Das unsichtbare Verlies

Ein großer Turm ragt hervor. Man nennt ihn auch das Auge der Stadt, denn hier wohnt der Magierrat. Sie sind wohl die mächtigsten Magier dieser Stadt und verwalten diese auch in aller Strenge.
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Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 24. Mai 2007, 13:07

<i>[Asmodeus kommt von <a href="http://69169.rapidforum.com/topic=11397 ... id=2#unten"> Im Turm</a>]</i>

Gemeinsam mit den vier Abgesandten des Magierrates und Etelin verließ Asmodeus den großen Saal, in dem sein richtiges Urteil noch gefällt werden sollte – schon bald. Doch die Magier waren sich im Unklaren, was man mit ihm anstellen sollte. Wie vernichtete man eine Bestie?
Dabei wussten sie nicht, dass er bereits vernichtet war. Geschlagen. Getreten. Ausgemertzt. Nicht einmal seine Hülle schien noch halten zu wollen. Asmodeus schlurfte zwischen den Gesandten, die seine Ketten hielten, brach mitten auf dem Weg aus dem Saal zusammen.

Niemand half ihm auf. Etelin nicht. Die Gesandten nicht. Niemand.
Letztere rissen stattdessen an seinen Ketten. Jemand verpasste ihm einen Tritt.
"Steh auf", sprach eine monotone, tiefe, aber gebrochene Stimme. "Steh auf und komm endlich. Stell dich deinem götterverdammten Arrest!" Es war sein Meister ... Etelin, der es ihm befahl. Oh, wie kalt doch seine Stimme klang. Wie unendlich traurig und verletzt ... so voller Hass.

Wie Asmodeus es fertigbrachte, sich aufzurappeln, wusste er nicht. Er nahm kaum noch etwas von seiner Umgebung wahr, von sich selbst.
Er folgte einfach ... zu mehr war er nicht mehr in der Lage. Ein gebrochener Mann, eine verdammte Bestie – ein Dämon, der sich an seiner Schuld ergötzte und von ihr lebte, als wäre sie Luft.

Die Gruppe verließ den Saal und stolperte nun wieder die Stufen des Turmes hinab. Doch irgendwann blieben alle stehen. Aber mann hatte noch nicht einmal die Hälfte der sich schied endlos windenden Treppe hinter sich.
Asmodeus schaute sich um. Gewährte sich selbst dieses kurze Schweifen. Er sah nichts. Nur die kahlen rund verlaufenden Wände des Turmes, Stein auf Stein. An einer Stelle rußgeschwärzt von einer Fackel, die in einer gusseisernen Halterung steckte und langsam vor sich hin flackerte. Ihre kleine Rauchsäule stieg nach oben. Irgendwo gab es sicher einen Abzug für den Qualm, der so finster rauchig war wie die Seele der Bestie – seine Seele. Er selbst.

Dann geschah etwas Seltsames. Einer der Gesandten griff nach der Fackel und nahm sie aus der Halterung. Sofort verdunkelte sich ... die Leere?! Bodenplatten enstanden, erschienen einfach in der Luft! Sie führten von der Treppenstufe fort, ins ... Nichts!
Nein, da erschien noch etwas, eine Tür. Sie tauchte auf wie eine verschwommene Traumgestalt, nahm Konturen an und schließlich erkannten alle Umstehenden eine kleine Tür aus schwarzem Kirschholz. Sie wirkte so unscheinbar, kein bisschen gefährlich. Sie neutral, als befände sich hinter ihr die Schlafkammer eines Bauernmädchens.

"Das ist also das ... unsichtbare Verlies", sagte Etelin, um die Stille zu überbrücken oder einfach nur, um überhaupt noch einmal etwas zu sagen. Denn das letzte, was Asmodeus von ihm hören würde, wären die Formeln und Silben des Bannzaubers, die ihn in diesem Gefängnis festhalten sollten.

"Los!" Jemand schubste Asmodeus auf die kleine Tür zu. Einer der Abgesandten öffnete sie. Das Verlies war nicht einmal verschlossen! Warum nicht? War es nicht nötig, es abzusperren? Waren die Qualen, die Asmodeus darin erwarten würden so schrecklich, dass er diese Tür – diesen unverschlossenen Fluchtweg – vergessen würde?
Ein Zittern stahl sich erneut über seinen Körper, er war wieder gefangen in Schüttelkrämpfen. Sein Körper hielt der Belastung nicht stand. Er drohte, in sich zusammen zu brechen.

Die Gesandten hielten ihm, fingen ihn auf. Empfanden sie vielleicht doch noch etwas wie Mitgefühl.
Nein, eine Täuschung, falsche Hoffnung. Sie hielten ihn, weil er nicht mehr in der Lage war, sich selbst zu halten. Und weil er doch noch die letzten Schritte in sein Gefängnis antreten musste.
Man stieß ihn in den Raum und Asmodeus landete einfach am Boden, rührte sich nicht. Er hob kurz die Augenlider, wollte sehen, wie das Verlies ausschaute. Schwärze ... schwarzer Stein türmte sich zu schwarzen Mauern. Ein schmutziger, staubiger grauer Boden ... bedeckt mit dem Blut ehemaliger Insassen. Es hatte sich im Laufe der Jahre ebenfalls schwarz gefärbt.

Er hörte Schritte. Etelin und die Gesandten scharten sich um ihn. Man zog ihm die zerfetzte Priesterkutte aus, entriss ihm sämtliche Kleidung. Bis er nur noch da lag, wie die Götter ihn geschaffen hatten: ein nacktes Häuflein Schuld, eine Bestie, ein Monster – ein Dämon.

Man hob ihn erneut an, schleifte ihn ans Ende ds Verlieses. Dort wurde er an die Wand gefesselt mit dicken Ketten aus schwarzem Eisen. Die Gesandten legten sie ihm um die Handgelenke, welches bereits wund gescheuert waren. Sie schlossen sie um die Fußgelenke, damit er nur noch bis zur Hälfte des Raumes vordringen konnte.
"Erwarte dein Urteil", sprach einer der Gesandten, dann wandten sie sich zum Gehen.
"Ich komme nach, sobald der Bann gesprochen ist", sagte Etelin und stand wie der Todesbote selbst mitten im Raum. Er, ein recht kleiner und sonst unscheinbar wirkender Mann, gewandet in Finsternis und Purpur, einen Stab haltend, der den Tod selbst ausströmte ... und er schaute auf das herab, was er als Schüler bezeichnet hatte ... als Sohn.

Etelin wartete, bis die Schritte verhallten; wartete, bis sich die kleine Tür aus schwarze, Kirschholz schloss. Im Velries selbst hing eine winzige Laterne, sonderte nur wenig Licht ab. Gerade genug, um die Bestie zu sehen, wie sie auf einem Strohlager lag, angekettet wie ein gefährliches Raubtier – und dabei war sie noch weitaus schlimmer.

Etelin begann, laute Worte zu sprechen. Silben, Worte, Sätze, die Asmodeus nicht verstand. Magische Formeln, die seinen Geist überstiegen. Er wusste ja nicht, was sie waren ... nur Trugbilder.

"Schau mich an", wisperte Etelin zwischen seinen nichtssagenden Bannsprüchen. "Sieh mich an!"
Asmodeus wollte nicht, doch die Schärfe in diesen furchtbar leise ausgesprochenen Befehlen ließ ihn gehorchen. Er schaute auf. Etelin stand vor ihm, sein Blick war immer noch der eines traurigen Mannes. Doch Asmodeus' Herz blieb beinahe stehen, als er erneut die Stimme erhob, zwischen seinen Zauberworten zu ihm sprach.

"Es tut mir leid, dass das geschehen musste. Aber ich wusste bereits, dass der Rat so reagieren würde. Dies ... ist die letzte Möglichkeit, dich zu retten."
Er zog seinen Umhang zur Seite. Um seine Hüften klammerte sich Zanraia, ihr roter Haarschopf ein flammender Schimmer in der trostlosen Schwärze, die hier vorherrschte – ein Hoffnungsschimmer.
Sie schaute ihn an, betrachtete die Bestie und ihr Blick war ... warm, liebevoll.

Etelin beugte sich zu ihr hinab. "Niemand wird euch hier stören. Ich komme morgen wieder, um nach euch zu schauen. Jetzt geh, du weißt, was du zu tun hast, kleiner Schlüssel. Öffne seine Tore."

Etelin schrie einige seltsame Worte in das Verlies hinein und dann schimpfte er theatralisch: "Was hast du mir nur angetan, was nur?! Verharre hier, elender Dämon! Bestie, ich hasse dich!!! Bleibe, sei gebannt, aus dieser Tür kommst du nicht hinaus!"
Etelin schubste Zanraia, die so klein wirkte, wie ein frisch geschlüpfter Vogel. Er schob sie in eine Ecke, gab ihr eines seiner Untergewänder, legte es über sie. Ein schwarzes Tuch, das ihren sanften Körper verbarg, ihn in Schatten hüllte.

Dann marschierte der Lich aus dem Verlies. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss. Alles war still und das für eine ganze Weile.
Zanraia kam mit dem Umhang auf Asmodeus zu gekrochen. Sie schaute ihn an, setzte sich vor ihn, betrachtete ihn.
"Alles in Ordnung?", fragte sie, als wäre er nur hingefallen und hätte sich das Knie aufgeschlagen.
Zuletzt geändert von Erzähler am Donnerstag 24. Mai 2007, 13:20, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Donnerstag 24. Mai 2007, 14:13

Sie liessen das Raunen und die Todesrufe der Magier hinter sich, als die Gruppe den Saal verliess. Doch in seinem Schädel hallten die Stimmen nach.

<i>Mörder! Bestie! Wesen! Dämon! Die Ausgeburt des Bösen… Er… Asmodeus – der eigentlich Aurelius getauft wurde. Nach dem Namen seines Vaters. Doch er hatte diesen Namen abgelegt am Tage seiner Verfluchung. Nahm jenen des Dämons an. Asmodeus. Denn jedes Mal wenn man ihn ansprach, würde man mit einem Dämon sprechen. Weil ER der Dämon war.</i>

Der Medicus lag im sterben… sein Dämon hingegen. War so stark so unglaublich Mächtig wie je zuvor.

