Unter Venthas Willkür

Das große Meer ist launisch wie das Wetter. Einmal ist es friedlich und dann wieder die reinste Gefahr. Erfahrene Seemänner befahren es mit ihren großen Schiffen. Alle Reisen sind hier verzeichnet.
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Madiha Al'Sarma
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 31. August 2022, 21:42

Der Dämmerzustand sorgte dafür, dass Madiha ein fast schon sanftes und gnädiges Erwachen vergönnt war. Zwar prasselten die Erinnerungen und die damit verbundenen Emotionen einhellig auf sie nieder, doch es dauerte, bis sie wahrlich wieder zu sich gekommen war. Zu viel war in dieser kurzen Zeit geschehen. Nicht nur, dass das Schiff beinahe dem Untergang geweiht gewesen wäre, sie in einer Welle aus Blut fast das Leben verlor, während andere leblos im Meer trieben. Nein, sie musste auch erkennen, dass es Mächte gab, mit denen sie bisher nie zuvor konfrontiert wurde. Und mit einer zerrissenen Persönlichkeit, die ihr nur kurz darauf das Leben erneut aushauchen wollte. Den schmerzenden Hals fühlte sie wieder recht schnell. Er pochte und kratzte. Ihren Schrei, als die Flammen sich endlich den Weg in die Freiheit bahnten, hatte sie indes gar nicht bewusst erlebt. Sie hatte nun mit den Folgen der gepeinigten Stimmbänder zu tun und hustete leise. Doch wie ein beständiges Licht, in all der erlebten Dunkelheit, waren die blaugrünen Augen des Diebes. Wie ein Rettungsanker tauchten sie aus ihrem eigenen Chaos auf und hielten sie in der Realität. Seine Stimme holte sie für einen Moment aus dem Erlebten ab und Madiha schaffte es, Erleichterung zu zeigen. Er lebte. Ihm war nichts geschehen. Ein kleiner Teil in ihr heilte über diese Erkenntnis. Dann wandte sie den Kopf. Quälend langsam musste Madiha spüren, wie sehr sie doch an Kraft eingebüßt hatte. Ihr Verstand funktionierte und lief weiter an, um auf Hochtouren zu arbeiten, doch ihr Körper war völlig entkräftet und schwer. Als sie ihren Blick soweit gewandt hatte, fiel ihr als erstes das Pärchen auf. Corax war nun wieder der Rabenmann, den sie als Wahnsinnigen kennengelernt hatte. Doch sein Anblick löste in ihr nun kein Herzrasen vor Angst aus. Mitleid. Und Schmerz, ob seiner dunklen Vergangenheit. Offenbar brauchte Azura, deren Namen sie nun endlich mitbekommen hatte als er ihn in der letzten Erinnerung hauchte, noch einen Moment länger, um anständig aufzuwachen, eine Regung fiel ihr jedenfalls nicht auf. Dann sank ihr Blick auf die dunkle Fläche am Boden. Madiha wurde kalt. Dann wieder heiß. War sie das gewesen? Erinnerungen durchzuckten ihren Geist, dieses Mal waren sie gleißend hell und lodernd. Das war sie gewesen. Etwas lenkte sie ab, als Caleb ihre Hände von den Tüchern befreite. Madiha wandte den Kopf schwerfällig zurück und versuchte ihre Arme anzuheben, um selbst nachzusehen. Doch es gelang ihr kaum. Nur durch Caleb’s Kraft war es ihr möglich zu sehen, was passiert war. Starr ruhte ihr Blick auf dem Schwarz ihrer Handflächen. Und augenblicklich begann sie vor Anspannung zu zittern.
Ihr Körper bemühte sich, die Verletzungen eigenständig zu heilen, aber das würde lange Zeit brauchen und Unterstützung. Ansonsten würde sie vermutlich auch dort Narben tragen, wenn sie überhaupt je wieder würde empfinden können. Das Mädchen spürte, dass sich ihr erneut die Ahnungen aus dem Gesehenen aufdrängten und sie in Verbindung mit all dem anderen, zu überrollen drohten. Tränen flossen ohne Unterlass über ihre Wangen und benetzten die narbengezeichneten Wangen wieder und wieder mit salziger Flüssigkeit. Sie stammelte, konnte das Gesehene gar nicht recht zusammenfassen in ihrer momentanen Situation und ließ einfach los, um den Druck hinter allem abzubauen. Sie spürte, dass Caleb seine Arme unter sie schob, um sie an sich zu drücken. Das Mädchen hätte mitgeholfen, doch sie war nicht in der Lage dazu. Bebend ruhte ihr Körper an seinem und sie schluchzte in das Hemd des Anduniers. Die Umarmung bot ihr Halt. Und Schutz. Schutz vor dem Dunklen, das sie mitansehen musste, Schutz vor der drohenden Vermischung eigener mit Corax‘ Erinnerungen. Vermutlich würde sich das alsbald legen, wenn ihr Verstand etwas zur Ruhe gekommen war, doch jetzt lief sie beständig Gefahr, sich darin zu verlieren. Und Caleb’s Umarmung bot Schutz davor, dass sie erneut glaubte, ihr Schicksal wäre vorherbestimmt und unabwendbar. Madiha brauchte noch einige Momente, wurde aber deutlich ruhiger, als der Dieb mit ihr sprach. Seine Worte ließen nach und nach die Tränen versiegen, bis sie ruhig an ihn gelehnt dem Brummen seiner Stimme lauschte und die Worte ihr Herz füllten. "Ganz ruhig. Was immer dir geschehen ist, du hast es geschafft. Und du hast es gut gemacht. Du hättest dich sehen sollen! Naja ... ich habe nicht alles gesehen. Aber du hast gestrahlt, wie ein glühendes Wesen der Hoffnung.“ Sein Glucksen spürte sie an ihrer Wange, was ihr ein leichtes Anheben ihrer Mundwinkel bescherte. “Wobei Sarmaer in Lysanthors strahlendem Licht wohl kaum ein Symbol der Hoffnung sehen. Und erst Recht nicht in seiner sengenden Hitze.“ Madiha lächelte tatsächlich. Es war eben die Art und Weise, wie Caleb es schaffte, ihre Sorgen zu beseitigen, ihre Trauer und ihren Schmerz zu lindern. Unbeschwert und mit stets einem Lächeln im Mundwinkel. Madiha war ruhig geworden und spürte derzeit den schützenden Kokon seiner Arme, der noch ein Stück enger wurde. "Mir hat es Hoffnung gegeben. Du kämpfst. Das hast du immer getan und damit kommst du weiter. In allen Momenten dazwischen kommt dein unliebsamer Retter zu Hilfe." Sie sog tief Luft in ihre Lungen als er das sagte. Madiha schloss ihre Augen und spürte, wie sich ihr Herz kurz verstolperte. Da war es wieder. Wenn auch nur ein schwacher Abglanz dessen, was sie in der Kombüse gefühlt hatte. Caleb’s Zuwendung berührte sie auf mehreren Ebenen und ohne es wahrlich selbst zu ahnen, schaffte er es immer und immer wieder, sie hoffen zu lassen, dass sie ihren Weg gehen würde.

Es dauerte einen Moment, bis sie sich traute, sich zu rühren. Zu sehr genoss sie seine direkte Nähe und die Ruhe, die sie ihr bescherte. Ihr Gedankenwirbel wurde weniger und das Bild der letzten Momente ein wenig klarer. Es waren Corax‘ Erinnerungen. Es war seine Vergangenheit. Nicht ihre. Ihre besaß ganz eigene Schrecken, doch etwas unterschied sie dennoch von ihm: Sie war auf dem Weg in eine unbekannte Freiheit, doch besaß sie wenigstens die Aussicht darauf. Er hingegen war nach wie vor ein Gefangener und sie wusste nicht, ob er jemals würde wahrlich frei sein können. Madiha bekam von Caleb’s eigenen Gedanken derzeit nichts mit. Dass er sich bewusst wurde, dass sie sich nicht auf ihn verlassen könnte. Doch das musste sie nicht. Bisher war er da und dass er sie verlassen hatte, war im Moment in den Hintergrund gerutscht. "Willst du mit ihnen reden? Oder soll ich dich hier rausbringen? Hast du einen Schlafplatz an Bord?" Seine Frage riss Madiha aus ihren Gedanken und sie blinzelte. Sie bemühte sich, sich etwas zu bewegen, sah aber schnell ein, dass das wohl noch dauern konnte. Zudem pochten ihre Hände wahnsinnig und dass sie sie nicht nutzen konnte, würde wohl auch noch einige Zeit des Verstehens in Anspruch nehmen. Dennoch hob sie leicht den Kopf an und versuchte zu Azura und Corax zu sehen. „Ich… weiß nicht.“, murmelte sie unsicher. Sie war wirklich müde und die Vorstellung, sich auszuruhen, war verlockend. Allerdings war da auch noch ihr schrecklicher Verdacht. Wie würde sie reagieren, sollte sie Jakub begegnen? Das Mädchen blinzelte schwerfällig. „Vielleicht… ist ausruhen nicht verkehrt.“, murmelte sie erneut. Auch die Schöne und ihr ‚Biest‘ würden wohl etwas Ruhe gebrauchen können. Madiha schluckte für einen Sekundenbruchteil gequält. Allein die Schmerzen am Hals, das unendliche Gefühl kraftlos zu sein und das enervierende Pochen ihrer Hände, laugten sie bereits aus. Sie würde sich wohl heute niemandem mehr stellen können. Das hatte sie viel gekostet und einiges verstand sie auch noch nicht. Aber der Verstand klärte sich meistens, wenn er etwas Ruhe bekam. Egal ob sie in der Lage wäre zu laufen oder Caleb sie tragen müsste. Sobald sie Corax und Azura passierten, würde sie kurz anhalten wollen. Ihr Blick ruhte für einen Moment auf der Adeligen, doch ihr schien es den Umständen entsprechend gut zu gehen. Dann richtete sich ihr Augenmerk jedoch auf Corax. Ihr klappte der Mund auf, weil sie etwas sagen wollte, doch kurz vorher blieben ihr die Worte stecken. Madiha zog die Augenbrauen zusammen und wirkte reichlich unsicher auf einmal. Zu viele gemischte Gefühle drohten sie zu überfallen. Er hatte sie beinahe getötet und das würde sie wohl nie vergessen können. Andererseits fühlte sie noch immer diese Solidarität mit ihm, die alles nur umso komplizierter machte. Das Mädchen verlor den Blick auf ihn. Nur, um dann mit oder ohne Hilfe einen Schritt auf ihn zumachen zu wollen, um ihn für einen Moment und ungeachtet aller Schrecken, die er in der Lage war zu verbreiten, zu umarmen. Manchmal half das. Ihr hatte es das, dank Caleb, sehr wohl.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 1. September 2022, 16:49

Auch wenn Madiha es sich selbst nur ungern eingestand, so musste sie doch zugeben, dass sie immer wieder froh war, Calebs blaugrünem Blick zu begegnen, wenn sie sich längst verloren glaubte. Ja, er hatte sie in Sarma und bei Dunia zurückgelassen, sich einfach aus dem Staub gemacht, aber abgesehen von diesem einen Verrat, war er doch immer für sie da gewesen. Nicht nur, um sie physisch zu retten. Auch seine Worte vermochten es, in ihr immer wieder den kleinen Funken ihres Seins aus einem Meer aus Verzweiflung oder Unsicherheit auf's neue zu entfachen. Dieses Mal stülpte der Dieb sogar ein Glas darüber, damit die Feuchtigkeit nicht erneut mit großen Wellen über das Mädchen hinweg schwappen konnte. Seine Kommentare schienen so manchem Gemüt unangebracht. Auf ihre Lippen zauberten sie ein schwaches Lächeln. Es war seine Art, mit der er die Stimmung lockerte und darlegte, dass trotz aller Umstände immer noch Zeit für eine kleine Witzelei war, die die Gesamtsituation erleicherte.
Für den Moment reichte ihr aber das Wissen, dass er überlebt hatte und nicht nur Caleb erfreute sich nahezu bester Gesundheit. Auch der Adligen - Azura mit Namen - und ihrem verstoßenen Begleiter ging es den Umständen entsprechend gut. Tatsächlich hatte Madiha den größten Schaden von allen davongetragen, aber sie war schließlich auch in einer Flammennova aufgegangen. Dass neben ihr lediglich ein Teil des Kabinenbodens gelitten hatte, war aber Azura zu verdanken. Ihre Wassermagie hatte sich im Moment der Not der Hitze entgegengestellt und Schlimmeres verhindert. Beide Frauen hatte es erhebliche Kräfte gekostet. Madihas Handinnenflächen waren zudem auf so viel freigelassenes Potenzial nicht gefeit gewesen. Es würde dauern, bis sie mit ihnen wieder mehr spüren konnte als diesen halb tauben Druck von etwas gegen die runzlige Schwärze. Noch länger würde eine Heilung in Anspruch nehmen. Dafür lebten sie. Dennoch ... ihr Geist kämpfte mit den Nachwirkungen der seltsamen Traumbilder und Erinnerungen eines Fremden.
Madiha starrte ihre verbrannten Hände an, versteifte sich und konnte nicht verhindern, dass sie zitterte. Wieder war es Caleb, der sie aus dieser empor kriechenden Panikattacke rettete, indem er seine Arme wie einen schützenden Mantel um sie legte. Er fühlte sich warm an. Seine Muskeln mochten nicht annähernd so stählern wie die eines waschechten Kriegers sein, aber es fühlte sich gut an, sich an ihnen anzulehnen. Er war so viel größer, so viel breiter als die dürre Madiha. Sie fand Frieden in diesen starken Armen und wäre ihr Körper nicht so ausgelaugt, sie hätte es vielleicht erwidert. So aber würde sie alsbald gegen eine Müdigkeit ankämpfen müssen, sobald ihr Geist sich ebenfalls etwas holt hätte. Der Körper forderte seinen Tribut. Leider meldete sich auch ein flauer Kloß wieder in ihrem Magen. Zugleich sollte sie nicht zu lange über Essen nachdenken, denn Hunger konnte auch dazu führen, dass einem vom Geruch oder Anblick zu üppiger Mahlzeiten schnell übel wurde. Da im Moment ohnehin nicht an eine Kleinigkeit heranzukommen war, bot Caleb an, den Raum zu verlassen. Auch er erkannte, dass Madiha sich ausruhen musste. Sie stimmte dem zu. Wiederholt musste er als Retter herhalten, denn sie war so erschöpft, dass sie sich kaum selbst auf den Beinen halten konnte. Der Wüstendieb erkannte schnell ihren aktuellen Zustand. So hob er sie kurzerhand auf seine Arme, um sie zur Tür zu tragen. Erst als die beiden sich dem anderen Paar in der Kajüte näherten, gab Madiha ihm ein Zeichen, einen Zwischenstopp einzulegen.

Geduldig wie er sich sonst selten präsentierte, ruhte Corax mit dem Kopf auf Azura Bauch. Er hielt die Augen geschlossen, nachdem er seine Bitte offen dargelegt hatte. Seine Hände fingerten am Stoff ihres Rockes herum. Er war nervös, zerknitterte das kostbare Material schon, während er auf eine Antwort wartete. Stattdessen erhielt er zunächst eine Gegenfrage. Warum? Warum wollte er sich in ihre Hände begeben? Warum gerade sie? Dabei beantwortete Azura sich diese Frage schon teilweise selbst. Aus Sicht eines Sklaven, dem über seinen Stand hinaus ein Leben lang nichts Gutes widerfahren war wie sie selbst nun hatte sehen erfahren können, war es nur legitim, sich an einen Herren oder eine Herrin zu hängen, bei der man auf humanere Behandlung hoffen konnte. Natürlich wollte kein Sklave dieser Welt geschlagen, gequält oder anderweitig missbraucht werden. Diese Sorte gab es nicht und jene, die behaupteten, Freude darin zu finden, wussten doch nicht, was sie für all diese Pein tatsächlich niemals erhalten würden. Freiheit. Einen eigenen Willen. Möglichkeiten. Wert. Das Recht, ein Leben auf gleicher Ebene mit allen anderen zu führen. Dass all diese nachvollziehbaren Gründe in Corax' Welt nur einen kleinen Teil ausmachten, dessen war er sich selbst nicht so wirklich bewusst wie es schien. Er bewegte den Kopf etwas, so dass er mit einem Auge zwischen Azuras feiner Hügellandschaft zur ihr empor schielen konnte. Er öffnete den Mund.
"Weil ich..." Dann verfiel er wieder in Schweigen, dabei sah es so aus, als ob er noch etwas hätte sagen wollen und ihm plötzlich die Antwort im Halse stecken blieb. Seine Augen weiteten sich, er würgte leicht und dreht den Kopf dann unter einem Seufzen wieder auf die Seite. Seine Finger krampften sich in den Stoff. Irgendetwas frustrierte ihn, aber das sollte noch nicht sein größtes Problem sein. Leider musste ern un mitanhören, wovor er sich gefürchtet hatte. Er erhielt eine Antwort. Da bemerkte er nicht einmal, dass Azura die ganze Zeit - wenn auch schwach - mit seinen Haarsträhnen gespielt hatte. Er versteifte sich unter ihren für ihn niederschmetternden Worten.
"Ich will dich nicht als Eigentum. Ich will..." Er zerbrach - wieder. Eine Reaktion wie an Deck, als er an den Mast gefesselt war, blieb jedoch aus. Corax nahm es mit überraschender Fassung. Nein, so nicht. Er verschloss sich. Er nahm alle Emotionen, die drohten, ihn zu zerreißen, und stopfte sie tief in sein zerbrochenes Herz. Anschließend löste er sich von Azura, bereit, ihr nun endgültig die Freiheiten zu gewähren, die sie sich wünschte: ein Leben ohne ihn. Ein Leben, in dem er nicht ihr, sondern weiterhin Jakubs Eigentum sein würde - mit allen Pflichten, die diese Rolle mit sich brachte. Corax setzte sich auf, schluckte leer. Wahrscheinlich wäre er einfach wortlos gegangen, hätte den Platz an Azuras Seite verlassen und dann auch die Kapitänskajüte, hätte sie ihm in diesem Moment nicht noch eine Frage gestellt.
"Hast du ... hast du es ... Lebt es ... noch...?" Sie sprach leise, aber Elfenohren nahmen den Schall deutlich besser auf, vor allem, wenn es ohnehin ruhig war. Corax stutzte. Er drehte den Kopf in Azuras Richtung. In seinen Augen lag Unverständnis. "Was meinst du?", erwiderte er. Da wurden beide von Caleb unterbrochen, der Madiha in ihrer Nähe vorsichtig absetzte. Es kostete das Wüstenkind Mühe, die knappe Distanz zwischen sich und dem Dunkelelfen zurückzulegen, aber die Kämpferin in ihr erhob wie so oft schon die Waffen zum Angriff. Schritt um Schritt taumelte sie voran, bis sie ihn erreichte. Es war irgendwie auch eine Wohltat, ihn zu umarmen, denn dort fand sie Halt und ihre Beine durften etwas nachgeben. Langsam sank Madiha an seinen Leib, hielt sich daran fest und schenkte ihm zugleich eine Spur der Geborgenheit, die Caleb ihr selbst bereits gestattet hatte. Perplex blickte Corax auf die ausgelaugte Feuerbefähigte nieder. Schließlich blitzte Erkenntnis in seinen Augen auf. Etwas unbeholfen und ohne die Umarmung zu erwidern drehte er den Kopf wieder in Azuras Richtung. Dann schaute er zu Madiha zurück. Die Frage galt beiden: "Was haben die Nadeln euch gezeigt? Welche Bilder habt ihr gesehen?"
Er ahnte es, musste es aber von beiden hören. Nein, er wusste es. Warum sonst sollte der vermeintliche Schiffsjunge sich ihm so aufdringlich nähern und weshalb frage Azura sonst nach ... nach ...
Corax ächzte. "Die Bilder galten mir. Die Nadeln ... sie ... wollen mir immer wieder aufzeigen ... mich erinnern, was ich bin." Unruhig rutschte er zurück, auch wenn es bedeutete, dass Madiha den Halt verlor oder sich zwangsläufig noch fester würde an ihn krallen müssen. "Wie weit habt ihr gesehen? Was ... was war die letzte Erinnerung?"
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Donnerstag 1. September 2022, 20:26

Im Gegensatz zu dem vermeintlichen Schiffsjungen hatte sie bislang noch nicht bemerkt, dass noch jemand außer ihr und ihrem ehemaligen Begleiter überlebt hatten. Geschweige denn war sie auf den Gedanken gekommen, sich überhaupt umzusehen!
Nein, sie hatte nur Augen für ihn... und zugleich wiederum auch nicht. Es tat ihr weiterhin viel zu weh, dass er sie einfach eingetauscht hatte, anstatt zu begreifen, was sie in Wahrheit von ihm wollte. Während sie jedoch genauso wenig verstand, was in ihm vorging, nicht einmal nach all diesen schrecklichen Bildern.
Diese Denkweise war ihr vollkommen fremd und sie zu sehr in ihren eigenen Ansichten gefangen, um ohne einem kräftigen Stoß gegen die Wahrheit darauf zu kommen. Sie bräuchte jemanden, der es schaffte, sie zum richtigen und konzentrierten Zuhören zu bringen, wenn ihr erklärt wurde, was in ihm vorging. So jedoch... war die Kommunikation zwischen ihnen weiterhin zum Scheitern verurteilt.
Auch, was seine Intention war, sich mit dem Kopf auf ihren Bauch zu legen und ihr neues Kleid zu zerknittern. Im ersten Moment kroch eine diffuse Angst, gespeist aus Erinnerungen, unterdrückten Sehnsüchten und vielem mehr, in ihr hoch, aber als er nichts tat, dessen sie sich hätte schämen müssen, entspannten sich ihre Muskeln langsam wieder.
Damit nicht genug, kamen ihr Worte über die Lippen, die sie nicht zurück halten konnte, obwohl sie am liebsten nie wieder mit ihm gesprochen hätte. Zu tief war sie verletzt und zu groß die Furcht davor, es könnte noch schlimmer werden, wenn sie ihn nun wieder an sich heran lassen würde. Dabei offenbarte sie, wie groß das Missverhältnis ihrer beider Ansichten war, denn sie wollte eigentlich dasselbe hören wie er. Dass er zu ihr wollte, weil er romantische Gefühle für sie hegte.
War das Liebe? Oder eher Begehren und eine ungesunde Abhängigkeit? Azura wusste es nicht und wollte es lieber auch gar nicht erst ergründen, um nicht erneut zu verzweifeln. So konnte sie sich nicht vorstellen, dass genau ihre Andersartigkeit, dass sie ihn weder schlug, noch sonstwie bewusst quälen wollte, ihn an sie band. Und das, obwohl sie lieber andere Gefühle in ihm geweckt hätte...
Obendrein verdrängte sie einen Gutteil dessen, was sie aus seiner Vergangenheit erfahren hatte. Nicht, weil sie es nicht wissen wollte, im Gegenteil! Nein, es war reiner Selbstschutz, da es viel zu viel Neues und vor allem Schreckliches gewesen war, das er hatte durchleiden müssen. Das sie ihm gerne erspart hätte, wenn sie es gekonnt hätte...
So, wie es in ihr arbeitete und vieles offen blieb, noch nicht wirklich Worte zur Beschreibung fand, so schien es auch ihm zu ergehen. Auf ihre Frage hin sah er sie lange an und begann eine Antwort... um dann doch wieder zu schweigen. "Weil was...?", wisperte sie viel zu sanft, als gut für ihr Herz gewesen wäre.
Ihre Augen brannten schon genug und in ihrem Inneren schien eine Faust nur darauf zu warten, noch fester zupacken zu können, um ihr Schmerzen zu bereiten. Und dennoch... Sie musste es einfach erfahren!
Schließlich allerdings konnte auch sie nicht länger zurück halten, was in ihr vorging. Jedoch auch sie führte es nicht zu Ende, weil sie selbst nicht wirklich wusste, was es war, das sie wollte. Jedenfalls keinen Sklaven, das stand für sie fest! Nur... was dann?
Er holte sie verfrüht aus ihren Gedanken, als er sich rührte... und sich von ihr entfernte. Das Brennen in ihren Augen wurde stärker und sie musste sich zusammen reißen, um nicht trocken zu schluchzen. So unangenehm ihr seine Nähe auch gewesen war, jetzt, wo er ihr diese verwehrte, wurde ihr irgendwie... kalt.
"Ich will nicht, dass du nur bei mir bist, weil du es musst...", murmelte sie unbewusst in ihrer eigenen Sprache und fand trotzdem nicht die Kraft, es im allgemeinen Celcianisch zu wiederholen.
Würde er sie nicht auch so verstehen? Er konnte einige Brocken Garmisch, das hatte er ihr gezeigt, auch wenn er es nicht verwenden konnte. Interessierte es ihn denn überhaupt noch?
Sie schloss mit einem lautlosen, leidenden Seufzen die Augen, als ihr etwas anderes in den Sinn kam. Etwas, das noch stärkere Übelkeit in ihr auszulösen drohte, und das sie ebenfalls nicht bei sich behalten konnte. Dabei war es ihr nicht möglich, es konkret zu formulieren, da diese Vorstellung allein viel zu furchtbar in ihren Augen war. Er musste es eben so verstehen!
Zugleich konnte sie nicht mehr einfach so liegen bleiben, während er saß und auf sie herabsehen konnte. Dabei fühlte sie sich zu... ausgeliefert. Also richtete sie sich ein wenig auf, stützte sich auf die Ellenbogen, soweit die Korsage es zuließ, ohne zu bedenken, dass eben jenes Kleidungsstück dadurch ihre Brüste noch stärker zusammen drückte. So sehr, dass es beinahe so wirkte, als würden sie beim nächsten Atemzug herauspurzeln wollen. Für jeden Mann sicherlich ein appetitlicher, ablenkender Anblick, über dessen Wirkung sie sich hingegen nicht bewusst war.
Als er sie wieder ansah und nachhakte, musste sie schwer schlucken. Dabei senkte sie ihre Lider und es schien, als wolle sie die Aufmerksamkeit noch stärker auf ihr Dekolleté richten und sähe deswegen dorthin, obwohl sie es in Wirklichkeit gar nicht wahrnahm. "Ich... ich meine, dein... dein..."
In diesem Moment trug der Koch die Feuermagierin heran und stellte sie in ihrer beider Nähe ab. Zwar war diese ebenso geschwächt wie Azura und dennoch meldete sich ihr Innerstes sofort mit einem warnenden Gefühl, sodass sie abbrach und verwirrt blinzelnd aufsah.
Erst jetzt dämmerte ihr allmählich, dass sie die ganze Zeit über nicht allein gewesen waren. Was hatten die anderen alles gehört? Sie belauscht?!
Schwankend kam die Göre näher und... und... Die junge Frau traute ihren Augen, die sich weiteten, kaum. Zeitgleich schoss eine Welle der Eifersucht in ihr hoch. Was erlaubte die sich?! Ihre Atmung wurde, auch aufgrund der unbequemen und einengenden Position, etwas schneller und eine ihrer Hände ballte sich zu Fäusten.
Ehe sie jedoch etwas sagen konnte, sah er sie an und stellte seine Fragen. Damit holte er sie aus ihrem negativen Gefühl und ließ sie fragend blinzelnd zu ihm sehen, nachdem sie zuvor die andere angefunkelt hatte. Azura kämpfte noch damit, musste Worte finden für etwas, das sie eigentlich derzeit noch verdrängen wollte, als er etwas von ihr wegrutschte und weiter sprach.
Sie öffnete ihren Mund, wollte etwas sagen... und lief puterrot an. Rasch sah sie weg. Nein... nein, das konnte sie ihm nicht sagen, nicht vor all den anderen! Es war ihr viel zu peinlich! Nicht, was sie miteinander getan hatten, sondern dass sie es getan hatten!
"Ich weiß es nicht mehr...", murmelte sie lahm und wenig glaubwürdig. Ihre brennenden Wangen sprachen eine viel zu deutliche Sprache. Und das, obwohl sie noch immer nicht den Reiz ihrer derzeitigen Position wahrgenommen hatte!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 1. September 2022, 21:28

Hilflos zu sein kannte das Wüstenkind nur zu Genüge. Es war schon immer Teil ihres Lebens gewesen, sich schwach, entbehrlich und klein zu fühlen. Gemessen anhand ihres Körperbaus war sie das natürlich auch. An ihr war noch immer nichts dran und das würde sich vermutlich auch nicht mehr ändern. Ihr Körper hatte gelernt nur mit dem Nötigsten zurechtzukommen und somit versank sie in den Armen des Diebes. Seltsam bei Caleb war, dass sie keine seltsamen Gefühle plagten. Dass keine bösen Erinnerungen an Übergriffe aufbrandeten und sie in ein erneutes Unglück stürzten. Bei ihm fühlte sie sich sicher, trotz ihres Lebens. Und trotz dessen, dass er sie allein gelassen hatte. Madiha hatte aber erkannt und erkennen müssen, dass sie nicht bereit war, die einzige Konstante, ihren einzigen Freund ziehen zu lassen. Caleb war der einzige, abgesehen von Dunia und Ilmy, doch die kannten sie einfach nicht so wie er, der überhaupt bezeugen könnte, dass sie existierte, wenn sie sterben sollte. Er war Zeuge ihres Daseins. Während sie sich in seine Arme bettete, überkam sie eine immense Müdigkeit. Ihr Körper hatte bereits soweit aufgegeben, als dass sie nicht mal in der Lage war, ihn ebenso zu umarmen. Ihre Hände schmerzten dumpf und unablässig und dieses Gefühl der bleiernen Schwere in ihrem Kopf, entwickelte sich zu Kopfschmerzen. Madiha hielt für den Moment inne, als sein tiefes Timbre ihre Tränen trocknete und sie ablenkte von dem Schrecken, das sich eingebrannt hatte. Vielleicht machte ihr bisheriges Leben sie stark im Umgang mit Tragödien, denn sie beruhigte sich tatsächlich und hörte auf zu Schluchzen. Das milderte zwar nicht den Schmerz im Innern und den nagenden Zweifel, ob sie jemals wahrlich würde, frei sein können, doch fürs erste schob sie den lähmenden Teil beiseite, um handlungsfähig zu bleiben. Irgendwie. Ob sich das noch mal rächen würde? Auch der stärkste Wille konnte nicht alles ertragen, ohne einen Tribut zu zahlen. Irgendwann würde Madiha sich damit auseinandersetzen müssen, statt immer nur wegzuschieben und weiterzumachen. Doch nicht heute. Jetzt ließ sie sich von Caleb’s leichtherziger Art davontragen und lächelte sachte. Ihr Gesicht spannte von den getrockneten Tränen, während sie das Leben des anderen betrachtete. Und kribbelte leicht, weil es noch feucht schimmerte, durch die Tränen, die ihr aufgewühlter Verstand nicht hatte halten können. Als Caleb vorschlug, dass sie sich vielleicht ausruhen wollte, klang das in ihren Ohren wie eine wirklich gute Idee. Zwar wusste sie nicht, was sie tatsächlich tun würde, wenn sie dem Kapitän begegnete, auf der anderen Seite war sie zu gar nichts mehr fähig. Vermutlich würde sie einfach einschlafen und tausend und eine Nacht schlafen, bis sie wieder bei Kräften wäre. Klang jedenfalls verlockend, wenn sie so darüber nachdachte! Doch sie musste schnell einsehen, dass sie, als Caleb sich rührte und sie versuchte sich eigenständig zu erheben, es nicht schaffen würde.
Sie konnte ihre Beine kaum dazu kriegen, sich überhaupt zu bewegen geschweige denn, zu laufen. Seufzend sank Madiha auf dem Bett wieder zusammen und sah erst auf, als Caleb sie erneut rettete. Mit einem Arm, um seine breiten Schultern gelegt, ruhte ihre Rechte auf ihrem Schoß, die verkohlte Handfläche nach oben gedreht und die Finger in gekrümmter Haltung. Er trug sie und Madiha spürte eine Verlegenheit in sich aufkommen. „Danke…“, murmelte sie leise und musterte ihn kurz. Sie war seinem Gesicht näher als gewöhnlich und erkannte die feinen Stoppeln seines wachsenden Bartes, während seine Augen die Tür fixierten. Vom Nahen sah er noch besser aus, musste sie sich eingestehen und wandte den Blick ab. Sie fühlte sich seltsam dabei, so zu denken. Er war ein Freund. Ihr einziger. Madiha ließ sich tragen, bis sie Azura und Corax erreichten.

