das halb Mensch, halb Fisch war und sie auf etwas aufmerksam machen wollte. Es deutete mit dem Dreizack in eine Richtung, der nun an seiner Spitze magisch aufleuchtete … Er wies in die Tiefe!
Doch ihre Augen konnten in der absoluten Finsternis nichts erkennen, außer vielleicht ein winziges Glimmen? War da unten wieder dieser Fischschwarm der in Reihe schwamm? Das humanoide Wesen schien auch so etwas wie Laute von sich zu geben, doch klangen sie in ihren Ohren wie der Gesang von Delfinen oder Wahlen, durch das Wasser.
„Ihr müsst hier weg!“
Gerade kam es näher und formte mit der einen Hand ein bewegliches Maul, das zuschnappte. Dann machte es eine ausladende Bewegung wies es auf die Drachenblut im allgemeinen. Alles mutete wie eine unmissverständliche Warnung an, doch was sollten sie tun? Die Hand wedelte eindeutig, dass sie da raus kommen sollten, doch sie waren noch zu sechst und zwei von ihnen schon nicht mehr ganz bei Sinnen. Auch Baltos und Kjartan ging die Luft aus und ihr Blick wurde gelegentlich schon unscharf, was das seltsame Verhalten des Wesens und die Verzerrungen der Wasseroberfläche nicht besser machten. Ein Gefühl von Schwindel wurde immer stärker. Plötzlich zuckte das Wesen noch einmal zusammen und drehte sich schnell um. Kurz bevor es mit unglaublicher Schnelligkeit verschwand, sah es mit einem Gesicht zu ihnen auf, das man nur als panisch interpretieren konnte. Dann hörten sie es. Als erstes wölbte sich die Wasseroberfläche im Loch des Rumpf und trat sich, zu einer Pfütze ausbreitend, über die Kanten in das Schiff. Der Druck von unten stieg. Das Eis um sie herum begann zu knirschen und zu schreien. Die kleinen Leuchtpunkte wurden stetig größer und mit grausamer Klarheit erkannten Baltos und Kjartan viel zu spät den gewaltigen Körperumriss, der sich aus der Tiefe näherte. Es blieben nur Sekunden um sich irgendwo fest zu halten, oder noch warnende Worte zu rufen, dann brach die Hölle los!

Kjartan spürte wie er in die Luft gehoben wurde und zwischen Eis und Holz, zwischen brechenden Planken umher geschleudert wurde. Etwas traf seinen breiten Rücken und ließ die Luft entweichen. Der Stoß brachte ihn ins trudeln und er sah nur noch Holz- und Eissplitter neben sich im Hohen bogen durch die Luft fliegen. Dann näherte sich sein Körper dem höchsten Punkt seiner Flugbahn und für einen Moment fühlte er sich schwerelos. Die Welt drehte sich um ihn und er sah, gleich einem Trau, einen Gegenstand neben sich schweben. Das Kleinod seiner Schwester musste sich aus seiner Tasche befreit haben und drehte sich schnell rotierend um die eigene Achse. Dann setzte die Schwerkraft wieder ein und er stürzte der aufgebrochenen Eisfläche entgegen. Das Meer empfing ihn gnädig mit seiner weichen Oberfläche und er tauchte in die eisigen Fluten. Die Wasseroberfläche schimmerte verräterisch bläulich von unten, gleich einem Spiegel, der das Glühen wieder zurück warf, dass sich ganz nah bei ihm befand. Über ihm schwamm eine Harpune.

Baltos erging es kaum anders. Sein Körper würde in die Luft katapultiert. Wie von der Eisbestie geworfen flog er gegen die äußere Hülle ihres Gefängnisses. Er hatte näher zum Bug gestanden und sah gerade noch, dass der Drachenkopf, mitsamt dem Bug des Schiffes ihm folgte, wie das weit aufgerissene Maul mit den geschnitzten Zähnen links und rechst neben ihm das Eis durchbrach und ihn zusammen mit dem losgebrochenen Happen durch die Luft schleuderte. Die wilden Rotationen ließen oben und unten gleich sein und als er gemeinsam mit dem Brocken ins Meer stürzte, drohte es ihn mit sich in die Tiefe zu ziehen. Der Eisklumpen löste sich zwar schnell, doch Baltos war ein ganzes Stück unter Wasser gedrückt worden. Doch er hatte wenigstens noch einen Atemzug in seinen Lungen. Ein verlorenes beschlagenes Schild sank gerade an ihm vorbei und sein Blick folgte ihm ein Stück.

Dann sahen es beide!

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Das Monster aus den Märchen ihrer Kindheit war erwacht! Eine gewaltige Seeschlange schwebte zwischen den Trümmern der Drachenblut. An den Seiten des gewundenen Leibes leuchteten die Öffnungen der Kiemen, gleich einem in Reihe schwimmenden Fischschwarm. Sechs starke Flossen versprachen hohe Wendigkeit und der Umfang des Körpers maß den eines Schiffsrumpfes. Der Kopf und Nacken, mit dem das Untier das Schiff gerammt hatte, war mit Dornen bewehrt. Seine lange Zunge ragte aus einem mit doppelreihigen Reißzähnen gespickten Maul und umklammerte einen der Seemänner.
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Kjartan » Mittwoch 6. Februar 2013, 13:10

Kjartan hatte sich gerade über den Loch im Rumpf gebeugt, als er etwas leuchtendes, Hellblaues vorbeihuschen sah. Dass es sich nicht um einen der Seeleute handeln konnte, war ihm bewusst. Vielleicht also ein Fisch? Noch ehe er irgendetwas hätte sagen oder tun können, schoss eine Klaue aus dem Wasser um sich am Lochrand festzuhalten. Die Haut war blau und besaß eine ähnliche feine, weiße Maserung wie sie Haie besaßen. Was sich jedoch deutlich von Haien unterschied, waren die Finger und Krallen, die an dieser Klaue ihren Platz hatten. Zwischen den Fingern erkannte Kjartan Schwimmhäute. Das Handgelenk war schlanker als das der meisten mantronischen, jungen Mädchen. Immer mehr wurde von der Klaue sichtbar. An den Unterarmen besaß das Wesen flossenartige Fortsätze, die wohl unter Wasser sehr behilflich sein mussten.
Ein schlanker Oberkörper, ein mit Kiemen bestückter Hals und schließlich ein beinahe kugelrunder Kopf schälten sich aus dem Loch hervor. Wo ein Mensch Nase und Lippen besaß, waren hier nur schmale Schlitze geformt. Dunkelgrüne Augen musterten Kjartan eingehend, ehe die zweite Hand des Wesens aus dem Wasser ragte. An diese war eine Art Muschelmesser gebunden und die Hand selbst umschloss einen Dreizack. Das Wesen tauchte wieder hinab ins Wasser und berührte mit dem Dreizack das magische Netz, das sofort erlosch. Immer wieder zeigte das Wesen, bei dem es sich um einen weiblichen Vertreter seiner Rasse handeln mochte, mit seinem an der Spitze leuchtenden Dreizack in die Tiefe. Baltos war in der Zwischenzeit an Kjartans Seite getreten und gemeinsam starrten die beiden nach unten. Außer Dunkelheit konnte der Krieger nichts weiter erkennen, außer vielleicht einem kurzen, winzigen Glimmen, das nur für einen Sekundenbruchteil existiert zu haben schien.

„Es will uns etwas sagen“, erkannte Kjartan, als es die Laute des Wesens vernahm. Er hatte auf seinen Fahrten schon des Öfteren Wale miteinander kommunizieren gehört. Die Töne, die das Wasserwesen von sich gab, klangen ganz ähnlich. Auf eine mögliche Frage Baltos‘, was das Wesen den Seeleuten sagen wolle, könnte er nur mit dem Kopf nicken. Er hatte keine Ahnung, befürchtete aber, dass es Ärger bedeutete.
Wieder näherkommend, formte es mit einer Hand eine Art Maul, das zuschnappte und wies mit ihrer Geste ständig auf die Drachenblut. Fast erschien es Kjartan, als wolle das Wesen sie warnen. Das würde auch dazu passen, dass es die Seeleute nicht angegriffen hatte. Aber soweit Kjartan derzeit im Bilde war, dürfte das magische Netz durch dieses Wesen entstanden sein. Das musste doch eigentlich bedeuten, dass das Wesen ihr Feind war? Warum also sollte es nun doch auf ihrer Seite stehen?

Langsam wurde Kjartan schwindelig. Die Luft wurde immer knapper und es war alleine deshalb höchste Zeit, aus dem Schiff zu fliehen. Sei es aufgrund der vernebelten Sicht durch den Schwindel, durch das Wasser, oder aber durch irgendeine Einbildung: Kjartan deutete den letzten Blick des Wesens, ehe es blitzschnell davonschwamm, als ängstlich, ja geradezu panisch.
Und dann brach die Hölle über ihnen los.
Das Wasser drang von unten in das Loch ein, das Eis um sie herum begann zu schreien. Wieder sah der Krieger dieses leuchtende Glimmen. Dieses Mal jedoch verschwand es nicht einfach wieder, sondern wurde immer größer. Aus der Dunkelheit schälte sich … Dunkelheit. Es musste ein gigantischer Körper sein, der sich da mit einem unglaublichen Tempo auf sie zu bewegte und das Wasser übertreten ließ.
Bereits wenige Augenblicke später, Baltos hatte nur noch versucht die anderen durch ein gerufenes „Achtung!“ zu warnen, donnerte der Körper aus der Tiefe gegen den Schiffsrumpf.

Der Krieger verlor augenblicklich den Bodenkontakt und wurde hoch in die Luft geschleudert. Obwohl alles in nur wenigen Momenten passieren musste, war es Kjartan, als würde alles in Zeitlupe ablaufen. Holz von den geborstenen Planken und gebrochene Eisstücke flogen neben, über und unter ihm durch die Luft. Irgendetwas traf seinen Rücken mit solch enormer Kraft, dass es ihm die Luft aus den Lungen presste. Durch den Aufprall verlor der Seemann vollends die Orientierung und sah nur noch Holz, Eis, Meer und den Himmel in abwechselnder Reihenfolge.
Darauf folgte ein Gefühl, als würde er über schweben. Am höchsten Punkt seiner Flugbahn, schien er völlig ruhig in der Luft zu stehen. Es ging nicht nach oben und nicht nach unten. Die Zeit stand nun völlig still für ihn. Neben sich erkannte Kjartan das Geschenk seiner kleinen Schwester Liva. Dieser eigenartige Holzklumpen, der Weiß-Ventha-Was darstellen sollte. Irgendwie musste das Ding aus seiner Tasche geflogen sein und drehte sich nun mit großer Geschwindigkeit um die eigene Achse. Es war, als würde das schnell rotierende Kleinod Kjartan daran erinnern, dass eigentlich auch er längst wieder fallen müsste und so wurde ihm bewusst, wie es abwärts ging. Mit einer schnellen Bewegung versuchte er aber noch, Livas Geschenk zu packen und festzuhalten. Er hoffte, dass er das Holzstück erreichen konnte. Wenn er schon hier sein eisiges Grab finden sollte, dann sollte ihn wenigstens dieser letzte Glücksbringer begleiten.
Ohne zu merken, ob er das Kleinod erreicht hatte, fiel Kjartan der aufgebrochenen Eisdecke entgegen und wurde schließlich vom eiskalten Meer empfangen. Die Kälte umfing ihn gleich einem eisigen Kissen. Von unten betrachtet schimmerte die Wasseroberfläche in einem verräterischen Blau und er wusste, er SPÜRTE, dass sich unter ihm der Feind befand. Über ihm jedoch erkannte er eine Harpune. Er musste sie einfach erreichen. Sonst war er diesem Ungetüm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Mit der Erfahrung so vieler Kämpfe, wusste er, dass er nicht blindlings auftauchen durfte. Er musste sich darüber im Klaren sein, wo genau sich sein Feind befand. Und natürlich, worum es sich bei diesem Feind überhaupt handelte. Also versuchte sich Kjartan im Wasser zu drehen und blickte der Gefahr entgegen. Eine gewaltige, monströse Seeschlange schien zwischen den Trümmern der Drachenblut zu schweben. Der Leib gewunden und so groß wie eines der mantronischen Schiffe, an den Seiten Kiemenöffnungen, die hell leuchteten. Kjartan erkannte sechs Flossen, die das Wesen als unglaublich schnell und wendig auszeichneten. Am Kopf und am Nacken ragten scharfe Dornen und das Maul war mit zwei Reihen Reißzähnen bewährt.
Er hatte Legenden über diese Wesen gehört. Es war die Art von Geschichte, die Kjartan als Kind so ganz besonders liebte. Die Art Geschichte, in der sich die alten Mantroner gegen einen schier unüberwindbaren Gegner behaupteten. Dass er selbst je einem solchen Biest gegenüberstehen würde, hatte er allerdings nicht wirklich gedacht.
Luft. Er musste Luft holen, sonst würde er der Seeschlange schon in Bälde nicht mehr gegenüberstehen können. Kjartan richtete seinen Blick nach oben zur Harpune und versuchte, mit einigen starken Zügen dorthin zu gelangen und Luft zu holen. Wo sich Sigvard oder Baltos befanden, konnte er in diesem Augenblick nicht sagen. Und wenn er erst an der Wasserobfläche war, würde er sich auch einen schnellen Überblick über seine Waffenbrüder an Land verschaffen. Das herumschwebende Geschenk seiner Schwester ließ Kjartan darauf schließen, dass es auch an der Oberfläche einiges an Schaden gegeben hatte. Da fiel ihm wieder das Holzstück ein und öffnete noch kurz die Faust, um zu sehen, ob er es erreicht hatte.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Donnerstag 7. Februar 2013, 14:57

Diesmal überließ der Jäger das denken den Anderen. Er übernahm eine assistierende Funktion beim Plan von Kjartan und Sigvard. Mit der Seilkonstruktion kamen sie auch gut voran und konnte so den Großteil der Mannschaft wieder an die Oberfläche zurückbringen. Als sie nur noch zu sechst waren wurde der Sauerstoff bedrohlich knapp. Eine Frau namens Armanda Hackbeil fing stark zu Husten an und hatte danach Atemproblem. Jedes mal wenn sie einen Luftzug tätigte entrannt ihr ein pfeifendes Geräusch aus der Kehle. Auch Kjartan hatte mit einer Schwindelattacke zu kämpfen. Baltos sah ihn kurz schwanken und stützte ihn auch gleich mit seiner Hand, bis er sich wieder beruhigt hatte. Sie mussten schleunigst hier weg!
Baltos wollte schon zu Armanda gehen als er den dumpfen Lärm einer Unterhaltung außerhalb des Schiffes hörte. Verschwommen sah der Mantroner durch eine vereiste Öffnung des Schiffes.
Der Schädelbrecher hatte gerade mit Jesper wie es schien eine Auseinandersetzung und schickte diesen auch nach einen kurzen Wortwechsel mit einem Schlag ins Gesicht auf den Boden. Anscheinend musste Malte, eine wichtige Information vorenthalten worden sein und somit auch Baltos und Kjartan!
Es brach Hektik außerhalb des Schiffes aus. Der Jäger wollte gerade den Anderen bescheid geben, das sie sich schon mal bereit halten sollten, als ihn die veränderte Haltung von Kjartan auffiel.
„Hey! Alles in Ordnung?!!“ Wollte der Einäugige vom Seemann wissen, aber diese reagierte nicht und starrte wie gebannt auf das Loch, durch das sie gekommen waren. Auf der Stirn von Baltos bildeten sich Sorgenfalten und er ergriff sein Handbeil Fluchbrecher. Die Axt hatte er sich vor ihren Tauchgang mit dem Seil um den Bauch gewickelt. Man konnte ja nie wissen! Hatte er sich Gedacht. Währendesse ging er auf seinen Kameraden zu.