<b> Alter Freund… guter… alter…Freund. GLAUBST DU ICH BIN BLIND?! Häh?! Meinst du ich SEHE es nicht?! Hahahaaha! Oh ich kann Freundschaft nicht verstehen…. Asmodi. WEIL SIE KRANK IST. KRANK! Aber… ich habe sie studiert…. GENAUSTENS studiert. Oohh jaaa! Liebe…. Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe Liebe!!!! Hässliches Wort! Hässliches hässliches Wort! Hahahaha! Lässt dich zum Narren werden. NARREN! Elendiger narr! Stirb! Stirb endlich an deiner verfluchten Liebe! Hahahah! Denn sie ist nur eine Lüge! Lüge Lüge Lüge Lüge!! Und sie zerbricht am Hass! JAAA! Liebe ist herrlich böse. Liebe IST das Böse. Denn nur wer liebe empfangen kann, ist verwundbar! SO WIE DU! Hahahaha! ICH hingegen. ICH bin frei von Liebe. Frei von Zerstörung! Hehehehehe!</b>

Der Dämon kreischte. Kratzte dem Medicus das Herz aus dem Leib. Zerdrückte es, biss darauf herum wie auf einem alten Stück fleisch. Stiess es gegen seine Dunklen Wände und strich es daran aus, bis kein tropfen Blut mehr darin war. Er bespuckte es. Trat darauf herum.

Füllte es mit seiner Finsternis und rammte es ihm zurück in die Burst. An jene Stelle – wo Zanraia ihm vor kurzem so viel Liebe eingeflösst hatte. Die Finsternis in seinem Herzen, dieses Verderben. Ätzte unter der Liebe. Verätzte sein Herz. Langsam. Qualvoll. Dauerhaft. Denn die Finsternis in diesem Herz, war seine eigene. Der Dämon hatte ihm dies zurückgegeben, wofür ER immer geradegestanden war. Denn alle seine Freunde hatten IHN für das beschuldigt was ER heraufbeschworen hatte.

Er lachte. Der Dämon lachte und grinste vor sich her, als die Liebe und die Finsternis – gemeinsam. Beinahe Hand in Hand. Ihn vernichtete.

Er brach zusammen. Er starb. Die Seele sie verblutete.... wurde Leer. Dumpf... forderte Einzug ins Nichts.

Und sie traten es. Sein Meister trat es. Das Nichts.
Niemand half ihm. Niemand berührte ihn und niemand wusste, dass er nichts mehr war. Es würde es auch niemals jemand erfahren. Denn der Dämon selbst… er, legte Hand an dem Nichts an. Er half ihm auf. Er richtete seine Beine auf. Stellte die Hülle wieder auf. Er war es, der den Körper ins Verliess lenkte.

Er grinste dabei und spielte währenddessen mit seinem Spielzeug. Mit der Seele des Medicus. Mit diesem Nichts, dass doch soviel war… denn er entdeckte ein weisses Häufchen. Mitten im Nichts WAR etwas. Existierte etwas. Er musterte es und griff danach.

Das Viech hielt die Asche des kleinen Fünkchens, welches Zanraias Liebe in dem Medicus entfacht hatte in den Händen. Er schaute sie an. Weisse Asche. Er zerrieb sie langsam in seiner Hand. Bis auch das zu Nichts geworden war. Doch wie die Asche fiel, blieb es mitten im Nichts, auf etwas liegen. Es formte es aus. Etwas, dass unsichtbar gemacht worden war. Aber noch existierte. Im Nichts – denn selbst das Nichts hatte es verstossen – wollte es nicht annehmen.

Er stand vor der nackten Seele des Medicus. Kauerte sich zu ihm nieder, sah auf ihn hinab. Denn er hatte ihn noch niederträchtiger gemacht, als einen Dämon. Seine bösen Hände. Seine böse Aura, sie strich über die Seele.

<b> Du bist mein… Aurelius. Du gehörst mir allein!</b>

Zum ersten Mal, sprach der Dämon den wahren Namen des Medicus aus.

<b>Ich werde dir zeigen… wie Dämonen lieben! Hahaahahahah!</b>

Es war Irrsinn. Dämonen liebten nicht.
Er strich um die Seele. Um die Hülle. Um die Innere Hülle von Asmodeus Körper. Er fuhr mit seinen Klauen den Nerven entlang, den Muskeln, der innersten Schicht seiner Haut. Er hörte nicht auf. Strich immer wieder darüber – sanft. Unglaublich sanft. Bis es schmerzte. Bis er die Haut, die Nerven, die Muskeln und alles andere so sehr gereizt hatte, dass es nur noch schmerzte. Er strich ihm Schicht um Schicht, das Leben aus dem Leib, kratzte die Asche der Liebe von seiner Seele.

Sie blieb unter den Nägeln des Dämons hängen.

Des Medicus Seele, war zum Dreck des Dämons geworden.

Mit diesem Dreck… machte er nun was er wollte. Er steckte den gesamten Dreck in den Körper zurück. Gab ihm die Kraft zu Denken, zu Sehen, zu Fühlen.

Es gefiel ihm. Sein Dreck. Er spielte gerne… mit Dreck. Mit einem Ding aus Dreck. Einem hässlichen Ding aus Dreck.
Es lebte. Es atmete. Es fühlte. Es spürte, wie man es in den Keller schubste. Es wollte sterben. Ja. Es wollte noch. Es konnte noch wollen. Doch es wollte nur noch sterben. Da hielten sie es fest. Trugen es ins Verlies. Entblössten es. Ketteten es fest. Sie sprachen es an. Schauten es an.
Es zitterte. Es zitterte furchtbar… und es hörte.

<i>"Schau mich an"</i>

Forderte es jemanden auf.

Es schaute. Doch es erkannte den Lich nicht mehr. Es kannte gar nichts mehr. Denn es konnte nicht mehr kennen – nicht mehr erkennen. Denn es erkannte sich selbst nicht mehr.

<i>"Es tut mir leid, dass das geschehen musste. Aber ich wusste bereits, dass der Rat so reagieren würde. Dies ... ist die letzte Möglichkeit, dich zu retten."</i>

Es hörte. Doch es verstand nicht. Es verstand nicht.
Es lag einfach da. Nackt. Nichts. Weniger als Nichts.
Da blickte es in die Augen von Zanraia.

Es sah die Liebe. Es spürte sie.

Doch es empfand sie nicht mehr.

"Alles in Ordnung?" Fragte es Zanraia.
Es verstand sie nicht.

Es hörte nur und sah nur.

Mehr tat es nicht.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von fremde Frau » Donnerstag 24. Mai 2007, 14:47

Zanraia betrachtete, beobachtete. Suchte nach Asmodeus. doch vor ihm saß nichts ... ein Haufen Elend, etwas, das sie nicht als ihren Asmodeus erkannte. Sie starrte dieses Etwas an, es war ihr fremd.

"Asmodeus? Bist du da?", fragte sie. Ihre Stimme hatte sich so klein gemacht, so mit Unsicherheit gefüllt. Etelin hatte ihr doch gesagt, was sie tun sollte und selbst ihr kleiner, verrückter Teil hatte es begriffen. Sie hatte sich konzentriert, diese Worte zu verstehen, denn sie wollte sie doch verstehen .... wollte Asmodeus retten. Nur sie war dazu in der Lage, hatte der Lich behauptet. Ihr in dem großen Saal zugeflüstert, als sein Stab laut hallend auf dem Boden aufschlug.

<i>Liebe ihn ... sei ein Schlüssel, der ihm andere Welten öffnen wird.</i>

Sie dachte, sie hätte verstanden, aber jetzt? Jetzt saß vor ihr dieser Fremdling, dieses Nichts. Es kauerte sich in sich zusammen, war ein kleines Universum für sich, verschloss sich ... und Zanraia, der kleine Schlüssel, passte nicht.

"Asmodeus ... wo bist du? Ich kann dich nicht sehen."

Ihr Stimmchen, sanft wie eine Feder, leiser noch als ein Windhauch. Ihre Anwesenheit ... so klein, so unsicher, so allein. Was sollte sie jetzt nur tun?

Zanraia kroch näher, näher an dieses Etwas heran, das dort in Keten lag. Sie streckte die Hand danach aus, zog sie rasch zurück. Traute sich nicht. Betrachtete es.
Dann schrie sie, das kleine Stimmchen erhob sich und schrie gepeinigt die Trauer eines einsamen Herzens hinaus. Außerhalb des Verlieses würde sie niemand hören, doch wie sah es hierinnen aus?

Kummervolle, große Tränen kullerten über die Wangen. Aus der jungen Frau war ein kleines Mädchen geworden, ein Kind, gefangen in Einsamkeit ... mit nichts weiter als einem Nichts – und dem Dämon, der dieses Nichts geformt hatte.

Zanraia berührte die nackte Haut, zögerlich erst, dann entschlossener. Sie strich darüber, streichelte ihr das Etwas, den Fremden ... Asmodeus.

"Dämon?", fragte sie in die hereingetretene Stille hinein? "Dämon, was hast du gemacht? Ich spüre Asmodeus nur zur Hälfte ... ich spüre deinen Anteil, aber wo ist ... der Rest? Warum verstümmelst du dich? Warum zerstörst du, was du bist? Es tut doch weh, so unendlich weh. Macht es dich nicht traurig, dich nicht als Ganzes zu sehen?"

"Weißt du ... ich beneide dich ... dich und Asmodeus. Ihr könnt miteinander reden, könnt euch die Schuld teilen für all das. Das macht es erträglich." Sie strich sich ihr Haar zurück, streichelte dann die Haut unter ihren Fingerspitzen, die leicht zurück zuckte, wenn sie darüber fuhr.
"Und dabei ist es gar nicht eure Schuld. Ich war es. Und ich lebe damit jetzt ganz ... allein. Weil ich ihn so lieb hab. Ich wollte ihm nahe sein, dem Asmodeus da drin." Wieder strich sie über die fremdliche Hülle seines Körpers. "Und eigentlich ... wollte ich sogar die nahe sein, Dämon. Denn ihr gehört zusammen, seid eins. Ich beneide euch."