Hier bat sie Caleb kurz um Pause und ließ sich von ihm abstellen. Ihre Beine protestierten immens, als sie Bodenkontakt hatte und bevor sie Caleb loslassen konnte, sackte sie noch zwei Mal weg. Ihrem Trotz war es erneut zu verdanken, dass sie sich das, was sie vorhatte, in die Tat umsetzte. Reichlich unelegant und mehr schlecht als recht, schlurfte sie die wenigen Schritte auf Corax zu. Sie wollte ursprünglich etwas sagen, aber sie kam nicht dazu. Sie wusste nicht was. Es war ja nicht so, dass sie besonders eloquent wäre und für jede Situation die passenden Worte parat hätte. Aber seine Situation war ohnehin besonders. Auf die denkbar schlechteste Weise. Also ließ sie sich zu einer Handlung hinreißen, die die Eifersucht in Azura weckte, ohne dass Madiha das überhaupt mitbekommen hätte. Sie machte sich darüber gar keine Gedanken, als sie den Körper des Rabenmannes in ihre Arme nahm. Es musste etwas seltsam aussehen, wie sie an ihm hing, weil die Kraft nachließ und er nur verwirrt über sie hinwegsah. Madiha wollte sich lösen, als Corax wegrutschte. Sie verlor den Halt und sank zu Boden, vor Azura. Madiha stützte sich instinktiv auf ihre Handflächen und bereute es mit einem gequälten Luftholen. Zischend fluchte sie auf und presste die Lippen aufeinander. Nur langsam berappelte sie sich und blieb einfach an Ort und Stelle knien, während Azura ihre unbequeme Position beibehielt und Corax das Dreieck komplettierte. "Was haben die Nadeln euch gezeigt? Welche Bilder habt ihr gesehen? Die Bilder galten mir. Die Nadeln ... sie ... wollen mir immer wieder aufzeigen ... mich erinnern, was ich bin. Wie weit habt ihr gesehen? Was ... was war die letzte Erinnerung“, kamen seine Fragen mit einem Mal und Madiha hob den Blick kurz. Für einen Moment war auch sie unsicher, was sie nun sagen sollte, da glitt ihr Blick zu Azura. Ihr wäre es vorbehalten gewesen, jetzt zu antworten. Doch… "Ich weiß es nicht mehr..." Madiha blickte die Rothaarige an. Das glaubte sie ihr keine Sekunde, denn die Bilder fluteten nach wie vor den Verstand des Mädchens, so eindrucksvoll waren sie gewesen. Im Gegensatz zu Azura aber, wusste Madiha nicht wirklich um echte, körperliche Liebe. Vermutlich ließ sie die Röte im Gesicht der Schönen deshalb auch eher fragend zurück. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass so etwas, wenn man es freiwillig und mit Hingabe und Liebe tat, auch bedeutete, verwundbar und verletzbar zu sein. Dass etwas so intimes, durchaus unangebracht war, vor aller Ohren auszuplaudern. Für sie war es stets nur ein mechanischer Akt, schmerzvoll, qualvoll, der jedes Mal einen weiteren Teil ihrer Selbst nahm und zerstörte. Zwar konnte sie sehen und auch Corax’s Empfindung dabei spüren, doch… Hatte Azura das nicht auch? Madiha runzelte die Stirn und betrachtete sie nachdenklich. "Du lügst doch!", sprach sie sie direkt an. Hatte sie nicht auch spüren können, was er da für sie empfand? Die ehemalige Sklavin ließ ihren Blick sinken und schaute auf die schwarze Umrandung, auf der sie nun saß. Für einen Moment war sie abgelenkt von dem Anblick, dann begann sie leise zu sprechen. „Du… du warst so hilflos.“, nuschelte sie kratzig und räusperte sich mit schmerzhaftem Brennen in der Kehle. Sofort fluteten die Bilder ihre Erinnerungen und sie spürte den Kloß in ihrem Magen und in ihrem Hals. „So glücklich…“, flüsterte sie weiter, sah aber keinen der beiden an, sondern starrte nur auf den verkohlten Boden. „Sie haben dir… das Glück genommen. Diese… Wesen. Sie nahmen dir… das Glück und gaben dir... das Leid dafür.“, sprach sie weiter, durchlebte die schrecklichen Bilder abermals. Ihre Stimme brach teilweise, während sie sich so beherrschen musste. „Dann warst du ein Junge.. Du… du wolltest eine.. Mutter. Du…“, Madiha presste die Lippen aufeinander und schaffte es nicht, dass ihre Tränen nicht ihre Augen füllten. „Du wusstest nicht, was das ist…“, hauchte sie tonlos, ehe eine Träne über ihre Wange rollte. „Die… die Bilder gingen weiter… du wurdest zum Mann… und.. sehnst dich so sehr danach, dass du geliebt wirst…“, flüsterte Madiha und war längst gefangen in den Bildern. Sie wusste zwar inzwischen, dass es nicht ihre Erinnerungen waren, aber sie zog noch immer ungesunde Parallelen zu sich. „Sie… verlangte von dir unmögliches. Unaussprechliches.“, sprach Madiha den Mord an seinem Kind an. Tränen rollten nun stumm erneut über ihre Wangen. Doch sie zwang sich weiterzusprechen. „Bis du Azura getroffen hast.“, murmelte sie. Madiha war gewiss keine Expertin darin, solche Gefühle richtig zu deuten oder überhaupt etwas von Liebe, wie sie in romantischen Büchern gezeichnet wurde, zu verstehen. Aber sie hatte mit Corax, ebenso wie Azura, die Erinnerungen geteilt und auch die Empfindungen dabei gesehen. Sie waren eins gewesen. Das Mädchen wollte ihre Hände heben, allerdings schaffte sie es nicht. Unbeweglich ruhten diese in ihrem Schoß, während unablässig die Tränen rollten und auf sie niedertropften.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 2. September 2022, 07:51

So schwer wie es Azura fiel, sich in die Lage ihres widerlichen Schuftes zu versetzen, um seine Motive zu verstehen, so sehr hatte Corax Probleme damit, offen über seine Gefühle zu sprechen. Zumindest jene, die er für die Adlige empfinden könnte. Denn ob es so war, erschloss sich ihr noch nicht. Obgleich sie wie Madiha in den Erinnerungen des Dunkelelfen geschwommen, seine Ängste, aber auch seine Zuneigung empfunden und nicht zuletzt durch seine Augen gesehen hatte, wie sie unter seiner Hingabe schmolz, nagten weiterhin Zweifel an ihr. Sie fühlte sich beschmutzt, ausgenutzt und dumm, weil sie auf seine Spielchen hereingefallen war, aber wie viele der geteilten Intimäten ließen sich in diese Kategorie schieben? Wieviel war echt gewesen? Wollte er denn wirklich in ihrer Nähe sein oder war es Mittel zum Zweck, um einem gnadenlosen Sklavenleben zu entkommen und einem zu folgen, bei dem weder Schläge noch andere Demütigungen an der Tagesordnung standen? Wer wäre nicht bereit, diesen Weg einzuschlagen?
Corax versuchte, die wahren Gründe zu nennen. Er kam nicht über zwei Silben hinaus. "Weil was...?", hakte Azura nach, dieses Mal mit einer Sanftheit, dass sie dem Mann auf ihrem Bauch eine Gänsehaut bescherte. Er atmete tief durch, ehe er einen zweiten Versuch startete: "Weil..." Wieder ein Abbruch, wieder würgte er und schlug dann gar mit der Faust neben Azura auf den Plankenboden. Nicht erschreckend fest, aber doch frustriert. Unter einem Schnaufen löste er sich endlich und hinterließ zugleich doch eine frostige Kälte, die sich in Sehnsucht hüllte.
"Ich will nicht, dass du nur bei mir bist, weil du es musst..."
"Ich verstehen dein Sprech", erwiderte er in sehr gebrochenem Garmisch. Corax suchte nicht einmal mehr ihren Blick. Er war in seinen Gedanken gefangen, mit sich beschäftigt und dann tauchte plötzlich Madiha auf, um sich ihm fast schon an den Hals zu werfen. Die Eifersucht in Azuras Herzen brannte beinahe so heftig wie ihre Augen. Corax hingegen versuchte gar nicht erst, die Umarmung zu erwidern. Zunächst war er zu perplex dafür, dann aber erschütterte Azuras Reaktion sein ganzes Selbst. Wo er vorher schon gebrochen schien, weil sie sein Betteln, ihn zum Sklaven zu nehmen, erneut ablehnte, da durchfuhr ihn nun eine eisige Kälte. Sie lähme ihn vollkommen. Nicht imstande, zu reagieren, starrte er nur vor sich auf den verrußten Boden, während eine Blässe sich wie Gift auf seinem Gesicht ausbreitete. So entging ihm die Schamesröte der Andunierin gleichermaßen wie ein verlockender Ausblick auf ihre offenherzig präsentierten Rundungen. Angsichts ihrer Aussage hätte er bei allem Begehren nun ohnehin keinen Sinn dafür finden können. Dieses Mal nicht.
Er saß zwischen beiden Frauen, nachdem er sie mit seinen Fragen gelöchert hatte und musste die erste, aber eigentlich so wichtige Antwort zunächst verarbeiten. Caleb musterte die Szene. Er ahnte nicht, was geschehen war. Er konnte sich nicht einmal ausmalen, was Madiha und Azura erlebt und gesehen haben mochten. Vielleicht fiel es ihm deshalb so leicht, locker über die Situation zu sprechen. Als Außenstehender, noch dazu mit seinem Gemüt, erfasste er die Lage ganz anders. Und er verlor dabei nicht seinen höfischen Charme, mit dem er Azuras Respekt wenigstens ein bisschen gewonnen hatte.
"Aber werte Dame, Ihr werdet ja rot! Jetzt ist nicht der Zeitpunkt für falsche Scham. Sprecht es offen an, wir sind unter uns. Und ich werde alles Gesagte ganz schnell wieder vergessen." Er legte eine Hand auf sein Herz und zwinkerte, ohne seine Worte dadurch ins Lächerliche zu ziehen. Vielmehr versuchte Caleb wie so oft, eine düstere Situation aufzulockern. Er erkannte, das hier nun miteinander gesprochen werden müsste und dass keiner es so wirklich fertig brachte. Da es ihm als nicht Betroffenem aber nur bedingt zustand, sich überhaupt einzumischen, verfiel er schnell wieder in die Rolle des Beobachters.
So versuchte Madiha ihr Glück, denn sie konnte es nicht ganz begreifen, wie Azura nun auf die Fragen ihres Begleiters so ausweichend antworten konnte. Hatte sie denn nicht gesehen und gespürt? Sie musste die Erinnerungen doch wenigstens ähnlich wahrgenommen haben! Madiha konnte sich nicht zurückhalten. Mit kratzigem Hals war sie es dann, die Corax aufklärte. Er rührte sich noch immer nicht, schien aber zuzuhören. Seine Spitzohren zuckten gelegentlich und je mehr Madiha preisgab, desto unruhiger rutschte er auf seinem Platz umher. Endlich, nachdem Madiha geendet hatte und eine ganze Weile Schweigen in der Luft hing, sagte Corax: "Es war mein eigenes Verschulden. Ich habe dieses Schicksal angenommen." Typische Verhaltensmuster einer misshandelten Seele. Sie erkannte längst nicht mehr, dass nichts davon in ihrer Verantwortung lang. Auch die immer wieder vergewaltigten Mädchen und Frauen aus dem Harem, dem Madiha ebenfalls angehört hatte, sprachen so. Wenn sie denn sprachen. Sie gaben sich selbst die Schuld für ihre Situation und wenn die Begründung nur darin lag, zu schön geboren worden zu sein und dass Männer folgich ja auf ihre Vorteile anspringen mussten. Es war eine verzerrte Wahrnemung, geboren aus Unterdrückung, Missbrauch und dem Gefühl, auf Celcia am wenigsten wert zu sein als alle anderen.
Corax zog die Beine an, rutschte etwas aus dem Kreis heraus. Sein Blick fiel knapp auf Azura. Dann verharrte er länger dort. Nun hatte er ihr Dekolletée das erste Mal wahrgenommen. Eine Weile blieb er daran hängen, gönnte sich diesen Anblick wohl als letzten Genuss. Er würde sie nie wieder so ansehen dürfen. Umso schwerer fiel es ihm, sich davon zu lösen. Er schaffte es nur, indem er unter einem Schnaufen den Kopf abdrehte. So sprach er zwar mit Azura, hielt den Blick aber auf Madihas verbrannte Hände gerichtet. "Nichts lebt mehr. Ich habe alles getan, um bei ihr bleiben zu dürfen." Und nun saß er hier. Erneut verstoßen. "Ihr hättet das nicht sehen sollen." Damit schloss er, erhob sich. "Vergesst es einfach. Nichts davon ist es wert, länger als nur den Moment selbst darüber nachzudenken. Vielleicht erscheint es euch als wichtig, aber letztendlich ... ist es nichts von Belang. Und einiges habt ihr ja schon vergessen." Ein letztes Mal schaute er auf Azura herab, ballte dabei die Hände zu Fäusten, ehe er sie flach an seine Oberschenkel drückte. Seine Stimme überschlug sich beinahe, aber er riss sich noch rechtzeitig zusammen: "Mein Herr erwartet mich."
Damit machte Corax sich auf den Weg zur Kabinentür. Noch ehe er sie erreichte, hatte er wieder die Gestalt des Jungen angenommen. Ein paar Schritte noch. Er musste nur die Tür öffnen und aus ihrer aller Leben verschwinden. Vielleicht ließ Jakub ihn in der Kabine, bis sie das Festland erreichten. Vielleicht ließ er sich überreden, wenn Corax ihm nur genug anbot. An der Tür angekommen zitterte das Kind wie Espenlaub. Es schaffte den letzten Schritt nicht. Es schlang die Arme um sich selbst, aber das Beben wollte nicht verschwinden. Es brachte es nicht über sich, zum Kapitän zurückzukehren. Es konnte aber auch nicht dorthin zurück, wo es sein wollte. Ablehnung, auch beim zweiten Versuch. Azura hatte sogar vergessen, was zwischen ihnen gewesen war, so unwichtig war ihr der Moment in den heißen Quellen erschienen. Dabei hatte er sich so bemüht... Wohin konnte er noch gehen, um diesem Schicksal zu entkommen? An wen konnte er sich wenden? Niemand verstand ihn. Niemand außer...
Er drehte sich langsam um, klammerte sich an diesen letzten Strohhalm. "Ich beherrsche Aufgaben im Haushalt, kann kämpfen, nähen und ... ander Dinge tun. Ich werde tun und sein, was du erwartest. Ich könnte sogar aussehen wie er!" Das Kind Corax zeigte mit ausgestrecktem Finger auf Caleb. Der Dieb hob fragend beide Brauen an. "Und ich könnte deine Verletzungen heilen. Bitte, nimm mich als dein Eigentum auf." Sein Blick fokussierte sich auf Madiha. Sie war seine letzte Chance.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 4. September 2022, 11:21

Die Frage danach, was genau sie eigentlich wollte... von ihm wollte, war eine, die sie sich eigentlich gar nicht stellen wollte. Viel zu kompliziert und mit viel zu viel verbunden. Warum nur hatte ihr Leben derart kompliziert werden müssen?! Vor wenigen Wochen war es noch ganz einfach gewesen, hatte sie ihre Wünsche und Ziele genau gekannt. Einen hochadeligen Ehemann, der ihr zu Füßen läge und den sie zumindest mögen könnte, ein paar gesunde, hübsche, brave Kinder, allen voran einen Erben, der stolz machen würde, und trotzdem der Mittelpunkt der Gesellschaft bleiben, umschwärmt und begehrt. Was war daran so schwer?
Doch die Götter hatten die Dunkelelfen geschickt, die hatten ihre Heimat erobert und dieser widerliche Schuft war ihr begegnet. Seitdem war alles aus dem Ruder gelaufen... Um am Ende hier zu landen und sie mehr oder weniger orientierungslos, dafür mit vielen Seelenqualen zurück zu lassen.
Vielleicht wäre es einfacher für sie beide geworden, wenn sie die gesehenen Szenen besser hätte begreifen können, ihn besser begreifen könnte! Vielleicht hätte es sich aber auch zum Positiven wenden können, wenn er seine Gefühle ausgesprochen hätte. Doch so wie sie das eine nicht konnte, eventuell nie vollständig können würde, so konnte auch er aus seiner Haut nicht heraus.
Zwar fragte sie nach, aber auch da erhielt sie... nichts. Erneut schmerzte ihr Herz und brachte sie dazu, noch einmal deutlich zu sagen, warum sie ihn nicht als ihren Sklaven haben wollte, ganz gleich, wie sehr sie sich nach seiner Nähe sehnen mochte.
Hierbei antwortete er ihr zwar, nur... sah sie dabei nicht an, sodass sie in seltener Klarsicht zu erkennen glaubte, dass er noch immer nicht den Sinn dahinter verstanden hatte. "Ich weiß... Aber du begreifst nicht...", nuschelte sie in sich hinein, als zwei weitere Personen in ihren Aufmerksamkeitsbereich traten.
Was ihr unangenehm war und dennoch... es sollte noch schlimmer werden. Als die Göre, ausgerechnet die, den Dunkelelfen umarmte, schoss heiß wie eine Stichflamme die Eifersucht in ihr hoch. Wäre sie nicht so geschwächt gewesen, es hätte sie nicht gewundert, wenn ihre Magie sich in irgendeiner Weise gemeldet hätte. Eine neuerliche Dusche für das Balg wäre ihr durchaus eine Genugtuung gewesen! Jedoch, bis auf ein bisschen ein Blubbern ihres eigenen Blutes, geschah vorerst nichts.
Sie musste diesen Anblick weiterhin ertragen und damit zurecht kommen. Auch wenn sie es nicht wirklich konnte... Da half es auch nicht sonderlich, dass die eine noch stärker geschwächt wirkte als sie selbst, und der andere äußerst verwirrt dreinsah. Oder der Umstand, dass diese Umarmung nicht wirklich lange anhielt. Es war geschehen, direkt vor ihren Augen, und das brannte sich bei ihr ein.
Solange, bis ein anderes Gefühl die Oberhand gewann, als er sie nach den letzten Bildern der Vision fragte. Die Röte schoss brennend in ihre Wangen und weil es ihr einfach zu peinlich war, griff sie zu einer Notlüge. Alles andere als glaubwürdig, selbst in ihren Ohren war das deutlich zu hören, aber sie konnte nicht anders. Man sprach nicht darüber, was sie beide getan hatten, und schon gar nicht, wo es im Prinzip ihr ganzes Dasein zerstören könnte, sollte das jemals in jenen Kreisen publik werden, zu denen sie eigentlich gehörte!
Während sie noch mit der Scham kämpfte, mischte sich der zweite Mann der Runde ein, auf eine Weise, die alles für sie noch schlimmer machte. Sie sah ihn an und hatte das Gefühl, dass sich die Röte über Gesicht hinaus bis hin zu ihrem unbewusst deutlich präsentierten Dekolleté auszubreiten begann. Fehlte nicht mehr viel und es würde wohl auch auf ihre Schultern und Arme übergreifen, so, wie es sich anfühlte! Oh, wo war nur ein tiefes, tiefes Loch, in dem sie versinken könnte?!
"Das ist nett gemeint, aber Ihr habt ja keine Ahnung, was...", begann sie leise und mit niedergeschlagenem Blick, als der Vorwurf der Göre kam.
Abrupt brach Azura ab und funkelte die andere wütend an, gereizt von deren wahrheitsgemäßen Worten und der Nähe zu ihr... sowie der eigenen Eifersucht. "Halt dein vorlautes Mundwerk!", fauchte sie sofort zurück und schien damit auch Erfolg zu haben.
Wenngleich sie sich zu früh gefreut hatte, denn schließlich begann die andere doch zu erzählen. "Hör auf!", verlangte die junge Frau, aber wurde dabei ignoriert, sodass sie körperlich hätte eingreifen müssen, um das Schlimmste zu verhindern. Die Schwäche zwang sie jedoch dazu, es bleiben zu lassen, weswegen sie stattdessen demonstrativ den Blick abwandte und so tat, als ginge sie das Ganze nichts an und würde somit auch nicht stattfinden. Lediglich die beständige, auffällige Röte ihrer Haut zeugte davon, dass es in Wahrheit ganz anders in ihr aussah.
Wenigstens wurde es für sie gar nicht so hochnotpeinlich, wie sie hatte befürchten müssen, sodass sie sich rasch einmischte, als die Sprache auf sie kam. "Ja, gut, danke, jetzt sind wir alle aufgeklärt. Du bist also fertig!", mischte sie sich ruppig ein in dem neuerlichen Versuch, auch nur das geringste Detail darüber, was sie tatsächlich gesehen hatten, zu unterbinden.
Da reagierte auch ihr ehemalige Begleiter und zog damit ihren Blick auf sich. Entschieden schüttelte sie den Kopf. "Du warst ein Säugling, als ob du damals dafür hättest verantwortlich gemacht werden können!", protestierte sie.
Auch wenn sie selbst noch keine Kinder hatte und in ihrem Umfeld kaum damit in Berührung gekommen war, sollte ihre gesamte Ausbildung darauf abzielen, einst eine gute Mutter zu werden. Natürlich, all das Unangenehme wie füttern, wickeln, nächtens aufstehen und so würde eine Amme übernehmen und ihr das Kind stets dann überlassen, wenn es zufrieden und artig wäre. Trotzdem war selbst ihr klar gemacht worden, dass Entscheidungen auf lange Sicht hin nicht von dem Nachwuchs getroffen werden konnten, weil sie nicht in der Lage wären, die Dinge klar zu überdenken. Außerdem widerstrebte es ihr zu glauben, der Mann, der ihr Herz erobert hatte, noch bevor er in ihrem Schoß eingedrungen war, könnte freiwillig solch ein Monster geworden sein.
Er sah zu ihr hin... nur nicht in ihre Augen. Erst, als er so offensichtlich in ihren Ausschnitt starrte, fiel auch ihr auf, welch eine Position sie eingenommen hatte. So schnell ihre eigene körperliche Schwäche es zuließ, bemühte sie sich darum, sich weiter aufzurichten und diesen Eindruck wenigstens ein bisschen abzumildern. Jetzt war ihr gewiss nicht danach, mit ihren Reizen zu locken!
Um dann von einer Potentierung einer überreifen Tomate zu einer reinen Geisterscheinung zu werden, so sehr erbleichte sie bei seinem Geständnis. Ihr Herz sackte in ihre Magengrube und ihr wurde übel, während ihre Augen erneut zu brennen begannen. Er hatte also...
In ihr zerbrach neuerlich etwas und ihre Hände fingen zu zittern an, nicht viel, aber ausreichend, dass sie diese flach auf die Planken presste, um es zu verbergen. Auch sie wandte den Blick ab, konnte ihn nicht länger ansehen.
Seine weiteren Worte rauschten an ihr vorbei, bis sich seine Stimme fast überschlug. Obwohl es ihr davor graute, sah sie langsam auf und konnte beobachten, wie er sich entfernte und dabei wieder jünger wurde.
Ihr schnürte sich die Kehle zusammen und wie auch immer sie es schaffte, sie rappelte sich allmählich auf die Beine. Es tat ihr leid, dass er erneut zu diesem verängstigten Jungen wurde, doch er hatte etwas getan, das sie von ihm nachhaltig wegtrieb.
Da drehte er sich zu ihnen zurück, ein Häuflein Elend, mitleiderregend. Wenn sie nur seinem Wunsch nachgeben und vergessen könnte... aber so? Nein, das schaffte sie nicht, womöglich sogar nie...
Selbstverständlich gab es in ihrer Welt auch genügend Frauen, die zu Engelmacherinnen gingen, aus welchen Gründen auch immer, das war nicht zu leugnen. Aber im Prinzip waren das immer die Frauen, die diese Entscheidung treffen mussten und obendrein noch ihr eigenes Leben riskierten, auf mehrfache Weise. Die Männer hingegen... Nein, die hatten kein Recht dazu! Außerdem hatte dieses kleine Ding nichts getan, ihm war einfach die Chance auf eine Existenz verwehrt worden...
In ihrem Kopf ratterte es, in ihrem Bauch rumorte es und dann war da noch dieser Junge, der Dinge sagte, die... die das Fass einfach zum Überlaufen brachten! Schon einmal hatte er ihr vorgeworfen, andere Männer haben zu wollen. Dieses Mal war es der Koch, der ihr zwar durchaus gefallen könnte, allerdings bestimmt nicht jetzt!
Ihre Augen wurden schmal. Dann jedoch folgte die Krönung des Ganzen und er bot sich ausgerechnet der Göre an.
"Raus hier!", zischte sie wütend und spürte, wie die restliche Flüssigkeit in ihrem Inneren zu brodeln begann. Ihre Hände ballten sich so fest zu Fäusten, dass ihre ganzen Arme zu zittern begannen.
Um dann in einem Ausbruch laut und deutlich zu verlangen:"Raus hier! Alle! Lasst mich endlich in Ruhe!" Damit wandte sie sich um und stürmte in Richtung des Bettes, wobei sie sich wenig darum kümmerte, ob der Mann neben ihr rechtzeitig ausweichen würde oder sie ihn anrempeln müsste. Sie würde zum Bett kommen, das stand fest!
Sobald sie dort wäre, würde sie sich darauf fallen lassen, mit viel Schwung, sodass ihre Röcke einen Moment lang aufwirbeln und einen Einblick auf die Wäsche darunter geben könnten, bis der Stoff sich über sie wie eine Decke breiten könnte. Sie würde auf dem Bauch zum Liegen kommen, den Kopf demonstrativ zur Wand gedreht und nichts und niemanden mehr sehen oder hören wollen. Selbst die Tatsache, ob das Bettzeug nach all der Hitze noch feucht wäre oder nicht oder sonstige Flecken aufwies, wäre ihr gleichgültig. Azura wollte schlicht und ergreifend einfach nur noch allein mit all ihrem Kummer und ihrem inneren Schmerz sein.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 4. September 2022, 23:23

Niemand konnte vorhersagen mit welchen Schicksalsschlägen oder Situationen er im Laufe seines Lebens konfrontiert werden würde. Und nur diejenigen, die sich sicher genug in ihrem Auftreten waren, wussten wie sie zu handeln hatten. Madiha war nicht so. Seit die Freiheit Teil ihres Lebens geworden war, wusste sie überhaupt nicht mehr, was sie eigentlich tat und tun sollte. Was wurde von ihr verlangt? Diese Frage musste sie sich plötzlich nicht mehr stellen, denn sie durfte entscheiden. Dass ihr das aber mitunter schwerer fiel, als all die schlimmen Stunden in denen sie einfach nur anwesend sein brauchte… Das hätte sie nicht für möglich gehalten. Während Kinder in liebevollen und intakten Familien von klein auf lernen durften, ihren Instinkt zu entwickeln und ihm zu vertrauen lernten, hatte Madiha gerade mal die paar lausige Wochen dafür gehabt, seit sie dem Sand entflohen war. Bis zu ihrem 7. Lebensjahr, kam auch sie in den Genuss sich entwickeln zu dürfen und das schärfte ihre Zähigkeit, ihren Trotz und ihren Willen. Der ihr dann, während sie in Diensten stand, zum Verhängnis werden sollte. Gebrochen war sie, aber nicht verloren. Noch immer besaß das Mädchen ihren Willen und diesen Kampfgeist, der ihr nun mehr und mehr die Richtung wies. Allerdings stolperte sie von Situation zu Situation, fand sich mit einem Mal in einem wahrgewordenen Harax wieder, der schier endlos wirkte. Sie wurde Zeugin einer Gewalttat, die sie selbst nur zu gut kannte. Und die Erinnerung oder besser, die Aussicht auf das Leben, das auch ihr vorherbestimmt sein könnte, entfesselte eine ungeahnte Kraft, die sie letztendlich vollkommen auslaugte. Selbst nach Feierlichkeiten, in denen die Handelspartner zu wahren Weinvernichtern wurden und kaum noch Grenzen im Umgang mit Mädchen wie ihr kannten, hatte sie sich so nicht gefühlt. Sie hatte sich noch immer aufgerappelt und irgendwo in dunklen Ecken ihre Wunden geleckt. Madiha war lange Zeit ohne den Dieb zurechtgekommen. Jetzt aber seine Nähe zu erfahren und seine Worte zu hören, gaben ihr jenen Halt, nach dem sie sich insgeheim sehnte.
Sie hätte diesen Halt nehmen und die anderen in der Kajüte zurücklassen sollen. Doch dass sie eine solche Solidarität mit dem Mann teilte, der sie beinahe umgebracht hatte, überraschte selbst sie. Sie konnte nicht einfach gehen, während sie wusste, dass er solche Qualen erduldete. Und sie machte sich keine Gedanken darum, dass Azura das in den völlig falschen Hals bekommen könnte. Für Madiha lag es klar auf der Hand, dass er Hilfe brauchte, dass er jemanden nötig hatte, der ihm die Seele rettete. Sie konnte einfach nicht verstehen, dass Azura das nicht erkannte. Sich mit ihr zu identifizieren, lag nicht in den Möglichkeiten des Wüstenkindes. Madiha kannte nichts von höfischen Gebräuchen und dem Leben in einer exklusiven Gesellschaft. Diese Regeln und Gepflogenheiten waren ihr vollkommen fremd und so verkannte sie vielleicht auch das Dilemma der Schönen. Auf der anderen Seite hatte Azura das Gleiche erlebt wie sie auch. Und sie hätte selbst vielleicht ein Stück beiseitetreten müssen, um das Gesamtbild zu erfahren. Stattdessen aber, errötete sie nach den Rückfragen des Raben und ließ die Sarmaerin fragend zurück, bis Caleb sein Glück versuchte.

Madiha hob den Blick kurz, während er sprach. Noch immer war es ungewohnt, ihn so sprechen zu hören, allerdings kam es auf den Inhalt an. Und Azura reagierte tatsächlich auf seine Worte, wenn auch nicht so, wie es erforderlich gewesen wäre. Kopfschüttelnd nuschelte Madiha ihre Sicht der Dinge, die prompt bissig zurückgewiesen wurden. Das Mädchen hob nur die Schultern und seufzte leise. Sie hingegen verkannte, dass es für Azura tatsächlich ein echtes Problem darstellte, dass sie getan hatte, was sie eben gesehen hatten. Woher sollte Madiha das auch wissen? Das Privileg so etwas als intim und privat einzustufen als etwas, was die Herzen höherschlagen ließ und einem ein Kichern entlocken konnte, hatte sie längst nicht. Es war Alltag. Es war Qual. Etwas worüber man nüchtern sprach und dessen Heimlichkeit sie nicht richtig verstehen konnte. Dass jemand wie Azura durch solche Dinge auch aus ihren Kreisen verstoßen werden könnte, das wusste Madiha einfach nicht.
Also setzte sie an, beantwortete die Fragen, die der Rabenmann stellte, ignorierte ihre Einwände und schloss trotz aller Bemühungen durch Azura, sie aufzuhalten, mit der letzten Erinnerung ab. Und wurde erneut von ihr gemaßregelt, sodass das Wüstenkind aufblickte. Noch immer war ihr graublauer Blick durch die Tränen verklärt. Sie bemühte sich, diese mit den geschundenen Handrücken fortzuwischen, ehe sie zu Corax sah, der sich plötzlich unnahbar gab. "Es war mein eigenes Verschulden. Ich habe dieses Schicksal angenommen." Madiha starrte ihn an. Ihr lief es eiskalt den Rücken hinunter, denn das war etwas, was sie all die Jahre hinweg immer wieder hatte mitansehen müssen. Sie selbst blieb von diesem Denken verschont, denn sie wusste, dass nicht sie schuld daran war, sondern Opfer der Umstände und ihrer Herkunft wurde. Vielleicht auch etwas, was ihr gerade dabei half, sich stärker zu geben, als es Corax könnte und sich nach einer Freiheit zu sehnen, die er nicht mehr sehen konnte. "Du warst ein Säugling, als ob du damals dafür hättest verantwortlich gemacht werden können!", hörte Madiha den Protest und sie nickte zustimmend.
Wenigstens waren sie sich mal einig im Bezug auf irgendetwas. Auch ihr Blick glitt zu Corax, der sich für einen Moment abgelenkt anderen Dingen widmete. Dann ging ein Ruck durch seinen Körper und er zwang sich, nicht länger die Schöne anzusehen. Seine nachfolgenden Worte aber alarmierten Madiha. Unruhig huschte ihr Blick von einem zum anderen und sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Er entzog sich. Er gab sich die Schuld und entzog sich dieser Situation, weil er keinen Ausweg fand. Madiha kannte das so gut und ahnte nicht mal, dass sie im Bezug auf Azura einen traurigen und beinahe unfairen Vorteil hatte. "Vergesst es einfach. Nichts davon ist es wert, länger als nur den Moment selbst darüber nachzudenken. Vielleicht erscheint es euch als wichtig, aber letztendlich ... ist es nichts von Belang. Und einiges habt ihr ja schon vergessen. Mein Herr erwartet mich." Die Tür war zu. Corax verschloss sich vor ihnen und auch Azura schien plötzlich wieder in ihren Gedanken gefangen zu sein. „Nein..“, hauchte Madiha fast schon tonlos und sah von einer zum anderen. Das konnte nicht so weitergehen! Sie verstand nicht. Und er gab ihr keine Gelegenheit.

Das Wüstenmädchen kam nur ungelenkig auf ihre Füße. Sie schwankte einen Moment, konnte ihre Hände nicht zum Abstützen gebrauchen, sodass sie nicht so schnell war, wie sie wollte. Sie richtete sich gerade erst auf, als der Junge plötzlich noch mal innehielt. Madiha hatte gerade mit ihren eigenen Unzulänglichkeiten zu kämpfen als die Worte auch ihren Gehörgang erreichten. Verständnislos sah sie zum Kind auf. "Ich beherrsche Aufgaben im Haushalt, kann kämpfen, nähen und ... andere Dinge tun. Ich werde tun und sein, was du erwartest. Ich könnte sogar aussehen wie er!", sie folgte seinem Fingerzeig und musterte Caleb ebenso verständnislos, wie er fragend die Augenbrauen hob. Doch die Antwort dieser stummen Fragen, folgte prompt: "Und ich könnte deine Verletzungen heilen. Bitte, nimm mich als dein Eigentum auf."
Madiha’s Ohren rauschten mit einem Mal. Ihr Blick brannte sich in den des Jungen, der sie so fest fixierte und mit seinem stummen Hilfeschrei regelrecht einen Sog zu erschaffen drohte. Madiha war für einen Moment handlungsunfähig. Die körperliche Schwäche tat sicher ihr übriges, doch sie sackte beinahe zusammen, fing sich nur mühevoll und verhinderte einen Sturz. Ihr wurde heiß. Dann kalt. Sie wollte schlucken, doch ihre Kehle blieb trocken, sodass es nur in Schmerzen endete. "Raus hier! Raus hier! Alle! Lasst mich endlich in Ruhe!", kam es von Azura und ließ Madiha den Kopf zwischen die Schultern senken. Scharf waren ihre Worte. Voller Bitterkeit und verletzt. Für Madiha lief die Zeit irgendwie viel zu schnell, denn schon hatte sich die Wassermagiern erhoben und stampfte auf das Bett zu, in dem sie zuvor noch erwacht war. Kurz war das Wüstenkind abgelenkt dadurch und sah zu der Schönen, die sich in die Kissen versenkte. Dann drehte Madiha langsam den Kopf zurück und blickte hilfesuchend zu Caleb. Fand sie etwas in seinem Blick? Es hielt aber nicht lange an, denn sie richtete ihren Blick wieder auf Corax. Sie sollte nun einen Sklaven besitzen? Ausgerechnet sie? Ihr wurde schlecht, denn das war nicht das, was sie wollte. Madiha verlor noch mehr an gesunder Farbe im Gesicht. Und die Kraft, sich auf den Beinen zu halten, drohte sich zu verflüchtigen. Corax war so früh zum Sklaven geworden, dass er es nicht ertrug allein zu sein. Das konnte er nicht. Madiha begriff das und dennoch. Sie war einfach nicht die Richtige dafür, nicht sie. Sie … sie war doch selbst nur… „Ich?“, krächzte sie hilflos und so furchtbar leise, dass es vermutlich eh niemand hörte. Ausgerechnet sie, die ebenfalls eine Sklavin war und gerade erst lernte, was Freiheit bedeutete. Sie, die sich einredete, allein klarzukommen und sich dennoch nach so viel Geborgenheit sehnte, dass es körperlich wehtat.. Und die eine kaputte Existenz darstellte. Nein, sie war nicht die Richtige dafür. Und alles in ihr wollte fliehen, der Entscheidung einfach nur entkommen. Doch… Doch sie konnte damit verhindern, dass er wieder zu Jakub musste. Dass er die Qualen litt, die auch auf ihrer Seele lasteten. Warum nur verlangte man diese Entscheidung von ihr? Plötzlich nickte Madiha Corax zu. Sie willigte ein. Stumm. Unfähig auszusprechen, was ihr Körper suggerierte.
Ihr Herz überschlug sich schmerzhaft, denn sie war gefangen in einem Strudel aus Selbsthass, dass sie das tat und somit unterstützte und dem Wissen, dass sie ihn bewahren konnte, erneut Opfer eines Übergriffes zu werden. Madiha schlug den Blick nieder. Plötzlich wurde ihr eiskalt. Sie schlang die Arme um ihren schmalen Körper, um das aufkommende Zittern zu unterdrücken. Panik stieg in ihr auf. Die Bilder der sterbenden Crew waren nicht vergessen, die Erinnerungen des verfluchten Jungen waren nicht vergessen. Das Tauziehen zwischen Mitleid und Abscheu fraß Madiha regelrecht auf. Seine Hände, die sie dieses Mal gar nicht berührten, drückten abermals ihre Kehle zu. Sie bekam keine Luft. „Damit… damit… Jakub dir nicht…“, versuchte sie ihre Entscheidung zu rechtfertigen. „Mir wird schlecht“, keuchte sie kreidebleich und sank dieses Mal doch unsanft auf die Knie. Sie würgte, doch da war nichts mehr, was den Weg nach draußen hätte nehmen können. Ihr Kopf hämmerte unablässig, seit sie erwacht war. Ihr wurde schwindelig. „Ich will… hier raus…“, wimmerte sie gequält, doch die Kraft sich zu erheben oder gar zu gehen, hatte sie längst nicht mehr.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 5. September 2022, 10:41

Im Grunde wusste Azura genau, was sie von Corax wollte. Was er sagen und tun sollte, damit die Situation endlich ein gutes Ende nähme. In all den Geschichten, die sie kannte, wurde stets die Welt der schönen Maid auf den Kopf gestellt. Es wurde spannend, brenzlig, manchmal ein wenig schlüpfrig und bisweilen auch richtig gefährlich. Aber eines hatten alle diese Märchen gemein: Sie nahmen immer ein glückliches Ende, bei dem die Prinzessin ihren Prinzen bekam, beide einander küssten, heirateten und bis zu ihrem eigenen Ende zusammen blieben. Wo war ihr glücklicher Abschluss?!
Es konnte nur daran liegen, dass diese Seefahrt noch nicht ihr Ende darstellte, auch wenn sich alles plötzlich so endgültig und nach Abschied anfühlte. Corax erhob sich, um zu gehen. Er verließ sie einfach, wollte zu seinem neuen Herrn - Jakub Tauwetter - zurückkehren. Vielleicht war der Elf gar nicht ihr Ritter, wie Azura es sich heimlich ausmalte. Er hatte schon vorher nicht ins Bild gepasst. Keine strahlende Rüstung, kein weißes Pferd, keine Rettung vor einem Drachen und von Manieren ihr gegenüber brauchte sie nicht zu sprechen. Möglich, dass er niemals die Rolle hatte einnehmen sollen, in die sie ihn gedanklich stopfte. Aber sie hatten Intimäten geteilt, was im Grunde nur dem Helden der Geschichte vergönnt blieb! Er hatte sie genommen und nun kam zusätzlich heraus, dass er nicht gerade eine königliche Vergangenheit besaß, sondern eine von Schmerz, Leid und Kummer. Mehr Kummer als Azura jemals würde verspüren können, dennoch fühlte ihr Herz sich unsagbar schwer an, als er gen Tür schritt. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass es noch mehr gepeinigt werden könnte. Dann sprach er, bot sich ausgerechnet Madiha, dieser falschen Jungengöre, als Sklave an! Er wies sogar darauf hin, dass er die Gestalt des Kochs annehmen könnte, um ihr zu gefallen. Oh, wie schwer wog nun Azuras Herz. Jeder Schlag wandelte sich in ein neuerliches Stechen. Das Gewicht und die Qual erdrückten ihren Brustkorb, nahmen ihr die Luft zum Atmen. Dass es möglicherweise an der Kombination aus emotionalem Chaos und einem zu eng geschnürten Mieder liegen mochte, kam ihr gar nicht in den Sinn. Ihre Gedanken kreisten um Corax und all das, was sie mit ihm erlebt hatte. All die schrecklich widerlichen, schönen Dinge. All die Neckereien, die schließlich zu ihrer beider Annäherung und Vereinigung geführt hatten. All das, was nun wie Feuer auf ihrer Seele brannte und nur traurige Ödnis zurückließ.
Sie hielt es nicht mehr aus. Sie musste ihre Trauer verarbeiten und das nicht nur besser allein, sondern ohne den Anblick ihres einstigen geliebten Schuftes oder der Göre ertragen zu müssen. Unter geradezu wachsender Hysterie scheuchte sie alle aus ihrer Kabine und warf sich ihrerseits auf das Bett des verschwundenen Kapitäns. Es war verschwitzt von Madihas Aufenthalt darin. Es roch nach ihr, aber nicht einmal das nahm Azura nun stark genug zur Kenntnis, als dass sie sich für ihren Kummer noch einmal aufgerichtet hätte. In einem Berg aus Stoff und Rüschen lag sie, das Gesicht zur Wand gedreht und mit so viel Leid angefüllt, dass es drohte, über ihre Lider zu schwappen. Tatsächlich war ihr Kummer so groß, dass er die letzten Reserven ihrer Körper eigenen Flüssigkeit anzapfte, nur um wenigstens noch eine Träne für ihren Verlust zu produzieren. Eine letzte Träne, heiß brennend.
Sie brauchte Wasser und Ruhe. Und Trost.

