Jhin zeigte keine Regung, als Alea sich bewusst wurde, dass er in ihrem Kopf herumstöbern konnte. Er musterte die Diebin lediglich, schweigend. Auf Devin machte er so nur einen noch unheimlicheren Eindruck. Der Junge ärgerte sich insgeheim, dass er es war, der sich hinter Alea verbarg und nicht umgekehrt. Eigentlich, so glaubte er, sollte er sie doch beschützen. Schließlich begleitete er sie, um Abenteuer zu erleben. Er wollte ein kleiner Held werden - die romantischen Träume eines Burschen seines Alters. Und nun stand er hier, dicht hinter seine Gefährtin gedrängt, nur vorsichtig aus der Deckung schauend. Ein schöner Held war er! Aber Jhin bereitete ihm immer noch Unbehagen.
Dabei gab es noch jemanden in der Höhle, der den jungen Devin möglicherweise gehörig hätte erschrecken können. Es war nicht klar, wie das Wesen hatte hierher gelangen können, noch, was es überhaupt darstellte. Es war da und es beobachtete die Szene. Der violette Kerl gefiel ihm auch nicht. Der hatte die ganze Zeit herum gesessen und überhaupt nicht auf seine Spielereien reagiert. Die Frau und der Junge wirkten da empfänglicher. Das Wesen kratzte sich an der dicken Knollennase. Wie würde es wohl weitergehen? Ob es sich nähern sollte? Vorsichtig setzte es einen der runden Füße vor den anderen.
Unterdessen erhob sich der Tha'Roon, zusammen mit seiner Stimme. Noch immer strahlte sie ein ruhiges Timbre aus, was ein wenig das Unbehagen glättete, zugleich ihm aber auch eine mysteriöse Aura verlieh. "Ich werde mich bemühen, nicht in Eure Gedanken einzudringen. Ich spüre, dass es Euch missfällt. Wenn Ihr in der anderen Sprache denkt, verstehe ich es ohnehin nicht." Er neigte den Kopf. "Vielleicht kann ich auf diese Weise Euer Vertrauen gewinnen, dass Ihr meinem Volk helfen werdet." Leider musste Alea diese Hilfe bereits im Ansatz ablehnen, denn eine wirklich gut ausgebildete Schattenmagierin war sie nicht. Sie konnte ihm lediglich die Information geben, dass ihre Muttersprache in Sarma angewandt wurde. Das interessierte Jhin sogar. Er wandte sich kurzzeitig von General ab, auf dem Rejan noch immer aufgebunden war wie ein Mehlsack. Seine dunklen Augen musterten Alea lange. Wieder zeigte seine Mimik kaum eine Reaktion. Lediglich das Leuchten in seinen schwarzen Perlen, die seine Augen darstellten, zeugte von Neugier. "Sarma. Wo liegt das?"
"Du kommst wohl auch nicht viel herum", brach es aus Devin heraus. Im nächsten Moment schob er sich jedoch wieder enger hinter Alea. Er hatte seinen Mund nicht halten können und fürchtete nun, es zu bereuen. Aber Jhin zeigte sich weder empört ob seines vorlauten Mundes noch wütend wegen der anmaßenden Wortwahl. Er guckte den Jungen nur an, entschied, dass er auf seinen Kommentar nicht antworten brauchte und fixierte wieder die Wüsentdiebin. "Was immer Ihr gedacht habt, es ähnelt der Sprache, die Rejan in seinen Träumen verwendet. Aber nein, ich verstehe sie nicht. Sarma ... hmmm." Er berührte seine Schläfe und schloss kurz die Augen. Für den Bruchteil einer Sekunde wirkte der Tha'Roon abwesend, als dachte er lange nach. Tatsächlich jedoch kommunizierte er mit den seinen, suchte nach Informationen über dieses Sarma. Kein Tha'Roon konnte ihm helfen, denn keiner war bisher in der Wüste gesehen worden. So hob er die Lider, blinzelte kurz. "Ich möchte mehr über Sarma erfahren. Erzählt mir bitte davon, wenn sich eine Gelegenheit ergibt."
Nicht nur Jhin war an Alea interessiert. Da war noch dieses kleine Wesen. Es war dicht an die Gruppe heran gewatschelt. Nun verbarg es sich hinter einem aufgetürmten Haufen Goldmünzen. Von dort aus konnte es die Gruppe sehr gut beobachten, aber ihm fiel auch noch etwas Anderes ins Auge. Oho, das funkelte fein! Es gefiel dem Kerlchen sehr. Das gäbe doch ein tolles Geschenk ab, dachte es sich. Da zuckte Jhin zusammen. Er hatte den Gedankengang wahrgenommen, runzelte nun die Stirn und schaute sich in der Höhle um. Als er jedoch niemanden entdeckte, beschied er, seine Aufmerksamkeit wieder auf Alea und Devin zu richten. Schließlich erbat er die Hilfe der Frau, die der Schattenmagie fähig war. Dass sie darin nicht sonderlich gut ausgebildet war, ahnte er nicht. Dafür kannte sie die spitzohrigen Wesen, die sich neuerdings im Reich der Dunsthügel herum trieben. Dunkelelfen nannten sie sich laut Aleas Aussage. Jhin nickte, speicherte die Information im Geiste ab. Er würde sie mit den Tha'Roon teilen, sobald er mehr Ruhe hatte, um geistigen Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Noch war dafür keine Zeit. Alea bereicherte ihn mit Wissen. Sie gab ihm viele Informationen preis.