Als der Jäger ihn erreichte, reagierte Kjartan immer noch nicht und starrte weiterhin wie gebannt in die Öffnung. Jetzt wollte auch Baltos wissen was es da interessantes zu sehen gab. Er beugte sich nach vorne und blickte ein Frosch-Mensch-Fisch-Irgendwas an. Er hatte ja mit viel gerechnet, sogar mit der eventuell nackten Göttin Ventha, aber dieser Anblick ließ ihn mit offenem Mund dastehen. Erst begegnete er einer Eisbestie und besiegte sie im Kampf und jetzt stand er der Missgeburt einer Meerjungfrau gegenüber!
Der Jäger schüttelte seine Überraschtheit schnell ab als dieses Wesen versuchte mit ihnen zu kommunizieren. Sie fuchtelte mit ihren Dreizack herum und deutete immer auf den Grund des Eiskanals. Das es sich um ein Weibchen handelte konnte man kaum abstreiten. Dann gab sie laute von sich die Baltos nur von Walen und Delfinen kannte. Als Kjartan meinte das dieses Was-Auch-Immer, ihnen etwas sagen wollte, erwiderte Baltos darauf: „Das denke ich auch, aber du weißt bestimmt auch nicht was es uns sagen will, oder?“
Das Kjartan den Kopf schüttelte verwunderte der Einäugigen nicht, aber irgendetwas musste diesen Wesen angst machen. Der Neuzugang war aber mit seinen Kommunikationsversuchen noch lange nicht am Ende und machte eine schnappende Geste mit den Fischhänden und deutete dabei auf das Schiff. Das eine Auge von Baltos weitete sich vor entsetzten und als dieser Fischmensch mit einem panischen Blick das weite suchte, konnte Baltos nur noch einen Warnruf von sich geben.
„ACHTUNG!!!!!!!!!“ Er reif dies so laut das es wahrscheinlich auch die Männer außerhalb des Schiffes hören konnten, aber ob dies der Fall war bekam er nicht mehr mit. Denn kurz nach seiner Warnung bestätigte sich sein Verdacht, sie saßen in der Falle!!!

Baltos wurde von einer Kraft getroffen die sich kaum mit der der Eisbestie vergleichen ließ. Er flog im hohen Bogen gegen die Außenwand. Zum glück sorgte die Droge des Heilers für eine erhöhte Schmerzresistenz. Denn sonst hätte er wahrscheinlich das Bewusstsein verloren. Aber das hätte auch keinen Unterschied gemacht.
Es passiert soviel auf einmal das der junge Mann gar nicht mitbekam wie ihn geschah. Irgendwie realisierte er noch, dass er sich kurzzeitig an der frischen Luft befand.
Er nutzte diesen Moment und holte tief Luft, als er weiterhin sich überschlagend ins kalte Wasser abtauchte. Was mit ihn passiert war konnte sich Baltos nicht erklären. Aber als er weiter nach unten sank und mit ihm die Überbleibsel der Drachenblut den Grund immer näher kam, wusste er dass sein neuer Gegner nicht weit sein konnte!
Ein Mantronerschild überholte ihn gerade, als er die riesige Seeschlange entdeckte. Baltos spürte wie sich sein griff um seine Axt festigte und das Adrenalin in seinen Körper rauschte. Wie er es geschafft hatte die Waffe nicht zu verlieren, wusste der Mann nicht. Vielleicht war Fluchbrecher auch nicht ganz unschuldig daran, dass dieser weiterhin in der Hand seines neuen Besitzers ruhte. Schließlich hatte die Waffe sich Baltos ausgesucht und dieser schaffte es gerade innerhalb von zwei Tagen gegen mehrere Legendenwesen zu Kämpfen. Also wahrscheinlich genau nach den Geschmack dieser Kampferprobten Handaxt.

Die Schlange war Gewaltig und Baltos konnte noch nicht einmal sagen wie lang sie war. Denn ihr Schwanz reichte so wie es aussah bis zum Grund des Eiskanals.
Wo sich die Anderen befanden konnte der Jäger ebenfalls nicht erkennen. Er hatte bei der Schleuderaktion die Orientierung verloren und bei dem ganzen Geröll das sich gerade auf Tauchgang befand, war es noch schwere jemanden zu entdecken.

Baltos sah wie dieses Monster gerade dabei war einen Mantroner zu fressen. Wer es war, konnte der Jäger nicht sagen, aber es war ihn auch egal, er musste helfen, aber wie? Dann viel sein Blick wieder auf das Schild, was langsam den Grund entgegen sank. Mit schnellen kräftigen Körperbewegungen schwamm Baltos den Schild hinterher und erreichte dieses auch. Seine linke Hand ergriff das Schild und die Rechte hielt die Axt. Seine Beine bewegten sich unaufhörlich, damit er nicht weiter sank. Er wollte das Schild nicht um sich gegen die Seeschlange zu Schützen, sondern um sie auf sich aufmerksam zu machen. Vielleicht gelang es ihn so denn Mantroner aus den Fängen dieses Monstrums zu befreien. Er schlug unter größter Kraftanstrengung mit seiner Handaxt mehrmals gegen den Schild. Das dumpfe Geräusch was dabei entstand dröhnte in seinen Ohren und er hoffte die Schlange wurde dadurch auf ihn aufmerksam werden.
Denn jetzt musste er Verschwinden, die Luft wurde knapp und es war noch ein gutes Stück zu schwimmen, bis er wieder die Oberfläche erreichte. Er ließ das Schild los und ließ diesen in die Tiefe sinken, als er sich gerade ans auftauchen machen wollte, kam ihn ein Gedankenblitz. Die Schriftrolle die er gefunden hatte sprach von magischen Runen die den Träger im Kampf Unterstützten sollten. Einige davon konnte man auch direkt auf seinen Körper anwenden. Welche es genau waren wusste er nicht mehr und bei Geri wollte er das Risiko vor kurzen nicht eingehen, aber bei diesem Gegner hatte er wohl kaum eine Wahl. Er entsann sich noch an eine Rune namens Uruz.
Der Einäugige zögerte nicht lange und ritzte sich grob das Zeichen in den linken Unterarm. Dabei murmelte er Mental immer den Namen der Rune. Die Axt hatte keine Probleme Unterwasser durch Baltos’ Haut zu schneiden und so gesellte sich schnell neben sein Brandzeichen die Rune namens Uruz.
Noch spürte der Jäger keine Veränderung, aber er hatte auch keine Zeit mehr darauf zu warten, er musste nach oben. Seine Lunge schrie förmlich nach Sauerstoff und wenn die Geräusche die Seeschlange nicht auf ihn aufmerksam gemacht hatten, dann sicherlich der Geruch seines frischen Blutes. Was sich langsam mit den eisigen Meer vermischte.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Samstag 9. Februar 2013, 12:52

Kjartan hatte versucht das Kleinod seiner Schwester zu greifen, doch knapp verfehlt. Seine Hände waren leer und die Harpune schon zum Greifen nah. Die lange Walfängerwaffe trieb mit der gezackten Spitze nach unten abgesenkt zwischen den aufgebrochenen Eisschollen und Überresten der Drachenblut an der Wasseroberfläche. Ein ca. fünf oder sechs Mann langes Seil war am Schaft befestigt und trieb in den Wellen umher. Kjartan wusste, er musste sich orientieren und wissen von wo der Feind kam. Er schaute nach unten und konnte gerade noch erkennen, wie die Seeschlange einen der Seemänner verschlang. Die roten Schleier seines Blutes trübten das Wasser um ihren Kopf. Halb dahinter von dem massigen Leib verborgen, entdeckte er Baltos.

Baltos hatte das Schild ergriffen. Der Schaft von Fluchbrecher donnerte kräftig gegen das beschlagene Holz und das Geräusch dröhnte in seinen Ohren. Die Reaktion der Schlange war erstaunlich. Mit jedem Schlag, die auch Kjartan hören konnte, zuckte das Wesen und wand sich. Anscheinend mochte es diesen Lärm nicht sonderlich. Die Augen des Wesens zuckten und der Kopf schüttelte sich, drehte sich vom Lärm weg und versuchte dann dessen Ursprung zu orten. Die langgezogenen Schlitze auf seinem Nasenrücken vibrierten und die lange Zunge huschte kostend durch die Fluten. Offensichtlich konnte es nicht gut sehen. Ein anderer Gedanke, geboren aus Panik formte sich in Baltos Schädel. Er hatte die Runen gesehen und an eine erinnerte er sich dunkel. Die Form war einfach gewesen und auch wenn er nicht wusste, ob es helfen würde oder nicht, so führte er die scharfe Klinge Fluchbrechers an seine Haut. Im gleichen Moment, da er dies tat, erschien halb hinter ihm, für ihn unsichtbar die kleine Gestalt der Priesterin. Ihr halb durchsichtiger aeteraler Arm griff nach seiner Hand und führte seine Klinge in die rechten Bahnen. Sein roter Lebenssaft trat aus.

Baltos:
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Der Kopf der Bestie ruckte durchs Wasser und nahm die Witterung von Baltos auf. Doch jetzt wurde auch Baltos langsam die Luft knapp und er musste auftauchen. Er ließ das Schild los und schwamm mit kräftigen Stößen der Oberfläche entgegen. Der Jäger war zum Köder geworden und sein Opfer hing fest am Haken. Er hatte die volle Aufmerksamkeit des Schreckens der Tiefe erreicht!

Kjartan beobachtete Baltos, wie er zwischen all den langsam herab sinkenden Wrackteilen vor der Seeschlange verfolgt wurde und konnte sich die Schnelligkeit des Jägers kaum erklären. Vielleicht war er gerade ein eine Strömung geraten, denn seine Schwimmstöße trugen ihn rasant voran, fast so schnell wie die Schlange, die ihn verfolgte. Beide näherten sich seiner Position und vielleicht konnte sich Kjartan jetzt bei Baltos für dessen Rettung, vor dem magischen Eis, revanchieren. Am Kopf und Rücken waren die dicken Hornplatten und Dornen sicher undurchdringlich, aber vielleicht, wenn er eine der Kiemen treffen würde ... Vielleicht … Auch er hatte die Reaktion der des Schreckens beobachtet, als Baltos das Schild geschlagen hatte. Sie wussten nicht viel über ihren Gegner. Nur das Wenige, was sie beobachtet hatten, gab ihnen Hinweise.

Große dunkelgrüne, ängstliche Augen, die mühelos jeder Verzerrung des Meeres durchdrangen, beobachteten die Szenerie aus der tiefen Ferne unter allem. Warum die Menschen immer so komische Dinge taten, war ihr unerklärlich. Warum blieben sie nicht auf dem Trockenland, dort wo sie hin gehörten? Warum fuhren sie an der Oberfläche mit seltsamen Gebilden umher die wie Wale aussahen? Wussten sie denn nicht, dass Seeschlangen Wale jagten? Wussten sie nicht, dass sie keine Chance hatten? Andererseits kämpften sie tapfer um einander zu helfen. Sie hatten die Eingeschlossenen nicht alleine gelassen. Sie ließen Ihresgleichen also doch nicht immer im Stich, so wie es aus den Geschichten kannte.
Vollkommen unbewegt ließ sie ihren Körper in der Strömung treiben, verhielt sich ruhig.
Ich habe sie gewarnt. Mehr konnte ich doch nicht tun! Mehr muss ich doch nicht tun? Sie sind nicht wie wir. Sie sind Fremde und wir reden nicht mit Fremden. Sie gehören nicht hier her. Sie … werden schon überleben …
Langsam, von diesem neuen Gefühl getrieben, schwamm sie etwas näher, immer auf die Strömung achtend, damit die Seeschlange sie nicht witterte. Der schlanke, kalte Körper glitt mühelos durch das Wasser. Arme und Beine waren für diese Bewegungen geboren und die flossenartigen Fortsätze an den Extremitäten gaben Richtung und Schnelligkeit an. Die langen, feinen Tentakeln die sich von ihrer Stirnspitze wie bei einem Kamm bis zu ihrem Hinterkopf zogen, schwebten dabei hinter ihr her, wie Haare im Wind. Außer ihrem Muschelmesser und dem magischen Dreizack trug sie nichts bei sich, was die Bewegungen einschränken würde. Das Gesicht des Mannes im Loch des dicken Ding hatte sie angesehen. Er hatte keine Angst gezeigt und sie auch nicht sofort angegriffen, so wie ihr die Anderen immer erzählt hatten. Waren die Menschen vielleicht gar nicht die Monster, für die sie sie immer gehalten hatte? Doch waren sie es wehrt, dass man sich für sie ebenfalls in Gefahr begab? Die Anderen der Jagdgruppe hatten ihr dickes Ding mit ihrem Netz geschützt und zum Dank hatten sie es versucht zu zerstören. Sie hatten sich selbst gefangen und sie hatte schon genug geholfen, in dem sie es wieder aufgelöst hatte.
Sie sind wieder frei. Jetzt liegt es an ihnen! Ich … ich werd nur …
Aus sicherer Entfernung beobachteten die großen, neugierigen Augen den entbrannten Kampf.
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Kjartan » Dienstag 12. Februar 2013, 11:10

Kjartan fluchte in sich hinein, als er bemerkte, dass er wohl danebengegriffen hatte. Das Geschenk seiner Schwester war weg. Für immer verloren. Nicht, dass es besonders hübsch gewesen wäre. Nicht, dass es bei ihm längst vergessene Erinnerungen wieder ans Tageslicht geholt hätte. Schließlich hatte er es erst gerade von Liva bekommen. Es war auch nicht so, als hätte er gedacht, das Holzstück würde ihm irgendwie helfen können. Und dennoch wurmte es ihn. Er hatte es sich so toll ausgemalt, als strahlender Held mit seinen Waffenbrüdern heimzukehren und dann Liva das Holzstück zu zeigen, das er ständig bei sich getragen hatte.

Der Seemann griff nach der Harpune, wurde aber durch dumpf klingende Geräusche aus dem Wasser abgelenkt. Gleich gehörte diesen Geräuschen seine volle Aufmerksamkeit und er konzentrierte sich darauf, irgendetwas zu erkennen. Es war Baltos, der mit seiner Axt immer wieder gegen einen Schild schlug. Die Schläge schienen die Schlange völlig aus dem Konzept zu bringen. Das wäre eine Möglichkeit. Wenn sich vielleicht einige der Mantroner im Wasser verteilen würden und allesamt mit ihren Äxten und Hämmern gegen ihre Schilde schlugen, könnten sie das Wesen möglicherweise so orientierungslos machen, dass es einigen anderen gelingen könnte, ganz nah an die Kiemen heranzukommen. Der Kopf, Nacken und Rücken der Schlange war so mit Stacheln übersät, hier gäbe es für ihre Waffen wohl kein Durchkommen. Die Kiemen aber waren relativ wenig geschützt. Hier mussten die Mantroner ansetzen! Allerdings mussten sie sich dafür erst organisieren.