Sie legte sich an den Fremden, kuschelte sich an ihn, bedeckte sich und ihn mit dem Tuch Etelins. Und sie nahm den Körper in den Arm, drückte ihn an sich. Hauchte ihm einen Kuss auf.
"Ich hab euch beide lieb. Nein, nicht getrennt von euch sprechen. Bin keine gute Frau, muss ganz brav sein. Ich hab <i>dich</i> lieb, Asmodeus. Hörst du mich? Dich, sagte ich, ich hab DICH lieb."

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Donnerstag 24. Mai 2007, 15:46

Vor vielen Jahren.

Vor sehr langer Zeit.

Teilte ein Beschwörer Namens Alnadun Shik “ die die eins geworden sind“, in zwei Hälften
.
Über 100 Jahre lang, waren sie entzweit. Zwei Seelen in einer Brust. Zwei Seelen, die sich das Herz teilten. Der Mensch und der Dämon. Die zwei die eins sind. Eins sein müssen. Denn das eine, kann nur mit dem anderen existieren. Sie teilten sich den Lebensnerv.

Heute…

In diesem Augenblick. Fügte Zanraia die zwei Seelen die eins sind, wieder zusammen. Bildete eine Einheit.
Die Schuld. Die geteilte Schuld. Sie vereinte sich. Traf nun auch auf den Dämon.

Die Qual, die Qual des Medicus, sie vereinte sich. Traf nun auch auf den Dämon.

Der Schmerz, der Schmerz des Medicus, er verneinte sich. Traf nun auch auf den Dämon.
Der Hass, der unglaubliche Hass, er vereinte sich. Traf aber ins Nichts.

Die Rache, die unglaubliche Lust auf Rache, sie vereinte sich. Traf aber ins Nichts.

Und…

Zanraia teilte mit beiden Wesen… ihre Liebe. Sie traf nun auch auf den Dämon… und ins Nichts.

Trauer… unglaubliche Trauer. Sie erfüllte den Dämon – der keiner mehr war. Denn er war vereint, mit dem Nichts.
Es weinte. Es weinte glühende blaue Tränen. Tränen eines Dämons. Eines Dämons, welcher die Liebe gelehrt bekam.
Nun weinte er. Weinte es.

Denn er hatte einen Teil von sich selbst getötet. Er hatte sich selbst getötet. Er empfand… tiefe Trauer… und er empfand… so etwas wie Scham… und Wut. Unglaubliche Wut. Denn er wollte nicht trauern. Trauern… war menschlich… und er wollte sich nicht getötet haben.

Es schrie auf. Starrte Zanraia entsetzt an. Stiess sie von sich weg. Wälzte sich am Boden. Kreischte. Krähte. Fluchte. Weinte. Lachte. Keuchte. Röchelte. Trauerte. Verwünschte sich. Verfluchte sich selbst. Bereute. Bereute zutiefst. Erlebte all die Schuld, die auf seinen Taten haftete. Es brüllte. Seine Augen, sie schmolzen zu einem einzelnen blauen Glühen dahin. Sein Körper fing Feuer. Blaues Feuer. Es loderte auf. Erhellte das Verliess mit diesem kühlen Licht. Doch das Feuer brannte nicht auf Asmodeus Haut, sondern auf seiner Seele. Es brannte … verbrannte den Dämon….

Es war leer. Völlig leer Nichts war mehr da. Nichts Gutes. Nichts Böses. Die Liebe. Sie hatte das Wesen vernichtet. Den zweiten Teil. Er war fort. Ins Nichts entschwunden.
Nur noch ein Körper, nur noch eine Hülle lag da in Ketten. Das Feuer erlosch. Es wurde wieder dunkel. Schlaff. Regungslos.
Da lag es nun, weder Mensch, noch Dämon.

Nur das blaue Glimmen in seinen Augenhöhlen war noch da. Die Asche der Seele des Dämons und jene des Menschen. Sie lag ineinander. Die eine weiss. Die andere schwarz. Und obwohl sie nun Eins waren. Blieben sie doch geteilt aber nun in Liebe und nicht in Hass verbunden.
Mit der Liebe von Zanraia.
Doch es konnte noch etwas. Etwas konnte es. Es konnte noch wollen… und es wollte.

„Zanraia... ich will… bei dir sein.“

Die Stimme – es war eher ein Hauch.. die Stimme des Medicus. Die Stimme des Dämons. Sie war eins geworden... Irgendwo aus diesem Ding heraus erklang sie. Irgendetwas in dem Ding, erkannte sie. Es war noch da. Es war zu Liebe geworden. Es lebte. Es wollte leben. Wollte sich erinnern, wer es war. Irgendwo in dieser Hülle, lebte es noch. Lebte… er noch… und er. Doch es hatte sich vergessen.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von fremde Frau » Donnerstag 24. Mai 2007, 16:38

Zanraia hörte den Schrei, schon riss es sie fort. Was immer gerade Asmodeus Körper beherrschte, schleuderte sie fort. Weit weg. Zanraia schlug gegen die nächstbeste Wand, blieb zunächst reglos liegen. Doch die Angst um den Dämon, um ihren Asmodeus, um beide, die soeben eins wurden, war größer. Rasch rappelte sie sich auf und starrte auf den sich windenden Körper. Er schrie, schrie so bestialisch laut und gequält, dass Zanraia sich wieder auf den Boden stürzte und sich die Ohren zu hielt.

"Aufhören! Bitte!", bettelte sie, doch niemand konnte sie hören. Die Bestie, das Ungeheuer im Körper des Medicus starb. Es verschwand, es war vernichtet. Blaues Feuer brannte es aus. Wo Adelmunds reinigendes Licht den Dämin zurückgedrängt hatte, reinigte das blaue Feuer nun die Seele vor ihm. Aber es vernichtete ihn nicht ganz, zerstörte ihn nicht in ein Nichts, ebenso wenig, wie es die Seele des Medicus komplett zerstört hatte. Zurück blieb Asche. Ein kleines Häuflein schwarzer Asche. Direkt daneben die weiße Asche. Zwei Häuflein unterschiedlicher Farbe, zwei Seelen unterschiedlicher Eigenschaften ... zwei Hälften, die noch nicht ganz vereint waren. Jemand musste das Mosaik zusammenfügen. Steinchen für Steinchen.

Und dieser Jemand rannte nun flink zu dem sich windenden Körper hinüber, der noch immer unter dem hellen, blauen Feuer erglühte. Dabei verlor dieser kleine Jemand das schwarze Tuch, welches nun langsam in den Staub sank.
Dieser kleine Jemand baute sich vor dem Feuer auf. "Du wirst nicht verbrennen! Ich mach es aus!" Und dann trat Zanraia mit dem Füßen. Trat auf jedes Flämmchen und auf jede Stelle, die noch blau leuchtete. Nur die Augen ließ sie in Ruhe, in ihnen strahlte das einzige Fünkchen, welches ihr signalisierte, dass es sich nicht um eine leere Hülle handelte, die sie soeben auf ihre leicht verrückte Methode rettete. Das Feuer selbst verletzte sie nicht, es schien tatsächlich unter ihren kleinen Füßen zu erlöschen.

Endlich erloschen die Flammen. Die junge Frau sank erschöpft neben dem Körper nieder. Neben dem Körper, der nun von niemandem mehr bewohnt zu sein schien.
"Asmodeus? Dämon?" Ihre Fragen nach den Seelenteilen waren nur ein Flüstern, so gut wie nicht hörbar. Sie begann zu schluchzen, war nur noch ein Häuflein Elend. "Etelin ... ich hab's nicht geschafft. Bin keine gute Frau. Ich hab sie ... kaputt gemacht. Sie sind kaputt ... Das wollte ich nicht."

Immer kleiner wurde das rote Trauerhäuflein neben dem Körper, dessen Augen leicht bläulich vor sich hin glimmten. Zanraia rollte sich zusammen, wurde zu einer so winzigen Kugel, einem Ball aus Trauer. Sie weinte ... weinte um die, die sie verloren hatte ... die sie zerstört hatte. Und sie weinte, weil sie allein war. So asmodeusseelenallein.

<i>"Zanraia... ich will… bei dir sein."</i>

Diese Stimme! Zan schaute auf. Sie schaut auf den Körper, auf die Augen. Sie glimmten noch, leuchteten ganz schwach. Und der Mund ... er bewegte sich, ebenso schwach. Die Brust, sie hob und senkte sich, kaum sichtbar.

Zanraia warf sich auf den Mann, der nun weder Dämon noch Medicus war. Sie lag weinend auf ihm, benetzte die Haut mit ihren Tränen, lag weder auf Aurelius, noch auf Asmodeus, sie lag einfach nur auf <i>ihm</i>. Und sie wagte es nicht, seinen Namen auszusprechen, wusste sie doch nicht, ob er noch immer Asmodeus oder Dämon war. Zanraia war nur eines wichtig: dieser Mensch lebte.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Donnerstag 24. Mai 2007, 17:10

Es war noch da.
Es hörte.
Es lag einfach nur da.
Ausdruckslos.
Leer.

Mit diesen glimmenden Augen. Es rührte sich nicht als Zanraia drauftrat um die Flammen zu löschen. Keine Reaktion.

Nichts.

Es sagte nur diesen einen Satz. Äusserte diesen einen Willen – einen Wunsch. Es wünschte. Also träumte es… und nur was lebte – konnte Träume haben.

<i>"Asmodeus? Dämon?"</i> Es hörte.

Nahm stumm in sich auf. Es hörte die Namen. Hörte seine Namen. Doch es erinnerte sich nicht. Es hatte vergessen. Es kannte nur einen Namen. Zanraia.

Es atmete ruhig, langsam nur gerade soviel um zu leben. Nicht mehr. Nicht weniger.

Das Herz, es pumpte, ruhig, langsam nur gerade soviel um zu leben. Nicht mehr – und nicht weniger.

Es rührte sich nicht.

Starrte ins Dunkel der Decke.

Sah nichts.

Doch es spürte. Es spürte wie Zanraia auf die Hülle lag. Es spürte die Tränen. Es spürte ihre Aura und es roch ihren Duft. Er drang in die Hülle ein.

Neckte und Kitzelte es und lockte es hervor.

Dieser Wunderbarere Duft der Unschuld.

Da tat es ein bisschen mehr als nur atmen. Es genoss und es dankte. Es genoss den Duft der Unschuld und war dankbar dafür.

Sie schenkte ein wenig von ihrer Unschuld.