Jhin trat näher. Er war um so vieles größer als die Diebin und so schlank. Es konnte einschüchternd wirken, jedenfalls bei Devin. Noch immer war ihm dieser Fremdling nicht geheuer. Alea schien jedoch keine Angst vor ihm zu haben. Er bewunderte sie dafür. In seinen Augen war sie die tapferste Person, der er jemals begegnet war. Ein Vorbild.
"Ihr könnt mir also nicht weiterhelfen. Zu bedauerlich." Jhin stieß einen Seufzer aus. Doch in diesem Moment erreichte Alea ein Gedankenblitz und sie sprach ihn sofort an. "Zyranus", wiederholte Jhin mit ebensolchem Interesse in der Stimme, wie er es schon bei Sarma gezeigt hatte. Das Wesen, das die drei beobachtete, horchte ebenfalls auf. Zyranus, die Stadt kannte er. Dort wurde viel gezaubert. Also war die Frau eine Magierin, so vermutete es das Kerlchen. Sie würde sich über etwas Magisches sicherlich freuen. Schon schnappten kleine Finger nach einem Gegenstand, den er bereits zuvor für sie auserkoren hatte. Der würde ihr sicher sehr gefallen, zumal tatsächlich ein wenig Magie darin steckte, wenn auch in besonderer Form. Sie würde schon Zugang zu dem Zauber bekommen. Das Geschenk musste nun also nur noch überbracht werden. Das Wesen setzte sich in Bewegung. Devin war der einzige, dem es auffiel. Gebannt starrte er auf dieses herum huschende, in rot gekleidete Männchen. Es trug eine lange Zipfelmütze mit weißem Bommel und hatte sich etwas Blinkendes um den Bauch geschoben. Damit rannte es nun zwischen den Reichtümern umher, bis es fast an Alea heran war. Devin hielt die Luft an. Was war das für ein Ding?! Er brachte keinen Ton heraus, aber ein leises Fiepen wäre unter Aleas freudigem Ausbruch ohnehin untergegangen.
"Wir gehen nach Zyranus. Ich würde Euch gern begleiten, denn mir scheint, dieser Ort liegt nicht im Reich der Dunsthügel. Ich bin niemals über die heimatlichen Grenzen hinweg ausgezogen, aber ich bin nicht unerfahren. Während unserer Reise würde ich mein Wissen und auch alle anderen Fähigkeiten zur Verfügung stellen. Ich werde Euch nicht zur Last fallen. Bringt mich nur in dieses Zyranus. Notfalls kümmere ich mich anschließend allein um das Wohl der Tha'Roon."
Die Entscheidung schien getroffen. Alea war Feuer und Flamme, in die Stadt der Magier zu kommen. Dort würde es doch jemanden geben, der ihr helfen könnte. Jemand, der Rejan retten und Jhins Volk unterstützen könnte. Vielleicht würde sie sogar für ihre Hilfsbereitschaft belohnt. Die Reichtümer in der Höhle konnte sie schließlich unmöglich allein mitnehmen. Aber möglicherweise ließen sich die Tha'Roon später noch dafür einspannen. Bis dahin ließen sich vielleicht einige Kleinigkeiten mitnehmen. Beispielsweise dieser wunderschönde Goldring, der direkt in Aleas Blickfeld fiel. Er besaß einen eingefassten, sternförmigen Stein. Dieser leuchtete und schimmerte in allen Regenbogenfarben. Er hatte aber doch vorher nicht dort am Boden gelegen. Wo war er nur hergekommen.
"Z-Zyranus?" Endlich meldete sich Devin zu Wort. Er wirkte blass, starrte auf den Ring und zeigte schließlich dorthin. "Da ... da war eben ... hm, nicht so wichtig." Das Wesen hatte den Ring abgelegt, sie aber nicht angegriffen. Ob es auch friedlich war? Devin jedoch war sofort abgelenkt. In seinen Geist drang die Bedeutung von Aleas Worten. Mit großen Augen blickte er sie an. "Wir gehen nach Zyranus? Ich habe Geschichten gehört. Eine ganze Stadt voller Zauberer, natürlich möchte ich dorthin! Das wird spannender als die Schatzsuche! Glaubst du, sie werden uns etwas vorzaubern?"
Die nicht, aber der Ring, kicherte das kleine Wesen in sich hinein und freute sich bereits auf die Zukunft. Selbst würde sie diese nicht miterleben, aber Alea beschenkt zu haben, bereitete dem kleinen Kerlchen genug Freude. Es gab noch so viele Wesen auf Celcia, die es ebenfalls auf diese Weise mit einer kleinen Gabe beglücken musste und es blieb so wenig Zeit! Rasch huschte es zwischen den Reichtümern hindurch und auf und davon.