Kjartan beobachtete, wie beide, sowohl Baltos als auch die Seeschlange Fahrt aufnahmen. Dem Jäger ginge bestimmt bald die Luft aus. Er musste zurück an die Wasseroberfläche. Das Tier hatte Baltos aber irgendwie lokalisiert. Womöglich blutete er, Kjartan konnte dies nicht erkennen. Was ihn aber stutzig machte, war die unglaubliche Geschwindigkeit, mit der der Jäger durch das Wasser schwamm. Er musste genau in eine Strömung geraten sein, ansonsten hätte ihn die Seeschlange längst eingeholt. Beide waren nun auf dem Weg in Richtung Oberfläche. In seine Richtung.

Der Seemann stand vor einem Dilemma und er musste rasch handeln. Er konnte sich nicht sicher sein, ob es Baltos gelingen würde das Tier abzuschütteln. Nach allem was er auf der Flucht des Jägers gesehen hatte, wäre es nicht unmöglich. Andererseits würde Baltos früher oder später die Kraft ausgehen und spätestens an der Oberfläche würde das Tier den Jäger einholen.
Auf der anderen Seite musste er den anderen Mantronern von seiner Entdeckung berichten. Dies war für Kjartan zu diesem Augenblick die einzige Möglichkeit, die er sich vorstellen konnte, um die Schlange zu besiegen.

Kjartan packte die Harpune und wickelte sich das Seil einfach um den Unterarm. Schließlich tauchte unter. Er musste die Schlange weg von Baltos locken. Der Jäger war ein gewiefter Mann mit unglaublicher Auffassungsgabe. Der Eisbestientöter hatte vermutlich einen ähnlichen Gedanken und würde wissen, was zu tun wäre. Jetzt stand aber zuerst sein Leben auf dem Spiel. Der Krieger tauchte Baltos und dessen Verfolger entgegen.

Er würde Baltos vorbeischwimmen lassen und dann versuchen, die Kiemen des Tieres mit der Harpune zu treffen. Dazu müsste er aber nahe an die Seeschlange heran. Auf weniger als 5 Schritt, um genau zu sein. Kjartans Plan war es, mit der Harpune die Seeschlange zu treffen und sich dann am Seil hin zum Tier zu bewegen. Dem Feind ganz nah zu sein war oftmals besser, als zu weit entfernt zu sein, das wusste der Mantroner. Vielleicht konnte er dann mit seinem Meißel das Tier noch ein wenig weiter kitzeln, bis Baltos mit Verstärkung eintraf. Einzig auf den Sauerstoff durfte er nicht vergessen, das war Kjartan bewusst. Wenn er sich erst im Kampfrausch befand, vergaß er gerne alles andere. Bei diesem Gegner, unter Wasser, durfte das nicht passieren. Er musste ruhig und konzentriert bleiben. Und durfte auch nicht zu lange unter Wasser bleiben.

Der Seemann tauchte weiter Baltos und der Seeschlange entgegen. Er musste den beiden den Weg abschneiden, um in eine gute Schussposition zu kommen. Mit hohem Tempo kamen die beiden Kjartan entgegen. Bald wäre es so weit. Bald hätten sie ihn erreicht. Das Zeitfenster für einen guten Schuss wäre nur ein kleines. Bei der Geschwindigkeit der Seeschlange müsste er bereits etwas im Vorhinein schießen, damit er dann auch tatsächlich eine der Kiemen traf. Kjartan richtete die Harpune aus.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Dienstag 12. Februar 2013, 14:37

Es wurmte Baltos beim auftauchen das er dem Opfer der Seeschlange nicht helfen konnte. Wieder einmal hatte er versagt und ein Leben war durch seine Finger geglitten. Der Jäger dachte nicht daran dass er mit Kjartan zuvor den Großteil der Mannschaft gerettet hatte. Für ihn zählte nur diese eine Person, die so grausam im Schlund der Seeschlange sterben musste. Sein verbliebenes Auge sprühte förmlich vor Zorn und Baltos wollte dieses Monster genauso Tot sehen wie die Eisbestie, aber zuerst musste er auftauchen!

Seine Muskulatur spannte sich an und die ersten Adern traten hervor. Jeder seine Bewegung strotzte nur so vor Kraft und er flog förmlich durch die Wassermaßen. Was er dabei für eine Geschwindigkeit an den Tag legte war ihn nicht klar. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte er wie die Seeschlange sich auf die Verfolgung machte. Ihr tödliches Maul war weit geöffnet und bereit zum zuschnappen. Noch hatte der Mantroner einen gewissen Vorsprung, aber er durfte die Zunge nicht vergessen. Diese hatte eine Länge die auch bei solch einen großen Wesen unüblich war. Baltos verglich sie innerlich mit einem Tentakel von einem Oktopus. Hätte er nicht das Sauerstoffproblem gehabt, hätte er sich von diesen Greifwerkzeug packen lassen. Denn mit seiner Handaxt hätte er die Seeschlange schneller in die Gruppe Zungenlose Seemonster gehackt, als sie ihn fressen hätte können.
Aber er war nun mal kein Fisch-Mensch, so wie dieses Wesen was sie am Bord der Drachenblut entdeckt hatten.

Während er zwischen den Trümmerteilen des stolzen Schiffes hindurch schoss, fragte er sich kurzzeitig wo diese Kreatur abgeblieben war. Doch als Baltos hörte wie die eben gerade passierten Schiffsteile zerbarsten, wurde ihn bewusst wie nah die Seeschlange schon war, die Gedanken an die Begegnung der dritten Art waren schnell verblasst. Näher durfte die Schlange nicht mehr kommen, denn sonst war er in Zungennähe. Der Jägersohn legte noch einmal eine Schippe drauf und beschleunigte, jetzt bemerkte er auch Kjartan, wie dieser ihn entgegen kam. In seinen Händen hielt er eine Harpune und war zum Schuss bereit. Der erfahrene Jäger brauchte nicht lange um eins und eins zusammen zu zählen. Der Einäugige schwamm mit Absicht direkt den Seemann entgegen, so dass er sich in der Schussbahn befand. Denn so verdeckte er seinen Kameraden vor dem Schrecken der Tiefe und somit hätte Kjartan das Überraschungsmoment auf seiner Seite.

Wie Baltos wusste, konzentrierten sich Raubtiere bei der Jagd nur auf ihre Beute und blendeten dabei alles andere aus. Es war der animalischer Trieb zu fressen der sie antrieb und diesen galt es auszunutzen. Baltos spielte seine Rolle als Köder gut. Durch die leicht blutende Verletzung am Unterarm war die Bestie Geruch mäßig auf ihn geprägt. Somit sollte Kjartan, mit Venthas beistand, bevor das Wesen überhaupt wusste was los war, einen guten Treffer landen können.

Die Augen der Männer trafen sich kurz und jeder wusste was zu tun war. Baltos verringert sein Tempo leicht, damit das Seemonster noch mehr Jagdtrieb aufbaute und definitiv nur noch auf den Jägersohn fixiert war.
Als er spürte wie die Zunge kurz davor war seinen einen Fuß zu berühren, beschleunigte er wieder.
Baltos dachte sich schon das der Seemann auf die Kiemen schießen wollte, also schwamm er so, das er ein Stück entfernt Kjartan passieren würde.
Der Jäger war froh das er Seite an Seite mit jemanden kämpfte der sich mit Harpunen auskannte. Als Mann zur See kannte man sich einfach mit dieser Waffenart aus.
Kjartan wartete auch nicht zu lange und betätigte den Abzug, kurz bevor Baltos an ihn vorbei schwamm. Beide blickten sich noch einmal kurz an und wünschten sich gegenseitig Mental Glück. Bevor sie sich wieder auf ihre jeweiligen Aufgaben konzentrierten.

Ob Kjartan getroffen hatte wusste Baltos nicht, er hoffte es einfach nur. Für ihn, die Männer über dem Eis und natürlich für sich selbst.
Die letzten Meter zur Oberfläche lagen vor ihn. Er merkte wie sein Körper kurz vor dem verkrampfen war. Sein Mund war kurz davor sich zu öffnen um vergebens nach Luft zu schnappen. Nur durch seine geistige Stärke konnte er diesen Trieb noch unterdrücken.

Baltos steuerte auf ein Eisloch zu und bat Ventha das er es noch schaffte den Männern an der Oberfläche entgegen zu Brüllen, das sie ihre Hörner einsetzen sollten, um mit den Lärm das empfindliche Gehör der Schlange anzugreifen. Falls es die Eisschicht durchstoßen sollte!

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Dienstag 12. Februar 2013, 20:49

Kjartans Herz raste! Der Anblick der Seeschlange, wie sie Baltos folgend auf ihn zu jagte, ließ ihn schärfer und klarer denken, als jemals zuvor. Er wusste einfach, dass jetzt der kleinste Fehler sein Leben und das vieler Mantroner kosten konnte. Er hatte die Harpune ergriffen und sich das Seil um den Unterarm gebunden. Um die Männer an der Oberfläche zu warnen, war keine Zeit. Der kurze Blick aus dem Wasser hatte außerdem nur Trümmer und Packeis gezeigt. Jeder der sich in der Nähe der Drachenblut aufgehalten hatte, musste noch zwischen den Trümmern treiben. Um ihn herum trieben nur geborstene Balken und Bruchstücke des Drachenschiffs. Er sah aus dem Augenwinkel eine Gestalt sich auf ein großes Stück Treibgut ziehen. Sie ähnelte Imke der Kleidung nach, doch irgendetwas stimmte mit ihrem Bein nicht. Dann holte er noch einmal tief Luft und tauchte dem nahendem Schrecken der Tiefe entgegen. Er wusste, jeder hier würde sterben, wenn sie nicht schnell handelten und er hatte einen Plan!
Mit kraftvollen Stößen arbeitete er sich der Tiefe entgegen aus der Baltos ihm entgegen blickte. Ein stilles Einverständnis lag in den Augen beider Krieger. Sie wussten, was zu tun war und würden alles dafür geben!

Baltos sah über sich das Trümmerfeld, dort wo einst die Drachenblut im Eis gefangen gewesen war. Das Monster, was ihm folgte musste das stabile Drachenschiff mit einem einzelnen Angriff seiner Nackendornen in tausend Stücke zerschmettert haben. Von den Eisbärenlöchern war weit und breit nichts mehr zu erkennen, aber es gab genügend neue Spalten, die er ansteuern konnte. Er sah Kjartan über sich und nahm Kurs auf eine Spalte dicht hinter ihm. Alles um ihn herum spielte sich so rasend schnell ab, dass kaum Zeit zum Denken blieb, aber genau das mussten sie! Er musste darauf vertrauen, das die kleinen Augen der Seeschlange Kjartan nicht gewahr werden würden und das Monster sich auf seinen Blutgeruch versteift hatte. Sein Kurs führte ihn nah an dem Seemann vorbei. Mit kraftvollen Stößen arbeitete er sich der Höhe entgegen aus der Kjartan ihm entgegen blickte. Ein stilles Einverständnis lag in den Augen beider Krieger. Sie wussten, was zu tun war und würden alles dafür geben!

Gewaltige messerscharfe Zahnreihen sogen den blutigen Duft gierig ein. Gleich einem flehmenden Raubtier verfolgte der Schrecken der Tiefe sein Opfer. Das letzte Opfer hatte es im ganzen verschluckt und kurz darauf das Nächste gewittert. Der falsche Wal hatte schnell aufgegeben und seine zappelnden Fleischstücken schmeckten fader als gewöhnlich. Doch die Seeschlange war gewiss nicht wählerisch. Der Hunger hatte sie aus der Tiefe hinauf gelockt, dorthin wo ihre Beute hin musste um Luft zu holen. Der Blutgeruch im Wasser war köstlich und trieb sie auf die Fährte des Jägers. Dieser seltsame kleine Fisch war flinker als die andren, aber nicht flink genug!

In der Gier der Jagd vertieft, folgte die Seeschlange der Fährte mit fast geschlossenen Augen und geöffnetem Rachen. Sie kam ihrem Köder immer näher und näher. Das Licht über ihr blendete sie etwas, aber bei dieser köstlichen Spur, war die Verfolgung leicht. Die Zunge, dick wie ein Mann, leckte nach Baltos Beinen und er zog das Tempo noch einmal an. Fast hätte er sich verschätzt gehabt, wenn das Bersten der umher schwimmenden Wrackteile ihm nicht die tödliche Nähe seines Verfolgers angezeigt hätte. Dann war der Moment gekommen, da Baltos Kjartans Höhe passierte und seine Lungen nach Sauerstoff zu schreien begannen. Mit reinem Willen zwang er sich nicht sofort aufzutauchen, sondern in einem kleinen Schlenker an dem Seemann vorbei zu schwimmen. Kjartan sank an der Bestie vorbei und spürte deutlich den Druck des Wassers auf seinen Körper. Die Verdrängung war enorm, doch er war geschult genug um die Verwirbelungen im Wasser für seinen Wurf mitzuberechnen.
Jetzt!
Mit ganzer Kraft schleuderte er die Harpune dem langen Leib entgegen. Wie in Zeitlupe rasten die einzelnen Schlitze der Kiemen an ihm vorbei. Fast sah es so aus, als würde die scharfe Spitze ihr Ziel verfehlen und von der harten Haut einfach abprallen, doch dann zog im letzten Moment die Strömung des Tiers die Spitze hoch und ließ sie tief in eine der Kiemen eindringen. Blut trat sofort aus und ein kräftiger Ruck ging durch den Leib der Schlange. Doch nicht nur durch ihren. Kjartan, der das Seil an seinen Arm gebunden hatte wurde unsanft vom Fleck weg gerissen und hinter der plötzlich abgelenkten Seeschlange mitgerissen.

Baltos tauchte auf. Leben spendender Sauerstoff drang in seine Lungen. Mit dem ersten Ausatmen brüllte er den Männern, noch bevor er jemanden gesehen hatte, an der Oberfläche entgegen, dass sie ihre Hörner einsetzen sollten, um mit den Lärm das empfindliche Gehör der Schlange anzugreifen. Hoffentlich hatte ihn jemand gehört.
Er atmete so schnell er konnte ein um sich sofort zu orientieren. Er war der Köder und sein Jäger war ihm dicht auf den Fersen gewesen. Er bereitete sich schon innerlich auf den Schlag, das Eindringen der Zähne in sein Fleisch vor, doch nichts geschah. Die Sekunde verstrich, in der der Angriff hätte folgen müssen. Noch einen Atemzug später wusste er, dass Kjartan Erfolg gehabt haben musste. Sofort tauchte er seinen Kopf wieder unter und etwas verspätet traf die Welle des abdrehenden Körpers an seiner Position ein. Baltos wurde etwas in die Höhe gehoben, aber sonst geschah nichts. Die Strömung drückte die Schollen und Bruchstücke der Drachenblut nur weiter auseinander, so dass er gut sehen konnte. Das Licht des Tages drang in die Tiefe und malte ein scheußliches Bild. Das Untier drehte sich gerade um seine eigene Achse und versuchte so die Harpune in seiner Seite abzuschütteln. Kjartan hatte die Seeschlange erfolgreich verletzt.

