Unter Venthas Willkür

Das große Meer ist launisch wie das Wetter. Einmal ist es friedlich und dann wieder die reinste Gefahr. Erfahrene Seemänner befahren es mit ihren großen Schiffen. Alle Reisen sind hier verzeichnet.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Dienstag 16. August 2022, 13:57

Es war schlimm für sie, wie ihr Herz entzwei brach, als ihr vor Augen geführt wurde, dass ihre Gefühle nicht auf Erwiderung stießen. Anders konnte sie sich das Verhalten ihres Begleiters, mit dem sie mehrere Wochen in selten schönen, viel zu oft schlimmen und hauptsächlich neutralen Momenten verbracht hatte. Darüber, was das für ihre Entjungferung bedeutete, war sie noch nicht einmal im Ansatz bereit nachzudenken!
Doch als ob das nicht schon genug der Demütigungen und Kränkungen gewesen wäre, war da noch dieser unselige Kapitän, der sich alles andere als angemessen verhielt. Nein, schlimmer noch, er zeigte sich nicht im Mindesten vom Namen und den bedeutendsten Titel ihres Stiefvaters beeindruckt! So eine Unverschämtheit!
Das brachte bei ihr das Fass endgültig zum Überlaufen, sodass sie alles an adeliger Arroganz zusammenkratzte, was noch in ihr übrig geblieben war, um allein mit ihrer Haltung zu demonstrieren, was sie von ihrem derzeitigen Umfeld hielt. Hoch aufgerichtet und mit kühlem Blick, der selbst dann von oben herab wirken konnte, wenn sie eigentlich diejenige war, die von unten hinauf sehen musste, stand sie auf und hatte kein weiteres Bedürfnis mehr danach, mit dieser Person auch nur ein Wort zu wechseln.
Kurz wurden ihre Augen schmal bei seine Belehrung, ehe sie dennoch zischte:"Verkauft mich nicht für dumm! Ich war selbst dort, als..." Sie brachte es nicht über die Lippen, denn es würde an zu vielem rührem.
Stattdessen glitt ihr Blick einen Bruchteil einer Sekunde zu ihrem ehemaligen Liebhaber, dessen Hautfarbe allein Antwort genug für ihre Kontakte zu den Dunklen darstellen sollte. Und da auch das zu viele Gefühle in ihrem Inneren zu wecken drohte, die sie gerade mit aller Macht unterdrücken musste, um sich nicht noch mehr zu blamieren, wandte sie sich abrupt von allen Personen, mit denen sie bislang im Gespräch gewesen war, ab.
Sie wollte jetzt nichts weiter als Ruhe, um ihre seelischen Wunden lecken zu können. Nicht, dass sie davon ausging, dass ihr das auch nur im Mindestmaß gelingen würde, denn dafür waren der tiefen Verletzungen zu viele gewesen. Aber sie musste soweit Abstand gewinnen, um diese Fassade adeligen Auftretens wahren zu können, bis sie von diesem elendigen Schiff herunter kommen konnte. Lebend und mit dem Füßen auf festem Boden im besten Falle.
Vielleicht... nein, hoffentlich würde ein langes Beobachten des Meeres ihr dabei helfen, sich ein bisschen zu beruhigen. Doch dafür wollte sie sonst nichts und niemandem mehr sehen müssen!
Trotzdem brachte sein Nachsatz sie dazu, noch einmal den Kopf zu drehen und ihn hochmütig über die Schulter hinweg anzusehen. "Mein Vater war nicht anwesend und hat somit viel mehr Möglichkeiten, als Ihr Euch auch nur ausdenken könnt.", beschied sie ihm und schickte zugleich ein Stoßgebet an Ventha, dass ihre Eltern tatsächlich weit genug entfernt gewesen waren damals, um noch am Leben zu sein.
Dieser Kapitän brachte ihr demnach weiterhin nicht den angemessenen Respekt entgegen, den sie aufgrund ihrer Stellung eigentlich erwarten durfte... in ihren Augen, weswegen sie ihm ebenfalls nicht länger entgegen zu kommen gedachte. Das begann bei ihrer Haltung und endete bei ihrem bewussten Gebrauch des Garmischen.
Kurz darauf ging er dafür auf ihr Verlangen ein, doch dafür war es inzwischen zu spät. Leise und wenig damenhaft schnaubte sie. "Macht, was Ihr wollt.", fauchte sie leise und zwang sich, keinen letzten Blick auf den Dunklen zu werfen, um keine Risse in ihrer Maske zu riskieren.
Stattdessen stolzierte sie hoch erhobenen Hauptes zu jener Tür, hinter der sich die Kapitänskajüte befinden musste. Es war ihr gerade gleich, wie kratzig die unpassende Kleidung war, die sie am Leibe trug, sie bewegte sich darin dennoch mit jener Eleganz, die sie seit Kindesbeinen an gelernt und verinnerlicht hatte. Jetzt nämlich erst recht, um allen zu zeigen, dass sie etwas Besseres war! Ob und wie lächerlich sie sich dabei machte... Diese Möglichkeit fand keinen Platz in ihrem Denken.
Stattdessen betrat sie den Raum des Kapitäns und warf schwungvoll die Tür hinter sich zu. Absperren würde sie zwar nicht können, allerdings hoffte sie auf diese Weise deutlich gemacht zu haben, was sie in nächster Zeit von Gesellschaft hielt. Ohne sich umzusehen, denn es interessierte sie gerade überhaupt nicht, ging sie in Richtung des großen Fensters und fühlte mit jedem weiteren Schritt, wie der Schmerz sich zurück an die Oberfläche zu kämpfen begann.
Als sie die Scheiben erreicht hatte, verließ ein lautloses, trockenes Schluchzen ihre Kehle. Sie hob ihre unversehrte Hand und legte sie, wie ihre Stirn, an das kühle Glas und starrte blicklos hindurch auf die Wellen. Dass direkt neben ihr eine beständige, salzige Brise hereinwehte, weil jemand das Fenster dort geöffnet hatte, nahm sie im Moment noch nicht wahr.
Vielmehr rang sie verbissen mit sich, um nicht in hilflose Tränen der Verzweiflung auszubrechen. Ganz so, als ahnte sie, dass sie nicht lange allein wäre...
Das leise Klopfen hörte sie gar nicht, dazu war sie viel zu sehr in ihren Gefühlswirrwarr gefangen. Auch, dass die andere ebenfalls ans Fenster trat und in ihrem Augenwinkel auftauchte, ignorierte sie.
Was sie indes nicht missachten konnte, waren die Worte. Nicht so sehr wegen deren Sinn, sondern vielmehr, weil sie einer Störung ihres seelischen Leids darstellten.
Kurz nur warf sie einen kühlen Blick auf die verräterischen Spuren, ehe sie demonstrativ abgewandt wieder aufs Meer hinaus starren wollte. "Woher soll ich das wissen?", beschied sie betont arrogant.
Um nach einem kurzen Moment den Eindringling dann doch anzusehen mit einem frostigen Blick, als wäre diese an allem schuld. "Was soll das? Willst du dich an meiner Demütigung erfreuen? Nachsehen, ob ich auch gebührend leide?!", fauchte sie mit einer Kälte in der Stimme, die in ihren eigenen Ohren ungewöhnlich stark klirrte.
"Schlechte Nachrichten für dich, das kannst du vergessen! Und jetzt... raus hier!" Mit jedem Wort wurde sie zwar leiser, dafür allerdings auch schärfer und schneidender.
Wirkte die See mit einem Mal aufgewühlter als noch gerade eben? Fühlte sich das Spritzwasser selbst nicht plötzlich kälter an, war die Farbe etwas grauer geworden? Oder war das alles nur Einbildung? Azura war es gleich, sie wollte einfach nur endlich ihre Ruhe haben!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 18. August 2022, 11:03

Ihre neue Aufgabe missfiel ihr. Jakub hatte sie bereits einmal angewiesen auf die Schöne und das Biest aufzupassen und was war geschehen? Sie wäre beinahe gestorben! Und nun sollte sie erneut diese Aufgabe übernehmen, obwohl die Rothaarige, deren Namen sie immer noch nicht wusste, klar gemacht hatte, dass sie niemanden zu sehen wünschte. Sie stolzierte der unangenehmen Situation davon und tat als würde es etwas bedeuten. Für Madiha bedeutete es allerdings, dass sie sich besser fühlte und nicht mehr ständig das Gefühl hatte zu schwanken. Das Gespräch in der Heimatsprache der beiden ungleichen Personen, hatte Madiha nur stirnrunzelnd verfolgen können. Im Grunde war es ihr auch nicht wichtig zu erfahren, worum es da genau ging. Ihr Blick fiel währenddessen auf den Mann am Mast -Corax-, wie er sich vorstellte. Nun- er und seine Herrin, ehemalige Herrin, würden also an Bord bleiben, wenn er Jakub diente. Er sah mit dieser Aussicht entspannter aus, auch wenn er nicht glücklicher wirkte. Wie auch? Selbst als Sklave gewöhnte man sich an die Umstände, fühlte so etwas wie Heimat, dort wo man war. Und diese zu verlieren war ebenso schmerzhaft, wie wenn jemand das schöne Anwesen verlor, indem er leben durfte. Die Situation an Deck löste sich mehr und mehr in einer Weise auf, die nunmehr Ruhe für sie alle bedeuten könnte. Allerdings bezweifelte die Sarmaerin, dass die andere ihr Erscheinen willkommen heißen würde. Sie seufzte innerlich. Selbst Jakubs Versuch ihrer Aufgabe einen wichtigeren Anstrich zu geben, ließ Madiha zweifelnd zurück. Es klang so als wollte er sie einfach nur überreden, diese Aufgabe zu übernehmen. Trotzdem willigte sie irgendwie ein und nickte dem Kapitän knapp zu. Mit dem Schlüssel um den Hals, wandte sie sich ab, um deutlich weniger elegant, dem Weg zur Kapitänskajüte zu folgen. Madiha beeilte sich nicht sonderlich. Ihr kam der Weg lang vor und doch viel zu kurz. Lustlos klopfte sie an die Tür, bevor sie einfach eintrat. Sie ging ohnehin nicht davon aus, dass sie eine Antwort erhalten würde. Die Frau hatte deutlich gemacht, was sie von ihrer Behandlung hier an Bord hielt. Das Mädchen trat ein, ließ sich einen Moment Zeit und ging weiter, als ihre Augen sich an die Umgebung gewöhnt hatten. Sie fand die Frau am Bullauge. Doch etwas anderes erregte viel eher ihr Interesse: Die gespannten Laken, die deutlich machten, dass der einstige Kapitän nicht tragisch zu Tode gekommen war, wie sie dachte.

Madiha ließ sich in kindlicher Neugierde dazu hinreißen, neben die andere zu treten und aus dem Bullauge zu spähen. Ihre Fragen sprudelten einfach so aus ihr heraus, ohne näher darüber nachzudenken. Sie gluckste leise und etwas verhalten, da es immer noch schmerzte im Rachen. Wohin war der Kapitän bloß verschwunden? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, war doch überall nichts außer dem Meer. Hatte er ein Beiboot genommen? Sie meinte eines gesehen zu haben, als sie sich an Bord geschummelt hatte. Madiha kam nicht weiter, sondern erfuhr die frostige Arroganz der hochnäsigen Rothaarigen. Was soll das? Willst du dich an meiner Demütigung erfreuen? Nachsehen, ob ich auch gebührend leide?! Schlechte Nachrichten für dich, das kannst du vergessen! Und jetzt... raus hier!" Rumms. Madiha blickte die junge Frau an und erst jetzt bemerkte sie die feinen Züge, das ebenmäßige Gesicht und die hübschen Augen. Sie musterte sie einen Moment länger, als es die Situation zugelassen hätte. Solange, bis sie ein seltsames Wanken spürte und das Gefühl hatte, dass sie neben ihr nicht richtig stehen konnte. Madiha brach den Blickkontakt ab, wandte sich zum Gehen und brachte etwas Abstand zwischen sich und die andere. Doch sie ließ sich nicht auf deren Zickerei ein. Madiha hatte genug Zeit unter Frauen verbracht, um sich von Stutenbissigkeit nicht vergraulen zu lassen. In der Mitte des Raumes blieb sie stehen, zog sich geräuschvoll einen Stuhl zurück und setzte sich. „Ich möchte genau so wenig… wie du… hier … sein.“, knarzte sie ihr zu und zuckte die Schultern. „Anweisung.. vom Kapitän. Und…“, Madiha musterte sie einen Moment, tat sich schwer mit dem „Freundschaftsding“, bemühte sich aber um einen ruhigen Ton. „…du wirst sicher noch… oft genug allein sein…“, murmelte sie halblaut. Es war kein gehässiger Kommentar, eher eine düstere Ahnung. Das Verhalten der Hübschen hatte ihr keine Freunde beschert. Madiha war die einzige, die überhaupt dafür noch halbwegs in Frage käme. Auch wenn die Frau am Fenster das nicht wissen konnte. „Wie heißt… du?“, fragte sie sie dann, bevor sie sich einen Moment Ruhe gönnte. Ihr Hals brannte unablässig und triezte die Samaerin penetrant. Sie atmete einen Moment durch und sah durch den Raum. Ihr Blick blieb an der Tür hängen und sie dachte an Caleb. „Hast du Hunger…? Oder Durst?“, versuchte sie es auf eine andere Weise. Auch wenn Madiha keine Lust hatte, sich vor der anderen zu verbiegen, versuchte sie es zumindest. Sie wollte ihren Teil leisten, als Teil der Mannschaft – irgendwie. Die Abmachung mit Jakub war ihr wichtig geworden, denn auch wenn sie unschön begonnen hatte, war sie ehrlich und etwas, was Madiha so nicht kannte. Eine Hand wäscht die andere – ein Pakt zwischen ihm und ihr und wenn er sie derzeit bei der Frau brauchte, dann würde sie zumindest ihr Bestes versuchen. „Ich bin übrigens… Ma“-, sie stockte und zögerte. Sollte sie ihr ihren Namen verraten? Jakub hatte ihr das Einverständnis erteilt. „Madiha.“, stellte sie sich vor und schob aus Gewohnheit ein „Madiha aus Sarma“, hinterher. Noch immer konnte Madiha dieses Gefühl von Schwindel nicht gänzlich abschütteln. Aber im Sitzen, fühlte sie sich etwas sicherer.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Samstag 20. August 2022, 14:23

Nur selten hatte sich die junge Frau in ihrem Leben so verloren, verletzt und einsam gefühlt. Schlimmer noch, sie kam sich vollkommen deplatziert und missverstanden vor. In ihrem Inneren herrschte ein Gefühlschaos sondergleichen, das sie nur mit Mühe hinter der Maske der adeligen Arroganz verbergen konnte, um nicht noch mehr gedemütigt werden zu können. Wäre ja noch schöner, wenn sie vor der versammelten restlichen Schiffsbesatzung in Tränen ausbrechen würde! Nein, so nicht!
Mit erhobenem Kopf stolzierte sie schließlich davon und da sie nicht absperren konnte, betonte sie ihr Verlangen, allein gelassen zu werden, damit, dass sie die Tür geräuschvoll hinter sich zuschlug. Danach reichte ihre Kraft jedoch nur soweit, dass sie zum Fenster treten und sich dort anlehnen konnte. Diesmal allerdings half ihr der Anblick der See nicht dabei, ruhiger zu werden, dazu war sie viel zu aufgewühlt.
Zu allem Unglück gesellte sich auch noch der vermaledeite Schiffsjunge zu ihr und stellte ihr blöde Fragen. Sie ließ ihn ihre geballte Arroganz spüren, um ihre Worte des Rauswurfs umso effektiver zu machen.
Damit erzielte sie genau... gar nichts. Nun ja, das war wohl eine falsche Beschreibung, denn sie spürte nur allzu deutlich die Blicke, die ihr von der Seite aus zugeworfen wurden. Lange Blicke, musternde Blicke, die dafür sorgten, dass sich Azura feine Nackenhaare aufstellten. Oder lag es an der Spannung, die immer stärker in der Luft hing und die dafür sorgte, dass sie sich noch unwohler fühlte?
Mit einem frostigen Glanz in den Augen ruckte ihr Kopf zur Seite und sie bedachte den Schiffsjungen abschätzig. "Vergiss es, was auch immer du dir in deinen Kopf gesetzt hast!", fauchte sie einer angriffslustigen Katze nicht unähnlich und würde nicht auch nur die geringste Berührung zulassen.
Nur, weil sie jetzt keinen direkten Begleiter mehr hatte, der sie beschützte, bedeutete das noch lange nicht, dass sie jeden x-beliebigen Kerl an sich ranlassen würde. Und dass dieser Bursche das im Sinn hatte, lag für sie nach diesem Blick auf der Hand. Oh, sie ahnte ja nicht, wie sehr sie sich irren konnte!
Als sie das Duell der Blicke gewonnen hatte, wandte auch sie den Kopf wieder ab und sah erneut hinaus auf die Wellen. Schon verschwand er aus ihrem Augenwinkel und sie hegte die Hoffnung, endlich ihren Willen zu bekommen, als... als in ihrem Rücken ein Stuhl verschoben wurde. Mehr noch, nach einem leisen Knarzen sprach er einfach weiter.
"Wann habe ich dir eine vertrauliche Anrede gestattet?", zischte sie dazwischen und wollte auf diese Weise den Standesunterschied zwischen ihnen noch mehr betonen. Denn im Gegensatz zu ihrem Verhalten dem Kapitän gegenüber, dem sie ein Mindestmaß an Ebenbürtigkeit aufgrund seiner derzeitigen Stellung zugebilligt hatte, würde sie das bei diesem Burschen niemals zulassen.
Leise schnaubte sie daraufhin wenig damenhaft. "Sobald ich wieder in angemessener Gesellschaft bin, werde ich vieles sein, aber sicher nicht allein!" Nur einsam... Diese Erkenntnis drohte ihr das Herz zu zerdrücken einen Moment lang.
Bis die nächste Frage folgte, die sie gewiss nicht zu beantworten gedachte. Als ob sie ein niedriges Bürschchen es wert wäre, ihren vornehmen Namen hören zu dürfen! Unabhängig davon, dass sie diesen eigentlich nur ihrem Stiefvater und sonst niemandem, schon gar nicht ihrem Blut, zu verdanken hatte... Umso verbissener blendete sie ihre eigene, ärmliche Herkunft aus.
Doch sie musste gar nichts sagen, denn die andere Person fuhr fort... und erreichte endlich einen Augenblick der Klarheit bei ihr. Madiha... Moment! Azuras Augen weiteten sich einen Atemzug lang, dann wirbelte sie herum, dass ihr aufgrund der Spannung in der Luft kurzfristig ebenfalls schwindelig wurde.
Als sie ihr Gegenüber ansah, wurden ihre Augen daraufhin schmal und sie musterte das Gesicht eingehender. Es war jung, wahrscheinlich sogar in etwa in ihrem Alter, und besaß feine Züge, wenngleich auch verunstaltet durch hässliche Narben. Der Blick kam aus hellen Augen, die Haut selbst war noch nicht so wettergegerbt wie bei Matrosen üblich, und die Lippen waren fein geschwungen. Das Haar war kurz geschnitten und dunkel, wie auch die Augenbrauen.
Nur Bartstoppeln... die konnte die junge Frau nicht ausmachen. Weil das Licht zu schlecht war? Der Bursche noch zu jung für den ersten Flaum? Oder weil... tatsächlich ein Mädchen in dieser Kleidung steckte?!
Skeptisch hob Azura eine Augenbraue an und verschränkte die Arme vor der Brust, dass der Stoff unangenehm auf ihrer noch salzigen Haut kratzte. "Netter Trick, aber ich bin nicht dumm. Sag das deinem Kapitän und verschwinde endlich!", kam es scharf von ihr, wenngleich nicht mehr ganz so gezielt verletztend und von oben herab wie noch bisher.
Noch immer wollte sie nichts sehnlicher als ihre Ruhe, doch zugleich war auch ein Hauch von Neugier in ihr geweckt worden. Sollte das vor ihr wirklich ein Mädchen in Männerkleidung sein? Auch noch aus Sarma? Und warum?
Nein, das ging sie im Prinzip nichts an und sie wollte damit erst recht nichts zu tun haben. Aber... es bot ihren Gedanken gerade eine kleine Ablenkung und diese Atempause wäre durchaus notwendig für ihre gepeinigte Gefühlswelt.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 21. August 2022, 13:27

"Vergiss es, was auch immer du dir in deinen Kopf gesetzt hast!" Madiha hob die Augenbrauen überrascht an. „Was?“, fragte sie nicht verstehend und wandte den Blick tonlos seufzend ab, als die andere sich wieder dem Blick nach draußen widmete. Sie ließ sich von der Stutenbissigkeit der Rothaarigen nicht beeindrucken, hatte aber das unterschwellige Bedürfnis, sich von ihr zu entfernen. Aus mehreren Beweggründen. Zum einen war sie wenig sympathisch. Dann war Madiha keineswegs freiwillig hier und sie fühlte sich seltsam wacklig auf den Beinen. Ob das die Nachwehen des Erlebten waren? Sie hatte noch gar keine Zeit gehabt, das wirklich zu verarbeiten. Ständig passierte etwas, was ihre Aufmerksamkeit einforderte. Die ehemalige Sklavin setzte sich einfach auf einen Stuhl, um der ehemaligen Meerjungfrau keine Genugtuung zu verschaffen, ihr noch die Augen auskratzen zu können. Mit den Armen vor dem Bauch verschränkt, saß das dürre Mädchen lässig da und betrachtete den Hinterkopf der Rothaarigen. Madiha versuchte weiter Konversation zu machen und irgendwie an die Adelige heranzukommen, doch die erwies sich als äußerst harter Brocken. "Wann habe ich dir eine vertrauliche Anrede gestattet?", zischte sie ihr entgegen und die Dunkelhaarige blinzelte perplex. Hätte man ihr ins Gesicht geschaut, hätte man darin durchaus eine leichte Begriffsstutzigkeit erkennen können. „Was?“, machte sie wenig geistreich und kannte sich mit derlei Dingen und höfischem Getue nun wirklich nicht aus. „Ich hab‘ dich… wie meinst du denn das jetzt?“, hakte sie nach und noch immer fiel ihr das Sprechen schwer und ihre Stimme war kratzig. Wie lange es wohl dauern würde, bis sich ihre Kehle von dem Angriff erholt hatte? Madiha hoffte inständig, dass sie bald davon loskommen würde. Oder würde sie bleibende Schäden davontragen? Noch mehr Narben vielleicht? Madiha entglitt für einige Sekunden das Gesicht, wirkte erschöpft, ehe sie sich wieder auf ihre Aufgabe konzentrierte. Das Fauchen aus Richtung Fenster, lenkte sie von ihrem inneren Dilemma ab. Sie schnaubte und nickte etwas. „Ja von wegen!“, zischte sie zurück und schüttelte langsam den Kopf.

Bei der sympathischen Art war sie sicherlich ein gerngesehener Gast auf jeder Feier. Oder was auch immer jemand wie sie so tat. Trotzdem vergraulte man Madiha mit diesen scharfen Worten nicht, sie bemühte sich weiter und stellte sich vor. Mit ihrem richtigen Namen. Die Reaktion ließ Madiha leicht lächeln. Sie ließ die andere gewähren, als sie sie musterte und blieb stumm dabei. Die Sarmaerin konnte die Frau denken hören und gab ihr den Moment. Sie glaubte beinahe, dass das Eis sich brechen ließe, doch machte die Rothaarige einen Rückzieher und schnarrte erneut in ihre Richtung. "Netter Trick, aber ich bin nicht dumm. Sag das deinem Kapitän und verschwinde endlich!" Madiha seufzte. „Dumm vielleicht nicht.. aber undankbar und arrogant.“, platzte es plötzlich aus dem Mädchen heraus und sie erschrak selbst vor ihren Worten. Madiha biss sich auf die Zunge und duckte sich kurz zwischen ihre Schultern. Hatte sie das wirklich ausgesprochen? Naja,… jetzt wo es erstmal heraus war. Das Wüstenkind erhob sich von ihrem Stuhl und reckte trotzig das Kinn. „Meinst du denn…, dass du jeden wegstößt…. Und dafür auch… noch Verständnis… erhältst?“, wollte sie scharfzüngig wissen. Vorbei mit nett, Jakub hat nicht davon gesprochen, dass sie die andere mit Samthandschuhen anfassen sollte. „MIR ist es…. völlig egal… was aus … dir wird. Ich habs versucht… aber… ich soll hier… nur aufpassen… alles andere… ist nicht meine Aufgabe!“, rief sie ihr ins Gedächtnis. Ob sie also Essen oder Trinken bekäme oder irgendwann mal eine Notdurft verrichten konnte, hing alles davon ab, wie sie Madiha begegnete. Die Sarmaerin war zwar Zeit ihres Lebens Sklavin gewesen, doch sie hatte inzwischen an der Freiheit gerochen und würde diese nicht mehr so leichtfertig aufgeben. Also musste sich die andere überlegen, wie sie ihr begegnete. Madiha spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht stieg. Sie fühlte sich aufgewühlt, als würde etwas in ihr aufwallen und sie in Bewegung halten. Hatte sie das Gefühl vorhin auch schon gehabt? Offenbar war sie doch noch lädierter als angenommen. Hatte sie sich den Kopf angehauen, als Corax sie gegen die Wand drückte? Vielleicht kam daher ja das leichte Schwindelgefühl. Madiha ging zu der Koje des einstigen Kapitäns und legte sich kurzerhand hinein. Sie verschränkte die Arme unter dem Kopf und starrte gegen das Holz der Decke. „Und du wunderst dich, … warum der… Krähenmann dich ausgetauscht… hat…“, biss sie gemein zu und ließ sich von den aufkommenden, unnatürlich verstärkten Gefühlen und dem Unmut über die zickige Art der anderen, leiten.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 21. August 2022, 20:03

Natürlich unterstellte sie diesem Schiffsjungen, der sich bald als Mädchen vorstellen sollte, nur das Schlechteste. Sie war es gewohnt, dass man ihr hinterher sah, ihre Schönheit pries und sich Dinge mit ihr vorstellte, die sie nicht bereit war zu geben. Das hatte bislang nur einer vermocht, ihr zu entlocken, und das war der Falsche gewesen.
Jemand, der weit unter ihrem Stand war, den sie niemals würde ehelichen können und der ihren Wert auf dem Heiratsmarkt ruinieren würde, würde dieses Ereignis jemals ans Licht der Welt treten. Schlimmer noch, er hatte ihr Herz für sich gewonnen und zuerst langsam verletzt, um es dann plötzlich gänzlich entzwei zu brechen.
Wer konnte es ihr verdenken, dass sie ihre Ruhe wollte und das mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen suchte? Außerdem war da noch die Erfahrung mit dem widerlichen Kapitän Gilles, sodass sie bei zu langen Blicken erst recht niedere Absichten unterstellte.
Azura wollte nichts weiter als ihre Ruhe und doch musste sie sich mit diesem Bengel herumplagen, der etwas an sich hatte, das sie provozierte und ihr zugleich unangenehme Gefühle bescherte. Ähnlich wie ihre eigene Magie, sobald sie diese zu stark oder häufig einsetzte. Als würde sie innerlich verdampfen...
Umso mehr bemühte sie sich, ihn regelrecht wegzubeißen, ohne wirklich etwas in diese Richtung erreichen zu können. Mehr noch, er besaß die Frechheit, sich ungefragt hinzusetzen und sie weiterhin zu duzen, als wären sie standesmäßig auf Augenhöhe.
Dabei hätten sie beide sich, ohne es wohl zu ahnen, gegenseitig ein wenig beistehen können. Auch die Welt der jungen Frau war gehörig aus den Fugen geraten und hatte ihr kaum bis gar eine Gelegenheit dazu gegeben, das Erlebte wirklich zu verarbeiten. Da wäre es sicherlich nicht verkehrt gewesen, einmal darüber zu reden, sich auszusprechen und auf diese Weise ihr inneres Chaos zu ein wenig zu sortieren.
Bei ihrer Zurechtweisung, die in ihren Augen absolut berechtigt war, stellte sich ihr Gesprächspartner dumm, dass sie die Augen verdrehte, obwohl es nur das Meer sehen konnte. "Falls du es nicht mitbekommen hast, ich bin von adeligem Blut, im Gegensatz zu dir." Nun ja, zumindest dank der Heirat ihrer Mutte mit Alycide van Ikari...
Gut, das war vermessen, aber alles andere wäre für sie auch unlogisch. Warum sollte jemand ihresgleichen sich als niedriger Schiffsjunge verdingen? Es hätte zwar einige Möglichkeiten für solch einen absonderlichen Weg gegeben, aber sie wollte diese schlichtweg nicht in Betracht ziehen. Stattdessen klammerte sie sich an ihren höheren Stand, egal, ob angeheiratet oder angeboren, um wenigstens irgendwie Abstand wahren zu können.
"Es steht dir somit nicht zu, mich vertraulich anzusprechen.", fuhr sie frostig fort und gewährte dem Bengel weiterhin keinen neuerlichen Blick.
Solange, bis ein Name erklang und dieser definitiv nicht zu der optischen Erscheinung passte. Oder zu dem Schein, den sie damit erzeugen wollte. Azura drehte sich um und unterzog den vermeintlichen Schiffsjungen einer Musterung, die wenig zufriedenstellend ausfiel. Die Worte konnten der Wahrheit entsprechen... oder ein gemeiner Trick sein, um sie noch weiter zu demütigen. Sie wollte letzteres annehmen, um keine Zweifel in sich aufkommen zu lassen, und äußerte diese auch direkt.
Die Erwiderung war, gelinde gesagt, eine reine Frechheit. Ihre Augen wurden schmaler und sie ballte ihre Hände unwillkürlich zu Fäusten. Dann straffte sie ihre Schultern betont und gewährte der anderen einen absolut herablassenden Blick vom Feinsten.
Langsam öffnete sie ihre Hände wieder und hob jene mit dem Schnitt des kleinen Messerchens. "Oh, besten Dank auch. Soll ich hoffen, dass eine Narbe zur Erinnerung verbleibt?", hielt sie dagegen und ihre Stimme troff nur so vor Verachtung und Kälte, dass man es sich beinahe bildlich vorstellen konnte.
Ihr Gegenüber duckte sich und schon glaubte sie, endlich den notwendigen Sieg errungen zu haben, um als Folge ihre Ruhe zu bekommen. Doch weit gefehlt! Der Bengel... oder was auch immer, er oder sie tatsächlich war, holte stattdessen zum Gegenschlag aus.
Erneut wurden Azuras Augen schmal, auch wenn sie den Panzer um ihr Herz bereits zu dick aufgebaut hatte, als dass sie sich dadurch hätte verletzt fühlen können. "Dann halt endlich dein vorlautes Mundwerk!", fauchte sie und drehte sich demonstrativ um. Sie hatte genug, wahrlich genug!
Sie sollte bewacht werden? Schön, wenn dieses Wesen keine andere Aufgabe in ihrem langweiligen Leben fand, sie würde es zu ertragen wissen! Aber er... sie... es... sollte dabei wenigstens still sein! Ihr eigener Zusammenbruch und die Tränen würden dadurch warten müssen und dennoch... sie würde es mit Würde und Haltung zu überstehen wissen.
Wenn... ja, wenn da nicht nach kurzem ein Nachsatz gefolgt wäre, der die schützende Hülle um ihr gebrochenes Herz zu zerreißen drohte. Noch ehe sie sich dessen bewusst war, reagierte ihre Magie auf diesen Angriff in einem Ausmaß, dass ihr selbst einen Moment lang beinahe schwarz vor Augen wurde. Mit einem unterdrückten Keuchen stützte sie sich an dem Fensterglas ab, während eine kleine Fontäne unnatürlich gezielt durch die Öffnung schoss.
Ob sie die Verursacherin traf oder nicht, wusste die junge Frau nicht zu sagen. Es war ihr auch ziemlich egal. Ihr war nur klar, dass ihre Welt einige Atemzüge lang mehr schwankte als allein wegen des Seegangs.
"Verschwinde!", zischte sie schlangenähnlich und mit einer Kälte in der Stimme, die sie selbst frösteln ließ. Warum taten ihr die Götter nur so etwas an? Sie hatte nichts getan, um diese Qualen zu verdienen, denen sie auf diesem Schiff ausgesetzt war!
Flüchtig flackerte der Wunsch in ihr auf, ihr Gegenüber nicht vor dem Wellentod bewahrt zu haben... Oder davor, erwürgt zu werden...
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 21. August 2022, 23:49

Während Madiha sich zu Azura in die Kapitänskabine begab, löste Jakub die Taue, die Corax an den Mast des Schiffes fesselten. Sobald der Elf frei war, packte sein neuer Herr ihn forsch am Hemdskragen und riss ihn auf die Beine. Dieses Mal lag Strenge im stahlgrauen Blick des Mannes. Er wechselte wenige Worte mit dem Dunkelelfen, der daraufhin nur nickte. Schließlich folgte er unter Deck und in jene Kajüte des Ersten Maates, die Jakub noch immer bezog. Die Tür wurde verriegelt. Das hinderte eine kleine Gruppe jedoch nicht, sich als insektenhafte Plagegeister durch die Ritzen zwischen den Planken zu zu quetschen, um Blicke auf die Szene zu werfen.
Es dauerte nicht lange, da kehrten die Kakerlaken in den Laderaum zurück. Dort drängten sie sich hinter mehreren Fässern zusammen. Erste von ihnen begannen, nun in Rattenform, den Pelz zu schütteln.
"Widerlich! Selbst wenn er leidet, da will ich nicht zusehen!"
"Jaja, nein, nein ... das muss niemand sehen."
"Aber was tun wir jetzt?"
, fragte eine der schwarzen Ratten, als sie begann, ihr Fell zu putzen. Ein Kamerad von ihr krabbelte auf einen humanoiden Leib, dessen knorrige Finger ihm durchs Fell strichen. Eine lange, spitze Nase versenkte sich ebenfalls im Fell und kratzte mit ihrer scharfen Spitze dort eine Stelle, die der Ratte besonders zwickte.
"Weiß jemand, wie weit das Ufer noch entfernt ist?"
"Zu weit. Wir sollten uns vorher ordentlich ausruhen."
"Aber nur herumzusitzen, ist ja langweilig!"
"Oh, ich hätte eine Idee, um uns zu beschäftigen..."