Nur gerade soviel um zu hoffen. Nicht mehr. Nicht weniger.
Das glimmen flackerte auf. Es lächelte. Ganz kurz. Einen Augenblick nur lächelte es. Denn es fühlte sich geborgen.

„Zanraia… wo bist du? Sehe dich nicht… Zanraia.“ Hauchte diese Stimme wieder.

Genau so wie Zanraia Asmodeus nicht mehr sehen konnte, konnte er auch sie nicht mehr sehen. Nur leere Augenhölen... und dieses glimmen. Denn die Seelen waren zu Asche geworden und hatten sich abgekapselt. Nur die Liebe verband sie noch mit der Welt… und mit sich.

„Zanria…wo bist du? Sehe dich nicht…Zanraia.. ich will bei dir sein.“

Wiederholte es. Ausdruckslos. Monoton. Mit dieser seltsamen Stimme.

Kein Gefühl lag in der Stimme.

Nur ein Wille.
Zuletzt geändert von Asmodeus am Donnerstag 24. Mai 2007, 17:13, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von fremde Frau » Donnerstag 24. Mai 2007, 17:31

Zanraia schluckte ihre Tränen hinunter. Sie hatte nun eine neue Aufgabe ... Antworten, da sein. Für <i>ihn</i> da sein.
"Ich bin hier", flüsterte sie und betrachtete das Glimmen in den Augenhöhlen. Es beruhigte sie, denn es strahlte selbst so viel Ruhe aus. Und dennoch ... das einzige Lebenssignal der Art von Leben, die zeigte, dass diese Hülle eine Seele besaß. Ja, <i>eine</i> Seele. Keine Seelenteile mehr. Sie wuchsen zusammen. Zanraia sorgte dafür, würde es tun. Sie wusste nur nicht wie, wusste ja nicht, dass sie es tun musste. Wusste nicht, dass es zwei Aschehaufen gab.

"Ich bin da", wiederholte sie und drückte sich ganz eng auf den Körper. "Fühlst du mich? Spürst du mich? Du siehst mich ... schau in dich hinein. Ich bin da. Du kannst mich sehen." Wieder strömten Tränen aus ihren Augen, diesen wunderschönen bläulich schimmernden Augen. Azurblau ... Traumblau ... mit einem kleinen silbernen Flackern darin. Der Silberstreif am Horizont. Hoffnung ...

<i>"Zanria…wo bist du? Sehe dich nicht…Zanraia.. ich will bei dir sein."</i>

"Du bist bei mir", entgegnete sie und berührte sein Gesicht, strich ihm über die eingefallenen Wangen. "Niemand sonst ist hier. Wir sind ganz allein, nur wir. Ich gehöre nur dir."
Zanraia küsste ihn auf die Stirn, auf beide Wangen und auf den Mund. Dann betrachtete sie wieder die glimmenden Augenhöhlen. Wie kleine blaue Sterne funkelten sie diese Lichter an.

"Ich kann dich sehen", wisperte Zan schließlich und gluckste. "Du lachst mich an. Ich seh dich ... Asmodeus?" Sie wusste nicht, ob der Name noch passend war. War es sein eigener? Und der Dämon?
"Ich sehe dich ... du bist wunderschön." Sie kuschelte sich auf seine Brust, drückte ihren Kopf unter sein Kinn, suchte sein Herz, wollte den Herzschlag hören.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Donnerstag 24. Mai 2007, 17:56

Es schwieg. Es horchte in sich hinein. Versuchte zu sehen. Versuchte Zanraia zu sehen. Suchte nach ihr. Suchte in dieser dunklen Hülle nach ihr. In diesem Nichts. Blind suchte es. Fand nichts. Sah nichts.

Doch es spürte. Spürte wie Zanraia es berührte. Es hatte also eine Form? Es wusste nicht, dass es eine Form hatte. Es wusste nur, dass es lebte. Alles andere. Hatte es vergessen. Es hatte einen Körper… einen Körper für die Seele.
Es spürte Zanraia und durch ihre Berührung spürte es sich selbst. Doch die Form brauchte einen Namen.
"Du lachst mich an. Ich seh dich ... Asmodeus?"

„Asmodeus.“ Sprach es. „Mein Name? Ich habe einen Namen? Ich… BIN? Was bin ich?“

Wieder sprach es ausdruckslos. Monoton. Teilnahmslos. Verzog keine Miene. Sprach einfach und hörte…

<i>“Du siehst mich ... schau in dich hinein. Ich bin da. Du kannst mich sehen.“</i>

Es suchte erneut. Es suchte stundenlang. Lag einfach da und suchte. Der Körper. Er verharrte. Reglos. Das Glimmen erlosch beinahe - und es sah für diese Stunden so aus, als wäre das Wesen, die Seele in seiner Suche verschollen und gestorben.

Doch es suchte.

Nach einer halben Ewigkeit – es kannte keine Zeit mehr. Verformte es seine Lippen wieder. Doch es schwieg. Es hörte nur.

<i>"Ich sehe dich ... du bist wunderschön."</i>

Sie legte den Kopf auf die Brust, an jener Stelle wo darunter das Herz schlug. Es spürte den Schlag. Es lebte?

„Zanraia… lebe ich? Ich finde dich nicht. Hier ist alles Leer. Ich sehe dich nicht… aber ich will dein sein.“

Es konnte sich nicht finden, es konnte sich nicht sehen. Weil es nicht wusste wer es war. Was es war und wie es aussah. Es wusste nicht, wonach es suchen musste. So streifte es immer wieder an seiner Seele vorbei ohne es zu merken.
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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von fremde Frau » Donnerstag 24. Mai 2007, 18:24

Zanraia zog den Kopf hoch, wegm vom Herzschlag, weg von der Brust. "Natürlich bist du ... was für eine Frage!" Zan schaute ihn beinahe empört an. Sie hatte doch nicht das Feuer für nichts ausgetreten! Hatte sich doch nicht für nichts in diese Gefahr begeben! Sondern für <i>ihn</i>. Warum?

"Ich liebe dich, Asmodeus. Wenn du nicht da wärest, was würde ich dann lieben?" Zanraia, kleiner Schlüssel zu verstoßenen Seelen, legte sich ins Schloss, doch noch drehte sie sich nicht herum. Noch nicht.
Es konnte sie noch nicht sehen, nahm gerade einmal ihre Gefühle war. Es war noch hilflos, musste lernen. Musste sich erinnern.

"Du lebst – ja, du lebst, auch wenn es leer ist. Du sprichst doch zu mir!" Das ganze nagte an Zanraia. Da lag er, ihr Asmodeus und benahm sich so seltsam. Hatte sie ihn etwa doch zerstört. "Etelin, hilf mir. Ich weiß nicht weiter." Sie brach wieder schluchzend auf dem Körper unter ihr zusammen. Sie hatte für diesen Mann so viele Tränen geweint und er erinnerte sich nicht einmal an seinen eigenen Namen! Wusste nicht, ob er lebte.
"Du lebst, hörst du? Du fühlst, du atmest, du hörst mich. Du lebst!" Sie beging eine letzte verzweifelte Tat. "Warte hier", sagte Zanraia – als würde ES etwas Anderes tun können. Schnell jedoch fügte sie noch hinzu: "Ich gehe nicht fort, ich bleibe bei dir. Hab keine Angst, ja?"

Doch dann erhob sie sich, ihre Wärme schwand, ließ nur noch mehr Leere zurück. Wo war sie hin. Es konnte sie nicht sehen, konnte sie nicht mehr spüren!

Zanraia lief in die Mitte des Verlieses, kniete sich halb nieder und hob das kostbare Geschenk Etelins auf: den Umhang, das schwarze Tuch, das sie verborgen hatte. Vielleicht ...
Sie kehrte zurück, legte sich wieder auf den Körper, den sie hatte warten lassen. Zan deckte sich und ihn erneut mit dem Tuch zu. "Fühlst du das? Es ist von Etelin, deinem Meister. Weiß du noch, wer Etelin ist?" Plötzlich musste sie lachen. "Er ist lustig. Er trinkt so viel Tee ... und guckt immer ganz komisch, wenn ich dich gemocht hab."

"Ich mag dich immer noch ..." Zanraia erinnerte sich an die besonderen Stellen, an denen Asmodeus ihre Liebkosungen so genossen hatte. Der Hals, die Innenseiten der Schenkel ... seinen Mund.
Sie beugte sich über ihn und drückte ihre Lippen auf seine, innig und erfüllt von dem Wunsch, dass auch er dasselbe empfand wie sie. Sie glitt das Kinn hinab – das Bärtchen kitzelte sie – und liebkoste seinen Hals. Ihre Hände unter dem Tuch wagten sich in tiefere Regionen vor. Jetzt, da der Dämon doch nicht mehr als Teil zu spüren war, sondern nur noch als Ganzes, zusammen mit dem Medicus, konnte er ihr doch nicht mehr wehtun.