Kaum dass Azura sich voller Leid auf das Bett geworfen hatte, zuckte Corax nach vorn. Eine Hand erhoben, erstarrte er in der Sekunde, in der er sich bewusst wurde, dass er nach wie vor nicht mehr Sklave der Adligen war. Seine Hand sank schwer an seine Seite zurück. So schwer wie sein Herz. Er erlaubte sich nicht einmal mehr, um sie zu trauern. Mit geballter Faust schluckte er alles, was er für Azura empfinden mochte, herunter und blickte nun Madiha entgegen. Sie war seine letzte Chance, Jakubs Herrschaftsgewalt zu entkommen. Das wussten sie beide und nur die unbeantwortete Mutmaßung im Raum, warum der neue Kapitän ausgerechnet einen Jungen als Sklaven wünschte führte dazu, dass das Mädchen stumm nickte. Eine einstige Sklavin nahm sich einen Sklaven, noch dazu einen Dunkelelfen, die offenbar gerade halb Celcia unsicher machten. Noch dazu jenen Dunkelelfen, der einen Großteil der Mannschaft geopfert hatte, um jener Frau zu imponieren, die ihn inzwischen verstoßen hatte. Ausgerechnet der Elf, der sie für einen einzigen Schnitt in die Hand dieser Frau hatte umbringen wollen.
Um Azuras Verletzung hatte sich bislang auch noch niemand gekümmert, nicht einmal mehr sie selbst. Aber dadurch, dass sie nun alle ihres kleinen Reiches verbannte, würde es außer ihr selbst vorerst auch niemand mehr tun könnten. Selbst wenn Corax gewollt hätte, er konnte von sich aus jetzt nicht handeln. Er war jetzt Madiha unterstellt. Dennoch...
Nachdem diese wortlos ihre Rolle als neue Herrin eingenommen hatte, kam wieder Bewegung in den Dunkelelfen. Devot verneigte er sich halb vor Madiha. Nein, es war eine stumme Entschuldigung, ehe er zum Bett herüber eilte. Er konnte die Adlige nicht einfach dort liegen und leiden lassen. Sie nicht. "Azura..." Ihren Namen auf den Lippen kniete er sich neben das Bett, schob einen Teil des Rüschenstoffes beiseite. Er fand aber ihre Hände nicht in all den aufgebauschten Bahnen des Kleides und der Laken. So platzierte er seine eigene nur auf der Bettkante. Ein verstohlener Blick glitt über die Schulter zurück zu Azura und Caleb. Der Dieb beobachtete die ganze Szene mit grimmiger Miene.
"Ich hoffe, du bist dir im Klaren, was du da gerade getan hast", raunte er Madiha zu. Er hatte die Bilder nicht gesehen, somit stand er zu Corax vollkommen anders. Für ihn blieb nur die Erinnerung, dass er versucht hatte, Madiha mit einem seiner Tentakel zu sich zu zerren, um auch sie in den Tod zu schleudern. "Einen Mörder als Sklaven..." Dass sie sich überhaupt einen nahm, schien ihn indessen nicht zu stören. Mit verschränkten Armen beobachtete er, wie Corax sich wieder seiner einstigen Herrin zuwandte.
Der Dunkelelf lehnte sein Gesicht etwas tiefer ins Bett. Er hörte schließlich nicht auf Azuras Befehle. Das hatte er doch noch nie! Bei ihr war er nie ergeben, artig oder unterwürfig gewesen. Er hatte sich ihr immer widersetzt, war rebellisch und sogar fordernd ihr gegenüber gewesen. Oft genug hatte er seinen Willen durchsetzen wollen. So war doch kein Sklave! Aber vielleicht war es genau dieser Unterschied, der ihn nicht vergessen ließ. Dieser kleine Unterschied, der jetzt dazu führte, dass er sich ihr gegenüber sogar soweit respektvoll verhielt, als dass er versuchte, in ihrer Muttersprache zu kommunizieren.
"Ich möchten sprech ... ich möchten sprech ... es ... Azura. Ich l..." Corax schluchzte auf, ehe es in einem seichten Knurren unterging. "Ich nein kann. Ich nein kann!" Mit der Stirn voran sank sein Gesicht auf die Matratze, in die er seine Finger krallte.
"He, Elf! Mach dich nützlich und hilf deiner neuen Herrin beim Gehen", rief Caleb plötzlich zu ihm und Azura herüber. Letztere musterte er eine Weile. Es wäre nur klug, wenn er sich jetzt bei ihr einschmeicheln und Trost spenden würde. Aber er entschied sich dagegen. Noch einmal wollte er Madiha nicht allein lassen, vor allem jetzt nicht und vor allem mit Corax nicht. "Genug verabschiedet!"
Corax erhob sich, um dem Ruf Folge zu leisten. Nicht, weil Caleb es ihm befahl, sondern weil er fürchtete, seine neue Herrin Madiha könnte sofort missgelaunt über sein Verhalten werden. Mit ihr durfte er es sich wahrlich nicht verscherzen. Nicht, solange er sich auf dem Schiff befände. So kam er an ihre Seite, um sie zu stützen und sogar zu tragen, sollte sie zum Gehen gar nicht mehr in der Lage sein. Caleb öffnete derweil die Tür der Kapitänsunterkunft. "Außerdem musst du ja nochmal mit Tauwetter sprechen, nicht wahr?"
"Sprechen? Warum?", fragte Corax.
Caleb trat halb aus der Tür heraus. "Na, um ihm mitzuteilen, dass du dir eine neue Herrin gesucht hast."
Der Dunkelelf folgte dem Dieb. Beim Hinausgehen schüttelte er den Kopf. "Wenn, dann gehe ich zu ihm, um ihm das Leben zu nehmen - wie bei allen meinen Herren und Herrinnen, die ich verlassen habe." Die Tür schloss sich. Das Trio stand draußen. Azura blieb allein im Inneren zurück. Vor der Tür starrte Caleb den Elfen düster an.
"Ihn umbringen? Ich bin auch kein Freund von dem Kerl, aber das geht wohl doch etwas zu weit. Außerdem braucht das Schiff einen Kapitän."
Corax verengte die Augen. Dann sah er fragend zu Madiha. "Jakub hat mir verboten, an Bord nochmal zu töten, aber du bist nun meine Herrin. Auch wenn er der erste wäre, dessen ich mich nicht vollend ... entledige." Er sprach kalt, aber ohne eine Spur von Hass. Es war berechnend udn Routine für ihn so wie für jemanden, der nach getaner Arbeit seinen Werkplatz aufräumte. Corax hinterließ keine Altlasten, keine Herren, die ihn zurückfordern könnten. Calebs Blick wanderte zur Tür der Kapitänskajüte zurück. Im Inneren trauerte Azura, seine Herrin vor Tauwetter. Er sagte nichts.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Montag 5. September 2022, 20:09

So, wie sich die Göre in ihrem neuen Leben erst zurecht finden musste, so musste auch Azura mit diesem gravierenden Wandel seit der Eroberung ihrer Heimatstadt zurecht kommen. Wobei nicht ersichtlich sein konnte, wer von ihnen beiden die schwerere Variante durchstehen musste. Die eine, die plötzlich frei war und erst einmal damit umgehen lernen musste, nun selbst denken zu dürfen. Die andere, die ihre privilegierte Stellung, zumindest vorerst, verloren hatte und obendrein ihr Herz an jemanden verloren hatte, der nicht ihren Träumen und Vorstellungen entsprach... es vermutlich auch gar nicht konnte. Und die noch dazu in eine Welt gestoßen worden war, in der nicht jedermann bereit war, ihr ihren bisherigen Status zu zuerkennen und sich entsprechend zu verhalten.
Was geschehen würde, sobald sie allein und auf sich gestellt wäre, abseits dieses Schiffes, ohne einem Plan und vor allem ohne Geld und Beschützer... Nein, die Situation war für sie schon schlimm genug, da konnte sie sich nicht schon jetzt mit den nächsten Problemen belasten. Wobei fraglich war, inwieweit sie überhaupt im Voraus auf diese Gedanken kommen würde.
Im Moment hingegen konnte sie sich nicht einmal in den Mann hinein versetzen, der ihr gehörig den Kopf verdreht hatte, so wie er nicht aus seiner eigenen Haut raus konnte. Somit führte eines zum anderen und gipfelte in der gefühlt nächsten Katastrophe. Nicht nur, dass er nicht freiwillig bei ihr sein wollte, sondern lediglich als ihr Eigentum, gestand er schließlich auch diesen einen Mord, der für sie zu viel war.
Die Schilderungen seiner bisherigen Taten, allen voran jene mit Nadel und Faden, waren schon erschreckend gewesen. Doch diese eine weitere Tat übertrumpfte es um Längen und zwar auf eine Weise, bei der die junge Frau nichts verdrängen konnte. Sie, die in Kreisen aufgewachsen war, in denen der Nachwuchs im Endeffekt das Wichtigste und die Daseinsberechtigung der Frauen war, konnte nicht begreifen, wie er das hatte tun konnen. Schlimmer noch, es tat ihr dermaßen in der Seele weh, erst recht mit dem Wissen um seine Verstümmelung, dass sie das Gefühl hatte, innerlich daran noch zu zerbrechen.
Zugleich verschloss sie sich vo seinem Flehen und das sie im Moment nicht annehmen konnte. Selbst, wenn er sie dazu hätte überreden können, ihn wieder an sich heran zu lassen, jetzt war definitiv der falsche Zeitpunkt.
Dass er sich daraufhin jedoch ausgerechnet der Göre anbot... Nein, das brachte das Fass endgültig zum Überlaufen, sodass sie verlangte... ja, es regelrecht verlangen musste, endlich allein gelassen zu werden.
Um im nächsten Atemzug ihren Willen zu demonstrieren und sich aufs Bett zu werfen, wobei es ihr gleichgültig war, ob es noch durchnässt wäre oder nicht, ob es stank oder sonstwie nicht in einem Zustand wäre, der für sie akzeptabel wäre. Sie wollte schlicht und ergreifend ihre Ruhe und in ihrem Leid baden, das einfach zu groß geworden war. Die einzelne Träne, die sich dabei sammeln konnte, um langsam aus ihrem Auge zu treten und den Weg der Schwerkraft folgend zu wählen, tat richtiggehend weh, so ausgedörrt war ihr Körper.
Wenn sie wenigstens nun schlafen könnte, um zu vergessen. Allerdings, trotz all der Schwäche in ihren Gliedern, war die Qual ihrer Seele viel zu präsent, als dass sie diesen Ausweg hätte finden müssen.
Stattdessen tat sich etwas anderes... Nah, viel zu nah, hörte sie ihren Namen aus jenem Mund, der ihn nie, absolut nie wieder aussprechen sollte! Und aus dem es dennoch so unglaublich verlockend klang, dass es schmerzte, sich ihm nicht zu zuwenden.
Ein leises, trockenes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, ehe sie die Zähne so fest zusammen biss, dass ihr Kiefer knirschte und schmerzte. Sie spürte Bewegungen an ihrem Gewand und versteifte sich instinkitv.
Trotzdem schaffte sie es, so zu bleiben, wie sie war, nicht der Versuchung nachzugeben und ihn doch noch anzusehen. So schwieg sie und ertrug die Nähe, ehe er in einem starken Akzent erneut die Stimme erhob. Er wollte ihr etwas sagen, scheinbar etwas Wichtiges, aber... es war zu spät. So gern sie es gehört hätte, so sehr alles in ihr danach schrie... sie rührte sich nicht.
Erst, als der Schiffskoch sich einmischte, zuckte sie wieder leicht zusammen, was bewies, dass sie hören konnte, und schloss mit einem erstickten Laut die gequälten, brennenden Augen. Nein, sie wüde jetzt nicht eingreifen, nichts verlangen, nichts tun. Und dann war die Tür plötzlich zu und sie allein. Ganz so, wie sie es gewollt hatte. Es war vorbei... absolut vorbei...
Azura konnte nicht länger, sie drehte ihren Kopf und drückte ihr Gesicht fest in das Kissen, um all ihre Trauer, ihren Frust und ihre Hilflosigkeit hinein zu schreien, bis ihre Kehle schmerzte und die Kraft sie verließ. Bis ihr Kopf zur Seite kippte, weil sie sonst keine Luft mehr bekäme. Nicht, dass das viel geholfen hätte, denn nun wurde sie von trockenen Schluchzern so heftig geschüttelt, dass sie das Gefühl hatte, kaum atmen zu können dazwischen.
Sie zitterte am ganzen Leib und irgendwann mischte sich zwischendurch immer häufiger ein Gähnen, wie so oft, wenn sie drohte, einen hysterischen Anfall zu erleiden. Nicht, dass sie diesen wahrlich so oft gehabt hatte, aber... sie war ein verwöhntes Adelstöchterchen, da hatte es durchaus Momente gegeben, in denen sie sich derart in ihre Stimmung hatte hinein steigern müssen, um ihren Willen zu bekommen.
So, wie damals, als sie unbedingt diesen wunderschönen, edlen Jagdfalken hatte haben wollen und ihr Stiefvater es nicht sofort erlaubt hatte... Der Falke war ihr viele Jahre lang ein treuer Begleiter gewesen, wenn sie ihn selten, aber doch aus seiner Volière geholt hatte. Wie gut, dass er etwa ein halbes Jahr vor dem Angriff gestorben war, so musste sie nicht auch noch um ihn trauern. Nein, jetzt ging es um einen Raben...
Schluchzend, heiser krächzend schlug sie in ihrer Verzweiflung auf das Bett ein und hatte das Gefühl, ihre Augen stünden in Flammen, so stark brannten sie, ohne Tränen produzieren zu können.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 5. September 2022, 22:52

Die Entscheidung war gefallen. Sie hatte eingewilligt und im Grunde keine Ahnung, auf was sie sich da genau einließ. Madiha wusste nicht, ob er es wirklich wert war gerettet zu werden aber sie war die letzte, die sich darüber ein Urteil erlaubte. Wer war sie schon, dass sie darüber richtete, wem Gnade zuteil werden durfte und wem nicht. Sie war niemand. Und auch, dass er sie als neue Herrin ansah, machte sie zu nichts anderem in ihrem Innern. Mafiha tat das aus… Nächstenliebe? Wieso? Weil er versucht hatte sie zu töten und anderen auf grausame Art, das Leben genommen hatte? Das war es wohl nicht. Aber vielleicht war sie nicht fähig, jemanden wissentlich in sein Verderben rennen zu lassen. Dafür kannte sie diese Art der Peinigung einfach viel zu gut. Nein… das konnte sie nicht zulassen. Die Verbeugung des Raben, bekam Madiha kaum mit. Sie musste sich darauf konzentrieren, nicht weiter zu würgen und sich der Zerrissenheit zu ergeben. Zudem war es ihr… egal, was er tat. Sie wollte nicht seine Herrin sein, tat es nur, weil sie ihn bewahren wollte. Doch Caleb trat an sie heran und schürte ihr schlechtes Gewissen umso mehr. "Ich hoffe, du bist dir im Klaren, was du da gerade getan hast. Einen Mörder als Sklaven...“ Madiha schluckte. Sie sah nicht zu ihm auf, aber sie ballte ihre kaputten Hände zu Fäusten. „Denkst du… das weiß ich nicht?“, kam es scharf von ihr und zeigte, welchem Dilemma sie sich gegenübersah. Doch Madiha atmete tief ein, beruhigte ein wenig ihre Nerven, auch wenn ihre Entscheidung Tonnen zu wiegen schien.„Aber Caleb… ich… ich erkläre es dir. Nur nicht... hier.“, bat sie leise und hob den Blick zu dem Dieb. Ihm gefiel das alles nicht und Madiha konnte ihn sogar verstehen. Ihr gefiel es auch nicht. Überhaupt nicht.

Immer wieder rang sie mit dieser Wendung und konnte dennoch nicht entfliehen. Ihr Gewissen verbot es ihr, während ihr Sinn für all die verlorenen Seelen ebenso aufbegehrte. Während Corax versuchte, Azura ein letztes Mal zu erklären, was ihm wichtig wäre, kauerte Madiha auf dem Boden und wollte lediglich weg. Weg von ihm, weg von Azura. Doch Caleb war es, der sie zusammenzucken ließ, als er den Sklaven so herrisch anging. Ihr Blick glitt zu ihm und ihr wurde wieder heiß und kalt. Corax trat neben sie, um ihr tatsächlich zu helfen. Aber Madiha schüttelte verbissen den Kopf. Sie wollte nicht. Er sollte ihr nicht helfen und ihr damit nur deutlicher vor Augen führen, dass sie nun nicht anders war als all die anderen, die sich Diener hielten, um sie zu demütigen. Das Mädchen presste die Lippen aufeinander und bemühte sich inständig, allein auf die Beine zu kommen. Die helfende Hand des Raben lehnte sie weiter ab, bis sie es reichlich umständlich schaffte, auf die Beine zu kommen. In gekrümmter Haltung wartete sie einen Moment, bis ihr der Schwindel nicht die Luft nehmen wollte. Caleb stand bereits an der Tür und öffnete diese. Ihr Ziel klar vor Augen, machte Madiha einen Schritt und sackte zusammen, sodass sie sich doch an Corax festhalten musste. Als hätte sie sich an ihm verbrannt, riss sie die Hände von ihm und starrte ihn einen Moment erschrocken an. Wie sollte sie damit umgehen? Das Mädchen schluckte und schaffte es gerade mal, einen Mundwinkel zum leichten, entschuldigenden Lächeln anzuheben, bevor sie langsam, aber eigenständig, einen Schritt nach dem anderen machte. Schließlich schob sie sich an den Wänden abstützend und an Caleb vorbei und lauschte den Worten der Männer. "Wenn, dann gehe ich zu ihm, um ihm das Leben zu nehmen - wie bei allen meinen Herren und Herrinnen, die ich verlassen habe." Madiha hob den dunklen Kopf und blickte zu Corax auf erneut rieselte es kalt ihren Rücken hinunter. Würde er… Azura auch..? "Ihn umbringen? Ich bin auch kein Freund von dem Kerl, aber das geht wohl doch etwas zu weit. Außerdem braucht das Schiff einen Kapitän.", sie sah zu Caleb. "Jakub hat mir verboten, an Bord nochmal zu töten, aber du bist nun meine Herrin. Auch wenn er der erste wäre, dessen ich mich nicht vollends ... entledige.", dann wieder zu Corax. Ihr lief es erneut kalt den Rücken hinunter, wie er so sachlich über das Ableben durch seine Hand sprach. Sie erinnerte sich gut an seinen Hass ihr gegenüber. Unwillkürlich wollte sie sich an den Hals fassen, als sie jedoch die Missempfindung deutlich spürte und auf ihre verkohlten Handflächen blickte. Madiha war müde. Sie war erschöpft und hob dennoch abermals den Kopf. „Du..- Töte niemanden… du hast für alle Zeiten genug Leben ausgelöscht….“, verlangte sie leise und hörbar unsicher wie man es anstellte eine Herrin zu sein. Ihr Blick glitt zu Caleb. Wie gerne würde sie jetzt mit ihm sprechen. Sie wollte sich erklären, ihm zeigen, warum sie so entschied. Sie schlug die Augen nieder und lehnte sich seufzend gegen die Wand neben der Tür zur Kajüte. Sie dachte an Azura. Sie war allein und auch wenn Madiha sich vorstellen konnte, dass Corax bei ihr bleiben wollte, wusste sie nicht so recht, was sie nun tun sollte. „Ich… ich bin keine Herrin.“, murmelte sie kopfschüttelnd, als spreche sie mit sich selbst. „Ich hab es nur gemacht, damit du nicht… damit Jakub dich nicht… mehr missbraucht.“, sprach sie es offen aus und sah Corax wieder an. „Ich bin wie du.“, flüsterte sie fast schon. „Er hat…“, sie dachte an ihre Abmachung, die sie mit ihm getroffen hatte. Doch war das nicht nebensächlich jetzt? Sie sah zu Caleb zurück. „Er hat es bei mir… auch versucht. Was… was hätte ich anderes tun können?“, fragte sie verzweifelt. Sie sah zwischen dem Andunier und dem Dunklen hin und her. Sie war so unfassbar müde und ihre Kehle brannte lichterloh während ihre Hände unablässig pochten. „Caleb? Kannst du mir ... verzeihen?“, interpretierte sie seine Worte als Missbilligung ihrer Entscheidung.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Dienstag 6. September 2022, 18:45

Eine Welle schwappte über Madiha hinweg. Sie war schlimmer als echtes Wasser. Überforderung und ihr ausgelaugter Körper hatten sie voll im Griff, aber noch durfte sie sich beidem nicht hingeben. Wäre sie jetzt eine Adlige wie Azura, hätte sie sich in eine Ohnmacht retten und so aus der Verantwortung ziehen können, aber dieser Weg war niemals ihr Weg gewesen. Sie biss sich durch. Sie musste nur noch ein wenig durchhalten. Nicht nur für sich, sondern auch für Corax, ihr neues Eigentum. Ihr Sklave. Niemals hatte sie das gewollt und sich garantiert nicht im Traum vorgestellt, dass es jemals so weit käme. Nun aber war sie auch für ihn verantwortlich, irgendwie. Dabei wusste sie nicht einmal vollends zu sagen, ob er es wert war, dass sie sich seiner annahm. Gleichzeitig aber wusste sie instinktiv, dass es sonst kein anderer tun würde und die Alternative nur Jakub Tauwetter wäre. Das konnte sie unmöglich zulassen. Sie und Corax verband etwas, so bizarr es sich selbst für Madiha anfühlte. Es hätte ihr Schicksal sein können und allein deshalb würde sie ihn nicht wieder zu dem einstigen Ersten Maat und dessen Begierden stolpern lassen.
Caleb konnte das nicht nachvollziehen. Madiha nahm seine Warnung als Vorwurf auf, was ihr eine weitere Welle bescherte, die an ihrer Seele rüttelte. Für den Dieb war Corax nichts weiter als ein Mörder und verdiente offenkundig nicht die Gnade, die Madiha ihm zuteil werden ließ. Wie gerne hätte sie es ihm erklärt. Es war schwer zu ertragen, dass seine und ihre Meinung so weit auseinander ging. Madiha hoffte, er würde vielleicht einlenken, wenn er nur verstand. Immerhin hatte er die Albtraumbilder, die Corax' Vergangenheit darstellten, nicht gesehen. So war es für ihn auch nicht überraschend, dass der Elf gegen seinen einstigen Herren keine andere Antwort als Gewalt kannte. Caleb warf Madiha einen vielsagenden Blick zu, als Corax offen ansprach, dass er Jakub Tauwetters Leben nehmen wollte.
Madiha zeigte sich trotz der Umstände genauso wenig einverstanden mit diesem Plan wie der Wüstendieb, aber wie sollte sie es verhindern? Es blieb nur ein Mittel, so sehr es ihr widerstrebte, einem anderen Lebewesen dermaßen ihren Willen aufzuzwingen. Aber sie musste es tun, auch um Azuras Leben. Sie fürchtete, Jakub könnte nicht der einzige verflossene Herr des Sklaven sein, an dem er sich mit einem Mord rächen würde. Und dass er selbst Azura töten könnte ... es war ihm zuzutrauen. Er hatte sein eigenes Ungeborenes aus dem Leib einer Frau herausgeschnitten und sich selbst entmannt, nur um einer Herrin gefällig zu sein, die ihn am Ende doch verstieß. Azura hatte ihn ebenfalls verstoßen, aber nicht aus Abscheu oder dem Umstand, seiner überdrüssig geworden zu sein. Sie als Adlige verstand nicht, nicht einmal durch den Blick in Corax' Erinnerungen, was es für ihn bedeutete, ihr Eigentum sein zu dürfen und wie sehr er sich daran geklammert hatte. Vielleicht war sogar Liebe im Spiel, die der Elf nicht auszudrücken vermochte. Wie auch? Er hatte es nie gelernt. Sein ganzes Leben war geprägt von Misshandlungen, Gewalt und Leid. Er kannte nur diese Richtung, um Probleme zu lösen. Kein Wunder also, dass er Jakub durch dessen Tod von sich lösen wollte.
"Du ... Töte niemanden ... du hast für alle Zeiten genug Leben ausgelöscht..."
Missmutig war der Blick, den Corax Madiha zuwarf. Er verzog die Lippen. Per Befehl nahm sie ihm seine Rache, das einzige Mittel, das er kannte, um gegen die Demütigung, den Schmerz und die Vernichtung seiner Seele vorzugehen. Denn ja, ein Teil der Seele wurde immer zerstört bei derartigem Missbrauch. Niemand erholte sich davon. Wenn man aber sein ganzes Leben lang nur solche Zerstörung erfahren hatte, wieviel Seele blieb noch übrig? Nährte Corax den letzten kleinen Teil durch die Rache, die er nahm? Es war möglich, dass er sich selbst nur so vorantrieb, so wie es bei Madiha ihr eigener Trotz war, der sie weitermachen ließ. Im Gegensatz zu ihm hatte sie aber schon Nächstenliebe erfahren und wusste seit ihrer Freiheit, dass es verborgene Pfade gab, die weniger leidlich, schwer und Schmerz behaftet waren. Er kannte diese Pfade nicht. Vielleicht wäre ihre Funktion als seine Herrin die Chance für ihn, die verschlungenen Pfade freizulegen. Doch dazu musste er ihr erst einmal gehorchen, so bitter es klang.
Er tat es. Bei Azura war er mehrmals über die Stränge geschlagen. Meistens, um ihr zu imponieren. Bei Jakub hatte er nicht Folge geleistet, ansonsten wäre die Bitte um Madiha als Herrin ihm nicht über die Lippen gekommen. Sie jedoch hatte ihm schon vor ihrer neuen Position durch eine simple Umarmung und den Schutz vor dieser Albtraumschlange gezeigt, dass ihr etwas an ihm lag und sei es nur, weil sie auf irgendeine seltsame Art und Weise ähnliche Schicksale kannten. Das floss nun in sein Handeln ein, so dass er sich entschied, ihr untergeben zu sein. Wenn auch widerwillig, so nickte er auf ihren Befehl hin.
Warum aber fühlte es sich so falsch an? "Ich ... bin keine Herrin." Madiha lehnte sich gegen die Außenwand der Kajüte. Sie drohte, an ihr abzurutschen, aber sowohl Caleb als auch Corax waren sofort an ihrer Seite. Der Wüstendieb eilte herbei und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Statt aber noch mehr Gewicht auf ihr abzuladen, hielt er sie so an ihrer Kleidung fest, dass sie nicht niedersinken konnte. Halte noch ein bisschen durch, sagte sein Blick. Er war vielleicht nicht mit all ihren Entscheidungen einverstanden, aber er stand ihr zur Seite. Doch auch der Dunkelelf bvot ihr diesen Beistand. Er kniete vor ihr. Er hatte sich wirklich niedergekniet, dass seine Stirn ihre nackten Füße berührte. "Du bist eine gute Herrin", gelobte er ihr untergeben. Es war seine Form, Dankbarkeit auszudrücken. Anders konnte er es nicht tun. Dennoch rüttelte das Bild heftig an Madihas Seele. Ob er sich auch vor Jakub hatte niederknien müssen? Ihm dankbar sein müssen für...?
"Ich hab es nur gemacht, damit du nicht ... damit Jakub dich nicht ... mehr missbraucht."
Calebs Blick wanderte von Madiha zu Corax. Dann aber kehrte er zu dem Wüstenmädchen zurück und der Dieb wurde kreidebleich. Sie offenbarte, was Jakub auch ihr hatte antun wollen - getan hätte, wäre sie wirklich ein Schiffsjunge gewesen. Caleb erstarrte. Dann ließ er Madihas Hemd schlagartig los. "Er hat was versucht?!" Obwohl der Mann über keinerlei magische Begabung verfügte, spürte man doch das feurige Brodeln in ihm. In seinem Inneren explodierte ein Vulkan. "Ich bring ihn um!", knurrte er und wandte sich ab. Ein kleines Messer, das er aus dem Gürtel zog und welches eher dazu da war, Fleisch zu schneiden, blitzte in seiner Hand auf.
"Nein." Corax stellte sich ihm entgegen, um ihn aufzuhalten. Beide Männer stierten einander aus verengten Augen an. Zwischen ihnen schienen Blitze zu zucken, so angespannt war die Situation. "Du verurteilst mich für etwas, das du nun selbst tun willst", sprach der Elf weiter. "Was bist du, ein Heuchler? Verlier nicht dein Gesicht vor meiner Herrin." Er trat einen halben Schritt zurück, um beide ansehen und auch zu beiden sprechen zu können. "Glaubt ihr, er wäre der erste, dem ich auf diese Weise gefällig sein musste? Glaubt ihr, es wäre für mich etwas Besonderes?" Er schüttelte den Kopf. "Ich bin es genauso gewohnt wie das Töten. Lasst mich es tun. Auch dafür bin ich da. Es braucht nur ein Wort." Er suchte die Erlaubnis für den Mord in Madihas Augen. Dann engten sich seine erneut. Er sah ... unglücklich aus. "Glaubt nicht, es würde mir leicht fallen oder Freude bereiten. Ich tu es, weil ... jemand es tun muss." Er wandte sich erneut Caleb zu. "Damit andere ihre Seele weder verderben, noch im Wert ihrer Ehre fallen. Die Drecksarbeit wird von Sklaven erledigt. Also lasst es mich erledigen."
Er sprach anders als damals in Fischauges Kabine. Madiha hatte es miterlebt, wie er auf Azuras Frage hin noch bitterböse gegrinst hatte. Er hatte ihr mitegeteilt, wieviel Spaß ihm die Vernichtung all der Mitglieder der Mannschaft bereitet hatte. Nun redete er ganz anders, mit derdüsteren Gewissheit, dass es Pflicht, aber nicht Freude eines Sklaven war, die Ehre wertvollerer Menschen hoch zu halten. Er wartete nur noch eine Erlaubnis, diese Aufgabe durchzuführen.
Caleb betrachtete ihn. Er besann sich seiner Prinzipien. Seine Haltung lockerte sich etwas. Er war kein Mörder. Corax war es und besaß Routine. Für ihn wäre es doch nur ein weiteres Leben, das er nahm. Dennoch ... "Das Schiff braucht einen Kapitän, dem die Mannschaft auch folgen will." Er schaute zu Madiha. "Und trotzdem würde ich ihn gern ..." Der Dieb knurrte auf, schüttelte den Kopf. "Ich verzeihe dir - natürlich tu ich das. Aber verzeih mir auch, dass ich nicht besser sein wollte als er hier." Er nickte Corax zu.
"Herrin, ich bringe dich an einen Ort, an dem du dich ausruhen kannst. Wenn du wach wirst, ist es getan. Du musst nur ..." Corax streckte Caleb die offene Hand hin, um stumm das Messer zu fordern. Was war schon Jakubs Seele mehr auf seiner Liste?