Alle spitzten ihre Rattenohren. Wenig später huschten Kakerlaken über Deck. Sie erreichten den Heckbereich des Schiffes. Die mittige Tür, die dort in die Kabine des ehemaligen Kapitäns führte, war geschlossen. Eifrig suchten die kleinen Tierchen nach Ritzen, durch die sie schlüpfen konnten. Und es dauerte tatsächlich nicht lange, bis sie fündig wurden. Zwar bekamen sie so nicht die gesamte Unterhaltung zwischen beiden Frauen mit, aber das hinderte sie nicht daran, sich unter dem Bett des Kapitäns aufzureihen und von dort aus zu beobachten, was ihnen geboten wurde.
"Spürt ihr die natürlichen Spannungen zwischen beiden?"
"Jaja, die vertragen sich nicht."
"Und ihre Magie-Richtungen auch nicht, hehe."
"Mir gefällt etwas Anderes aber besser."
"Ohja, schaut, wie sie leidet. So sehr, um ihren verstoßenen Raben ... ohhh, so süßer Kummer."
"Mir gefällt es, dass er nicht mehr an ihrem Rockzipfel hängt. Beide leiden."
"Wir sollten ihm bald Nadel und Faden bereitlegen."
"Ohja, ohja!"

Leises Klackern der Begeisterung erklang unter dem Bett und doch blieb es vollkommen ungehört. Wer Azura und Madiha da beobachtete, war sicher. Beide waren miteinander beschäftigt und würden es auch noch eine Weile bleiben. Zwar hatte Kapitän Tauwetter ihnen zugesagt, den neuen Sklaven bald mit einer Mahlzeit zu ihnen zu schicken, dazu müsste jener aber erst einmal Zeit haben. Im Moment war er mit seinen neuen Pflichten gegenüber dem Kapitän voll ausgelastet. Das Wüstenmädchen und die Adelstochter hatten Zeit ... und Publikum.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 22. August 2022, 13:18

Dass Madiha mit einer Person konfrontiert wurde, die sich etwas auf ihre Herkunft einbildete, war völlig neu für sie. Dass die junge Frau am Fenster wahrlich der Meinung war, sie könnte so irgendetwas ausrichten und ihren Willen durchbringen, verstand Madiha einfach nicht. In ihrer Welt lief es völlig anders ab und sie hatte ‚den Adel‘ in dieser Form nie kennengelernt. Bei ihr herrschte nur das Gesetz des Stärkeren – und dann auch nur, wenn es jemand männliches war. Dass Frauen durchaus durch Stand oder Herkunft etwas zu sagen hatten und vor allem Gehör fanden, wusste Madiha nicht. Demnach war ihre Nachfrage bezüglich der Anrede auch vollkommen ehrlich gemeint. Die Antwort der Frau war jedoch alles andere als erklärend. "Falls du es nicht mitbekommen hast, ich bin von adeligem Blut, im Gegensatz zu dir." Schon wieder biss die Rothaarige in ihre Richtung, doch Madiha hob nur beide Arme. "Es steht dir somit nicht zu, mich vertraulich anzusprechen." „Ja und?!“, schoss sie zurück. „Sieh dich… doch mal um! Du bist nicht … zu Hause!“, fauchte Madiha zurück und spürte die nicht ganz so natürlichen Stimmungsschwankungen aufkommen. Allerdings bemühte sie sich darum, es auf anderem Weg zu versuchen und fragte sie nach Hunger oder Durst. Doch das schien sie völlig überhört zu haben in ihrer schier endlosen Hochnäsigkeit. Dass sie sich indes als Mädchen vorstellte, schien auch nicht das Richtige gewesen zu sein. Daraufhin giftete die andere ihr entgegen, sodass Madiha ihr abermals aufzeigen wollte, dass sie sich nicht richtig verhielt. Sie bezeichnete sie als undankbar und arrogant, sodass gleich der nächste Seitenhieb folgte. Madiha’s Blick fiel auf die verletzte und notdürftig bandagierte Hand. Unglauben stieg in ihrem Gesicht auf. Die eiskalte Verachtung, die ihr entgegenschlug, machte etwas mit ihr. Sie wurde augenblicklich in das Erlebte zurückversetzt und sie sah sich noch gut in ihrer vernichtenden Position, während die andere auf ihre Hand starrte. In Madiha’s Augen flackerte so etwas wie Wut auf. Meinte sie das wirklich ernst? Dass ihr Schnitt das Übel der Welt wäre? Dieser Schnitt?! Sie erwiderte nicht direkt darauf, sondern starrte nur auf den gestrafften Rücken der Adeligen, die sich inzwischen wieder abgewandt hatte. Bis sie ihr aufzeigen wollte, dass sie, die unadelige, durchaus der Schlüssel sein könnte, um es etwas angenehmer zu haben. Sie durfte sich immerhin ungehindert auf dem Schiff bewegen. Anders als die hochwohlgeborene-wie-auch-immer-sie-hieß. Doch die beiden Frauen erwischten sich auf dem völlig falschen Fuß. Ihre Unterschiedlichkeit lag nicht nur in ihrer Herkunft, sondern auch in den jeweiligen Magie-Richtungen, wovon zumindest Madiha nichts wusste.
Das verstärkte die Diskrepanz nur noch zusätzlich und half derweil weniger dabei, dass sich die Gemüter beruhigten. Auch die Rothaarige hatte offenbar genug, als sie ihr den Mund verbieten wollte. Madiha schnaubte nur ablehnend, ging zum Bett des Kapitäns, um sich hineinzulegen.

Die Art und Weise der anderen, brachte auch Madiha’s Blut in Wallungen, sodass sie sich zu einem gemeinen Ausspruch hinreißen ließ, der bewusst gewählt war, um die Adelige zu verletzen. Was auch passierte. Noch ehe Madiha reagieren konnte, traf sie ein Schwall Wasser mitten ins Gesicht. Sofort kam die ehemalige Sklavin aus dem nassen Bett gerollt und stand pitschnass vor ihr. Ihr Atem ging schwer, weil sie sich zu Tode erschrocken hatte und weil sie wütender wurde. Funkelnd bedachte sie die Wasserhexe mit einem Blick. „Mach das noch… mal und du wirst dir… wünschen, dass der… Schnitt dein gering-…stes Problem ist!“, schnauzte nun Madiha ihr entgegen. Sie wischte sich mit der flachen Hand über das Gesicht, um wenigstens das Grobe wegzuwischen. Ihr Kragen des Hemdes von Dunia war dennoch nass und darunter sog sich langsam alles voll. Auch ihre dunklen Haare hatten ordentlich etwas abbekommen und hingen schwer an ihrem Gesicht herab. „Da wo ich… herkomme… wärst du… auch nicht mehr wert… als ich!“, schoss sie ihr entgegen, auch wenn ihre Wut vielleicht durch die lädierte Kehle etwas unterging. Noch einen Moment atmete Madiha schwer. Sie hatte große Mühe ihre Wut in sich niederzuringen, wollte das gerade auch gar nicht und spürte deutlich den altbekannten Knoten, der sich neuformieren wollte. Im Gegensatz zu der Wasserprinzessin aber, wusste Madiha kaum über ihre Fähigkeiten Bescheid. Sie konnte sie noch weniger kontrollieren und ein Ausbruch könnte durchaus fatal werden. Flackernd war der graublaue Blick auf die andere geheftet, bis die Schreie und entsetzten Gesichter ihr Gedächtnis fluteten... An die Katastrophe durch Corax und die Frau erinnert, kniff sie die Augen zusammen und musste sich wahnsinnig beherrschen. Plötzlich machte sie aber einen Schritt zurück und keuchte auf, entließ die Wut aus ihren Lungen, schaffte es, sich zu beruhigen. Zumindest was ihre Magie betraf. Sie war so müde und auch sie wollte einfach nicht hier mit ihr sein. Wieso musste sie sich das antun? Weil sie ein Mädchen war? Nur deshalb? Wäre es nicht besser gewesen jemanden zu schicken, der sich mit dem ganzen Brimborium auskannte, das die andere ständig erwähnte? Wieso sie?
Madiha fehlte jegliches Verständnis dafür. Einen Moment blieb es ruhig, seitens der Sarmaerin. Sie brauchte nach der Wasserattacke wirklich Zeit, um sich zu beruhigen. Doch als sie es geschafft hatte, sah sie auf die junge Frau am Fenster und fühlte sich mit einem Mal in ihren Harem versetzt, den sie lange ihr Zuhause nennen musste. Dort war sie eine unter vielen gewesen. Alles Frauen mit gebrochenen Seelen und schmerzenden Herzen, mit schneidenden Zungen, weil sie einem verletzten Tier gleich, aggressiv reagierten. Madiha wurde weicher im Gesicht und auch die Schultern lockerten sich. „Offenbar heißt… adelig nicht… ein besserer…. Mensch zu sein“, murmelte sie in ihrer Heimatsprache und wandte sich langsam ab. Ihr Blick fiel auf die Koje, die nun nass war und somit keinen Platz zum Ausruhen bot. Also begann Madiha damit, sich in dem Zimmer weiter umzusehen. Sie kam nicht auf die Idee, einfach zu gehen. Dafür war sie dann doch noch zu sehr daran gewohnt, Befehle zu empfangen und auszuführen. Auch wenn ihre Sklavenseele bereits das ein oder andere Mal aufbegehrte – Jakub’s Ansage fesselte sie an diesen Raum. Allerdings brauchte sie nun nichts mehr zu sagen. Ihr reichte es. Sollte die andere in ihrem Selbstmitleid zerfließen. Irgendwann würde sich die Tür öffnen und man würde sie aus dem Dunstkreis der Hexe entlassen. Sie brauchte nur etwas durchzuhalten und ihr keinen weiteren Angriffspunkt zu liefern. Solange sie zudem etwas Abstand hielt, hielten sich auch die Schwankungen in Grenzen. Madiha tat so, als würde sie sich die Schränke ansehen und klopfte kurz gegen das Schiff im Glas, das als Dekoration diente. Bis nach einer halben Ewigkeit, doch wieder die Stimme des Mädchens ertönte. „Hast du… jetzt vielleicht … Hunger?“, fragte sie plötzlich, als hätte es all die hässlichen Worte nicht gegeben. Als wären sie nicht verbal und körperlich aneinandergeraten. Madiha spürte allerdings in ihrem Magen, dass sie Hunger hatte. Sie hatte als letzte Mahlzeit nur einen Apfel gehabt, den sie dann auch noch an Caleb verlor. Ihr Kopf hob sich und sie sah zur Tür. Caleb… Vielleicht hätte er besser hier aufgepasst. Kam er nicht auch aus Andunie? Er kannte sich vermutlich aus mit alldem was da am Fenster stand und schmollte. Madiha seufzte plötzlich. „Es tut mir leid…“, lenkte sie mit einem Mal ein und schaute auf. „Ich… es war alles viel die letzten Tage… ich…“, wie ein Häufchen Elend stand sie nun im Raum, sah die andere an. „Es tut mir leid, was ich gesagt habe… über… deinen Freund…“, gab sie zu und meinte es durchaus ehrlich.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Montag 22. August 2022, 15:15

Auch für die junge Frau war vieles neu und fast alles davon entsprach keiner für sie positiven Entwicklung. Doch anstatt ihr endlich etwas Ruhe zu gönnen, damit sie sich wenigstens ein bisschen fassen könnte, wurde sie weiterhin gequält mit diesem Bengel... dieser Göre... oder was immer es auch war!
Dabei war auch deren Welt etwas, das Azura nicht kannte und von dem sie nur sehr, sehr wenig wusste, weil es sie bis dahin eigentlich nie interessiert hatte. Sie wusste, wo Sarma lag, welche Handelsgüter von dort kamen und sich dort gut verkaufen ließen, das war es auch schon.
Ob sie hingegen selbst Wurzeln bis zu dieser Insel hatte, hatte sie nie erfahren, weil ihre Mutter niemals erzählt hatte, wer ihr leiblicher Vater war. Und sie hatte damit zu leben gelernt, ohne weiter danach zu suchen, sondern sich lieber dem für sie Angenehmen gewidmet.
Aber dieses Leben war unwiderbringlich vorbei, während sie nicht zur Ruhe kommen konnte, um sich diesen Umstand begreiflich machen zu müssen. Somit flüchtete sie sich lieber in ihre adelige Haltung und versuchte, mit der arroganten Maske zu verbergen, wie einsam und verloren und verletzt sie sich in Wahrheit fühlte. Ja, sogar vor sich selbst wollte sie das verstecken, um sich nicht dem Leid zu stellen, das damit einhergehen würde.
Also biss sie um sich mit Worten und fand jemanden, der sich davon kaum beeindrucken ließ, was wiederum ihren eigenen Zorn umso mehr entfachte. Dass ihrer beider Magie dabei eine nicht gerade kleine Rolle spielte, ahnte auch Azura nicht und selbst wenn, wäre es ihr vermutlich gleichgültig gewesen.
Also wies sie die Person in ihrem Rücken zurecht und gab einen abfälligen Laut von sich, als diese glaubte, ihr eigener Rang wäre nichts wert, nur, weil sie sich nicht in Andunie aufhielt. Dass dem auf diesem Schiff wahrhaftig so war... das schob sie vehement zur Seite.
"Was für ein Dummchen!", murmelte sie in sich hinein und wählte dabei unbewusst jene Sprache, die die andere nicht verstand. Aus welchen Gründen auch immer das so geschah. Der Tonfall war dennoch eindeutig ein negativer und ließ darauf schließen, dass sie gerade keine Artigkeit ausgeplaudert hatte.
Daraufhin schien sich die Situation noch mehr hochzuschaukeln. Das Angebot mit Essen und Trinken hatte sie tatsächlich überhört, obwohl die letzten Ereignisse ihr ausreichend den Magen verdorben hatten, um kein Bedürfnis danach zu verspüren. Die anderen Punkte allerdings... Nein, so leicht wollte sie dem Bengel sein wahres Geschlecht nicht glauben und ja, für sie war dieser Schnitt eine absolute Katastrophe.
Mochte ihr Gegenüber auch von Narben im Gesicht weitaus stärker verunstaltet sein, die die hübschen Züge darunter nicht sofort erahnen ließen, die junge Frau war stets sehr stolz auf ihre reine Haut an den sichtbaren Stellen gewesen! Ihr Aussehen war ihr Kapital gewesen, ihr Garant für all die Galane und Aufmerksamkeiten, in denen sie sich gesonnt hatte und nach deren Oberflächlichkeiten sie sich jetzt umso mehr zurück sehnte. Hatten diese schließlich bedeutet, dass sie sich nur wenig Gedanken über irgendwelch tieferen Gefühle auf beiden Seiten machen musste und bei weitem nicht so verletzt werden konnte, wie es vorhin geschehen war.
Ja, mehr noch, ihre Galane waren austauschbar gewesen, ebenso wie ihre Freundinnen! Wer sich daneben benommen oder ihr nicht mehr gepasst hatte, dessen Platz hatte nur allzubald jemand anderes eingenommen und sie hatte keinen weiteren Gedanken daran verschwendet. Wie anders war es nun mit ihrem ehemaligen Begleiter... Um niemanden den Schmerz in ihrem Inneren zeigen zu müssen, drehte sie sich wieder um und starrte aufs Meer hinaus.
Danach schienen sie sich endlich unausgesprochen darauf zu einigen, dass sie einander besser anschweigen sollten. Solange, bis die andere eine Bemerkung fallen ließ, die dermaßen unter die Gürtellinie ging, dass Azura sich einen Moment lang vergaß. Ihre Magie verselbstständigte sich in einer Intensität, die sie beinahe bewusstlos werden ließ. Sie musste Halt an der Verglasung vor sich suchen, während sie keinen Blick dafür hatte, ob und wohin der Wasserstrahl getroffen hatte. Nein, sie wollte nur noch, dass die andere verschwand!
Und wenn diese es nicht freiwillig täte, würde sie dafür höchstpersönlich sorgen, indem sie sich sogar die Finger schmutzig machen würde an ihr! Einen kurzen Moment lang stellte sie sich sehr bildlich vor, wie sie diese Göre im Haar packen und gegen die Öffnung in der Fensterfront pressen würde, mit dem Ergebnis, dass sie entweder herausfinden würden, ob die andere schwimmen könnte, oder dass sie durch die Tür entschwinden würde.
Dass sie es nicht in die Tat umsetzte, es nicht einmal in ihrer Verzweiflung versuchte, lag daran, dass sie durch den Magieausbruch etwas geschwächt war und ihre restliche Kraft vorläufig dafür verwenden musste, auf den Beinen zu bleiben. Dennoch war ihr Blick eiskalt und herablassend, als sie über die Schulter zu der Göre hinsah. Einen Moment lang fühlte sie Genugtuung darüber, dass der Wasserstrahl scheinbar vollständig getroffen hatte, obwohl sie nicht bewusst gezielt hatte.
Bei der Drohung hingegen gab sie einen verächtlichen Laut von sich. "Ach ja? Und ich dachte, ich helfe dir lediglich beim Sand Abwaschen!", gab sie leise, wenngleich äußerst scharf von sich.
Bei der nächsten Bemerkung verengten sich ihre Augen leicht und sie sah erneut demonstrativ aus dem Fenster. Ganz so, als befände sich keine wütende, kleine Kratzbürste mit ihr in diesem Raum, die ihr schon eine Verletzung zugefügt hatte. "Dann scher dich doch dorthin zurück!", zischte sie und hatte einen Moment lang die irrige Hoffnung, dass sie jetzt endlich allein gelassen werden würde.
Doch das geschah nicht, obwohl sie zumindest von weiteren Bemerkungen verschont wurde. Das war auch gut so, denn ihr war noch immer leicht schwindelig und sie musste sich darauf konzentrieren, sich wieder zu fangen. Dieser Magieausbruch war nicht ohne gewesen. Nicht, weil der zurückgelegte Weg des Wasser derart weit gewesen wäre, im Gegenteil. Aber die Menge war schlichtweg zu viel für sie gewesen.
Allmählich beruhigte sich auch Azura und konnte damit beginnen, ihre unmittelbare Umgebung auszublenden, bis sie nur noch die Wellen durch das Glas sehen konnte, deren Rauschen hörte und das Salz roch, das die feine Brise beständig mit herein trug. Langsam, ganz langsam kam damit auch die Ruhe und half ihr dabei, ihre aufgewühlten Gefühle soweit zu bannen, dass sie nicht mehr wie wild um sich schlugen. Zwar war es bei weitem noch nicht genug, als dass sie auf dem Weg der Besserung hätte sein können, allerdings soweit, dass sie anfangen könnte, klarer zu denken.
Wobei sie sich instinktiv so sehr darauf konzentrierte, dass sie das Murmeln in der für sie zwar ungewohnten, jedoch nicht vollkommen unbekannten Sprache nicht hörte. Besser gesagt, nicht hören wollte. Sie hätte womöglich nicht alles direkt verstanden, sich den Sinn aber soweit zusammen reimen können, um darauf anzuspringen. Doch nein... Es war jetzt schon viel zu viel für sie, als dass sie sich damit auch noch herum schlagen wollte... und konnte.
Was war passiert? Die Magie des Dunkelelfen hatte sie beide überleben lassen, bis sie zu diesem Schiff gelangt waren, auf dem er ein Unglück sondergleichen angerichtet hatte, um seinen Zauber am Ende aufzuheben. Dadurch hatten sie aber auch keinen Vorteil mehr oder waren mehr oder weniger wie Gefangene, denn dieser verfluchte Kapitän scherte sich nicht um Namen oder brachte ihr auch nur ein Quäntchen Respekt entgegen. Und zu allem Übel hatte sie feststellen müssen, dass diese zarten Gefühle, die sie entwickelt hatte, umsonst gewesen waren. Nein, nicht umsonst, schlimmer, vergebens, vergeudet...
Ihre Kehle schnürte sich bei dieser neuerlichen Erkenntnis des bereits Bekanntem zu und sie musste die Zähne aufeinander beißen, dass sie knirschten, um ein Schluchzen zu unterdrücken, das sich hochdrücken wollte. Leicht würgte sie, als just in diesem Moment die Frage in ihrem Rücken erklang.
Zuerst blinzelte die junge Frau verständnislos gegen das Glas und konnte nichts begreifen. Dann aber wurde ihr noch mehr übel, sodass sie sich unbewusst die Hand auf den Bauch legte. "Mir ist der Appetit vergangen.", murmelte sie leise und mehr für ihre eigenen Ohren bestimmt als für fremde. Obwohl sie sich dabei dem allgemeinen Celcianischen bediente.
Schon drohte sie wieder in ihrem eigenen Leid zu versinken, als die Göre scheinbar ihr Bedürfnis zum Reden wiederentdeckt hatte. "Er ist nicht... mein... Freund...", kamen ihre Worte erneut in ihrer Heimatsprache über ihre Lippen, wenngleich in einer derartigen Bitterkeit, dass es ihr allein ob des Klangs das Herz regelrecht zu zerreißen drohte.
Schlagartig brannten ihre Augen verräterisch und sie musste sich auf ihre geballte Faust beißen, um nicht doch noch laut aufzuschluchzen. Nein, niemals, sie würde jetzt nicht weinen! Nicht weinen!
Zuletzt geändert von Azura am Dienstag 23. August 2022, 15:33, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 23. August 2022, 14:30

Es war wohl das Klügste, was beide Frauen hatten machen können. Einfach aufzuhören zu reden. Madiha funkelte den Rücken der adeligen Hexe noch eine Weile an, stellte sich sogar einige unschöne Dinge vor, doch blieb ihr Mund geschlossen. Sie gab ihr kein Futter mehr, um den Zorn weiter zu schüren und sich an ihr abzureagieren. Die Rothaarige hatte Madiha bewiesen, dass sie keinerlei Lust darauf verspürte, sich ihr zu öffnen oder auch nur Banalitäten auszutauschen. Sie hielt sich für höher und besser gestellt, offenbar gebot ihr das irgendein skurriler Rang, den Madiha nicht kannte. Selbst Jakub hatte sich davon nicht beeindrucken lassen und er war sicherlich gebildeter als Madiha. Er kannte mit Sicherheit die Gepflogenheiten anderer Städte und wusste um diesen Stand, den sie so heraufbeschwor. Allerdings verkannte die andere offenbar, dass es einfach Menschen gab, die eben nicht um diese Dinge wussten. Und die deshalb nicht angemessen reagierten oder eben solche, denen schlichtweg andere Dinge wichtiger erschienen. Madiha gehörte derzeit auf jeden Fall zu ersteren, Unwissenden. Allerdings würde sich an ihrer Haltung gewiss nichts ändern, wenn sie eine Erklärung bekommen sollte. Sie hatte gestandene Frauen gesehen, die zerstört wurden durch Taten anderer. Und auch sie, die rothaarige Wassernixe, wirkte auf Madiha alles andere als entspannt. Das Erlebte und die Zurückweisung ihres Raben schienen an ihr zu nagen. Dann noch der vermeintlich fehlende Respekt – vermutlich biss sie deshalb um sich wie eine Stute. Doch auch wenn das alles gewiss seine Berechtigung hatte – Madiha war die falsche Person für ihre Wut. Das Mädchen, ähnlich alt wie sie, hatte bei weitem nichts getan, was es rechtfertigen würde, so mit ihr umzugehen. Allerdings schoss auch sie ziemlich unter die Gürtellinie, jetzt wo sie erstmal provoziert war. Und das führte selbstverständlich dazu, dass sich alles in einen entscheidenden Moment hochschaukelte in der die am Fenster Stehende sich ihrer Magie bediente. Und diese Magie bereitete Madiha durchaus Angst. Sie hatte gesehen, wozu diese fähig gewesen war und es selbst erleben müssen. Kein Wunder also, dass sie einander einfach nicht sympathisch waren. Dass es allerdings zusätzlich an ihren Magiearten lag, die sich nicht vertrugen, davon wusste das Wüstenkind nichts. Während Madiha sich auf die Zunge biss, um endlich das Gespräch mit ihr zu beenden, nutzte die andere die Stille, um ihren Gedanken nachzuhängen. Auch Madiha tat das, getarnt mit Aktionismus. Sie konzentrierte sich und ihre abflauende Wut auf das Inventar.