Seeschlange:
Bild

Das Schreckliche war nur der Körper, der scheinbar willenlos an ihm hing und mit ihm langsam immer tiefer sank. Kjartan musste mit aller Kraft gegen die wilde Strömung kämpfen, die ihn unablässig gegen den harten Leib des Schreckens presste. Er war dort wo er hin gewollt hatte, doch ob das so eine gute Idee war? Für Baltos sah es von oben sicher nicht so aus, denn so tief wie sie jetzt schon waren, würde die Luft des Seemanns niemals ausreichen, selbst wenn er sich jetzt noch schnell los schneiden konnte. In einer wilden Spirale tanzte der Schrecken der Tiefe um seine eigene Achse und riss Kjartan mit sich in die Dunkelheit. Baltos hob noch einmal seinen Kopf um Luft zu holen und sah dabei zwei Männer, wie sie Seile in die Fluten warfen um die Überlebenden aus dem Wasser zu ziehen. Sie waren in Rufreichweite und einer hob gerade sein Horn an die Lippen. Der langgezogene Ton hallte über die weiße Weite Eislandschaft. Als er wieder hinunter sah, war Kjartan mit dem Schrecken der Tiefe verschwunden.

Kjartan kämpfte um sein Leben. Lange würde er diesen Kampf nicht mehr bestreiten können und nur sein Wille ließ noch das Blut in seinen Adern kochen. Sein Plan war gewesen, mit dem Meißel die Seeschlange noch weiter zu attackieren und das tat er auch. Irgendwo fern in seinem Herzen, dachte er vielleicht dabei an seine Geschwister und das er ihre Gesichter vielleicht nie wieder sehen würde. Doch wenn er nicht erreichte, dass dieses Monster ihren Kanal verließ, war ganz Mantron in Gefahr. Jeder Mann, jeder Frau, jeder der helfen konnte, hatte sich aufgemacht um der Drachenblut zu Hilfe zu eilen und wenn sie dieses Monster nicht vertrieben, würden sie alle zu Opfern werden. War sein Leben da nicht ein kleiner Preis?
Mit aller Kraft rammte er den Meißel zwischen zwei Dornen und die Schlange änderte schlagartig ihre Richtung. Der Ruck zerrte an seinem Körper und riss an seinem Arm, als er von der plötzlichen Richtungsänderung vom Körper der Seeschlange fortgestoßen wurde. Das Seil riss. Kjartan trieb nur knapp 6 Meter entfernt von einem Monster, dass ihn mühelos verschlingen konnte. Seine kleinen Augen fanden ihr Ziel und für einen Moment setzte Kjartans Herzschlag aus. War das das Ende?

Seeschlange:
Bild

Doch dann hörte er ein verzerrtes Geräusch durch die Fluten hallen. Die Hörner Mantrons wurden geblasen. Der Schrecken der Tiefe wand sich verletzt zuckend, verlor den Seemann aus den Augen und mit einem kräftigen Schlag des langen Leibs jagte es der Tiefe entgegen. Kjartan wurde noch ein ganzes Stück mit in die Dunkelheit gerissen, dann wurde es still um seinen Geist. Blaue Tiefe empfing ihn in seinen friedvollen Armen.

Was ist das?
Schlanke Fingerspitzen griffen nach dem kleinen Ding, das da zu ihr hinab sank.
Es sieht aus, wie das Bild, was mit Großmutter gezeigt hat. Seltsam …
Die junge Aquadin verstand nicht, warum ein Ding von Menschenhand gefertigt, so aussehen konnte wie das Bildnis ihrer Ahnengeschichte. Sehr einfach dargestellt, aber doch irgendwie deutlich eine Nixe. Sehr rund und dadurch furchtbar entstellt, aber die Formen trafen zu. Hatten die Menschen vielleicht doch nicht vergessen, dass sie nicht die Herrscher der Meere waren auf denen sie umher schwammen in ihren komischen dicken Dingern? Geistesabwesend drehte sie es zwischen den Fingerkrallen und sah noch einmal hinauf zu den Trümmern. Die Menschen hatten wie erwartet verloren und bald würde der Grund des Meeres um einige künstliche Riffe reicher werden auf denen sie Muscheln sammeln konnte. Doch plötzlich änderte die Seeschlange ihre Richtung. Was war passiert? Dumpf drangen tiefe Laute an ihre Ohren, die das Wasser zu ihr trug.
Oh! Das war schlau!
Dachte sie und nahm einen Ausweichkurs gegen die Strömung um der fliehenden Seeschlange nicht zu begegnen.
Die kommt nicht wieder.
Neugierig strebte sie wieder der Oberfläche entgegen. Den herabsinkenden Wrackteilen flink ausweichend schwamm sie immer näher. Ein paar Menschen trieben leblos der Tiefe entgegen, manche strampelten an der Oberfläche. Vorsichtig näherte sie sich einem der reglosen. Noch nie hatte sie einen Menschen aus der Nähe betrachten dürfen. Die wenigen Male, zu denen sie ihre Lungen überhaupt einmal zum Luft atmen benutzt hatte, war dies auch immer unter Aufsicht geschehen und niemals war sie dabei einem Menschen begegnet. Wie alle Aquaden konnte sie durchaus das Meer verlassen, aber wozu?
Die Oberwelt hatte nichts was sie begehrte. Einzig die Faszination des Fremdartigen trieb sie näher an den Mann heran, der mit weit geöffneten Augen da im Wasser trieb.
Das ist doch der aus dem Loch im dicken Ding!?!
Langsam ließ sie sich näher treiben und nahm das stumpfe Ende ihres Dreizacks um ihn mal anzustupsen.

Kjartans Welt versank in blauer Dunkelheit, doch war sie nicht vollkommen, wie er es erwartet hatte. Drei winzige leuchtende Punkte näherten sich in der Strömung tanzend und dahinter tauchte schemenhaft eine Gestalt auf. Etwas stieß leicht in seinen Brustkorb und der letzte Atemzug wollte ihn verlassen. Aus einem Reflex heraus griffen seine Hände nach dem Stab und hielten ihn fest.
„Wahhh, er lebt!“
Der Gesang der Wale war wieder da, auch wenn er unter Wasser deutlich anders klang und der runde Kopf vor ihm erinnerte ihn an etwas, doch das Brennen seines Körpers, der Schmerz in seinen Lungen ließen ihn nicht klar denken. Er konnte nicht mehr anders! Er öffnete den Mund und kalter nasser Tod wollte in seine Lungen eindringen. Die großen dunklen Augen vor ihm weiteten sich, kamen schnell näher und etwas drückte sich auf seine Lippen.

Luft.

Menschen sind so dumm! Sie können nicht Wasser atmen, aber versuchen es immer wieder! Dumm, dumm!

Etwas hielt seinen Kopf fest und füllte seine Lungen mit Luft. Kjartan begann langsam wieder erste Empfindungen wahrzunehmen, neben dem Schmerz, und fühlte etwas vor sich. Etwas trug ihn langsam aus der Dunkelheit der Oberfläche entgegen, spendete ihm Atem. Hände hielten seine Schläfen und ab und zu stieß etwas leicht gegen seine Beine. Gerade als seine Augen wieder begannen etwas zu erkennen, löste sich das Wasserwesen von ihm. Über ihm erkannte er die rettende Oberfläche und unter ihm die Aquadin, die sie gewarnt hatte. Ihr Körper schimmerte eher wie ein Geist, als ein lebendiges Wesen, sanft im wenigen Licht, was durch die aufgebrochene Eisdecke drang. Er musste auftauchen! Sein ganzer Körper war gebeutelt und schmerzte vor Erschöpfung, doch er zwang sich die Muskeln zu bewegen.

Zu langsam. So schafft der das nie!

Das Wesen neben ihm sah ihn enttäuscht an und huschte hinter seinen Rücken. Plötzlich ging es rasant der Oberfläche entgegen und bevor Kjartan noch irgendetwas tun konnte, durchbrach er die Wellen und rang nach Luft. Sprudelnde Luftblasen und ein dunkler Leib mit feinen weißen Streifen hielten ihn kurz noch fest. Hände schoben ihn an ein Wrackteil und ließen ihn dann los.

Halt dich fest! Was mach ich hier? Oh! …

Die riesigen großen Augen erfassten mindestens fünf erstaunte Gesichter, die gerade dabei waren ihre Kumpanen aus den Fluten zu ziehen. Eines der Gesichter, das eines Mannes der noch im Wasser trieb, hatte sie auch schon zuvor in dem Loch des dicken Dings gesehen. Sie nickte ihm zu und sah wieder zu Kjartan, ob er genug Kraft auf brachte oder gleich wieder unter ging.

Baltos hatte Kjartan in der Tiefe untergehen sehen. Er hatte ihm so lange wie möglich nachgesehen, doch nirgends ein Zeichen von ihm finden können. Wieder hatte er ein Leben nicht retten können! Doch um ihn herum gab es andere die nach Hilfe riefen. Imke hatte eine tiefe Verletzung am Bein und wurde gerade von Olof und Eirik aus dem Wasser gezogen. Baltos wand seinen Kopf umher und sah einen Körper in seiner Nähe bäuchlings im Wasser treiben. Es war Ulf. Sein Vater hatte ihn noch nicht entdeckt. In der Hoffnung das er noch lebte, schwamm Baltos schnell zu ihm, dreht ihn um und wusste sofort, dass der Schrecken der Tiefe noch viele Opfer gefordert hatte. Ulf fehlte fast das halbe Gesicht, doch war noch nicht blass. Baltos handelte instinktiv und presste seinen Brustkorb zusammen. Plötzlich ging ein Zucken durch seinen Körper und er begann Wasser zu spucken. Baltos half ihm, hielt ihn an der Oberfläche und nun sahen auch die Helfer sie zwischen den Schollen trieben. Sofort wurden ihnen Seile zu geworfen. Baltos hatte gerade Ulf ein Ende um den Leib gebunden und sie waren dabei ihm aus dem Wasser zu ziehen, als ganz in ihrer Nähe plötzlich Luftblasen aus der Tiefe aufstiegen. Irgendetwas näherte sich erneut von unten!
Hatte die Seeschlange es sich anders überlegt und kam zurück um ihr Mahl zu beenden? Der junge Jäger tauchte seinen Kopf erneut in das eisige Wasser, das seine Glieder langsam in seine Erstarrung zwingen wollte. Da sah er ihn. Kjartan schwamm rasend schnell, mit seltsam langgezogenen Bewegungen, der Oberfläche entgegen. Erst kurz danach erkannte Baltos die Gestalt in seinem Rücken, die ihn antrieb.

Durch das lange Bad im Wasser des Eiskanals erhält:
Kjartan:
Bild
und
Baltos:
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Bei entsprechender Behandlung hält diese Beeinträchtigung aber nicht lange vor.

(ooc: Ich entschuldige mich für die teilweise Übernahme eurer Handlungen. In Echtzeit waren es zum Teil nur Sekunden und manchmal gibt es Situationen, die man sonst nicht zusammen fassen könnte. Ich hoffe, ich habe in eurem Sinne gehandelt und freue mich auf eure Reaktionen.)
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Kjartan » Mittwoch 13. Februar 2013, 11:18

Die Dunkelheit empfing ihn. Und es endete, wie es enden musste. Auch wenn er gehofft hatte, dass die Seeschlange nahe der Wasseroberfläche bleiben würde, so war ihm doch auch bewusst gewesen, dass dies eher unwahrscheinlich war. So wie verletzte Wale abtauchten und erst nach einiger Zeit wieder an die Wasseroberfläche kamen. Aber welche Wahl hätte er gehabt? Die Schlange hätte Baltos ebenso gefressen wie die meisten anderen Mantroner. Und hätte Kjartan sie nur mit der Harpune verletzt und wäre im offenen Wasser weiter getrieben, hätte ihn das Wesen gleich verschlungen oder einfach mit dem massiven Körper erschlagen. Es war seine einzige Chance gewesen. Und was war schon sein Leben für das der vielen Tapferen, die er damit rettete? Ein wahrlich geringer Preis, den Mantron für seine Sicherheit zu zahlen hatte.

Doch war es wirklich vorüber? Kjartan hatte alles getan, was in seiner Macht stand. Aber war das wirklich genug? Er hatte die Seeschlange verletzt, und das ganz ordentlich. Würde es aber seinen Verletzungen erliegen? Der Seemann bezweifelte es. Er hätte noch vier, vielleicht fünf Schläge mit dem Meißel gebraucht, dann hätte er das Wesen wohl ernsthaft in Bedrängnis bringen können. Wäre das Seil nicht gerissen, er hätte es geschafft. Er hätte es geschafft. Zumindest dahingehend war sein Plan aufgegangen, als dass er die Seeschlange tatsächlich aus der Nähe malträtieren hatte können. Und wäre das Seil nicht gerissen, er hätte es geschafft. Aber das Seil WAR gerissen und plötzlich taumelte er hilflos im Wasser, dem deutlich überlegenen Tier ausgeliefert. Eigentlich hätte sein Leben bereits hier zu Ende sein müssen. Er hatte keinerlei Chance gegen dieses Monster gehabt. Baltos aber hatte offenbar alles richtig gemacht. Die Hörner Mantrons waren erschallt und das dumpfe Dröhnen war selbst in dieser Tiefe zu hören.

Die Seeschlange wand sich verletzt zuckend und jagte mit einem kräftigen Schlag des langen Körpers der Tiefe entgegen. Der Sog war unglaublich gewesen und Kjartan wurde ein ganzes Stück mit in die Dunkelheit gerissen. Dem Krieger war bewusst, dass es für ihn keine Rettung mehr gab. Er hatte keinerlei Kraft mehr in seinen Gliedern und in seinen Lungen brannte ein unbeschreibliches Feuer. Die Dunkelheit empfing ihn. Alles was blieb, war Leere. Das Nichts. Tiefblaues Nichts…



… aus dem sich drei winzige, leuchtende Punkte herausschälten. Tanzend kamen sie näher und allmählich war eine schemenhafte Gestalt zu erkennen. Ob es Ventha selbst war, die den Mantroner in ihrem ewigen Reich begrüßte? Leicht stieß etwas gegen seinen Brustkorb, nur ein ganz lockeres Drücken. Ohne es irgendwie zu wollen, zu steuern oder gar bewusst fuhren seine Hände zu dem Stab, der die drei tanzenden Punkte beherbergte. Ventha sang für ihn. Auch wenn er nichts davon verstand, so hörte es sich doch auf irgendeine Weise schön an.
Es war Zeit zu gehen. Die Schmerzen waren unerträglich geworden und die Wilde, die Göttin der Meere, war an seiner Seite. Unterbewusst öffnete er den Mund, vielleicht auch in der Hoffnung, die Göttin hätte ihm Kiemen geschenkt. Der eiskalte, nasse Tod wollte in seine Lungen eindringen, da drückte sich etwas auf seine Lippen.
Etwas jagte seine Luftröhre hinab, doch war es kein Wasser… sondern Luft. Allmählich füllten sich seine Lungen mit Luft. Sauerstoff. Und auch wenn der Schmerz nur sehr langsam nachließ, so begann er auch andere Dinge wieder wahrzunehmen. Jemand hielt ihn an den Schläfen und blies ihm Atemluft in den Mund. Wie ein ewig dauernder Kuss kam es ihm beinahe vor. Nur dass er keine Liebe, sondern Leben spendete. Hin und wieder stieß irgendetwas gegen seine Beine. Nur ganz leicht. Und dennoch sah er nichts als dunkle Umrisse.