Von dem Konflikt außerhalb ihrer Kabine bekam Azura nichts mit. Sie war in ihrem eigenen Leid gefangen und das wog schwer. Liebeskummer schmerzte das Herz am meisten, aber als sei das noch nicht genug gewesen, stach eine weitere Erkenntnis sie bis tief in ihre Seele. Corax hatte sein eigenes Kind umgebracht. Er hatte es aus dem Mutterleib einer Frau geschnitten, weil seine einstige Herrin es von ihm verlangt hatte. Er hatte es getan, um ihr Eigentum bleiben zu dürfen und nun war wohl auch sie nicht mehr. Mit Sicherheit hatte er sie umgebracht. All sein Bemühen war vergeblich gewesen. Was zurückblieb, war der verstümmelte Mörder. Auch das schmerzte tief, selbst wenn Azura den Grund nicht genau benennen konnte. Er hatte nicht nur seinen eigenen Erben umgebracht, sondern damit auch ihre eigene Wertvorstellung mit Füßen getreten. Sie als adlige Tochter besaß doch nur eine Daseinsberechtigung, weil sie irgendwann würde die Blutlinie ihrer Familie fortsetzen müssen, indem sie ihrem Gatten möglichst viele Kinder - möglichst Söhne - gebar. Und nun?
Corax hatte seinen Erben getötet und sich selbst verstümmelt. Er würde nie wieder ein Kind zeugen können. Er würde mit ihr nicht...
Der Gedanke verflog, ehe sie ihn richtig hatte formen können. Trotzdem blieb er am Rande ihrer Wahrnehmung präsent, zusammen mit all den Gefühlen, die sie für ihren widerlichen Schuft gehegt hatte oder vielleicht noch immer hegte. Was würde daraus werden? Was würde aus ihr und ihm werden? Er gehörte nun der Göre, aber sie wollte ihn doch ohnehin nicht wiedersehen. Sie ertrug es nicht mehr, ihn zu sehen. Vielleicht könnte Azura auf diese Weise das meiste zwischen ihm und ihr vergessen. Nur der Schmerz einige intimer Erinnerungen und das Wissen, dass er ihre Unschuld geraubt hatte, würden bleiben. Ihr Herz verkrampfte sich.
"Arme Prinzessin, du leidest so sehr!"
"Jaja, so viel Leid. Süßes, köstliches Leid!"
"Sei still!"
Es fiepste. Dann raschelte Stoff und etwas zupfte an den Enden ihrer Kleidung. Wenig später wurden Rüschen von kleinen Pfoten beiseite geschoben, so dass der Blick auf ein Rattenpaar mit schwarzem Pelz fiel. Es waren recht kleine, schmale Ratten, aber sie besaßen rote Augen wie Corax. In ihren Blicken fehlte lediglich das Juwelenhafte. Stattdessen musterten sie Azura irgendwie verschlagen.
"Arme Prinzessin, daran ist nur er allein schuld."
"Jaja, nur er."
Die Ratten trappelten näher an sie heran. Dann hockte sich die etwas größere auf die Hinterbeine, während die andere damit begann ihr Fell zu putzen.
"Du bist nicht die erste, die er leiden lässt."
"Er lernt es einfach nicht, nein nein. So viel Leid!"
"Wir beobachten ihn und wir müssen immer wieder hinter ihm aufräumen."
"Ja, er verursacht so viel Schmerz. Wir kommen kaum nach."
"Und jetzt sind wir nur noch zu zweit."
"Nur noch zwei, buhuuu!"
Beide Ratten fiepten kläglich. Sie huschten aufeinander zu und hielten sich in den Pfötchen.
"Er hat unseren Anführer töten lassen."
"Er hat auch uns Leid zugefügt."
"Es ist Zeit, dass er endlich aufgehalten wird. Es darf kein weiteres Leid von ihm mehr geben."
"Nur du kannst das, Prinzessin. Nur du! Nur du!"
"Du kommst nah genug an ihn heran. Du könntest dein Leid beenden."
"Wenn er schwindet, schwindet auch dein Leid. Für immer, jawohl."
"Nimm dies..."
Die Ratten stoben auseinander und gewährten Blick auf eine silberne Klinge, die plötzlich auf dem Rüschenkleid lag. In Knauf und Griff waren Rubine eingefasst, während die Parierstange die Form zweier, ineinander verschlungener Federn besaß. Das Wundersame an dieser Waffe war jedoch die Form ihrer Klinge. Sie war schmal und lief zum Ende immer spitzer zu, fast wie eine große Silbernadel.
"Stich ihm das ins Herz und verhindere, dass noch mehr leiden werden."
"Auch dein Leidensweg mit ihm wird enden. Und du kannst endlich wieder die Prinzessin sein, die du kennst."
"Befreie dich von seinem Leid, Prinzessin."
"Prinzessin, Prinzessin!"
"Nimm unser Geschenk an."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Dienstag 6. September 2022, 20:26

Sie hatte das Gefühl zu sterben, so schlimm fühlte sich dieser Herzschmerz in ihrem Inneren an. Was hatte sie alles mit ihm durchgestanden, an seiner Seite erduldet und schließlich auch... genossen! Ein einziges Mal nur hatte er sie wirklich und ernsthaft bedroht, ihr angedroht, sie zu entehren... mit Gewalt, dass es ihr Alpträume beschert hatte. Soweit war es nicht gekommen, denn er hatte seine Worte nicht wahr gemacht, sondern sie vielmehr um den Finger gewickelt und dafür gesorgt, dass sie ihm dieses Privileg freiwillig schenkte.
Und wofür? Wofür hatte sie sich auch zuvor noch gerade für ihn und seine Unversehrtheit verantwortlich gefühlt?! Umsonst, alles umsonst! Selbst, wenn sie noch einen Funken Hoffnung gehegt hatte, er könne von solch einem Blut unter seinesgleichen sein, dass ein längeres Zusammensein mit ihm nicht in einer vollkommenen Schande für sie enden würde... Nein, mit einem Kindsmörder konnte und wollte sie nichts zu tun haben!
Dass sie hingegen in Gefahr sein könnte als seine ehemalige Herrin... daran dachte sie nicht. Im Moment war ihr das Bild von Nadel und Faden derart fern, dass sie sich wahrlich nur im eigenen Leid suhlte. So sehr, dass ihr regelrecht schlecht und schwindelig davon wurde.
Bis... bis Geräusche an ihre Ohren drangen. Zuerst konnte sie es kaum wahrnehmen, derart stark war das Rauschen des Blutes darin. Aber schließlich wurde es lauter und ließ sich nicht länger einfach so ignorieren. Hinzu kam das Gefühl, dass etwas an ihr zupfte und in ihren Röcken raschelte, das dort definitiv nicht sein sollte.
Blinzelnd öffnete sie die Augen, doch es fühlte sich so schwer... so mühsam an, als fehlte ihr die Kraft dafür, obwohl sie andererseits wiederum nicht schlafen konnte, um sich zu erholen. Was... war das gewesen? Spürte sie da etwa... Gewicht auf ihren Beinen?
Erschrocken fuhr sie herum und erstarrte im nächsten Atemzug, als sie in zwei rote Augenpaare starrte. Klein und listig schienen sie zu funkeln und sorgten dafür, dass sie auch innerlich zu Eis gefror vor Angst. Es dauerte, bis sie allmählich den Worten einen Sinn geben konnte, die an ihre Ohren drangen.
Moment! Das konnte nicht sein! Ratten konnten... sie konnten nicht...
Die Augen der jungen Frau weiteten sich und allmählich sickerte in ihren Sinn, was hier vor sich ging. Oder was sie glaubte, dass sie gerade erleben musste. Wie konnte er nur?! Litt sie denn nicht schon genug wegen ihm, sodass er sie jetzt auch noch mit seiner Magie quälen musste?! Indem er sie glauben machen wollte, dass die, die ihn sonst stets quälen, sich jetzt sie ausgesucht hätten, um sie zu einem Werkzeug zu machen?
Dass es tatsächlich so sein könnte... Nein, das hielt sie nicht eine Sekunde lang für möglich. Sie war weder ein unschuldiges, kleines Kind, noch so leicht zu manipulieren wie er damals. Zumindest hielt sie sich nicht für derart dumm!
Während die Ratten also vor sich hin fiepten und sie dies tatsächlich verstehen konnte, hielt sie das alles für einen Trick, einen faulen Zauber, und Wut stieg in ihr hoch. Unbändige Wut auf ihn, der es einfach nicht lassen konnte!
Ihre Miene verfinsterte sich, als die beiden Viecher plötzlich auseinander liefen und den Blick auf eine Waffe freigaben. Ein wunderschöner Dolch mit silberner Klinge, der eine wahre Zierde hätte sein können und sicherlich ein Kunstwerk darstellte. Wenn... ja, wenn sie ihn nicht unter diesen Umständen in die Finger bekommen hätte.
Ihr Gesichtsausdruck wurde noch düsterer. So war das also, ja? Sie sollte ihre Finger mit Blut... seinem Blut besudeln und dabei zu so jemandem verkommen wie er? Das konnte er vergessen!
Bislang hatte sie nichts gesagt und das würde sie auch nicht. Sie hatte keinen Bedarf daran, sich dieser neuerlichen Vision hinzugeben und sie für bare Münze zu nehmen. Stattdessen kam ihr etwas anderes in den Sinn. Er wollte sie ködern, sie noch mehr leiden lassen, indem er ihr vorgaukelte, dass die Wesen, die ihn bislang so missbraucht hatten, es nun bei ihr tun würden. Dass sie nun die Nächste wäre, die ihnen schwach genug dafür erschiene.
Langsam, unendlich langsam, denn ihre Glieder fühlten sich unnatürlich steif an, setzte sie sich aufrecht hin und beugte sich langsam vor. Ihre Fingerspitzen strichen über den kostbaren Griff und einen Moment lang war die Versuchung groß, dieses Juwel für sich zu behalten, es anzunehmen und... als Erinnerung aufzubewahren. Aber nein, sie tat es nicht und würde es nicht tun, denn das würde ihr Leid nur noch vergrößern und quälend in die Länge ziehen. Da war ihr Selbsterhaltungstrieb noch zu groß, als dass sie sich selbst kasteien wollen würde.
Somit schlossen sich ihre schmalen, feingliedrigen Finger schlussendlich entschlossen um den Griff und sie zog ihn langsam zu sich. Dabei starrte sie unentwegt auf die silbrige Klinge. "In sein Herz... tief in sein Herz stoßen, ja...?", murmelte sie leise und hauptsächlich zu sich, zeugte dabei jedoch davon, dass sie die Ratten verstanden hatte. Ihre Mimik war nun voller Entschlossenheit und es musste so scheinen, als hätte sie diese Anweisung angenommen.
In derselben Geschwindigkeit wie zuvor drehte sie sich zur Seite und erhob sich, um sich zur Tür zu quälen. Jeder Schritt, den sie vor den anderen setzte, kam ihr vor, als befände sie sich mitten in der hochgepeitschten Brandung, die sie zurückwerfen wollte. Und dennoch... irgendwann... irgendwann hatte sie die Tür erreicht, hob ihre freie Hand in Richtung Klinke.
"Dann wäre es vorbei...", hauchte sie noch und starrte erneut auf die Klinge. Ihr Griff war nun so fest, dass ihre Fingerknöchel weiß zu leuchten schienen und ihre Hand leicht zitterte.
Dann zog sie die Tür mit einem kräftigen Ruck auf und war einen Moment lang von dem direkten Tageslicht geblendet, ehe sich ihre Augen wieder daran gewöhnt hatten. War er...? Ja, da stand er noch, umgeben von dieser Göre und dem Schiffskoch. Weit waren sie also noch nicht gekommen, wie vorteilhaft für sie!
Weiterhin quälend langsam trat sie hervor und gab dabei die Gelegenheit, auch entdeckt zu werden. Und dann... sobald er sie ansehen würde... warf sie den Dolch. Zielen konnte sie nicht gut, dazu war sie zu ungeübt, allerdings war es nicht besonders schwer, die Waffe gegen Boden zu schleudern. Ob sie es dabei schaffte, dass die Klinge die Planke so traf, dass sie darin stecken bleiben würde oder nicht... Es war nicht wichtig! Sie würde niemanden damit verletzen, das war das Einzige, was sie haben wollte.
"Das könnte dir so passen, wie?!", giftete sie sofort los und hatte nur Augen für ihren ehemaligen Begleiter. Wer sie alles hören und beobachten würde, interessierte sie gerade nicht. "Reicht es dir noch immer nicht? Habe ich nicht genug durchgemacht wegen dir? Hör endlich auf mit deiner verdammten Magie, darauf falle ich nicht mehr rein! Lass mich in Ruhe und nimm deine verfluchten Ratten mit, wohin auch immer du gehst!"
Mit heftig bebender Brust stand sie vor ihm, ein Bild einer Furie, denn auch ihre Frisur hatte gelitten, während ihr Gesicht rote Flecken des Zorns aufwies. Oh ja, wie war wütend, so unendlich wütend auf ihn! Wann endlich würde er damit aufhören, sie quälen zu wollen?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 7. September 2022, 23:19

Obwohl die einstige Sklavin Herren erlebt hatte, die mit ihr und anderen als ihre Sklaven umgegangen waren, wusste sie nicht wie sie sich nun verhalten sollte. Die Erkenntnis, dass sie nun selbst zu dem geworden war, unter dem sie so gelitten hatte, schmerzte und zerfraß sie innerlich. Aber sie hatte keinen anderen Ausweg erkennen können. Corax hatte versucht zurück zu Azura zu kommen. Leider hatte sie die gesamte Situation aber verkannt und war von ihrem Standpunkt, aus nur ihr bekannten Gründen, nicht abzubringen. Die Situation war verfahren und Madiha hatte längst erkannt, dass sie nicht so skrupellos war, wie man es ihr vielleicht anhand ihrer Hintergrundgeschichte zugestanden hätte. Sie konnte den Rabenmann, ungeachtet aller Vorkommnisse, nicht einfach wieder zurückschicken. Nun stand sie da mit ihrem Dilemma. Und zu allem Überfluss, schien Caleb sie nicht verstehen zu können. Allerdings wusste er auch nicht, was sie wusste. Sie wollte ihn aufklären, ihm alles erzählen, doch dafür fehlte ihr im Moment die Kraft und auch der richtige Ort. Das war nichts, was man ‚mal eben so‘ nebenbei erwähnte. Und die Bilder waren nach wie vor präsent und nicht weniger grauenhaft. Madiha hatte Mühe stehenzubleiben, sodass sie die Wand der Kajüte als Halt nutzte. Die Reaktionen, die folgten, ließen sie überrascht aufblicken. Erst war da Caleb, dem sie ein dankbares Lächeln schenkte, als er sie hielt. Dann wanderte ihr Blick zu Corax, der sich ihr zu Füßen warf und mit seiner Stirn ihre Füße berührte. Madiha verkrampfte sich und nun war sie es, die die Röte in ihrem Gesicht nicht abwenden konnte. Ihr war das schrecklich unangenehm. Aber sie hielt aus und sah auf ihn hinunter. Er war demütig, er verhielt sich wie ein Sklave es kannte. Madiha sah sich selbst vor ihren Herren knien, die Füße küssend, wenn sie es verlangten, weil ihnen das Machtgefüge die Schwänze hob. Sie schloss die Augen und atmete durch, um diese Erinnerungen gar nicht erst aufkommen zu lassen. Corax dankte ihr auf eigenartige Weise. Schwer fiel ihr der Moment und sie war umso erleichterter als er vorüberzog. Dennoch sprach sie aus, was die Wahrheit war. Sie hatte in seiner Bitte nicht den Sklaven gesehen, den sie bekommen würde. Sie sah nur die Möglichkeit, ihn vor weiteren Übergriffen der verstörendsten Art zu bewahren und nutzte diese. Alles weitere hatte sie sich nun wirklich nicht überlegt. Dass sie nun Sorge trug für ihn, dass sie verantwortlich wäre für sein Handeln und sie womöglich selbst in Gefahr geriet, sobald er wieder beschloss, seinen Herren zu wechseln. Er hatte es gesagt, er entledigte sich allen vorangegangenen Herren und Herrinnen. Azura wusste sie zu schützen – Jakub, auch wenn er es nicht verdiente, ebenso. Wie viele Seelen hatte Madiha seit ihrer Rettung sterben sehen? Unzählige. Der Angriff auf Sarma war entbehrend gewesen, die Hilfe die Dunia mit Caleb geleistet hatte war eine unerschöpfliche Arbeit. Sie hätte und hatte Caleb sterben sehen, aufgrund ihrer Unfähigkeit beinahe dem Tode geweiht. Es war so knapp gewesen. Und schließlich dieses Unglück auf See. So viele waren dem Tode geweiht und es reichte. Ihr reichte es, ihr Verstand ertrug nicht mehr. Einzig ihr mitunter verbissener Wille, hielt sie jetzt noch aufrecht. Es war keine Zeit, einfach die Segel zu streichen und in eine gnädige Dunkelheit zu fallen. Es gab noch so viel zu klären, sodass sie Corax und somit auch Caleb erklärte, was ihre Beweggründe waren. Die Reaktionen fielen deutlich unterschiedlich aus: Caleb ließ sie plötzlich los, sodass sie wahrlich drohte in sich zusammenzusacken. Sie presste ihre Handflächen auf das Holz der Wand, um sich abzufangen. Der Schmerz war bitter. So schnell wie Caleb war, kam Madiha längst nicht mit. Ihr Blick glitt unruhig zu dem Dieb, der blass geworden war, dann aber voller Feuer zu lodern schien. "Er hat was versucht?! Ich bring ihn um!", Madiha versuchte sich von der Wand abzustoßen, um ihn aufzuhalten, doch Corax war um ein Vielfaches schneller. "Nein. Du verurteilst mich für etwas, das du nun selbst tun willst. Was bist du, ein Heuchler? Verlier nicht dein Gesicht vor meiner Herrin. Nur mühsam rappelte sich Madiha von der Wand auf und versuchte halbwegs gerade zu stehen. Doch sie war immer noch viel zu langsam als dass sie hätte wahrlich intervenieren können, wenn Caleb an Corax vorbeigestürmt wäre. Glaubt ihr, er wäre der erste, dem ich auf diese Weise gefällig sein musste? Glaubt ihr, es wäre für mich etwas Besonderes? Ich bin es genauso gewohnt wie das Töten. Lasst mich es tun. Auch dafür bin ich da. Es braucht nur ein Wort. Glaubt nicht, es würde mir leicht fallen oder Freude bereiten. Ich tu es, weil ... jemand es tun muss. Damit andere ihre Seele weder verderben, noch im Wert ihrer Ehre fallen. Die Drecksarbeit wird von Sklaven erledigt. Also lasst es mich erledigen."

Sie musterte den Dunkelelfen betreten und seine Worte berührten sie. Sie fühlte sich zum einen angesprochen, weil sie den ersten Teil seines Appells sehr gut verstand. Zum anderen war sie erschrocken darüber, dass er sich inzwischen so geringschätzte, als dass er sogar mordete für seine Herren. Das Mädchen hielt den graublauen Blick deutlich länger im Gesicht des Elfen, als sie es sonst getan hätte. „Er hat Recht…“, murmelte sie plötzlich und ihr Blick wanderte zu Caleb. Sie lächelte ihn müde und voller Zuneigung an. „Tu‘ das deiner Seele nicht an, Caleb. Wie viele willst du… töten?“, formulierte sie eine stumme Erinnerung an all die Männer, die ihr während ihres Aufwachsens Leid zugefügt hatten. „Es wird immer einen geben…“, flüsterte sie erkennend und sah zu Corax zurück. „Sie werden nie aufhören sich anderen aufzuzwingen…“, bestätigte sie die Worte des Elfen und holte tief Luft. Was konnte sie nun glauben? Dass er dem Wahnsinn verfallen war, aufgrund dieser Viecher, die ihn quälten, während er lachend mit den Überresten der Crew spielte? Oder war das sein wahres Gesicht? So oder so, Madiha zwickte etwas. "Das Schiff braucht einen Kapitän, dem die Mannschaft auch folgen will. Und trotzdem würde ich ihn gern ... Sie blickte zu dem Dieb und sie hob einen Mundwinkel. „Ich weiß…“, krächzte sie erschöpft. Ihr Kopf pulsierte inzwischen unablässig. "Ich verzeihe dir - natürlich tu ich das. Aber verzeih mir auch, dass ich nicht besser sein wollte als er hier." Madiha schüttelte leicht den Kopf. „Caleb – ich bin dir so dankbar, dass du… du bist. Ich habe nicht daran gezweifelt, dass du… das richtige tun würdest.“[/i], offenbarte sie ihm und mühte sich abermals ein Lächeln ab, welches an Ehrlichkeit aber nichts einbüßte. Lediglich an Kraft. Ihr Blick wanderte zu Corax. "Herrin, ich bringe dich an einen Ort, an dem du dich ausruhen kannst. Wenn du wach wirst, ist es getan. Du musst nur ..." Ihr Blick folgte seiner Geste. Sollte sie ihm den Befehl geben? Er bekam seine Rache, sie ihre Genugtuung, Caleb seinen Frieden? War es nicht manchmal so schön einfach und sollte so eine Chance nicht genutzt werden? Das Mädchen blickte zwischen den Männern hin und her. Mehr schlecht als recht stand sie leicht gekrümmt zwischen ihnen und sehnte sich einfach nach Ruhe. Aber noch nicht. Immer weiter. Madiha zögerte und in ihrem Gesicht war der Konflikt erkennbar. Schließlich schloss sie die Augen und schüttelte sachte das verkürzte Haar. „Nein.“, meinte sie rau und leise. Sie räusperte sich, hob den Blick und in ihm lag Entschlossenheit. „Nein!“, wiederholte sie, ehe sie auf Corax noch einen kleinen Schritt zu humpelte. „Er ist nicht der erste... aber er könnte der letzte sein. Wir können besser als das sein,… was uns widerfuhr! Wir sind … mehr als das… was wir erlebt haben! In uns… und in unserer Zukunft… steckt mehr!“, appellierte sie an Corax und sah ihn eindringlich an. „Du musst nur… anfangen, Corax!“, sagte sie leichthin, obwohl ihre Mimik deutlich zeigte, dass sie wusste, wie schwer das alles war. „Es gibt eine Freiheit da draußen… für uns alle. Wir… wir müssen sie nur finden, weißt du?“, murmelte sie und schwankte leicht. Ihre Kraft war erschöpft. „Die Suche … die Suche lohnt sich. Ich bin.. mir sicher.“, krächzte sie. „Wir sind.. auch etwas wert, hörst du?“, bemühte sie sich noch mal, ehe sie den Kopf etwas sinken ließ. Wenn sie kräftiger gewesen wäre, wäre sie sicher im Stehen eingeschlafen. Doch kurz bevor sie tatsächlich einfach zu Boden sackte, wurde die Tür in ihrem Rücken geöffnet, sodass sie sich erschrocken zur Seite drehte. Was schließlich gut war, denn mit einem Mal flog ein silberner Dolch auf den Boden vor Corax zu und Azura stand in der Tür. Wütend funkelte sie ebenso wie die Rubine am Griff, doch Madiha starrte erschrocken auf die Wassermagierin. Ihre Worte ergaben für sie kaum einen Sinn. Stirnrunzelnd betrachtete sie die Szenerie und sie wich noch einige Schritte zurück, bis sie in ihrem Rücken Caleb oder eine Wand fand, an dem sie Halt finden konnte. Ihre Beine zitterten unablässig und doch mühte sie sich bis zum letzten Tropfen Kraftreserve, nicht einfach auf den Boden zu gleiten.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 9. September 2022, 00:39

Die Ratten mochten sagen, was sie wollten. Sie konnten noch so putzig aussehen auf ihren angewinkelten Hinterbeinchen, dass sie wie pelzige Klöße auf ihrem schönen Kleid saßen. Ihre Augen waren rot und so assoziierte Azura ganz automatisch eine Verbindung zu Corax. Und gerade weil die jüngsten Ereignisse allesamt mit ihm zu tun und sie Dinge gesehen hatte, die in ihrer Vorstellung nicht einmal im Ansatz möglich gewesen wären, zog sie sofort ihre eigenen Schlüsse aus dem Erscheinen der beiden Tiere. Schwarzer Pelz, schwarze Federn, Rubinaugen und nun kleine Knöpfe derselben Farbe, die sie mit Listigkeit im Blick anstarrten. Hinzu kamen die gefiepten Worte, welche bei Azura eine Gänsehaut auslösten, sie innerlich aber auch mit Wut anreicherten. So billig manipulativ war im Grunde nicht einmal Corax! Bisher hatte er seine Spielchen immer mit gewisser Raffinesse geführt, von langer Hand geplant. Azura war nur ein einziges Mal von ihm bedroht worden in einer Weise, dass sie wirklich Angst um ihre Unberührtheit gehabt hatte. Doch das hatte nicht einmal damals dazu geführt, dass er seinen Worten Taten folgen ließ. Im Gegenteil. Als der Elf doch bemerkte, mit dieser List auf Ablehnung zu stoßen, war er ganz anders vorgegangen. Nun machte alles Sinn. Er hatte sich einfach einen anderen Weg gesucht, sie zu entehren und nun hatte er es geschafft. Daraufhin war Azura für ihn offenbar uninteressant geworden, wenngleich sie sich diesen Gedanken nicht vollends einreden konnte. Irgendwo keimte da noch die Hoffnung - ja, sogar jetzt noch, auch wenn der Funke zu erlöschen drohte - dass er doch noch bei ihr sein wollte. Warum nur wünschte er sich dieses Privileg ausschließlich, indem er ihr Eigentum würde? Es war zum Verzweifeln. Azura war verzweifelt und die beiden Ratten dachten offenbar, diesen Umstand perfekt ausnutzen zu können.
Die Adlige hielt sie für ein weiteres, magisches Aufgebot ihres verlassenen Sklaven und so begegnete sie den Tieren äußerlich vielleicht mit ihrer antrainierten Höflichkeit, innerlich aber kochte sie. Wäre noch genug Wasser für einen unkontrollierten, magischen Ausbruch in ihr vorhanden gewesen, es hätte zu brodeln begonnen. Aber auch Azura fühlte sich erschöpft. Selbst mit dem gesamten Meer als ihrem Verbündeten in der Nähe würde es seine Zeit dauern, bis sie auf ihr affines Element würde zurückgreifen können. In dieser Zeit brauchte sie Ruhe und keine lästigen Nager, die ihr noch dazu schmackhaft machen wollten, mit dem Dolch auf Corax loszugehen. Sie sollte sich seines Schmerzes entledigen, indem sie ihn erledigte.
Würde Azura genauer über die Worte der Ratten nachdenken, wäre ihr vielleicht aufgefallen, wie seltsam es klang, dass sie Corax' Zaubereien entsprungen waren. Wer schickte schon magische Ratten los, sie zu manipulieren, nur damit sie bereit war, den Zaubernden zu töten? Er hätte ihnen doch auch befehligen können, Azura weichzuklopfen, dass sie ihren Sklaven wieder annähme. Etwas stimmte hier nicht, nur leider kam sie im Moment nicht darauf. Zu abgeschlagen war sie, als dass ihr dieser Gedankengang käme. Außerdem arbeitete sie selbst bereits an einem Plan. Sie wollte die Ratten und somit auch Corax in Sicherheit wiegen. Dieses Mal wollte sie das Spiel lenken und zwar, indem sie vorgab, auf ihre Forderungen einzugehen. Die rotblonde Schönheit griff nach dem Dolch. Er war wirklich leicht und lag unsagbar angenehm in ihrer Hand. Beinahe fühlte er sich wie eine Verlängerung ihres Körpers an. Auch hatte sie den Eindruck, sofort zu wissen, wie sie ihn zu führen hatte. Ging Magie von dieser Klinge aus? Wenn sie sie drehte, schillerte sie kurz regenbogenfarben auf, ehe sich ein schwarzer Schatten über alles legte. Plötzlich entdeckte sie Blut an der Klingenspitze und der Raum verdunkelte sich wie schon bei der Nadelfederschlange. Es dauerte gewiss nur einen Herzschlag, aber für diesen Moment sah Azura sich selbst und wie sie Corax die nadelartige Spitze des Dolches direkt ins Herz rammte. Sie sah ihn in Tausende schwarzer Federn zerspringen, so dass nur zwei Rubine übrig blieben. Dann waren das Bild und auch die Düsternis aus der Kapitänskajüte verschwunden.
Erneut drängten die Ratten. "Es ist ganz leicht."
"Jaja, du merkst es doch! Der Dolch ist ganz leicht."
"Wir helfen dir, die Klinge zu führen."
"Ohja, ohja, du brauchst kaum etwas zu tun."
"Hinein in sein Herz, hinein hinein!"
"Und dann lass alle Seefahrer in dich hinein, hihihi."
"Gebäre uns einen neuen, einen besseren kleinen Raben, hihihi."
"Ein Dutzend Rabenküken und wir suchen uns den aus, der im Todeskampf als letzter übrig bleibt."
"Ohja, ohja ... und sie muss zusehen!"

Die Ratten fiepsten freudig, während Azura in scheinbar geisterhafter Trance auf die Tür zu hielt. Hinter ihr tappten die Tierchen. Mit jedem weiteren Trippelschritt verloren sie an Fell. Stattdessen wuchsen schwarze Federn, aber auch diese ließen sie sofort wieder fallen. Sie richteten sich auf die krähenhaften Hinterbeine auf, streckten die Flügel von sich. Dann verloren sie ihr Federkleid. Aus schlanken Vogelknochen wurden lange, dürre Gliedmaßen. Nur an den Gelenken, die dick und knorrig wie Wurzelknoten waren, hinterließen die aus den Ratten wachsenden Wesen den Eindruck, überhaupt kräftiger als ein Zweig zu sein. Der Begriff des Zweiges traf es sehr gut. Wie Stockmännchen sahen sie aus, mit großen Augen, aus reinster Finsternis. Ihr Grinsen wuchs wie ihre Finger, mit langen, spitzen Zähnen, über die sich halb die Haut der Lippen spannte. Aus den Köpfen ragten einzelne Strähnenbüschel, dass es Sumpfras gleich kam und die ledrigen Ohren hingen halb in Fetzen. So folgten sie in Azuras Windschatten, von ihr nicht gesehen, denn sie konzentrierte sich auf das, was sich vor ihr auftat.

Beispielhafte Bilder zu den Stockmännchen: Bild 1 | Bild 2 | Bild 3

Auf der anderen Seite der Tür und noch ehe Azura sie erreichte, gingen andere Dinge vor sich. Pläne wurden nicht geschmiedet, aber doch in den Raum gestellt. Nachdem Madiha nun offenbart hatte, was Jakub Tauwetter ihr unter anderen Umständen beinahe und Corax offensichtlich angetan hatte, kochte auch das Blut des Wüstendiebes. Er ließ sich dazu verleiten, diesem Zorn nachzugehen und wäre der Sklavenelf nicht gewesen, Caleb hätte vielleicht einen mörderischen Fehler begangen. So aber hielt Corax ihn auf, nur um ihm das Angebot zu machen, ihrer beider Meuchelmörder zu werden. Er würde sich die Hände schmutzig machen, denn es wären nur neue Flecken auf all den vielen, die sich schon in seine Haut eingefressen zu haben schienen. Für ihn machte es keinen Unterschied mehr, ob ein weiterer Name auf seiner Totenliste landen würde. Alles, was Corax noch brauchte, waren eine Waffe und die Erlaubnis seiner Herrin. Nicht nur sein Blick glitt zu Madiha herüber. Auch Caleb schaute sie an.
Auf Madihas schmalen Schultern ruhte nun enorme Last. Dabei war ihr vorher schon zumute, dass sie kaum noch stehen konnte. Nun, da Caleb sie nicht mehr hielt, drohte sie erneut, einzusacken. Ihr Wille allein ließ sie nicht zusammenbrechen, auch wenn ihr ganzer Leib schrie. Sie selbst schrie nicht. Es fehlte ihr nicht nur die Kraft dazu, sondern auch die Wut. Andere Emotionen beherrschten ihr Handeln. Sie sprach fast sanft mit beiden Männern. "Er hat Recht ... Tu das deiner Seele nicht an, Caleb. Wie viele willst du ... töten?"
Der Dieb blinzelte. Dann senkte er den Blick, um Madihas auszuweichen. Nicht nur Corax hatte Recht, sondern sie auch. Er blieb ihr eine Antwort schuldig, aber seine Reaktion machte deutlich, dass er nun gänzlich von seinem Racheplan abließ. Jakub Tauwetter würde eines Tages sterben, aber nicht durch Calebs Hand. Er konnte nicht ganz Celcia töten, nur um Madihas Schutz zu gewährleisten.
"Es wird immer einen geben. Sie werden nie aufhören, sich anderen aufzuzwingen..."
"Das hat er nicht getan." Corax verteidigte den Kapitän, wenn auch halbherzig. Er war nicht mehr sein Herr, auch wenn Jakub das noch nicht ahnte. Aber für Corax bedeutete es, dass er ihm gegenüber unter keinen Umständen mehr loyal sein musste, sondern vorerst nur noch Madiha. Trotzdem verteidigte er ihn. Warum? "Er hat sich genommen, was sein Recht war. Jederzeit." Weil er es nicht besser wusste. Weil er in sich nicht mehr sah als ein Wesen - vielleicht sogar nur ein Ding - mit dem jeder andere tun und lassen konnte, wonach ihm gelüstete. Er war nichts mit eigenem Willen. Er war nicht frei. Aber genau das war für ihn eine so tief sitzende Normalität, dass er den Missbrauch an sich selbst noch immer nicht erkannte. Er richtete seine ganze Aufmerksamkeit immer nur darauf, seiner Herrschaft zu Diensten zu sein. Selbst jetzt. Madiha musste nicht einmal ein Wort sagen, da bot er schon an, sie endlich zu einem Schlafplatz zu bringen. Auch hier hatte er Recht. Sie musste sich dringend ausruhen. Er würde hingegen das tun, was Caleb ebenfalls bereit gewesen wäre zu opfern: einen Teil seines eigenen Seelenheils. Er würde Jakub töten.
"Nein." Madiha hatte die Augen geschlossen. Sie sah das erleichterte Aufglimmen in Corax' Blick nicht und wie für einen Moment die Erkenntnis ihn durchströmte, von dieser Last befreit zu sein. Ein Toter mehr machte für einen Mörder nichts aus, aber einer weniger konnte so viel bedeuten, wenn man noch ein Herz besaß. Corax konnte unmöglich so grausam und böse sein, wie er sich als Krakenmann präsentiert hatte. Er war nicht immer so. Um ihm klar zu machen, dass ihre Entscheidung keinerlei Hintertüchten besaß, wiederholte Madiha ihren Befehl. Sie brachte ihre letzten Reserven auf, um zu Corax zu humpeln. Madiha war so viel kleiner als er und trotzdem war es der Elf, welcher zu ihr aufsah, obwohl sie den Kopf heben musste. Wie schwer er war. Er schmerzte. Nur noch ein bisschen zusammenreißen. Eine letzte, aber wichtige Nachricht an ihren Sklaven, dem sie sich irgendwie verpflichtet fühlte. Dann könnte er sie fortbringen, in eine Hängematte oder mit Glück sogar in ein Bett. Ihr Körper wollte nur noch ruhen.
"Es gibt eine Freiheit da draußen ... für uns alle. Wir ... wir müssen sie nur finden, weißt du?"
"Aber ich hab sie doch längst gefunden." Er wandte den Kopf in Richtung der geschlossen Tür zu Azuras eigens beanspruchten Gemächern.
"Wir sind ... auch etwas wert, hörst du?"
Er hörte nicht. Er sah an Madiha vorbei, denn just in diesem Moment wurde die Tür der Kapitänskabine aufgerissen und Azura stand im Rahmen. Geblendet vom Sonnenlicht zielte sie nicht allzu genau, aber sie kannte die Statur ihres widerlichen Schuftes besser als jede andere. Sie brauchte nur seine Umrisse, um die Richtung deuten zu können. Schon schleuderte sie den Dolch nach ihm. Nein, nicht wirklich nach ihm. Sie wollte ihn demonstrativ in die Planken vor seine Füße werfen. Doch noch bevor die leichte Klinge ihre Finger verließ, spürte Azura einen seltsamen Zug dahinter. Etwas leitete ihren Arm um. Es war sie selbst. Sie konnte nichts dagegen unternehmen. Es fühlte sich wie ein Drängen an, das sie dazu bewog, den Dolch direkt in sein Herz schleudern zu wollen. Auch das bösartige Grinsen, das sich auf ihre Lippen legte, konnte sie nicht aufhalten. Es mochte nur ein-, vielleicht zweimal aufzucken, aber das genügte zumindest Caleb und Madiha, es wiederzuerkennen. Auch der Krakenmann hatte so gegrinst, als er all die Seefahrer in die Wellen geschleudert hatte. Und auch die Wesen hinter Azura grinsten aus den Schatten der Kabine heraus. Ihre Augen leuchteten nicht. Darin lag nur Schwärze.
Die Klinge flog, dass die Rubine einen rot blitzenden Schweif hinter dem Griff herzogen. Die Spitze hatte nur ein Ziel: das Herz des Dunkelelfen. Jenes aber schlug nicht nur noch immer für Azura, sondern hatte sich eine neue Herrin gesucht. Eine Herrin, der er ebenso loyal gegenüber sein würde wie alle ihren Vorgängern und das bedeutete, sie vor Gefahr zu schützen. So sprang Corax seitlich, um sich vor Madiha zu stellen, die ohnehin zurückschreckte bei Azuras Auftritt. Sie selbst spürte die Mauer aus Caleb in ihrem Rücken, der sofort da war, um sie zu halten. Er legte beide Arme um sie, hob sie wie ein Ritter seine Prinzessin empor und drehte sich zur Seite, damit sie nicht länger als ziel gewählt werden konnte. Notfalls würde er rennen, um Madiha vor weiteren Angriffen zu schützen. In diesem Punkt waren er und Corax sich gleich, nur aus anderen Beweggründen heraus.
Die Klinge verfehlte den Dunkelelf, erreichte aber, was Azura sich gewünscht hatte. Mit einem heftigen Sirren rammete sie sich in das Plankenholz, wo sie bis zur Parierstange in Federform stecken blieb. So viel Kraft hatte wohl niemand Azura zugetraut. Auf ihren Zügen und auch hinter ihr erlosch das Grinsen. Die beiden Stockmännchen in den Schatten sahen voller Hass auf den Rubin besetzten Griff, dann auf Corax.
"Wie kannst du es wagen, nicht zu sterben?", zischte einer von ihnen. Er wurde von Azura gänzlich übertönt. "Das könnte dir so passen, wie?! Reicht es dir noch immer nicht? Habe ich nicht genug durchgemacht wegen dir? Hör endlich auf mit deiner verdammten Magie, darauf falle ich nicht mehr rein! Lass mich in Ruhe und nimm deine verfluchten Ratten mit, wohin auch immer du gehst!"
"Die Ratten? Aber ich habe sie doch ..." Mehr konnte Caleb nicht erwidern. Corax starrte Azura entgegen. Dann wirbelte er halb herum und entriss dem Dieb das Messer. Mit einem Aufschrei, der wieder wie ein waschechter Rabe klang, stürmte er auf Azura los. Er hob die deutlich kleinere Klinge und stieß zu. Ein weiterer Schrei, hoch und schrill, aber voller Hass. Dann schlug eines der Stockmännchen die Kabinentür hinter sich und seinem verletzten Kameraden zu, dem das Messer im Auge steckte. Corax aber versuchte gar nicht erst, in die Kammer zu gelangen. Nach seinem Angriff drehte er sich, um Azura zu greifen und in deutlich weniger ritterlicher Manier auf die Arme zu heben. Er warf sie sich über die Schulter, schwankte, als sein Körpergewicht sich auf den Zehenstumpf legte und taumelte einen halben Schritt zurück. Dann ging er weitere zwei Schritte, bis er neben Caleb stand. Erst jetzt setzte er Azura wieder ab, selbst wenn sie sich zuvor furienhaft gewehrt haben mochte. Er brachte seinen Körper vor sie und auch vor Caleb, der Madiha noch immer auf den Armen hielt. Er war der der Sklave, das wertlose Eigentum, das Schutzschild für Bedeutendere.
"Was bei Andunies sauersten Äpfeln war das?!", entkam es Caleb, der die Tür anstarrte. Schließlich hatte er , wie alle anderen, keine Ratten dort gesehen, sondern diese seltsamen ... Wesen.
"Das möchte ich auch wissen. Was genau war dieses Geschrei?" Jakub Tauwetter, herbeigeholt von einem seiner Seeleute, erreichte das Quartett. "Könnt ihr euch nicht einmal zusammenreißen, bis wir einen Hafen anlaufen?"
Caleb ballte die Fäuste. "Dasselbe könnte ich von dir und deiner Wolllust verlangen, du dreckiger Bastard." Jakub warf ihm einen finsteren Blick zu. Er verstand Sendli, aber das konnte der Dieb bislang nicht wissen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Freitag 9. September 2022, 09:38