Zuerst ging sie zum Schreibtisch, auf dessen Stuhl sie gesessen hatte. Hier lagen Karten verstreut, die Madiha mit den Fingern der Linken beiseiteschob, um zu erkennen, was sich darauf befand. Ihr Blick fiel auf das Tintenfässchen am Boden. War ihr zuvor gar nicht wirklich aufgefallen, so verblendet war sie von der anderen gewesen. Das Mädchen ging um den Schreibtisch herum, hockte sich hin und klaubte die restlichen Scherben auf. Ihre Finger bekamen hier und dort blaue Flecken, doch das störte sie nicht. Sie legte die Scherben auf den Schreibtisch zurück und musterte noch mal die Karten und Pergamente, bevor sie weiter ging. Hier gab es noch eine Vitrine. Die blauen Finger griffen nach dem Schloss, welches Unbefugte daran hinderte, sich überhaupt Zugang zu verschaffen. Was auf den Rollen wohl stehen mochte? Ob sie das mit ihrer wenigen Schulung in Sachen Lesen überhaupt entziffern oder gar begreifen könnte? Madiha stellte sich nur kurz vor, was sich da für Wissen tummeln konnte, bevor sie erfolglos vom Schloss abließ und an den hohen Schrank trat. Sie betrachtete ihn einmal bis zur Decke, ehe sie neugierig die Türen öffnete. Behutsam öffnete sie erst die eine, dann die andere Tür und blickte in das Innere des Ganzen. Den Kapitän – den eigentlichen – hatte sie nur einmal gesehen. Er war farblos im Gegensatz zu Jakub Tauwetter, dem sie durchaus so einige Momente verdankte. Madiha wusste nicht mal wieso, aber sie hatte den einstigen Ersten Maat gern. Nicht auf eine vertraute Art und Weise, aber irgendetwas ließ sie sich sicher fühlen, wenn er in der Nähe war. War es das Geheimnis? Allerdings schaffte ein solcher Pakt kaum Sicherheit.
Es war stets ein Druck dahinter. Nein… Es lag wohl an der Art des Mannes selbst. Und daran, wie er Madiha begegnete. Das Mädchen ließ den Schrank und dessen Inhalt zurück und kehrte langsam zu der am Boden zerbrochenen Flasche Rum. Sie rümpfte die Nase bei dem Geruch, als sie sich auch hier hinunterhockte, um die restlichen Scherben aufzuheben. Auch diese legte sie behutsam auf den Tisch. Es wäre Zeit gewesen, sich einmal genau Gedanken zu machen. Gedanken über all das Erlebte binnen kürzester Zeit. Doch Madiha verschloss sich davor. Sobald sie nämlich auch nur einen Müh davon durchsickern ließ, brandete die schiere Angst auf, die sie erlebt hatte, als sie beinahe Krakenfutter geworden wäre. Oder als Corax ihr die Kehle zu zerquetschen drohte, mit dem unbändigen Willen, sie zu töten. Und sie hätte an Caleb denken müssen, der ihr die Röte in die Wangen trieb, seit er sie so erleichtert empfangen hatte und in seine Arme schloss. Nein, Madiha wagte es nicht jetzt darüber nachzugrübeln. Sie würde vermutlich in sich zusammenfallen und, mit einem Blick auf die Adelstochter, wären sie da offenbar bereits schon zu zweit. Madiha seufzte innerlich und erhob doch noch mal die Stimme. Sie fragte sie, ob sie Hunger hätte und sie antwortete tatsächlich. Das Mädchen aus der Wüste nickte langsam. Sie verstand das und doch… „Mit leerem Magen denkt es sich schlechter…“, murmelte sie und schob eine Entschuldigung bezüglich ihres Verhaltens hinterher. Leider antwortete sie nur auf der ihr fremden Sprache, sodass Madiha zwar die Bitterkeit hörte, aber den Sinn dahinter nicht verstand. Sie zuckte die Schultern und tippelte unsicher auf dem Schreibtisch mit ihren Fingern, die noch immer eine leichte Blaufärbung hinterließen. Ihr Blick fiel auf die zerbrochene Flasche Rum und dann auf den Schreibtisch. Ob der Kapitän vielleicht noch eine zweite in den Fächern seines Tisches hatte? „Willst du vielleicht… was trinken?“, hakte sie dann nach und erinnerte sich gut daran, dass die Mädchen im Harem Alkohol dazu nutzten, einiges vergessen zu können. Und wenn es nur für den Moment war. Madiha ging um den Tisch herum und hockte sich hin, um die Fächer an den Seiten zu öffnen. Vielleicht gab es die Möglichkeit, für sie beide, einen Moment dem ganzen Schrecken zu entfliehen….
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 24. August 2022, 07:48

Die Ratten stoben zurück, bis sie die Holzwand erreichten, blieben aber weiterhin unter dem Bett. Entweder lebten sie hier die allgemeine Vorsicht der Tiere vor zu hoher Feuchtigkeit und damit oftmals verbundenen tötlichen Atemwegserkrankungen aus oder sie mochten im Allgemeinen kein Wasser, was immer sie waren. Kakerlaken machte das quirlige Element nämlich recht wenig aus und auch Raben störten sich nicht daran, ihr Aas auch auf verregneten Schlachtfeldern zu finden. Zu einem pelzigen Knäuel zusammengequetscht hielten die Tierchen still und lauschten. Erst als es auch über ihnen ruhig wurde, wagten sie wieder einen Blick aus roten Augen.
"Pah!", beschwerte sich eine und ihr wurmartiger Schwanz virbrierte schon vor Empörung. "Das wird ja langweilig hier. Wo ist das Leid hin?"
"Ja, das Leid, das Leid!"
"Man schmeckt es kaum noch."
"Widerlich, wie sie sich anschweigen. Typisch Menschen. So langweilig!"
"Ja, langweiig, ja ja!"

Ehe die Ratten ihre Stimmen in bemerkbares Quieken heben konnten, richtete die Fetteste von ihnen sich auf die Hinterbeine auf. Sie putzte sich die Schnauze, dann die Ohren und gemahnte so zur Ruhe. "Ihr hört auch nicht zu", warf sie ihren Brüdern vor. "Es ist doch etwas ganz Interessanes gefallen."
"So?"
"Was denn, was denn?"
"Sag schon!"

Genüsslich strich der dicke Ratterich seine Barthaare glatt. Dann streckte er ein Bein von sich und knabberte am Fell. "Sie hat doch gesagt, er sei nicht ihr Freund. Wäre ja zu schade, wenn unser Rabenschrey das hört."
"Zu schade, zu schade!"
"Rabenschrey, Rabenschrey! Gehen wir zu ihm! Jaja!"
Gerade das Quieken von Corax' Namen in der fremden Sprache könnte mit genug Aufmerksamkeit vernommen werden. Immerhin klang es wie Corax, als er Kapitän Tauwetter seinen Namen genannt hatte, wenn auch deutlich leiser und fiepsiger. Die Ratten kümmerten sich nicht mehr darum, entdeckt zu werden. Selbst wenn jetzt jemand unter dem Bett nachschaute, würde er höchsten noch eine Kakerlake ausmachen, die ihren gepanzerten Rumpf zwischen die Plankenritzen quetschte. Die heimlichen Beobachter suchten sich einen anderen Ort.

Auch Madiha begann zu suchen. Weniger aus Neugier als vielmehr aus Ablenkung räumte sie nicht nur die Scherben vom Boden, sondern studierte auch, was die Kapitänskajüte ihr bieten konnte. Da waren zum einen die Karten auf dem einzigen Tisch hier. Es handelte sich komplett um Seekarten, wenngleich sie nun einige Tintenflecke besaßen. Sie zeigten vor allem die Küstengebiete des östlichen Celcias. Madiha mochte vielleicht sogar die Insel Belfa erkennen und sei es nur, weil bei dem dicken, eingezeichneten Punkt am Rand "Sarma" stand. Andunie war ebenfalls eingezeichnet.
Es gab sogar zwei solcher Karten. Sie hatten nahe beieinander gelegen, als wollte man sie miteinander vergleichen. Auf einer waren halbwegs frische Markierungen auszumachen. Kreuze und Einkreisungen, vor allem um Sarma, Andunie, Pelgar. Aber dort, wo die Karte gen Süden endete, hatte jemand einen Pfeil mit der Notiz eingetragen: Königreiche ebenfalls erobert. Piraten auf Seiten der Dunklen.
Vielmehr war ohne navigatorische Kenntnisse nicht herauszuholen, aber der Raum barg noch mehr Geheimnisse. An jene inder Vitrine kam Madiha ohne einen passenden Schlüssel nicht heran. Die aufgerollten Schriften hinter dem Glas mochten allerdings weitere Seekarten oder Ähnliches sein. Dafür konnte sie einen Blick in den Schrank werfen und was sie dort vorfand, überraschte sie vielleicht. Azura hätte auch einen Blick riskieren sollen. Diese Form der Ablenkung wäre Balsam für ihre Augen gewesen.
Verborgen durch die doppelflügelige Schranktür hingen dort mehrere Kleider an einer hölzernen Stange. Schöne Kleider! Zwar nichts, mit dem Azura sich auf einem andunischen Tanzball zeigen würde, aber genug, dass sie es als Seefahrerbraut tragen könnte. Korsetts aus schwarzem und rotem Leder hingen locker um die zugehörigen, reinweißen Blusen und dazu gab es Röcke mit unzählligen Rüschenbahnen in dunklem Rot oder tiefem Blau. Eines der Kleider war gänzlich schwarz gehalten und besaß auf den Rüschensäumen Stickereien kleiner, blauer Möwen. Die Röcke waren so geschnitten, dass man beim Tragen wohl die Beine unterhalb der Knie offen sehen könnte. Das bescherte allerdings auch genug Freiheiten, um trotz der ausgefallenen Mode noch eine Takelage emporklettern zu können. Außerdem gefiel ein solcher Anblick jedem Seemann. Warum der ehemalige Kapitän ausgerechnet derlei Beutestücke in seinem Schrank aufbewahrte, blieb ungeklärt.
In der Truhe des Raumes fanden sich da eher Dinge, die er tragen würde. Männerhemden, weit und zum Schnüren, sowie weitere Hosen und ein extra Paar Stiefel aus weichem Leder. Madiha könnte dort aber auch ein Messerchen finden, das in einer schwarzen Lederscheide steckte und sich sowohl am Gürtel bequem tragen ließ als auch versteckt in einem Stiefel. Hoffte sie jedoch auf richtige Schätze, würde sie enttäuscht. Ebenso wie ihr Magen, denn Nahrung fand sich keine im Raum. Da würde sie darauf warten müssen, dass Corax wie angekündigt bald auftauchte, um ihnen Essen zu bringen. War das die beste Entscheidung des neuen Kapitäns, ausgerechnet ihn zu schicken, wo sich seine einstige Herrin und er doch in einem so schlechten Verhältnis getrennt hatten? Jedoch hatte Madiha bereits bemerkt, dass Jakub oftmals auf Konfrontationskurs ging, ohne bereit zu Diskussionen zu sein. Er wollte weniger Konflikte auslösen, als vielmehr deutlich machen, dass diese in der jetzigen Situation und auf seinem Schiff nichts zu suchen hatten. Sie saßen sprichwörtlich gerade alle im selben Boot und dieses wollte in einen sicheren Hafen gebracht werden. Standestitel waren für ihn hier ebenso wenig von Bedeutung wie Streitereien. All das konnte an Land ausgetragen werden. Jetzt ging es darum, die Blaue Möwe mitsamt ihrer Mannschaft aus unliebsamen Gewässern heraus zu bringen. Das konnte aber noch dauern und Madiha und Azura würden sich die Zeit bis dahin oder wenigstens bis zur Lieferung ihrer Mahlzeit noch etwas vertreiben müssen.

((wenn ihr wollt, könnt ihr hier auch in euren Postings einen Zeitsprung einbauen, maximal von mehreren Stunden))
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Donnerstag 25. August 2022, 14:06

Welcher Stein war in ihrem Leben... in ihrer Welt eigentlich noch auf dem anderen geblieben? Wenn die junge Frau ehrlich zu sich selbst wäre, müsste sie sich eingestehen... kein einziger. Nicht nur, dass ihre Heimatstadt Andunie überrannt und sie gefangen genommen worden war, hatte sie merkwürdige Träume von Ballsälen gehabt und war eine Zeit lang dazu gezwungen gewesen, völlig entstellt herum zu laufen. Am einem goldenen Kettchen, gefesselt an den Mann, der ihr Herz und Unschuld geraubt hatte. Nichts, das jemals jemand erfahren durfte, wollte sie noch eine halbwegs reelle Chance auf eine gute Partie haben.
Und dann? Was, wenn ihr Zukünftiger weder ihr Herz, noch ihren Körper zu befriedigen verstehen würde? Was würde sie tun, um sich nicht selbst ständig sehnsuchtsvoller Erinnerung zu quälen und zugleich kein billiges Flittchen werden bei der Suche nach dem geeigneten, heimlichen Liebhaber?
Immerhin, er hatte sich körperlich ja weitest gehend genug entstellt, dass sie sich keine Sorgen um eine mögliche Folge ihrer... Erlebnisse machen zu müssen. Oder...? Was, wenn das auch nur ein Trick gewesen war, etwas, seiner Magie zu zuschreiben war? Azura wurde heiß und kalt zugleich bei diesem Gedanken, denn sie würde es wahrscheinlich nicht einmal ohne irgendeine Hilfe herausfinden können, so unwissend, wie Mädchen in ihrem Alter und in ihren Kreisen gehalten wurden.
Was blieb ihr also noch bei all diesen Gedanken und Gefühlen und unschönen Möglichkeiten, als sich in das einzige zu flüchten, das ihr in Fleisch und Blut über gegangen war? Adeliger Stolz und der ihr eigene Trotzkopf hielten sie noch aufrecht, nachdem sie sich mit dem Bengel... der Göre gezofft hatte, bis sie beide das Schweigen bevorzugten.
Es war definitiv die bessere Variante, vor allem diejenige, bei der die Kabine wohl am wenigsten Schaden nahm. Sei es durch Wasser von ihr oder dem Feuer, von dem sie beide nicht wussten, dass es in der anderen schwelte.
Wie viel Zeit verging, wusste die junge Frau nicht zu sagen, da sie lediglich auf das Wasser des Meeres starrte und nichts davon wissen wollte. Bis die Göre schließlich erneut das Wort ergriff und fast schon... harmlos wirkte. Doch ihr war nicht nach Essen, genauso wenig wie nach Trinken, sodass sie auch bei diesem Vorschlag ablehnte, wenngleich dieses Mal mit einem knappen Kopfschütteln.
Dass sie zuvor eine Erwiderung in Garmisch gegeben hatte, war ihr nicht bewusst, doch es war vermutlich ganz gut, dass die andere sie nicht hatte verstehen können. Selbst auf die Bitterkeit in ihrer Stimme war sie nicht eingegangen und Azura war im Stillen froh darüber.
Sie wollte nicht reden, nicht denken,... einfach gar nichts, außer auf die Wellen zu starren, obwohl ihr die Augen allmählich von der glitzernden Gischt brannten. Irgendwann wurde es sogar ihr zu viel, sodass sie mit einem leisen, kaum hörbaren Seufzen die Lider schloss und sich mit der Stirn an das kühle Glas lehnte.
Ja, sie war ruhiger geworden, ähnlich wie die See, und dennoch... alles in ihr schmerzte und schien mit jeder Faser darauf ausgerichtet zu sein, sie daran zu erinnern, dass sie einem hinterhältigen Betrug aufgesessen war. Benutzt... er hatte sie schlicht und ergreifend benutzt, sie weichgeklopft und so von ihm abhängig gemacht, dass es sich eher anfühlte, als hätte er sie verstoßen. Nichts davon war wahr gewesen, als die seltenen Nettigkeiten und ganz besonders ihre Momente in den heißen Quellen...
Während sie es aus zarten Gefühlen für den Feind, ihren widerlichen Schuft getan hatte, sich darauf eingelassen hatte, hatte er es... aus was? Aus Berechnung getan? Um sie zu quälen? Um ihr zu zeigen, dass er über sie triumphierte?
Und was sollte das überhaupt mit dem Besitz die ganze Zeit? Nein, sie hatte gedacht, er wäre ihr ebenfalls mit echten Empfindungen zugeneigt, auch wenn er es nicht besser auszudrücken wusste.
Doch jetzt...? Nicht nur das, er hatte sie vor aller Augen gedemütigt, indem er sich diesem Kapitän anschloss, mit dem er nun, wo auch immer, war... alleine... um dort was zu tun?
Schon bei der schlichten Möglichkeit, dass ihr ehemaliger Begleiter sich seinem neuen Besitzer anbieten könnte, wurde ihr dermaßen übel, dass ein trockenes Würgen ihre Kehle hoch kroch. Oh, wenn sie endlich, und wenn es nur für ein paar Stunden wäre, mit dem Denken aufhören könnte!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 25. August 2022, 21:51

Stunden vergingen. Stunden, in denen die Kapitängskajüte entweder mit Schweigen erfüllt war oder mit weiteren Aufräumarbeiten seitens Madiha und dem von Kummer begleitetem Starren Azuras. Als jenseits des Fensters die Sonne langsam ihre Strahlen gen Meer austreckte, um das Wasser mit einem Gewand aus Rosa und Gold zu umarmen spürten beide Frauen unabhängig voneinander das flaue Gefühl von Hunger in der Magengegend. Beide nahmen sich da auch nichts, was die Stärke des Hungers oder das damit verbundene Unbehagen anging, denn sie beide hatten für lange Zeit nichts gegessen.
Die See half ihnen auch nicht weiter, denn sie trug neben der salzigen Luft auch die ersten Dämpfe aus der Kombüse ans Fenster heran. Was immer Caleb in seinem neuen, kleinen Reich zauberte, es schien ihm zu gelingen. Leider würden sie darauf warten müssen, bis man sie zum Essen rief oder gar etwas vorbei brachte.
Azura war keine Gefangene und Madiha ebenso wenig. Im Grunde konnten sie gehen, wohin sie wollten. Nun, der falsche Schiffsjunge war etwas eingeschränkter, denn er hielt sich an Jakubs Auftrag, die Adlige zu bewachen. Mit der Kontaktaufnahme zu ihr hatte es bislang nicht so gut funktioniert. Vielleicht würde es besser, wenn sie sich auf ein gemeinsames Gesprächsthema einigen konnten. Eines, an dem beide Interesse hätten. Die Kleider im Schrank des alten Kapitäns wären eine Möglichkeit. Auch wenn Madiha niemals einen Blick in den Adel geworfen haben mochte, so konnte sie zumindest feststellen, dass die Kleidungsstücke darin beinahe ebenso schön wie Azura selbst waren. Sogar in ihrer jetzigen, schlichten Aufmachung strahlte sie einen natürlichen Charme aus. Vielleicht hatte Corax deshalb ein Auge auf sie geworfen und wollte mit so viel Hingabe ihr Eigentum sein. Dass Azura sich nach wie vor von ihm betrogen und verlassen fühlte, konnte ihre Schönheit jedoch nicht ändern. Sie sollte nicht zu lange allein bleiben.
Endlich näherten sich Schritte der Kabinentür. Wenig später wurde daran geklopft und ohne Vorwarnung geöffnet.
"Essen ist fer- Oh, ich sollte besser auf Celcianisch sprechen. Sendli versteht hier sonst keiner auf dem Schiff." Caleb. Es war Caleb, noch immer mit Kochschürze und Mütze. Beide hatten von seinem Handwerk einige Flecken abbekommen, aber er sah darin nach wie vor munter und lebendig aus. Er lächelte sogar, als er groß und drahtig gebaut durch die Tür ins Innere schritt. Sein grünblauer Blick sondierte sofort die Kammer und blitzte auf, als er Madiha wohlauf sah. Dann aber wanderte er weiter, um auch Azura zu mustern. "Noch immer eine Menschenfrau, wie ich sehe." Er trat an sie heran und dann passierte etwas, das Azura bisweilen auf dem Schiff nicht zuteil geworden war. Caleb verbeugte sich, sogar recht elegant und mit der Kochmütze in der Hand. Es kam nicht an die einstudierten Bewegungen eines Galans heran, der sie hofierte, aber erinnerte an das höfliche Gebaren andunischer Kaufmänner, wenn sie ihren Vater begrüßt hatten. "Noble van Ikari, nehme ich an? Euer Name ist in aller Munde an Bord. Nun, der Name Eures Vaters. Den Euren habe ich noch nicht erfahren dürfen. Ich bin Caleb, der neue Koch des Schiffes. Smutje, so ist die offizielle Bezeichnung." Er richtete sich wieder auf, um mit einem verschmitzten Lächeln die Kochmütze zurück auf seine braunen Haare zu setzen. Jene hatte er sich im Nacken zusammengebunden wie Madiha. So gelangten sie nichts ins Essen, das er zubereitet hatte und nun ankündigte: "Ich bringe Euch die heutige Mahlzeit. Als Frau von Eurem Stand war es mir wichtig, das persönlich zu tun ... naja und weil der Essensträger irgendwie etwas wackelig auf den Beinen ist." Er warf einen Blick über die Schulter zu Madiha herüber. "Hast du ihn vorher schon an Bord gesehen?", raunte er ihr auf Sendli zu. "Gehört er zu dem Krakenmann?"
Dann winkte Caleb Richtung Tür und rief: "Komm schon rein. Erfülle deine Aufgabe!"
Schmale, nackte Füße traten über die Schwelle. Einer davon war frisch verbunden bis zum Knöchel. So konnte man den fehlende Zeh daran nicht sehen und dementsprechend hatte Caleb den Gerufenen auch nicht erkannt. Das und die Tatsache, dass er doch etwas anders aussah. Zwar besaß der Dunkelelf mit dem Tablett in den Händen ebenfalls eine obsidianschwarze Haut, nebelkrähenschwarzes Haar und sogar rote Augen wie Corax, aber schon an der Größe erkannte man, dass es sich hier um einen Jungen handelte. Er konnte kaum so alt wie Madiha oder Azura sein. Zehn, vielleicht zwölf Jahre, wenn man großzügig war und das Alter eines Elfen entsprechend einschätzen konnte. Außerdem blickte der Junge im Gegensatz zum einstigen Krakenmann eher etwas verschüchtert in den Raum hinein. Er wagte sich kaum voran, hinkte beim Gehen sogar ein wenig und musste das Tablett eng an den Bauch pressen, damit das abgedeckte Geschirr daraum nicht klirrte, weil seine Hände so zitterten.
Selbst mit Kuppel über den Tellern und Schalen drang der Duft eines dicken Eintopfes hindurch. Natürlich waren Zwiebeln dabei, aber so wie es roch, musste Caleb neben allerhand Gemüse auch Fleisch hineingeworfen haben. Oder...
"Ein Fischeintopf, denn davon haben wir an Bord genug. Es wird Euch vielleicht nicht so munden wie Eure gewohnten Speisen, Edle van Ikari, aber es wird Euren Magen füllen. Bitte, schmeichelt mir, indem Ihr esst." Caleb trat etwas zurück, um dem Dunkelelfen Platz zu machen. Er schob ihn sogar auf Azura zu und hatte reichlich Mühe. Das Zittern des Tabletts nahm zu, als der Bursche etwa einen halben Meter vor Azura Halt machte. Näher wagte er sich nicht heran. Sein Starren aus den großen Augen mochte noch so jung, noch so unschuldig sein, aber Azura kannte es nur zu gut. Diese kummervollen Rubine, aus denen ihr tiefe Sehnsucht entgegen schlug. Tapfer hielt der Junge die Tränen zurück, aber sein Damm war brüchig und es mochte nur ein Wort nötig sein, um ihn brechen zu lassen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 26. August 2022, 09:39

Die ohnehin angespannte Situation, in der sich Madiha seit ihrer Rettung aus dem Sand befand, wurde auch nicht besser als sie sich zusammen mit der Rothaarigen in die Kapitänskajüte begeben sollte. Sie wollte allein sein, während Madiha nicht einsehen wollte, dass Jakub ausgerechnet ihr die Aufgabe der Aufpasserin übertrug. Sie hätte woanders auch nützlich sein können oder nicht? So stand das mögliche Kennenlernen unter keinem guten Stern und das äußerte sich deutlich. Sowohl die Adelige als auch Madiha schenkten sich kein Verständnis für die jeweils andere Situation oder schafften es auch nur über den Tellerrand hinauszublicken. Obwohl – so ganz war das nicht richtig. Auch wenn Madiha nicht wirklich aufrichtig Interesse daran hatte, ob die Frau sich wohlfühlte, bemühte sie sich doch darum, die Wogen geglättet zu wissen. Leider erwischte sie die Von und Zu auf einem ganz falschen Fuß und so gipfelte der holprige Start im Schweigen. Während allerdings die Rothaarige die Ruhe brauchte, um sich über so einige Dinge klarer zu werden, war es Madiha, die nicht innehalten konnte und wollte. Die Last des Erlebten trieb sie zum Handeln, sodass sie begann sich in dem Raum näher umzusehen. Als erstes schob sie die Karten auf dem Schreibtisch auseinander. Nur zu gern nutzte sie ihre kargen Möglichkeiten des Lesens, um die Buchstaben entziffern zu können. Offenbar zeigte die Karte Pel-...gar, Sarma und An-du-nie. Ihr Blick hob sich kurz auf die am Fenster stehende. Ihre Heimat, soweit sie es verstanden hatte. Und Caleb’s. Sich an Dunia’s Unterricht erinnernd, entzifferte Madiha auch die nächsten Worte und richtete sich danach wieder auf. Sie schluckte. Offenbar zeigten diese Karten die Gebiete, die die dunkle Armee bereits erobert hatte. Ein mulmiges Gefühl regte sich in dem Mädchen. Bis vor kurzem wusste sie überhaupt nichts darüber, bis ihre Heimatstadt angegriffen wurde. Und auch da wusste sie nicht, dass das nicht nur Sarma betraf. Dass es nicht nur darum ging, einem gescheiterten Handel zwischen ‚Edel‘-Männern die nötige Note zu verleihen, weil nun jemand in seinem Ego gekränkt war. Sarma’s Männer waren laut, hitzig und mitunter sehr nachtragend. Es hätte sie nicht überrascht, wenn es um den schiefen Huf einer verkauften Ziege gegangen wäre… Madiha ließ von den Seekarten ab und kümmerte sich in alter Gewohnheit um ein wenig Ordnung, bevor sie sich die Vitrine ansah. Diese war verschlossen und vermutlich wären dahinter noch andere Seekarten. Doch wieso waren sie eingeschlossen? Das Mädchen vergaß hierbei, dass sie einen Schlüssel um den Hals trug und ging weiter. Jetzt öffnete Madiha den hohen Schrank. Große Augen starrten auf die Kleider, die sie so gar nicht erwartet hatte. Sie blinzelte einen Moment und trat kurz näher. Auch wenn sie niemals etwas derartiges besessen hatte, zog sie der Stoff soweit an, um ihn in die Hand zu nehmen. So weich… Madiha staunte über die Farbenpracht, die ausgefallenen Schnitte und unterschiedlichen Accessoires. Selbst die ersten Frauen im Harem besaßen solche schönen Kleider nicht. Sie waren besser als das, was Madiha gewohnt war, aber nicht so wie die Garnitur im Schrank des geflohenen Kapitäns. Ehrfürchtig schloss sie die Türen wieder und kam überhaupt nicht auf den Gedanken, der anderen etwas davon zu berichten. Wie sollte sie auch, sie kannte sie nicht und wusste nichts über die Affinität zu schönen Dingen. Madiha ging dennoch weiter und der Anblick der Kleider und die gelebte Ruhe zwischen ihnen, lockerte ihren Sturkopf ein wenig auf, sodass sie die andere doch noch mal nach ihrem Hungergefühl fragte. Die Antwort war eindeutig, und auch trinken wollte sie nichts. Was gut war, denn Madiha fand ohnehin nichts weiteres mehr und wenn, hätte der Alkohol ihr vermutlich die Kehle zerfetzt. Also ließ sich das Wüstenkind auf den Stuhl am Schreibtisch nieder und seufzte leise. Ruhe kehrte wieder ein und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich etwas regte.

Madiha hatte bereits ihren Kopf gelangweilt und erschöpft auf dem Schreibtisch und den Karten abgelegt. Im Grunde war das die reinste Folter. Sie saß hier fest, aus erlerntem Gehorsam, und hatte rein Garnichts zu tun. Die Adelige sprach kein Wort mit ihr, strafte sie regelrecht mit Nichtachtung und Madiha hatte keine Lust mehr, ihr Spiel mitzuspielen. Die zotteligen, inzwischen kinnlangen, Haare, hingen über ihre Augen und verdeckten in schmalen Abständen ihre Sicht. Madiha kniff immer mal ein Auge zu, beobachtete die sich ändernde Perspektive und nahm dann das andere Auge. Sie war gelangweilt. Und hungrig. Als sie auch das Spiel mit der wechselnden Perspektive leid war, hob sie den Kopf, stützte ihre Kieferknochen auf ihre Handballen und schaute die Rothaarige an. Stur war die jedenfalls auch, so wie sie sich einfach kaum regte und rührte. Madiha’s graublauer Blick rutschte über die Gestalt der anderen. Es war schon unverschämt, wie schön sie war. Dass sie – wie auch immer sie daran genau beteiligt gewesen war – solch großen Kummer angerichtet hatte, sah man ihr wahrlich nicht an. Selbst jetzt wirkten die Haare perfekt auf sie, wie sie ihr auf den Rücken fielen, als wären sie rotes Gold. Madiha musterte sie weiter und sah das 'olle' Hemd von Fischauge an ihr. Sie stutzte. Ob es nun einem besonders tiefen Kern von Versöhnlichkeit oder aber der stumme Wunsch nach Aufmerksamkeit war, Madiha hob mit einem Mal den Kopf und räusperte sich, damit die Adelige auf sie aufmerksam wurde. Dann lehnte sie sich in ihrem Stuhl zurück, verschränkte einen Arm vor dem Bauch und deutete lässig mit dem Daumen auf den Schrank: „Übrigens… da drin … sind Kleider.“, erwähnte sie so beiläufig wie es nur ein Kind aus der Gosse konnte, das keine Ahnung hatte, wie man sich zu kleiden hatte. Madiha kratzte sich etwas verhalten an der Nase. „Ich meine nur, weil… du schienst … nicht begeistert, das Hemd von … Fischauge zu tragen…“, sprach sie weiter und beobachtete die Frau dabei, wie sie reagieren würde. Die nächsten Augenblicke verflogen deutlich schneller, während sich die junge Frau mit dem Augenschmaus im Schrank auseinandersetzen konnte und Madiha, weiterhin an ihrem Platz, ihr dabei zusah.
Dabei war Madiha weder aufdringlich noch anderweitig interessiert. Sie … beobachtete sie nur. Die Rothaarige war auf ihre Art anziehend auf Madiha. Nichts Sexuelles, lediglich die Vorstellung davon, wie ihr Leben wohl ausgesehen hatte. Wie sie sich die Kleider begutachtete, sich auskannte und offenbar zu wissen schien, welcher Stoff und welche Farbe ihr schmeicheln würde. Nein… ihre natürliche Schönheit unterstreichen würde! Das ließ Madiha starren und eine leise Bewunderung empfinden. Sie selbst machte sich nichts aus Kleidung. Sie hatte nie welche besessen. Einzig ein einfaches, weißes Hemd, vor Dreck starrend, war mal ihr eigen gewesen. Dann die hübsche Tunika, die sie zu ihrer Prüfung von Dunia bekommen hatte. Auch die gab es nicht mehr. Sie war voller Blut gewesen… Caleb’s Blut. Nun trug sie viel zu große Sachen von irgendwem aus dem Lazarett von Dunia. Sie hatte sich die Hose mit einem Gummiband zusammengebunden, damit sie an den nicht existenten Hüften hielt. Madiha war zwangsweise pragmatisch.