Ein Schatte schälte sich aus seinem Blickfeld und er sah hell den Himmel über der Wasseroberfläche. Kjartan blickte nach unten und starrte in einen runden Kopf. Es war nicht Ventha, die er gesehen hatte. Es war dieses Wasserwesen, das ihn bereits im Schiffsrumpf angestarrt hatte. Das Wesen, das sie versucht hatte zu warnen. Dieser Wassermensch schimmerte wie ein Geist, unwirklich und wie von einer anderen Welt. Und doch musste sie real sein. Er konnte nicht träumen oder fantasieren, dazu waren seine Schmerzen zu groß. Natürlich wäre es auch möglich, dass er tot war und dies irgendeine Wahnvorstellung war, von einem grausamen Allvater oder Gott in sein Gehirn gepflanzt. Daran mochte Kjartan aber nicht denken.

Mit großen, dankbaren Augen blickte der Seemann die Aquadin an und versuchte seine Muskeln zu bewegen um an die Oberfläche zu schwimmen. In die Helligkeit hinein. Aber war zu schwach und kam nur langsam vorwärts.
Das Wasserwesen huschte mit unglaublicher Behändigkeit hinter seinen Rücken und plötzlich rasten sie beide der Oberfläche entgegen. Der Seemann durchschlug sogleich die Wasseroberfläche und öffnete den Mund. Er rang nach Luft und seine Lungen schienen Freudensprünge zu machen, ob der frischen, kalten Luft, die er einatmete. Der Krieger schnaufte als hätte er gerade eine mehrstündige Schlacht hinter sich gebracht, als die klare Luft seinen Körper wieder mit Leben füllte. Die Aquadin schob ihn auf eines der unzähligen Wrackteile und ließ ihn dann los. Sie sah den Seemann fragend an und Kjartan streckte ihr langsam die Hand entgegen. Zum einen war er erschöpft, zum anderen wollte er das Wesen auch nicht verschrecken. Er wollte sich einfach bei seiner Retterin bedanken.

Was geschehen war, würde er nie vergessen. Und langsam, begann er das Ausmaß des Handelns zu begreifen. Das Wasserwesen hatte nicht versucht die Drachenblut zu fangen, sie hatte das Schiff und die Besatzung vor einem Angriff durch die Seeschlange zu schützen versucht. Und sie hatte versucht, Baltos und Kjartan vor der Seeschlange zu warnen. Und sie hatte letzten Endes Kjartan vor dem Etrinkungstod gerettet und ihn an die Wasseroberfläche zurückgeführt. Es war nicht das magische Netz, gegen das die Mantroner kämpfen mussten, es waren nicht Gestalten unter dem Wasser, gegen das sie kämpfen mussten. Die Seeschlange war ihr Feind. Die Seeschlange, die nach wie vor irgendwo in der Tiefe lauerte und ihre Wunden leckte.


Er musste den Mantronern von den Geschehnissen unter Wasser erzählen und von den Erkenntnissen, die er erlangt hatte. Und wo war Sigvard?

„Danke“, versuchte Kjartan mit schwacher Stimme auf Celcianisch zu sagen, in der Hoffnung, das Wesen würde ihn verstehen. Mehr als ein Bewegen der Lippen konnte er aber nicht zustandebringen. Ihm war kalt. Die lange Zeit unter Wasser hatte ihn vollends ausgekühlt. Der Seemann fühlte sich zu schwach, um sich umzusehen, hörte aber einiges Treiben seiner Waffenbrüder um ihn herum. Er hörte Stimmen und Rufe, konnte sie aber nicht richtig zuordnen und wusste auch nicht, ob nicht vielleicht schon von jemandem entdeckt worden war. Die eine Hand in Richtung der Aquadin gestreckt und den Blick starr auf sie gerichtet, versuchte er den zweiten Arm in die Höhe zu heben. Einer der Tapferen würde ihn sehen und an Land ziehen. Das wusste Kjartan. Und wenn er erst wieder vollends hergestellt und aufgewärmt war, würde er sein Werk vollenden und die Seeschlange töten. Auch das wusste Kjartan.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Freitag 15. Februar 2013, 12:22

Wie etwas so selbstverständliches wie Atmen, so erlösend sein konnte! Der lang ersehnte Sauerstoff durchströmte die Malträtierte Lunge des Mantroners, aber viel Zeit um dieses befreiende Gefühl zu genießen hatte er nicht. Baltos der seine Handaxt in eine nahe Eisscholle gerammt hatte, um sich weiter an der Oberfläche halten zu können, brüllte seinen Kameraden entgegen:
„GEBT DAS SIGNAL!!!“
Drei einfache Worte, die wahrscheinlich das Leben viele gerettet hatten. Denn sofort durchfluteten kräftige Lungenstöße die Signalhörner der Mantroner. Es war eine mächtige Geräuschkulisse, die schlagartig entstand. Der Ruf der Hörner wurde über den Eiskanal gefegt und erreichte sehr Wahrscheinlich auch die Stadt Mantron.
Noch während das langgezogene „AWUUUH…“ ertönte, tauchte Baltos seinen Kopf unter Wasser. Er wollte seinen Tod in die Augen schauen, doch dieser Tod namens Seeschlange setzte gerade zu mehreren Drehungen an und zog einen Körper mit sich in die Tiefen hinab.
Baltos wusste das Kjartan nie wieder auftauchen würde. Er war schon zu lange im Wasser und mittlerweile zu tief, als das er jemals wieder in der Lage sein würde die Oberfläche lebenden zu erreichen.
Wieder einmal hatte der Jäger versagt und als wäre es ein Zeichen, wurde er von einer Welle getroffen die ihn wieder nach oben trieb.

Hätte er sich nicht an Fluchbrecher festgehalten, währe er wahrscheinlich gegen eine andere Scholle, mit den Rücken voran, getrieben worden. Da seine Haut durch das kalte Wasser weich geworden war, hätte es zu bösen Verletzungen kommen können. Aber dafür sorgte Baltos schon selbst!
Vor lauter Frust schlug er mit der freien Hand gegen die Scholle in der seine Handaxt steckte. Die Haut um seine Knöchel platzte gleich auf und verfärbte die Einschlagstelle. Ein rötlicher Faustabdruck entstand und der Einäugige war außer sich etwas zu sagen. All dieses Leid um ihn herum war kaum auszuhalten, Verletzte wurde aus den Wasser gezogen, Leichen die im Eis gefangen waren trieben wieder an der Oberfläche und zwischen alledem befand sich der fast unversehrte Baltos.
Er ließ seinen Blick schweifen und erkannte wie Olof und Erik eine Verwundete aus dem Wasser bargen. Da wurde dem jungen Mann klar dass es nichts brachte den Toten hinterher zu trauen. Die Lebenden brauchten seine Hilfe! Sein suchendes Auge entdeckte auch sofort den Leib von Ulf, wie er mit dem Gesicht im Wasser, auf der Oberfläche trieb.

Der Mantroner schwamm direkt in die Richtung von Olofs Sohn, vielleicht konnte er wenigstens ihn retten. Schnell hatte er ihn erreicht und hob sein Gesicht wieder an die Luft. Der Jägersohn erschrak beim Anblick des Mannes, ein Großteil seines Gesichtes war förmlich weggefetzt.
Als er den kurzen Schock überwunden hatte drehte Baltos den jungen Mann so, dass der Hinterkopf an seiner Schulter lehnte. Die Hände des Jägers legten sich fest um den Brustkorb von Ulf, während seine Beine unermüdlich strampelten, um die Beiden an der Oberfläche zu halten.
Baltos drückte den Oberkörper des Mannes schlagartig zusammen und diese Aktion sollte auch von Erflog gekrönt sein. Augenblicklich spuckte der ertrunken geglaubte das Wasser aus seinen Körper.
Durch die heftige Bewegung von Olofs Sohn, hatte Baltos ganz schön zu tun sie beide über Wasser zuhalten, aber es gelang ihn irgendwie. Zum glück wurden der Vater des Entstellten auf sie aufmerksam und kam schnell mit Erik zur Hilfe.
Die Beiden warfen Baltos und Ulf Seile entgegen. Der Jäger griff sich auch gleich solch ein Seil und wickelte es fest um den Körper von Ulf. Dieser stand verständlicherweise ziemlich neben sich und bekam gar nicht mit wie er von seinen Vater aus dem kühlen Nass gezogen wurde. Der Eisbestientöter wollte gerade das Seil von Erik nehmen, um sich ins trockene zu ziehen, als ihn einfiel das er noch Fluchbrecher aus dem Eis holen musste.
Er spannte noch einmal seine Muskeln an und schwamm die paar Meter zu seiner Handaxt.

Baltos spürte wie die Kälte seine Glieder lähmte, er musste jetzt aus dem Wasser, sonst würde er durch die Unterkühlung sicherlich sterben. Als er auf einmal nicht weit von ihn entfernt mehrer Luftblasen aufsteigen sah. Sofort war die Angst vor einer Unterkühlung wie weggeblasen. Baltos rechnete schon mit dem schlimmsten und der Griff um seine Waffe verhärtete sich. Auch wenn sein Körper sich weigerte, er tauchte noch einmal ab, um sich den zu stellen was auch immer da kommen mag!

Unterwasser erblickte er dann etwas womit er niemals gerechnet hatte. Kjartan schoss wie ein Blitz durch die Wassermassen und wurde dabei von irgendetwas geschoben. Baltos hatte schon so einen verdacht und als er Zeitgleich mit dem Seemann auftauchte, sah er das Fischdingens. Dieses Wesen nickte auch Baltos zum Gruß zu und der junge Mann erwiderte die Geste sofort. Schließe war es kein Feind sondern eher ein Verbündeter.
Erik der mit offenen Mund die Retterin von Kjartan Anblickte, vergaß völlig weswegen er hier war. Der Jäger konnte das gut nachvollziehen, auch er war verwundert gewesen, als er diese Art, zum ersten Mal, in der Drachenblut gesehen hatte.
Er blickte noch einmal zu Kjartan, den es wohl den Umständen entsprechend gut ging und dankte Ventha das sie diesen Mann gerettet hatte. Es war wirklich ein Wunder, aber Baltos musste jetzt aus dem Wasser, er blickte noch einmal kurz zu den Beiden und schwamm dann zum Seil.
Der Jäger band sich dieses um den linken Unterarm und betrachtete die beiden Runen die sich dort befanden.
Er musste unbedingt herausfinden wie man diese Symbole richtig benutzte. Durch das plötzliche Aufstöhnen von Ulf als er von seinen Vater ans Land gezogen wurde, kam Baltos auch wieder in Bewegung.
Er schwamm zur Scholle von Erik und den anderen, hackte seine Axt ins Eis und zog sich mit großer mühe und durch die Hilfe von den anderen Mantroner aus dem Wasser.

Erst jetzt bemerkte er die Kraftlosigkeit sowie die Müdigkeit die sich auf ihn legten. Kaum als das erste Fell um seinen Körper gelegte wurde, brach der junge Mann zusammen. Der Mantroner war einfach am Ende!
Der Schlafentzug, die körperliche Anstrengung, die mangelhafte Energie zufuhr und die nachlassende Wirkung der Droge des Heilers ließen Baltos ins Land der Schwärze driften. Er sah nur noch wie Kjartan die Hand den Fischwesen entgegenstreckte und fiel dann wie ein Stein um.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. Februar 2013, 19:38

„Danke“
, versuchte Kjartan mit schwacher Stimme auf Celcianisch zu sagen, in der Hoffnung, das Wesen würde ihn verstehen. Große dunkelgrüne Augen blinzelten ihn fragend an, als er seine Hand ihr entgegen streckte. Die Aquadin musste überlegen. Der Mund öffnete sich und sie wiederholte stockend:
„Da … ke?“
Sie schien die Bedeutung für sich noch übersetzten zu müssen, betrachtete dabei ihre eigenen Hand und brauchte ein paar lange Sekunden in den Kjartan von hinten gegriffen und aufs Eis gehievt wurde. Sie verfolgte das Treiben mit großen Augen, genauso neugierig wie auch die Anderen sie betrachteten. Das Atmen an der Oberfläche schien ihr jedoch nicht wirklich zu gefallen, denn so tauchte sie wieder unter um „Luft“ zu holen. Kurz bevor Kjartan in ein dickes Fell gewickelt wurde, tauchte sie noch mal auf, stemmte sich mit den dünnen Armen auf den Rand der Eisplatte und rief ihm nach:
„Bitter!“
Na ja, fast richtig …, aber es war ein Anfang. Dann ließ sie sich zurück in die eisigen Fluten gleiten, die ihr Zuhause waren.

Baltos hatte die weibliche, Stimme ebenfalls gehört, kurz bevor die Erschöpfung ihn in Dunkelheit hüllte. Die Tonhöhe schien innerhalb von jeder Silbe zwei mal zu wechseln, als sprach sie nicht, sondern sag das Wort. Mit diesem seltsamen Klang in den Ohren glitt er in eine leichte Ohnmacht.

Kjartan fühlte die Erschöpfung noch mehr als der Jäger und das schnelle Auftauchen hatte einen unangenehmen, zum Glück nur leichten Druck auf seinen Lungen hinterlassen. Bevor er ebenfalls in Ohnmacht fiel, hatte auch leider nirgends seinen Bruder gesehen. Die Schwärze kam trotzdem mit ungnädiger Härte.


Kurze Fetzen Wahrnehmung glitten an Baltos und Kjartan vorbei wie ein Traum. Bilder von Armen, die sie trugen, Fell, dass sich an ihrem Gesichtsfeld vorbei bewegte, eisige Landschaften, Geräusche der Wölfe und das leise Rauschen der Kufen, wenn die Schlitten durch den Schnee pflügten. Irgendjemand hielt sie immer so weit bei Bewusstsein, dass ihr Herzschlag nicht aussetzte, sie nicht zu tief hinüber glitten und den ewigen Schlaf erreichten. Manchmal bedeutete das auch Schmerz, manchmal einen kurzen Schlag auf das Brustbein oder ein gemeines Kneifen auf der Innenseite ihrer Oberarme. Doch irgendwann wurde es endlich warm und still um sie und die Welt der Träume empfing sie gnädig.