War sie gerade eben noch voller Leid und Schmerz und unendlicher Verzweiflung gewesen, fühlte sich die junge Frau nun wie in Trance. Als stünde sie unter einem Bann... Doch es war nicht jener, den diese neuerliche, magische Attacke wohl bei ihr auslösen sollte. Nein, sie verspürte in sich viel eher Wut, unbändige Wut darüber, dass er sie derart plump für seine Zwecke benutzen wollte. Schlimmer noch, sie zu einer Mörderin... oder zumindest zu einem Weib, das es versuchte, zu degradieren, um sie auf eine Stufe mit sich selbst zu stellen.
Natürlich sagte sie das nicht offen, dass sie den faulen Zauber erkannt hatte, es hätte wohl auch überhaupt nichts gebracht, das hatte sie schließlich schon mehrmals erlebt. Aber in ihrem Kopf reifte ein Plan heran, während sie sich bewegte, als wäre sie eine Marionette mit einem noch ungeübten Spieler am anderen Ende der Fäden, der alles nur unendlich langsam ausführte.
Sie beugte sich vor, ergriff den Dolch, der ihr unter anderen Bedinungen durchaus hätte gefallen können, und kämpfte sich mühselig auf die Beine. Noch immer war sie schwach und ausgelaugt, ihr Zorn jedoch hielt sie jetzt aufrecht. Was dabei in ihrem Rücken geschah... es interessierte sie nicht und das war wahrscheinlich auch besser so. Ihr Blick war wie in einem Tunnel gefangen, der nichts anderes wahrnahm als ihr Ziel.
Endlich hatte sie die Tür erreicht, öffnete diese und trat hinaus, um im ersten Moment geblendet sogleich wieder stehen zu bleiben. Erst, als sich ihre Augen an diese neue, ungefilterte Helligkeit gewohnt hatten, fanden sie zielsicher denjenigen, dem sie die Schuld an allem gab.
Und hatte sie nicht jedes Recht der Welt dazu?! Erst, seit er aufgetaucht war mit all seinen Artgenossen war ihr Leben den Bach hinunter gegangen! Eigentlich hätte er es verdient, dass sie ihn tatsächlich abstechen würde mit der Klinge in ihrer Hand!
Jedoch... nein, niemals! So jemand war sie nicht und würde es auch niemals sein, ganz gleich, was ihr einstiger widerlicher Schuft auch versuchen mochte! Sie war nicht mehr ehrenwert, hatte sich ihm hingegeben, aber das bedeutete nicht, dass sie vollkommen abrutschen und zulassen würde, dass an ihren Händen Blut kleben würde!
Genau das wollte sie ihm auch demonstrieren, als sie ihm den Dolch vor die Füße warf. Oder eher... werfen wollte. Denn just in jenem Atemzug, in dem sie den Schwung an die Waffe weitergeben wollte, war ihr, als würde einer der unsichtbaren Fäden abrupt etwas weiter in die Höhe gezogen, sodass sich die Flugbahn änderte. Nicht direkt zu Boden, sondern in Richtung des Mannes, dem sie damit eigentlich nur demonstrieren wollte, dass sie sich nicht so manipulieren ließ. Dass er sie endlich in Ruhe lassen sollte, damit sie ihn irgendwann einmal vielleicht... nur vielleicht würde vergessen können mit allem, was dazu gehörte!
Einen Moment lang, diesen einen langen Herzschlag, war ihr, als ergriffe eine bösartige Macht von ihr Besitz, kroch ihr bis in die Haarspitzen und ließ Eiseskälte durch ihre Adern rieseln. Nicht allein, indem sie an ihrem Arm ruckte, sondern auch, dass sie ihr Blickfeld noch stärker einengte und mit einem roten Schleier zusätzlich versah.
Blut... sie wollte Blut sehen, sein Blut! Wollte, dass es aus ihm heraussprudelte, bis sein Herz nichts mehr hätte, dass es noch zu pumpen gäbe!
Und dann... dann war dieser Augenblick vorbei und hinterließ mehr als nur eine Leere in ihr, die schal schmeckte. Es hinterließ so viel Entsetzliches, dass sie es gar nicht erst in Worte fassen konnte, sondern lediglich spürte. Ihr entglitt ihre Mimik zu einer geisterhaften Fratze der Angst, während ihr eigenes Herz wild in ihrer Brust wummerte und ihre Knie weich wurden. Die Finger begannen ihr zu zittern und diese winzige Bewegung griff allmählich auf ihren gesamten Körper über. Auch wurde ihr regelrecht übel.
Was... war... das... gewesen?! Panik drohte, sich ihrer zu bemächtigen, und das holte auch die Wut zurück. Nein, so nicht, aber sicher nicht! Dieses Mal war er wirklich zu weit gegangen mit seiner Magie!
Endlich wieder sie selbst konnte sie auch schon loslegen mit ihrer Tirade, kaum, dass die Klinge im Holz stecken blieb und noch nachbebte durch den Schwung. Ohne Rücksicht auf Verluste fuhr sie den Dunkelelfen an und warf ihm an den Kopf, was sie für die Wahrheit hinter dem Auftauchen der Ratten und der Waffe hielt.
Dass dem nicht so war... Nun, sie warf keinen Blick über die Schulter zurück, das hätte ihr sonst zu denken geben können. Nein, ihre Augen waren ausschließlich auf den Mann gerichtet, der sie so um den Verstand zu bringen wusste... auf mehrere Arten.
Noch immer bebte ihr ganzer Körper, wogte ihr prall gefülltes Dekolleté gut sichtbar für jedermann auf und ab und dennoch war es inzwischen der Zorn, der diese Reaktion auslöste. Und damit die Angst erfolgreich übertünchte, die ihr noch immer in den Gliedern steckte.
Die anderen nahm sie nicht wahr, auch nicht die angefangene Bemerkung des Schiffskoch. Nein, sie war voll und ganz auf ihn fixiert, der ihr entgegen starrte.
Plötzlich bewegte er sich, griff sich ein Messer und... und marschierte direkt auf sie zu! Trotzdem blieb sie, wo sie war, stemmte die Hände in die Seite und hielt es gar nicht erst für möglich, dass er damit auf sie losgehen wollen könnte. "Was fällt dir...?!", begann sie schon mit ihm zu schimpfen, als er die Hand zum Stich erhob... und an ihr vorbei zielte!
Dennoch weiteten sich ihre Augen und schien ihr das Herz einen Moment lang auszusetzen. "... ein...", wisperte sie das Ende ihres Satzes und ihre Stimme ging dabei regelrecht unter, während etwas in ihrem Rücken schrill aufschrie.
Erst jetzt, als ihr allmählich bewusst wurde, dass sie gerade ziemlich hätte verletzt werden können, begann sie sich zu drehen, ähnlich langsam, wie all ihre Bewegungen zuvor gewesen waren. Ihr Blick erfasste noch die hässlichen Wesen, die hinter ihr gelauert hatten, eines nun mit einem Messer im Auge, als auch schon die Tür von innen zugeschlagen wurde.
Ihr Verstand hingegen brauchte länger, viel länger, und diese Zeit bekam sie nicht. Denn plötzlich wurde sie gepackt und, mal wieder, ruppig über die schmale und dennoch starke Schulter geworfen. "Was beim Ha...", entkam es ihr, als sie auch schon von der Stelle bewegt wurde und ihr aufging, was er tat.
Da war es mit ihrer Überraschung vorbei, sie begann zu strampeln und gegen seinen Rücken mit den Fäusten zu hämmern. "Lass mich runter! Was erlaubst du dir eigentlich?! Wer glaubst du, dass du bist?!", schimpfte sie Zeter und Mordio und das dicht an seinem Elfenohr, ohne sich dessen Empfindlichkeit bewusst zu sein. Wenn sie es hingegen gewesen wäre... nun, sie wäre wohl eher lauter, denn leiser geworden!
Nach gefühlten Ewigkeiten kam er endlich ihrer Aufforderung nach, stellte sie zurück auf die Beine und... und drehte ihr den Rücken zu. Noch so eine Unverfrorenheit!
Während der Schiffskoch noch damit rang zu verstehen, was er da gesehen hatte, war sie weiterhin nicht gewillt, aus ihrer Rolle der rothaarigen Furie aufzutauchen. Auch begriff sie nicht, dass sich ihr ehemaliger Begleiter schützend vor ihnen aufbaute, anstatt sich ihr zu stellen. Also wollte sie mit einem Schrei und ihren zarten Fäustchen auf ihn losgehen, auf seinen Schultergürtel einhämmern, bis er sich zu ihr umwenden und ihr Rede und Antwort stehen würde!
Weit kam sie indes nicht, denn plötzlich mischte sich eine weitere Stimme ein. Wütend funkelte sie den Kapitän an und dachte nicht im Traum daran, sich auch nur im Geringsten zu beruhigen. "Geht dich nichts an!", fauchte sie in dessen Richtung und vergaß dabei sowohl die höfliche Anrede, als auch die Nutzung ihrer eigentlichen Muttersprache.
"Also misch dich nicht ein und scher dich dorthin zurück, wo du herkommst! Reicht es nicht, dass du ihn in eine andere Gestalt zwingst und ihm was auch immer antust, dass er zittert wie Espenlaub?! Und du!" Sie fuhr zu dem Schiffskoch herum, machte ihre Augen schmal und öffnete den Mund, um auch ihm etwas an den Kopf zu werfen. Nur... im Moment fiel ihr nichts ein, noch nicht! "Ach, irgendeinen Dreck hast du sicher auch am Stecken!", schwächte sich ihr Ausbruch minimal ab, bis ihre Wut neu entfacht wurde.
Fest die Hände in die Seite gestemmt, funkelte sie einen Mann nach dem anderen an. "Was ist nur los mit euch Kerlen?! Warum könnt ihr nicht einfach... einfach..." Ihr gingen die Worte und Vorstellungen aus, denn die Erschöpfung saß ihr noch immer viel zu sehr in den Gliedern und diese neue Situation zehrte obendrein an ihren Nerven.
So stampfte sie eher hilflos mit dem Fuß auf, anstatt ihren Satz zu Ende zu führen. "Männer!", spie sie ihnen entgegen, drehte sich um und wollte davon stapfen.
Wohin... das wusste sie nicht. Ihr war nur klar, dass ihr das alles hier zu viel wurde und sie noch immer nicht ihre erholsame, wohlverdiente Ruhe bekommen hatte! Doch in die Kapitänskajüte konnte sie nicht zurück.
Also blieb sie nach zwei Schritten stehen, sah sich um und würde, sollte sie niemand aufhalten, zum Vordeck marschieren. Wobei es dann ratsam wäre für jedermann... und die Göre, ihr tunlichst aus dem Weg zu gehen. Wie gut, dass sie diese in ihrem Zorn übersehen hatte. Wer konnte sagen, was sie sonst noch alles, unwissentlich, offenbart hätte!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 9. September 2022, 22:00

Auch wenn Madiha durchweg körperlichen Schmerz spürte, waren es doch Corax‘ Worte, die sie in diesem Moment am meisten quälten. Für ihn gab es einfach kein anderes Leben als jenes, welches er leben musste. Welches man ihm aufgezwungen hatte. Und diejenigen, die für sein Leid verantwortlich waren, folgten ihm auf Schritt und Tritt, damit er ja nie vergaß, wofür er geboren wurde. Ähnlich war ihr Leben verlaufen. Auch ihr hatte man das aufgezwungen und auch ihr Verursacher folgte ihr auf Schritt und Tritt. Doch das war anders. Caleb bereute. Er bereute es, dass er sie damals Abbas übergab, jedenfalls sagte er ihr das. Und er versuchte es wiedergutzumachen. Das machte den entscheidenden Unterschied aus, sodass Madiha ihre selbst erfahrene Nächstenliebe nun mit Corax teilen konnte. Das Mädchen beobachtete den Rabenmann mit den Rubinaugen genau als er sprach. Für ihn hatte Jakub Tauwetter nichts getan, was ihn niederträchtig machte. Er konnte es nicht erkennen, also musste Madiha das für ihn tun. Und sie war gewillt das Sehen und Bewerten zu übernehmen. Als er von seiner gefundenen Freiheit sprach, merkte das Wüstenkind auf. Sie verstand nicht so viel von Gefühlen, aber sie war fähig zu beobachten. Corax brauchte Azura und das so dringend, dass es ihm jegliche Lebensfreude geraubt hatte als sie ihn freigab. Er fühlte die Freiheit, nach der sie strebte. Es gab mehrere Wege ans Ziel zu kommen, sie würde darüber nicht urteilen und versuchte ihm zu sagen, dass er etwas wert war. Ein Mantra, dass sie sich all die Jahre selbst eintrichterte. Jetzt aber wurde seine Aufmerksamkeit anderweitig gefordert, als er seinen Blick hob und an ihr vorbeiblickte.
Die Tür in ihrem Rücken wurde aufgerissen, sodass Madiha zusammenzuckte und sich zur Seite drehte. Ihre Augen lagen erschrocken auf dem Gesicht der Schönen, das eigenartig verzerrt wirkte. Ein Schauer durchlief ihren müden Körper. Sie erkannte das Grinsen, das Zähne zeigende Böse, sofort wieder. Ihre Augen rutschten von Azura's Gesicht und in die diesige Dunkelheit der Kajüte. Ihr Herz setzte aus und sie taumelte erschreckt einen Schritt nach hinten. Das Mädchen keuchte, als sie gegen Caleb stieß. Der Gefahr grundsätzlich nicht mehr wirklich schnell folgen könnend, brauchte Madiha mehrere Sekunden als gewöhnlich, um zu verstehen. Es geschah so schnell, als der Dolch mit einer ungeahnten Kraft geschleudert wurde und sich seinen Weg suchte. Madiha versuchte sich klein zu machen, erwartete sie irgendwie auch einen Angriff auf sich. Doch in dem Moment verließen ihre Füße den wackeligen Halt auf den Planken und sie wurde hochgehoben. Das Wüstenkind sah sich knapp um, erkannte Caleb hinter dem Manöver und ließ sich ohne Gegenwehr wegdrehen. Bis der Dolch wippend in dem Holzboden landete. Ein Ruck ging durch den Dieb, als Corax mit einem Mal das Kochmesser entriss und wütend auf Azura zusteuerte. Madiha riss die Augen auf und wollte ihm Einhalt gebieten, da sie glaubte, er würde nun sie angreifen, wie er es noch vor wenigen Stunden mit ihr, Madiha, selbst getan hatte. Doch das Messer von Caleb war nicht für die Schöne gedacht. Er würde sie nie verletzen, kroch die Erkenntnis durch den bleiernen Geist der Sarmaerin. Sie konnte noch zusehen, wie die Klinge eines dieser eigentümlichen Wesen verletzte. Der Ton, den es machte, grub sich in ihre Seele, so grauenvoll war er. Ihr wurde augenblicklich kalt. Bitterkalt. Oder lag es an ihrer Schwäche? Madiha verlor für einen Moment den Fokus in ihrem Blick und ihr Kinn sackte für Sekunden nach vorne auf ihre Brust. Als sie die Augen wieder aufriss, schimpfte Azura weitaus näher, von Corax an andere Stelle verfrachtet und hielt sie davon ab, endlich ins Land der Träume oder der angenehmen Schwärze zu tauchen.

Das Mädchen spürte, wie ihr Herz sich beschleunigte. Es rebellierte gegen die Unvernunft, nicht endlich etwas Ruhe einzufordern! Doch Madiha kam einfach nicht dazu. Es war nicht der rechte Zeitpunkt, sich nun der Schwäche in ihren Eingeweiden hinzugeben. Azura beschimpfte Corax und schlug mit halbherziger Kraft auf den Rücken des Mannes ein. „Hör doch endlich auf…“, verlangte sie leise und nur zu ihrer Muttersprache noch fähig, doch Azura hörte oder verstand sie gar nicht in ihrer Tirade. Plötzlich überschlug sich die Situation erneut mit dem nächsten Ereignis, nachdem Caleb aussprach, was das Mädchen ebenso wissen wollte: "Das möchte ich auch wissen. Was genau war dieses Geschrei? Könnt ihr euch nicht einmal zusammenreißen, bis wir einen Hafen anlaufen?" In ihren Nacken kroch eine umfassende Kälte. Als würde der Tod sie persönlich dort packen. Jakub. Madiha hob den Kopf zum Kapitän und war gleichzeitig dankbar, dass Caleb sie hielt. Sie wäre sicher nicht mehr in der Lage zu stehen. Sie schielte an Caleb vorbei und erhaschte den Blick auf den Kapitän. Sie hatte das Gefühl einen Verlust zu erleiden. Irgendwie hatte sie angefangen, den Mann zu mögen. Bis sie die Erkenntnis über ihn erlangte, dass er Corax in einen Jungen zwang, um sich ihm aufzuzwingen… Ihr wurde augenblicklich wieder übel. Madiha schloss die Augen und spürte, wie sie sich einfach nicht mehr öffnen wollten. Als hätte man Gewichte daran gehängt, brauchte sie unfassbar viel Willen, sie erneut zu öffnen. War es eigentlich so laut an Deck oder rauschten ihre Ohren? Sie konnte die Geräusche nicht mehr unterscheiden, alles vermischte sich zu einem einheitlichen Getöse. Stimmen wurden leise, Geräusche laut. Alles kam verzögert bei ihr an. Trotzdem blinzelte das Mädchen abermals, mühte sich ab, die Augen offenzuhalten. Azura schimpfte noch immer wie ein Rohrspatz. Und jeder bekam sein Fett weg, sogar Caleb. Madiha sah zu der Rothaarigen hinunter und schluckte, um ihre Kehle zu befeuchten. Doch da war nichts. Sie hatte seit Stunden nichts gegessen oder getrunken. Dann die körperliche Entzündung ihres Potenzials in ein wahres Flammeninferno, ihre Verletzungen am Hals und den Händen. Sie war wirklich am Ende. Dabei hätte sie noch so vieles zu sagen. Azura musste wissen, was Corax dachte. Und Jakub musste wissen, dass er durchschaut wurde! Dass er nicht länger Herr des Raben war! Und Caleb? Caleb musste wissen, dass Jakub Sendli verstehen konnte.
Madiha sah Azura an, damit sie ihr sagen konnte, was Corax nicht schaffte. Das Ohrrauschen war allgegenwärtig. Sie blinzelte wahnsinnig langsam. Alles war so anstrengend, so unfassbar schwer! Ihr Blick verschwamm und sie sah zu Corax. Sie wollte ihm sagen, dass er mit Azura reden sollte. Doch die hatte gerade mit dem Fuß aufgestampft und war einige Schritte gegangen. Sie wollte Corax sagen, er solle sie begleiten. Aber sie kam nicht mehr dazu. Madiha hatte das Gefühl, ihren eigenen Gedanken hinterherzurennen. Sie drehte den Kopf, so unfassbar langsam. Jakub erhielt einen Blick. Sie klappte den Mund auf, um auch ihm endlich die Meinung zu sagen. Sie holte tief Luft, kniff die Augen zusammen und schüttelte einmal kurz ihren Kopf, als könnte sie das übermächtige Gefühl der Schwere in ihrem Innern abschütteln. „Er… gehört… z…u…. mi….r…“, hauchte sie rau und nicht mehr klarstellend, wen sie genau meinte. Corax natürlich. Doch das schaffte sie nicht mehr. Sie blickte zu Caleb, sah zu ihm hinauf und hätte ihn angelächelt, wenn sie nicht just in diesem Moment in sämtlichen Handlungen erstarrt wäre. Mit der Stirn voran schlug sie gegen seine Schulter und ihr Körper fühlte sich mit einem Mal völlig wehrlos und ohne jegliche Spannung in seinen Armen an. Ihre Hand rutschte von ihrem Bein und baumelte wie unnützes Fleisch an ihrer Schulter herab. Die Kraft hatte sie nun endgültig im Stich gelassen und Madiha schaffte es nicht mehr, das Letzte zu mobilisieren, weil es einfach nichts mehr gab. Sie hatte sich schon nach dem Feuerinferno völlig verausgabt und nun den aller letzten Tropfen herausgepresst. Doch genug war genug. Ihr Körper forderte nun die komplette Abschaltung, damit sie nicht daran zugrunde ging und dem Tod nicht wirklich die Chance gab, sie am Nacken zu packen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 10. September 2022, 16:34

Es fühlte sich befremdlich an und doch war sie es, die mit dem Dolch in der Tür gestanden hatte. Eigentlich hatte sie einen ganz anderen Plan verfolgt. Niemals hätte Azura es gewagt, die Klinge wirklich nach Corax zu werfen und doch war da für einen kurzen Moment die Idee in ihrem Kopf, geboren aus dem Zug in ihrem Arm, die Wurfrichtung doch noch einmal zu verändern. Und mit wieviel Kraft sie den Dolch geschleudert hatte! Er wippte noch sichtbar im Holz, als Corax sich seinerseits ein Messer schnappte und auf sie losging. Nein, nicht auf sie. Er vollführte einen schnellen Streich, bei dem sein Messerchen im Auge eines Wesens stecken blieb, das sich bisweilen hinter Azura verborgen gehalten hatte. Der Anblick war sclichtweg schaurig. Kleine Kinder würden sich sofort gruseln, vielleicht sogar zu weinen beginnen. Die knorrige und vor Schmerz verzerrte Fratze des Wesens besaß eine bedrohlichen Unterton, dass es einem die Nackenhaare aufrichtete. Doch jener mit dem Dolch im Auge wurde durch die Waffe außer Gefecht gesetzt. Er taumelte rückwärts, stolperte und fiel der Länge nach hin. Unter seinem Kopf breitete sich das Blut aus, das aus seinem Auge die holzige Wange entlang und zu Boden strömte. Aber er besaß noch einen Bruder, etwas kleiner, dadurch aber nicht minder unheimlich. Das Wesen wich unter einem Fauchen in die Schatten zurück, schimpfte in einer Sprache, die Azura nicht geläufig war und dann war es fort. Verschwunden, weil Corax vor beiden Ungetümen die Tür der Kabine zugeschlagen hatte. Statt sich auf die Wesen zu stürzen, brachte er Azura lieber in Sicherheit, auch wenn das hieß, dass er sie zu ihrem Unmut wie einen gefüllten Mehlsack über der Schulter verschleppte.
Niemand griff ein, auch wenn die Adlige Madiha etwas wimmern hörte. Das Wüstenkind war am Ende ihrer Kräfte. Niemals hätte sie es aus eigener Kraft geschafft, zurückzuweichen. Caleb war er, der sie auf seine starken Arme hob. Das Mädchen brauchte Ruhe, vor allem aber viel Schlaf. Stattdessen wurde es durch Azuras Standpauke wach gehalten. Ausnahmsweise galten die Worte aber nicht direkt ihr. Azura feuerte gegen Corax, gegen Caleb und sogar und in aller mangelnden Höflichkeit gegen Jakub, als dieser sich mit einem Matrosen hinzu gesellte. Sein strenger Blick lastete schwer auf der Rothaarigen, aber Azuras Zorn ließ sich nun nicht zähmen.
"Reicht es nicht, dass du ihn in eine andere Gestalt zwingst und ihm was auch immer antust, dass er zittert wie Espenlaub?!" Die Augen des Kapitäns verengten sich, sein Blick fiel aber auf Corax. Er spürte Verrat und so wie er Elfen anblickte, würde er diesem eine Tracht Prügel verpassen, sollten sie unter sich sein. Da Corax aktuell aber nicht die Form eines Jungen gewählt hatte und mehr daran war, Azura, aber auch Madiha zu beschützen, knickte er nicht ein. Entschlossen stellte er sich dem Blick des Kapitäns, wich keinen Schritt weit zurück. Während sich beide Männer einen stummen Schlagabtausch lieferten und zwischen ihren Augen die Luft zu flimmern schien, zögerte Azura nicht, auch noch Caleb anzufauchen. Sie fand für ihn zwar keinen Grund, weshalb er ihren Zorn verdient hätte, das hinderte sie aber nicht daran, auch ihn als Ventil zu nutzen. Caleb nahm es mehr oder minder gelassen. Er hob sogar einen Mundwinkel an, allerings lange nicht so, wie Azura es von ihrem widerlichen Schuft kannte. Bei Corax steckte in jedem Funken Gegenwehr immer eine gewisse Rebellion, die darauf aus war, sie beide anzustacheln, bis man nicht mehr wusste, ob man sich weiter streiten, aufeinander losgehen oder in den Laken für ein leidenschaftliches Stelldichein enden würde. Bei Caleb wirkte das schiefe Grinsen eher beschwichtigend. Es war seine Art, die Dinge selten so ernst zu sehen wie sie waren und doch schien er sich der Lage mehr als bewusst. Sein Mundwerk nicht.
"Ach, irgendeinen Dreck hast du sicher auch am Stecken!"
"Gewiss, verehrteste Prinzessin, aber ich verlange nicht von Euch, ihn abzuschrubben."
Azura stampfte Wut schnaubend mit dem Fuß auf. Sie schimpfte auf die ganze Männerwelt und wandte sich ab. Corax blickte ihr nach, machte sogar ebenfalls einen Schritt in ihre Richtung. Dann...
"Wo willst du hin, Sklave? An meine Seite, sofort!" Jakubs Befehl ließ ihn verharren. Er schaute Azura noch einen Moment hinterher, ehe er langsam den Kopf in Richtung des Kapitäns drehte. Zwar verwandelte er sich nicht in den Elfenjungen zurück, der Audruck in seinen Augen aber verriet, dass Jakub ihn einzuschüchtern vermochte, als einer von wenigen. So setzte Corax tatsächlich seinen Fuß nach vorn, um auf den Kapitän zuzugehen. Dann hielt er erneut inne. Seine Augen suchten Madiha. Das Mädchen war geschwächt, einer Ohnmacht nahe, aber ihr Wille ließ sie wie schon oft genug im Leben, noch nicht los. Er war das letzte Bindeglied zwischen erholsamer, stiller Schwärze und einem Einschreiten in Situationen, die sie so nicht auf sich beruhen lassen konnte.
„Er… gehört… z…u…. mi….r…“
"Was war das?" Jakub zog jedes einzelne Wort in die Länge. Sein Tonfall nahm einen verärgerten Ausdruck an. Auch er suchte jetzt Blickkontakt mit Madiha. Das Kind der Wüste aber war kaum mehr in der Lage, darauf zu reagieren. Dafür stand Caleb bereit. Er knurrte: "Der Kerl versteht Sendli?"
"In der Tat", erwiderte Jakub. Er ließ Corax für einen Moment außer Acht und stapfte auf Caleb und Madiha zu. Erst als er an dem Dunkelelfen vorbei kam, verpasste er ihm einen Schlag an den Hinterkopf als Zeichen seines Ärgers, dass dieser ihm nicht gehorcht hatte. Corax ließ es ohne Gegenwehr zu. Nicht, weil er sich Jakub sofort wieder unterwürfig machte, sondern weil auch er Madiha anstarrte. Er gehörte zu ihr. Der Elf zog die Brauen zusammen.
"Dann können wir doch beim Celcianischen bleiben, damit auch wirklich alle verstehen, was für ein Bastard Ihr seid - Kapitän", brachte Caleb schnippisch, aber mutig hervor. Er reckte den Hals. Jakub schon das Kinn vor. Beide Männer sahen einander an und zwischen ihnen hing Madiha in Calebs Armen. "Zu deiner Information: Du hast deinen kleinen Lustsklaven verloren - Kapitän." Der Dieb sprach den Titel mit so viel Verachtung aus wie der Respekt gegenüber besagtem Träger gefallen war. "Er gehört jetzt Madi .. Marek ... ach, was soll der Unsinn! Auch das dürften wohl schon alle wissen. Er gehört nun zu ihr. Du hast keinerlei Befehlsgewalt mehr über ihn."
"Ist dem so?", raunte Jakub sichtlich unbeeindruckt zurück. Etwas blitzte in seinen grauen Augen auf. "Und wer hat das entschieden? Er selbst?" Er fuhr herum, um Corax am Hemd zu packen und zu sich zu reißen. Mit der flachen Hand verpasste er ihm eine schallende Ohrfeige. "Aber deine Entscheidungen haben keinen Wert! Sie bedeuten nichts." Corax starrte Jakub entgegen. Er schluckte und ... nickte. "J-ja", erwiderte er, "Herr." Sofort veränderten sich seine Züge. Was Jakub ihm erzählte, daran glaubte er, weil er sich nach wie vor noch nicht von der Sklavenrolle befreien konnte. Was hatte er schon zu entscheiden, wen er sich als neuen Herrn oder Herrin aussuchte? Solange er an Jakub gebunden war, würde dieser über ihn befehlen. Und da er ihn angebettelt hatte, sich seiner anzunehmen, stand diese Entscheidung noch zwischen ihm und dem Wunsch, Madiha oder gar Azura als Sklave zu dienen.
Seine Herrin zweiter Wahl konnte nicht länger eingreifen. Die Kräfte verließen sie. Caleb merkte es als erstes, weil Madihas Körper in seinen Armen schlaffer und dadurch deutlich schwerer wurde. Ihre eigene verschwundene Muskelspannung verlangte nun, dass er ihre Last vollends trug. An und für sich war das kein Problem. Madiha war nur ein halbes Hemd und Caleb stark genug, mindestens zwei ihrer Sorte zu tragen, aber ihr Zustand besorgte ihn. Es war jetzt keine Zeit für Streitereien, wessen Eigentum Corax nun wirklich war. Ohnehin gehörte er doch am ehesten sich selbst, aber Caleb würde diese Debatte nicht führen. Er hatte bereits mitgekriegt, dass der Dunkelelf sich dazu nicht überzeugen ließ - noch nicht.
"Verschieben wir das auf später", schlug er vor, aber in seiner Stimme lag etwas Forderndes. Um seine Worte zu unterstreichen, hob er Madihas schlaffen Leib an. "Sie braucht dringend Ruhe und vermutlich auch ärztliche Hilfe."
"Ich kann sie heilen", sagte Corax als wäre nur ein Fingerschnippen nötig, um Madiha von ihren Brandverletzungen und dem gewürgten Hals zu erlösen. Sowohl Caleb als auch Jakub blickten skeptisch. Der Dieb schüttelte schließlich den Kopf. "Später. Auch du hast Wichtigeres zu tun." Er nickte in die Richtung, in die Azura gegangen war. "Na los! Deine wahre Herrin verlangt es."
"Tut sie nicht", murmelte er grimmig.
"Du verstehst also kein Sendli, was? Na los, ab mit dir!"
Das tat er wirklich nicht, sonst hätte Corax nun gegenargumentiert. So aber konnte er nur nach dem winzigen Hoffnungsschimmer greifen, dass die Wüstenworte, die Madiha gesprochen hatte ... doch halt! Er gehört zu mir. Das hatte sie gesagt. Das hatte er verstanden! Der Dunkelelf machte sich keinerlei nähere Gedanken dazu. Er hatte nun eine Ausrede, doch nach Azura sehen zu können, also wandte er sich um und stapfte davon.
"Du bleibst hier! Sklave!", brüllte Jakub ihm hinterher, dass sogar der Matrose ihn skeptisch musterte.
"Ich mag ihn auch nicht, aber er hat einen Namen", sagte Caleb. Er griff bei Madiha noch einmal nach. "So. Wo kann ich sie nun hinbringen, um sich zu erholen ... Käpt'n?"

Azura schäumte noch immer vor Wut oder war es Verzweiflung? Verwirrung? Die Gedanken in ihrem Kopf kreisten wild umher. Die jüngsten Bilder mussten verarbeitet werden. Corax, der auf diese Wesen losgegangen war. Diese seltsamen Dinger an sich ... es waren doch schwarze Ratten hinter ihr gewesen! Und dann dieses Gefühl, dieses innere Bedrüfnis, jeglichen Leben im Dunkelelfen mit einem einzigen Dolchwurf zu tilgen. Sie merkte kaum, wie sehr sie allein unter den Gedanken bebte, aber jetzt, da sie am Vorderdeckt zum Stehen kam, einfach weil das Schiff hier endete, da spürte wohl auch Azura, wie sehr sie zitterte. Auch sie hatte in den letzten Stunden viel zu viel mitgemacht. Zwar war sie noch davon entfernt, dass ihr Körper seinen Tribut in Form einer Ohnmacht forderte, aber Ruhe brauchte auch sie. Vor allem Seele und Herz.
Und trotzdem ließ man sie nach wie vor nicht in Frieden.
Schnelle Schritte kündigen Corax an, ehe er ihren Namen rief: "Azura!" Wenigstens blieb er auf Abstand von etwa zwei Armeslängen stehen. Er rechtfertigte sich auch nicht sofort oder versuchte, sich mit einem irrwitzigen oder gar obszönen Spruch herauszureden. Er fragte nur: "Geht es dir gut? Haben sie dir etwas getan?" Und dann wagte er sich doch noch einen Schritt näher, wäre sogar beim kleinsten Anzeichen, dass sie seine Sorge annähme bei ihr, um sie in seine Arme zu ziehen.

