So schwer vorstellbar es auch sein mochte, weil er genau darauf stets hohen Wert legte, selbst ein Schatten konnte nicht immer und überall aus seiner Haut heraus. Erst recht nicht auf einem Schiff, dessen beständiges Schaukeln ihm von jeher eine Qual gewesen war.
Doch jetzt musste er mit seinen Kräften haushalten und dafür sorgen, dass von ihm nicht mehr Worte als unbedingt notwendig verlangt wurden. Anstatt das aber zu sagen, sprich den einfachen Weg zu wählen, wurde er noch kälter und herablassender gegenüber jedermann. Wobei... bei Mundl, Edi und Pepi war es nicht so schlimm, zumindest soweit sie das beurteilen konnte, als bei ihr.
Oder lag es daran, dass diese ihren Chef kannten und dadurch einen Vorteil ihr gegenüber besaßen? Oder weil es... Männer waren? Oder weil... weil womöglich das ein oder andere Quäntchen Gefühl für sie im Spiel sein mochte? Nein, letzteres sollte sie lieber gar nicht erst in Betracht ziehen, um ihre zornige Meinung über seine hochnäsige Herrschaft Von und Zu nicht zu revidieren... um dieses klitzekleine bisschen Etwas.
Was sie ihm dennoch zugute halten musste, war, dass er sehr effektiv zu handeln verstand, selbst unter diesen widrigen Umständen. Auch wenn er Pepi quälte, indem er dessen guten Topf zweckentfremdete, das ölhaltige, zähflüssige Gemisch in Verbindung mit einem Brandpfeil tat, was es sollte. Es vernichtete die Aufholjagd des Piratenschiffs und zwar gründlich.
Daraufhin aber, da die eine Gefahr gebannt schien, konnte sie ihren Mund nicht mehr halten. Und Laogh? Der setzte dem Ganze noch die Krönung auf, um... sie mal wieder einfach stehen zu lassen! Nein, so jemand konnte keine Familie oder wahre Freunde haben, wenn er sich stets wie das größte Arschloch der ganzen Dunklen Armee verhielt, anstatt ihr wenigstens einmal zu zuhören!
Dass er hingegen einen äußerst gewichtigen Grund dafür hatte, konnte sie in diesem Moment noch nicht ahnen. Stattdessen kochte es in ihr und brodelte so heftig, dass es sie nicht an Ort und Stelle hielt.
Ein paar Köpfe drehten sich in ihrer beider Richtung, jedoch waren sie zu schnell unter Deck verschwunden und die Situation zu brenzlig, als dass sie eine ordentliche Szene voller Theatralik und Missverständnissen zur Unterhaltung boten. Die sie aufgrund der verwendeten Sprache ohnehin nur teilweise hätten genießen können.
Der Schatten aber verstand jedes einzelne Wort und tat... nichts. Er ging zielstrebig voran, soweit das Schwanken es ihm noch ermöglichte. Es war doch das Schaukeln des Schiffes, das seine Bewegungen derart unsicher machte, nicht wahr? Etwas anderes konnte gar nicht möglich sein, nicht bei ihm! Oder...?
Gemeinsam mit seinem intensiveren Verhalten, der fahlen Haut und der Tatsache, dass er vorhin sichtlich nichts mehr gehabt hatte, das er den Fischen noch hätte opfern können, hätte es ihr zu denken geben müssen. Wenn... ja, wenn da nicht diese unbeschreibliche Wut auf ihn gewesen wäre, die durchaus ihre Berechtigung hatte. Allein, es schien ihn nicht zu kümmern. Wie es in Wahrheit in ihm drin aussah, blieb, wie immer, sein Geheimnis.
Und dann geschah das Unvorstellbare. Der Schatten, der Meisterspion, der seinen Körper zur Perfektion getrimmt und das bislang stets auch demonstriert hatte, betrat die Waffenkammer... und brach lautlos zusammen, als hätte man einer Marionette die Fäden gekappt. Lediglich ein dumpfer Laut zeugte von dem Aufprall, sonst nichts. Und die Tatsache, dass er bewusstlos auf dem Boden lag, der Köcher seine Pfeile verstreut hatte und der Bogen halb unter ihm begraben wurde. Es war vermutlich reines Glück, dass keine der Spitzen bei diesem Fall ihn irgendwie verwundet hatte.