Die Stunden verflogen tatsächlich deutlich schneller, jetzt wo es irgendwie etwas zu tun gab. Bis es an der Tür klopfte und sich der Schopf drehte, als sich auch schon der braunhaarige Kopf durch die Tür schob. Madiha’s Mundwinkel zuckten in die Höhe, als Caleb’s Blick sie traf und seine Stimme den Raum erfüllte. Ihr Herz machte einen kleinen Hüpfer. Doch Caleb wandte sich der Edlen zu und Madiha beobachtete ihn dabei. Noch immer saß sie am Schreibtisch, die Hände ausgestreckt auf der Platte. Ihre Mundwinkel sanken etwas, als Caleb zu sprechen begann. Was redete er denn da?! Leichte Verwirrung zeigte sich auf den narbigen Zügen. So hatte sie ihn noch nie sprechen gehört. Es war… mehr als ungewohnt ihn so zu sehen. Machte er sich lustig? Oder meinte er das ernst? Das Mädchen beobachtete still weiter und lehnte sich etwas in dem Stuhl zurück. Ihre Arme verschränkten sich beinahe wie von selbst ablehnend vor dem Körper. Andererseits hatte sie ja auch daran gedacht, dass er sich wohl mit dem ganzen Kram auskannte, da er aus Andunie stammte. Doch dass er das so aus dem Ärmel schüttelte und auf Madiha plötzlich etwas unbekannter wirkte, verunsicherte das Mädchen leicht. Auf der anderen Seite, was wusste sie schon über den Dieb. Viel geredet hatten sie ja nicht, seit sie sich kannten. Oder besser: Für die Zeit, die sie sich kannten, hatten sie kaum Worte gewechselt. Madiha seufzte tonlos und wohnte als Schatten dem Geplänkel bei. "Ich bringe Euch die heutige Mahlzeit. Als Frau von Eurem Stand war es mir wichtig, das persönlich zu tun ... naja und weil der Essensträger irgendwie etwas wackelig auf den Beinen ist." Sie hob den Blick und er wandte sich ihr zu: "Hast du ihn vorher schon an Bord gesehen? Gehört er zu dem Krakenmann?", verständnislos hob Madiha die Schultern, ihr blieb aber keine Zeit nachzufragen, als eine Bewegung ihre Augen von Caleb ablenkten. Sie betrachtete den Jungen, der sich durch den Eingang schälte und für einen Moment war sie verblüfft. Der Junge sah dem Rabenmann ähnlich und dennoch irgendwie… war es anders. Seine Haltung war so devot, gar nicht angriffslustig. Vor Madiha’s Augen zuckte das Bild einer Krähe, die sich in einen Jungen und dann in einen Mann verwandelte. Ihr Herz setzte aus. „Nein… das… das ist er!“, krächzte sie heiser und das hatte kaum etwas mit ihrer Verletzung zu tun. Ihr Blick glitt über die Gestalt des Jungen und sie beobachtete ihn, wie er unsicher zu der Schönen ging. Für Madiha wirkte das alles so wahnsinnig skurril. Wie sie da stand, in ihrem schönen Kleid. Caleb, der sich plötzlich völlig fremd verhielt und der kleine Junge, Corax… der ihr die Suppe brachte. Madiha schnupperte und ihr Magen knurrte unangenehmerweise relativ laut. Sie zuckte zusammen, wollte nicht das Arrangement stören, das sich da bildete und duckte sich etwas auf ihrem Platz. Und während die drei mit sich und miteinander beschäftigt waren und Madiha argwöhnisch das Miteinander beobachtete, zuckte eine weitere Erinnerung in ihrem Oberstübchen auf. Da war eine Berührung, die sie noch deutlich auf ihrer Haut fühlen konnte. Die Überraschung im ansonsten strengen Blick… Jakub Tauwetter, wie er sie peinlich berührt musterte und erkennen musste, dass sie ein Mädchen war. Unheilvoll rutschte ihr Blick von Rotschopf und Dieb auf den Jungen. Ihr Herz verlangsamte die Schläge und ihre Ohren rauschten. Madiha wurde blass bei dem, was sich in ihrem Hirn abspielte. Sie kannte sich aus. Wenn es etwas gab, worin das Mädchen ohne Nachnamen gut war, dann darin die Anzeichen zu deuten. Corax war Sklave. Wie sie. Und Jakub… er… Madiha wurde augenblicklich übel.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Freitag 26. August 2022, 14:30

Wann hatte es das für die junge Frau eigentlich je gegeben, sich nützlich machen zu müssen? Höchstens vor der Eheschließung ihrer Mutter mit Alycide van Ikari und wenn dem so gewesen war... nun, daran musste man sich nicht erinnerrn können, nicht wahr? Nein, Azura war es gewohnt, bedient und umschwärmt zu werden, dass ihre Wünsche respektiert wurden und dass sie sich nur mit schönen Dingen auseinander zu setzen brauchte. Und mit ihrem Unterricht, aber das war schließlich ein anderes Kapitel.
Doch jetzt? Jetzt hatte sie nicht nur nichts zu tun, sondern auch viel zu viel Gelegenheit, um über ihr eigenes Herzeleid nachzugrübeln und es umso deutlicher zu empfinden. Nachdem sie beide sich aneinander gerieben hatten, waren sie dazu übergegangen, sich anzuschweigen, was ihrem Bedürfnis nach Ruhe wenigstens teilweise entgegen kam.
Essen und Trinken lehnte sie ab, denn ihr Magen schien dagegen schon zu rebellieren, wenn es auch nur erwähnt wurde. So gab es zwischen ihnen nichts mehr zu sagen und jeder hatte seinen eigenen Bereich. Natürlich hörte sie, wie die Göre in ihrem Rücken herumtrampelte und alles mögliche tat, aber sie selbst verbot sich jegliche Neugier, um nicht in Versuchung zu geraten, irgendwann doch noch nachzusehen.
Nein, nun war es an der Zeit, sich mit sich selbst, soweit es ging, ohne in Tränen auszubrechen, zu beschäftigen und da war es ihr gleich, ob es Minuten, Stunden... oder Tage dauern würde. Natürlich war ihr Alltag, entgegen der gängigen Klischees, stets mit Aktivitäten gefüllt gewesen, hier eine Stunde Unterricht, da eine Gelegenheit zur Gesellschaft, dort eine Jagdrunde mit edlen Falken und hoch zu Ross, ein kleines Diner oder gar ein abendfüllender, ermüdender Ball.
Vieles hatte sich in ihrem Leben abgespielt und dennoch war es niemals so gewesen, dass sie stets geschäftig hatte sein müssen. Mitunter hatte sie jene Minuten des Tages genossen, in denen sie einfach nur dasitzen und das Meer hatte betrachten können, ganz in Ruhe und in sich gekehrt. Langeweile war bei solchen Gelegenheiten bei ihr nicht aufgekommen.
Und auch jetzt nicht, während die Zeit verstrich, und ihre Augen allmählich müde wurden, bis sie erschöpft die Lider schloss. Nicht einmal mehr die weite, ungebändigte und trotzdem im Moment ruhige See vermochte ihr Leid wirklich zu lindern. Wie denn auch? Gegen Herzschmerz war kein Kraut gewachsen, hieß es immer. Wie unfair...
Ein Räuspern, so plötzlich und erwartet in ihrem Rücken, ließ sie tatsächlich leicht zusammen zucken. War sie etwa im Stehen eingenickt? Nein, sicherlich nicht, allerdings sehr tief in ihrem Innersten eingetaucht gewesen.
Rasch öffnete sie die Augen und blinzelte mehrmals, um das Gefühl der Müdigkeit zu vertreiben, ohne sich verräterisch darüber wischen zu müssen. Leise ließ sie ihren Atem entweichen und dachte schon an ein Versehen, als hinter ihr auch noch die kratzige Stimme der Göre erklang.
Sie wollte eigentlich gar nicht hinhören, jedoch... diese Information hatte es in sich! Abrupt drehte sich Azuras Kopf soweit, dass sie aus dem Augenwinkel die richtungweisende Geste sehen konnte und blickte zu besagtem Schrank. Ihre Augenbrauen hoben sich leicht an und sie fragte sich einen Moment lang, ob sie gleich vorgeführt werden würde.
Andererseits... auch sie brauchte allmählich etwas anderes als ihre trüben Gedanken und ihr gepeinigtes Herz. "Ach ja?", fragte sie dennoch betont skeptisch und hielt ihre Nase betont ein wenig mehr erhoben als notwendig, als wäre sie lediglich gnädig gestimmt und ließe sich deswegen dazu herab, selbst einen Blick in besagtes Möbelstück zu werfen.
Doch kaum hatte sie eine Tür geöffnet, wurden ihre Augen groß. "Oh ja!", entkam es ihr und sie bekam leicht glänzende Augen.
Mit Kennerblick musterte sie die Stücke und befühlte auch ein paar davon, um sicher zu gehen, wie es um die Qualität der Ware bestellt war. Wobei... selbst, wenn es nur halb so kratzig gewesen wäre wie das, was sie gerade am Leibe trug, hätte sie es mit Hingabe schon eingetauscht! Aber die Götter schienen ihr endlich einmal etwas Gutes tun zu wollen, die Stoffe waren erlesen, feine, kühlende Seide, prächtiger Samt, weiche Baumwolle. Oh, wie herrlich!
Mit einem Mal kam Leben in die junge Frau und sie trat mit einem kleinen Nicken zurück. Dann wandte sie sich um, musterte flüchtig den Tisch und verzog noch flüchtiger ablehnend den Mundwinkel. Um daraufhin die aneinander geknoteten Laken zu betrachten, deren freies Ende noch immer aus dem Fenster hing.
Kurzerhand deutete sie darauf. "Da, nimm die und mach sie auseinander. Wenn sie trocken genug sind, leg sie auf den Tisch, damit alles sauber bleibt. Los, los!", befahl sie kurzerhand und so selbstverständlich, das man gar nicht auf die Idee kommen konnte, dass sie ihren Lebtag je etwas anderes gewesen wäre als eine derjenigen, die die Befehle erteilten.
Sobald das zu ihrer Zufriedenheit erledigt wäre, schaffte sie weiter an, ließ sich die Kleidungsstücke auf den Tisch legen und konnte sie auf diese Weise besser begutachten. Wobei sie natürlich nicht auf die Idee kam, selbst einen Finger zu rühren dafür. Nein, diese niederen Arbeiten waren nichts für sie. Und auch dann trat sie herbei, nickte, schüttelte den Kopf, überlegte und gab weitere Anweisungen.
Die Unterwäsche war rasch gefunden, die Blusen waren schließlich allesamt weiß und die bis knapp über die Knie reichenden Unterhosen auch. Sofort schlüpfte Azura aus den kratzigen Teilen und verschwendete nicht einen Gedanken dabei daran, dass sie für kurze Zeit vollkommen nackt dem Mädchen aus Sarma gegenüber stand. Ausnahmsweise kümmerte sie sich selbst darum und auch beim Anziehen der neuen Sachen, erst später würde sie auf Hilfe pochen, sofern die andere dazu in der Lage war.
Nur mit Bluse und Unterhose bekleidet, die sie beinahe schon lasziv wirken ließen, ohne, dass sie etwas dafür tun musste, stand sie da und ließ die Göre die verschiedenen Stücke zusammenlegen, dass sie sich eine Vorstellung der verschiedenen Kombinationen machen konnte. Einmal eine rote Auswahl, rotes Mieder und Rock mit roten Rüschen, dann wiederum schwarzes Mieder und Rock mit blauen Volants oder gar mit den blauen Möwen, aber auch eine Mischung aus oben rot, unten blau und umgekehrt.
Solange, bis sie zufrieden sein konnte und sich schließlich für ein tiefrotes, beinahe schwarzes Korsett entschied und dazu den schwarzen Rock mit den Möwen wählte. Zwar wären ihr Raben lieber gewesen, jedoch... es waren dennoch Vögel.
Passend dazu fand sie weiße Strümpfe mit einem dunkelroten, bestickten Saum, der am Ende des Stiefelschafts hervorblitzte. Dieses Schuhwerk zum Schnüren und mit einem kleinen Absatz versehen, aus weichem Leder und ihr nur minimal zu groß, hatte sie ebenfalls gefunden. Am Ende konnte sie mit ihrer Wahl ganz zufrieden sein, auch wenn ihr Dekolleté für diesen Ort etwas zu sehr betont wurde und der Rock knapp unter ihren Knien endete, sodass eben jener erwähnte Strumpfsaum auch bei ihren Schritten zu sehen sein würde.
Trotzdem befestigte sie auf der linken Seite den Überrock an jener Vorrichtung auf Höhe der Mitte ihres Oberschenkels, um die Volants darunter mit den blauen Möwen noch besser zur Geltung bringen zu lassen. Und... um ein wenig verwegener, verbotener zu wirken.
Damit aber war Azura noch lange nicht fertig. Neben den Schuhpaaren hatte sie ein paar kleine Schubladen entdeckt mit weiteren Schätzen. Den Schmuck selbst ließ sie links liegen, der war ihr gerade nicht wichtig. Aber der kleine Handspiegel, die Bürste und die Haarnadeln, die hatten ihr Interesse geweckt.
Sie hatte auch hier keine Ahnung, ob die andere im Umgang mit Frisuren geübt wäre oder nicht. Wenn nicht, nun... dann müsste es eben notdürftig gemacht werden, soweit die junge Frau es selbst zuwege brachte mit der wenigen Erfahrung, die sie in der Eigenbehandlung hatte.
Dennoch konnte sie schlussendlich ganz zufrieden sein, als ihre Haarpracht endlich wieder ein bisschen Form hatte und stellenweise mit den Nadeln zusammengehalten wurde, um nicht einfach nur phantasielos herunterzuhängen. Hinzu kam, dass sie einige Haarnadeln verwendet hatte, die an ihrem Griff kleine, rote Steine eingefasst hatten und somit bei passendem Licht aus ihrer Haarflut hervorblitzen würden. In der Farbe ihres Korsetts in direktem Sonnenlicht... aber auch in jener, dessen Träger ihr erst vor wenigen Stunden das Herz gebrochen hatte. So vollkommen und sofort konnte sie sich einfach nicht von ihm lösen...
Auf diese Weise zurecht gemacht, hieß sie das Mädchen, den Rest wieder ordentlich wegzuräumen, während sie selbst an ihren Standort am Fenster zurückkehrte. Wenngleich nicht, ohne zuvor noch etwas zu sagen. "Du könntest dich auch umziehen." Es war schlicht und ein größeres Entgegenkommen, als von ihr erwartbar wäre.
Zugleich aber auch alles, was die andere zu hören bekam, denn einen Dank oder ähnliches würde nicht folgen. Soweit käme es noch, dass sie sich bei einer Dienerin bedanken würde! Oder was immer dieses Mädchen auch für eine Stellung hatte... Damit wäre das Thema für die junge Frau auch beendet und sie sah wieder aufs Meer hinaus.
Inzwischen hatte die Dämmerung eingesetzt und die Sonne konnte ihren eigenen Zauber auf die Wellen werfen. Versunken in diesen, zum Träumen einladenden Anblick bemerkte sie die Veränderung erst, als geklopft wurde. Sie schluckte leicht, nahm sich aber fest vor, sich nicht ohne Notwendigkeit umzudrehen, um zu demonstrieren, was sie von diesem Besuch hielt.
Erst, als eine für sie fremde Stimme erklang, drehte sie zuerst ihren Kopf und schließlich ihren gesamten Körper. Beim Beginn seiner Worte dauerte es ein bisschen länger, bis ihr ungeübtes Sprachwissen den Sinn herstellen konnte, doch dann wechselte der Mann, dem sie vorerst nicht mehr als einen kurzen Blick gönnte, ins allgemeine Idiom. Sie wandte sich wieder ab, nicht gewillt, mit dem Schiffskoch in Kontakt zu treten, geschweige denn, etwas zu sich zu nehmen. Egal, wie verführerisch es duften mochte!
Bei seiner Bemerkung zu ihrer Erscheinung rümpfte sie ungesehen die Nase und murmelte für sich:"Und noch mehr niederes Volk!" Sie wollte nicht an ihre magische Verwandlung zurück denken!
Doch anstatt, dass er sie in Ruhe ließ, kam dieser Mann zu ihr... und erwies ihr tatsächlich Respekt! Endlich jemand!
Azura sah zuerst etwas skeptisch zu ihm, ob er sie veralbern wollte, jedoch konnte sie keine Anzeichen darauf erkennen. Woraufhin sie sich ihm allmählich ganz zuwandte und ihn nun doch etwas genauer musterte. War er ihr schon einmal begegnet? Kannte sie dieses Gesicht? War er attraktiv oder wurde er durch irgendetwas entstellt? Empfand sie seine Stimme als angenehm?
Nun ja, zumindest sein respektvolles Verhalten ihr gegenüber war angemessen, sodass sie ihn mit einem kleinen, feinen Lächeln belohnte, fast schon ein wenig huldvoll. Ein Zeichen, für das so einige ihrer Galane viel mehr aufgeboten hatten...
Ehe sie wieder ernst wurde. "So, so, man spricht darüber? Mir war, als würde auf diesem Schiff wenig Wert darauf gelegt.", erwiderte sie schließlich und wollte sich diese Spitze gegen den Kapitän nicht nehmen lassen.
Immerhin, dieser Koch schien von einem weitaus angenehmeren Wesen zu sein, wie er so verschmitzt grinste und ihr schmeichelte. Nicht, dass sich deswegen ihr Appetit regen würde, aber... es war schlicht und ergreifend eine Wohltat.
Bis er das Thema auf seinen Gehilfen brachte. Ihre Augenbrauen wanderten leicht in die Höhe und als ihr allmählich aufging, was er da in jener für sie ungeübten Sprache raunte, war ihr, als würde ihr Magen absacken, noch bevor der Junge in ihr Blickfeld trat. Ihr wurde die Kehle eng, denn, auch wenn er mit einem Mal viel jünger war und derart verschreckt wirkte, dass es einem das Herz zermalmen könnte, er war es, unverkennbar für sie, die Gefühle für ihn entwickelt hatte.
Nicht für dieses Kind, sondern für den Mann, der dahinter gesteckt hatte... Warum er sich erneut verwandelt hatte, konnte sie nicht wissen. Nein, wollte sie auch gar nicht! Im Prinzip wollte sie gar nichts mehr mit ihm zu tun haben, nicht mit ihm reden, ihn nicht sehen, sich am liebsten nie wieder an ihn erinnern!
Und trotzdem... hier war er, kam langsam und mit zittrigen Händen auf sie zu, um ihr etwas zu essen zu bringen...
Leer schluckte sie und musste sich beherrschen, um zu bleiben, wo und wie sie war. Sie hörte die Worte des Kochs kaum, hatte nur noch Augen für denjenigen, der sich ihr näherte. Und das offenbar nicht gerade freiwillig.
War sie ihm also schon dermaßen zuwider?! Allein diese Möglichkeit sorgte dafür, dass sie am liebsten in Tränen ausgebrochen und davon gerannt wäre, obwohl ihr war, als klebe sie an Ort und Stelle fest. Bis auch er innehielt und sich nicht mehr rührte.
Langsam wanderten ihre Augen und irgendwann... trafen sich ihre Blicke. Ihrer bemüht um Distanz, um nichts und niemandem zu verraten, wie es in ihr drinnen aussah. Der seine hingegen... Oh, bei Ventha, wieso brach ihr dieser Ausdruck das Herz scheinbar von neuem?!
Wären sie beide allein gewesen... Azura hätte nicht gewagt zu sagen, was sie getan hätte. Ob sie endlich zu weinen begonnen und ihm Vorwürfe gemacht oder ob sie ihn einfach in den Arm genommen und getröstet hätte. Doch sie waren nicht unbeobachtet und das war ihr vollends bewusst, weswegen sie sich dazu zwang, keinen Finger in seine Richtung hin zu rühren.
Mehrmals musste sie schlucken, ehe die Kraft fand, sich zu bewegen. Mit dem Kinn wies sie andeutungsweise in Richtung des Tisches. "Stell...", begann sie und spürte, wie ihr die Stimme zu versagen drohte. Rasch leckte sie sich über die Lippen und musste hoffen, dass es nicht als Zeichen von Schwäche angesehen werden würde. Gerne hätte sie sich auch geräuspert, aber dieses allzu deutliche Zeichen verbot sie sich. "Stell es dort hin."
Und tu es schnell..., fügte sie in Gedanken flehentlich hinzu, damit der Blickkontakt zwischen ihnen begründet abbrechen konnte. Warum nur musste er sie ständig so quälen...?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 26. August 2022, 22:40

Ob Madiha sich alle Befehle gefallen ließ, die Azura an sie stellte? Sicherlich nicht. Sicherlich gab es Proteste. Schließlich hatte Jakub dem überkandidelten Gast an Bord klar gemacht, dass der "Schiffsjunge" sie zwar begleiten würde, im Gegensatz zu Corax aber nicht ihr Sklave wäre. Madiha durfte ihren Willen behalten und der sah durchaus vor, sich gegen das adlige Gebaren zu wehren. Andererseits steckte auch in ihr immer noch das eingetrichterte Leben eines Menschen von niederem Wert. Eines Arbeiters und Nutzwerkzeuges, das von Sultanen wie Khasib und dessen Freunden jederzeit für jegliche Gefälligkeiten hatte abkommandiert werden können und auch wenn sie nun schon eine Zeit lang frei war - und Freiheit schmeckte süß - da legte man von einen auf den anderen Tag so stark antrainierte Verhaltensweisen nicht sofort ab. Hinzu kam, dass Jakub ihr auch zwischen den Zeilen verdeutlicht hatte, dass sie für ihn Augen und Ohren sein sollte, wenn es um die Adlige van Ikari ging. Es wäre leichter, würde sie Madiha vertrauen. Folglich wäre es gute Miene zum bösen Spiel zu machen, ihren Wünschen erst einmal nachzukommen. Wie auch immer Madiha sich letztendlich entschied und ob Azura sich nicht doch noch selbst ankleiden musste, irgendwann stand sie in einer Kombination aus den Geheimnissen des Schrankes bereit. Fischauges Kleidung lag achtlos irgendwo herum. Sie würde die zarte Haut der Andunierin nie wieder nötigen! Der Stoff, der ihren Körper nun umschmeichelte, fühlte sich tatsächlich qualitativ hochwertig an. Azura mochte deutlich kostbarere Kleidung getragen haben und auch bei weitem nicht so ... offenherzig, dass man sowohl tiefe Einblicke in ihren Ausschnitt als auch träumerische Versuchung unterhalb des Rocksaums bekommen würde, aber alles in allem sah sie nun endlich wieder nach dem aus, was sie mit ihrer Haltung verkörperte. In den falschen Städten könnte man sie so allerdings auch für eine von sich sehr überzeugte Hafendirne halten, die wusste, was sie zu bieten hatte und die sich dementsprechend nicht jeder leisten konnte. Es blieb jedoch nicht aus: Selbst in diesem knappen Fummel sah sie Atem beraubend aus. Dennoch war es ein anderer, der ihr den Atem rauben sollte. Zuvor lernte sie allerdings den neuen Koch des Schiffes und Freund von Madiha kennen: Caleb. Dass beide miteinander vertraut waren, mochte Azura auch dann bemerken, wenn sie kein einziges Wort Sendli verstand. Denn Caleb wandte sich so selbstverständlich dem falschen Schiffsjungen zu, dass kein Zweifel darin bestand, dass sie einander irgendetwas bedeuteten. Außerdem hatte er Corax einen Tentakel abgeschlagen. Inwieweit Azura das überhaupt mitbekommen hatte und ob sie sich gerade jetzt daran erinnerte, blieb abzuwarten. Überraschend für sie als auch für Madiha war, mit welcher Höflichkeit der Smutje sich ihr präsentierte. Nichts davon schien einstudiert. Caleb verhielt sich natürlich, als wüsste er sehr genau, wie man einer Frau ihres Standes gegenüber aufzutreten hatte. Es war fast zu schade, dass er "nur" der Schiffskoch sein sollte. Denn Caleb sah gut aus. Er war nicht überragend schön und bei weitem nicht so gepflegt wie die Edlen, die Azura in ihrem anderen Leben begrüßt hatte, aber das machte es bei ihm aus. Er besaß diesen Straßenköter-Charme, diese Verwegene, das man nur von den rebellischen Fassadenkletterern irgendwelcher romantischen Groschenromane kannte. Seine blaugrünen Augen ... wie ein von Algen durchsetztes Gewässer! Seine sonnengebräunte Haut, die schulterlangen, braunen Haare, von denen einige Strähnen ihm keck in die Stirn hingen. Der stoppelige Bart, den er garantiert auch ganz hätte rasieren können, aber wohl bewusst darauf verzichtete. Einzig, dass er deutlich älter als Madiha und Azura sein musste, machte für manche Frau einen Unterschied aus. Doch wie man es schon über Weine sagte, besaßen diese mit gewissem Alter eine ganz eigene Reife, die anziehend war. Und auch seine teils speckige Kleidung konnte nicht darüber hinweg täuschen, dass er darunter einen drahtig, trainierten Körper besaß. Seine Armmuskeln verrieten es. Er selbst schien sich seiner Erscheinung auch bewusst zu sein, setzte sie aber instinktiv ein. Wo Azura immer wieder selbstbeherrscht auf eine kokett gehobene Schulter oder einen ganz bewusst angesetzten Wimpernschlag achten musste, ging es Caleb ganz natürlich von der Hand. Oh, so manche Frau mochte schon ein Herz an ihn verloren haben. Eine davon stand derzeit etwas abseits, beobachtete die Szene und achtete dabei gar nicht so sehr auf Calebs Vorzüge. Dafür fiel ihr im Gegensatz zu ihm oder Azura recht schnell auf, warum der Letzte in der Runde ein derart verschüchtertes Verhalten an den Tag legte. Oder auch warum er leicht hinkte. Erste Erfahrungen mit körperlichen Gefälligkeiten an der Hinterpforte konnten durchaus schmerzhaft sein. Die meisten hatten bei forscherer Anwendung noch Tage lang Probleme mit dem Sitzen oder der Notdurft. Im schlimmsten Fall zeigte sich eine rektale Inkontinenz, bis die Risse im Schließmuskel wieder verheilt wären. All dieses Wissen mit dem Anblick des nun zum Jungen mutierten Corax zu verknüpfen, brachten selbst Madiha zum Stocken. Aber auch Azura hielt für den Moment die Luft an, als diese schmale, mickrige Gestalt vor ihr nicht nur das Tablett, sondern auch den Kopf anhob und sich ihre Blicke kreuzten.
Warum musste er sie so ansehen? Warum quälte er sie so?!

"Schaut, schaut!"
"Jaja, er bewirkt ja Wunder!"
"Oh, wie köstlich, aber er sollte noch einen Schritt weitergehen."
"Sollen wir es ihm sagen?"
"Ohja, ohja!"

Aus den Verstecken heraus fiel schwarzer Pelz von den kleinen Körpern ab und es sprossen Federn, die nicht minder finster waren. Die Schar Raben, die sich unter dem Bett versteckte, sammelte sich für einen choralen Singsang. Erst danach würden auch die Federn erneut von ihnen abfallen, denn Kakerlaken passten besser in die Ritzen des Schiffes. Die Federn und das Fell würden aber unter dem Bett verweilen.
"Krah, Krah! Corax!"
"Hast du es gehört? Willst du es hören?"

"Er ist nicht ... mein ... Freund..."