Auch Madiha lag in Armen, wenigstens noch für eine Weile. Sie bekam davon nichts mit. Ebenso wenig erhielt sie Einblick in das Streitgespräch zwischen Jakub und Caleb. Lediglich die anderen Matrosen und vielleicht auch Azura und Corax hörten die laute Diskussion. Der Schiffskoch nahm kein Blatt mehr vor den Mund. Sollten ruhig alle der überlebenden Besatzung hören, was Jakub mit seinen Sklaven so im stillen Kämmerlein trieb. Wie es im Detail ausging, wüssten aber nur die, die direkte Zeugen davon geworden waren. Fest stand, dass beide Männer sich alsbald trennten. Jakub erteilte einige strenge Befehle und verschwand dann in seiner Kammer, die eigentlich die des Ersten Maats war. Caleb ließ er weder Kielholen noch entriss er ihm Madiha. Im Gegenteil. Sobald das Wüstenkind wieder erwachte, würde sie sich in einem Bett wiederfinden mit dem Dieb an ihrer Seite. Er war da, wenngleich auch sein Körper ihm gerade eine Auszeit gönnte. Er schlief im Sitzen auf einem Stuhl direkt neben ihrem Bett. Er war aber nicht der Einzige dort. Am Bett saß ein Matrose, der noch damit beschäftigt war, Verbände um Madihas linke Hand zu wickeln. Die rechte war bereits in Streifen aus Leinen und Gaze gehüllt. Neben ihr stand ein Hocker mit Tablett, auf dem eine Kanne und ein Teller mit Calebs gekochtem Eintopf darauf warteten, verspeist und getrunken zu werden.
Der Matrose war Madiha nicht allzu fremd. Sie kannte zwar seinen Namen nicht, hatte ihn aber schon mehrmals über das Deck huschen sehen. Er besaß keine optischen Merkmale, die sie als auffällig verzeichnen könnte. Ein Mann mittleren Jahres, vielleicht etwas jünger als Caleb. Durchschnittlich groß und kräftig, das schwarze Haar kurz geschnitten und der Stoppelbart konnte nur davon herrühren, dass er bislang noch keine Gelegenheit zum Rasieren fand.
"Du bist wirklich ein Mädchen", begrüßte er Madiha, sobald er bemerkte, dass sie wach war. "Keine Sorge, ich schau dir nichts ab. Aber ich habe deine Hände verbunden und eine kühlende Paste aufgetragen. Dein Freund hier wird den Verband alle zwei bis drei Stunden wechseln müssen. Ich kann nicht den ganzen Tag hier bei euch bleiben. Ob es jemals wieder abheilt, weiß ich aber nicht. Nun, ich bin auch kein ausgebildeter Heiler. Da findest du hoffentlich in Andunie einen. Hier an Bord sind unsere Möglichkeiten leider begrenzt." Er wartet einen Moment, auch, damit Madiha die Informationen verarbeiten konnte. Dann fragte er mit gesenkter Stimme: "Hat Jakub diesen Elfenzauberer wirklich ... naja ...? Wir wussten ja, dass er so manchem Schiffsjungen nachschaut, aber so? Außerdem hat der Kerl die halbe Mannschaft auf dem Gewissen und Tauwetter beult es nur die Hose aus. Ah, entschuldige, du brauchst Ruhe." Er winkte ab. Falls Madiha noch nicht antworten konnte oder nicht wollte, akzeptierte er das. Stattdessen griff er zum Becher und zur Kanne, um ihr vom Getränk einzuschenken. Es roch nach Kräutertee. Und sofern sie in der Lage war, etwas zu sich zu nehmen, würde der namenlose Seemann sie sogar füttern.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Samstag 10. September 2022, 21:15

Ende... es musste endlich ein Ende haben, diese ständigen Spielchen mit ihr, nur um sie zu quälen und danach wieder aufzufangen, um den Retter spielen zu können! Die junge Frau hatte genug davon und außerdem war ihre Seele zu sehr verwundet, um auch diese neuerliche Gemeinheit so zu verkraften wie bisher.
Nicht nur, dass er ihr das Herz endgültig gebrochen hatte, obwohl sie es einfach nicht akzeptieren konnte, nein, eine seiner vergangenen Taten wog viel, viel schwerer für sie, als sie es selbst in Worte hätte fassen können. Kindsmörder... verstümmelt und nie wieder fähig dazu, eigenen Nachwuchs zu zeugen... Nicht, dass Azura tatsächlich viel Ahnung davon hatte, wie ein Kind entstand, außer bei jener Art der Vereinigung, die sich ihr tief ins Gedächtnis gebrannt hatte. Aber sie hatte genug Hengst und Rüden gesehen, um Vergleiche anstellen zu können und zu wissen, dass seine Verstümmelung... gravierend gewesen war. Dazu hätte er ihr gar nichts erst erzählen brauchen.
Doch auch bei ihrem heißen Spiel in den Quellen hatte er ihr deutlich gezeigt, dass sie zwar zu seine Erregung etwas beitragen konnte, allerdings eben ohne jenes erlösende Ende, das er bei ihr herbei geführt hatte. Wie konnte... nein, wie sollte sie das jemals vergessen können? Von verzeihen erst einmal ganz zu schweigen...
Jedoch... was tat er?! Er schickte ihr diese widerlichen, kleinen Nager, die ihr eine Klinge brachten und ihr Dinge einflüstern wollten, die sie nie und nimmer zu tun gedachte.
Dennoch engte sich ihr Blickfeld ein zu einem Tunnel, an dessen Ende es nur ein Ziel gab: er! Sie wollte ihm die Waffe vor die Füße schleudern, ihm demonstrieren, was sie von diesem neuen Spielchen hielt! Nur irgendwie... irgendetwas... passierte mit ihr und es war wohl ihr pures Glück, dass sie im Endeffekt niemanden traf.
Es war ein äußerst seltsames, beklemmendes Gefühl, das ihr eigenes Denken aussetzte und sie lediglich handeln ließ wie eine Marionette. Ihr wurde eiskalt ums Herz, ihre Knie wurden weich und ihr wurde regelrecht übel davon. Wahrscheinlich hätte sich die Schwäche noch verstärkt, wäre ihr ehemalige Begleiter nicht plötzlich auf sie zumarschiert, mit einem Messer in der Hand.
Das holte ihren Zorn zurück, der ihre Angst, er könne nun auf sie losgehen, übertünchte. Solange, bis sie das Ziel seines Angriffs zu sehen bekam, denn es befand sich hinter ihr. Zuerst konnte ihr Geist diesen Anblick nicht begreifen, das würde später erst kommen.
Dann aber wurde sie gepackt und wie ein Sack an andere Stelle getragen, nicht weit und trotzdem... Was zu weit ging, ging einfach zu weit! Sie wehrte sich, strampelte und hämmerte und schimpfte mit ihm wie eh und je. Auch dann noch, als er sie absetzte und ihr gänzlich unverschämt den Rücken zuwandte.
Den leisen Protest des Göre konnte sie da gar nicht erst wahrnehmen, obwohl sie die Worte durchaus hätte verstehen können.
Und zu allem Übel mischte sich auch noch jener unselige Kapitän ein, mit dem sie sowieso noch ein Hühnchen zu rupfen hatte, unerheblich davon, wie viel sie von dessen Schandtaten ahnte. Nämlich im Prinzip kaum etwas, sie hatte lediglich das Ergebnis erlebt und das war ihr ordentlich an die Nieren gegangen. Also wurde er der nächste, dem sie in ihrer Wut einige Worte um die Ohren schleuderte.
Um sich daraufhin dem Schiffskoch zu widmen. Doch bei ihm gingen ihr die Bezeichnungen aus, denn eigentlich hatte er bislang nichts getan, um ihren Zorn zu wecken. Abgesehen davon, dass er die Göre mehr beachtete als sie und dafür gesorgt hatte, dass alle drei tatsächlich ihrem Wunsch nachgekommen waren, sie allein zu lassen. Und trotzdem...
In ihr brodelte es so sehr, dass sie keinen Unterschied mehr machte und schließlich, in Ermangelung weiterer Beschimpfungen, wuchtig aufstampfte, dass ihr der Fuß unangenehm kribbelte. Außerdem wurde dieser Kerl auch noch frech, sodass sie ganz allgemein alle männlichen Wesen in ihrem letzten Ausbruch über einen Kamm scherte.
Dann wandte sie sich ab und wollte nur noch eines: weg, weg von denen, die es nicht verstanden, sie so zu behandeln, wie sie es verdiente. Und da sie niemand aufhielt... gelangte sie schlussendlich zum Vorderdeck, bis zur Reling, an um die sie ihre zitternden Finger schließen konnte, um sich festzuhalten und gleichzeitig etwas in ihren Händen zu spüren.
Oh, wie gerne hätte sie jetzt eine teure Nippesfigur oder edle Vase oder protziges Glas zu greifen gehabt, um es wuchtig zu zerstören! Doch hier gab es so etwas nicht und das Holz in ihrem Griff war viel zu stabil, um ihrer geringen Körperkraft weichen zu müssen.
So starrte sie mit heftig klopfendem Herzen und weichen Knien in jene Richtung bis zum Horizont, in die sie fuhren. Segelten sie eigentlich direkt in den Sonnenuntergang oder waren sie nicht auf Kurs gen Westen? Wie lange eigentlich noch, bis das letzte Tageslicht vergangen wäre? Und was geschähe dann?
In die Kabine konnte sie nicht zurück, nicht zu diesen schrecklichen Wesen. Hier an Deck bleiben? Nein, ebenfalls keine Option. Nicht, dass sie befürchtete, einer der verbliebenen Matrosen könnte auf die Idee kommen und zu ihr... Nun ja, irgendwie hatte sie schon diese Angst nach dem, was sie auf dem letzten Schiff hatte erleben müssen. Nur wollte sie sich diese nicht eingestehen.
Stattdessen sorgte sie sich lieber darum, dass ihr bald kalt werden würde und sie ohnehin kein Auge zumachen wollte, um keine unangenehmen Träume an sich heran lassen zu müssen. Außerdem hatte sie schon länger nichts gegessen. Appetit verspürte sie weiterhin keinen, ihr war viel eher übel, nur...
Eine Stimme erklang hinter ihr und ließ ihr Herz einen kräftigen Hüpfer machen. Ob vor Freude, Angst oder sonst etwas... das vermochte sie nicht zu sagen. Mit einem leise gehauchten Seufzer schloss sie die Augen, während sich ihr Griff um die Reling verstärkte, regelrecht verkrampfte.
Erneut erhob er, ausgerechnet er, das Wort. Wie gerne hätte sie ihn jetzt weggeschickt, wieder einmal verstoßen, ehe sie schwach werden und sich ihm schluchzend an den Hals werfen würde! Jedoch... sie konnte es nicht. Nein, seine ehrlichen Fragen rührten etwas in ihr an, brachten eine Saite zum Vibrieren, die es ihr unmöglich machte. Vorerst zumindest.
Langsam, unendlich langsam drehte sie sich zu ihm um und brauchte noch länger, bis sie den Blick heben und den seinen suchen konnte. Die Reling hatte sie mit einer Hand loslassen müssen, die andere wurde allerdings um notwendiger, um nicht kraftlos zu Boden zu sacken. Ihr Mund öffnete sich und sie wollte etwas sagen, irgendeine Antwort geben.
Da zuckten die Bilder dieser schrecklichen Wesen in ihrer wahren Gestalt vor ihrem inneren Auge vorbei, erinnerten sie an den Anblick, der schaurig und ekelerregend gewesen war, ganz besonders jener mit der Klinge in seinem Körper und all dem Blut. Und auch das Gefühl der Eiseskälte, als sie den Dolch geworfen hatte... Ein unartikulierter Laut, eine Mischung aus Schluchzen und Schmerzenslaut verließ ihre Kehle.
Im nächsten Moment fand sie sich in seinen Armen wieder. War sie zu ihm gestürzt? Hatte er sich ihr genähert und aufgefangen? Azura wusste es nicht zu sagen. Sie spürte nur diese vertraute Wärme, nahm seinen Geruch wahr und konnte nicht anders, als sich zitternd an ihn zu klammern, während sie die Augen schloss und ihr gesamtes Gesicht an ihm verbarg.
Wie lange stand sie so da, unfähig, sich zu rühren oder sonst wie zu beruhigen? Schluchzte sie eigentlich noch? Wimmerte sie? Weinen würde sie wohl kaum, dazu besaß ihr Körper weiterhin viel zu wenig Wasserreserven, um Tränen produzieren zu können.
Irgendwann allerdings fand sie allmählich ihre Sprache wieder, wenn schon nicht den Willen und die Kraft, sich von ihm zu lösen und das zu beenden. Schließlich hatte er viel zu viel getan! Doch im Moment... da war er der einzige Halt, den sie noch hatte. Mal wieder...
"Sie... sie... es war nicht deine Magie, oder...?", hauchte sie leise wie der Wind, der sanft mit ihrem Haar spielte. Oder waren es seine Finger, so, wie sie es zuvor bei ihm getan hatte am Boden der Kabine? Die junge Frau wagte es nicht, die Lider zu heben, um sich einem Teil der Wirklichkeit nicht stellen zu müssen. Solange sie es nicht sah... musste sie es nicht bewerten und darauf reagieren, richtig?
"Ich... ich... ich dachte... ich dachte, du wolltest... ich meine..." Ein Schluchzen unterbrach sie und schüttelte sie kräftig durch. "Sie wollten, dass... dass ich dich... dich..." Nein, es kam ihr nicht über die Lippen, dieses eine Wort. Also versuchte sie es anders, sprach weiter und baute darauf, dass er es auch so verstehen würde.
"Aber das will ich nicht!", brach es aus ihr heraus und sie deutete ein Kopfschütteln an. "Ich... ich schwöre bei Ventha, ich wollte nicht auf dich zielen! Ich wollte dir den Dolch nur vor die Füße werfen!"
Erneut schluchzend sackte sie in sich zusammen und musste gegen so viele Bilder in ihrem Geist ankämpfen, die auf sie einprasseln und sich mit der gerade erst erlebten Vergangenheit sowie der ferneren sowie der seinen zu vermischen drohten, dass ihr regelrecht schwindelig davon wurde und ihr die Knie nachgeben wollten. Erwiderte er eigentlich ihre Umarmung? Würde er sie halten und auffangen, so wie bisher? Mit welchem Grund eigentlich noch...?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 11. September 2022, 00:55


"Dann können wir doch beim Celcianischen bleiben, damit auch wirklich alle verstehen, was für ein Bastard Ihr seid – Kapitän. Zu deiner Information: Du hast deinen kleinen Lustsklaven verloren - Kapitän."
"Ist dem so? Und wer hat das entschieden? Er selbst? "Aber deine Entscheidungen haben keinen Wert! Sie bedeuten nichts."
"J-ja Herr."

Madiha hörte das, was gesagt wurde, doch die Worte drangen so langsam in ihren Verstand, dass ihr alles reichlich unwirklich vorkam. Ihr Gehirn hatte längst die Abschaltung eingeleitet. Sie wollte die einzelnen Sprecher sehen, doch sie konnte den Kopf nicht mehr bewegen. Dann umfing sie die gütige Dunkelheit, die sich wie ein schützender Mantel über sie legte. Madiha tauchte ein in das schwarze Nichts der Leere. Sie konnte nichts gegen Jakub Tauwetter tun. Nichts gegen seine Behandlung gegenüber Corax und nichts dagegen, dass der Elf sich wie ein geprügelter Hund zurück an die Seite seines Herrchens trollte. Wäre sie wach gewesen, hätte das eventuell keinen Unterschied gemacht, doch sie hätte es versucht. So aber… Madiha hatte ihren Kampf mehr als geführt und musste nun einsehen, dass ihre Kräfte schlicht aufgebraucht waren. Das Mädchen hing leblos in den Armen des Diebes. Ruhig glitt ihr Atem ein und aus, während ihr Kopf an seiner Schulter ruhte. Er fasste sie neu und ihr Kopf rutschte nach hinten in ihren Nacken. Dass Caleb sich darum bemühte, ihr die wohlverdiente Ruhe angedeihen zu lassen und sich kurzdarauf mit Jakub Tauwetter anlegte, bekam das Wüstenkind ebenfalls nicht mit. Nur dumpf und körperlos hörte sie aus unwirklicher Ferne Stimmen lauthals miteinander sprechen. Doch sie konnte nicht erkennen, wie viele Inhaber der Stimmen es waren und schon gar nicht verstehen was gesprochen oder von wem etwas gesagt wurde. Madiha trieb dahin. Endlos und frei. Wie lange sie im Nichts weilte, konnte sie nicht sagen. Irgendwann wandelte sich das Schwarz allerdings zu etwas anderem. Erinnerungen flammten mit einem Mal auf.
Da war sie, auf dem Markt in Sarma und konnte ihre Fingerspitzen sehen. Sie griff gerade so langsam und behutsam es ihr möglich war, nach dem Geldsack eines Marktbesuchers. Sie spürte ihre Aufregung, das klopfende Herz und die trockene Zunge, die in ihrem Mund klebte. Madiha hielt die Luft an. Mit einem gezielten Vorschnellen ihrer Hand, löste sie den Sack vom Gürtel und wähnte sich bereits am Ziel, als ein fester Griff ihr Handgelenk umschloss. Erschrocken riss das Mädchen die Augen auf und starrte hinauf in das Gesicht eines Braunhaarigen mit hellen Augen. Er grinste verwegen auf sie herab und schnalzte tadelnd mit der Zunge. „Erwischt!“, raunte er ihr zu und besiegelte damit ihr Schicksal. Madiha durchlebte daraufhin einen Schnelldurchlauf durch einige erlebte Situationen und kletterte somit mehr und mehr zurück, um schlussendlich langsam eine Regung in der Wirklichkeit von sich zu geben. Sie verzog das Gesicht zu einer unwilligen Miene, als sie einen Druck an ihrer Hand verspürte. Sie wollte sie wegziehen, war dafür aber noch nicht ausreichend aus der Versenkung zurück. Unruhig drehte sie den Kopf. Im Grunde wollte sie noch gar nicht aufwachen. Der Schlaf tat so gut, doch schien ihr Innerstes allmählich aufgeladen worden zu sein, sodass ihr das absolute Nichts nicht mehr vergönnt war. Sie spürte, wie ihre Hand weggelegt wurde, nur um nach der Linken zu greifen. Erneut bewegte sie den Kopf, doch dämmerte sie zeitweise noch mal weg. Erst, als auch die zweite Hand beinahe gänzlich bandagiert war, blinzelte Madiha tatsächlich. Schwerfällig hoben sich ihre dunklen Wimpernkränze und sie brauchte einige Zeit, bis sie sich erinnerte, wo sie eigentlich war. Dass sie sich auf einem Schiff befand. Mit Jakub Tauwetter und als wäre das nicht schlimm genug, auch noch mit diesen eigenartigen Wesen.

Plötzlich sah Madiha wieder deutlich klarer, auch wenn ihre Stärke erst noch zurückkehren musste. Sie drehte den Kopf und erwartete Caleb, doch war es ein ihr durchaus bekannter aber nicht näher eingeprägter Matrose, der neben ihr saß. Madiha zuckte erschrocken, bis er sie ansprach: "Du bist wirklich ein Mädchen. Keine Sorge, ich schau dir nichts ab. Aber ich habe deine Hände verbunden und eine kühlende Paste aufgetragen. Dein Freund hier wird den Verband alle zwei bis drei Stunden wechseln müssen. Ich kann nicht den ganzen Tag hier bei euch bleiben. Ob es jemals wieder abheilt, weiß ich aber nicht. Nun, ich bin auch kein ausgebildeter Heiler. Da findest du hoffentlich in Andunie einen. Hier an Bord sind unsere Möglichkeiten leider begrenzt." Das waren viele Worte. Das reichlich ermattete Gehirn der Samaerin brauchte tatsächlich einen Moment, um alle Informationen wirklich aufzunehmen und zu verstehen. Ihr Blick glitt von dem Sprecher zu ihren Händen. Sie hob sie langsam und drehte sie einmal kurz, um sie von allen Seiten zu betrachten. „Da..nke“, gab sie kratzend von sich und verzog das Gesicht. Ihr Hals war ja völlig ausgedörrt. Die Wüste Sar war dagegen nichts. Das reinste Wasserparadies. „Hat Jakub diesen Elfenzauberer wirklich ... naja ...? Wir wussten ja, dass er so manchem Schiffsjungen nachschaut, aber so? Außerdem hat der Kerl die halbe Mannschaft auf dem Gewissen und Tauwetter beult es nur die Hose aus. Ah, entschuldige, du brauchst Ruhe.", stellte er gleich die nächste Frage und Madiha schloss abermals die Augen. Sie wollte nicht darüber reden, sie wusste nicht wirklich, wie der Matrose zu Tauwetter stand. Doch wandte sie langsam den Kopf etwas und bemerkte dann tatsächlich Caleb. Madiha schaffte ein Lächeln. Ihre Augen ruhten auf dem Dieb, der sich gerade ebenfalls eine Auszeit genehmigte. „Es stimmt.“, antwortete sie dem Matrosen dann aber doch. „Er…“ sie hustete und wandte den Blick von Caleb, zum Tablett hin. Der Matrose hatte ihre Hand fertig bandagiert und griff nach dem Becher. Madiha versuchte ihren Arm zu heben, doch das funktionierte noch nicht. Dankbar nahm sie die Hilfe des Mannes an, als er sie beim Trinken unterstützte. Madiha schlürfte leise und ihr lief der Kräutertee übers Kinn, doch das störte sie nicht.
Endlich erfuhr ihr Hals eine lindernde Behandlung und das Sprechen fiel ihr gleich wieder etwas leichter. „Er.. hat es bei… mir versucht.“, flüsterte sie. Die Schwäche war noch allgegenwärtig und sie merkte auch, dass sie noch immer müde war. Auch wenn die Zwangspause einige Reserven aufgefüllt hatte, war sie noch nicht vollständig wieder hergestellt. „Er merkte… dass ich.. ein Mädchen…“, sie sprach den Satz nicht zu Ende. Es war klar, was sie meinte, und somit beobachtete sie den Matrosen länger. Ihre Hände pochten erneut, auch wenn die Kühle darunter Linderung verschaffte. Doch er hatte Recht. Wenn sie keinen Heiler fand, würde sie vermutlich nicht nur Narben im Gesicht, bis ans Ende ihrer Tage tragen. Als hätte ihr Verstand vorerst nur einen winzig kleinen Spalt geöffnet, wurde auf einmal die Tür größer aufgestoßen. Madiha riss die Augen auf und versuchte sich im Bett aufzusetzen. „Wo ist Jakub? Und … Corax?“, wollte sie wissen. Sie erinnerte sich mit einem Mal an die Worte von Caleb und ihm, bevor sie ins Reich der Träume fiel. Es war alles nur schwer greifbar, weil sie da bereits äußerst mit dem Wachhalten zu kämpfen gehabt hatte, doch ihr fiel es wieder ein. Unruhig dachte sie, dass Corax nun wieder Gewalt drohte, die sie doch versprochen hatte, zu verhindern. Doch selbst wenn sie es geschafft hätte, sich aufzusetzen… Madiha war noch wirklich schwach und bräuchte sicherlich noch die eine oder andere Stunde, bis sie wirklich wieder laufen könnte. Ihr Blick fiel zwangsweise wieder auf den Dieb. Sie sank zurück in die Kissen und betrachtete den Schlafenden. „Wie lange… liege ich hier?“, murmelte sie. Es fühlte sich lediglich nach ein paar Stunden an. Madiha hatte das Gefühl, sie müsste noch Tage schlafend verbringen, damit sie wieder vollständig hergestellt würde. „Danke..“, flüsterte sie dann aber doch noch. Sie wandte den Blick dem Matrosen zu und verzog die Mundwinkel zu einer Art von Lächeln. Vielleicht war es auch nur eine Grimasse, sie wusste es noch nicht recht zu steuern. „Wie… lange noch bis An… Andunie?“, wollte sie dann wissen und hoffte inständig, dass sie bald würde von diesem Schiff herunterkommen können. Ihr kroch die Erinnerung dieser seltsamen Wesen, die im Dunkel gegrinst hatten, ins Bewusstsein. Eine Gänsehaut bildete sich auf ihren Armen und sie fröstelte. So etwas hatte sie noch nicht gesehen, es war grauenhaft und furchteinflößend. Doch dem Matrosen verschwieg sie das lieber. Er würde sicher nichts damit anfangen können. Madiha gähnte. Ihre Augen wurden wieder schwer und sie wollte zurück in die warme Umarmung eines schönen Traumes, doch ihr Kopf war bereits wieder angelaufen und fütterte ihr Bewusstsein mit den schrecklichen Erinnerungen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 11. September 2022, 09:35

Azura:
Azura musste sich mit beiden Händen an der Reling des Bugs - des vorderen Schiffsteils - festklammern. Ihr Körper brauchte Halt, wo keiner da war, der ihn geben konnte. Aber hätte das Holz unter ihren Fingern nachgegeben, wäre es in hohem Bogen ins Meer geworfen worden. So gesehen war der Göttername, den der widerliche Schuft von Dunkelelf ihr gegeben hatte, durchaus zutreffend. Venthazura beschwor auch regelmäßig Stürme herauf. Wäre sie nur Ventha höchstselbst gewesen, sie hätte als die Menschen retten können, die Corax in seinem krakenhaften Wahn über Bord geschleudert hatte. Wäre sie eine Göttin, niemand würde ihr die Wünsche abschlagen, die ihr zustanden, sondern sie mit dem Respekt behandelt, den sie verdiente. Wäre sie eine Göttin, besäße sie genug Kraft, dass sich ihr Körper nach niemandem sehnte, um sich anzulehnen. Aber sie war nichts von alledem, sie war nur das verlorene Adelstöchterchen, deren ganzer Stand auch nicht auf Geburtsrecht aufbaute, sondern auf dem gnädigen Herzen ihres Ziehvaters.
Ihre Eltern, wo mochten sie wohl stecken? Der Angriff auf Andunie lag nun schon eine ganze Weile zurück. Wieviel hatte sie bereits erlebt und alles immer in Begleitung von ... ihm. Es hatte auch unsagbar schöne Momente gegeben. Dazu brauchte sie nicht einmal ihre Zweisamkeit in den heißen Quellen Nogrots rechnen. Es hatte Spaß gemacht, sich mit Corax zu streiten und auf erotisch angehauchter Basis ein wenig zu spielen. Aber jetzt sah alles so anders aus. Dass er mit ihr spielte, weil er sie benutzte, hatte sie nie gewollt. Natürlich nicht, wer wollte schon benutzt werden?!
Nun ... er offenbar, wollte er doch unbedingt ihr Eigentum sein. Warum eigentlich? Was war ihm so wichtig daran? Und warum machte ihr Herz einen Hüpfer, als sie hinter sich seine Stimme und heran nahende Schritte hörte? Azura brauchte einen Moment, bis sie sich umgedreht hatte. Ein weiterer verging, ehe sie sich in der Lage sah, ihn anzuschauen. Da stand sie nun und begrüßte ihn in einem Schein aus dem Licht der Abendsonne hinter sich, das sie warm umrahmte und das Rot ihrer Haare in flüssiges Gold verwandelte. Ihr Gegenüber stand Corax in seiner erwachsenen - offenbar ursprünglichen und wahren - Gestalt. Das schwarze Haar hing ihm teils verschwitzt in die Stirn. Darunter strahlte das Sonnenlicht nur seine Edelsteine von Seelenspiegel an, aber es brachte nicht zustande, den Funken der Rubine zu erleuchten. So viel Sorge lag in seinem Blick, dass Azura es nicht gewöhnt war. Er schaute doch immer so überlegen, fast schon spielerisch arrogant, als sei der Sklave selbst ihr überlegen. Und stets hatte er gegrinst - schief und etwas verwegen, dass sie sich bei jedem seiner vermaledeiten Kommentare ein bisschen mehr in ihn verliebt hatte. Nur in sehr seltenen Fällen war dieses Grinsen unheimlich geworden - beispielsweise, als er nach seinem Mord hier an Bord erklärt hatte, welche Freude es ihm bereitet hatte.
Ein Blitz der Erkenntnis schoss durch Azuras Gedanken. Auch ihr hatte es, wenngleich nur für den Bruchteil eines Herzschlages, wahnsinnige Freude bereitet, als der Dolch eine fast schon andere Flugbahn angenommen hatte und auf ihn zugesteuert war. Sie hatte ihre Gier nach Blut und die Vorfreude auf seinen Tod gespürt. Nur ganz kurz, doch die Nachwirkungen dieses Moments steckten noch tief in ihr. So tief, dass sie mehr hervorriefen als der Einblick in Corax' Vergangenheit. Es war eine Offenbarung in sein eigenes, von Leid getriebenes Chaos. Wie oft hatte er sich von diesem Denken und Fühlen lenken lassen. Ob er danach bereute? Azura tat es. Bitterlich und so sehr, dass nun nicht mal mehr das stabile Holz der Blauen Möwe ausreichte, um ihr Halt zu versprechen. Wie sie in Corax' Arme gelangte, wusste sie nicht. Fest stand, dass sie sich darin wiederfand, den Kopf an seine Brust gepresst. Es fühlte sich genauso warm und geborgen an wie immer, vor allem, als seine Arme auch an ihr Halt fanden. Sie hielten einander, dass zwischen ihnen nicht einmal mehr ein Blatt Papier Platz gefunden hätte.
Sein Herz hämmerte. Azura spürte es deutlich. Der kräftige Rhythmus und die Wärme seines Körpers spendeten innere Ruhe. Es wäre so leicht, sich einfach nur diesem Moment hinzugeben und alles zu vergessen, was gewesen war. Nur es würde ebenso schnell wieder enden, sobald sie ihn losließ. Aber Corax schien keine Ambitionen zu haben, die Umarmung vorzeitig aufzuheben. Er atmete tief, aber entspannt aus, schob seinen Kopf dicht an ihr Haar. Und dann küsste er ihr Ohr, fuhr mit der Nasenspitze bis zu ihrem Hals herab, um sie dort erneut zu küssen. Oh, wie sehr er sein Spiel beherrschte! Oder war das echt?
Azura fand ihre Sprache wieder. Wenn auch unter Schluchzen stellte sie Corax die Frage nach diesen unheimlichen Stockmännchen. Sie musste es wissen. Sie musste wissen, ob es immer noch alles Manipulation war, ob magisch oder nicht. Er schüttelte den Kopf, dass seine Nase erneut ihre Haut streichelte. Dann schoben sich seine Finger in ihre gelockte Mähne, um das Meer an Haaren sanft zu teilen. Wie beruhigend es doch war, wenn jemand ihre rotgoldene, wilde See glättete. "Nein", hauchte seine Stimme als sanfte Brise über diesen azurischen Ozean aus weichem Haar.
Dann drückte er sie enger an sich, als sie unter weiterem Schluchzen versuchte, ihm ihr Handeln zu erklären und was sie aus seinem Angriff zunächst interpretiert hatte. Tränen brachen keine mehr hervor, dazu würde es Zeit und vor allem Ruhe für ihren Körper brauchen. Eine Mahlzeit wäre auch keine schlechte Idee. Aber das Schluchzen wollte irgendwie nicht enden. "Ich ... schwöre bei Ventha, ich wollte nicht auf dich zielen! Ich wollte dir den Dolch nur vor die Füße werfen!"
Für einen Moment blieb es still. Die Finger, welche ihr Haar zerteilten, ruhten nun dazwischen. Corax atmete nicht einmal. Schlug sein Herz noch. Seine Stimme klang so rau, als sie durch diese Stille brach: "Ich wollte das auch nicht. Die Seeleute ins Meer werfen, meine ich. Ich wollte sie nur ein bisschen erschrecken, aber nicht ... ich wollte all das nicht. Nie." Nun war er es der schluchzte. Dieser gestandene Dunkelelf, der nach außen hin stets so unnahbar war ... bei Azura konnte er ganz er selbst sein. "Ich will nicht mehr spielen. Ich hasse, was sie tun. Was ich tue, weil ... die Elfe aus dem Zwergenreich hatte Recht, oder? Ich bringe Leid und ich werde nie etwas Anderes geben können. Ich kann dir ja nicht einmal sagen, dass..." Er brach ab, obwohl sein Atemzug danach klang, als käme da noch etwas. Er würgte, keuchte und dann schloss er die Umarmung noch enger. "Lasst es mich doch sagen!"
Corax seufzte. Dann war der unsägliche Moment gekommen. Er zog sich etwas von ihr zurück. Er löste die Umarmung nicht vollends, brachte nur genug Abstand zwischen ihre Oberkörper, dass sie einander ansehen konnten. In seinen Augen lag nun so viel Sehnsucht, wie schon in dem Moment, als er wiederholt bat, ihr Eigentum sein zu dürfen.
"Azura, ich ..." Er würgte. Was immer er sagen wollte, es kam ihm nicht über die Lippen. Nochmals stieß Corax ein Seufzen aus, dieses Mal verärgert. Dann schien ihm eine Idee zu kommen. Etwas in seinem Blick änderte sich. Er zog entschlossen die fein geschwungenen Brauen zusammen. Er nickte - für sich. Ein weiterer Versuch: "Azura ... von allen Wesen auf Celcias Boden ... da ... hasse ich dich ... am allerwenigsten." Er blinzelte Feuchtigkeit aus seinen Augenwinkeln, als ihm das Sprechen endlich gelungen war. Seine Augen, nein seine ganze Seele strahlte auf. Das Lächeln war echt. "Am allerwenigsten. Ich hasse dich so wenig! Verstehst du?"