<b>Oder doch? Nein ... </b>

Zanraia war überzeugt, sie war sicher bei ihm. Sie war immer sicher gewesen. Und nun durfte der dämonische Teil auch Anteil haben an dem, was Asmodeus und Zanraia so stark verbunden hatte. Was ihnen beiden immer gut getan hatte. Körperliche und seelische Liebe ... auch immer zu zweit und als ein Ganzes die stärkste Magie Celcias.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Donnerstag 24. Mai 2007, 18:52

<i>"Ich liebe dich, Asmodeus. Wenn du nicht da wärest, was würde ich dann lieben?"</i>
Diese Augen. Diese Augen die keine mehr waren sie starrten einfach an die Decke. Mittendrin das Glimmen dieser blaue Schimmer.
Doch es hörte noch immer.
<b> Ich werde geliebt… also bin ich!</b> Es dachte. Es begann zu denken!
<i>"Du lebst, hörst du? Du fühlst, du atmest, du hörst mich. Du lebst!"</i> <b> Ja… ich kann dich hören! Ja ich kann spüren wie ich atme. Ich lebe. Ich bin. Ich werde geliebt. Ich bin Asmodeus.</b>
<i>"Ich gehe nicht fort, ich bleibe bei dir. Hab keine Angst, ja?"</i> Es lag einfach nur da. Spürte wie ihre wärme verschwand. Ihren Duft.
„Zanraia?! Zanraia?! Zanraia?! Zanraia… ich kann dich nicht sehen! Ich kann dich nicht spüren! Zanraia… will bei dir sein. Asmodeus… will bei dir sein. Ich… bin… Asmodeus!“ Seine Stimme hatte sich verändert. War nicht mehr monoton. Nicht mehr leer. Sie war gefüllt von Angst um seine Liebe. Ja – Emotionen. Gefühle. ER hatte wieder Gefühle.
Er hörte erst auf nach ihr zu rufen. Als sie wieder dicht bei ihm war. Atmete wieder ruhig. Be-ruhigt.
„Nicht weggehen…“ Sagte er. Sagte Asmodeus. Doch noch war seine Seele gespalten und abgekapselt. Noch konnte er nicht gänzlich ins Leben zurücktreten. Er wüsste nicht wer Etelin war. Er wusste nicht einmal mehr was Tee war.
Da begann sie ihn zu küssen, zu liebkosen. Sie neckte ihn, kitzelte ihn und lockte ihn aus der Leere hinaus ins Licht.
Da vereinigte sie sich mit ihm und öffnete das Tor. Denn nun war alles in Liebe Verbunden. Seine Seelen, Zanraia und mit ihr auch das Leben. Er liebte und wurde geliebt. Er – Mensch wie Dämon – die welche irgendwie Eins war.
Seine Augenhöhlen strahlten auf wieder weinte er leuchtende Tränen. Hellblau. Hell. Unglaublich hell.
Er sah das Licht.
Er sah!
Er lächelte.
Sein Körper krampfte, er japste nach Luft. Keuchte, röchelte. Spürte Schmerz. Spürte Liebe. Spürte Leben. Die unglaubliche Kraft die da wiedergeboren wurde – sie sprengte seine Ketten. Er bäumte sich auf und sah Zanraia an wie sie über ihm wahr und ihn liebte… ihn rettete. Er sah tief in ihre blauen Augen. Seine eigenen – sie strahlten nur noch in diesem Licht. Doch er sah. Er sah direkt mit seiner Seele. Die eine Seele.
„Ich… sehe dich Zanraia!“ Nun war es Asmodeus Stimme – welche Zanraia kannte. Sie hatte ihn zurückgeholt.
Er lebte.
Aber für eine Widergeborene Seele, war es nicht leicht die Eindrücke zu verarbeiten, die plötzlich wie eine Flut auf sie eindrang. Sie überwältigten ihn. Obwohl er sich an nichts erinnern konnte überwältigte ihn allein der Anblick von Zanraia. Der Anblick der Ketten, seines Körpers, des Tuches, der Wände. Dunkle Wände. Sie machten ihm Angst. An welch dunklem Ort war er nur geboren?
Er starrte Zanraia an. Verwirrt. Ängstlich… und doch unglaublich Glücklich.
„Ich kann dich sehen!“ Sagte er wieder – ehe sich sein Körper die Ruhe nahm, die er so sehr benötigte. Er knallte zu Boden. War Bewusstlos. Denn tief in seinem Inneren, musste vieles neu geordnet werden.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 24. Mai 2007, 20:50

Zanraias Augen erstrahlten, in ihnen spiegelte sich das Leuchten wider, welches aus den Augenhöhlen von Asmodeus drang. Nein, es waren seine Augen, die so leuchteten.

<b>Wie zwei Sterne ... zwei Monde, blaue Monde. Groß, schön lebendig.</b>

Die Frau lächelte, beugte sich zu ihm, schmiegte ihr Gesicht an seines, wollte ihm so nah sein wie keine andere. Noch immer kullerten Tränen ihre Wangen hinab, aber jetzt waren es Tränen der Freude und Glückseligkeit. Wie dunkel und finster, wie trostlo dieser Ort auch war, nichts konnte ihr Glück mildern. Nichts.

"Ich bin so froh", flüsterte sie, als er ihr endlich mitteilte, sie sehen zu können. Und dann fiel er zurück, zurück auf den harten Boden. Die Erschöpfung holte ihn ein. Seine junge, neugeborene Seele und sein alter Körper mussten sich erholen. Zanraia löste sich nicht von ihm. Sie legte sich einfach auf ihm nieder, lauscht noch einmal seinem Herzschlag. Er beruhigte sie, machte auch sie schläfrig.

Sie wiederholte Worte, die sie ihm schon einmal gesagt hatte. Zan hatte das Gefühl, sie würden Asmodeus helfen, sich schneller wieder an alles zu erinnern. An sein altes Leben, an sie, Etelin und sich selbst.
"Schlaf, Dämon, schlaf ... ich behüte dich." Doch dann veränderte sie ihre Wortwahl. "Schlaf, Liebster, schlaf ... ich behüte dich." Schon schlummerte Zanraia selbst ein, denn auch sie hatte einiges durchgemacht.

Stille erfüllte das unsichtbare Verlies. Zwei Liebende schliefen. Wie lange? Niemand konnte es sagen, aber sie schliefen lange. Irgendwann regte sich Zanraia, rutschte einfach von Asmodeus herunter, zog den Umhang, das Tuch Etelins, mit sich. Sie rollte sich an Asmodeus' Seite zusammen wie ein Hund an seinen Herren.
Asmodeus spürte die Kühle auf seiner Haut. Nicht unangenehm, aber auf Dauer auch nicht gern gefühlt. Langsam erwachte er, fand sich wieder an diesem seltsamen Ort. Dem Ort seiner Wiedergeburt. Finsternis, Ketten, Trostlosigkeit. War sein neues Leben so schrecklich? Aber Zanraia war da, lag schlafend an seiner Seite. So schlimm konnte es also nicht sein. Nein, dass sie da war, verbesserte die Angelegenheit erheblich.

Wenn er nur wüsste, wo er war! Dunkle Erinnerungen kreisten in seinem Kopf, Erinnerungen an ein vergangenes Leben, das irgendwie noch nicht weit zurücklag. Aber sie schwammen immer nur knapp unterhalb der Oberfläche. Keine wagte sich aus den Wassern.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Donnerstag 24. Mai 2007, 23:32

Er schlief. Schlief einen traumlosen Schlaf – und doch geschah so vieles. Die Seele, sie zog gänzlich in seinen Körper ein, umhüllte seine Haut, seine Muskeln, seine Nerven, seine Vergangenheit. Es umhüllte das verätzte Herz und füllte es neu. Wieder setzte es einen Schlag aus – starb um ebenfalls wiedergeboren zu werden.
Mit Freuden erfüllte es nun seinen Dienst.
Die Luft die er Atmete. Er sog sie ein, füllte seine Lungen mit neuem Leben – und hauchte das alte aus. Sog dabei Zanraias Duft ein. Jener süssliche Duft, welche ihm so viel bedeutete.
So warm und so hell seine Augen leuchteten, so kalt war sein Atem. Eiskalt. Er mahnte von dem was war, von dem was nun entwichen war.
Glaubte er zumindest.
Doch konnte er noch glauben? Ja. Konnte er.
Er war aus dem Nichts geboren worden. Er glaubte nur ans Leben, an die Liebe und an Zanraia.
Er spürte Zanraias warmen Körper auf seiner Haut. Ihren Herzschlag. Ihre Finger. Ihre Haare. Ihre Liebe… und fühlte sich dabei so Geborgen.
<i>"Schlaf, Dämon, schlaf ... ich behüte dich."</i> Ja… der Dämon. Er wusste, dass er noch da war. Seine Präsenz war gross. Doch der Dämon schlief. Träumte von der Liebe. Von dieser unglaublich schönen Liebe. Schlummerte in diesem Traum – und fühlte sich dabei auch so Geborgen.
Denn selbst er, war nun nackt und verletzlich geworden und euch er war erschöpft von den neuen Eindrücken – Liebe... und dem Verständnis für Freundschaft. Denn er war nun wieder eins mit Asmodeus und auch ihm wurde jegliche Erinnerung entsagt.
<i>"Schlaf, Liebster, schlaf ... ich behüte dich."</i>
Er schlief und liess sich behüten. Hier an diesem Ort liess er sich behüten, an jenem Ort – wo er eigentlich hätte allein sein sollen – mit der Schuld an welche er sich noch nicht erinnern konnte. Denn im Moment war er nur mit Liebe gefüllt.
Da wachte Zanraia auf und rutschte von seinem Körper ab. Rollte sich neben ihm zusammen. „Zanraia?“ Flüsterte er. Wollte sie wiederhaben. Auf ewig mit ihr zusammen sein. Denn er hatte Angst vor diesem Ort. Angst vor der Aura, welche hier herrschte. Er zitterte. Erst – wo Zanraia nicht mehr auf ihm lag. Spürte er, wie unendlich kalt es an diesem Ort war.
Wusste wohl wer er ist – Asmodeus. Doch nicht… wer er war und noch weniger, was er getan hatte und gleichzeitig wusste er, dass er was Furchtbares getan haben musste. Doch erst musste die Seele, welche nun offen – für jeden Sichtbar in ihm war, wieder Kraft finden.
Er öffnete seine Augen. Sah ins schwarz der Decke. Erkannte in welcher Finsternis er war. Arglos lag er da, sah die Ketten welche er gesprengt hatte. Sah dass er nackt war. Sah… dass er in einem Verliess war. Er ahnte es nicht. Wusste es nicht. Lag einfach nur da und wartete. Versuchte sich zu erinnern doch noch Schützte sein Verstand ihn. Blockierte die Erinnerung.
Langsam bewegte er sich. Sein Körper – er fühlte sich unglaublich ausgelaugt an. Jeder Muskel zu spannen war anstrengend. War er schliesslich einige Zeit herrenlos gewesen. Er stöhnte auf und sah dann das kleine rothaarige Bällchen neben sich liegen. Sah seine Retterin. Die ihm als Licht in all dieser Dunkelheit Bot. Die ihn aus dem Nichts befreit hatte. Nun lag sie da. Schlummernd. Schlafend. Friedlich. Er hob seinen Arm. Die Kette klirrte. Die Schuld welche er gesprengt hatte. Welche ihn vernichtet hatte. Sie hing noch an ihm. Doch er ahnte es nicht.
Er richtete sich langsam auf. Sah an seinem Körper hinab. Er sah einen grossen blauen Fleck in seiner Flanke – Etelins tritt. Er wusste nicht, dass es einer war. Dachte das gehöre einfach zu ihm. Wäre ein Teil von ihm.
Er kniete der schlafenden Zanraia hin. Beugte sich über sie. Strich ihr sanft übers Haar. Übers Ohr. Über ihre Wange…
Und mit seinem kalten Atem hauchte er die Worte. „Danke, dass du mich behütet hast. Wächterin meiner Seele.“
Ein scheuer Kuss, drückte er ihr auf die Wange. So sanft, wie ein Hauch. Dies war der Kuss des Menschen. Dabei kullerte auch eine dieser blauen Träne auf ihre Wange. Dies war der Kuss des Dämons.
Der dankbare Kuss.
Dann stand er auf. Irrte im dunkel herum, schweigend. Berührte die kalten Wände. Fuhr den kerben entlang. Schaute sich die kleine Laterne an und das schwarze Blut auf dem Boden. Er nahm alles in sich auf. Versuchte es zu verarbeiten… und glaubte, dass dies die gesamte Welt war und Zanraia und er, das einzige Leben.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Erzähler » Freitag 25. Mai 2007, 00:18

Zanraia lächelte, als sie der Hauch berührte, der Asmodeus' Kuss war. Sie gab ein leises, aber sanftes Brummen von sich, als die schillernd blaue Träne auf ihre Wange tropfte. Wie ein kleiner Edelstein blieb er auf ihrer Wange liegen und schimmerte in blauem Glanz.
Zanraia schlief weiter, eingekuschelt in das schwarze große Tuch.