(An dieser Stelle, würde ich euch gerne bitten jeder einen kleinen Traum zu schreiben. Er kann wirr oder realistisch sein, von dem Erlebten handeln, oder Ängste einer ungewissen Zukunft wieder spiegeln. Lasst euch was einfallen *zwinker*. Wenn ihr am Ende erwacht, finden sich beide Helden im großen Langhaus von Thure Sturmrufer wieder und in eurer Nähe, sich um euch kümmernd, befindet sich Elin Meersegen (Venthapriesterin -Thures Frau – guter Hoffnung). Weitere Verletzte (Kjartans Bruder Sigvard, Imke Sternenblick, Ulf, Finn Eisläufer) liegen unter Fellen in direkter Nähe am Boden und Ragan Lebensretter wuselt auch umher. Weiteres folgt dann nach euch. - Postreihenfolge überlas ich bewusst euch. Wer zu erst erwacht, erwacht zu erst. *grins*)

weiter bei: Bei Thure Sturmrufer
Zuletzt geändert von Erzähler am Samstag 16. Februar 2013, 12:00, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Montag 15. Juli 2013, 20:26

Dem warmen Norden entgegen

Baltos kommt von: Baltos` Elternhaus

Warum war dieser Tag des Abschieds nicht trübe? Warum zogen nicht graue Wolken über einen vom Regen verhangenen Himmel. Wäre dies nicht viel passender gewesen?
Kaum hatte Baltos Mantron und somit seine Heimatstadt verlassen, riss der Himmel auf und präsentierte sich in dem klarsten blau, das der Jäger seit langem gesehen hatte. Nur wenige kleine Quellwolken malten phantasievolle Gebilde an den Himmel und der böige Wind ließ sie zu eiligen Wegbegleitern werden. Ihre Schatten rasten über den Schnee nach Nordosten um sich mutig der Wärme entgegen zu stellen. Milde -18 Grad machten das Reisewetter perfekt und das kleine Gespann nahm schnell Fahrt auf. Nanuq hatte Baltos nur gefragt:
„Zum schlafenden Waldwal?“
, und sich dann in einen ausdauernden Galopp in Richtung Nordosten versetzt. Der Eisbär mochte anscheinend nur zwei Geschwindigkeiten. Entweder er rannte, wenn das Gelände es zuließ, oder er ging gemütlich. Einen sehr schnellen Sprint konnte er auch noch beim Jagen einlegen, doch im Moment gab es keinen Grund dazu. Er war für ein paar Tage gut gesättigt. Trab war Baltos nicht sehr angenehm, da sich dabei kaum auf dem Rücken des Bären halten konnte ohne Sattel. Im Trab zog er es lieber vor hinten auf den Kufen des Schlittens zu stehen und nicht auf seinem Freund zu reiten, sofern er nicht als Eunuch enden wollte. Das Tragen von Baltos zusätzlichen Gewichts machte Nanuq anscheinend überhaupt nichts aus. Auch das Gewicht des Schlittens störte ihn nicht, sofern die Riemen nicht an seiner Kehle zerrten. Während der kurzen Pausen modifizierte Baltos immer wieder das Geschirr des Bären, bis es am Abend endlich passen würde und Nanuq nichts mehr störte. Schließlich hatten sie eine lange Reise vor sich und aufgescheuerte Wunden zu versorgen sollten nicht so schnell Bestandteil ihres Abenteuers werden.
Als sie schon ein paar Stunden unterwegs waren, sahen sie in weiter Entfernung ein paar kleine dunkle Punkte in Richtung Süden über das Eis jagen. Vermutlich ein Trupp Mantroner mit ihren Schlitten, vielleicht sogar Thure Sturmrufer, der seine Männer nach Hause führte.
Der Jäger hatte jede menge Zeit über sein Schicksal nachzugrübeln und wie Ventha seine Welt verändert hatte. War es nur ein Zufall, dass gerade jetzt wo Baltos nach Norden aufbrach, dass der Eiskanal zugefroren war? Das er mit Nanuq sicheren Fußes ihn überqueren konnte und sie kein Schiff benötigten? Ventha war bei ihnen, ihr Segen, ihr Wind, ihre Launen.
Ja, Launen, denn plötzlich brach direkt vor Nanuqs breiten Pranken das Eis und ein riesiger Spalt fraß sich kreischend durch die Landschaft. Augenblicklich quollen scharfe Dornen aus dem Spalt hervor und versiegelten ihn von neuem. Nanuq hatte so scharf gebremst, dass Baltos ihm nun mit dem Oberkörper auf dem Kopf lag. Wie eine Wand erhob sich das magische Eis und formte ihren Weg neu. Es ließ sie weiter nach Norden abdrehen, bis sie wieder ihren ursprünglichen Kurs aufgenommen hatten und sich nun noch mehr nach Osten wandten. Die Magie, die das Meervolk gewoben hatte, war noch sehr aktiv und erinnerte Baltos an die vergangene Schlacht mit dem Schrecken der Tiefe. Ob die Aquaden schon einen Weg gefunden hatten, diesem Schrecken Herr zu werden? Sicher nicht, sonst würden sie sicher nicht noch immer ihr Netz mit Magie speisen.
Seine Welt, die er nun hinter sich zu lassen suchte, war im Eis gefangen und auch wenn Mantrons Bürger durch diese „kleine“ Bewegungseinschränkung ihrer Schiffe etwas in Mitleidenschaft geriet, so würden sie es sicher überleben, wie sie schon so vieles überlebt hatten. Baltos machte sich da sicher keine Sorgen. Für ihn persönlich bedeutete die Unannehmlichkeit des gefrorenen Eiskanals einen angenehmen Fußweg, der zwar länger als gewöhnlich dauerte, jedoch trocken war.
Am Abend, als Himmel und Eis die gleiche Farbe annahmen und der Horizont beide miteinander verband, erreichte Baltos das Festland. Nicht das sich etwas am Untergrund zu seinen Füßen geändert hatte, es war vor allem das Fehlen von etwas, das ihm die ganze Zeit über etwas unruhig hatte sein lassen. Es fehlte das leise Knirschen, das die bewegte See unter dem Eis verursachte. Es fehlte der Klang der schwarzen, endlosen Tiefe unter ihm. Nach seinem Verständnis befand er sich auf gerader Linie zwischen Mantron und Estria, der Stadt der Eiselfen. Kaum hatten sie den gefrorenen Strand erreicht, setzte sich Nanuq demonstrativ hin und begann mit seinen Krallen eine Mulde durch das Eis zu graben. Schnell war die oberste Schicht aufgebrochen und toter Sand, der schon lange nicht mehr mit Luft in Berührung gekommen war, kam zum Vorschein. Das Loch entstand schnell und würde ihnen beiden diese Nacht guten Schutz vor dem Wind bieten, wenn gleich der abgestandene Geruch von toten Algen ihm noch lange in der Nase hängen würde. Nanuq rollte sich fast augenblicklich zusammen und ließ seinem Freund einen kleinen Spalt an seinem Bauch um sich dort zu wärmen, wenn dieser kein Zelt aufbauen wollte. Baltos Blick fiel noch einmal träge auf den Rucksack, den seine Mutter ihm gepackt hatte, doch die Müdigkeit siegte über die Neugierde.

Baltos öffnete sein Auge. Er richtete sich in seinem Bett auf und fuhr sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Dabei rieb er sich kurz die Augen und lies seine Hände in Form eines Spitzdaches an der Nase verharren. Er legte seine Hände auf die Oberschenkel und drückte sein Kreuz durch, wie er es jeden Morgen tat. Dabei ließ er noch seinen Kopf kreisen. Sofort entstand ein lautes Knacken, was aber das einzige Geräusch weit und breit war. Etwas verwundert, als würde er etwas anderes erwartet haben, sah er hinter sich und konnte nur die sanften Hügel und Täler, die sich wie Wellen durch das weiße Bärenfell zogen, erblicken. Sein Blick entrückte und das Weiß zog sich in die Ferne wie ein Flug über endlose Weiten. Eine lange Reise lag vor ihm.

Baltos öffnete sein Auge und saß weißes Fell vor seinem Gesicht. Nanuq brummte leise schnarchend. Es war noch dunkel, aber ein zarter violetter Streifen am Horizont kündigte den nächsten Tag an. Baltos drückte die schwere Pranke seines Freundes beiseite und kämpfe sich frei. Er klopfte sich ein bisschen frischen Schnee ab, der vom Wind auf seine Schultern geweht worden war und stand sich streckend auf. Auch heute lag wieder ein langer Ritt vor ihnen. Mit geschultem Blick vergewisserte er sich, dass alles ruhig war und sich niemand an seinen Sachen des nachts zu schaffen gemacht hatte. Dabei fiel sein Blick wieder auf den Rucksack. Lächelnd öffnete er ihn und fand ein paar nützliche Gegenstände. Eine viertel Lieter Blase mit Waltran-Öl, was gut brannte und auch Leder geschmeidig halten konnte, wenn es einmal nass geworden war. Ein sehr kleiner Beutel Salz, einen Hornkamm und einen kleinen Tiegel mit eingekochten Brenneseln, die der Heiler ihm immer gerne auf seine Wunden geschmiert hatte. Aber das interessanteste war wohl das Nähzeug, dass seine Mutter ihm eingepackt hatte. Drei scharfe Knochennadeln und drei Rollen Lederband, a zwei Meter Zwirn, zum reparieren seiner Rüstung, wenn nötig. Anscheinend glaubte sie nach den neusten nächtlichen Aktivitäten ihres Sohnes, dass er Freude daran hätte. Auch Marukas Stoffbär war geflickt und eingeschlagen in einem kleinen extra Lederbeutel. Er hatte jetzt zwei unterschiedliche Augen. Eines war aus Knochen, das andere aus Fischgräte. Lena musste die ganze Nacht hindurch abgeschuftet haben. Ebenfalls hatte sie ihm eine ihrer kupfernen Schalen und einen Holzlöffel eingepackt. In der Schale konnte man auch kochen, wenn man sie in der Glut günstig platzierte.
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Donnerstag 25. Juli 2013, 16:02

Abschied nehmen fällt immer schwer und dieser Moment tat Baltos in der Seele weh. Er liebte seine Mutter und sie so betrübt zu sehen schmerzte ihn. Als sie ihre letzten Worte sagte, nickte Baltos bloß und versuchte dabei zu lächeln. Der Kloß in seiner Kehle war so groß das er nicht noch ein Wort des Abschiedes sagen konnte. Er winkte ihr noch einmal kurz und verschwand dann, im Schlitten der von Nanuq gezogen wurden, aus Mantron. Die Suche hatte jetzt angefangen.



Baltos dachte während der gemeinsamen Reise mit Nanuq an nichts. Er genoss nur das herrliche Wetter, das sich abzeichnete und dankte Ventha dafür. Durch diesen Segen kamen die Beiden gut voran. Ab und an bremste Baltos den Bären, damit dieser sich erholen konnte und damit er das Geschirr weiter auf die Bedürfnisse seines neuen Freundes anpassen konnte.
Während sie so etappenweise durch das Eisreich reisten auf der Suche nach dem „Waldwal“, wie ihn Nanuq nannte, war es schon verwunderlich das sie noch in keine gefährliche Situation verwickelt worden waren. Denn in diesen Regionen konnte ständig etwas passieren. Wie heißt es so schön, wenn man von Faldor spricht!
Gerade als sich Baltos beglückwünschen wollte das bis jetzt alles reibungslos verlief brach die Hölle los. Direkt vor ihnen zerbrach das Eis und formte mehre Eisdornen. Der Mantroner der gerade auf den Rücken des Bären saß wurde durch das plötzlich bremsen fast abgeworfen. In letzter Sekunde konnte er sich noch gerade so am Kopf von Nanuq festhalten. Ein erster Blick machte den Beiden sofort klar das sie jetzt eine andere Route einschlagen mussten.
Der Schreck saß Baltos noch in den Knochen, deswegen stieg der Eisjäger erst mal von seinem Reittier ab und betrachtete den Dorn, damit das Adrenalin in seinen Körper wieder zur Ruhe kam.
Es gab keinen Zweifel das hier ebenfalls die Magie der Aquaden wucherte, wie bei dem Schiff das der Mantroner vor kurzen mit den anderen aufgesucht hatte.
Während er diese magische Barriere betrachtete, wünschte er seinen Landsleuten viel Glück bei ihrer Mission.
Nanuq gab Baltos zu verstehen, dass ihre Reise weitergehen konnte. Der Jägersohn nickte und nahm diesmal wieder Platz im Schlitten.
Die nächste Etappe ihrer Reise war wieder ruhiger und die Beiden erreichten ohne Probleme das Festland, was sich auf der anderen Seite des Eiskanales befand.
Nanuq machte sich gleich daran eine Mulde für die Beiden zu graben, nachdem Baltos ihn das Geschirr abgenommen hatte.
Der Jäger betrachtete währenddessen so gut es ging die Umgebung und schätzte die Wetterverhältnisse ein. Nach dem Wind und den Wolken am Himmel zu urteilen sollte kein Sturm aufziehen und so beschloss der Jäger nicht sein Zelt aufzubauen, sondern sich einfach zu den Bären zu legen, der schon Platz genommen hatte.
Es dauerte auch nicht lange und der junge Mantroner schlief ein.

Als er am nächsten Morgen aufwachte, kämpfte er sich unter seinen Freund hervor und ließ danach geräuschvoll die Knochen knacken. Er wusste das er geträumt hatte aber er konnte sich nicht mehr an den Traum erinnern.
Vielleicht war es auch besser so!
Während der Morgen sich langsam ankündigte, inspizierte Baltos sein Marschgepäck. Dabei vielen ihn natürlich sofort die Sachen auf die er nicht eingepackt hatte.
Seine Mutter hatte ihn noch ein paar nützliche Sachen mitgegeben, die er gut gebrauchen konnte. Nur wunderte er sich über das Nähzeug, da sie ja eigentlich wissen sollte, dass er darin nicht so begabt war.
Dann durchfuhr ihn ein Geistesblitz. Rukulla! Die Alte musste daran schuld gewesen sein, das seine Mutter jetzt dachte, das er ein Freund des Nähen geworden sei.
Was die Alte wohl angestellt hatte mit seinem Körper, in den Nächten als Baltos geschlafen hatte?
Der Jäger wollte es lieber nicht wissen und ging einige Schritte von seiner Schlafstätte weg und erleichterte sich.
Nachdem er kunstvoll seinen neuen Namen in den Schnee gepinkelt hatte (alle Männer tun das mindestens einmal in ihren Leben), ging er zurück zu seinem Gepäck und trank einen Schluck Wasser und genehmigte sich etwas von seinen Rationen.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Freitag 26. Juli 2013, 11:02

Nanuq brummte, als sein zweibeiniger Freund sich unter seiner Pfote bewegte. Ein Auge öffnete sich einen Spalt breit, aber schloss sich gleicht wieder. Erst als Baltos seine Duftnote verbreitete, zogen sich seine Lefzen in die Höhe. Der Bär stand auf und beobachtet den Menschen wie er weiträumig sein Revier markierte. Für ein sich fast ausschließlich sich von Fleisch und Fisch ernährendes Wesen war die Duftnote schon recht kräftig, aber als Baltos es seinem Freund gleich tat, war schnell klar, wer das intensivere Bukett besaß. Angeregt von Baltos seltsamen Verteil-Technik lief der Bär breitbeinig durch die Gegend und tröpfelte vor sich hin, während der Jäger in seinen Sachen kramte um etwas essbares hervor zu zaubern. Eigentlich hatte er keinen Hunger, könnte nach den üppigen Mahlzeiten der letzten Tage auch ohne Weiteres fast eine Woche fasten, aber eine einfache Mahlzeit die man nicht jagen musste, war schon etwas feines. Warum also nicht betteln?! Das leise, brummende Gurgeln seiner Sprache klang bittend, flehend, als wenn er fast vor verhungern wäre:
„Krieg ich auch was? Krieg ich auch was?“