Madiha:
Unter Deck ging es bedeutend weniger dramatisch zu. Zwar war Madihas Zustand weit entfernt davon, als ideal bezeichnet zu werden, aber ihr Seelenheil war gesichert. Caleb war hier und dass er friedlich schlief, bedeutete doch nur, dass jegliche Gefahr vorüber war - wenigstens für den Moment. Außerdem war der Matrose noch hier. Falls sein Name jemals gefallen war, konnte Madiha sich nicht an ihn erinnern. Der Schwarzhaarige musterte sie aus dunklen Augen. Er schenkte Madiha einen nachdenklichen Ausdruck.
"Es stimmt. Er ... hat es bei ... mir versucht." Madiha bejahte seine unvollendete Frage. Sie bestätigte die Anschuldigungen Calebs, die noch als dumpfe Erinnerung bis in ihre Träume nachgehallt waren. Der Matrose nickte daraufhin. Er schien nur auf solche Worte gewartet zu haben. Noch ehe er jedoch anderweitig reagieren konnte, schreckte die Sarmaerin auf. Das hieß, sie versuchte es. Ihr Körper war nicht Willens, sich zu rühren. Alles schmerzte, selbst die kleinste Bewegung und so blieb ihr nur die Frage nach Jakub und auch Corax.
"Der Elfenmagier?" Offenbar hielten sie ihn inzwischen nicht mehr für ein Monstrum, sondern für einen Zauberer. Was die Mannschaft darüber hinaus von ihm als Person hielt, auch in Hinblick auf seinen Massenmord, darüber konnte Madiha nur spekulieren. An der Miene des Matrosen erkannte sie es nicht. "Er dürfte noch immer bei der schönen Zicke an Deck stehen." Die schöne Zicke, damit konnte nur Azura gemeint sein. Beides traf zu. Sie war eine Augenweide, dass selbst Frauen sich nach ihr umschauten und sei es nur, um ihr neidische Blicke nachzuwerfen. Aber unter dieser Schleier verbarg sich ein verwöhntes Mädchen, das erwartete, ihren Willen zu bekommen und ansonsten ... ja ... mit dem Fuß aufstampfte, weil sie sich sonst nicht zu helfen wusste. Wer stets auf Samt und Seide gebettet wurde, den überforderte es, plötzlich auf Stroh zu schlafen. So wie Azura aufgrund ihrer Erziehung nicht gewohnt war, mit Situationen eines harten Lebens zurechtzukommen, so fiel es ihrem Anhang von einem Dunkelelfen schwer, aus seiner Sklavenrolle zu springen. Und genauso schien Madiha Probleme ihre Probleme zu haben, die gewonnene Freiheit zu genießen. Ständig tappte sie von einer Gefahr in die nächste. Wenigstens war Caleb hier.
"Der ... Kapitän ... ist in seiner Kammer. Nachdem er Anweisungen zur Weiterfahrt und dem Umgang mit ... euch ... erteilt hat, ist er abgezogen. Ich habe ihn noch nie so verärgert gesehen, dass es ihm die Sprache verschlug. Normalerweise behält er einen klaren Kopf, handelt zwar pragmatisch, aber rational. Und wenn ihm etwas gegen die Hutschnur ging, dann hat er etwas dagegen unternommen." Der Matrose hob die Schultern an. "Ich schätze, gegen Magie ist selbst ein Jakub Tauwetter machtlos und das passt ihm nicht. Vielleicht hat er deshalb versucht, den Elfenmagier zu unterdrücken ... mit ... allen ... Mitteln." Seine Miene verhärtete sich, nicht aber sein Umgang mit der ihm zugeteilten Patientin. Ob heilkundig oder nicht, er war in der Lage, sie zu pflegen und ihr die nötige Unterstützung zu geben, damit Madiha wenigstens ein paar Schlucke Tee und einige Löffel des Eintopfs zu sich nehmen konnte. Sie musste feststellen, dass Caleb durchaus begabt war. Aus den wenigen Utensilien an Bord hatte er eine hervorragende Mahlzeit kreiert - vorausgesetzt, es handelte sich immer noch um das, was er vor all dem Schrecken gekocht hatte.
"Wie lange ... liege ich hier?"
Der Matrose stellte den Becher zurück auf das Tablett und tätschelte dann Madihas verbundene Hand. Es schmerzte nur geringfügig. Das war ein schlechtes Zeichen. Tote Haut und Narben schmerzten nicht. Man fühlte dort gar nichts. "Nicht allzu lang. Die Sonne geht gerade unter, also hast du vielleicht knapp eine Stunde geschlafen. Du brauchst definitiv mehr Ruhe, aber unser Smutje ist ja nun dir vollends zugeteilt, wenn er nicht in der Kombüse steht. Mehr darf er auf dem Schiff nicht tun. Der Käpt'n hofft sogar, dass du den Rest der Reise hier drin ausharren musst. Fühl dich dennoch eingeladen, ein wenig an Deck zu gehen, wenn du kannst. Frischluft wird dir gut tun. Und..." Plötzlich schaute der Matrose zur Tür. Er hob einen Finger an seine Lippen, stand auf und schlich bis an die Tür heran. Wachsam legte er ein Ohr an das Holz. Nach einer Weile nickte er erneut, kehrte zu Madiha ans Bett zurück und setzte sich wieder. Mit gesenkter Stimme und verstohlener Haltung raunte er ihr zu: "Falls du und dein Freund hier euch in der Lage seht, heute Nacht auf das erhöhte Heck zu kommen ... äh, hinten am Schiff, wo das Ruder ist ... dann wartet dort auf uns." Wer neben ihm noch dort aufkreuzen wollte, erwähnte er nicht. "Aber kein Wort zum Käpt'n, verstanden? Am besten sprichst du außer mit dem Smutje überhaupt nicht über das Thema. Es geht um ... eine ... Umverteilung der Machtverhältnisse."
"Hrm? Ihr plant eine Meuterei?" Caleb rührte sich. Er streckte die Glieder und den Rücken durch. Dann kratzte er sein Haar in eine unmögliche Frisur und blinzelte in die Runde. Dass er Madiha wach erblickte, zauberte ihm ein sachtes Strahlen in die Züge. Er würde jedoch später mit ihr reden, sobald sie unter vier Augen wären. Jetzt stand etwas Anderes auf dem Plan, denn noch hatte der Matrose nicht geantwortet. Er schien allerdings nicht gewillt, das zu tun, sondern erhob sich jetzt. Dann drückte er Caleb eine lederne Umhängetasche in die Hände. Verbände lugten aus der Öffnung, zusammen mit weiteren Utensilien. "Heute Nacht sprechen wir es an. Erscheint, wenn ihr auf unserer Seite seid ... oder teilt das Schicksal der anderen." Er griff nach einer bis dahin vom Tablett verborgenen Matrosenmütze auf dem Beistelltisch, setzte sie sich auf und verschwand durch die Tür hinaus. Caleb lehnte sich unter einem Stöhnen gegen die Zimmerwand zurück. "Eine Meuterei also ... das gibt Ärger mit unserem Tauwetterchen, diesem dreckigen Bastard. Das Schiff braucht einen Kapitän ..." Er grinste, richtete sich wieder auf und schaute dann Madiha an. "Aber das muss ja nicht zwingend er sein. Also, machen wir mit?"
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 11. September 2022, 14:40

Die Schwere die sie die ganze Zeit schon in die Knie zwingen wollte, hatte sich ihres Körpers bemächtigt. Sie erinnerte Madiha an die Zeit nach ihrer Folter, in den Zellen bei Khasib. Auch dort umfing sie eine bleierne Dunkelheit und drückte sie auf die versiffte Pritsche. Ihr Körper forderte ganz klar Erholung, doch die würde sie vermutlich hier nicht so schnell erlangen. Das spürte das Wüstenkind auch, als sie langsam die Lider anhob. Verschwommen war ihr Blick und ihr Kopf rebellierte nach wie vor durch heftiges Pochen. Einen Moment dauerte es, bis sie sich orientieren konnte, dann sah sie klarer. Sie blickte in das Gesicht eines Matrosen, der eine vage Erinnerung kitzelte. Sie hatte ihn gesehen, an seinen Namen erinnerte sie sich aber nicht. Ihr Blick fand den schlafenden Dieb und sein Anblick, verschaffte ihr innere Ruhe. Offenbar war die Situation vorerst in Ordnung. Kein weiteres Unheil, welches über sie und die anderen hinwegschwappte. Ansonsten säße er nicht hier. Offenbar hatte Jakub keine Anweisung gegeben, dass man Caleb und alle mit ihm über Bord warf. Obwohl sie sich genau an den zornigen Blick des Kapitäns erinnerte. Was war also der Grund dafür, dass sie Hilfe, statt Vertreibung erfuhren? Das Mädchen wollte sich wieder in die Traumwelt flüchten, als ihr Verstand jedoch sämtliche Erinnerungen offenbarte. Madiha wollte sich aufsetzen, doch alles was sie schaffte war, dass sich ihre Augen weiteten. Ihre Fragen wurden durch den Matrosen beantwortet: “ Der Elfenmagier? Er dürfte noch immer bei der schönen Zicke an Deck stehen.", offenbarte er ihr und Madiha nickte kaum merklich. Das war wohl besser als wenn er zurück zu Jakub gegangen wäre. Außerdem hatten die beiden einiges zu klären. Weitere Gedanken machte sich das Mädchen allerdings nicht. Sie fühlte, wie ihr die Kraft noch immer nicht ausreichte und sie bräuchte vermutlich sehr viel mehr Ruhe als es jetzt für sie geben konnte. Sah so eigentlich die Freiheit aller aus? War das der Preis, den sie alle zahlten, um ein selbstbestimmtes Leben führen zu dürfen? Ganz schön anstrengend, wenn man das Mädchen fragen würde.
Aber eine Sklavin sein, davon hatte sie sich vor wenigen Stunden eindrucksvoll getrennt. In einem Inferno war dieser Teil verbrannt. Er hatte sich zu einer wahren Nova aufgebaut, die Angst als Nährstoff genommen, dass sie nie würde frei sein können und war vergangen. Auch für dieses Sprengen ihrer Fesseln, hatte Madiha einen Preis gezahlt. Ihre Hände. Sie würden vielleicht nie mehr vollständig heilen. Allerdings wusste sie nun, dass ein Zurückkehren in das Sklaventum für sie nicht mehr in Frage kam. Sie war frei, eine freie Seele und niemand sollte mehr über sie bestimmen. Ob sie das in Zukunft auch leben konnte, das müsste sich erst noch zeigen.

"Der ... Kapitän ... ist in seiner Kammer. Nachdem er Anweisungen zur Weiterfahrt und dem Umgang mit ... euch ... erteilt hat, ist er abgezogen. Ich habe ihn noch nie so verärgert gesehen, dass es ihm die Sprache verschlug. Normalerweise behält er einen klaren Kopf, handelt zwar pragmatisch, aber rational. Und wenn ihm etwas gegen die Hutschnur ging, dann hat er etwas dagegen unternommen. Ich schätze, gegen Magie ist selbst ein Jakub Tauwetter machtlos und das passt ihm nicht. Vielleicht hat er deshalb versucht, den Elfenmagier zu unterdrücken ... mit ... allen ... Mitteln." Die Worte machten Madiha nachdenklich. „Welche… Anweisung gab er … im Bezug auf… uns?“, wollte sie wissen. Es wunderte sie, dass ihr offenbar ein wenig Heilkunde zuteil wurde. Oder nahm er sie nicht ernst? Sie hatte ihm versucht zu sagen, dass Corax nicht länger sein Sklave war, sondern zu ihr gehörte. Allerdings dämmerte das Gespräch zwischen Tauwetter und Caleb nur weit am Rande in ihrem Bewusstsein. Sie fragte sich und den Matrosen, wie lange sie wohl geschlafen hatte. Sie war überrascht, dass es nur eine Stunde sein sollte… Madiha seufzte innerlich. Das war wahrlich viel zu wenig. Sie hätte mehr gebraucht, das spürte sie deutlich. Zudem spürte sie kaum die Schmerzen an ihrer Hand… auch das war etwas, was ihr Sorgen bereiten wollte. Was, wenn sie ihre Hände nicht mehr würde verwenden können? Wenn sie nichts mehr spüren könnte? Doch abgesehen von ihrem körperlichen Zustand und ihrem Ruhedefizit, meldete sich auch noch etwas anderes: Madiha hatte seit Stunden nur einen halben Apfel gegessen. Getrunken hatte sie derweil nichts. Auch das konnte einen derart desolaten Zustand hervorrufen, dass es kein Wunder war, dass sie sich so schwerfällig und abgekämpft fühlte.
Zu ihrem Glück, kümmerte sich der Matrose auch darum. Der Tee belebte ihre Kehle, wührend aber der Eintopf das Beste war, was sie seit einer halben Ewigkeit gegessen hatte. Jeder Löffel, der er ihr einflößte, ließ sie dankbar die Augen schließen. Sofort veränderte sich ihre Mimik im Gesicht etwas und sie fühlte sich bereits etwas besser.

Das Mädchen betrachtete den Dunkelhaarigen neben sich. Er kümmerte sich aufmerksam um sie und schien sich mit seiner Aufgabe arrangiert zu haben. “ Du brauchst definitiv mehr Ruhe, aber unser Smutje ist ja nun dir vollends zugeteilt, wenn er nicht in der Kombüse steht. Mehr darf er auf dem Schiff nicht tun. Der Käpt'n hofft sogar, dass du den Rest der Reise hier drin ausharren musst. Fühl dich dennoch eingeladen, ein wenig an Deck zu gehen, wenn du kannst. Frischluft wird dir gut tun. Und..." Madiha nickte bei seinen Informationen und hob fragend die Augenbrauen, als er plötzlich aufstand, um zur Tür zu gehen. Ahnungslos beobachtete sie ihn, ehe er zurückkehrte "Falls du und dein Freund hier euch in der Lage seht, heute Nacht auf das erhöhte Heck zu kommen ... äh, hinten am Schiff, wo das Ruder ist ... dann wartet dort auf uns. Aber kein Wort zum Käpt'n, verstanden? Am besten sprichst du außer mit dem Smutje überhaupt nicht über das Thema. Es geht um ... eine ... Umverteilung der Machtverhältnisse." Bevor Madiha die Worte eingeordnet und für sich verstanden hatte, meldete sich plötzlich die Stimme des Diebes aus dem Rücken des Matrosen. Sie erwiderte seinen Blick mit einem leichten Lächeln, konzentrierte sich jedoch ebenfalls vorrangig auf das, was der Mann andeutete. Dieser nutzte Calebs Erwachen offenbar als Möglichkeit zu gehen. Madiha beobachtete die Männer nacheinander und sah dem Mann nach. Erst als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, wanderte ihr graublauer Blick zurück zu Caleb. "Eine Meuterei also ... das gibt Ärger mit unserem Tauwetterchen, diesem dreckigen Bastard. Das Schiff braucht einen Kapitän ... Aber das muss ja nicht zwingend er sein. Also, machen wir mit?", wollte er rebellisch von ihr wissen und Madiha überlegte, indem sie die Augen niederschlug. Dann hob sie den Blick langsam wieder. In ihren Augen glomm der Funke Rebellion auf, der ihr bisher immer zu Verhängnis wurde. Sie nickte. „Wir machen.. mit.“, bestätigte sie.
Dennoch eröffnetem sich Fragen in ihrer Mimik: „Was passiert mit Tauwetter, wenn… er nicht mehr Kapitän ist?“, fragte sie und offenbarte, dass ihr Bedarf an Mord und Totschlag bedient war. Außerdem schien ihr gerade schmerzhaft etwas anderes bewusst zu werden: Sie versuchte ihre Hände zu heben, was ihr immer noch wahnsinnig schwerfiel. „Ich kann.. mich kaum rühren. Meine Hände… sie.. sind zerstört.“, murmelte sie niedergeschlagen und frustriert gleichermaßen. „Ich bin unnütz.“, schnaufte sie und drehte den Kopf zum Eintopf. „Woher kannst du so gut kochen, Caleb?“, fragte sie und warf ihm einen Seitenblick zu. Sie schmunzelte ihn an, dann gähnte sie herzhaft. „Was ist mit Jakub geschehen? Wieso hat er uns nicht alle… gefangen genommen oder schlimmer… töten lassen?“ fragte sie weitaus ernster. Caleb musste sie aufklären, auch wenn sie noch immer kaum fähig war sich zu rühren. Ihr Hirn arbeitete bereits wieder auf Hochtouren und ließ sie nur bedingt ruhen. Gleichzeitig schwappten die Erlebnisse wie sachte Wellen an ihren Verstand. Madiha schloss ein wenig gequält die Augen. "Hast du dir... die Flucht aus... Sarma so vorgestellt?", eröffnete sie ein anderes Thema. Sie öffnete ihre Augen wieder und suchte seinen Blick. "Ich habe das... Gefühl,... kaum zu Atem zu kommen.", offenbarte sie ihm leise und wirkte verletzlicher dadurch. "Hast du in Andunie jemanden... der auf dich.. wartet?", fragte sie ihn mit einem Mal und drehte ein wenig den Kopf, um an die Decke der Kajüte zu blicken. "Du sagtest... du kommst aus Andunie. Wie Ilmy.. Freust du ... dich auf deine Heimat?", auch wenn sie erfahren hatte, dass die Stadt unter der Führung des dunklen Volkes war, wollte sie wissen, was er dachte. Die beiden hatten bisher äußerst wenig Zeit, überhaupt mal mehr als nötig zu sprechen. Der Matrose sagte, er hätte keine anderen Pflichten. Wieso nicht die Zeit nutzen?"Ich habe gar nicht... weiter gedacht, weißt du? Ich... ich wollte weg. Was danach... käme... weiß ich einfach nicht.", sie seufzte erneut und wollte sich über die Augen wischen, was ihr nicht gelang. Dennoch blickte sie zu Caleb zurück:"Erzählst du mir von deinem zu Hause?", bat sie ihn und hatte noch nie eine andere Stadt, als Sarma gesehen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 11. September 2022, 20:33

Während die Göre in einer der Kabinen ihrem Körper etwas Ruhe gönnen musste und auf diese Weise wieder zu Kräften kommen würde, hatte die junge Frau nichts dergleichen im Sinn. Gewiss, etwas Nahrung würde ihr gut tun, auch sie hatte lange nichts mehr gegessen. Aber allein der Gedanke daran verursachte ihr Übelkeit.
Erholung durch etwas Schlaf? Oh ja, bitte! Doch was, wenn sie von Träumen heimgesucht werden würde? Die Angst vor der Erinnerung, ihrer eigenen und der fremden, sowie die Möglichkeiten, die ihr Geist dann hätte... Nein, da kämpfte sie lieber gegen die Müdigkeit an und starrte weiter in Richtung Sonnenuntergang, der die Wellen des Meeres noch einmal in prächtigen Farben glitzern ließ.
Nicht, dass sie auch nur einen winzigen Blick dafür gehabt hätte. Ihre Gedanken waren sowieso ganz wo anders, ganz gleich, ob sie die Person sah und hörte oder nicht. Es wirbelte nur so in ihrem Kopf umher und ließ sie leicht schwindelig werden, während die See es nicht vermochte, sie zur Ruhe kommen zu lassen. Dieses Mal nicht...
Ob es daran lag, dass sie sich vollkommen ausgedörrt fühlte und scheinbar den Bezug zu ihrem Element verloren hatte? Oder viel eher daran, dass das Erlebte und Erfahrene schlichtweg zu schwer wog, als dass es so einfach sein würde, sich wieder fassen zu können?
Was waren ihre Problemchen harmlos gewesen in Andunie! Dabei war es ihr wie ein Weltuntergang vorgekommen, wenn bei ihrem neuesten Ballkleid die Naht am Saum nicht perfekt gesessen hatte, oder womöglich ein anderes Mädchen sich erlaubt hatte, bei einem Treffen einen zu ähnlichen Farbton zu dem ihren zu tragen! Von all dem Gekicher und den sehnsuchtsvollen Seufzern in Bezug auf die Schwärmereien für die Zukunft ganz zu schweigen. Selbst jene ersten Jahre, die sie mehr oder weniger auf der Straße verbracht hatte, kamen ihr paradiesisch und harmlos vor, obwohl sie daran keine wirklich greifbare Erinnerung mehr hatte, als das, was sie jetzt bewältigen musste.
Wieso nur taten die Götter ihr das an? Was hatte sie gemacht, um solch eine Wendung ihres Schicksals zu verdienen?! Ihr fiel absolut nichts ein, was sie sich hätte zuschulden kommen lassen können. Und dennoch...
Eine Stimme in ihrem Rücken holte sie in die Wirklichkeit zurück und verwirrte sie nur noch mehr. Auf der einen Seite hätte sie ihn am liebsten sofort weggeschickt, um nicht erneut mit ihm konfrontiert zu werden. Auf der anderen hingegen... Ihr Herz klopfte aufgeregt, ihre Knie waren weich wie zu flüssiger Pudding und ihre Hände zitterten, als hätte sie eine Eiseskälte erfasst.
Und dann war da noch sein Blick! Schon seine Stimme hatte ungewöhnlich ernst und sorgenvoll geklungen, sein Blick jedoch... der brach den Bann endgültig, sodass sie sich wenig später in seinen Armen wiederfand, ohne zu wissen, wie sie dorthin gekommen war. War es überhaupt wichtig? Im Moment nicht...
Nein, derzeit zählte nur, dass er sie festhielt und sie seine Wärme spüren, seinen Geruch in sich aufsaugen konnte, um die Erinnerung an seine Nähe wachzuhalten. An die schönen Momente, die sie miteinander gehabt hatten, und nicht jene, für die sie ihn verachten musste... oder noch schlimmeres. Sie wollte sich nicht der Wahrheit stellen, ja, sie konnte es gerade auch nicht. Stattdessen versteckte sie sich regelrecht in seiner Umarmung und wollte, dass dies niemals vergehen würde.
Vor allem, weil sie sich geborgen... und beschützt fühlte, beschützt vor dem, was sie zuvor noch selbst zu spüren bekommen hatte. Diese Lust am Leid, am Tod...
Es schüttelte sie leicht und holte sie zugleich soweit aus ihrer Starre, dass sie endlich etwas sagen konnte. Nicht sonderlich laut und wahrscheinlich auch alles andere als redegewandt, aber... es war die reine Wahrheit, die da aus ihr hervor sprudelte. Gleichzeitig konnte sie fühlen, wie sein Herz heftig schlug, denn sie hatte ihre Arme nicht um ihn geschlungen, wie er es bei ihr tat, sondern sie mit den Flächen an seine Brust gelegt, als wolle sie ihn wegstoßen, sobald er das Falsche sagen würde.
Obwohl ihr dazu vermutlich die Willenskraft gefehlt hätte... Erst recht, als er damit begann, zuerst ihr Ohr und dann ihren Hals zu küssen, was ihr ein wahres Meer an wohligen Schauern hätte bescheren können. Wenn da nicht das gesamte Chaos in ihrem Inneren gewesen wäre, das sich Bahn brechen musste. Und das tat es.
Seine Stimme war leise und dennoch war er ihr dabei so nah wie nur selten, dass sie seinen warmen Atem dabei spüren konnte, wie er über ihre Haut strich. Wäre das Thema nicht so ein katastrophales gewesen... oh, wie gerne wäre sie schwach geworden! Einmal... ein letztes Mal...
Doch ehe sie sich tatsächlich darauf hätte einlassen können, waren da wieder die Bilder dieser Männchen vor ihrem inneren Auge und ließen sie erzittern vor Angst. Und dann kam ihr Geständnis, jene Empfindung, die sie dermaßen aus der Bahn warf, weil sie damit erst recht nicht umgehen könnte. Sie bereute, oh ja, sie bereute zutiefst, dass sie mehr in seine Richtung gezielt hatte, als es ihr Plan gewesen war. Dabei konnte sie es sich nicht erklären, spürte nur erneut jene schreckliche Kälte und diese anderen Bedürfnisse, dass ihr beinahe übel wurde davon.
Ihre Kehle verschloss sich unter den Schluchzern, während er... schwieg. Nicht allein das, er hielt auch in seinen Liebkosungen inne, sodass sich ihre Finger leicht krümmten, als könne sie sich auf diese Weise noch irgendwie an ihm festhalten, obwohl er sie fallen lassen würde.
Ihr schien sich das Herz zu verkrampfen und am liebsten hätte sie aufgesehen, um ihn zum Antworten aufzufordern. 'Sprich... rede mit mir... sag etwas! Nur irgendetwas!', flehte sie gedanklich, ohne, dass auch nur eine Silbe davon über ihre Lippen gekommen wäre. Allerdings war da auch ihre Angst, die Angst davor, dass er ihr nicht glauben würde. Dass er... dass er schlecht über sie dachte und sie für etwas hielt, das sie niemals sein wollte.
Und dann... nach gefühlten Ewigkeiten sprach er endlich. Ihr stockte im ersten Moment der Atem und ebenso das Herz schien ihr auszusetzen, ehe es viel schneller weiter schlug. Schwer schluckte sie und fand nun trotz allem den Mut, ihren Blick langsam, so unendlich langsam, anzuheben, bis sie ihn ansehen konnte. Sie blinzelte und dennoch brannten ihr die Augen voller ungeweinter Tränen, während sie ihre Kehle ausgedörrt anfühlte.
"Aber... wieso kannst du sie nicht los werden...? Es muss ja einen Weg geben, wenn du nicht mehr willst... Vorhin hast du ja auch mit dem Messer..." Azura brach ab, denn sie brachte es nicht über die Lippen, was er getan hatte und was sie demzufolge zu sehen bekommen hatte. Erneut wollte sich die Übelkeit melden, wenngleich es in ihrem Magen nichts, nicht einmal ein nennenswertes Tröpfchen Magensäure, gegeben hätte, das sich gelohnt hätte, herauf zu würgen.
Stattdessen spürte sie, wie sein Griff sich lockerte und er sich ein Stück weit von ihr entfernte. "Nein...", hauchte sie tonlos und voller Leid, als er ihr die Wärme und Nähe nahm, die sie eigentlich so sehr brauchte. Wenigstens ließ er sie nicht vollends los, allerdings hatte sie dennoch das Gefühl, gleich zu fallen, wenn er nicht wieder mehr zugreifen würde.
Jedoch hatte er etwas anderes vor, sodass sie verwirrt und eher ratlos zu ihm hoch sah, während er nach Worten rang. Um dann auf eine andere Weise fortzufahren. "Was...?!", entkam es ihr wispernd und für einen Moment lang zeichnete sich ein Abglanz jener Wut ab, die nur er in dieser Weise in ihr zu wecken verstand.
Solange, bis auch in ihrem Verstand allmählich der wahre Sinn hinter dieser Ausdrucksweise ankam. Vielleicht nicht die ganze Tragweite und es war bei weitem nicht derart romantisch, wie sie sich das stets ausgemalt hatte. Aber... es war ein Anfang!
Der Zorn verblasste und ein kleines, zaghaftes Lächeln bildete sich zuckend um ihre Mundwinkel. Sie löste eine Hand von seinem Oberkörper und hob sie an, um sie sanft auf seine Wange zu legen. Leicht strich sie mit dem Daumen über seine Wange. "Du weißt, dass du unmöglich bist?", fragte sie leise und dennoch in einem Tonfall, dass es ihrerseits einer ähnlichen Bedeutung nahe kam wie seine Worte.
Wie lange sie wohl diesen einen Moment zu zweit noch würden genießen dürfen, ohne an Vergangenes denken und sich der eigentlichen Gegenwart stellen zu müssen? Die Sonne sank schließlich immer tiefer und erinnerte dadurch ständig daran, dass die Zeit sich nicht aufhalten ließ. Und trotzdem... es war gerade so schön, dass sie es am liebsten nie wieder anders hätte.
Mit einem Seufzen schloss sie die Augen und sank erneut mehr gegen ihn, um sich an seinem Oberkörper anzuschmiegen. Diesmal jedoch begannen ihre Finger an dem Stoff zu spielen, der sie von seiner warmen Haut trennte, und ihn zugleich immer wieder hindurch leicht zu kraulen. Sie tat es nicht bewusst oder gar mit einer bestimmten Absicht. Ihre Finger brauchten gerade einfach Beschäftigung, während ihr Geist endlich, endlich für kurze Zeit zur Ruhe zu finden schien.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 12. September 2022, 14:18

Madiha:
Die Reaktionen des Matrosen auf ihre Fragen stimmten Madiha nachdenklich. Er zögerte nicht nur in seinen Antworten, als müsste er sie sich selbst nochmal durch den Kopf gehen lassen, sondern der Mann schien auch abzuwägen, wieviel er Madiha verraten wollte. Sie schien etwas Essentielles nicht mitbekommen zu haben oder etwa doch? Nach wie vor schwebte das Echo vom Wortgefecht zwischen Jakub und Caleb am Rande ihrer Erinnerung. Würde sie sich intensiver darauf konzentrieren, sie bekäme es zu greifen, aber der Matrose gab auch so zwischen den Zeilen genug Aufschluss. Eine Meuterei bahnte sich an. Doch was sollte aus ihr und Caleb werden? Was hatte Jakub entschieden? Diese Frage brannte ihr so sehr unter den Fingernägeln, dass den kleinen Teil ihrer rückgewonnenen Kraft dafür aufbrauchte, sie zu stellen.
"Tauwetter ... Kapitän Tauwetter ... hat zu euch beiden nicht allzu viel gesagt. Ihm hier", er nickte in Calebs Richtung, "hat er verboten, etwas Anderes zu tun als in der Kombüse zu hantieren. In seiner Freizeit könne er sich ja um dein Wohlbefinden kümmern, solle aber auch dafür sorgen, dass du dich nicht ... äh ... nicht mehr in die Angelegenheiten an Bord einmischst." Der Matrose zuckte mit den Schultern. "Er scheint in deinen Taten mehr Ärger zu wittern als in den harschen Worten des Smutje." Erneut zögerte er, dass eine beinahe verschwörerische Pause entstand. Dann seufzte der Mann: "Den Rest der Mannschaft haben die Anschuldigungen gegenüber Tauwetter zum Nachdenken gebracht." Anschließend offenbarte er sogar, worum es ging und lud darüber hinaus sowohl Madiha als auch Caleb ein, sich einer heimlichen Besprechung bei Nacht und Nebel anzuschließen. Der Begriff der Meutere musste nicht fallen, um es zu verdeutlichen, aber Caleb sprach es trotzdem an. Sobald der Matrose gegangen war, widmete der Dieb sich Madiha. Sogleich fühlte sich Fischauges alte Kabine - das Wüstenmädchen würde sie schnell wiedererkennen, auch am seichten Fischgeruch - heimliger an. Calebs Anwesenheit sorgte für weitere Geborgenheit. Die meiste Ruhe vermittelte er aber durch seine Arglosigkeit. Als hätten sie beide sonst nichts erlebt und seien nur des Nervenkitzels wegen an Bord der Blauen Möwe gekommen, hakte er nach, ob sie an der Meuterei teilnähmen wollten. Er fragte es so keck, als hätte er sie gerade auf dem größten Sarmaer Basar zum Essen eingeladen. Wie konnte Madiha da verneinen? Ohnehin empfand sie wohl ähnlich wie die Matrosen. Jakub wurde zunehmend unsympathischer. Ob es die Macht war, die der Rang als Kapitän mit sich brachte oder gar Überforderung, die er mit kalter Logik zu kaschieren suchte, blieb ungewiss. Allerdings konnte er nicht so weitermachen. Ja, das Schiff brauchte definitiv einen Kapitän. Jemanden, dem die Mannschaft vertraute, der aber auch in der Lage war, zu koordinieren und mit Ruderer und Navigator so zusammenzuarbeiten, dass sie einen sicheren Hafen erreichten. Madiha wusste nicht, ob von den Männern an Bord überhaupt jemand mit derlei Kenntnissen in Frage kam und ob man Jakub ersetzen könnte. Aber so durfte es nicht weitergehen. Sie stimmte zu und Caleb rieb sich vorfreudig die Hände. Er konnte es sichtlich kaum erwarten, Tauwetter eins auszuwischen. Aber auch der in seiner Ehre getroffene Dieb durfte nicht zu weit gehen.
"Was passiert mit Tauwetter, wenn ... er nicht mehr Kapitän ist?"
Caleb hob die Schultern an. "Die Mannschaft wird schon wissen, was man mit einem inakzeptablen Kapitän anstellt." Er verzog die Lippen. Dann streckte er seine Hand aus und fuhr Madiha durchs Hand, strich bis hinunter zu ihrer Wange und dort mit den Daumen über die Narben. "Die Männer haben garantiert genug Leid gesehen, so wie wir. Auch sie trauern, deshalb scheint ihnen Tauwetters Umgang mit uns ja auch zu stören. Mach dir keine Sorgen. Es wird keine weiteren Toten geben. Ich kann den Bastard nicht leiden, aber ich kann auch deinen Sklavenfreund nicht leiden und der lebt ebenfalls noch." Caleb grunzte. Er hatte sich in den letzten Stunden im Grunde sogar für Corax recht stark gemacht, ihn am Ende auch dorthin geschickt, wo es ihm am besten ging. So viel Antipathie konnte nicht mehr herrschen. Madiha lenkte ihn ab, ehe er genauer über diesen Umstand nachdenken konnte.
"Meine Hände ... sie ... sind zerstört. Ich bin unnütz."
Caleb verschränkte die Arme vor der Brust und musterte sie. "Soso, unnütz, ja? Also geht die Meuterei gegen dich, kleine Kapitänin Tauwetter, hm?" Er grinste auf. "Wir beide haben erlebt, wer hier unnütz ist und ersetzt gehört. Auf dieser Liste stehst du ganz weit unten, Madi. Vergiss nicht, du hast mit deinem ... ähm ..." Er löste die Verschränkung auf, um mit einer Handgeste seinen Worten mehr Bedeutung zu geben, denn eine umschreibung fand er wohl nicht. Aber auch die Hand wusste nicht so recht, was sie tun sollte. Er wedelte nur achtlos mit ihr durch die Luft. "Dein Feuergewackel ... es war beeindruckend, versteh mich nicht falsch! Es hat uns gerettet! Ich weiß nur nicht genau, was du da getan hast. Und wie. Aber ich bin auch froh, dass nicht gleich das ganze Schiff Feuer gefangen hat." Er lachte. Nur Caleb konnte in der aktuellen Situation so von Herzen auflachen ... und im nächsten Moment die ganze Szenerei mit einem einzigen Blick zur Ruhe gemahnen.
Seine Finger fuhren unter Madihas Kinn, um ihren Kopf sanft anzuheben. Er kam ihr näher, viel zu nahe. Seine Augen funkelten, aber Madiha konnte darin nur die weite See erkennen, durchzogen von welligem Tang, der mit seinen grünlichen Blättern ein Muster in das Wasser seiner Iriden zauberten. Er war so nah! Madiha spürte, wie sein Atem ihre Lippen streichelte. Sie roch Caleb ... und ein bisschen Zwiebel. Erste Stoppeln wuchsen um die Ränder seines Bartes, um ihn zu erweritern. Wenn er sich nicht rasierte, würde er in den nächsten Tagen deutlich voller sein. Haariger. "Reduziere deine Bedeutung weder darauf, wer du bist, noch was du hast. Und wenn du nur ein Rumpf wärst, bedeutest du jemanden mehr als du glaubst."
War es plötzlich wärmer im Raum? Der Moment verstrich, Caleb lehnte sich zurück und kehrte in seine übliche Form der Leichtigkeit zurück. "Außerdem hat dein Sklave sowieso getönt, er könnte dich heilen. Mit Glück hat er nicht nur geprahlt, dann werden deine Hände auch wieder." Caleb lächelte auf sie hinab. "Ruh dich aus. Ich hole ihn, sobald du willst und dann soll er mal seinen Worten Taten folgen lassen. Bis dahin ruh dich aus."
Caleb kümmerte sich inzwischen um alles. Die Tasche mit den Verbänden und anderen medizinischen Utensilien verstaute er neben Madiha vor dem Bett. Er klemmte sie zwischen Bettrahmen und den Beistelltisch, so dass sie bei kräftigerem Wellengang nicht wild durch den Raum geschleudert würde. Bei Bedarf schenkte er Madiha neuen Tee ein oder fütterte sie. Man konnte fast meinen, er hätte den Platz eingenommen, nach dem Corax so sehr lechzte. Und er machte seine Sache erstaunlich gut, ebenso wie andere Dinge, die Madiha bei einem Mann seines Schlages offenbar nicht für möglich gehalten hätte.
"Woher kannst du so gut kochen, Caleb?"
Er winkte ab. "Ich bin ein alter Mann und irgendwann lernt man es eben, wenn man nicht verhungern will." Er schnaubte amüsiert. Nach einer Weile fügte er allerdings leiser und mit Wärme in der Stimme an. "Meine Mutter hat's mit beigebracht. Ihr war wichtig, dass ich auch lerne, im Haushalt zu helfen. Und sie glaubte, es könne mir nützen für ..." Er verstummte.
"Was ist mit Jakub geschehen? Wieso hat er uns nicht alle ... gefangen genommen oder schlimmer ... töten lassen?" So ernst wie Madiha die Frage stellte, so ernst antwortete auch Caleb. Jakub war kein Thema, um sich zu entspannen. "Ich glaube, dann hätte er mit dem offenen Unmut der gesamten Mannschaft rechnen müssen. Alle haben genug Tod gesehen, dass man selbst den Dunkelelfen verschonen will. Der hat Jakub ohnehin sprachlos gemacht. Die Männer haben die Kapitänskajüte gestürmt und dieses ... Ding vorgefunden. Irgendwie hat es mich an einen viel zu dürren, hutzeligen Gnom erinnert. Allerdings vermittelte er selbst im Tod ein Gefühl der Unbehaglichkeit. Ich kann dir nicht sagen, was es war. Einer der Matrosen nannte ihn einen bösen Klabauter, der das Schiff vielleicht verflucht hatte. Andere aber kamen dann sofort auf Corax zu sprechen und glaubten, das Männchen sei ein entbehrlicher Diener für ihn gewesen. Jedenfalls hat es Jakub die Sprache verschlagen, was wohl auch dazu führte, dass er nicht weiter über unsere Bestrafung nachdachte. Ich glaube, er hat nun mehr Respekt vor dem Dunkelelfen als wir alle zusammen. Er hat weder ihn noch die rothaarige Adlige ein weiteres Mal erwähnt." Caleb schnaubte. "Und mir verbietet er, überhaupt an Deck zu gehen. Aber lange muss ich wohl nicht mehr darauf hören."
"Hast du dir... die Flucht aus... Sarma so vorgestellt?" Caleb wechselte ebenfalls ins Sendli, nur damit Madiha sich heimischer fühlte. "Ich hatte auf eine größere Kabine mit mehr Alkohol und wenigstens einer nackten Schönheit gehofft." Er gluckste und winkte ab. Caleb war nicht der Typ, der sich fragte, was gewesen sein könnte. Er nahm an, was war und improvierte sich seinen Weg hinaus. "Ich habe das... Gefühl,... kaum zu Atem zu kommen." Wieder war er sofort bei ihr. Jedes Mal, wenn Madiha glaubte, klein und verletzlich zu sein, war er da und strich ihr über den Kopf. "Dann ruh dich aus und atme jetzt tief durch. Für dich gibt es im Moment nicht mehr zu tun. Nutze die Zeit."
Wenn es nur so einfach wäre. Madihas Körper brauchte Ruhe, das wusste sie. Aber wie so oft setzte man sich unbewusst mit dieser Erkenntnis so sehr unter Stress, dass die innere Aufgewühltheit verhinderte, dass man sofort selig einschlief. Auch Madiha ging es so. Deshalb lenkte sie sich mit Fragen an Caleb ab, denn wie er schon sagte: Viel mehr konnte sie aktuell nicht tun.
Hast du in Andunie jemanden... der auf dich.. wartet?" Caleb wurde ruhig, auch in seiner Bewegung. Er sah ins Leere, der Ausdruck war nachdenklich. "Allerdings", meinte er dann knapp und ging nicht tiefer darauf ein. Er wandte sich von Madiha ab, um einmal Fischauges Schränke zu durchsuchen. Vielleicht fand sich ja etwas Nützliches. Caleb wurde sogar fündig. Frische Kleidung und mit etwas Glück passte sie ihm. Ungeniert zog er sein Hemd aus, so dass Madiha einen Blick auf seinen Rücken erhielt. Wie schon zu vermuten war, konnte man Caleb keinen stählernen Hünen nennen, aber ausgeprägte Muskeln besaß er. Sein Körperbau war eher drahtiger Natur, wenngleich er kräftiger und breiter wirkte als Corax, der eine ähnliche Statur - nur eben in elfischer Form - aufwies. Vereinzelt konnte Madiha kleinere Narben und auch das Überbleibsel einer Brandwunde erkennen, aber nichts davon entstellte diesen Männerkörper auch nur ansatzweise so wie Madihas Gesicht.
"Du sagtest... du kommst aus Andunie. Wie Ilmy.. Freust du ... dich auf deine Heimat?" Caleb zog sich das Hemd nicht sofort über. Wieder hielt er inne, blickte dieses Mal wohl nachdenklich in das offene Schrankfach hinein. "Wenn es stimmt, dass die dunklen Völker auch Andunie eingenommen haben, bezweifle ich, dass es wirklich noch eine Heimat ist, auf die man sich freuen könnte." So düster sprach er selten. Der Angriff auf Sarma hatte also auch Calebs Herz ordentlich zerrüttet. "Aber selbst ohne diese Probleme ... ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe mich nicht gefreut, weil ich wusste, was ich in Sarma zurücklasse ... und wen." Er schaute über die Schulter zu Madiha und lächelte. "Naja, der sture Part ist ja hier."
"Erzählst du mir von deinem zu Hause?
"Sicher - sobald du eingeschlafen bist."
Er hielt sich daran. Caleb sprach nicht von seinem zu Hause. Sofern Madiha aber allgemeine Fragen zu Andunie hatte, beantwortete er sie. Sie erfuhr von den weiten Apfelplantagen außerhalb der Stadtmauern und dass es andunische Tradition war, nebst Apfelkuchen vor allem Wein aus den Früchten herzustellen. Außerdem schien Andunie eine wahre Handelsmetropole zu sein, zu der Schiffe aus aller Welt in die Häfen fuhren. Eine Magierakademie sollte der beschauliche Ort an der Küste ebenso haben, aber Caleb wusste nicht, welche Richtung dort gelehrt wurde. Er habe mit Magie ja ohnehin nichts zu tun. Stattdessen berichtete er von den guten Beziehungen zwischen Andunie und dem sehr weit entfernten Santros, das ähnlich wie Sarma in eher heißeren Regionen liegen soll. Von dort kämen Kapitäne und Seemänner mit der besten Ausbildung, sowohl in Sachen Seefahrt als auch Seegefechten. Caleb schweifte dann ab zu Geschichten einer Piratenstadt, die auf halbem Weg irgendwo liegen sollte und wo die Säbel so locker säßen wie die Mieder der Dirnen. In all dem Gerede gelang es Madihas Körper dann doch irgendwann, abzuschalten und sie driftete wieder in den Schlaf hinein. Ob sie träumte? Vielleicht. Wie lang sie schlief? Ungewiss.