Asmodeus erkundete das Verlies. Die Fesseln waren gesprengt, er konnte sich bis ans andere Ende bewegen. Doch ganz wagte er es noch nicht.
Langsam, wie ein junges Kitz, das zum ersten Mal aus dem Wald auf die Felder trat, bewegte er sich voran. Er tastete die Wände ab, erkundete die kleine Laterne, beobachtete das flackernde Licht. Das war also die Welt ... nicht sehr groß, aber er und Zanraia waren auch das einzige Leben.

Asmodeus' Welt vergrößerte sich. Das Knarren machte ihn auf die Erweiterung aufmerksam, dann der dünne Lichtstrahl, der in die Finsternis des Verlieses fiel.
Er würde seinen Fluchtweg vergessen ... warum kam ihm dieser Gedanke plötzlich in den Sinn und woher kam er?

Jemand betrat seine Welt. Ein höheres Wesen? Sein Schöpfer? Ein Gott? Wenn ja, so sah er genauso aus wie seine Welt. Das Licht, das durch die kleine Kirschholztür fiel, schwand, als der Weltenbesucher selbige schloss. Er trat ins Licht der Laterne. Seine Gestalt wirkte unheimlich. Asmodeus verspürte Angst, vor allem vor dem Neuen in seiner ihm selbst noch so unbekannten kleinen Welt.

Dieser Besucher stand zunächst nur da, schaute ihn an. Schaute ihn aus leuchtenden Augen an. Leere, rot leuchtende Augen. Alles andere an ihm wirkte entweder schwarz oder gräulich. Sogar der Stab, den er hielt und der wesentlich größer als er selbst war, wirkte unheimlich – und schwarz. Aber er fiel, stürzte zu Boden. Prallte auf, ein seltsamer, für Asmodeus neuer Ton erfüllte seine Welt. Seltsam, aber nicht ganz unbekannt. Er kannte dieses Bild eines fallenden Stabes. Dieses Bild einer schwarz gewandeten Gestalt. Und diese schien ihn auch zu kennen.

"Asmodeus ... deine Augen ..." Mit eiligen Schritten kam Etelin auf Asmodeus zu, doch er war zu schnell, zu intensiv in diese Welt getreten. Asmodeus erkannte ihn (noch) nicht. Er wich zurück, bis an die Wand.
"Etwas stimmt nicht. Was ist geschehen. Wo ist Zanraia? Aber ich bin ... froh, dass es dir besser zu gehen scheint. Deine Augen ... sie strahlen Lebendigkeit aus." Der Lich kniete sich zu seinem Schüler nieder, zu dem Verurteilten. Was war mit diesem nur geschehen? Zanraia musste eine Veränderung bewirkt haben, aber selbst Etelin hatt das Ergebnis nicht voraussehen können.
Nun hockte es vor ihm, zusammengekauert wie ein kleine ängstliches Tier. Asmodeus wirkte wie ein Kind, das zum ersten Mal seine Umgebung wirklich warhnahm. Neugier schimmerte in diesen seltsamen, neuen Augen und zugleich krümmte er sich ängstlich in die Ecke, zitterte. Neues konnte immer Gefahr bedeuten.

Der Lich, der nicht empfinden konnte, streckte eine Hand nach ihm aus. Er hielt sie ihm hin, wie einem Hund, damit dieser schnuppern und neue Eindrücke gewinnen konnte.
"Asmodeus, ich bin es. Etelin. Dein Meister. Hast du mich vergessen?"

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Freitag 25. Mai 2007, 01:05

Asmodeus wandte sich sogleich um als er das Knarren hörte. Er sah dem befremdlichen Geräusch entgegen, versuchte dessen Quelle zu Orten. Denn es zeigte ihm, dass seine Kleine Welt… von einer noch viel grösseren Umschlossen war. Er trat vorsichtig näher, sprang aber sogleich erschreckt zurück als sich die Tür bewegte, als Licht in den Raum fiel. Ein schwaches Licht. Doch immerhin Licht. Er betrachtete es, sah wie es die Dunkelheit durchschnitt. Ein schmaler Lichtstreifen unaufhaltsam.

Er wollte es berühren, dass Licht. Doch er warf nur einen Schatten darauf.

Schatten.

Er sah an die Wand, sah <i>seinen</i> Schatten.
<b>Fluchtweg! Da ist der Fluchtweg!</b>

Er verharrte. War verwirrt. Ein verwirrter Gedanke – aus einem vergessenen Leben. Er stutzte. Wollte darüber nachgrübeln, wollte wissen was sich da in seine Welt eingeschlichen hatte. Was mit ihm kommunizieren wollte. Doch da wurde der kleine Lichtstrahl dunkel. Etwas anderes warf seinen Schatten darauf. Er sah hoch.

Sah dieses Wesen auf ihn zukommen. Mit diesen roten Augen. Die ihm tief in die Seele schaute und doch selbst, so leer wirkte. Es ängstigte ihn. Er zitterte und zuckte zusammen als dessen Stab fiel.

Er sah ihm nach – dem Stab, hörte dieses Geräusch. Dieses seltsame Geräusch. Für einen kurzen Moment sah er den Boden des Ratsaals und nicht das schwarze Blut.

Eine Erinnerung. Eine einzelne, kleine , zerbrechliche Erinnerung.

<i>"Asmodeus ... deine Augen ..."</i>

Er war verwirrt.

Was war mit seinen Augen?

Was wollte dieses Wesen von seinen Augen?

Der Fremde kam hastig näher. Asmodeus warf sich zurück, kauerte in die dunkelste Ecke und versuchte sich von diesem Wesen zu verstecken. Hoffte, dass die Dunkelheit ihn verschlang. Er zitterte, schützte sein Gesicht – verbarg seine Augen. Er vergrub sich noch mehr in seine Arme als er hörte wie der Fremde auf ihn zukam.

<i>"Etwas stimmt nicht. Was ist geschehen. Wo ist Zanraia? Aber ich bin ... froh, dass es dir besser zu gehen scheint. Deine Augen ... sie strahlen Lebendigkeit aus."</i>

Er guckte den Fremden kurz an. Er kannte Zanraia? Wer war er? Sein Gott? Sein Schöpfer? Er wollte ihm nicht sagen wo Zanraia war. Hatte angst er könnte ihr Wehtun – sie ihm wegnehmen. Seine kleine Welt zerstören.

Da streckte ihm der Lich seine Hand entgegen. Asmodeus zog sich erst noch weiter zusammen, krümmte sich noch mehr, versuchte sich noch kleiner zu machen. Erst nach einigen Sekunden, guckte er wieder. Sah die Hand. Auch er hatte Hände. War er auch so wie er? Er sah zu dem Fremden hoch.

<i>"Asmodeus, ich bin es. Etelin. Dein Meister. Hast du mich vergessen?"</i>

Er sah ihn an. Verwirrt. Verängstigt.

„Meister?“

Also doch ein Gott? Doch sein Schöpfer? Sein Meister? Er wusste nicht, dass er sein Meister war. Er hatte ihn vergessen! Für ihn war er ein Fremder. Er hatte seinen Meister vergessen?! Dieser muss erzürnt sein. Böse sein auf ihn.

Er zitterte. Sah seinen Meister an. Nahm langsam seine Hände runter, die Ketten klirrten. Hatte er ihn in diese Ketten gelegt? War er böse gewesen zu seinem Meister?

„Meister?“

Wiederholte er wieder und kroch auf ihn zu. Legte seine Stirn auf den kalten Boden.

Kniete unterwürfig vor Etelin. Nackt und Schutzlos mit dem dicken dunkelblauen Flecken an seiner Flanke.

Zitterte dabei.

Hatte angst.

Doch eine Frage brannte ihm auf der Seele, seit er ihm das erste Mal in die Augen gesehen hatte.

„Meister…warum strahlen eure Augen keine Lebendigkeit aus?“ Fragte er scheu und drückte seine Stirn fester auf den Boden. Zitterte noch mehr.

Vielleicht war er ja gekommen um seine Augen zu holen. Diese schloss er. Kniff sie ganz fest zusammen.

Versuchte sie zu schützen.
Zuletzt geändert von Asmodeus am Freitag 25. Mai 2007, 01:16, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von fremder Mann » Freitag 25. Mai 2007, 02:58

Dieses kleine schutzlose Wesen, zu dem Asmodeus geworden war, kauerte sich in die Ecke, bedeckte seine Augen, kaum dass Etelin darauf aufmerksam geworden war.

<i>Meister?</i>, fragte er mit der Scheu eines kleinen Würmchens, das man heimlich mit den Fingern in der Gebäckdose erwischt hatte. Etelin war überrascht ... aber auf die Etelin-Art. "Interessant", murmelte er und legte dabei musternd den Kopf schief. "Du musst mir alles genau erzählen, sobald du wieder klar denken kannst. Diese Augen ... als könnte ich darin deine dunkelsten Geheimnisse und größten Träume ablesen."