Wenig später waren sie auch schon wieder auf dem Weg dem nächsten Abenteuer entgegen. Sie waren wieder einige Stunden unterwegs. Da Baltos nicht wusste wo es hin ging, überließ er dem Bären die Führung, was zur Folge hatte, das sie eine Zeit lang einem Hirsch folgten, aber dann wieder ihren Weg in die richtige Richtung korrigierten. Hier auf dem Festland gab es den Vorteil, dass es deutlich mehr Beute zu jagen gab, als auf Ersa. Hungern würden sie sicher nicht müssen, aber es gab auch jede menge Ablenkung auf ihrem Weg. Sie kamen zwar insgesamt schneller voran, aber Nanuq blieb manches mal einfach stehen, wenn er etwas interessantes roch oder sich dunkel Punkte in der Ferne bewegten. Irgendwann beobachteten sie so eine kleine Gruppe von fünf Personen und einem länglichen Gefährt, die in Richtung der Eiselfenstadt Estria unterwegs waren und ihren Weg kreuzten. Nanuq hatte keine Lust irgendjemandem zu begegnen, also warteten sie eine Weile und zogen dann weiter. Als sie die Fährte der Gruppe kreuzten murmelte Nanuq leise vor sich hin:
„Kleine Zweibeiner, aber auch gefährlich. Machen mehr Eis als gut.“
Eine Fährte schien ihn etwas mehr zu interessieren als die anderen.
„Frau, riecht nach erstem und letztem, ist trächtig aber erst kurz.“
Das hier eine Frau mit zwei Männern leiert war und welche sozialen Schicksale sich hinter einer so kleinen Randinformation auftaten, war dem Bären vollkommen angängig. Nanuq stapfte weiter. Er hatte ein Ziel vor Augen und da es nicht mehr all zu weit entfernt war, zog er das Tempo an. Die Landschaft begann sich langsam zu verändern. Immer mehr Schneefelder und immer weniger Eisschichten bedeckten das Land. Die Bäume wurden schlanker, anfälliger und immer mehr kalte Vegetation zeichnete sich unter dem immerwährenden Weiß ab. Baltos war noch nie so weit von seiner Heimat weg gewesen, aber noch fühlte er sich vollkommen sicher. Er kannte ein paar alte Karten des südlichen Reiches und wusste, dass sie sich auf dem untersten Zipfel des Eisreichs befanden. Sie reisten jetzt gerade nach Osten und bald würden sie wieder die Küste erreichen, die an das Meer der Piraten grenzte. Nanuq zog den Schlitten gerade einen kleinen Hügel hinauf, als Baltos vor ihnen einen kleinen braunen Sandhaufen entdeckte. Oder besser gesagt eine sitzende, in sich zusammen gesunkene, kleine Geisteroma, die mit dem Oberkörper vor sich hin wippte.
Rukulla.
Sie wirkte nicht ganz anwesend, als sie sprach und hatte auch noch nicht ihre volle Presence erreicht.
„Ich grüße dich, mein Großer. Es wird Zeit. Bitte schlag hier dein Lager auf und lass mich die letzte Rune für dich machen. Dein nächstes Ziel ist nahe und sicher sehnst du dich sicher nach den nächsten Schritten, nach Antworten auf deine Fragen, doch du wirst vielleicht brauchen, was ich dir geben kann. Verweile hier, oder zieh weiter. Ich habe wenig Zeit und muss dich bald noch einmal verlassen. Opa ruft schon nach mir, aber ich werde wiederkommen, wenn du es willst.“
Nanuq musterte die Alte und seine große, schwarze Nase zuckte. Wie immer war er irritiert, dass er sie nicht wittern konnte. Dann sah er Baltos an und in die Richtung wo der Waldwal lag.
„Wir gleich da. Gehen?“
Baltos Blick zum Himmel verriet ihm, dass der Sonnenuntergang noch gut vier Stunden weit entfernt war und er spürte die innere Unruhe seines Freundes, der aufgeregt war wie ein Kind, dass seinem Freund eine Überraschung zeigen wollte.
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Dienstag 6. August 2013, 10:46

Baltos blickte den Bären mit einer hochgezogenen Augenbraue an. Wenn der weiter so fressen würde, könnt ich ihn bald durch die Gegend rollen. „Später beim Waldwal!" Ließ er Nanuq wissen und schluckte den letzten Rest der Mahlzeit herunter.
Danach erhob sich der junge Mantroner und packte die Sachen wieder zusammen und spannte den Bären vor den Schlitten.
Da Baltos keine Ahnung hatte, wohin die Reise ging, überließ er Nanuq die Führung und verfiel in eine Art Wachschlaf. So verging die Zeit schneller und der Jäger konnte noch etwas Schlaf nachholen. Wer wusste schon wann Rukulla wieder auftauchte um seinen Körper zu übernehmen für die letzte Rune.
Während der Fahrt entging es den Jäger nicht, dass der Bär der Spur von einem Hirsch für kurze Zeit verfolgte. Doch Baltos musste nicht eingreifen um Nanuq daran zu erinnern, weswegen sie unterwegs waren und so begaben sie sich dann wieder auf den richtigen Weg. Mehr als nur einmal blieben sie stehen und beobachteten etwas in der Ferne oder der Bär schnüffelte aufgeregt. Einmal konnte Baltos sogar anderer Menschen oder sogar Elfen sehen, die in der Ferne ebenfalls auf Schlitten unterwegs waren. Dabei musste er unweigerlich an den Elf denken, der ihn damals das leben gerettet hatte. Vielleicht sollte er nach dem Waldwal bei der Stadt der Eiselfen vorbeischauen. Baltos hatte sich damals genau erzählen lassen, wie der Elf aussah, der ihn das Leben gerettet hatte.
Die Information die ihn Nanuq erzählte als sie die Spur der anderen Schlitten kreuzte nahm er einfach nur hin, ohne weiter darauf einzugehen. Er kannte ja nicht die Sitten der Elfen.
Ihre Reise ging danach umgehend weiter und Baltos der jetzt nicht mehr vor sich hinträumte beobachtete genau die Umgebung. Er war so weit entfernt von seiner Heimat wie noch nie in seinen Leben. Die Landschaft sah eindeutig anders aus als zu Hause. Der Jäger prägte sich alles genau ein und noch mal verging etwas Zeit, bis sie auf eine vertraute Person stießen.
Sie fuhren gerade einen kleinen Hügel hinauf als Baltos die sitzende Rukulla entdeckte.
Der Bär hielt umgehend an als Baltos ihn darum bat. Der Einäugige stieg vom Schlitten ab und ging zu der Geisteroma, die diesmal ohne große umschweife gleich auf den Punkt kam.
Baltos nickte. Er hatte auf der Fahrt genug geschlafen und die Umgebung kam ihn sicher vor. Es war der geeignetste Zeitpunkt um die Rune zu bearbeiten. Nur Nanuq wollte weiter und war aufgeregt wie ein kleines Kind. Baltos wusste gleich, wie er seinem Freund die Zeit des Wartens erträglich machen konnte, und gab ihn etwas von seinen Rationen ab. "Wir können bald weiter!" Ließ er ihn noch wissen und wendete sich dann an die Alte.
„Las uns anfangen Rukulla! Nähzeug befindet sich in meinen Rucksack. Ich möchte dich nur um eins bitten, wenn du in meinen Körper bist. Sollte Gefahr drohen, tauschen wir umgehend die Plätze! Ansonsten hast du frei Hand.“
Nachdem dies geklärt war, nahm Baltos beim Schlitten platz und schlief umgehend ein. Ein Talent was nur jemand besaß der es gewohnt war länger auf Schlaf zu, verzichten.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Montag 12. August 2013, 20:46

„Später beim Waldwal!"
, hatte Baltos den Bären bei seiner letzten Rast wissen lassen und so war es nicht erstaunlich, dass Nanuq es zu der Stelle zog und drängte, wo das untergegangene Schiff lag. Die Aussicht auf leichtes Futter ließ den stämmigen Eisbären am Ende ganz schön drängeln, doch als sein neuer Freund dann später doch sein Trockenfleisch mit ihn teilte, war die Welt wieder in Ordnung. Gemütlich saß er auf der kleinen Hügelkuppe und kaute auf den zähen Streifen herum, den der Jäger ihm gegeben hatte. Für Nanuq war das harte Trockenfleisch eine wahre Delikatesse.
"Wir können bald weiter!"
Baltos Worte wurden mit einem seligen Brummen beantwortet und dann lauschte der Jäger aufmerksam den ungewöhnlich kurz gehaltenen Worten der Geisteroma und antwortete dann:
„Las uns anfangen Rukulla! Nähzeug befindet sich in meinen Rucksack. Ich möchte dich nur um eins bitten, wenn du in meinen Körper bist. Sollte Gefahr drohen, tauschen wir umgehend die Plätze! Ansonsten hast du freie Hand.“
Ach wenn das immer so einfach wäre … aber ich werde ihn besser jetzt nicht beunruhigen.
Rukulla nickte nur leicht und für einen Außenstehenden musste die Szene recht sonderbar anmuten. Ein mantronischer Jäger hielt auf einem Hügel Rast, führte Selbstgespräche mit einem Bären, oder etwas das nur er sehen konnte und kaum da er sich hingesetzt hatte und die Augen geschlossen hatte, stand er schon wieder auf um in seinem Rücksack nach Nadel und Faden zu wühlen. Der Gang des Kriegers war von einer Sekunde auf die andere vollkommen verändert. Vorher groß und kraftvoll, sicheren Schrittes war er durchs Leben geschritten, so wankte er nun trippelnd und taumelnd vom Rücksack zu Nanuq um dem Bären die Schädelplatte zu tätscheln.
„Mein Großer, du musst jetzt für mich Patrouille laufen. Warne mich wenn etwas näher als bis zum Fuß des Hügels kommt.“
Der Bär nickte. Die ungewöhnlich weibliche Tonlage der sonst so männlichen Stimme seines Freundes irritierte auch den Bären. Nanuq schluckte den letzten Rest seines Mahls hinunter und begann dann aufmerksam seine Runden zu ziehen. Sicherheitshalber hinterließ er rund um ihr Lager hier und da seine kräftige Duftnote als Warnung für jedes lebende Wesen, sich fern zu halten, denn er war hier schließlich das größte Raubtier weit und breit.
Bevor Baltos, nach dem Wechsel, sich wieder setzte, stand er eine lange Minute lang still und spähte zum fernen Ufer, genau dorthin wo der nächste Abschnitt seiner Reise lag. Geistesabwesend drehte er eine seiner Haarsträhnen um seine Finger und ließ sie immer wieder hindurch gleiten. Seine andere Hand hatte sich in die Hüfte gestemmt und die Beine standen eng beieinander, leicht mit der linken Fußspitze tippend. Ein Windstoß peitschte über die Hügelkuppe und eine Wolke aus gefallenem Schnee umhüllte kurz die Gestalt des Jägers.
„Ist ja gut. Du brauchst mich nicht zu hetzten, Opa. Ich weiß, dass er es alleine schaffen muss, doch ich möchte ihm noch so viel mehr helfen, ihn so gut wie möglich vorbereiten, dass kannst du doch verstehen.“
Der Schnee fiel wieder zu Boden und Rukulla drehte sich vom Meer weg. Mit den Hüften wackelnd trippelte sie zum Mittelpunkt des Hügels, nahm Platz und verschränkte die Beine. Dann machte sie sich hoch konzentriert an die Arbeit und vergaß die Welt um sich herum, wie jeder gute Magier es tat, wenn er einen schweren Zauber webte.

Es war kalt und zugig in Baltos Zimmer als er die Augen aufschlug. Außerdem hörte er ein leises Klappern neben sich und spürte noch viel deutlicher die Leichten Vibrationen in seiner Matratze. Das stabile Lattenrost übertrug die Schwingungen eins zu eins. Er wagte sich nicht aufzusetzen um den Nasenrücken zu reiben, auf dem eine seiner langen Haarsträhnen kitzelte. Jemand der neben ihm lag, hatte ihm die schwarze Felldecke weg gezogen und er fühlte einen eisigen Schauer über seine Haut laufen. Einen Schauer der sich wie ein fernes ihm nicht all zu vertrautes Gefühl bemerkbar machte:
ANGST!
Doch noch bevor er seine Hand sich nach der Silhouette neben sich ausstrecken konnte, wurde sie mit einem erstickten Schrei in die Finsternis dahinter gerissen. Zurück blieb ein endloser Abgrund, der sich direkt neben ihm ausbreitete und weder einen Boden noch ein anderes Ufer zu haben schien. Die Dunkelheit fraß sogar langsam sein Bett auf, so dass es schnell wieder wie nur für eine Person gedacht aussah. Doch das war nicht seine Angst, die sich da durch seinen Traum fraß … es war ihre! Gleich einem fernen Echo hörte er Schritte näher kommen, doch wohin er sich auch wandte, er sah niemanden. Das letzte was er hörte, war nur das leise Rauschen von Flügeln.
Dann brach auf einmal alles ab, als hätte ihn jemand in kaltes Wasser geschmissen.

Ein Mann, alleine im Schnee und ein Eisbär der ihn bewachte. Er stickte und stach sich immer wieder in die groben Finger, so dass das Blut seiner Mühen die Rune tränkte. Als sein Werk beendet war murmelte er mit leiser, ungewöhnlich hoher Stimme:
„Opa, was meinst du? Gut geworden? Ja? Na dann wollen wir doch mal sehen, ob es funktioniert?„
Der Jäger hob die Arme um die Augenklappe wieder aufzusetzen. Das Futteral berührte seine Haut an der Stirn und sofort wich jede Spannung aus den starken Schultern. Die Klappe landete im Schoß des Jägers und blieb dort still liegen.

Als Baltos abermals die Augen aufschlug, war er steif vor Kälte. Besonders seine Finger taten ihm weh und einige Einstiche zierten seine Fingerkuppen. Aber als er an sich hinunter sah, sah er im Innenfutter seiner Augenklappe eine neue kunstfertig eingestrickte Rune.
„Hagalz.“
, entschlüpfte es seinen trockenen Lippen, die nach Flüssigkeit verlangten. Es war die Rune, die vor Magie schützen sollte. Sofort sah er sich aufmerksam um, doch außer Nanuq, der in einiger Entfernung gerade den Hügelrücken erklomm, war weit und breit nichts zu sehen. Kein kleiner Erdhaufen, keine halbdurchsichtige Geisteroma, kurz, keine nervige Rukulla. Er war allein. Sehr allein!
Er fühlte sich wieder einmal, als hätte er die Nacht durch gefeiert, was sicher auch zu einem kleinen Teil stimmte. Wenigstens war es ruhig geblieben und Nanuq näherte sich langsam wieder. Der Horizont war noch dunkel im Osten und Baltos wusste, dass er ungefähr vier Stunden vor Sonnenuntergang sich nieder gesetzt hatte. Anscheinend war noch nicht zu viel Zeit vergangen und in der Ferne konnte er den vollen Mond sich im Meer spiegeln sehen. Die Nacht war noch lange nicht vorbei. Nanuq ließ seinen breiten Hintern in den Schnee vor Baltos fallen, das es die kleinen Kristalle nur so aufwirbelte. Er legte fragend den Kopf schief und sagte:
„Nix passiert. Fressen? Wachen? Schlafen?“
Die Fragen galt seinen Aufgaben. Er wollte wissen, wie er seinem Freund helfen konnte, der so nachdenklich in seine Hände schaute. Baltos Gedanken waren noch nicht ganz war und drehten sich noch kurz um den Traum, der so … Der Traum hatte so abrupt geendet! Hatte Rukulla sich mit der Rune vielleicht … aus Versehen sicherlich … aber möglich war es … hatte sie sich … selbst ausgetrieben?
Baltos Blick wanderte wieder zum Meer und das silberne Licht des fahlen Himmelskörpers schwebte wie ein Leichentuch über den sanften Wellen. Irgendwo dort draußen unter diesem Schimmer lag ein Schiff. Das Schiff, das Maruka aus ihrer Heimat entführt hatte.
Seine Augen spähten den Hügel hinunter, dort hin wo sich die Wellen am flachen Strand brachen. Dort war kein Eis, keine Magie die das Meer erstarren ließ. Aber dafür glaubte Baltos kurz eine Bewegung am Stand ausgemacht zu haben. Vielleicht war es aber auch nur eine Spiegelung im flachen Wasser gewesen. Es war Mitternacht, der Mond stand hoch, also war eine optische Täuschung sicher nichts ungewöhnliches.