Leises Krächzen erreichte die Szenerie und ließ vermutlich nicht nur Corax erstarren. Der Bursche lauschte, aber auch Caleb wandte den Kopf, als er das Vogelgekreisch hörte. Von wo kam es? Noch ehe er sich genauere Gedanken machen konnte, stutzten er und auch Corax erneut. Aber sicherlich verpasste Azura Stimme ihr selbst ebenso eine Gänsehaut. Das war sie! Aber sie sprach nicht. Doch an die Worte mochte sie sich erinnern. Es war nicht lange her, dass sie sie ausgesprochen hatte. Nun hingen sie mit ihrer Stimme wie ein Echo im Raum und fraßen sich tief in Corax' Seele. Sehr tief.
Es schepperte, so dass der kleine Dunkelelf ganz automatisch die Aufmerksamkeit wieder auf sich zog. Es grenzte an ein Wunder, dass er das Tablett nicht hatte fallen lassen. Nur seine Hände zitterten so stark, dass einer der Becher seinen Platz verlassen und mitsamt seinem Inhalt zu Boden gefallen war. Nicht nur das Wasser verteilte sich jetzt dort. Darunter mischten sich auch salzige Tränen, dick wie Perlen, die dem Jungen still aus den Augen quollen. Er starrte Azura an. Er schluchzte nicht. Er wimmerte nicht. Tapfer litt er unter den verkündeten Worten und ganz still für sich. Dass die Tränen dennoch liefen, konnte selbst ein so abgebrühter Kerl wie er sich sonst immer gab nicht verhindern. Nicht, wenn er so empfand wie er es offenbar tat.
"Stell ... Stell es dort hin." Corax nickte, setzte einen Fuß vor den anderen und stellte das Tablett an beorderte Stelle ab. Seine Schultern bebten nicht. Er winselte nicht. Nur seine Hände zitterten, so dass er sie zu kleinen Kinderfäusten ballte. Wenigstens hatte er den Blickkontakt mit Azura unterbrochen, starrte nun auf die abgedeckte Mahlzeit. Um den Becher aufzuheben, dazu fehlte ihm gerade die Kraft. Er sammelte sie für Worte, die er begann auszusprechen, als er wieder halb zu Azura herumfuhr: "Bitte, nimm mich z-" Weiter kam er nicht.
"Das ... das da ist ... ER?!" Caleb deutete mit ausgestrecktem Finger und ungläubigen Blick auf Corax' Hinterkopf. Dann war er mit schnellen Schritten an ihn herangekommen, packte ihn am Kragen und riss ihn problemlos von den Beinen, so dass er Bursche an seinem ausgestrecktem Arm baumelte. Corax klammerte sich am Handgelenk des Wüstendiebes fest, zappelte ein wenig dabei, als er um Halt suchte.
"Dieses halbe Hemd soll der Krakenmann sein, der so viele auf dem Gewissen hat?! Du ... du bist es? Du hast bis eben noch in meiner Kombüse gestanden und dir die Augen rot geweint ... äh ... also noch röter. Was ... was stimmt mir dir nicht?! Was bist du?!"
Corax wehrte sich nicht mehr. Er ließ die Hände von Calebs Pranke ab, dass sie an seine Seite fielen. Wie ein toter Fisch hing er nun von ihm angehoben in knapp über dem Dielenboden. Er mied den Blick aller und konnte nicht umhin, weitere Tränen zu vergießen. "Ich ... gehöre dem Käpt'n", murmelte er mit so viel Unglück und der willenlosen Resignation, die nur ein Sklave aufbringen konnte, dass selbst Caleb ihn langsam wieder absetzte und losließ. Er machte einen Schritt zurück, so dass er zwischen dem Elfen und Madiha stand wie ein mannshohes Schutzschild. Sein Blick wanderte zu Azura, fragend. Er hatte das Drama an Deck schließlich nicht mitbekommen.
Wenn Corax etwas beherrschte, dann war es, sich offensichtlich vollends in die Rolle einzufinden, die er sich selbst zuschrieb. Sei es Soldat und Leibwache einer dunkelelfischen Magierin, sei es ein Sklavenjunge oder Entmannter am anderen Ende einer magischen Kette, von der er behauptete, sie nicht geschaffen zu haben. Oder sei es ein widerlicher Schuft, der das Herz seiner Herrin im Sturm erobert und schließlich verloren hatte. Die Buntschelmin Méllyn Kicherklang behielt dennoch Recht mit ihren Worten, die sie Azura im Vertrauen gesagt hatte: Was immer er war, am Ende stand jedes Mal Leid.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 27. August 2022, 10:15

Madiha hätte die Klappe gehalten, wenn sie auch nur geahnt hätte, worin das ganze münden sollte. Sobald die Adelige soweit ihre Neugierde von der Leine ließ, dass sie ihre hochnäsige Art vorerst beiseite schob, nahm das Unheil erst Recht seinen Lauf. Madiha hatte es irgendwie gut gemeint und damit den Drachen geweckt. Sofort fühlte sich die Schöne offenbar wohl. Viel zu wohl. "Da, nimm die und mach sie auseinander. Wenn sie trocken genug sind, leg sie auf den Tisch, damit alles sauber bleibt. Los, los!" Madiha starrte die Rothaarige perplex an. Sie sollte was?! Was wollte sie von ihr?! Das Mädchen war so vor den Kopf gestoßen, dass sie sich erhob und mit verwirrter Miene die Laken auseinanderfriemelte. Noch während sie die Laken ausbreitete, schüttelte sie den Kopf. Nein! Sie war keine Dienerin! Sie war keine Sklavin mehr! Sofort aber ergoss sich abermals ein Schwall Befehle über das arme Mädchen, das sich fragte, ob die Wasserhexe ihre Worte die letzten Stunden gesammelt hatte, denn sie hörte gar nicht mehr auf zu plappern. Ihre Anweisungen waren allesamt nicht Madiha’s Problem und sie spürte in sich den Unwillen, ihr überhaupt irgendetwas zu helfen. Allerdings lag das eigentliche Problem darin, dass die andere, auch wenn sie kaum älter war, gewohnt war sich so zu verhalten. Sie verfiel in alte Muster und Madiha tat es ihr gleich. Auch sie war es viel länger gewohnt zu gehorchen, zu dienen und den Mund zu halten als ihre Freiheit und Eigenständigkeit zu verteidigen. Unglücklich über ihre neue, alte Rolle, stellte sie die verschiedenen Kombinationen zusammen. Als sie jedoch helfen sollte, die Kleidung anzuziehen, weigerte sie sich. Sie hatte überhaupt keine Ahnung davon! Dafür waren stets andere Sklavinnen zuständig gewesen… Madiha war einfach zu jung und zu… wertvoll für andere Bereiche des Sklaventums. Auch bei den Haaren, traf die Edle ein bissiger Blick und ein abfälliges Schnauben. Sie würde ihr garantiert nicht die Haare bürsten, das konnte sie schön selbst tun. Madiha fühlte sich elend.
Die Behandlung durch die Rothaarige war unangenehm und zerrte gehörig an ihren Nerven. Sie wollte nett sein und bereute es bitterlich. Zu allem Überfluss, sah die Adelige auch noch verboten gut aus. Madiha beobachtete sie verstohlen, während der üppige Busen beinahe in ihr Gesicht schwappte. Das Mädchen seufzte innerlich. Bis sie dazu aufgefordert wurde, alles wieder wegzuräumen. „Träum…weiter, Wasserhexe!“, schnauzte sie in feinster Gossenmanier und ließ sich auf den Stuhl am Schreibtisch fallen. Keinen Finger würde sie mehr für sie krumm machen! "Du könntest dich auch umziehen." Madiha’s Miene verfinsterte sich. Ihre herablassende Art machte sie wütend und so verschloss sie sich vor der Piratenbraut und starrte missmutig auf einen unbestimmten Punkt. Die Kleider, wenn sie von der Edlen nicht wieder verstaut wurden, blieben wo sie waren. Madiha sah nach einer Weile auf den Stoff. Er versetzte sie nicht annähernd in diese Verzückung, wie es bei der Adeligen der Fall gewesen war, doch als wäre er lebendig, versprach er Madiha ein tolles Aussehen, lockte mit seinen schillernden Farben und Rüschen. Madiha hatte so etwas nie angehabt. Ihr Blick fiel wieder auf die Rothaarige. An ihr sah es umwerfend aus und machte sie noch stolzer und anmutiger. Missmutig dreinblickend, wandte sich das Wüstenkind dann aber ab. Sollte sie doch zum Harax fahren! Sie war fertig mit der blöden Kuh. Die Behandlung durch die Adlige ließ Madiha sich schlecht fühlen. Es zeigte ihr lediglich, dass es immer jemanden geben würde, der sich ihrer bemächtigen konnte. Ob nun auf ihre oder Jakubs Art.

Die nächsten Augenblicke vergingen eher zäh und Madiha langweilte sich zunehmend. Bis sich endlich etwas tat: Als sie den braunen Schopf des Diebes entdeckte, hellte sich ihre Miene etwas auf. Madiha setzte sich auf und schenkte ihm ein leichtes Lächeln. Caleb zu sehen war inzwischen wie eine kleine Salbe für ihre Seele. Warum wusste sie nicht zu benennen, aber das brauchte sie auch nicht. Doch die Freude hielt nur bedingt an, denn schon kurz nach dem Reinkommen, wandte sich Caleb der anderen zu. Mit geschwollenen Worten, die Madiha fremd erschienen, sprach er sie an. Das Wüstenkind runzelte die Stirn. Machte er sich lustig über die Rothaarige? Das würde ihr gefallen, doch die Reaktion der ‚Edlen‘ zeigte Madiha, dass es offenbar dem entsprach, was sie mindestens verlangte. So lange, bis Caleb sich zu ihr umwandte und sie nach dem Krakenmann fragte. Sie blieb so lange verständnislos, bis sie den Blick auf den kleinen Jungen werfen konnte. Sofort, binnen Sekunden, wurde ihr Verstand mit Bildern, Erinnerungen und Erfahrungen geflutet, die ihr urplötzlich die Blässe und Übelkeit in die Glieder trieb. Ihre Augen hatten sich auf den Jungen gelegt, fixierten ihn, während er einen schweren Gang zu gehen hatte. Doch das war nicht das, was sie fesselte. Es waren eher die Bewegungen an sich. Das Humpeln, die devote Haltung, der unruhige, gebrochene Blick. Das Mädchen konnte nicht verhindern, dass sich ihre Augenbrauen zusammenzogen und sie sich unruhig fühlte. Eine dunkle Ahnung ergriff sie und alles was der Elfen-Junge tat, bestärkte sie nur weiter in ihrem Verdacht. Bis sich ein unheilvolles Krächzen durch den Raum zog.
Madiha hob ihre Augen, denn es war unverkennbar die Stimme der Frau. Sie verstand die Worte nicht, aber sie musste auch nichts verstehen, denn dass sich die Lippen der Adeligen gar nicht bewegten, verunsicherte sie. Madiha blickte zu Caleb, der ebenso verdutzt schien und sich umsah. Also lag es nicht an ihren Ohren. Eine Gänsehaut belegte ihre Arme und kribbelte in ihrem Nacken. Es war wie eine weitere, dunkle Vorahnung, die sich ihrer bemächtigte. Das Scheppern der dargebotenen Dinge auf dem Tablett war es, das Madiha angespannt herumfahren ließ. Erschrocken blickte sie den Jungen an und… ihr brach das Herz. War es nun seine Erscheinung, die Mitleid heischte? War es sein Blick? Seine unbeholfene Art? Nein. Nichts davon war es… Madiha sah sich selbst vor nicht allzu langer Zeit. Sie erkannte sich in ihm und die schlimmen Erinnerungen an Torturen, die sie lieber vergessen wollen würde. Doch so etwas vergaß man nicht. So etwas überlebte man vielleicht, würde aber, so lange man lebte, die Narben mit sich tragen. Er kam, auf Geheiß der Schönen, zu Madiha. Sie hatte ihren Platz hinter dem Schreibtisch nicht verlassen und stand dort wie angewurzelt. Das Wüstenmädchen sah dem zitternden Elfen entgegen und presste ihre Lippen aufeinander. Er beachtete sie gar nicht, war gefangen in seinem Kampf um Haltung. Madiha ließ ihren graublauen Blick wandern, betrachtete sein Gesicht, bis ihre Aufmerksamkeit auf den umgestürzten Becher fiel. Wie selbstverständlich lehnte sie sich rüber, um das letzte Bisschen Wasser zu retten und stellte das Trinkgefäß ordentlich hin. Er sah sie gar nicht, sondern wandte sich zu der Frau zurück. Seine Worte wurden von Caleb harsch abgewürgt, sodass Madiha zurückzuckte bei der Lautstärke. Sofort richtete sich ihr Blick auf den Dieb, der schon bei Corax war und ihn am Schlafittchen packte. „Caleb!“, stieß sie heiser aus und war selbst überrascht, dass sie plötzlich das Wort erhob. Es sollte den Dieb mahnen, dem Rabenkind nicht wehzutun. Die Behandlung versetzte auch Madiha in schreckliche Erinnerungen. Sie konnte solche Übergriffe körperlich nachempfinden und auch wenn Corax sie noch vor wenigen Stunden töten wollte, empfand sie eine groteske Solidarität mit ihm. Vielleicht war sie auch selbstzerstörerisch was das betraf, doch sie ertrug das Wissen, welches sie aus den vorherrschenden Gegebenheiten erlangt hatte einfach nicht. Ihr war immer noch schlecht bei den Gedanken an das, was sie Jakub Tauwetter insgeheim unterstellte. Und sie hätte dieser Junge sein sollen. Er hatte es versucht. Sie hätte das erleben sollen. Dann wäre sie an seiner Stelle. Madiha würgte, während Caleb bereits den Jungen losließ. “Ich… gehöre dem Käpt'n“ , krächzte der Rabe und Madiha ballte die Fäuste. Irgendwie vermischten sich ihre Erfahrungen, das Erlebte, das eigene Los, mit dem des Elfen und verknoteten sich zu einem bitterschmeckenden, klebrigen Kloß in ihren Eingeweiden. „Das darf er nicht!“, rief sie plötzlich aus und schlug mit der Hand auf den Tisch, dass ihre Handkante pochte. Ihr Blick war verzerrt und sie atmete schwer. In ihr stieg die Wut auf Jakub Tauwetter. „Er hat dazu kein Recht!“, presste sie zwischen ihren Kieferknochen hervor und in ihren Augen funkelten verräterische Tränen. Aufgewühlt kam sie um den Tisch herum und stellte sich zwischen die Adelige, dem Rabenkind und Caleb. Sie zeigte mit den Finger auf die Schöne „Und du hast auch kein Recht Leute so zu behandeln!“, sie fuhr zur Caleb herum. „Tu ihm nicht weh!“, verlangte sie bitter und flehend. Madiha war nicht in der Lage sich von Corax zu trennen. Sie vermischte sein Schicksal mit ihrem, ohne dass ihr das bewusst werden könnte. Ihr fehlte der nötige Abstand dazu. Ihr Blick fiel auf Corax. „Seht ihr denn nicht, wie er leiden muss?!“, fragte sie mit heiserer Stimme und selbst die Schmerzen an ihrem Hals hielten sie nicht auf. Und auch ihr kamen die Tränen, als wäre sie ein skurriles Spiegelbild des Jungen und umgekehrt. Bilder ihrer eigenen Erlebnisse mischten sich ein, verdrehten alles. Sie wusste es. Sie sah es. Und sie bedachte ihn mit einem Blick, der ihm zeigen könnte, dass sie verstand. Ihn verstand.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Samstag 27. August 2022, 14:23

Endlich gab es etwas für sie zu tun, etwas Bekanntes, Vertrautes und zugleich auch Entspannendes. Sich herauszuputzen, selbst für einen einfachen Besuch oder ihren Unterricht, das hatte zu ihrem täglich Brot gehört, sodass sie sich die Illusion verschaffen konnte, es wäre alles wieder in Ordnung und ging seinen gewohnten Gang.
Dass sie die andere dadurch herumkommandierte... Nun, warum darüber nachdenken? Es war für sie selbstverständlich, dass ihren Wünschen Folge geleistet wurde, und außerdem... wenn diese Göre sie schon die ganze Zeit über belästigte, konnte sie sich jetzt wenigstens wirklich nützlich machen.
Also war rasch das alte Muster in ihrem Verhalten da, auch wenn sie dabei weder herrisch, noch übergriffig wurde, wie manch andere Personen in ihrer Stellung, sobald etwas nicht vollkommen zu ihrer Zufriedenheit verlief oder ihre Geduld strapazierte. Nein, Azura hielt sich erstaunlicherweise zurück.
Wobei das weniger ein Entgegenkommen war, als vielmehr der Tatsache geschuldet, dass sie vollauf damit beschäftigt war, ihre Gedanken tatsächlich auf die Aufgabe zu fokussieren und nicht zurück in ihr Leid abzudriften. Immerhin, sie hatte es hier mit edlen Stoffen zu tun und auch wenn die Schnitte sehr aufreizend waren... Sie musste sich nicht völlig dafür entblößen und konnte sie somit durchaus akzeptieren.
Tragen konnte sie es dank ihrer weiblichen Rundungen ohnehin problemlos, fast schon so, als wären diese Kleider für sie geschneidert worden. Nur hie und da zwickte es ein wenig oder musste nachgeschnürt werden, um den Halt nicht in einem unpassenden Moment zu verlieren.
Wobei sie sich tatsächlich selbst ankleiden musste, denn die andere rührte diesbezüglich keinen Finger. Ebenso wenig bei ihren Haaren. Nun ja, das war zwar nicht ganz das, was sie wollte, aber im Endeffekt wahrscheinlich auch die klügere Variante. Die junge Frau hatte keine Lust, von irgendwelchen ungeschickten Fingern berührt zu werden und bei ihrer Haarpracht war sie sowieso äußerst heikel!
Wie gut, dass sich das Mieder vorne schließen ließ und sie, sofern es sich um keine komplizierten Frisuren gehandelt hatte, sich das ein oder andere Mal selbst zurecht gemacht hatte. Nicht, dass sie dies als standesgemäß empfunden hätte, aber zeitweise war es schlichtweg zeitlich nicht anders händelbar gewesen.
Somit kümmerte sie sich um ihr Aussehen alleine und gab danach lediglich noch die Anweisung, den Rest ordentlich wegzuräumen. Während sie zuvor dem Mädchen noch Unerfahrenheit zugestanden hatte, kam diesmal offener Ungehorsam.
Azuras Augenbrauen hoben sich leicht, jedoch äußerst vielsagend an. Vorbei war es mit ihrem Wohlwollen, dass sich durch diese Beschäftigung begonnen hatte aufzubauen, obwohl sie die Beleidigung ausnahmsweise überging, denn dafür war ihr der Atem zu schade.
Noch einmal sah sie auf die zurechtgelegte Kleidung... dann wandte sie sich ab und demonstrierte auf diese Weise, dass sie selbst diese niedere Arbeit gewiss nicht verrichten würde. Zwar gab sie der Göre noch einen Rat, beinahe schon eine Erlaubnis, damit jedoch hatte sich das Thema für sie selbst erledigt und sie bevorzugte es erneut, das Wasser zu beobachten.
Solange, bis sich der Schiffskoch die Freiheit heraus nahm und die Kajüte betrat. Anfangs wollte sie ihm keinerlei Beachtung schenken, aber als er sich als definitiv besser erzogen erwies als die Göre... da konnte sie ihn nicht länger ignorieren. Viel zu gut tat ihr dieser offenkundig gezeigte Respekt, den sie gewohnt und der noch das Einzige war, was ihr derzeit geblieben war.
So blieb es auch nicht aus, dass sie ihm mehr als einen zweiten Blick gönnte, wobei sie ihn etwas genauer musterte. Er war kein klassisches Bild von einem Mann, wie sie und ihre Freundinnen es sich stets ausgemalt hatten, oder der dazu angetan wäre, Modell für unzählige Heldenstatuen zu stehen. Und dennoch... seine Ausstrahlung machte wett, was ihm an Attraktivität fehlen mochte.
Sie ließ ihn verwegen, ja, fast schon verboten anziehend aussehen, so oder so ähnlich, wie man sich denjenigen in einem Liebesroman vorstellte, der die Heldin ent- und verführte, um ihn zuerst dafür zu hassen und zu verdammen, um am Ende herauszufinden, dass er in Wahrheit von höchstem Geblüt wäre und seine Geliebte zu einer ehrbaren Hochwohlgeborenen machen würde, deren gemeinsame, gesunde und edle Kinderschar die besten und bedeutendsten Titel erben würde.
Hinzu kamen seine anziehenden Augen, die sie unweigerlich an ihr eigenes Element erinnerten und dazu angetan waren, darin versinken zu wollen. Wenn... ja, wenn es da nicht jemanden gegeben hätte, dessen rote Rubine sich tief in ihr Herz eingebrannt hatten. So tief, dass ähnliches in ihrem Haar funkelte.
Trotzdem musterte sie diesen Koch, der sich zu benehmen verstand ihr gegenüber, und fragte sich unweigerlich, wie es sich anfühlen mochte, von diesen Männerarmen umschlungen und gewärmt zu werden. Oder gar, diese stoppeligen Wangen auf ihrer Haut zu spüren, wenn sie...
Um im nächsten Moment zu blinzeln und sich innerlich eine Närrin zu schelten. Was hatte dieser widerliche Schuft ihr nur angetan, dass sie sofort bei dem nächsten Mannsbild, das freundlich und artig ihr gegenüber sich verhielt, an solch niederen Dinge dachte? Dass sie es auch nur flüchtig in Erwägung zog, wie es sich anfühlen können würde?! Hatte ihr ehemaliger Begleiter sie etwas so sehr verdorben bei diesem einen, einzigen Mal, das eigentlich schon viel zu lange her war, um sich erneut danach zu sehnen?
Was dachte sie da überhaupt?! Ihr war gerade das Herz gebrochen worden, da würde sie lieber sich in den Harax stürzen, als in die nächsten, bereitwillig geöffneten Arme zu sinken! Sie war schließlich kein billiges Liebchen, das sich jedem einfach so hingab!
Diese möglichen Träumereien und aufwallenden Sehnsüchte verpufften ohnehin schlagartig, als noch jemand den Raum betrat. Er hatte sich... verändert und dennoch war für sie sofort klar, um wen es sich handeln musste. Nicht so sehr, weil sie ihn schon ein paar Mal in verschiedenen Altersstufen gesehen hatte, sondern es war für sie in großen Leuchtlettern über seinem Kopf geschrieben. Warum auch immer er sich, mal wieder, verändert hatte...
Ihr Herz krampfte sich zusammen bei seinem Anblick und sie musste mehrmals schlucken, um ihr Gefühlschaos, das augenblicklich erneut ausgebrochen war, im Zaum zu halten. Sie wollte zu ihm hin, ihn in die Arme schließen und sich auch von ihm halten lassen, während sie zugleich am liebsten umgedreht und in die Fluten gesprungen wäre, um seine Nähe nicht mehr ertragen zu müssen. Während sie in der Wirklichkeit an Ort und Stelle festzukleben schien.
Und sein Blick erst! Also, wenn da nicht sogar Steine zu erweichen wären... Ihr wurde die Kehle eng und selbst wenn sie es gewollt hätte, es wäre kein Ton über ihre Lippen gekommen.
Doch wieso hörte sie plötzlich ihre eigene Stimme, die wiederholte, was sie vor empfundenen Ewigkeiten zu sich selbst gemurmelt hatte? Die junge Frau erstarrte noch mehr zur Salzsäule und wurde ein wenig blass um die Nase, während dieser Vorgang bar jedes Verständnisses für sie war. Sie fühlte sich nicht ertappt und überführt, denn es war die reine Wahrheit, wie sie es derzeit empfand.
Und trotzdem stieg so etwas wie Schuld in ihr auf und weckte ihr schlechtes Gewissen, erst recht, als bei dieser Ausgabe ihres einstigen Begleiters die Tränen stumm zu fließen begannen.
Ihr blieb nichts anderes übrig, sie musste endlich diesen Blickkontakt beenden, wenngleich ihr das Herz dabei blutete. Als er sich abwandte, sah auch sie zur Seite und wisperte mit unendliche Traurigkeit:"Du wolltest mich doch gar nicht..."
Konnte man sie eigentlich hören? Es rauschte ihr so laut in den Ohren, dass sie sich nicht sicher war, weil sie sich selbst kaum verstanden hatte. Den anderen Beiden traute sie nicht zu, Garmisch zu verstehen, aber ob er sie vernommen hatte? Es war keine Entschuldigung, nur eine... Begründung. Nicht, dass es ihm viel bedeutet hätte, sonst hätte er sie nicht einfach so eingetauscht, davon war sie noch immer überzeugt, weil sie alles andere schlichtweg nicht nachvollziehen konnte. Aber sie hatte es nun einmal aussprechen müssen.
Daraufhin schluckte sie leer und sammelte selbst Kraft für einen, wie sie dachte, letzten Blick in seine Richtung, zum Abschied, ehe sie all ihren Herzschmerz tief in sich einsperren würde, um wieder in die Rolle der alles überlegenen Adeligen schlüpfen zu können. Um sich nicht noch weiter mit ihren Gefühlen vor Zeugen zu demütigen.
In diesem Moment wandte auch er sich ihr zu, wollte ihr etwas sagen, das sie, fertig ausgesprochen, in äußerste Gewissensnöte gestürzt hätte. Doch er kam nicht dazu, plötzlich war da der Schiffskoch und packte ihn, um ihn hochzuheben und verbal anzugreifen. So sehr sie auch litt unter dem, was ihr Schuft ihr angetan hatte, das ging zu weit!
Plötzlich erwachte sie zum Leben, schüttelte die Starre und das Leid ab, um mit befehlsgewohnter Stimme zu verlangen:"Aufhören!"
Keinen Moment später hatte sie mit wenigen, energischen Schritten die Distanz überbrückt und legte ihre Hand auf den Arm des Erwachsenen. Fest und fordernd war ihr Blick. "Ich habe gesagt, aufhören, sofort!", wiederholte sie. Dabei war ihre Stimme nicht einmal laut, allerdings so eindringlich und scharf, dass ihrem Wunsch besser nachgegangen wurde.
Doch erstaunlicherweise mischte sich auch die Göre ein und ihr Tonfall verriet, dass sie mit dieser Behandlung ebenfalls nicht einverstanden war. Während der Junge als einziger nichts zu seiner Verteidigung tat... schon wieder! Ihr Herz verkrampfte sich noch mehr, als er zumindest zurückgestellt und losgelassen wurde.
Sofort war die junge Frau da, stellte sich instinktiv neben ihn und legte ihm beschützend einen Arm um die mageren Schultern. Dabei fixierte sie zuerst den Koch, dann das Mädchen, um am Ende erneut bei ihm zu landen. "Niemand rührt ihn an oder fügt ihm Leid zu! Verstanden?!", verlangte sie und ahnte dabei noch nichts von dem, was er in den letzten Stunden hatte erdulden müssen. Was wahrscheinlich ganz gut war, sonst hätte dieses Schiff sich wohl auch von seiner restlichen Mannschaft verabschieden können. Aber so...
Ein plötzlicher Ausbruch und ein dazugehöriger Aufschrei ließen sie den Kopf drehen und fragend die Augenbrauen anheben, ehe ihr Denken eigene Schlüsse ziehen konnte. Ihre Miene wurde entschlossen, als sie langsam nickte und unbewusst ihren Griff verstärkte, sollte der Junge sich noch nicht befreit haben.
"Das stimmt. Er ist niemandes Eigentum, er gehört sich allein!", bekräftigte sie ihre Sicht der Dinge.
Um im nächsten Moment selbst Ziel von Vorwürfen zu werden, dass sich erneut ihre fein geschwungenen Brauen anhoben. "Wie bitte?!", entkam es ihr pikiert, da es für sie so klang, als hätte sie seine Selbstbestimmung nicht gerade verteidigt, sondern negiert.
"Was bildest du dir eigentlich ein?", folgte es entsprechend und wie jedes Mal, sobald die Zwei sich aneinander zu reiben begannen, fing ihre Magie an zu brodeln. Gemeinsam mit dem verschütteten, noch nicht verwischten oder verdampften Wasser, das plötzlich so wirkte, als wäre es kurz vorm Sieden. Ihre Miene verfinsterte sich und sie verkannte weiterhin die Situation.
Wütend funkelte sie die andere an. "Natürlich leidet er! Er ist verwundet und jeder hier will in ihm nichts anderes als ein Monstrum sehen und ihm ständig an den Kragen!", biss sie zurück.
Gut, er hatte sich auf diese Weise auch mehr oder weniger vorgestellt, aber... Er hatte auch andere, nette... schöne Seiten, irgendwo, tief in sich drin! Ganz egal, wie oft er ihr noch das Herz brechen würde, sie konnte ihn nicht einfach so schutzlos zurück lassen. Noch nicht...
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 28. August 2022, 12:48