Er begutachtete Asmodeus und erst jetzt bemerkte der Lich die Blöße seines Gegenübers. Richtig, die Gesandten hatten ihm alles genommen. Und er entdeckte den blauen Fleck, den er seinem Schüler verpasst hatte. Daraufhin starrten seine Augen einen Moment noch leerer als üblich.

Aber was machte Amsodeus? Anstatt wütend oder verbittert auf seinen Meister zu sein, kniete er vor ihm nieder, bis seine Stirn den kalten, schmutzigen Boden berührte.
Etelin schaute zu Seite, seine leeren Augen suchten die Schwärze der Wand. "Mach das nicht, das ist deiner nicht würdig. Asmodeus ... hör auf damit."

Peinlich berührt nahm Etelin seinen Umhang ab. Diesen unheimlich wirkenden Umhang mit den Rippen, die um seine Brust angesetzt waren und ihn wie ein Skelett ausehen ließen. Den schwarzen Umhang mit den purpur farbenen Verzierungen. Darunter trug Etelin nur eine einfache grauschwarze Robe. Den sagenhaften Umhang legte er über Asmodeus, hüllte ihn ein.

<i>"Meister ... warum strahlen Eure Augen keine Lebendigkeit aus?"</i>

Etelin seufzte schwer. Asmodeus hatte es nie gewagt, über dieses Thema zu sprechen. Ja, er hatte sogar seinen Blick gemieden.
Etelin seufzte noch einmal sehr tief.

"Deine Augen strahlen für uns alle hell genug. Das soll reichen." Er blickte sich um, entdeckte schließlich die noch immer schlafende Zanraia, eingewickelt in seinen Umhang.

<b>Kleiner Schlüssel, du hast es geschafft ... irgendwie. Und jetzt bin ich dran.</b>

Etelin erhob sich. "Folge mir, Asmodeus. Ich bringe dich hier heraus ... dich und Zanraia." Er schritt zu dem kleinen, rothaarigen Knäuel und kniete sich erneut nieder. Sanft rüttelte er die junge Frau aus dem Schlaf.

"Asmode – Etelin!" Sie warf sich ihm in die Arme, dass der Lich beinahe nach hinten kippte.
"Was ist nur in euch beide gefahren?", fragte er ein wenig verwirrt. Er löste sich aus Zans stürmischer Umarmung und schnappte sich das Tuch, den weiten Umhang. "Das hast du gut gemacht, Zan, aber jetzt müssen wir von hier verschwinden. Es bleibt uns ein Tag Zeit ... vielleicht zwei. Schnell, kriech unter den Umhang – und du auch, Asmodeus."

Zanraia gehorchte. Der Lich zog sich das Gewand wieder an und die kleine Nekromantin huschte wieder darunter, verschwand in den Falten. Asmodeus rührte sich nicht.
"Nun komm schon. Wir müssen weg! Hab keine Angst, Zan passt auf dich auf ... und ich auch."

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Freitag 25. Mai 2007, 03:42

<i>"Mach das nicht, das ist deiner nicht würdig. Asmodeus ... hör auf damit."</i>

Asmodeus fürchtete sich noch immer vor seinem Meister. Drückte seine Stirn fester auf den Boden. Zitterte, wagte nicht seinen Blick zu erheben. Wusste nicht was er tun sollte.
Da zog sein Meister seinen Umhang aus und legte ihn über ihn. Hüllte ihn in jene Finsternis ein, aus welcher er geboren war. Da Asmodeus immer noch kniete, verschwand er kurz gänzlich darunter. Verschluckt von der Finsternis. Er verharrte einfach darunter.

<i>"Deine Augen strahlen für uns alle hell genug. Das soll reichen."</i>

Da sah er auf… und man sah nur dieses helle Licht in der Finsternis. Das kleine Fünkchen, welches erloschen war. Es brannte wieder. Langsam richtete er sich wieder auf. Dieser finstere Mantel – irgendwie fühlte er sich darin geborgen. Er sah seinen Meister an. Beobachtete ihn wie er sich an Zanraia wandte.

<b> Neeiiinnn! Er darf ihr nicht weh tun! Ich werde ihn vernichten wenn er ihr wehtut!</b>

Schoss es ihm durch den Kopf. Seine hellen Augen, dieses helle Blau, es verdunkelte sich kurz. Er schwankte. Der Moment zog vorüber als er sah, dass sein Meister Zanraia nur weckte.

<i>"Das hast du gut gemacht, Zan</i>

Er lobte sie. Sein Meister lobte sie. Vielleicht war er doch nicht böse? Dieser forderte ihn gerade auf, zu ihm zu kommen sich zu verstecken.
Vielleicht war er doch nicht böse?

Fragte er sich wieder und trat zu seinem Meister hin. Starrte ihn an, tief in die Augen, bückte sich gar dafür. Einen langen Blick. Versuchte hinter diese Leere zu sehen. Sah aber nur rote Augen. Er schloss die seinigen kurz. Horchte in sich hinein. Versuchte sich zu erinnern, wo er diese Augen schon einmal gesehen hatte.

Er fand sie nicht. Die Erinnerung. Bedrückt öffnete er seine Augen wieder. Das Licht, es leuchtete. Er sah gespenstig aus. Gereinigt – neugeboren… und schutzlos.

Er hob seine Hand, die noch immer in Ketten lag – sie klirrte. Langsam, zaghaft, scheu berührte sie die Brust seines Meisters. Es sah seltsam aus. Noch nie hatte Asmodeus seinen Meister berührt. Gespürt. Er wollte sein Herzschlag spüren… und aus irgend einem Grund empfand er das unglaubliche Bedürfnis… zu heilen.

Es klopfe. Des Meisters Herz klopfte.

Asmodeus lächelte beruhigt. Sah den Meister scheu an. Zog seine Hand zurück, legte sie auf seine eigene Brust. Auch dort klopfte das Herz.

„Leben.“ Hauchte er.

"Wir Leben."

Seine kleine Welt, dieser düstere Ort, hatte sich mit Leben gefüllt. Wie in Trance wandte er sich von seinem Meister ab, trat zur Wand. Fasste sie an… wollte den Herzschlag des Steines spüren. Doch da war nichts. Er nahm seine zweite Hand zur Hilfe, doch er fand ihn nicht. Seine Augen starrten die Wand an, suchten sie ab, suchte die Seele des Steins. Fand sie nicht... wollte heilen. Konnte es aber nicht. Er wich von der Wand zurück.

„Tot.“ Brummelte er erschreckt. Die Seele musste wieder lernen, was Leben und was Tod überhaupt bedeutete. Er ging zur Laterne. Schaute sie neugierig an. Ihm gefiel dieses Flämmchen. Es bewegte sich, wie sich sein Meister, Zanraia und er bewegte… und doch sah es anderes aus. Ob es wohl lebte?

Er fasste ihn die Flamme. Verbrannte sich. Seine Seele – sie spürte Schmerz. Aber keinen Herzschlag. Er fasste nochmals rein. Wollte den Herzschlag spüren… fand Schmerz.
Verwirrt starrte er das Flämmchen an, wie es Flackerte. Dann auf seine Hand, wie sie gerötet war.

Es gab Schmerzendes Leben… Leidendes Leben? Leid.
Was tat diese Seele bloss? Sie lernte. Sie versuchte zu begreifen. Sie versuchte sich an die Gesetzte es Seins zu erinnern. Dabei spielte ihm Zeit keine Rolle mehr. Zeit – die er in Wirklichkeit nicht hatte.

Der grosse Mann, eingehüllt in diesem Dunklen Mantel, seine Blauen Haare – zerzaust. Diese hellen Augen. Diese leuchtenden Augen… und die Seele die erkundete, die lernte. Die sich nicht erinnerte.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Erzähler » Freitag 25. Mai 2007, 10:27

Endlich kam Asmodeus auf Etelin zu, er beugte sich ein Stück weit hinab. Es war schon irgendwo komisch. Asmodeus, der viel größere Asmodeus, benahm sich wie ein Kleindkind auf Entdeckungsreise und horchte dabei brav auf seinen Meister, der umso vieles kleiner war als er – rein körperlich betrachtet.
Und jetzt beugte sich der Körper des Medicus herab, damit sich beide in die Augen sehen konnten. Asmodeus' blaue, leuchtende Augen strömten Neugier, Verwunderung und Leben aus. Etelins leere, rote Augen zeigten nichts. Zwei leere, wabernde Leuchtkreise wie erlöschende Sterne.

Einen Moment lang schien es, als wollte Asmodeus sich nur diese Augen betrachten. Nur gucken. Daher ließ Etelin es zu. Es war das erste Mal, dass sein Schüler seine Augen so intensiv und lange direkt ansah. Daher ließ er es zu.
Doch dann hob sich Asmodeus Hand, dass die Fesseln an seinen Gelenk klirrten und er legte seine Handfläche auf die Brust seines Meisters, dorthin, wo das Herz schlug.

Da rissen beide roten Augen auf und nicht mehr Leere erfüllte sie, sondern Schrecken. Er zuckte zurück wie unter einem harten Hieb, doch Asmodeus folgte ihm, wollte und konnte die Hand noch nicht von seinem toten Herzen nehmen, das dennoch schlug.
Der Lich war so ruckartig zurückgewichen, dass Zanraia unter seinem Gewand stoplerte und rücklings zu Boden fiel. Sie landete auf ihrem Hintern und saß nun einfach da, schaute verwirrt zu Etelin und Asmodeus hinauf.

Etelin empfand. Unter der Berührung von Asmodeus' Hand, dessen Seele so viel Liebe erfahren hatte, schlug das Herz des Lichs wie wild, denn es konnte nicht anders als an dessen Liebe teilzuhaben, die sich wie ein Film über Asmodeus' Haut gezogen hatte.
Und das ... schmerzte. Es schmerzte den Meister sehr. Hatte ihn zurückweichen lassen, <i>weil</i> es schmerzte. Für einen Moment hatte er wieder empfinden können und das letzte, was er gefühlt hatte, war der Verlust gewesen ... angestauter Verlust und schmerzliche Erinnerungen ... an seine Familie ... an Asmodeus, wie er da vom Magierrat fortgeschafft wurde als gebrochener Mann.