An einem ganz anderen Ort

„Och nöööööööööö … OPA? … Verflucht wo bin ich? Hallo? Hallo? Hallo? Hallo? Hallooo?“
Kleine Füße trippelten durch einen dunklen, offensichtlich unterirdischen Gang. Kleine Hände tasteten sich an seltsam glasierten Wänden entlang, die vor noch nicht langer Zeit unter größter Hitze geschmolzen worden waren. Niemand antwortete auf das Rufen der alten kleinen Frau, denn niemand war hier am Leben. Und die Geister, die das hier wütende Höllenfeuer überstanden hatten, die hier zurück geblieben waren, getrennt von ihren Hüllen, sahen nur stumm und hilflos dem fahlen Leuchten hinterher, das sie in ein fernes Licht führen sollte.

(edit: Kein Helm, Rune befindet sich auf der Innenseite der Augenklappe.)
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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Baltos » Donnerstag 22. August 2013, 11:27

Langsam gehen mir diese Träume echt auf die Nerven. Mit diesen Gedanken wachte der junge Mantroner auf. Er bemerkte ein leichtes Stechen in den Fingern, wahrscheinlich hatte Rukulla seine Finger mit der Stricknadel malträtiert. In seinen Schoß befand sich seine Augenklappe und im Inneren befand sich die gewünschte Rune. Damit sollte er erst einmal genug Schutz gegen magiebegabte Wesen bei sich tragen, um alles andere würde sich Baltos’ Axt kümmern.
Nanuq kam nach einer kurzen Zeit angetrabt und fragte nach weiteren Aufgaben. Die Geisteroma hatte wohl den Bären auf Patrouille geschickt.
„Pass auf den Schlitten auf! Ich schaue mich mal ein wenig um, wenn du Gefahr witterst, dann brülle. Ich werde dann so schnell kommen wie möglich.“
Der Bär hatte verstanden und legte sich auf den verschneiten Boden neben den Einmannschlitten von Baltos.
Der Mantroner nahm an Bewaffnung nur seine Äxte mit und machte sich auf den Weg, die Augenklappe hatte er wieder angelegt, so fühlte er sich wohler. Während er seine ersten Schritte auf dem unbekannten Territorium tat waren seine Sinne bis aufs äußerte gespannt. Es war wie bei einer Jagd, man musste auf alles Achten, keine unnötigen Geräusche verursachen, immer versuchen gegen den Wind zu laufen und jede Kleinigkeit nicht als unnötig zu erachten.

Als Baltos den Strand erblickte glaubte er eine Gestalt gesehen zu haben und sein Bauchgefühl sagte ihn er sollte dieser Sache auf den Grund gehen. Gesagt getan machte sich der Jäger auf den Weg. Er lief jetzt sehr langsam und war darauf bedacht so wenig Geräusche wie möglich zu verursachen. Denn wenn dort wirklich jemand war, wollte er den Überraschungsmoment auf seiner Seite haben. Es konnte ja sein das dieses Wesen nicht beobachtet werden wollte und vielleicht feindselig reagierte. Denn wer trieb sich schon um diese Zeit am Strand herum, außer Personen die etwas zu verbergen hatten! Natürlich konnte sich Baltos das auch alles eingebildet haben und einer Sinnestäuschung erlegen sein. Aber er wollte lieber sicher gehen, vor allem in einer Region, in der er sich nicht auskannte.

Er hatte fast den Ort erreicht, wo er die Silhouette gesehen hatte und suchte sich einen Platz, von dem er unerkannt den Strand beobachten konnte. Sein Blick blieb auf einer Mulde hängen, die vom Wind geschaffen wurde und groß genug war das Baltos über den Rand der Erhebung die Umgebung auskundschaften konnte. Leise legte er sich in die Senke und ließ seinen Blick über den Strand schweifen.

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Re: Der Eiskanal

Beitrag von Erzähler » Freitag 23. August 2013, 19:02

Baltos hatte seinen Beobachtungsposten gut gewählt. Die Senke war Windgeschützt, so dass kein Luftzug an seinen Ohren hinderliches Rauschen verursachen konnte und außerdem war sie schlecht von außen einsehbar. Sie war das perfekte Versteck eines Jägers. Baltos hatte gut zwei Drittel der Stecke zum Strand bewältigt, als er die Senke gefunden hatte. Aufmerksam und so leise es eben als geschulter Jäger ging hatte er sich bewegt und jedes noch so kleine Detail in sich aufgenommen. So war ihm auch nicht entgangen, das hier oben, vor einigen Tagen jemand anders gewesen sein musste. Die Spuren waren alt, aber noch deutlich zu erkennen. Jemand hatte ganz bewusst einen Großteil eines Busches abgebrochen, so dass man hier aus der Mulde freie Sicht auf den Strand hatte. Die vertrockneten Äste lagen nicht unweit entfernt und der Boden war festgetreten. Direkte Fußabdrücke gab es nicht, dafür hatte der Regen vor einigen Tagen gesorgt, aber man konnte immer noch gut erkennen, dass jemand es sich genau an dieser Stelle gemütlich gemacht hatte. Nur ein Jäger erkannte die Spuren eines Jägers, aber da sie alt waren, musste man nicht automatisch an seine Rückkehr denken.
Baltos lag bäuchlings, mit leicht erhobenem Oberkörper am Rand der Erhebung und kundschaftete erst ein mal die Umgebung aus. Direkt vor ihm lag die Uferböschung. Noch gute 100 Schritt trennten ihn von der Brandung, die leise an die Küste rollte. Dünner Baumbestand lag vor ihm, dichterer hinter ihm. Irgendwo schrie ein Käuzchen in einiger Entfernung.
Angestrengt beobachtete er die Stelle, wo er von weiter oben die Bewegung vermutet hatte. Selbst aus dieser noch recht großen Entfernung konnte er etwas im flachen Sand erkennen. Es sah aus, als wäre etwas großes aus dem Meer gezogen worden, aber die breite Spur, verlief sich nach links hinter einem Felsen. Dann sah er plötzlich wieder die Bewegung und hielt den Atem an. Die Dunkelheit macht es schwer Details zu erkennen, doch das Wesen dort unten war zumindest schon mal humanoid und den Umrissen nach sehr schmal gebaut. Plötzlich hörte Baltos ein Rascheln rechts von sich und sein Blick huschte in die Richtung. Er brauchte einen Moment, bis er den kriechenden, fast unsichtbaren Körper in nur knapp 20 Metern Entfernung ausmachen konnte und in dem Moment als er ihn sah, war klar, dass auch er entdeckt worden war. Lautlos hatte sich ein Kopf aus der Deckung gehoben und ein dunkles Gesicht hatte bedeutungsvoll den Finger auf den Mund gelegt und dann nach unten gewiesen. Es war ein allgemein gültiges Zeichen, das seinem Gegenüber gebot leise zu sein und in Deckung zu bleiben. Baltos verharrte instinktiv, während der Mann seine Richtung änderte und langsam und fast lautlos näher kam. Um wenig Geräusche zu machen, wagte er sich bis auf vier Schritt heran, wobei er schon fast den Rand der Mulde erreicht hatte und flüsterte dann noch erstaunlich laut:
„Weidmannsheil.“
Dann rollte er sich in die Mulde und kam neben Baltos zum liegen. Der Mann war so von oben bis unten mit Schlamm besudelt, dass man ihn fast selbst für einen Lehmklumpen hätte halten können. Er trug ein langes, schwertartiges Messer am Oberschenkel fest gemacht und eine kleine Axt im Hosenbund auf dem Rücken. Beides war alt und hatte Rostflecken, doch die Klingen waren frisch geschliffen.
„Verscheuche mir meine Beute ja nicht. … keine Zeit für Höflichkeiten. Ich bin Tomdar. Hab dich hier noch nie gesehn. Wohne hier seit vielen Jahren ziemlich einsam, also ist das mein Revier und du mein Gast und das da unten … gehört mir! Wenn du willst kannst du zusehen und von einem alten Piraten lernen, oder zu schleichst dich und nimmst ein Kuscheltier da oben auf dem Hügel gleich mit. Jawohl, hab euch reden sehen, he he.“
Ohne eine Antwort abzuwarten robbte er mit den Augen rollend zum Rand der Senke und tippte dabei kurz auf einen Feldstecher an seiner Seite. Der Mann musste in den Dreißigern oder Vierzigern sein, so genau, konnte man das unter dem Dreck nicht erkennen. Vielleicht hielt er Baltos durch den starken Bartwuchs des 18 Jährigen für gleichberechtigt oder älter als er war, wer wusste das schon. Er wirkte wie ein irrer Eremit, von dem Baltos in seiner Kindheit mal Geschichten gehört hatte und er spähte leise Selbstgespräche führend die Böschung hinunter:
„Es kommt jede Nacht. Immer um die gleiche Zeit und das schon seit was weiß ich wie langer Zeit. Es schleppt mir diesen Mist an meinen Strand und verschwindet dann wieder. Aber ich hab eine Falle gebaut. Hat mich den ganzen Tag gekostet! Da schau!“
Seine Dreck verkrustete Hand wies ein Stück weiter rechts den Strand hinunter, aber Baltos konnte nichts Auffälliges erkennen.
„Dieses Ding ist kein Mensch wie du und ich, sag ich dir! Sie leben im Meer und fressen unsere tapferen Seemänner, wenn sie über Bord gehen. Ich sag es ich dir! Aber sie sind feige und fliehen vor einem ehrlichen Kampf an Land. Also fang ich sie mir! Ich hab sie gut versteckt meine Falle nicht war? Ja! Jetzt muss ich nur noch warten … warten … „
Damit schwieg der Mann, der sich Tomdar nannte erst einmal und beobachtete den Strand und das seltsame Treiben unter ihnen. Er schien kaum noch von Baltos Notiz zu nehmen und sein Blick war starr, fast fiebrig, vielleicht sogar wahnhaft auf das Wesen dort unten gerichtet. Er nahm seinen Feldstecker zur Hand und starrte hindurch. Auch Baltos sah wieder hinunter. Der dunkle Umriss war nur gut zu erkennen, wenn er sich direkt vor der glitzernden Brandung befand und um so genauer Baltos sich konzentrierte, um so sicherer konnte er sich sein, dieses, oder ein ähnliches Wesen vor noch nicht all zu langer Zeit schon einmal gesehen zu haben. Der schlanke Körperbau, war perfekt aufs Schwimmen ausgelegt und, dass was wie langes Haar wirkte, konnten durchaus die langen Tentakel-ähnlichen Dinger sein, die er bei der anderen gesehen hatte, aber sie waren noch zu weit weg um solche Details sicher bestimmen zu können.
„Du fragst dich sicher, warum ich nicht näher ran geh, was?“
Tomdar sah Baltos aus seinen wässrig blauen Augen an.
„Sie sehen besser als wir im Dunkeln. Liegt wohl daran, dass es da unten noch viel finsterer ist als bei uns hier oben. Da schau, es geht los!“
Seine Stimme war nur ein Flüstern gewesen, aber Baltos bekam den Feldstecher in die Hand gedrückt. Es brauchte einen Moment, bis sich das Bild darin vor seinem Augen scharf stellte, aber dann sah er deutlich den nassen Körper im Sternenlicht schimmernd aus den Fluten wieder auftauchen und rückwärts etwas aus den Wellen ziehen.

Bild im Feldstecher

Im Ausschnitt des Feldstechers drehte sich der Körper mit jedem Schritt und schnell war klar, dass es sich um ein Weibchen handelte. Sie hatte nichts am Leib, außer eine Art Gurt, an dem ein scharfkantig und irgendwie bösartig aussehender Korallenspeer befestigt war. Sie sah anders aus, als jenes Wesen, das ihm beim Kampf mit der Seeschlange begegnet war. Ihre Haut musste blau oder grün sein, oder eine Mischung aus beidem. Diese Aquadin an Land zu sehen, war merkwürdig. Die deutlich längeren Tentakeln an ihrem Kopf zuckten vor Anstrengung, als sie ein längliches Wrackteil hinter sich her auf den Strand zog und dieses Mal steuerte sie rücklings genau auf die Stelle zu, die der seltsame Jäger neben Baltos ihm als Falle angewiesen hatte. Tomdar wurde in freudiger Erwartung ganz steif neben ihm und nahm den Feldstecher wieder an sich und hielt die Luft an.
„Gleich … gleich … „
Dann blieb sie stehen und die langen „Zöpfe“ sortierten sich wie von Zauberhand selbständig auf ihrem Rücken zu einem glatten Ganzen. Ihre Haltung verriet ihre Anspannung und ihre Schultern hoben uns senkten sich hektisch, doch anscheinend brauchte sie einen Moment Pause bei dem war sie dort tat und setzte sich auf das Wrackteil.
Tomdar schnaufte leise und voller Missfallen.
„Mistviecher! Noch einen Meter! Los beweg dich!“
Grummelte er fast so laut, dass Baltos befürchten müsste, die Aquadin würde sie hören, doch weder zeigte ihre Reaktion eine Störung an, noch scherte sich anscheinend Tomdar um sein eigenes lautes Gemurmel. Vielleicht hörten Aquaden einfach nicht gut an Land.
Dann stand sie wieder auf und griff erneut nach dem Wrackteil um es nach hinten, in einem leichten Bogen hinter die Felsen zu bringen. Tomdar grinste breit, als er sah, wohin ihr Weg sie steuerte und drückt Baltos wieder den Feldstecher in die Hand. Da geschah es auch schon. Vielleicht hätte Baltos es noch verhindern können, vielleicht hatte Tomdar den Moment der Ablenkung mit dem Feldstecher auch genau so gewählt, dass er es nicht rechtzeitig getan hatte, auf jeden Fall war plötzlich dort, wo eben noch die Aquadin gestanden hatte, ein Loch im Boden und nur ein Ende vom Wrackteil ragte an einer Seite hinaus.
„Verflucht! So kann es raus klettern und entwischen!“
Tomdar riss seine Wurfaxt aus dem Gürtel und rannte erstaunlich flink für einen Mann in den besten Jahren los.
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