Falls Corax Azuras garmische Worte gehört und auch verstanden hatte, nahm er sie lediglich zur Kenntnis. Ansonsten reagierte er nicht. Überhaupt verhielt er sich so ... fremdartig, jedenfalls für sie. Wo war sein Feuer hin, seine Spur Rebellion, die sie stets in den Wahnsinn getrieben hatte? Ein Verhalten, das dennoch für die nötige Würze zwischen ihnen sorgte und sie schließlich bis in seine Arme und, mehr noch, ihn in sie getrieben hatte? Nichts davon fand sich jetzt in dieser kleinen Gestalt, die so armselig und verlassen wirkte, dass selbst Faldor für sie ein Tränchen vergießen könnte. Corax schien jeglichen Lebenswillen verloren zu haben und sich doch nicht dazu überwinden können, diesem trostlosen Leben ein Ende zu setzen. Der Anblick war nur schwer zu ertragen wie er da am ausgestreckten Arm des Kochs hing und kein bisschen Widerstand leistete. Er glich mehr einer Puppe denn einem richtigen Lebewesen. Ein kaputtes Spielzeug...
Nein! Nicht nur durch Azura fuhr eine Brandung, auch Madiha erfasste ein glühender Funke. Beide Frauen konnten und wollten nicht hinnehmen, was sie hier sahen. Die Ursache blieb dieselbe, aber die Gründe für ihre wachsende Entrüstung entsprang anderen Motiven. Sie waren so unterschiedlich wie ihre magischen Fähigkeiten gegensätzlich waren. Wo Madiha von feuriger Wut über ein Sklavenschicksal fast schon selbst entfacht wurde, weil sie in dem dunkelelfischen Häuflein Elend so viel von sich selbst erkannte, da würde Azura diese Gefühle niemals nachvollziehen können. Ihre Lebenserfahrungen fußten auf einer ganz anderen Ebene, aber dafür hatte Corax' Art ihr Herz über die Zeit von den Kanten arroganter Überheblichkeit geschliffen und weich gespült, bis die Perle ihrer Persönlichkeit sich hatte entfalten können, als er nicht nur die Muschel ihres Leibes zusammen mit ihren Beinen geöffnet hatte. So unterschiedlich ihre Motive aber auch waren, Corax stand im Zentrum und schien sich dessen nicht einmal bewusst. Er war in sich gekehrt. Er litt - das erkannten sowohl Azura als auch Madiha. Die Adlige war es, die zuerst handelte und sich neben ihn stellte, um ihm die Hand auf die Schulter zu legen. Corax zuckte nicht einmal darunter, aber wie erschreckend schmal er sich anfühlte. Er war nicht so dürr wie Madiha und doch schmächtig, als hätte er mit dem Wechsel in seine neue Gestalt nicht nur seine zynische Zunge, sondern auch seine Stärke hinter sich gelassen. Er war ein Zweig! Selbst Azura könnte ihn zwischen ihren schlanken, gepflegten Fingern zerbrechen. Aber seinen Körper hatte mutmaßlich ein anderer gebrochen. Sie war nur für seine Seele verantwortlich, ohne sich dessen nach wie vor bewusst zu sein. Dadurch, dass sie ihm nun aber beistand, löste sie etwas aus.
"Niemand rührt ihn an oder fügt ihm Leid zu! Verstanden?!"
Corax sah langsam auf. Der Tränenfluss versiegte nicht, aber schien abzuflauen. Eine Spur Überraschung wob sich in den dunklen Schleier, der seine Seelenrubine bedeckte. Er schaute Azura nur an, konnte nicht begreifen, was sie tat und sagte. Seine Finger zuckten auf die Rüschen ihres Rocken zu und dann wieder zurück, als Madihas Handschlag auf den Tisch alle Aufmerksamkeit auf sich zog.
Bei dem Kind der Wüste stieß Corax' Leiden auf deutlich mehr Verständnis noch als bei Azura, denn sie sah nicht nur, dass er sich damit selbst quälte, sondern dass er es wie die meisten Sklaven tat: Corax schloss das Leid in sich ein. Er versuchte, so wenig wie möglich davon nach außen zu tragen, denn leidende Sklaven sah man als schwach und unbrauchbar an. Sie wurden für jede vergossene Träne bestraft. Hätte ein gnadenloser Herr den Jungen so gesehen, hätte das mindestens seinen sofortigen Verkauf, wenn nicht gar seinen Tod bedeutet. Plärrende oder klagende Sklaven wünschte sich niemand - abgesehen von einigen Ausnahmen, deren Schritt sich ausbeulte, wenn sie die Frau unter sich zappeln und wimmern sahen. Oder das Mädchen. Oder den Jungen.
Grauenhafte Vorahnungen trieben Madiha zum Handeln. Sicherlich hätte sie es selbst niemals zu glauben gewagt, bis zu jenem Moment, da sie sich zwischen Corax und Caleb stellte. Sie verteidigte den Mann, der versucht hatte, ihr Leben zu beenden. Nein, sie verteidigte den Jungen. Sie stellte sich vor eine Seele, die sich nicht wehren konnte, weil man sie zerbrochen hatte. Sie verteidigte ein bisschen auch sich selbst.
"Das darf er nicht! Er hat dazu kein Recht! Und du hast auch kein Recht, Leute so zu behandeln!" Madiha ausgestreckter Finger zeigte verurteilend auf Azura. Corax folgte diesem Fingerzeig mit Blicken. Noch immer konnte er die gesamte Situation nicht begreifen. Er blinzelte die letzten Tränen aus den Augenwinkeln, wohingegen sie bei Madiha nun heiß brannten. Nein, sie brannte. Ihre Haarspitzen kräuselten sich ein wenig wie Papier unter der Spitze einer Kerzenflamme. Rauchsäulen, dünner als ein Seidenfaden, stiegen auf, verteilten ein sanftes Rauch-Aroma im Raum. Corax starrte aber nicht auf das flammende Phänomen, das sich langsam anbahnte, sondern auf Madiha selbst. Auf seinem gesamten, mickrigen Körper bildete sich eine Gänsehaut. Sie verstärkte sich allerdings bei Azuras Worten noch mehr und dieses Mal zuckte er unter ihrer Hand zusammen.
Er ist niemandes Eigentum, er gehört sich allein!"
"N-nein...", ächzte er Junge. Er begann zu zittern und sah voller Schrecken zu der Rotgoldenen Schönheit empor. "Ich gehöre dem Käpt'n..." Azura ahnte nicht, was ihm zugestoßen sein könnte, aber Madiha wusste es instinktiv. Aber um wieviel schrecklicher er sich fühlen musste, wenn die Angst niemandes Eigentum zu sein größer war als das, was Jakub mit ihm angestellt haben mochte.
"Tu ihm nicht weh!", wandte Madiha sich derweil an Caleb. Der Dieb hatte zu dem Trio aber bereits Abstand genommen. Er hob beide Hände in beschwichtigender Gest an und senkte dabei ergeben den Kopf, dass sich einige der braunen Strähnen aus seinem lockeren Zopf lösten und einen löchrigen Vorhang vor seinem Gesicht bildeten. "Ich rühr ihn nicht an - dir zuliebe. Aber vergiss über seine plötzliche Erscheinung nicht, was er getan hat. Er ist ein Mörder."
"Er ist verwundet und jeder hier will ihn ihm nichts Anderes als ein Monstrum sehen und ihm ständig an den Kragen!", echauffierte sich nun auch Azura auf's Neue. Alle spien sich gegenseitig an. Nur der Betroffene blieb still, starrte mit Schreck geweiteten und von Unverständnis erfüllten Augen in die Szenerei. Und er lauschte. Er hörte Worte, die kein anderer so vernahm, denn die anderen verstanden nicht. Corax aber bescherten sie tiefste Furcht.

"Ein Monstrum, das passt doch."
"Ohja, ohja, das ist er!"
"Ein kleines, freches Monster ... das mit seiner Beute spielt."
"Ja, ja, spiel! Spiel mit ihnen, spiel mit uns! Spiel, kleiner Rabe und schrei deine Freude heraus!"
"Zeig uns, wie du spielen kannst! Zeig uns Blut, Leid und ... Tod!"
"Spiel, spiel, spiel!"
"Stich, stich, stich!"
"Zerfetze, zerreiße, zerschlitze!"
"Blut, Blut, Blut!"
"Tod, Tod, Tod!"
"Leid, Leid, Leid!"
"Rabenschrey, Rabenschrey, Rabenschrey!""
/ "Corax, Corax, Corax!"

Unheimlich Stimmen von unter dem Bett stießen seinen Namen wie das Mantra eines Gottes der Finsternis aus, als verbarg sich Faldor persönlich in den Schatten. So ausgesprochen klang dieser eine Name wie das pure Verderben, das über alle Anwesenden hereinbrechen sollte. Es schlängelte heran, schlich sich in die Seelen wie Gift, schürte aber nur in einer Furcht.
"Nein! Ich will nicht spielen!" Corax erbebte. Er riss seine Hand vor, packte Madihas Finger und klammerte sich daran fest, um sie an sich heran zu ziehen, dass sie nur eine zweite Haut für ihn würde. Er wollte sie eng an sich drücken, sofern sie sich nicht wehrte. Keine großen Männerhände, die sich um ihren Hals legen wollten, sondern nur kleine Finger, die verschwitzt und zitternd an ihren hingen. Zeitgleich wirbelte der Dunkelelf halb herum, um sein Gesicht an Azuras Hüfte zu vergraben und sich mit der anderen Hand um ihren Schenkel zu klammern. "Mama", schluchzte er. "Mama, Mama! Mama!"

"Spiel schon!"
"Spiel mit uns!"
"Wir schenken dir auch Spielzeug!"

Zusammen mit dem unheilvollen Forderungen von unter dem Bett drangen Schatten in den Raum, färbten das Fensterglas schwarz, den Himmel und das Meer draußen blutrot und spickten die Decke der Kajüte mit winzigen Nadeln, die spitz und silbern glänzend nach unten deuteten. Dann legte sich ein Schwall beängstigender Kälte über die Anwesenden und im nächsten Moment fielen die Nadeln wie ein silberner Schauer auf sie nieder.
Corax drückte sich eng an Azura und zog noch immer an Madiha, um sie wie einen Schutzmantel um sich zu legen. Einzig Caleb reagierte schnell. Eine Hand schützend über sein Gesicht gelegt, um den Nadelregen abzuwehrend, wandte er sich dem Bett zu und rutschte in halsbrecherischer Bewegung, die Stiefel voran, unter die Schlafstatt. Nun, zumindest hatte er das vor, aber er war kein Kind. Dementsprechend blieb er auf Höhe des Beckens zwischen Boden und Bettkante stecken und musste sich mühsam darunter quetschten. "Was immer da ist, ich krieg euch!", blaffte er das Ungesehene unter dem Bett an. Dass die scharfen Nadeln weder ihn noch die anderen verletzt hatten, nahm er in seinem Adrenalinschub gar nicht zur Kenntnis. Aber sie lagen wie ein Meer aus metallisch schimmernden Splittern oder silbernen Fischgräten nun am Boden. Dort wuchs ihnen schwarzer Flaum, bis sie sich in Rabenfedern verwandelten, die die Holzplanken unter sich vollends bedeckten. Erst dann richteten sie sich wie ein Wesen auf, tänzelten dabei wie eine gigantische, schwarze Federschlange, die nach wie vor spitze Nadeln besaß und richteten ihren Kopf auf den Jungen zwischen Azura und Madiha aus.

"Rabenschrey, Rabenschrey, Rabenschrey!" / "Corax, Corax, Corax!", erklangen erneut die Stimmen unter dem Bett, aber dann schien die Nadel-Rabenfeder-Schlange zu ihnen allen zu sprechen. Zischend wandte sie sich an ihr Opfer: "Coraxxxssssss, nacktessss Kind, trag dein Gewand aus sssssschwarzem Leid, hssssss!" Schon schnellte der Albtraum aus fedrigen Nadeln auf den Gerufenen zu.


Hinweis: In dem Moment, da die Nadel-Feder-Schlange auf Corax zuschnellt, bleibt euch exakt eine Handlung, sei es eine(!) Bewegung, eine(!) Tat oder ein(!) Satz aus maximal fünf Worten. Für mehr reicht es nicht. ;)
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 28. August 2022, 21:09

Wie lange mochte es wohl dauern, bis einen die Freiheit in tausend Teile zerbrach? Bis man erkannte, dass man nicht entkommen konnte, wie sehr man sich auch bemühte? Wenn man einsehen musste, dass das Leben so vorherbestimmt und unabwendbar geworden war? Madiha war noch nicht an diesem Punkt, denn sie kämpfte noch händeringend um ein wenig mehr Würde. Ein wenig mehr entgegengebrachten Respekt und das Gefühl, etwas wert zu sein. Sie gab noch nicht auf, wie der kleine Junge mit den schmalen Schultern. In dem sie äußerlich sehen konnte, was ihr innewohnte. Was andere ihr ansahen, wenn sie nur lange genug den Blick auf ihr belassen konnten. Sie schaute nicht weg, denn das was er zeigte, war ihr Leben. Es war als würde Corax sie verhöhnen, auch wenn sie ihm das nicht zuschrieb. Sein Verhalten kratzte gefährlich an ihrer Schale und wollte sich mit blutigen Fingern ein Loch in ihre Seele schaben. Es hatte sie kalt erwischt, als er den Raum betrat und sie von einer dunklen Vorahnung gepackt wurde. Caleb sah es nicht. Und auch die Adelige sah nur ihr eigenes Leid, schaffte es aber nicht die Kluft in ihrem Herzen zu überwinden, jedenfalls noch nicht. In Madiha aber baute sich Last um Last die erdrückende Wahrheit ihres Seins auf. Sie musste sich eingestehen, dass sie das Blatt des Lebens nicht neu mischen konnte. Dass das bereits jemand für sie getan hatte und ihr die Schicksalskarten austeilte. Corax stand wie ein Mahnmal vor ihr, geschunden und auf viele Weisen zerbrochen. Das Mädchen der Wüste spürte gar nicht, wie sehr sie diese Erkenntnis in Rage versetzte. Es war der Schmerz darüber, dass ihresgleichen niemals eine echte Chance erhalten sollten. Und dass der Mann, der so viele vernichtet hatte, am Ende nur jemand war, der sich einfach nicht mehr zu helfen wusste. Der um sich schlug, weil er keine Wahl hatte. Weil er nicht wusste, wer er war und sein konnte. Madiha aber wollte diese Voraussicht auf ihre eigene Zukunft nicht. Würde sie ebenso werden? Gesplittert in viele Persönlichkeiten, die allesamt nur darin gipfelten, dass sie eines Tages doch nur wieder in ihr anerzogenes Dasein fiel? Ihr Blick fiel auf Caleb, der mit einem Mal den Jungen packte und schüttelte. Der seinen Zorn über das Tun des Mannes freiließ und absolut Recht damit hatte! Madiha hatte das nicht vergessen. Aber sie vermischte Corax mit sich selbst und schaffte es nicht mehr, sich davon zu distanzieren. Das Erlebte in den letzten Stunden, jedes Mal knapp dem Tod entronnen zu sein, machte etwas mit einem Menschen. Die Wassernixe trauerte und kratzte jedem, der ihr zu nahekam, die Augen aus. Madiha verdrängte und schuf damit nur ein viel größeres Problem. Die hübsch zurechtgemachte Frau war es jedoch, die dem Dieb als erste Einhalt gebot. Madiha’s Blick legte sich dunkel auf die Szenerie. Sie begriffen es einfach nicht. Keiner von ihnen konnte sehen, was sie sah und keiner von ihnen verstand wahrhaftig, wie es war ständig und immer benutzt zu werden. Wie ein Müllhaufen achtlos entsorgt und verunstaltet zu werden. Nichts wert zu sein. Niemanden zu haben, der sich um einen scherte. Madiha’s Ausbruch war heraufbeschworen. Sie kam mit schnellen Schritten um den Tisch herum, spürte gar nicht, dass sich da etwas anbahnte, von dem sie noch immer keine Ahnung hatte, dass sie dazu fähig war. Sie sagte der Schönen auf den Kopf zu, was sie dachte. Dass sie niemals das Recht besaß, mit wem auch immer so umzugehen, wie sie es kürzlich mit ihr selbst und gleichzeitig mit Corax getan hatte. Auch wenn sie letzteres kaum wirklich wissen konnte. Madiha war gefangen in ihrem Leid, ausgelöst durch einen Mann, ein Kind, das sich ihrer nicht nur als tödlicher Rachegeist bemächtigte. Sie mahnte auch Caleb, dem Jungen nicht wehzutun. Allerdings war ihre Stimme bei ihm längst nicht so fordernd. Sie wollte lediglich, dass er genau hinsah, dass er erkannte, dass sie dieser Junge hätte sein können. Und das auch aus ihr noch etwas werden könnte, das niemand mehr verstand und niemand nachvollziehen wollte. "Ich rühr ihn nicht an - dir zuliebe. Aber vergiss über seine plötzliche Erscheinung nicht, was er getan hat. Er ist ein Mörder." Madiha spürte die Tränen auf ihrer Haut. Sie schienen augenblicklich zu verdampfen, während sie ihr über die Wangen liefen. „Caleb er… er ist wie ich…“, krächzte sie fast tonlos und die schreckliche Zukunftsvision, die Corax in ihr auslöste, schürte das Feuer in ihrem Innern umso heftiger.
Sie sah zur Schönen und hob die Schultern. „Er… musste so vieles erdulden.“, versuchte sie ihr begreiflich zu machen. „Hilf ihm doch!“, flehte sie und wünschte sich, dass es Erlösung geben konnte für jene wie sie es waren.

Das nächste was Madiha dann aber mitbekam waren die unheimlichen Laute. Ihr Kopf wandte sich dem Bett zu, als sie dort ergründen wollte, wer das gesagt hatte. Doch dann ging alles sehr schnell. Noch bevor Madiha verstand, wurde sie von Corax gepackt und zu ihm gezogen. Erschrocken wollte sie zuerst fliehen, doch schien der Junge ihr kein Leid antun zu wollen. Was genau wollte er von ihr?! Dann wurde es im Raum dunkler, während eine Grabeskälte die Sarmaerin erfasste. Doch sie fror nicht. Sie spürte diese Kälte lediglich auf ihrer Seele, hatte das Gefühl nicht richtig atmen zu können. Allerdings spürte sie die Kälte nicht auf ihrer Haut… Zu sehr wallte in ihrem Innern ein Pulverfass, dessen sie sich nicht bewusst wurde. Ihre Haut musste sich heiß anfühlen, mehr noch als bei einem Fieberkranken. Dieses Mal verflüchtigte sich der Knoten nicht. Im Gegenteil. Der Junge zog auch die Adelige zu sich und presste sich an ihren Leib. Seine Worte waren markerschütternd und Madiha hatte die Augen aufgerissen. Was passierte hier?! Das unstete Gefühl, welches durch die Nähe zu der anderen ausgelöst wurde, unterstützte lediglich ihre ureigene Unruhe. Also würde ihr schwarzer Klumpen im Innern zusätzlich in Schwingungen gebracht, lockerte sich Knoten für Knoten. Wie in Trance blickte sie Caleb entgegen, der sich plötzlich bewegte, während silberfarbene Nadeln von der Decke regneten. Madiha fühlte sich in eine seltsame Zeitblase versetzt. Als würde sie kaum angemessen schnell reagieren, warf sie einen Blick nach oben, erschrak und beugte sich, gezogen von dem Jungen, über diesen, um ihn zu schützen. Doch wieso? In Erwartung von Schmerzen, presste sie die Augen festzusammen und spürte ein erneutes Lösen des schwarzen Balls in ihrem Innern. Als würde etwas die Ketten sprengen, mit dem sie ihn seitjeher festgehalten hatte. Wieder löste sich eine Verankerung. Wurde sie noch heißer? Flammte das Haar noch mehr? Madiha spürte es nicht. Sie tat das nicht bewusst, es passierte einfach. Geboren aus Unwissenheit und dem drängenden Wunsch, zu überleben und vor allem zu leben! Sich aufrichtend, wandte Madiha den Blick gen Boden, erkannte dort die Silbernadeln, die ihr keine Schmerzen zugefügt hatten. Sie drehte den Kopf, als sie mit ansehen musste, dass sie sich verselbstständigten und zusammenwuchsen. Das Grauen nahm kein Ende auf diesem Schiff. Das Wüstenkind wandte sich aus dem Griff des Jungen drehte sich um, während die Schlange sich zusammensetzte und stand vor ihm und vor seiner eigentlichen Herrin. Sie sah in das Gesicht dieser seltsamen Schlange und presste die Lippen aufeinander. Als die Schlange plötzlich vorschnellte, um den Jungen zu attackieren, war es Madiha die endlich und gänzlich losließ. Mit einem Schrei stürzte sie die Hände nach vorne, als könne sie das Untier mit bloßen Händen aufhalten. Sie ließ all ihren Kummer, ihre Hilflosigkeit, ihren Schmerz los. Und sprengte die Ketten, die ihren magischen Knoten im Innern stets im Zaum hielten.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 28. August 2022, 22:16

Hatte er sie gehört? Und verstanden? Oder ignorierte er sie einmal mehr, um ihr zu zeigen, dass er sich nicht wirklich um sie scherte? Ihr Herz war so schwer und gebrochen, dass sie kaum imstande war, sich wirklich auf sein Leid zu konzentrieren. Oder zumindest darauf, was er ihr zeigte, denn von dem, was er hatte durchleben müssen, hatte sie keine Ahnung.
Natürlich, auch ihresgleichen, vor allem die adeligen Töchter, erlebten oft genug Gewalt im Ehebett und hatten keine Chancen, sich dagegen zu wehren. Aber dass er nun, in Gestalt dieses Jungen, davon betroffen wäre... Woher auch sollte sie die Anzeichen kennen? Bislang war sie unverheiratet und bis auf die Erfahrungen mit ihm, die freiwillig gewesen waren, hatte sie keine Berührungspunkte damit gehabt. Es sich auch nicht vorstellen wollen, dass es jemals ihr persönlich widerfahren würde.
Es fiel ihr also aus mehreren Gründen schwer, genauer hinsehen und erahnen zu können, was wirklich mit ihm los war. Stattdessen schwankte sie zwischen dem Wunsch, ihn in ihre Ame zu schließen und vor ihm davon zu laufen, während bei ihm stumm die Tränen flossen. Und auch die ihren heraufbeschwören wollten, wenn sie sich nicht noch im Griff gehabt hätte. Doch dafür durfte er sie nicht länger derart gequält ansehen!
Allerdings veränderte sich die Situation und damit auch ihre Position. Ja, er war für sie stets der widerliche Schuft gewesen, der sie verführt hatte. Im Moment jedoch war er ein hilfloser Junge, und auch wenn er zuvor ihr Herz regelrecht entzwei gerissen hatte... niemand ging auf ihn los! Das war einzig und allein ihr Privileg, ihm den Hals umzudrehen, um ihm danach wieder verfallen zu können!
Ähnlich wie schon zuvor schlug ihre Stimmung um und so sehr sie auch unter seiner Anwesenheit litt, sie war zur Stelle, als es darum ging, ihn zu schützen. Zwar hatte sie lediglich ihre Standesdünkel und ihre scharfe Zunge dafür zur Verfügung, sah man einmal von ihrer recht unbeherrschbaren Magie ab, aber die würde sie bis zum Letzten für ihn einsetzen. Mehr noch, sie legte schützend ihre Hand auf seine Schulter, würde ihn zur Not hinter ihren eigenen Körper schieben, damit dieser Koch nicht noch einmal auf die Idee käme, ihn anzugreifen.
Dazu aber kam es nicht, denn stattdessen erfolgte eine Attacke von der Göre. Nicht gegen ihren Begleiter, sondern... gegen den Mann, den sie zu kennen schien, und sie selbst. Wie bitte?! Sie hatte nichts getan und noch dazu sprach man nicht so mit ihr!
Selbstverständlich echauffierte sie sich darüber, wie hätte sie es auch nicht tun können? Doch sie missverstand die andere größtenteils.
Dabei hätten sie sich durchaus ähnlich werden können, wenngleich auf eine Art und Weise, die wohl die jeweils andere sich nicht ausmalen könnte. Auch bei Azura bestand die Gefahr... oder hatte bestanden, bis ihr Leben und ihre Zukunftspläne über den Haufen geworfen worden waren, zu einem Spielzeug zu werden. Der falsche Ehemann und schon hätte sie ihr Dasein in Leid und Elend gefristet, in einem goldenen Käfig mit Schmerz und Demütigungen.
Nein, die junge Frau mochte zwar ein privilegiertes Leben geführt haben und davon ausgegangen sein, mit Recht ihren Willen weiterhin jederzeit umsetzen zu können. Doch im Endeffekt wäre sie, mehr oder weniger, ebenfalls irgendwann auf dem Heiratsmarkt zur Ware geworden und hätte mit Pech ähnliches erleben können, an jemanden geraten, der sie mit Freuden gebrochen hätte.
Aber sie und die Göre rieben sich unaufhaltsam aneinander und waren beide nicht in der Verfassung, auch nur im Geringsten sich vorstellen zu können, dass es irgendwie Ähnlichkeiten zwischen ihnen hätte geben können. Nun indes waren sie sich, zumindest in einem Punkt, einig: Niemand sollte Corax ein Haar krümmen! Auch wenn das dazu führte, dass sie sich beide schon wieder anzugiften begannen.
Vermutlich wäre es noch schlimmer ausgeartet... und die junge Frau hätte vielleicht auch endlich wahrgenommen, dass sich da etwas Rauchendes anbahnte, hätte sich ihr Schuft nicht endlich einmal zu Wort gemeldet. Sehr leise und zurückhaltend, sodass sie das erste Ächzen gar nicht als solches verstand. Doch sein Zittern konnte sie spüren und das lenkte ihre Aufmerksamkeit zurück auf ihn.
Traurigkeit und Verständnislosigkeit traten in ihren Blick, als sie langsam den Kopf schüttelte. "Warum sagst du nur so etwas...?", wisperte sie und konnte es einfach nicht begreifen.
Er war stark und stur gewesen, hatte sich so viele Freiheiten und Frechheiten herausgenommen, wie er gewollt hatte. Und jetzt...? Wieso verstand er es nicht endlich, dass er niemals ihr Eigentum gewesen war und auch dieser Kapitän kein Recht dazu hatte, ganz gleich, was gesagt worden war?!
Abgelenkt wurde sie erneut von Stimmen und bekräftigte noch einmal, dass sie diese Behandlung ihres ehemaligen Begleiters nicht duldete! Da wandte sich die Göre wieder direkt an sie und sorgte dafür, dass sie ihre Augenbrauen in einer Mischung aus Skepsis und Ratlosigkeit anhob.
"Was tu ich denn gerade?", gab sie, ein wenig pikiert, zurück. Sie setzte sich hier gerade für ihn ein, obwohl er sie in solch tiefes, unbekanntes Leid gestürzt hatte. Was sollte sie sonst noch machen?!
Plötzlich jedoch kam noch etwas ganz anderes hinzu. Azura konnte es nicht verstehen, aber irgendetwas... drang da unter dem Bett hervor!
Ihr Kopf ruckte zur Seite, als der Name des Jungen immer deutlicher und lauter erklang, sodass es ihr einen eisigen Schauer über den Rücken jagte. Instinktiv drückte sie ihn fester an sich, als er nach der Göre griff und sie heran zog.
Scharf sog die junge Frau die Luft durch die Nase ein, als sie eine unnatürliche, sie scheinbar versengen wollende Hitze verspüren musste. Die sie eigentlich vertreiben wollte, wenn... wenn er sich nicht zeitgleich auch an sie geklammert hätte und etwas von sich gab, das sie erstarren ließ.
Ihre Augen weiteten sich ein wenig und eine Erinnerung zuckte in ihrem Gehirn auf, ein Traum... oder was auch immer das gewesen war. Langsam, gefühlt unendlich langsam senkte sich ihr Kopf und sie suchte seinen Blick. "Warum... warum nennst du mich... so...?", wisperte sie beinahe tonlos.
Denn sie war gewiss keine Mutter, davon wüsste sie! Zugleich allerdings war diese Vorstellung auch dermaßen absurd... vor allem nach dem, was sie in den heißen Quellen getan hatten, dass ihr beinahe übel wurde davon. Es fiel ihr schwer, diesen Gedanken abzuschütteln, sodass sie die Veränderung mehr erspürte, denn wirklich mitbekam.
Solange, bis es dunkel genug war, dass auch sie es nicht länger ignorieren konnte. Fragend blinzelnd und mit einem unguten Gefühl in der Magengegend sah sie auf.
Sie fror mit einem Mal und suchte dadurch intuitiv die körperliche Nähe zu den anderen Beiden, ohne darüber nachzudenken. So konnte auch sie ihn mit ihrem Körper schützen. Wovor eigentlich?
Plötzlich regnete etwas Silbrigglänzendes auf sie alle herab, sodass sie mit einem leisen Schrei die Hände hob und über ihren Kopf hielt, in Erwartung von schmerzenden Treffern. Nur... blieben diese irgendwie aus, weswegen sie schließlich zögernd wieder aufsah.
Um beobachten zu müssen, wie sich aus den metallischen Dingern allmählich etwas anderes, weitaus Beängstigendere zu formen begann. Azuras Augen weiteten sich und die Farbe wich ihr aus dem Gesicht, während sie stumm zusehen musste, einfach nicht wegsehen konnte.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Erneut erklangen diese Töne unter dem Bett, legten sich wie eine Klammer um ihr Herz und schienen zudrücken zu wollen, um ihre Angst zu schierer Panik werden zu lassen. Als dann auch noch dieses Furcht einflößende Wesen das Wort ergriff, wurde es noch einmal eine ordentliche Spur schlimmer.
Um plötzlich in einen Höhepunkt zu münden, der bei ihr jegliches klares Denken auslöschte. Sie begriff nicht, was da gezischelt wurde oder gar, dass ein Angriff daraufhin erfolgte. Sie reagierte schlichtweg instinktiv. Mit einem verzweifelten "Nein!" auf den Lippen, drehte sie sich und wollte ihren Körper schützend zwischen den Jungen und dieses Monstrum bringen.
Zeitgleich hatte sie auch keine Kontrolle über die Magie, die in ihr schlummerte. Wasser gab es in ihrer Umgebung ausreichend, sowohl bei dem Tablett als Trinkwasser wie in dem gekochten Essen, als auch draußen vor dem noch immer geöffneten Fenster in Form der weiten See. Würde sie davon etwas zu ihrer aller Schutz nehmen und als Gegenangriff einsetzen können? Würde sie auch treffen? Oder würde sie sich übernehmen und dadurch selbst wieder an den Rand einer Ohnmacht... oder schlimmerem bringen?
Es war keine Zeit zum Nachdenken oder zum Erspüren, ob sie ihre Magie überhaupt irgendwie verwendete. Sie wollte nichts anderes, als ihren ehemaligen widerlichen Schuft, den Mann ihres Herzens, der im Moment ein Junge war, beschützen. Ob es ihr auch nur im Geringsten gelingen würde, stand indes auf einem vollkommen anderen Blatt.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 29. August 2022, 08:57

Corax drückte das Gesicht so fest gegen Azuras Hüfte, als wollte er Teil ihres Körpers werden. Er zitterte am ganzen Leib. So hatte sie ihn noch nicht erlebt, aber im Moment war er auch fern von all dem, was sie kannte. Stur, eigenwillig und selbstsicher mit dieser Spur rebellischer Überraschung, mit der er sie so oft eiskalt erwischt hatte, das alles steckte offenbar nur in seiner erwachsenen Version. Aber wer konnte es ihm angesichts dessen verübeln, mit dem sie sich nun konfrontiert sahen?
"Aufhören! Bitte...", wimmerte die von Furcht erfüllte Stimme des Dunkelelfen gegen Azuras Korsage. Selbst wenn einem die Sprache nicht geläufig war, so ließ sich doch zumindest der Sinn dahinter erahnen. Corax bettelte um ihr aller Überleben, aber die drohende Gefahr hatte nichts dafür übrig. Die mit schwarzem Gefieder gespickten Nadeln richteten sich zur vollen Größe und Form einer Riesenschlange auf und im leichten Zittern der Metallspitzen erklang der rau dröhnende Zischlaut der Bestie. Längst hatte die Schiffskabine des Kapitäns eine finstere Farbe angenommen. Alles wirkte verdunkelt, wie schon vor kurzem an Deck, als Corax in Form einer Riesenkrake ein Meer aus Blut über die Besatzung hatte hinweg schwappen lassen. Ein Blick aus dem offenen Fenster verdeutlichte, dass Himmel und Meer wieder die Farbe seiner Rubinaugen angenommen hatte, nur bei weitem nicht so schön schimmerten. Vielmehr offenbarte die Sicht aus der Kajüte heraus einen Blick auf die faldorischsten Domänen des Harax. Es fehlte nur noch, dass arme Seelen im Blutmeer gefoltert wurden. Doch das wollte die Nadelspitzen-Feder-Schlange nun innerhalb der Kammer übernehmen.
Sie zischte eine Drohung und stürmte dann auf das Trio, gezielt jedoch auf Corax, zu.