Da lag er also, rührte sich nicht und war ihr vollkommen ausgeliefert. Oh, was sie jetzt alles mit ihm anstellen könnte! Von kindischen Spielen wie dem Malen obszöner Bilder ins Gesicht bis hin zu weitaus handgreiflicheren Dingen, er könnte nichts dagegen unternehmen. Ja, sie könnte ihn vermutlich auch kurzerhand töten, wenn er dieses schmerzlose, schnelle Ende auch nur im Geringsten verdient hätte! Allerdings kam ihr das alles nicht in den Sinn.
Stattdessen meldete sich, nach einem langen Schreckmoment, die Sorge zurück und sie begann zu hinterfragen, ob sie alles richtig gedeutet hatte in der letzten Stunde. Ob ihr endlich aufging, dass er sich mit jedem weiteren Satz ihr gegenüber kühler und abweisender, jedoch auch kürzer angebunden verhalten hatte? Dass er kaum auf ihren Versuch, ihm wegen Pepi zu helfen, reagiert hatte, nicht einmal mit seinem Lieblingsspruch? Dass er vielleicht so hart in seiner Aussage gewesen war, um mit allerletzter Kraft zu verhindern, vor versammelter Mannschaft zusammen zu brechen, so wie gerade vor ihren Augen? Nicht auszudenken, wie sich dieser Moment auf die Stimmung am Schiff ausgewirkt hätte!
Endlich wurde ihr zumindest klar, dass etwas ganz und gar nicht mit ihm stimmte, sodass sie sich zu ihm auf den Boden begab und überprüfte, ob er überhaupt noch lebte. Ja, tat er, somit müsste sie ihn nicht an den Haaren aus dem Harax zerren, um ihm die Hölle heißmachen zu können!
Und dennoch... sein Puls war zu schnell, sein Atmen flach und seine Haut... nun ja, sie fühlte sich nicht direkt fiebrig an, aber etwas zu warm, könnte also durchaus fiebrig werden, und klebrig von Schweiß noch dazu. Schweiß... Bei ihren beiden heißen Nächten hatte er kaum geschwitzt, so gut hatte er sich selbst da unter Kontrolle!
Wie war es also möglich, dass es jetzt vollkommen anders war, obwohl es draußen kalt und der eine Pfeilschuss bei weitem nicht derart anstrengend gewesen war? War er viel entkräfteter, als er allen gezeigt hatte?
Eine Wunde hingegen konnte sie nicht finden, als sie ihn abtastete, nur sein Brustkorb zeichnete sich etwas deutlicher unter der Haut ab, als sie es in Erinnerung haben mochte. Wieder das schlechte Licht? Oder hatte er gehungert in der letzten Zeit? Wann hatte sie ihn überhaupt das letzte Mal essen gesehen?
Nicht, nachdem er sie vor Santros in der Kälte aufgelesen hatte, aber das mochte nichts heißen. Er hatte davor jede Menge Zeit allein gehabt und auch danach, während ihrer Bewusstlosigkeit, bis er mit ihr auf Schiffsreise gegangen war. Doch gesehen, wirklich gesehen, hatte sie es zuletzt an jenem Morgen in der Schenke, ehe sie zu Arrond aufgebrochen waren...
Wie lange war das jetzt her? Eine Woche? Nein, so lange waren sie bereits auf See, also konnte sie gut und gerne zwei Wochen veranschlagen. Sofern er hier nichts zu sich genommen hatte und gemessen an dem Ausmaß seiner Seekrankheit, die sie mitbekommen hatte, wahrlich keine beruhigenden Schlüsse, die sie da ziehen musste.
"... Oiso ho'm ma donn no zu eam g'sogt...", erzählte Mundl gerade eine Anekdote, um seinen Kameraden von dem Verlust des Topfes abzulenken, was auch gut funktionierte, als sie beide die Stimme hörten.
Die Männer blieben stehen einen Moment lang, ehe sie sich beeilten, dem Ruf zu folgen. Wobei der Erste Maat, sehniger und geübter in schnellen Bewegungen, zuerst in dem offenen Türrahmen erschien. "Wos is...?", begann er und sah selbst die Bescherung.
Pepi stieß gegen seinen Rücken und hätte ihn zum Taumeln gebracht, wenn er sich nicht an dem Rahmen festgehalten hätte, da das Schiff ziemlich schwankte und das selbst für Seebären wie die Beiden eine Herausforderung darzustellen anfing.
"Ach du heil'ge Sch...", kam es von dem Schiffskoch, als auch ihm aufging, was das Ergebnis welchen Ereignisses auch immer war.