Asmodeus hingegen nahm diesen kurzen Moment, in dem sein Meister empfand, ganz anders wahr. Er spürte, dass sein Herz etwas traf wie ein Schlag. Und er wollte es heilen. Er spürte, dass es dem Meister weh tat ... und er wollte heilen.
Dann jedoch schwand die Empfindung, das Herz wurde normaler Funktionsapparat im Körper des Lichs. Eine Pumpe, die weiter arbeitete. Asmodeus fühlte den Herzschlag.

Er griff sich an die eigene Brust. Fühlte den Herzschlag.
<i>"Leben. Wir leben."</i>

"Ja ... ", brachte Etelin keuchend hervor. "Aber nicht mehr lange, wenn wir nicht bald – Asmodeus, komm zurück. Die Wände sind uninteressant. Nein, lass das, Feuer .... " Etelin schüttelte den Kopf, als Asmodeus das flackernde Licht der Lampe berührte. "... brennt."

Zanraia stand inzwischen wieder auf. Sie rannte mit flinken und trippelnden Füßen zu ihrem Liebsten, umklammerte ihn an der Hüfte. "Kommst du mit?", fragte sie und drückte sich an ihn. "Bitte komm mit. Wir müssen hier weg ... ich mag das Dunkle hier nicht. Lass uns ins farbige Celcia zurückgehen. Da ist es viel schöner und so bunt ... Komm, Asmodeus, jetzt müssen wir verstecken spielen."

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Asmodeus » Freitag 25. Mai 2007, 11:16

Er stand noch immer da, studierte das Feuer. Studierte das Leid. Was das war. Was Schmerz war. Er horchte in sich hinein. Suchte Schmerz. Suchte Leid. Fand es nicht. Er liess die Flamme in Ruhe, betrachtete sie einfach .

Da spürte er die zarten Händchen Zanraias, wie sie sich um seine Hüften schlangen und ihn an sich drückte.

„Liebe, Leben.“ Hauchte er. „Du. Zanraia.“ Er drehte sich zu ihr um. Sah in ihre blauen Augen, strich ihr über die Wangen. „Behüterin von Leben. Behüterin von Liebe.“ Brabbelte er vor sich her, als würde er einfach laut Denken. Als würde er den Dingen in seiner Welt einen Namen geben wollen. Er strich ihr übers rote Haar. Warme Haare. Blaue Augen. Klare blaue Augen. Sie war so unglaublich zart. "Wer behütet dich?" Fragte er leise. Sah sie fragend an. Schwieg. Da rührte sich etwas in ihm. Eine unglaubliche Kraft.
Er schwankte zurück.

„Schlaf Dämon, schlaf.“ Sagte er plötzlich.

Er schloss seine Augen, ging in sich. Suchte. Suchte den Dämon… wollte sehen, was er sagen wollte. Er hatte sich gerührt, hatte gerufen, wollte etwas sagen... er suchte..und fand ihn. Wie er dort lag. Ein kleines dunkles Häufchen umgeben von Liebe und Licht. Er kauerte in seiner Ecke und zitterte, hatte angst, fühlte sich nackt und allein in dieser Welt, die ihm keine Dunkelheit mehr bot. Kein Schlupfloch. Ihn einfach nur beleuchtete, in erhellte, ihn in Licht tränkte und er verstand in all diesem Licht, was es hiess, zu Lieben. Dieses schwarze Wesen, welches sich das Licht nicht berühren konnte, weil es dessen Schatten war.
Da schaute er genauer hin. Schaute in das Herz des Dämons – in sein Herz. Sah das weiss, in all dem schwarz und das schwarz in seinem weiss. Eins. Er schaute auf die Hände des Dämons, er hielt etwas umschlungen, ganz fest, drückte es an sich. Er sah genauer hin, öffnete die Hand des Dämons - seine Hand. Sah hinein... und sah.

Ein kleines Stück Unschuld.

An welches sich das finstere Wesen so sehr klammerte. Es behütete.

Wieder kullerte ihm eine einzelne leuchtende Träne aus den hellen Augen. Er fing sie auf. Sah sie an. Dann Zanraia. Er tippte ihr aufs Brustbein, an jener Stelle wo ihr Herz schlug.

"Du wirst behütet. NIemand wird dir weh tun!"
Sagte er ruhig.

Der Dämon, er lächelte kurz. Freute sich. Doch dann, fürchtete er sich wieder von diesem Licht. Er hielt einfach nur dieses Stückchen Unschuld in den Händen - nicht wissend, dass sich hinter all diesem Licht eine unglaubliche Schuld verbarg.

Er ahnte nicht, was des Meisters Herz so wild hatte schlagen lassen. Was ihn so geschmerzt hatte. Er wusste nicht, dass er Liebe und Freundschaft – zerstören konnte. Wusste nicht was er getan hatte. Wusste nicht, dass er seinen Freund getötet hatte.

Er sah Etelin an und Zanraia, die beide von seiner kleinen Welt fort gehen wollte. Das einzige was ihm bekannt war. Er wusste nicht wie gross, draussen war. Was bunt war. Er sah dieses kleine Verliess seiner Wiedergeburt an. Spürte die Finsternis. Spürte Pein. Spürte Angst. Spürte die Aura der Leere, die hier drin gehaust haben musste. Ein wahrlich dunkler Ort. Seine Welt, sie war dunkel… doch dank Zanraia, so voller Liebe.

„Warum bin ich hier?“ Fragte er. Er sah an sich herab, wie er selbst in Dunkelheit gehüllt war. Sah auf die Kette. „Ich… habe…“ Er stockte, starrte die Kette an, das kaputte Ende, welches er enzweigerissen hatte. Er schloss seine Augen. Suchte. Suchte die Kette. Versuchte zu verstehen, warum sie immer noch so schwer war. Fand sie nicht.

Gedankenversunken folgte er Zanraia. Duckte sich, kroch mit ihr unter Etelins Mantel und fürchtete sich vor der bunten Welt.
Er sah Zanraia bei sich kauern. Schaute sie an. „Ich will dein sein.“ Wiederholte er wieder. Dann schwieg er. Zitterte. Fröstelte. Sein eisiger Atem, er kühlte die Luft um sich. Sein Atem, er war so kalt. Wo seine Augen so warm waren, war dieser kalt.
„Ich habe angst Meister.“ Flüsterte er unter dessen Mantel hervor.

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Re: Das unsichtbare Verlies

Beitrag von Erzähler » Freitag 25. Mai 2007, 11:51

Als Asmodeus diese schrecklich Frage stellte, diese Frage, warum er hier war, senkte Zanraia betreten den Blick. Selbst sie wusste es, wünschte sich aber, es ebenso vergessen zu haben wie ihr Geliebter.
Auch Etelin schaute wieder mit diesen leeren Augen, angespannter Haltung. Er ging zu seinem Stab, hob diesen auf.

"Ich will es dir nicht verschweigen, Asmodeus. Das wäre nicht gut. Du musst wissen, warum du in diesem Verlies bist. Aber jetzt noch nicht. Ich verspreche, ich werde es dir sagen ... später."
Er winkte ihn und Zanraia zu sich heran, beide verschwanden wieder unter dem Umhang. Seltsamerweise war hier eine Menge Platz, Asmodeus konnte sich sogar aufrecht hinstellen. Aber Etelin war doch kleiner als er!

Zanraia drückte sich an Asmodeus, sie lächelte. Er wollte ihr sein, ihr Asmodeus, ihr Dämon. Sie hob ihre Hand, streichelte seine Wange, fuhr ihm durchs Haar. "Etelin, du kannst ihm das nicht sagen. Was er gemacht hat. Sag ihm, ich war's. Er ist so ... seine Seele ist ganz klein. Sie soll nicht kaputt gehen."
Der Lich brummte nur etwas Unverständliches darauf. Aber er hörte Asmodeus' Worte. Sein Schüler hatte Angst.

Etelin griff mit einem Arm unter seinen Umhang, fand Zanraia, strich ihr kurz über den Kopf. Sie kicherte. Dann fand er Asmodeus. Legte ihm die dürre, graublaue Hand auf den Kopf. Sie war kalt, aber sie war da. Ebenso kalt war Asmodeus Atem, ein Teil Dämon existierte noch weiter in ihm. Sie waren jetzt ein Ganzes, da musste es irgendwo Ausgleich geben. Gleichberechtigung. Der Medicus hatte die Augen, der Dämon den Atem und beide hatten ... Zan.

"Du brauchst keine Angst haben. Du hast Freunde, die dich schützen. Und jetzt besuchen wir eine von ihnen ... zwei." Das würde hart werden, für Asmodeus. Er würde es sicher zu Anfang nicht verstehen ... Tot, genommenes Leben, Mord ... und er, der Mörder. Sein Dämon. Aber er musste, sonst würde es nur schlimmer sein. Er musste jetzt zu Mallahall und Adelmund. Hoffentlich hatte diese einen Weg gefunden, die Gesandten loszuwerden. Etelin wusste es nicht.
Er war die ganze Nacht nicht zu Adelmunds Haus zurückgekehrt. Er hatte sich ein Zimmer in der nächstbesten Taverne genommen und die ganze Nacht ... getrauert? Nachgedacht, denn trauern konnte er nicht mehr. Denken war die neue Alternative dafür.

Etelin, Zanraia und Asmodeus verließen das unsichtbare Verlies. Der Lich ging Stufe für Stufe die Treppe hinunter. Niemand hielt ihn auf. Es war fast zu einfach. Erst unten am Fuß der Treppe stand ein Gesandter, der auf ihn wartete.
"Habt Ihr den Bann erneuert?"
"Ja", antwortere Etelin. "Es war sehr schwer dieses Mal. Der Dämon ist der stark. Sagt dem Rat, sie sollten sich genauesten überlegen, wie sie Zyranus von dieser Bestie befreien. Sie sollen nicht vorschnell handeln. Ich werde jeden Tag vorbei kommen und den Bann erneuern."
Der Gesandte nickte. Dann durfte Etelin gehen. Er brachte seinen Schüler und dessen Geliebte sicher aus dem Turm der Magie. Er führte sie sicher durch die halbe Stadt und schließlich bis vor die Haustür eines Freundes, dessen Leichnam noch immer innerhalb dieser vier Wände lag. Friedlich ...


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