So weit sollte sie nicht kommen, wenn es um Madiha ging. Das Mädchen, das im Grunde keinerlei Berührungspunkte zu Corax haben konnte außer dem Fakt, dass sie Zeuge seiner mörderischen Taten und beinahe sogar Opfer geworden wäre, stellte sich nun sowohl vor ihn als auch vor Azura. Der Anblick des Sklavenburschen, den er gab, hatte ihr das eigene Schicksal vor Augen geführt. Man hatte sie trotz all der Misshandlungen niemals ganz brechen können. Madihas natürlicher Trotz war ihr immer ein Schild gewesen, unter dem sich ein unversehrter Teil ihrer Seele hatte verbergen und nach den Strapazen noch lachen können. Dieser Teil hatte sie all die Jahre jedes Unglück und jede Hürde überwinden lassen. Er hatte dazu geführt, dass sie den Kopf noch stolz der Sonne entgegenstreckte, auch wenn sie bis zum Hals im Sand vergraben war. Er hatte sie überleben lassen und hatte es sich nicht gelohnt? War die Aussicht auf einen besseren Schicksalsweg nicht zum Greifen nah gewesen, als Caleb sie mit Dunia bekannt machte und sie in der Akademie der Feuerhexe Cassandra aufgenommen worden war? Als sie eine so wunderschöne Tunika erhalten hatte - das erste Kleidungsstück, das wirklich ihr gehören sollte - und zu Prüfungen eingeladen worden war, um ihre magischen Fähigkeiten zu testen? All das hatte so sehr nach Freiheit geschmeckt. Es hatte sich angefühlt, als ob sie mehr gewesen war, ein Mensch von wert. Jemanden, dem man auf Augenhöhe begegnete. Jemand, der genauso Respekt und Rechte verdient hatte wie alle anderen. Corax' Situation, vor allem in Hinblick auf die ungeklärte Vorahnung bezüglich Jakub Tauwetter, ließen die Traumblase platzen. Diesen Jungen zu sehen, der sich binnen kürzester Zeit hatte brechen lassen und offenbar aufgegeben hatte, war, als hätte jemand Madiha einen Spiegel vorgehalten. Nein, als hätte ihr jemand die rosarote Brille von den Augen gerissen. Wie hatte sie nur glauben können, jemals frei zu sein? Niemals erwartete sie, einen ähnlichen Stand wie eine Azura van Ikari zu erhalten, aber wenigstens die Freiheit eines Seefahrers wie Tauwetter zu erleben, den Genuss eines Kochs wie Fischauge oder das grenzenlose Abenteuer eines Fassadenkletterers wie Caleb. Das von Alltagssorgen begleitete und dennoch so wertvolle, schlichte Leben eines Mädchens wie Ilmy...
Nichts davon würde je eintreffen. Selbst jetzt noch ließ sie sich herumschubsen, ohne wirklich Gegenwehr zu leisten. Nein, sie hatte sich sogar verpflichtet gefühlt, Jakubs Order zu folgen. Sie hatte Azura bedient! Sie sah mit an, wie man Corax' Seele in die Gestalt eines hilflosen Jungen quetschte, weil sich dieser leichter brechen ließ. Immer und immer wieder. Und sie erwarteten alle, dass er folgsam und artig war. Vielleicht auch noch dankbar dafür, dass man ihn nicht so hart herannahm und spöttisch, wenn er - wenn auch mörderische - Fehler beging. Man ignorierte seinen täglichen Kampf, sich über Wasser zu halten, während andere ihre riesigen Pranken auf seine Haare pressten, um den Kopf schneller ins kalte Nass zu drücken.
Madiha befiel ein kalter Schauer. Er erreichte aber nur ihr Herz und sie wusste, dass er nicht aus ihrem Inneren herrührte. Dort loderte eine Zornesflamme auf, die all das nicht mehr mit ansehen konnte. Eine bittere Wut, weil es auch ihr Schicksal sein könnte - nein, werden würde! Was hatte sich denn für sie verändert? Nichts. Auch sie war immer noch nur das ungeliebte Sklavenmädchen aus Sarma. Madiha Al'Sarma. Nicht mehr wert als das, was ihr Körper unter den schwitzenden, schnaufenden Bewegungen eines von Khasibs Handelspartnern hergab.
Sie explodierte. Was immer all diese Verzweiflung und Wut in ihr jemals zurückgehalten hatte, brach sich nun Bahn. Sie spürte förmlich, wie sich ein Feuer - ihr Sklavenfeuer! - vom Herzen aus durch die Adern fraß, um alles zu verbrennen, was ihr dieses Schicksal beschert hatte. Sie würde verheeren, vernichten und dann verglühen, aber sie würde es frei tun. Weil nichts mehr da wäre, das sie in Ketten legen könnte. Madiha streckte der unheilvollen Bestie ihre Handflächen entgegen. Die Haut dort glühte bereits in gleißendem Weiß und die Fingerspitzen bildeten Ränder aus geschmolzenem Gold. Ihre Haut brannte und die Narben n ihrem Gesicht zeigten sich als Flüsse aus Lava in all der Feuersbrunst, in die sie sich verwandelte. Dann bündelten sich die Flammen zwischen ihren Handflächen, um zu einem Feuerball zu wachsen. Nein, das stimmte nicht. Madiha wollte all ihre Emotionen zwar auf die Bestie schleudern, aber wo ihre arkane Macht von Wut und Verzweiflung genährt wurde, da fehlte die Kontrolle, die man aus Erfahrung im Gebrauch dieser Macht erlernte. Das Feuer nahm neue Gestalt an. Es wuchs über ihre Finger hinaus zu einer Wand heran. Sie drohte, einen Ring aus Flammen um sich, Azura und Corax zu ziehen. Ein Ring, der sich in das Schiffsholz brennen würde. Und gerade in diesem Augenblick schoss die Nadelfederschlange nach vorn.

So weit sollte es nicht kommen, wenn es um Azura ging. Längst dachte sie nicht mehr daran, warum Corax sie - offenbar in mehr Sprachen als sie selbst beherrschte - "Mama" genannt hatte. Er hatte ihr ohnehin nur mit einem verwirrten bis verzweifelten Blick geantwortet, aber dafür blieb jetzt sowieso keine Zeit. Was sich vor ihr aufbaute, forderte alle Aufmerksamkeit von ihr. Das seltsame Schlangenwesen war schon Furcht einflößend genug. Nun aber spürte sie Madihas aufbauende Hitze und obgleich sie das Mädchen, im Gegensatz zu Corax, nicht berührte, fühlte es sich doch an, als drückte ihr jemand ein brennendes Eisen direkt auf ihr Herz. Es schmerzte. Es nahm ihr fast die Luft zum Atmen und sie glaubte, innerlich zu vertrocknen, vor allem, als das Wüstenkind zu einer gleißenden Flammengestalt wuchs.
Instinktiv lehnten sich alle wassermagischen Fähigkeiten in ihr auf, um ein Schutzschild zu bilden. Azura beherrschte ihre Magie, wenigstens ein bisschen. Genug, um sie rufen zu können, wenn sie sie brauchte. Dass sich ihr eigener Überlebenswille aber ebenso dieser Kräfte bediente und ohne ihr Zutun darauf zurückgriff, hatte sie nicht geahnt. Jetzt zeigte es sich, als sie nicht nur das verschüttete Wasser aus dem Becher um sich herum sammelte, sondern auch die Schweißperlen auf ihrer Stirn, Corax Tränen und einen Schwall des blutroten Meeres, der in hohem Bogen durch das Fenster hereingeströmt kam. Das Wasser bildete eine Barriere um sie und den Elfenjungen, musste aber gegen das Kontrastelement des Feuers nakämpfen. An den Rändern ihrer persönlichen Komfortzone begann es bereits, zu verdampfen. Madiha brannte so viel kräftiger als das, was Azura bisher aufbot. Dabei hatte sie doch das gesamte Meer unter ihrer Willkür gelenkt, oder nicht? Sie war die Göttin der See gewesen. Venthazura... Wo steckten ihre übermenschlichen Kräfte jetzt?!
In einer Schrecksekunde zwischen den Gefahren musste Azura erkennen, dass das als Schiffsjunge getarnte Mädchen aus Sarma feuermagische Fähigkeiten besaß. Sie erkannte sogar instinktiv, dass diese nicht in einem Studium durch Lehrmeister oder Eigeninitiative ausgeprägt worden waren, denn Madiha wies keinerlei Handhabungen auf, die sie mit ihrer eigenen Wassergabe selbst erlernt hatte. Aber Azura musste erkennen, dass in dem Mädchen so viel mehr steckte als in ihr selbst. Sie, die adlige van Ikari, war nur ein winzier Tropfen, der hier versuchte, gegen eine Feuersbrunst anzukommen. Wie sollte man einen Waldbrand mit nur einem einzigen Tautropfen löschen? Oh, sie war so winzig im Gegensatz zu dem, was sich gerade als Schutzschild vor sie und Corax stellte ... und drohte, ihr die Wassermagie aus der Seele zu brennen. Sie würde in den Flammen vergehen, ob gewollt oder nicht. Es fühlte sich schon an, als schmelze ihre Haut von den Knochen! Und Corax hielt sich immer noch an Madiha fest. Er hatte sich nicht abschütteln lassen. Er würde selbst in Flammen aufgehen und dann das Feuer zu ihr tragen. Asche zu Asche ... nichts würde von ihnen übrig bleiben. Weder von dem Monstrum, noch von ihnen oder der Blauen Möwe. Ihre gemeinsame Reise würde hier enden...
Die Erkenntnis weckte bei Azura keine Verzweiflung. Sie resignierte nicht, gab nicht auf, aber es fiel ihr schwer, ihren adligen Stolz dieses Mal zu nutzen, um sich dagegen zu wehren. Doch wie schon so oft, wenn es für Worte nicht mehr reichte, ließ sie Taten sprechen. Ihre Fingernägel würden hier nicht zum Einsatz kommen und das Kämpfen mit einer Waffe hatte sie nie gelernt. So musste das letzte Mittel herhalten. Azura hob ihren winzigen Tautropfen empor, um ihn über das Feuer hinweg in die Wolken zu schleudern und auf Regen zu hoffen. Ein Wirbel aus Wasser umgab sie. Er zog sich zu einer eigenen Wand hoch, die sich sturmgleich um sie als Auge drehte. Dabei bewegte sich ihre arkane Macht so schnell, dass sie mit der nassen Geschwindigkeit das Feuer am Rand im Zaum hielt. Schließlich, als das Wüstenmädchen vor ihr das eigene Element der heran stürzenden Gefahr entgegenschleudern wollte, folgte Azura reflexartig dieser Bewegung. Sie schickte ihr Wasser hinterher und sah nur noch die Silbernadeln, die sich durch das Feuer hindurch ihrer Existenz näherten, um jene auszulöschen.

So weit sollte es nicht kommen.
Die Bestie aus Tausend Silbernadeln mit schwarzem Gefieder stieß vor. Wie ein Raubvogel preschte sie auf ihre Beute los. Das Metall ihrer Schlangenzähne blitzte in Myriaden Nadeln auf. Sie würde vergiften und töten, da bestand kein Zweifel mehr. Und sie verhöhnte die bemitleidenswerten Versuche dieser Möchtegernmagierinnen, das Schicksal aufzuhalten. Mit einem Zischen durchbrach das Unwesen die Barriere aus Feuer ... und stutzte. Es war nicht ihr Zischen, das sie hörte und doch kam es von genau dort. Aber nicht das Sirren der Nadelspitzen löste es aus, sondern das Brennen ihres Gefieders. Sie brannte, die Bestie stand in Flammen. All ihre von Finsternis geformten Federn lösten sich noch im Sturzangriff in Wohlgefallen auf. Das Zischen wuchs an, als die Bestie in ihrer Sturheit einfach weiter preschte. Sie würde sich nich aufhalten lassen. Dazu war sie nicht geschaffen worden. Sie kannte nur eine Aufgabe und nur ein Ziel. Corax.
"Raaaaabensssschreyyyyy!", züngelten die Nadeln, als sie durch das Feuer weiter vordrangen. Jetzt glühten sie, denn Madihas Macht hatte sie erhitzt. Sie würden ihr Feuer nutzen, um Corax Leid anzutun. Welch Wonne! Aber sie trafen auch das Wüstenkind. Nicht alle Nadeln fanden ihr Ziel, denn das Mädchen bildete auch mit ihrem Körper eine Barriere. Es kümmerte die Bestie nicht, sich selbst zum Großteil an Madiha zu verlieren. Solange nur eine Nadel für die Erfüllung ihrer Aufgabe übrig blieb, würde man ihr Tun als Erfolg verzeichnen. Und es gab noch genug von ihr, um diese Prüfung zu bestehen.
Der Rest der Nadelschlange stürzte an Madiha vorbei und auf Corax zu. Sie sah sich ihre giftigen Spitzen aus Hass, Leid und Terror schon in der dunklen Haut versenken. Da erfasste sie ein eiskalter Wirbel. Nach dem Durchbrechen einer feuermagien Barriere fühlte sich Wassermagie zunächst gut an. Sie zischte der Schlange entgegen, als die Nadeln sich in ihrem Nass abkühlten. Dampf stieg auf, verlangsamte den Angriff der Schlange. Es kümmerte sie nicht. Die Nadeln mussten nur ihr Ziel treffen. Sie mussten nur...

Madiha hatte sich der Finsternis entgegengestellt. Sie hatte alles gegeben und sich von allem befreit. Sie bildete den Schutzschild zwischen sich und einem Jungen, der ihr das eigene Schicksal offenbart hatte. Sie würde ihn bis auf's Blut verteidigen und dann diesen Rest ihres Schicksals in die Hand nehmen und neu formen. So wie sie das Gefieder an den Nadelpfeilen nun neu formte. Sie verbrannte es, dass man das schmorende Gefieder riechen konnte. Es stank nach ihrem ganz eigenen Triumph. Sie schaffte es sogar, einige der Nadeln zu schmelzen, aber leider nicht alle. Ein Großteil war noch immer übrig und von diesem ließen sich auch nicht alle durch sie aufhalten. Ihr Körper war schon immer zu klein gewesen, zu schmal und dürr. Viel zu viele der Nadeln stoben an ihr vorbei, während nur ein geringer Rest sich in ihre Haut bohrte und ihre komplette Vorderseite spickte, dass sie wie ein pervertierter Igel aussah. Die Wut ihres Herzens wich einem Schmerz. Dann sank sie in trostlose Dunkelheit.

Die verbliebenen Nadeln brachen durch den Wasserwirbel. Feuchtigkeit konnte Metall nur auf lange Sicht aufhalten und es rosten lassen. Azura hatte dafür nicht genug Zeit. Was sie hatte, war ihr Körper. Über Jahre gepflegt und täglich in die weichen Wickel ihres Adelsdaseins gepackt, damit sie rein und unbescholten blieb, um das perfekte Bild eines perfekt gewachsenen Sprosses nach außen zu tragen. Dieser zarte, verwöhnte Körper sollte die Makellosigkeit ihrer Seele präsentieren und zugleich wie ein verführerischer Duft Sehnsüchte erwecken. Er sollte anlocken, sich ihm hinzugeben, damit ihm das vornehmste Schicksal Celcias zuteil würde. Ob das im Moment der Fall war, konnte man mit Fug und Recht anzweifeln. Aber eines schaffte ihr zarter Körper, wo gepanzerte Krieger scheiterten: Er lockte.
Als Azura sich drehte, riss sie Corax in eine neue Position. Sie war nun sein Schutzschild. Ein Schild aus Zartheit und Apartheit, aus gepflegter Schönheit und makelloser Perfektion. Ein Schild, geformt aus dem Neid anderer, der allein aufgrund dessen schon zum perfekten Lockvogel wurde. Sie war weder groß, noch kräftig, aber sie besaß die Fähigkeit, alle Augen auf sich zu ziehen. Oder auch alle Nadeln.
Die Schlangenbestie oder besser das, was von ihr übrig war, konnte den eingeschlagenen Weg nicht mehr ändern. Die Nadeln ihrer Form stießen nach vorn mit dem Ziel, sich in das Dunkelelfenfleisch zu bohren. Süßes, zartes, reines Fleisch. Sie folgten der Verlockung und fanden ihr Ziel. Ein viel schöneres Ziel, das sie verführt hatte. Sie wollten von dieser reinen Haut kosten. Sie suchten nach den Flecken verdorbener Unschuld, die ein Mann mit einer einzigen Erfahrung wilder Leidenschaft darauf hinterlassen hatte. Wie süß die Haut wohl schmeckte? Sie fanden es heraus, als alle verbliebenen Nadeln sich tief in Azura hinein bohrten. Die Adlige trug ein neues Kleid aus blitzendem Silber und dazwischen funkelten schon die ersten Edelsteine ihres gehobenen Blutes. Sie waren rot, nicht blau, aber das verriet nur ihre wahre Herkunft, als der Schmerz ihre Sinne erreichte und sie in trostlose Finsternis sinken ließ.

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Dunkelheit. Friedlich. Warm. Fühlte sich das Ende so an? Wie der Beginn eines neuen Tages, wenn man sich noch in tiefem Schlummer befindet, sich aber langsam der kuscheligen Wärme des eigenen Bettes bewusst wird? Falls dem so war, dann war der Tod fantastisch. Selten hatte sich Azura/Madiha so geborgen gefühlt. Oh, wer war sie? Sie wusste genau, wer sie war. Sie war Madiha/Azura. Sie war sie selbst und zeitgleich wusste sie, dass sie nicht vollkommen allein war. Irgendjemand teilte diese wundervolle Erfahrung vom Anfang des Endes zeitgleich mit ihr. Sie war nicht allein...

Er war nicht allein. Jemand war da, um sein jüngstes Selbst aus der warmen Geborgenheit des Schlafes zu holen. Langsam öffnete er die Augen. Rubinrote Edelsteine zeigten sich der Welt. Diese lag im Zwielicht, denn noch brach der neue Tag nicht an. Tag. Er kannte diesen Begriff nicht, war noch zu klein, um überhaupt etwas zu begreifen. Aber jedes Mal, wenn er seine schönen Augen erneut aufschlug, begegnete ihm Freude, Liebe und so vieles, das es zu entdecken galt. Celcia war wunderbar! Die Wesen, die ihn immer auf den Arm nahmen und an deren Brust er köstliche Nahrung erhielt oder sich anschmiegen konnte, um sich sicher zu fühlen, waren wunderbar. Auch sie besaßen rote Augen, schillernd voll Glück, weil er da war. Es war die erste und die schönste Erinnerung, die er besaß.
Dann verlor er sie.
Das waren nicht die vertrauten Gesichter, in die er/Azura/Madiha da blickte. Er fand keine Rubine zwischen Haut aus glänzendem Schwarz und silbernen oder schwarzen Strähnen, die seine eigene, ganz junge und weiche Haut kitzelten wie sonst. Er sah ... seltsame Fratzen. Waren das Gesichter? Sie wirkten so befremdlich. Knorrig, wie alte Bäume. Er hatte das Glück, schon einen davon gesehen zu haben, durch Fensterglas hindurch und zwischen schwarzen Rosen und Dornensträuchern, die eine Statue umgaben, von der das ihm liebste Wesen behauptete, es gehöre seinem Haus an. Sein Haus. "Erbe unsere Hauses, du wirst es so weit bringen." Diese Worte waren nur noch blasse Erinnerungen an ein Leben, das er für immer vergessen sollte. Doch nicht jetzt. Noch nicht. Das Leben begann erst und es formte sich mit den breit grinsenden Fratzen aus knorrig braunen Gesichtern. Wurzelartige Knoten bildeten Brauen und Lider, unter denen ihn nachtschwarze Pupillen anschauten, die so groß wie der Mond selbst waren. Allerdings glänzten sie ... irgendwie unheimlich in ihrer Finsternis.
"Der hier?" Sie verstand. Das musste der Unterschied zum Leben bedeuten, denn Azura/Madiha verstand plötzlich diese seltsame Sprache. Jedes Wort.
"Ja, der ist perfekt. Klein und niedlich. Schaut euch die Füße an, die unter den Laken hervorschauen."
"Gutschi-gutschi-guuu! Oh, wir werden so viel Freude mit dir haben."
"Das werden wir. He, kleine Seele. Ja, dich meine ich. Möchtest du unser Spielkamerad werden?"
"Wir werden ganz tolle Spiele spielen, du wirst sehen!"

Er streckte seine kleinen, schwarzen Finger nach den Wesen aus, als wollte er ihnen antworten. Er quietschte mit der Niedlichkeit, die nur Säuglinge besaßen. So ganz verstand er noch nicht, was diese Existenzen von ihm wollten. Diese seltsamen Knotenfratzen mit den spitzen Ohren und den Runzeln, aber sie sahen doch recht lustig aus. Sie weckten die Neugier, die ein jedes neues Leben auf die Welt besaß. Sie versprachen Spiele und Freude.
Das Baby berührte den Ast ähnlichen Finger eines der Geschöpfe und bestimmte sein Schicksal.

"Gut gespielt, kleiner Rabe."
"Diese Form macht mir am meisten Spaß. Da schreist du so wundervoll."

Er blickte zu den Sprechern auf, die auf den Ästen eines knorrigen, toten Baumes saßen. Normalerweise sahen sie selbst so aus. Runzlig, knorrig, mit langen dünnen Gliedern und Fingern, die sich wie Spinnenbeine krümmten. Ihre Nasen waren ebenfalls so lang, bogen sich manchmal wie Sichelmonde zum Kinn herunter und nur ihr düsteres Grinsen konnte es noch besser. Jetzt aber erkannte man nichts davon. Sie trugen ihr schwarzes Federkleid und verspotteten ihn, indem auch sie ihren Augen eine blutige Farbe gegeben hatten. Trotzdem war ihm dieses Spiel lieber als das, was er aktuell mit ihnen trieb. Aber was blieb ihm übrig? Sie würden ihn nicht füttern, wenn er nicht spielte. Und dann würden sie ihn auslachen, weil er von dem flauen, leeren Schmerz in seinem Bauch weinte. Es war immer besser zu spielen. Auch wenn er all das Blut nicht mochte. Es klebte ihm an den kleinen Händen. Es schmeckte nach Metall, wenn er wieder mit den Fingern aß. Aber es gab dem rohen Fleisch wenigstens eine eigene Würze.
Er blickte auf das Ergebnis seines heutigen Spiels herab. Sie hatten ihn unterschätzt. Sie hatten aber auch nicht ahnen können, dass er die Raben rief, damit sie ihre Gesichter angriffen und ihnen die Augen aushackten. Sie hatten bereits gegessen. Die Augäpfel befanden sich nicht mehr in den Höhlen. Sie waren herausgerissen, aufgebrochen wie Eier und ihr Saft getrunken. Für ihn blieben wieder nur das Fleisch und die Gedärme. Wenigstens waren sie noch warm vom Blut. Mit seinen unbeholfenen Schritten, denn er hatte doch erst vor Monaten Laufen gelernt, tappte er zwischen ihren Bäuchen umher. Spielerisch verfing sich ein Stück Darm an seinem Bein. Das wollte er nicht essen. Es hatte schon auf dem toten Boden gelegen. Vielleicht schlitzte er jetzt noch den letzten von ihnen auf. Er winselte noch, aber das würde vergehen, sobald die Messerklinge ihm ein rotes Lächeln auf die Kehle gemalt hätte.
"Ein tolles Spielzeug, so ein Messer."
"Wir bringen dir aber noch andere Dinge."
"Wir werden so viel Spaß haben!"

Gerade, als er sich über den letzten Überlebenden des dunkelelfischen Vierertrupps beugte, hörte er die Hufschläge heran galoppierender Pferde. Da kamen mehr. Mehr zum Spielen? Nein, er wollte nicht mehr. Die Spiele machten ihm schon seit geraumer Zeit immer weniger Spaß. So reckte er seine Kinderärmchen dem Elfen auf dem Pferd entgegen, öffnete den Mund mit den ersten Zähnchen und krächzte rabenartig nach ihm.
"Was ist das? Ein Kleinkind?"
"Hat es als Einziges diesen Hinerhalt überlebt?"
"Dann ist es stark. Bringen wir es in die Stadt zurück."


Viel Spaß machte es ihm nicht. Es erinnerte ihn an die Spiele seiner Kleinkindzeit. Spiele mit den knorrigen Wesen, die seine familiäre Rabenschar geworden waren. Dass sie ihn gerade in anderer Form beobachteten, wusste er nicht. Er hatte für sie auch keine Zeit. Der Ork würde bald kommen und bis dahin musste das Fleisch im Topf sein. Wenn es nur nicht so schreien würde!
Er mochte es nicht, wenn sie um ihr Leben schrien. Oder wenn sie zappelten. Es erschwerte ihm die Arbeit und er wollte doch gut darin sein. Er wollte zeigen, dass er ein guter Junge war. Er war es wert, hier zu sein. Er war wertvoll! In letzter Zeit lobte ihn sein Herr aber nicht mehr so oft. Er schimpfte, dass er das Fleisch nicht gut verarbeitete. Er schimpfte, weil er beim Umrühren der Suppe lieber verträumt aus dem Fenster schaute. Er schimpfte, weil er vor Schmerzen weinte, wenn sein armdickes Gemächt sich einen Weg in seinen Körper suchte. Der Junge musste sich einfach mehr Mühe geben! Heute würde er besonders gut aufpassen. Er hatte die Klinge des Schabers gewetzt. Nun würde sie schon beim ersten oder wenigstens zweiten Schneiden große Scheiben Fleisch lösen. Wenn es nur nicht so zappeln und wimmern würde. Das hasste er. Er hasste diesen Goblin, der kämpfte noch viel zu sehr um sein Leben. Er nahm den Eispickel und setzte ihn an der Schläfe des Fleischlieferanten an. Dieser schrie. Er grinste auf, weil er wusste, dass der Lärm gleich ein Ende hatte. Dann konnte er arbeiten und sein Herr wäre stolz. Dann würde er auch aufhören, mit seinem Bruder darüber zu sprechen, ihn - den Jungen - auf's Gestell zu spannen, selbst wenn sein dürrer Leib kaum gutes Fleisch hervorbrächte.
Er stach den die Spitze des Eispickels durch Haut, Fleisch und Knochen. Dann war es endlich still.

Mit Sehnsucht im Blick schaute er durch das vergiterte Fenster. Wie lange lebte er jetzt in Morgeria? Wie lange gehörte er schon ihr? Der Ork war sein einziger Herr gewesen. Danach hatte er nur Herrinnen gehabt. Die aktuelle mochte er nicht. So sehr er sich auch bemühte, sie genoss seinen Körper nicht. So stach er überhaupt nicht hervor, um ihr zu gefallen. Wie sollte er beweisen, dass er ihr bestes Eigentum war? Er fürchtete, sie zu verlieren, wenn er ihr zuwider wurde. Dann wäre er allein.
Sein Blick wurde noch sehnsüchtiger. Das Kind da draußen war nicht allein. Es sah seltsam aus. Zwar hatte es auch spitze Ohren wie er selbst, aber die Haut war hell und das Haar so golden wie die Sonne, wenn sie denn einmal durch das immer währende Zwielicht seiner Heimat hindurch brach. Und die größere Frau vor ihm sah auch so aus. War sie seine Herrin? Aber Herrinnen sanken nicht bettelnd vor anderen Elfen auf die Knie. Warum hatte sie da nötig? War sie Besitz? Aber sie besaß doch selbst! Ihr gehörte das Kind. Er hörte, wie sie es rief, selbst wenn das Fenster ihre Worte nur gedämpft zu ihm trug.
"Bitte trennt uns nicht. Er gehört zu mir. Bitte, verschont ihn."
Die Dunkelelfen ließen sich nicht erweichen. Einer schlug der blonden Frau die Hand beiseite und packte nach dem Kind. Es schrie. Es schrie schlecht. Er - der Beobachter - konnte viel besser schreien. Wie ein Rabe! Er war stolz auf den Namen, den man ihm deshalb gegeben hatte. Einen Namen zu haben, hob ihn von anderen Besitztümern ab. Das Kind dort konnte nicht gut schreien. Nur laut. Schrecklich laut.
"Mama! Mama!"
Es war nteressant, was es bewirkte. Seine ... Mama ... was war das? Die Frau? Sie reagierte darauf. Sie stürzte sich zwischen die Dunkelelfen und den Schreihals. Er beobachtete alles mit wachsender Neugier. So etwas hatte er nie zuvor gesehen. Sie ... beschützte ihn. Warum Eigentum schützen? Wieviel war ihr das Kind denn wert?
Neidisch presste er seine Nase gegen das Fensterglas. Er wollte auch eine Mama. Er wollte jemanden, dem er so viel wert war, dass er sich zwischen ihn und Gefahr stellte. Und dann einfach starb. Er wollte auch jemanden, der für ihn sterben würde. Nie zuvor hatte er sich so sehr nach etwas gesehnt. "Mama..."
Dann hörte er leises Fiepsen aus einer Ecke. "Oh, leidest du?"
"Vielleicht solltest du dich befreien."
"Ja, ein Befreiungsspiel! Sie ist doch ohnehin böse zu dir, oder nicht?"
"Weil sie dich nicht mag. Such dir eine neue Herrin. Eine bessere."
"Eine Mama!"
"Schau mal, dort liegen Nadel und Faden ... du könntest ihren Mund verschließen. Beide."
"Jaja, dann ist es egal, ob sie deinen Körper mag oder nicht. Dann kommt niemand mehr rein."
"Tolles Spiel, tolles Spiel!"
"Und danach bist du wieder frei ... ohne Herrin ..."
"Dann kümmern wir uns wieder um dich ... und ... spielen ..."