Mundl sah Eleyna einen kurzen Atemzug lang fragend an, dann nickte er schon und übernahm das Kommando. Zu dritt hievten sie den Bewusstlosen hoch und schleppten ihn ächzend in Richtung seiner Koje, wobei jeder von ihnen immer wieder einen kleinen Zusammenstoß mit der Wand hatten. Auch wenn sie nicht auf dem offenen Meer waren, der Wellengang war stark und das Unwetter viel zu nahe.
Selbst Laogh bekam die Bretter einmal zu spüren und würde wohl noch etwas länger bewusstlos bleiben, während sich eine kleine Beule an seiner Stirn bildete. Ob diese bei reinrassigen Dunkelelfen eigentlich anders schillerte, um ebenso auffällig zu sein wie bei Menschen? Nun, die Mischlingselfe hätte bald wohl ausreichend Zeit, um dieser Frage nachzugehen.
Als sie es endlich geschafft hatten, waren alle drei außer Atem und Pepi wischte sich das schweißnasse Gesicht. Schon nickte er bei ihren Anweisungen und schüttelte dann den Kopf. Flüchtig huschte ein schmollender Ausdruck über seine Miene. "Da Chef riart mei guad's Ess'n nie o.", maulte er, wurde vom Ersten Maat aber schon hinaus gescheucht, um sich nützlich zu machen. Brummelnd, jedoch mit echter Sorge im Blick trollte sich der Koch.
Als sie allein waren, seufzte Mundl leise. "Eam is bei jeda Schiffsfoaht kotzüb'l, da isst ea nie irg'ndwos. Meist'ns gehts guat, wö'r a net so long bleib'n muas.", erklärte er ihr und offenbarte damit mehrerlei.
Einerseits war da die echte Sorge eines Freundes, die deutlich zu sehen und zu hören war. Andererseits aber auch ein gewisses Wissen, so, als würde er diesen Zusammenbruch nicht das erste Mal erleben... und sich drum kümmern. Vielleicht ja auch als einziger, um die Mannschaft nicht zu beunruhigen.
Bei ihrer Frage nach dem Schiff winkte er ab und einen Moment lang huschte Erleichterung über seine Miene. "Ois guad, nix tragisch's. A poa klane Kratza, de hob i glei g'flickt. Hot si schlimma o'g'heat, ois woa. Dawö z'mindest."
Dann nickte er wieder ernst. "Kriagst glei. An Heila hob'n ma net. Oba, Madl, sog nix weida, jo? Da Chef wü des net und fia de ondan warats a net guat, jetzt, wo ma glei geg'ns G'witta und de Hundsfott kämpf'n miass'n."
Damit wandte er sich ab und wollte los, als sie ihn noch einmal zurück hielt. Leicht schüttelte er den Kopf. "Wonn ma ois übastengan tuan, brauch ma no guade zwei Woch'n. Oba i wead dafia surg'n, doss ma onkan tuan, de Paus'n wiad eam guat tuan."
Daraufhin war deutlich zu erkennen, dass es in ihm zu arbeiten begann. Mundl zögerte, seine Loyalität war stark, ob berechtigt oder nicht, doch da war auch die ehrliche Sorge um den Dunklen. Schließlich gewann letztere, seufzend sanken seine Schultern nach unten. Wenngleich er ihr trotzdem noch in die Augen sehen konnte, als er ihr endlich etwas offenbarte.
"Da Chef wü noch Mantron. Ea mant, duat waratst du in Sichaheeet, vua wos a imma." Damit nickte er ihr allerdings knapp zu und verschwand, um die geforderten Dinge zu holen. Und, um sie mit diesem neuen Wissen sowie dem Bewusstlosen allein zu lassen.
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Also haben wir dann noch zu ihm gesagt...
Was ist...?
Ach du heilige Sch...
Der Chef rührt mein gutes Essen nie an.
Ihm ist bei jeder Schifffahrt speiübel, da isst er nie irgendetwas. Meistens geht es gut, weil er nicht so lange bleiben muss.
Alles gut, nichts Tragisches. Ein paar kleine Kratzer, die habe ich gleich repariert. Hat sich schlimmer angehört, als es war. Derweil zumindest.
Bekommst du gleich. Einen Heiler haben wir nicht. Aber, Mädchen, sag nichts weiter, ja? Der Chef möchte das nicht und für die anderen wäre es auch nicht gut, jetzt, da wir gleich gegen das Gewitter und die *piiiiep* (Piraten) kämpfen müssen.
Wenn wir alles überstehen, brauchen wir noch gute zwei Wochen. Aber ich werde dafür sorgen, dass wir ankern, die Pause wird ihm gut tun.
Der Chef will nach Mantron. Er meint, dort wärst du in Sicherheit, vor was auch immer.