(Bei Madiha erwäge ich einen Zeitsprung, den man mit einer Traumsezenerie überbrücken könnte, bis Azura soweit ist, falls du magst und falls es bei ihr keine Gelegenheit gibt, auch einen Zeitsprung einzugehen.)
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 12. September 2022, 21:24

Azura:

Auch Azura hatte sich eben erst gefragt, womit sie all die Schrecken verdiente und all das Leid? In Nogrot hatte Méllyn Kicherklang prophezeit, dass ihr Weg steinig wäre, wenn sie sich weiterhin auf den Grauschelm einließ. Sie hatte in Corax einen solchen Magier gesehen. Dass er magisch begabt war, blieb unbestritten. Nicht einmal er leugnete es länger, sondern zeigte es offen. Spätestens als er sich mit Leichtigkeit vom Jungen in den Mann verwandelt hatte, an den Azura ihr Herz verlor, konnte keiner mehr das Gegenteil behaupten. Aber waren Grauschelme zu so viel Wandelbarkeit in der Lage? Wahrscheinlich, wenn Azura sich ins Gedächtnis rief, was Méllyn aus ihrer schlichten Tavernenkammer alles gezaubert hatte. Oh, wäre sie mal bei der bunten Variante einer Schelmin geblieben. All die Farben und daszinierenden Bilder ... und nicht zuletzt ihr zweideutiges Angebot. Sie hatte sich für Corax entschieden und ihn schlussendlich doch irgendwie verstoßen. Dabei meinte sie es ganz anders als alle es interpretierten. Sie wollte ihn einfach nur nicht als Sklaven sehen. Wie sollte sie ihm das nur begreiflich machen?
Zunächst gar nicht, denn jetzt fand sie sich erst einmal in seinen Armen wieder und musste sich eingestehen, dass ihr Körper sich neben Schlaf auch danach sehnte. Nach Wärme und Geborgenheit. Nach ihm. Die Sehnsucht endete. Nein, im Gegenteil! Eigentlich steigerte sie sich, je intensiver Corax mit ihr umging. Aus einem sanften Kuss am Ohr wurde einer an ihrem Hals. Sie spürte, dass auch er genoss. Beide würden am liebsten weitergehen. Ihr Körper war sofort bereit. Obgleich ausgedörrt und müde, so wollte sie jedes Quäntchen mitnehmen, das sie von ihren Gedanken und der Verarbeitung des Erlebten ablenkte. Es gab einen Ausdruck dafür: Den Kopf frei vögeln. Ihr Körper wollte genau das, damit sie nicht mehr denken musste, aber konnte ihr Verstand sich dazu verleiten lassen? Erinnerungen an seine Taten, an den Kindsmord, hingen am Rande ihrer Gedanken. Ganz wollten sie sich nicht vertreiben lassen. Da brauchte es mehr als diese kleinen Gesten der Zuneigung. Schließlich konnte Azura nicht mehr voll darauf vertrauen. Er hatte sie schon oft geküsst und mit Zärtlichkeiten geködert, ohne selbst dabei zu empfinden. Auch das stimmte nicht ganz, sonst wäre es weder zu ihrem wunderbaren Erlebnis in den heißen Quellen gekommen, noch hätte Azura ihn mit ihrer bloßen Nacktheit aus seinem Versteck locken können, als er sich mit Schelmenmagie unsichtbar gemacht hatte. Er wollte irgendetwas an ihr und sie erregte ihn doch! Aber vielleicht spielte er jetzt nur mit ihr? Schon wieder ... nein, seine Liebkosungen allein reichten nicht. Erst Recht nicht, als ihr Gespräch sich erneut in Richtung des Erlebten bewegte. Diese seltsamen Männchen, vor allem aber die Mordlust in ihrem Inneren erschütterten Azuras Geist noch immer. Aber ebenso wie sich ihr ganzes Leben verändert hatte, so wuchs Corax endlich. Er sprach mit ihr. Er versuchte, so offen wie möglich zu sein. Sie erfuhr dennoch nicht alles. Einige seiner Erklärungen ließen Fragen offen. Sie musste auch auf diese Antworten haben. Das Drängen in ihrem Inneren war so stark, dass sie den Kopf anhob. Ihr Blick traf auf seinen. Sie spiegelte sich sogar in seinen Augen wider. Wie traurig sie aussah. Unglücklich mit sich und mit ihm und doch sehnsüchtig. Auf eine bizarre Art und Weise würde jemand diesen Ausdruck wunderschön finden. Ob Corax überhaupt noch etwas schön an ihr fand? Sie hatte Angst davor, eine Wahrheit zu erfahren, die sie zerschlagen könnte. Zunächst waren aber andere Fragen wichtiger .. oder ablenkender.
"Aber... wieso kannst du sie nicht los werden...? Es muss ja einen Weg geben, wenn du nicht mehr willst... Vorhin hast du ja auch mit dem Messer..."
Corax schüttelte leicht den Kopf. "Es war anders. Ich ... hab es schon oft versucht, aber ich fürchte, es geht nicht. Sie sind ... meine Eltern?" Er klang selbst unklar über diese Beschreibung. "Sie haben mich erzogen. Ich war bei ihnen, schon immer, glaube ich. Sie befehlen mir, ohne meine Herren zu sein ... und trotzdem muss ich folgen." Für einen Sekundenbruchteil schaute er an Azura vorbei und hinaus auf die Weite des Meeres, als er sich selbst etwas klar wurde. "Aber vorhin ging es. Ich habe nie zuvor einen von ihnen verletzen können und auf dem Schiff habe ich sogar einen zertreten ... ich weiß nicht, warum es plötzlich möglich war. Ich konnte auch unseren Anführer nicht sehen." Er schaute zu Azura zurück. "War ein sehr dickes Männchen dabei? Feist und mit wurzeligen Geschwulsten am Körper, auf denen Pilze wuchsen? Oder eine besonders fette, schwarze Ratte?" Caleb hatte sie umgebracht, aber das hatte nicht jeder erfahren. Corax gehörte nicht dazu. Er hatte aber auch etwas zu sagen. Etwas, dass ebenfalls endlich heraus musste. Leider gelang es ihm wieder nicht so wie er wollte, aber der Elf wandte einen Trick an. Wenn schon der Angriff der Stockmänner funktioniert hatte, vielleicht konnte er diese eine Formulierung nun umgehen.
Es gelang! Wenn auch auf nicht ganz konventionelle Weise, so gestand Corax endlich seine Gefühle zu Azura. Er konnte nur hoffen, dass sie verstand. Im ersten Moment war das nicht der Fall. Sein Herzschlag setzte aus, der Muskel verkrampfte sich. Nun war er es, dem schlagartig übel wurde. Blässe bildete sich um seine Nase, Angst in seinem Blick. Zu ihrer beider Glück schaltete Azura Gehirn schnell genug, ehe Corax aufgrund von Herzversagen starb oder weil er aufgehört hatte zu atmen. Es reichte ihr Lächeln, dass er weiter lebte. So schnell wie die die Blässe aufgetaucht war, so schnel schwand sie, je mehr er in Azuras Gesicht ihre Reaktion ablesen konnte. Er lehnte sein Gesicht in ihre Hand und schloss für den Moment die Augen, in dem ihr Daumen seine Haut streichelte. Auf diese Weise sah er den Raben nicht, welcher aus dem offenen Fenster der Kapitänskajüte flog und eine Runde über dem Schiff drehte.
"Du weiß, dass du unmöglich bist?" Er nickte stumm. Dann zog er sie wieder an sich heran. Sie beide genossen ihre Nähe zueinander. Wo Azura Corax Brust kraulte, da strich er ihr sanft über den Rücken. Nur die Kälte der hereinbrechenden Nacht würde sie früher oder später daran erinnern, dass Zeit verstrich und es besser wäre, sich einen Unterschlupf zu suchen, wäre da nicht noch ein Störenfried.
"Ich möchte es dir so gern sagen", gestand Corax nach einer Weile. Ihm reichte die Trickserei nicht und doch wusste er, dass es anders nicht funktionieren würde. Schließlich war es nicht sein erster Versuch. Aber es war das erste Mal, dass er eine Reaktion auf seine Worte erhielt. Ein Kreischen, ein Krächzen. Ein Rabe krähte seinen Ruf in den Abendhimmel.
"Dann sag es doch! Sag es. Sie sind alle tot, alle. Nur ich bin noch da. Sag es ihr, niemand hält dich auf."
Corax sah zum Himmel. Er entdeckte den Raben, der dort kreiste. Er zog die Brauen in Misstrauen zusammen. Dann aber erinnerte er sich. Eine Kakerlake zertreten, der grimmige Freund seiner Herrin und Koch des Schiffes hatte erwähnt, Ratten getötet zu haben. Einem weiteren hatte er ein Messer ins Auge gerammt. Schwand ihre Macht über ihn, je weniger sie wurden? Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
"Azura..." Wieder schob Corax sie ein Stück weit zurück. Ernst schaute er auf sie herab. Er nahm seinen Mut zusammen. "Ich sag es dir jetzt", entschied er. Es folgte ein tiefes Durchatmen. Corax wappnete sich. Er öffnete den Mund. "Azura, ich..." Er zögerte, aus Gewohnheit. Bisher spürte er nichts. "Ich will dir sagen ..." Sorge huschte durch seinen Geist. Angst vor dem, was ihn bisher abgehalten hatte. Aber noch würgte er nicht. Würde es dieses Mal funktionieren? Corax ließ seine Hände ihre Arme entlang bis zu ihren Händen wandern. Er drückte beide, dann ließ er sie los, um nun seinerseits ihre Wange zu streicheln. "Azura. ich li..." Abbruch. Er unterdrückte ein Würgen, aber es fühlte sich nicht so an wie sonst. War es schwächer oder bildete er sich das nur ein? Und was war mit dem seichten Stechen in seinem Herzen? "Ich lie.."
Über ihm krächzte der Rabe: "Zieh es durch oder lass es, aber entscheide dich! Das ist ja lästig. So wirst du niemals von uns - von mir - loskommen!"
Corax engte die Augen. Er ignorierte das Stechen, die Übelkeit und den Brechreiz. Entschlossen schaute er Azura an. "Ich lie-be di...chcchhhhrrrrngh." Das letzte Wort ging in einem Würgen unter, aber er hatte es geschafft. Endlich! Er hatte es gesagt. Jetzt durfte geschehen, was wollte. Hätte er das mal nicht so hingenommen. Das Würgen nahm zu, das Herzstechen auch. Corax japste, dann schlug er sich die Hand vor den Mund, aber auch sie konnte den Schwall Blut nicht aufhalten, der sich zwischen den Lippen Bahn brach. Tiefrot quoll es zwischen seinen Fingern hervor und tropfte auf das Deck. Corax nahm die Hand fort, starrte sein eigenes Blut an. Sein Blick, ebenso rot, hob sich zu Azura. Dann krümmte er sich und erbrach einen großen Schwall Blut vor ihre Stiefel, die sie so sorgsam ausgesucht hatte. Er versuchte noch, einen weiteren Brechreiz zu unterdrücken. Er schaute zu Azura auf und verdrehte dann die Augen nach oben, so dass die Rubine im Weiß seiner Augäpfel verschwanden. Corax fiel. Schmerzte der Aufprall? Er wusste es nicht. Er spürte es nicht. Er spürte nichts mehr.
Und über ihm und Azura kreiste der Rabe ein letztes Mal, ehe er zur Fensterseite der Kapitänskajüte zurück flog. Sein Krächzen erfüllte den anbrechenden Nachthimmel: "Hätten wir mal alle gewusst, dass es so einfach ist ... nun wird es Zeit für ein neues Spiel."

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An anderer Stelle erhob sich eine Gestalt vom Bettrand seines Gesellen. Dieser sollte nun über die gesagten Worte nachdenken. Er hatte viel zum Überdenken, darunter auch die Frage, ob er weiterhin im Dienst seines Meisters stehen wollte. Er würde ihm vorerst nicht noch mehr aufbrummen. Dieses Mal würde er selbst gehen.
Aus dem Nebel seiner schwarzen Kutte löste sich eine Knochenhand, in der sich eine Sense manifestierte. Die leeren Augenhöhlen seines Schädels blickten auf ein Stundenglas, das über den bleichen Fingern seiner anderen Hand schwebte. Er betrachtete den Sand, der nach unten rieselte. Er seufzte nicht. Er bedauerte es genauso wenig wie er es begrüßte. Es war Teil der Wesenheit, der er selbst diente und die mit ihm einen Kreislauf bildete. Er war nicht der Böse, sondern nur ein Gefährte auf einem neuen Weg. Er seufzte nur innerlich, denn die Sanduhr gefiel ihm nicht. "Die Ungewissen mag ich nicht. Sie holen mich, ohne dass ich weiß, ob ich sie wirklich mitnehme." Er schaute zurück zu der Szenerie des Bettes, des schlafenden Wächters daran und seines Gesellen. Dann schien der Gevatter zu grinsen. Nun, das tat er eigentlich immer, denn sein Schädel suggerierte es. "Es könnte schlimmer sein, aber hier ist wenigstens kein Nekromant im Spiel." Langsam wandte er sich ab, um sich in der Schwärze seiner Domäne aufzulösen. Es gab viel zu tun, aber zunächst rief eine potenzielle Seele ihn auf ein Schiff.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 13. September 2022, 21:03

Die Worte des Matrosen, brachten ihre Hirnzellen zum Schwingen. Sie wusste, dass sie das Gespräch von Caleb und Tauwetter am Rande ihrer Erschöpfung mitbekommen hatte. Es war wie ein störendes Nebengeräusch, das verhinderte, dass sie in die Endgültigkeit hinabgleiten konnte. Ähnlich wie zuvor die Tirade von Azura. Doch greifbare Worte, die ihr Verständnis fütterten, gab es derweil nicht. Allerdings war der helfende Schiffsmann auch so mitteilsam genug. Es wurde schnell deutlich, zumindest für den Dieb, worin die Worte endeten. Jedoch entlockte der Matrose dem Wüstenkind ein Stirnrunzeln. Ihre Taten wogen also schwerer als die Worte des Diebes? Madiha spürte einen Moment Sorge in sich aufkommen. Sie hatte instinktiv reagiert und keine Konsequenzen bedenken können. War Jakub nun sauer, weil sie sich dem Rabenmann angenommen hatte? Oder, weil sein Geheimnis zu Tage gefördert wurde? Schrieb er die Entdeckung etwa ihr zu? Das Mädchen spürte ein Grummeln in der Magengegend. Jakubs Zorn wollte sie sicher nicht auf sich ziehen. Inzwischen lag das nicht mehr an fehlgeleiteter Sympathie für den Mann. Das Wissen, welches sie in der letzten Zeit über ihn erlangte, führte dazu, dass das zaghaft entstandene Vertrauen zu ihm schlagartig beendet war. Trotzdem war Jakub Tauwetter eine Institution und hatte ihr ein Gefühl von Sicherheit vermittelt. Vielleicht lag es aber auch daran? Dass Madiha viel zu schnell Schutzvertrauen fasste und durch ihre Erlebnisse geprägt war? So oder so, bereitete ihr der Umstand Sorgen, doch sie schob diese vorerst beiseite. Der Matrose vertraute ihr und somit auch Caleb ein Geheimnis an, das offenbar darauf abzielte, den Kapitän zu ersetzen. Madiha selbst wusste nichts über Meutereien, doch sie konnte sich anhand der weiteren Informationen einen Eindruck verschaffen. Sie würde nichts erzählen, das stand fest.
Sobald der Matrose gegangen war, kehrte etwas Ruhe in sie zurück. Sie hatte die einstige Kajüte des verstorbenen Koches bereits wiedererkannt. Madiha blickte sich nur kurz um, denn verändert hatte sich räumlich tatsächlich nichts. War das jetzt eigentlich Calebs Reich als neuer Smutje? Eine weitere Frage, die sich ihr stellte, beantwortete Caleb kurzdarauf: "Die Mannschaft wird schon wissen, was man mit einem inakzeptablen Kapitän anstellt." So sorglos, wie Caleb es tat, konnte Madiha nicht damit umgehen. Doch plötzlich erregte eine Bewegung ihre Aufmerksamkeit und sie hielt inne in ihrer Gegenargumentation. Calebs Finger strichen durch ihr deutlich kürzeres Haar und für einen Moment flammte fragende Unsicherheit in ihrem Blick auf. Als dann aber dir Haut seiner Finger, ihre am Kinn und den Narben berührte, fing ihr Herz wie wild an zu klopfen. Madiha wagte kaum sich zu bewegen. "Die Männer haben garantiert genug Leid gesehen, so wie wir. Auch sie trauern, deshalb scheint sie Tauwetters Umgang mit uns ja auch zu stören. Mach dir keine Sorgen. Es wird keine weiteren Toten geben. Ich kann den Bastard nicht leiden, aber ich kann auch deinen Sklavenfreund nicht leiden und der lebt ebenfalls noch." Dann war der Moment der Vertrautheit plötzlich wieder vorbei und sie holte zittrig Luft. Madiha seufzte schließlich, denn bei einer Meuterei zu helfen, erforderte körperliche Unversehrtheit und die konnte sie derweil nicht aufweisen. "Soso, unnütz, ja? Also geht die Meuterei gegen dich, kleine Kapitänin Tauwetter, hm? Wir beide haben erlebt, wer hier unnütz ist und ersetzt gehört. Auf dieser Liste stehst du ganz weit unten, Madi. Vergiss nicht, du hast mit deinem ... ähm .. Deinem Feuergewackel ... es war beeindruckend, versteh mich nicht falsch! Es hat uns gerettet! Ich weiß nur nicht genau, was du da getan hast. Und wie. Aber ich bin auch froh, dass nicht gleich das ganze Schiff Feuer gefangen hat." Sie lächelte leicht bei seinen unbekümmerten Worten, die ihr mehrere Dinge aufzeigten: Zum einen war Caleb trotz ihres Zustandes davon überzeugt, dass sie nützlich sein könnte. Auch wenn sie das noch anzweifelte. Zum anderen aber, erinnerte er sie daran, dass sie ein Feuer entfacht hatte, das sie bis dahin nicht gekannt hatte. Ihr war es gelungen das zu tun. So recht bewusst geworden war ihr das bisher nicht. Viel zu viel stand dazwischen und forderte ihre Aufmerksamkeit.

So auch als der Dieb seine Berührung fortsetzte. Madiha’s Lider hoben sich augenblicklich, als er ihr Kinn leicht anhob und sich plötzlich über ihr befand. Sie hielt die Luft für einen Herzschlag an, denn ihre Augen wurden regelrecht von den seinen eingefangen. Er war so nah. So verdammt dicht an ihr dran, dass sie fähig war, jede Nuance seiner Augen zu ergründen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und ihrem Gefühl nach, darüber hinaus. Jeden Augenblick würde es aus ihrer Brust springen. Er musste es auch hören, es war unmöglich, dass er nicht erkennen konnte, wie sehr seine Nähe sie durcheinanderbrachte. Erst als sie viel zu lange die Luft angehalten hatte, öffnete sie leicht die Lippen, um den Sauerstoff wieder einzusaugen. Und seinen Geruch. Sein Atem strich ihre Lippen, sodass sich sämtliche, feine Härchen auf ihrem Körper aufstellten. Was war das für eine Reaktion?! Niemand war ihr bisher auf diese Weise nahe gekommen. Nicht so... sanft? Madiha’s Ohren rauschten, sodass seine geraunten Worte erst langsam in ihr Bewusstsein flossen. "Reduziere deine Bedeutung weder darauf, wer du bist, noch was du hast. Und wenn du nur ein Rumpf wärst, bedeutest du jemanden mehr als du glaubst." Das Herzklopfen steigerte sich um ein Vielfaches. Was meinte er damit? Caleb brach die Nähe ab und sie hatte das Gefühl, augenblicklich zu frieren. Ihr Mund war ganz trocken und ihr Herz beruhigte sich kaum. War sie rot im Gesicht? Es brannte so seltsam auf ihren Wangen, während ihr wirklich warm zu werden schien. Madiha brauchte einige Atemzüge, um sich zu sammeln. Was hatte er damit gemeint, dass jemand sich etwas aus ihr machen würde? Wer denn? Er? Sie hatte nur ihn. Das lag auf der Hand, aber sie wagte nicht mal darüber nachzudenken. Caleb fühlte sich vielleicht verantwortlich, so etwas hatte er ihr bereits gestanden. Doch das beruhte auf dem Schicksal, welches er für sie herbeigeführt hatte. Dass sie ihm etwas wirklich bedeutete… Madiha traute sich nicht mal den Gedanken wahrlich zu fassen geschweige denn zu hoffen. Die vertraute und gleichzeitig für das Wüstenkind so unbekannte Situation verstrich und machte Platz für eine deutlich lockerere Atmosphäre. Zumindest half ihr der vermeintliche Abstand zu Caleb, einen klareren Kopf zu fassen, auch wenn ihr Herz immer noch wie verrückt pumpte. Er kümmerte sich derweil um sie und sie bejahte sowohl das Trinken, als auch das Essen. Sie musste endlich etwas zu sich nehmen, damit sie daraufhin auch Ruhe finden konnte.

Fachmännisch zeigte sich der Dieb äußerst fürsorglich, was Madiha nicht unbedingt dabei half, einen gewissen Abstand zu ihm zu halten. So versuchte sie es durch ein lockeres Gespräch. Seine Antwort entlockte ihr ein Lächeln, denn er sprach fast schon warmherzig von seiner Mutter. Als er stockte, runzelte sie dennoch die Stirn. Wieso sprach er nicht weiter? Sie unterdrückte den Impuls, näher nachzufragen. Vielleicht ergab sich die Zeit dafür irgendwann… vielleicht würde sie nie erfahren, was er sagen wollte. Also schob sie eine andere Frage hinterher. . "Ich glaube, dann hätte er mit dem offenen Unmut der gesamten Mannschaft rechnen müssen. Alle haben genug Tod gesehen, dass man selbst den Dunkelelfen verschonen will. Der hat Jakub ohnehin sprachlos gemacht. Die Männer haben die Kapitänskajüte gestürmt und dieses ... Ding vorgefunden. Irgendwie hat es mich an einen viel zu dürren, hutzeligen Gnom erinnert. Allerdings vermittelte er selbst im Tod ein Gefühl der Unbehaglichkeit. Ich kann dir nicht sagen, was es war. Einer der Matrosen nannte ihn einen bösen Klabauter, der das Schiff vielleicht verflucht hatte. Andere aber kamen dann sofort auf Corax zu sprechen und glaubten, das Männchen sei ein entbehrlicher Diener für ihn gewesen. Jedenfalls hat es Jakub die Sprache verschlagen, was wohl auch dazu führte, dass er nicht weiter über unsere Bestrafung nachdachte. Ich glaube, er hat nun mehr Respekt vor dem Dunkelelfen als wir alle zusammen. Er hat weder ihn noch die rothaarige Adlige ein weiteres Mal erwähnt. Und mir verbietet er, überhaupt an Deck zu gehen. Aber lange muss ich wohl nicht mehr darauf hören." Die Erinnerung an das Wesen, erfasste auch Madiha’s Gemüt. Es war ein beklemmendes Unbehagen, wenn sie daran dachte. „Diese Wesen…“, begann sie plötzlich und ihre Augen wanderten zur Seite, ein klares Zeichen dafür, dass sie sich erinnerte. „Sie sind nicht seine Helfer. Sie.. ich weiß nicht was sie sind oder wieso sie tun, was sie tun. Aber sie haben ihn versklavt. Schon als Säugling, aus der Wiege seiner Eltern heraus. Caleb… diese Bilder.. als die Schlange uns angegriffen... und vermeintlich verletzt hatte.. wir konnten seine Erinnerungen... sehen und durchleben… es war seltsam, als wäre ich er… als wären es meine Erinnerungen. Ich,.. so etwas habe ich... noch nie erlebt. Wir sahen ihn als Säugling, wie er den Pakt einging. Und dann sein Leben,... getrieben zu all den Grausamkeiten… zu all den schrecklichen Morden. Er… er empfindet es als normal. Für ihn ist es normal…“, murmelte sie betreten und fühlte gleichzeitig wieder das solidarische Mitleid aufkommen.
Die Bilder hatten sich ihr ins Gedächtnis gebrannt… für alle Zeit. „Er wird unterdrückt von ihnen… und sie lassen ihn nicht in Ruhe..“, meinte sie weiter und schloss für einen Moment die Augen. Das Sprechen strengte sie an, die Erinnerungen strengten sie an. Madiha wechselte nicht nur ihre Sprache, sondern auch das Thema. Sie fühlte sich im Sendli sehr viel wohler und brauchte diesen Gegenpol zu allem Schrecklichen. Caleb wechselte ebenso und verschaffte ihr damit ein wenig mehr Frieden. Seine Antwort bezüglich seiner Vorstellungen, entlockte ihr ein unsicheres und leises Lachen. Derartige Scherze oder gar Wünsche, trafen bei ihr auf den naiven Kern ihrer Seele. Madiha wusste nicht Recht damit umzugehen, also erwiderte sie auch nichts darauf sondern sprach aus, was sie derweil fühlte. Erneut kam er ihr nahe. Und wieder war da ihr Herz, das so verräterisch schlug. Was war nur los mit ihr? Angst, dass er ihr etwas antun würde, hatte sie doch nicht? Wieso diese Reaktion? Doch es war schneller wieder vorbei und sie brauchte – jetzt mehr denn je- weitere Ablenkung. Jetzt konnte sie ohnehin nicht schlafen.
Also wollte sie mehr über den Dieb erfahren und erhielt prompt eine Antwort, die ihr einen leichten Stich versetzte. Sie schaute nachdenklich zu ihm. Doch als würde Caleb mit ihrer Unsicherheit kokettieren, sah sie, als sie den Blick ihm nachfolgen ließ, plötzlich auf seinen nackten Oberkörper. Madiha starrte, dann zuckte sie mit ihrem Blick zurück, nur um verstohlen wieder hinzusehen. Ihre Augen klebten regelrecht an seiner Haut… seinen Muskeln… dem Spiel seiner Schulterblätter und Oberarme. Sie schluckte und leckte unbewusst ihre Lippen. Da waren kleine Narben… eine leichte Brandverletzung… alles sog sie in sich auf, ehe ihr Blick sich selbstständig machte und seiner Verlängerung des Rückens hinunter zu seinem Lendenwirbelbereich folgte, wo die Hose weiteres verdeckte. Ihr Gesicht brannte. Es dauerte, bis Madiha ihre Stimme wiederfand und noch mal, um sie zu benutzen. Sie war völlig durcheinander. Was war nur los mit ihr?! "Wenn es stimmt, dass die dunklen Völker auch Andunie eingenommen haben, bezweifle ich, dass es wirklich noch eine Heimat ist, auf die man sich freuen könnte. Aber selbst ohne diese Probleme ... ich weiß nicht. Ich glaube, ich habe mich nicht gefreut, weil ich wusste, was ich in Sarma zurücklasse ... und wen. Naja, der sture Part ist ja hier." Madiha war schlagartig wieder klar im Kopf. Ihr Herz krampfte sich zusammen, denn sie erinnerte sich, dass Caleb mit Dunia sehr vertraut gewesen war. Und an die Tränen, die sie für ihn vergossen hatte. Seinen Nachsatz kommentierte sie mit einem leichten Anheben ihrer Mundwinkel. "Du wirst... mich nicht los...", krächzte sie tapfer und betont lässig klingend. Sie war das lästige Kind. Stur und aufmüpfig. Dunia ließ er schweren Herzens zurück und wer wusste, was in Andunie auf ihn wartete. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass sie bald durchaus allein sein würde. Es war seine Heimat. Er würde dort jemanden haben. Jemanden zu dem er zurückkehrte.

Madiha begann langsam damit, sich mit dem Gedanken zu befassen, dass sie sich womöglich von ihm verabschieden musste. Sie hatte bisher nicht groß darüber nachgedacht. Irgendwie war er immer da, doch wie lange würde das tatsächlich so sein? Und das was er imstande war bei ihr auszulösen? Was fing sie damit an? Vielleicht war es besser, wenn sie aufhörte, so albern zu denken.
Madiha seufzte tonlos und zog ein wenig unbeholfen die Decke höher. Die Wärme wich und sie begann zu frieren. Sie musste aufhören sich so zu verhalten. Er … fühlte sich ihr verpflichtet, wie sie sich Corax verpflichtet fühlte. Dass er indes nichts über sein Zuhause erzählen wollte, war für Madiha in Ordnung. Sie dachte bei ihrer Frage ohnehin an die Stadt selbst. Sie wollte hören, wie es ausgesehen hatte, bevor die Dunklen sich darin breit gemacht hatten. Wie er es in Erinnerung hatte. Und tatsächlich erzählte er ihr bereitwillig, von einer vollkommen anderen Welt. Es klang so seltsam fremd in ihren Ohren und die Orte Santros oder Rumdett waren ihr völlig fremd. Madiha begriff für einen kleinen Teil, wie wenig sie von der Welt kannte. Und wie wenig sie wusste. Ein aufgeregtes und nervöses Kribbeln kroch ihr durch die Glieder während sie sich die Umgebungen anhand seiner Geschichten vorstellte. Doch das hielt sie tatsächlich nicht davon ab, dass ihr Körper immer ruhiger wurde… die Lider immer schwerer. Sie blinzelte langsam, ihr Blick wurde glasiger, bis sie mit einem leichten Lächeln tatsächlich einschlafen konnte… Die Ruhe war so wichtig. Sie sollte dafür sorgen, dass ihr Körper genügend Kraft aufbringen konnte, um ansatzweise ihre Wunden zu heilen. Es würde ewig dauern, bis sie vollständig geheilt wäre. Vielleicht geschah das niemals. Doch ihr Körper gab alles, was er aufbringen konnte. Und ihr Verstand? Der hatte so vieles zu verarbeiten, so viel gesehen und erlebt. Es herrschte ein ordentliches Durcheinander. Da waren schwarze Schemen, gesichtslos und eingehüllt in eine Feuersbrunst. Sie erkannte Sarma, doch es stand in Flammen. Schreie gellten durch ihren Verstand, Rufe und Befehle. Langsam änderte sich die Szenerie und die Rufe und Schreie galten ihr, Madiha. Sie stand inmitten der Feuersbrunst und schien die Quelle dessen zu sein. Erschrocken wollte sie etwas erwidern, sie wollte doch nicht verbrennen! Doch je mehr sie sich anstrengte, desto schlimmer wurde es. Bis mit einem Mal eine riesige Welle an grünem Wasser über sie hinwegschwappte und dampfend sämtliches Inferno tilgte. Sie fror. Ihr fehlte die Wärme des Feuers, sodass sie zitterte. Wie Espenlaub an knorrigen, dürren Zweigen mit einem widerlichen Grinsen und Harkennasen. Sie hörte eine vertraute Stimme, die nach ihr rief. „Mama! Mama!“, drang es an ihr Ohr und plötzlich klammerte sich ein kleiner Junge mit rabenschwarzem Haar an sie… nein… er lief an ihr vorbei und umarmte die rothaarige Schönheit in ihrem Rücken. Wie in Zeitlupe wandte sich Madiha um, tropfnass und frierend. Azura stand dort in einem atemberaubenden Kleid, wunderschön und über die Maßen erhaben. Madiha schrumpfte ein Stück zusammen. „Madiha!“, hörte sie ihren Namen und sah wieder zurück. „Haltung! Ordnung!“, hörte sie die strenge Stimme von Dunia. Das Mädchen richtete sich auf und versuchte sich nicht vom Frieren ablenken zu lassen. „Die Prüfung ist bestanden!“, hörte sie Dunia sagen, doch sehen konnte sie sie nicht.
Plötzlich wurde sie an die Hand genommen und wild, fröhlich lachend herumgewirbelt. Auf einmal waren da noch andere, die tanzten. Jakub und Fischauge... Azura und Corax.. Die Diebesbande und Palm... sie alle tauchten aus dem dampfenden Rauch auf, hatten rote Augen und Pelz... Ilmy tanzte mit ihr im Kreis, während ihre Hände sich taub und leblos anfühlten. Ilmy ließ Madiha lachend los, sodass das Wüstenkind sich drehte wie ein Kreisel. Bis sie plötzlich mit jemanden zusammenstieß. Caleb. Sofort hielt sie die Luft an, denn er lächelte spitzbübisch und hob mit der Fingerkante ihr Kinn an. „Herzlichen Glückwunsch!“, sprach er brummend und senkte sich ihr entgegen. Ihr Herz klopfte sofort wild in ihrer Brust. Dann verschlossen sich ihre Augen gleichzeitig mit seinen Lippen, die ihre trafen. Ein warmer Schauer durchflutete ihren gesamten Körper, während ihr schwindelig wurde. Und auf einmal war da kein wildes Wechseln der Szenerie. Kein unbehagliches oder verstörendes Gefühl von Schuld und Einsamkeit. Nur Wärme. Geborgenheit und das seltsame Gefühl in ihrer Magengegend, welches sie ganz duselig werden ließ. Als hätte man ihr den Wein eingeflößt, wie früher, damit sie gefügiger wurde. Doch das hier war so seltsam anders… schöner und so utopisch, dass der Traum niemals enden sollte...
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