Ihm wurde eiskalt. Trotzdem griff er nach Nadel und Faden. Mit etwas Glück fand er ganz schnell eine neue Herrin. Eine, die Wert in ihm sah. Eine, bei der er bleiben könnte. Vielleicht wollte sie seine Mama sein, obwohl er sich das nur wünschte, wenn er ohnehin wieder wechseln wollte. Oh, schon die vierte ... oder fünfte Herrin? Warum war er so wertlos, dass er auf Dauer niemandem gehörte?

Er lauschte ihrer Schimpftirade. Er war es gewohnt. Es war immer dasselbe. Sie wünschte sich keinen Weiberhelden, sondern einen Soldaten. Er hatte doch extra eine Kaserne besucht, damit er kämpfen könnte. Er sollte sie verteidigen. Und ficken. Nur sie. Keine anderen Frauen, die er umschmeichelte.
Er grinste auf. Er mochte es, wenn sie ihn anschrie und sich darüber ärgerte, dass er andere bestieg. Dann beschäftigte sie sich wenigstens mit ihm. Das hieß doch, dass er ihr wichtig war. Jeder Schlag mit dem Stock bedeutete Zuneigung. Am liebsten hatte er es aber, wenn sie ihn danach auf's Neue erinnern wollte, dass er nur ihr Eigentum war. Wenn sie ihn dann in ihr Bett holte, damit er endlich seinen Platz kannte. Es tat so gut, ihr das zu beweisen. Dann war sie anders. Dann lächelte sie und stöhnte und genoss ihn. Sie mochte nur nicht, wenn er nach seinem Mühen ihre Hand ergriff oder sich anschmiegte. Er schlief nach dem Akt nie neben ihr, außer an wirklich guten Tagen. Dann durfte er sich am Fußende zusammenrollen und von den vielen Frauen träumen, die er die Tage drauf aufsuchen würde ... damit sie wieder wütend wäre und ihm seinen Wert zeigte. Die gehäuteten Katzen hatten ihr nicht gefallen, aber der abgetrennte Kopf ihres Rivalen hatte ihr sogar ganz besondere Worte entlockt. Er würde noch vieles versuchen, um das wieder zu hören, sowohl im Bett als auch außerhalb. Ich liebe dich. Wie sehr er sich nach der Wärme dieser Worte sehnte.
Aber heute war es anders. Irgendetwas lief schief. Er hatte einen Fehler begangen. Zu viele fremde Frauen? Oder lag es daran, dass ihre Schwester unter ihnen gewesen war? Er schlug vor, ihr das Leben zu nehmen, damit er nicht wieder bei ihr im Bett landete, aber seine Herrin wurde dadurch nur noch wütender. Heute war etwas anders. Würde er sie verlieren?
Furchtsam blickte er in die Winkel und Ecken des Raumes. Er sah eine Ratte. Schwarz mit roten Augen. Sie waren hier. Sie warteten darauf, dass er seinen Platz verlor. Er hatte lange nicht mehr mit ihnen gespielt. Es hatte ihnen nicht gefallen, dass seine Herrin ihn als so wertvoll erachtete. Aber derzeit lief es ja schlecht und heute irgendwie anders. Sie hatte noch nie nach einer Kinge gegriffen, um ihn zu strafen. Was würde jetzt kommen?
"Ich dulde das nicht länger. Wenn du deinen Schwanz nicht bei mir lassen kannst, wird eben niemand mehr von dir profitieren Los ... abschneiden, dann vermehrt sich ein Gezücht wie du wenigstens nicht! Und danach schneidest du deine Frucht aus meiner Schwester heraus!" Er nickte und griff zum Messer. Er würde ihr beweisen, wie wertvoll er war!

Die Hitze des Wassers beflügelte ihn. Nicht nur, weil sie seine geplagten Muskeln entspannte. Er war vollkommen entspannt - naja fast. Es kostete zwar mehr Mühe, ihn zu erregen, aber sie schaffte es trotzdem spielend. Er mochte es, sie anzusehen. Und er war froh, auf diesen Moment gewartet zu haben. Es wäre weniger angenehm gewesen, hätte er ihre Ohnmacht ausgenutzt und sie bereits auf dem Schiff genommen. Er hatte ohnehin nicht viel davon. Es fühlte sich nicht wie früher an, seit er kein vollständiger Mann mehr war. Aber in ihrer Nähe fühlte er sich wohl. Jetzt besonders. Sie öffnete sich ihm. Ihre gespreizten Beine entblößten nun die Mitte, die er durch das heiße Wasser kaum erkennen konnte und trotzdem wusste er, dass es einer der schönsten Schätze Celcias für ihn bedeuten würde. Und er hoffte, sie sah in ihm Ähnliches. Er würde sich Mühe geben ihr zu gefallen, auch wenn es viele Experimente erfordert hatte. Aber keines davon hatte zu Folter oder großem Schmerz geführt. Sie war so angenehm anders und sie schenkte ihm Freiheiten, ohne ihn zu verstoßen. Er gehörte ihr, mit Haut und Haar. Er wollte keine andere mehr außer ihr. Er wollte, dass sie ihm ihren Wert mitteilte. Ich liebe dich. Sag es, sag es. Jede Faser seines Körpers sehnte sich danach, während der ihre sich nur nach der körperlichen Nähe sehnte. Aber auch er wollte es. Es kümmerte ihn nicht, dass er nicht mehr die Esktase von früher erreichte, auch wenn er es bedauerte, sie nicht mit ihr erreichen zu können. Er wollte, dass sie unter ihm auflebte. Er wollte sie an den Gipfel treiben und sie dann sanft in den Armen halten. Er fühlte, dass sie es akzeptieren würde. Er fragte sich, ob sie eine Mama sein könnte. Würde sie für ihn sterben? Würde sie ihn mit Worten der Wichtigkeit beglücken? Würde sie ihn länger behalten als seine letzten Herrinnen? Solange das goldene Kettchen sie auf magische Weise verband, fürchtete er nicht, dass es sich änderte. Er wusste nicht, wie es ihm gelungen war, aber insgeheim wusste er, dass es sein Werk war. Sie durfte es nur nicht wissen! Sie hasste die Kette. Hoffentlich hasste sie ihn nicht. Dann gab sie ihn weg. Dann wäre er wieder allein. Dann ... kämen sie zurück ... zum Spielen ... Er erschauderte und konzentrierte sich lieber auf das Glück mit ihr. Sanft hauchte er ihren Namen. "Azura..."
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"Azura ... wach auf ..." Corax kniete neben ihr auf dem Boden der Kapitänskajüte. Ein schwarzer Ring versengten Holzes umgab sie, aber tiefer hatte sich Madihas Magie nicht in das Schiff gefressen. Der Adligen war es vorher gelungen, mit ihren Wasserkräften dagegen anzukommen. Auch wenn es sie alles gekostet hatte. Sie war schon viel zu lange ohnmächtig und eigentlich musste der Elf bald zum Kapitän zurück. Er biss sich auf die Unterlippe. Dann tätschelte er Azura nochmals. Sie musste aufwachen, wenigstens das, bevor er zu Tauwetter zurückging. Mehr durfte er nicht hoffen. Sie hatte ihn verstoßen und er gehörte jetzt einem anderen. Immerhin das, auch wenn es ihn nicht vollends vor seinen unliebsamen Gefährten schützte.
Der Koch hatte ihn beschützt, so wie auch Azura und den Schiffsjungen. Während sie gegen die Nadelfederschlange hatten ankommen müssen, war Caleb nicht von seinem Plan abgewichen, herauszufinden, war sich unter dem Bett befand. Er hatte zwei von ihnen erledigt. Eine der Ratten hatte er mehr versehentlichen mit dem Stiefel so eng gegen die Wand gedrückt, dass ihr Genick dabei gebrochen worden war. Eine weitere aber - die Fette - hatte er packen und hervorholen können.
"Töte sie!", hatte Corax ihm zugerufen, nachdem Azura und Madiha schon von Nadeln gespickt worden waren und Caleb aufgrund des Anblicks beinahe zusammengebrochen wäre. Er hatte sich glücklicherweise noch fangen können und trotz der Kratzer und Bisse, die die Ratte verteilt hatte, war es ihm gelungen, auch diesem Viech ein Ende zu setzen. Das war gut. Der Fette war ihr Anführer gewesen. Sie würden einen neuen wählen. Das dauerte eine Weile. Corax erhielt eine Atempause. Wenn Jakub ihn bis dahin mit mehr Aufgaben betraute, würden sie sich zurückhalten. Bis es sie zu sehr langweilte und sie ihn wieder mit Spielaufforderungen quälten. So lange, bis er nachgab. Doch noch nicht. Und vielleicht ... mit etwas Glück ... oder genug Bettelei ... Corax blickte auf Azura nieder.
"Bitte, wach auf."
Ähnliches Flehen kam auch vom Bett aus. Caleb hatte Madiha dort abgelegt. Die Nadeln waren sowohl aus ihr als auch aus Azura verschwunden, ohne Spuren von Verletzungen zu hinterlassen. Natürlich nicht. Es war alles nur Illusion. Faule Zauber, Corax wusste es doch! Aber er sagte nichts dazu. Er saß - nun wieder erwachsen wie Azura ihn eigentlich kannte - neben der Schönen. Caleb saß auf der Bettkante. Er hielt Madihas Hand. Ihre Handinnenflächen waren das Einzige, was nicht ungeschoren davongekommen war. Es würde abheilen, aber für einige Arbeiten eignete sie sich erstmal nicht. Die Haut musste sich erneuern. Wie schwarz sie dort geworden war! Caleb hatte bereits feuchte Lappen dagegen gedrückt, um die Verbrennungen zu kühlen. Es bräuchte allerdings einen Heiler. Der war leider über Bord gegangen, wie er hatte aufschnappen können. Sein Zubehör gab es noch, aber das half nur, wenn man sich mit Heilkunde auskannte. Da war er nicht der Richtige.
"Du hast so gelitten", raunte er Madiha zu und hoffte, sie würde bald die Augen aufschlagen. Gleiches hoffte auch Corax auf der anderen Seite des Raumes. Und außerhalb der Kabine hatte niemand das Geschehen auch nur ansatzweise bemerkt.


Madiha ist nun


Azura ist nun


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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Montag 29. August 2022, 10:45

Sie hielt ihn, wollte ihn trösten und beschützen... ähnlich, wie man es eben bei einem Kind oder jüngeren Geschwisterchen machen würde. Jedoch weit davon entfernt, wie es bei einem Liebhaber wäre. Wobei... in seiner jetzigen Form war er so oder so weiter davon entfernt, von ihr so gesehen werden zu können, denn je.
Da hätte es dieser einen Bezeichnung, die sie schon mal von ihm gehört hatte, definitiv nicht bedurft! Es verwirrte sie, da ihr der Zusammenhang fehlte, und eine Erklärung erhielt sie auch dieses Mal nicht.
Es wurde ihnen auch keine Zeit dafür gegönnt, denn welches Ungeheuer auch immer er geweckt haben mochte, es war... heftig! Schlicht und ergreifend heftig! Angsteinflößend, surreal und durch und durch böse, dass es ihr das Herz zusammen krampfte. Oder lag es an der Nähe zu der Göre, die sie zwangsläufig gerade ertragen musste, weil er sich an sie beide klammerte? Azura verstand es nicht, noch nicht, was genau es war, das sie so in der Anwesenheit der anderen empfinden ließ.
Was sie ebenfalls nicht wirklich begreifen konnte, war ihr Drang, ihn zu beschützen, obwohl er ihr derart viel angetan hatte. Doch war dieses Verstehen überhaupt wichtig? Nein, denn es fehlte ihr der Moment, um überhaupt darüber nachdenken zu können. Stattdessen handelte sie instinktiv... eben wie eine Mutter... oder zumindest eine große Schwester.
Ähnlich wie das Mädchen, das sich so aufbaute, das es vor ihnen beiden zum Stehen kam. Dampfte sie eigentlich wirklich oder bildete Azura sich das nur ein? Und wieso waren da feine Rauchfähnchen zu sehen, während sich ihr zeitgleich das Herz immer mehr zusammen zu krampfen begann und sie das Gefühl hatte, selbst innerlich zu verdampfen? Es war fast schon so, als... als hätte sie eine zu große Menge Wasser mit ihrer Magie heraufbeschworen und würde aufgrund dessen gleich ohnmächtig werden. Nur, dass es dieses Mal keine Folge ihrer eigenen, kleinen Spielchen war, sondern... von außen kam!
Ja, mehr noch, denn der Rauch wurde stärker und auch die Haut begann irgendwie... zu glühen? Anders konnte es die junge Frau nicht beschreiben. Wollte sie auch gar nicht, denn der Schmerz in ihrem Inneren wurde so stark, dass sich bei ihren Instinkten ein Schalter umlegte und auf Überleben stand.
Ohne es bewusst zu tun, rief sie das Wasser herbei, ganz gleich welches, Hauptsache kühl und flüssig und in ausreichender Menge, um bei der größer werdenden Hitze nicht sofort wieder zu verdampfen. Ihr wurde ein wenig schwindelig dabei, doch noch konnte sie sich auf den Beinen halten. Zeitgleich wurde das Grauen in Form dieses seltsamen, alptraumhaften Wesens in dem kleinen Raum immer größer, bis es plötzlich zum Angriff überging.
Azura hatte keine Zeit, nachzudenken oder sich selbst irgendwie in Sicherheit zu bringen. Sie handelte, kopflos, mochte man sagen, und aufopfernd, denn sie versuchte, sich so zu drehen, dass sie ihren ehemaligen Begleiter mit dem eigenen Körper würde schützen können. Oder es zumindest versuchte...
Zugleich war da noch ihre Magie, die sich zu verselbstständigen schien und eine riesige Fontäne als inneren Verteidigungsring darstellte, auch wenn dieser letzten Endes durchbrochen wurde. Unzählige Nadeln schossen auf sie zu und deren Treffer vermischten sich mit dem Schmerz ihres Inneren, das sich anfühlte, als würde es regelrecht kochen.
Das und der starke Einsatz ihrer Magie waren definitiv zu viel für ihren Geist. Noch bevor sie wirklich begreifen konnte, was hier gerade geschah und ob ihre Taten etwas zu der Abwehr der Gefahr beigetragen hatten, wurde es um sie herum komplett dunkel.

Wo war sie? War sie tot? Würde sie gleich die Augen aufschlagen und sich, wieder einmal, in einem hellerleuchteten Ballsaal befinden, um dort einem mysteriösen Galan zu begegnen, der sie zum Tanz aufforderte? Nein... dieses Mal war es irgendwie... anders. Sie fühlte sich behaglich, ohne jegliche Gedanken und Sorgen, dass ihre äußere Erscheinung irgendwo einen noch so geringen Makel aufweisen könnte, der sie zum Gespött des Abends machen und ihren Ruf ruinieren würde.
Und dennoch... sie hatte auch das Empfinden, dass sie nicht alleine war. Wer war da noch? Und wo? Langsam lichtete sich die Dunkelheit und es dauerte nicht lange, da wünschte sich die junge Frau dorthin zurück. Was sie zu sehen bekam, was sie, als hilfloser Zuseher, miterleben musste, das war... grausam. Einfach nur grausam! Gleichzeitig erklärte es auch so manches, obwohl sie sich dessen noch lange nicht bewusst sein konnte.
Immer und immer wieder, wenn es besonders schlimm zu ertragen war, wollte sie eingreifen, wollte helfen und ihn da rausholen, um ihn zu beschützen. Um ihm zu sagen, dass das alles nur ein böser Traum war und er jetzt aufwachen konnte, um endlich vergessen zu können. Solange, bis... bis es um sie selbst ging.
Da schnürte es ihr nicht mehr nur das Herz zusammen, sondern auch ihre Kehle, bis sie glaubte, ersticken zu müssen. Auch wurde ihr übel, schrecklich übel. Während sich ein weiteres Gefühl Bahn brach durch das Chaos, das in ihrem Inneren zu toben begann: Sie fühlte sich... benutzt und beschmutzt.
Er hatte sie so gequält, gereizt und am Ende doch verführt, ihr Herz erreicht, und wofür? Weil er dachte, er müsste es tun?! Wie dumm sie gewesen war! Dabei hatte sie geglaubt... ernsthaft geglaubt, er könnte... könnte selbst Gefühle... richtige Gefühle für sie entwickelt haben...
Ihr Name entlockte ihr ein lautloses Schluchzen, als die Szenerie allmählich verblasste.

Während ihr Geist bei all diesen Szenen gefangen war, war ihr Körper wie leblos in sich zusammen gesackt. Sie rührte sich nicht und jeder könnte mit ihr machen, was er wollte. Wie viel Zeit wohl verging? Dass sie indes nicht tot war, zeigte sich in mehrfacher Hinsicht. Da war zum Einen ihr Herzschlag, auch wenn es ihren Leib viel Kraft kostete nach dem, was ihre Magie hatte vollbringen müssen, und ihre Atmung, flach, aber durchaus regelmäßig.
Zum anderen allerdings war da noch etwas. Während ihre Lider immer wieder leicht zuckten, davon zeugten, dass sich ihre Augen manchmal dahinter bewegten, drang ein letztes Quäntchen Wasser aus ihr hervor. Es sammelte sich, vergrößerte sich mit jeder Szene aus seiner Vergangenheit, die sie mit ihm durchlitt, um schließlich bei jener in den heißen Quellen unter ihrem Lid hervor zu quellen und langsam, unendlich langsam ihre Haut entlang herunter zu laufen.
Sanfte Berührungen an ihrer Wange halfen nicht wirklich, sie zum Aufwachen zu bringen, dazu war die Schwäche noch zu groß. Lediglich die Körperwärme und der vertraute Geruch sorgten dafür, dass sie nicht in grenzenlose Panik während ihrer Bewusstlosigkeit zu verfallen drohte. Es war schön, von ihm gehalten zu werden, weckte Erinnerungen... und verstärkte dennoch auch ihren Herzschmerz. Ihr Kehlkopf bewegte sich leicht, als sie in ihrer Geistform das lautlose Schluchzen nicht mehr unterdrücken konnte.
Allmählich bewegten sich ihre Lider stärker, zuckten immer mehr und begannen schließlich, sich unendlich langsam anzuheben. Ihre Sicht war verschwommen und irgendwie auch getrübt, während sie noch gegen die verblassten Bilder ankämpfte, um diese von der Realität unterscheiden zu können.
Als ihr das zu gelingen anfing, glitt ihr Blick höher und höher, bis... bis er auf seinen roten traf. Einen flüchtigen, viel zu flüchtigen Moment lang erschien alles in Ordnung zu sein, so wie zuvor. Der Anflug eines Lächelns ließ ihre Mundwinkel zucken und dieser eine, gehauchte Ton barg so viele positive, verliebte Gefühle in sich, wie sie es bewusst niemals hätte einsetzen können. "Du..."
Doch dann kehrte die Erinnerung und mit ihr all das Leid zurück, das er ihr auf diesem Schiff beschert hatte. Ihre Lider senkten sich über den schmerzvollen Ausdruck ihrer Augen und sie sah konnte ihn nicht länger ansehen. Weinen konnte sie nicht, dazu schien sämtliche nicht lebensnotwendige Flüssigkeit in ihrem Inneren wie ausgelöscht zu sein. Aber das leise Schluchzen war dieses Mal hörbar, das ihre Kehle produzieren konnte.
Hätte sie die Kraft besessen, sie hätte sich aus seinen Armen befreit, um Abstand zwischen sie beide zu bringen, Abstand zu dem Mann, der sie nur hatte benutzen wollen, anstatt ihre Gefühle ehrlich zu erwidern, die er ihr beschert hatte. Der dachte, er müsse ihr gefällig sein, damit sie ihn mochte, anstatt ihr so auf Augenhöhe zu begegnen, wie sie es in diesem Zustand gewollt und gebraucht hätte. Wer von ihnen war nun das Spielzeug gewesen? Ein weiteres Schluchzen bildete sich, blieb ihr allerdings dieses Mal im Hals stecken.
Immerhin... sie hatten beide überlebt, wie es schien. Das war ja eigentlich alles gewesen, was sie gewollt hatte... oder?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 29. August 2022, 13:42

Das Mädchen aus Sarma. Nichts nannte sie ihr Eigen, nicht mal einen Nachnamen, der sie jemandem zugehörig machte. An dessen Wurzeln sie sich orientieren konnte. Auf die sie hätte stolz sein können, wie das Mädchen aus Andunie. So unbegreiflich ihre Haltung für Madiha war, so sehr beneidete sie sie auch, weil es etwas gab, was sie ausmachte. Alles was Madiha ausmachte waren die Schrecken in ihrem Leben, die sie seit Kindesbeinen an miterleben oder selbst erleiden musste. Wie alt war sie gewesen, als man ihr das richtige Alter bescheinigte? Zwölf? Davor hatte sie einfach nur Glück gehabt, dass sie bei Abbas ibn Melih untergekommen war. Dass er sich mehr dafür interessierte, in einer Blase aus eitelsonnenschein zu leben als seine Kinder jede Nacht mit seiner Anwesenheit zu… beglücken. Wäre sie indes damals gleich zu Khasib gekommen, hätte sie vielleicht nicht mal bis heute überlebt. Oder sie wäre das, was Corax so zur Schau stellte. Eben das, was sie entzündete wie es keine todbringenden Hände hätten schaffen können. Madiha wusste gar nicht mehr, was der alles entscheidende und auslösende Faktor gewesen war, als sie sich der Bestie entgegendreht, um ihr Einhalt zu gebieten. Es war Schluss. Sie würde nicht zulassen, dass ihre ureigene Zukunftsvision ein solches Ende fand. Es musste Hoffnung geben! Es musste einfach! Das konnte nicht das Ende und das Leben einer Seele sein, die ihrer so unähnlich nicht war. Denn wenn Corax in seiner Hilflosigkeit verging, wer würde sie retten kommen? Sie konnte das nur selbst, denn im Gegensatz zu Corax, hatte sie niemanden der ihr das gleiche entgegenbrachte. Sie wusste zwar nichts von den Gefühlen zwischen Adeliger und Sklave, doch sie hatte hinlänglich erkannt, dass es ein Band geben musste. Ein Band. Sie hatte ebenfalls eines geknüpft und während sich ihr innerstes Inferno weiter zu lösen begann, zuckte kurz das verwegene Grinsen des Diebes vor ihrem inneren Auge auf. Sie hatte das Band zu Caleb, aber auch er hatte sie nicht gewollt. Schmerzlich wurde ihr sein Weggang wieder bewusst und dass sie sich allein auf den Weg gemacht hatte. Dass sie das Schiff wählte, um sich allein in eine neue Zukunft zu begeben. Fortwährend allein.
Das Schicksal wollte es anders, trieb den Dieb aus der Dunkelheit wieder zu ihr und nach der schrecklichen Attacke durch Meerjungfrau und Krakenmann, war ihr Schmerz beinahe wie weggeblasen. Aber auch das hatte Spuren auf der jungen Seele hinterlassen. Die Angst nie jemandem etwas zu bedeuten und irgendwann spurlos zu verschwinden, die blieb. Und sie diente als Akkumulator für das was sich endlich einen Weg in die Freiheit bahnen wollte. Während sie die ersten Anzeichen nicht wahrnahm, tat sie es jedoch umso mehr, als sie sich von der Schönen und den Jungen abwandte, um einem Schrecken ins Antlitz zu blicken, das beinahe Synonym für alle Fratzen aus ihrem Leben wurde. Sie sah nicht nur die Spitzen der Nadeln, das schwarze Gefieder, sie sah vor allem Abbas, Khasib, die Männer, die sie folterten und ihr die sichtbaren Narben zufügten. Sie sah die fetten Reichen, als man sie im Sand vergrub und jeden einzelnen, der sich an ihr verging. Sie sah Palm, den Jungen aus Sarma, der ihr mit Häme begegnete. Sie sah die Eleven in der Akademie, die mit dem Finger auf sie zeigten. Sie konnte ihre Fratzen deutlich in dem Silber der Schlange spiegeln sehen. Und dann sah sie sich selbst.
Sie konnte die flammende Gestalt erkennen, zu der sie geworden war. Für Verblüffen blieb keine Zeit, denn der Knoten in ihrem Innern, geschaffen aus Unterdrückung und seelischer Grausamkeit, löste sich Anker für Anker, um sich endlich zu entfalten. Madiha wusste mit einem Mal, dass sie das Feuer heraufbeschwor. Es fühlte sich nicht falsch oder beängstigend an. Es war… befreiend, reinigend. Die Macht, die sie spürte, wurde zum Teil ihrer Persönlichkeit. Sie machte das. Das war etwas, was ihr gehörte. Und während sie diese Erkenntnis zuließ, sprengte sich der letzte Anker in ihrem Innern fort. Sie explodierte, geboren aus Schmerz und Verzweiflung, um stärker und verheerender zu werden, als es die Flutwelle hätte schaffen können. Madiha wollte die Bestie davon abbringen, den Jungen zu attackieren, aber sie wollte auch ihre neue Stärke nutzen. Sie wollte zeigen, welchen Wert sie haben konnte. Ein Zeichen setzen, dass auch aus einem wertlosen Mädchen, ohne nennenswerte Fähigkeiten, ein Zünglein an der Waage werden konnte. Und so streckte sie die Hände aus, um die gefiederte Schlange zu verglühen. Dass sich indes kein Feuerball formte, nahm sie nur am Rande wahr. Woher sollte sie auch wissen, was sie mit dieser Macht anstellen konnte? Was sich aber entwickelte, war eine Feuerwand. Madiha starrte auf ihre Finger die glühend hell brannten. Das Gefühl war unglaublich. Das Feuer brannte nicht, nicht auf ihrer Haut, nicht in ihren Augen. Es war ein Freund, etwas was sie schützte, sie behütete. Sie fühlte sich dem Feuer so zugetan in diesem Moment und lächelte sogar für einen Augenblick.
Bis die Schlange sich ihr entgegenschlängelte, um sie niederzureißen und den Jungen zu verschlingen. Madiha’s Gesicht verzog sich angestrengt und sie stieß einen Schrei aus, um all ihre innere Zerrissenheit, den ganzen Ballast an Gefühl der angreifenden Macht entgegenzuschleudern. Es wirkte. Die Schlange brannte durch ihr Eingreifen und sie fühlte sich stolz, weil sie hatte helfen können. Oder? Die Szene dauerte in Wahrheit sicher kaum mehr als ein paar Sekunden, doch Madiha nahm alles so deutlich langsamer wahr. Sie konnte sehen, wie die Schlange begann zu brennen, ihr stieg der Geruch in die Nase, der ihr Genugtuung verschaffte und gleichzeitig wandte sie den Kopf ein Stück, um zu erkennen, dass nicht alle Nadeln verglühten. Dass die Schlange einen Großteil ihrer Gestalt behielt und an ihr vorbeizischte, um ihr Werk zu vollenden. Die flammende Madiha kam kaum dazu ihre Arme zu senken oder überhaupt an einen erneuten Angriff zu denken. Denn mit einem Mal erlosch das innere Inferno so plötzlich, dass ihr augenblicklich kalt wurde. Der wärmende Umhang ihrer entdeckten Magie verlor sich. Absorbiert von mannigfachen Nadeln aus kaltem Metall. Sie blickte nur für einen Bruchteil einer Sekunde an sich hinunter, gerade so viel, um den Schmerz zu spüren, der sich ihr einbrennen sollte. Dann sackte sie zusammen und verlor jegliche Kraft.

Madiha brauchte einen Moment, bis sie sich wieder bewusster wurde. Es war verlockend in der Wärme ihrer unbekannten Umgebung zu sein. Sich darin zu verlieren. Die Schrecken, die kräftezehrenden Erlebnisse und Eingeständnisse, hielten sie noch eine Weile fest und drückten sie in die weichen Kissen. Wenn das die Gnade des Todes war, ihre Belohnung, weil sie bis zum Ende alles versucht hatte, dann nahm sie sie an. Ein Lächeln folgte tatsächlich auf dem Gesicht der Sklavin. Nein… Sklavin war falsch. Sie war Madiha. Und sie war Azura. Und sie war… Corax…. Das Mädchen öffnete ihre Augen und starrte in glückliche Gesichter. Mama…, schoss es Madiha durch den Kopf und eine Sicherheit umgab sie, die sie plötzlich empfand. Bis sie verstand, dass das nicht ihre Eltern waren. Es war nur ein Gefühl, diffus und schwierig zu begreifen, doch ihr Verstand zeigte ihr, dass das unmöglich sein konnte. Ihre Mutter hatte sie kennengelernt und auch wenn ihr Antlitz bereits verblasst war, so war es nicht das, das sie ansah. Madiha wurde still und teilte sich die Position der Beobachterin. Die schöne Erinnerung rührte das Mädchen. Er hatte eine Familie, die ihn liebte. Wieso also… Das Bild und das diffuse Gefühl änderten sich mit einem Mal. Das Glück fehlte und ließ Platz für Dunkelheit und Kälte. Auch Madiha fror mit einem Mal. Die verzerrten, knorrigen Fratzen machten ihr Angst. Ihr und ihm. Und ihr auch. Es war skurril, doch sie teilte nicht nur den Blickwinkel, sondern auch die Empfindungen mit Azura und Corax. Sie ließ sich darauf ein, gebannt von der Zauberei, die zu wirken schien. Waren sie nun gemeinsam vergangen? Hatte weder Feuersbrunst noch Wasserkraft ausgereicht, um sie alle zu retten? Madiha sah weiter zu, empfand aber das stetig größer werdende Grauen, das die Szenen auszulösen wussten. Instinktiv wollte sie die kleine Hand des Jungen zurückziehen, wollte verhindern, dass er der Verheißung folgte, die die Kreaturen ihm säuselnd vorgaukelten. Nein…, dachte sie schwerfällig und konnte es einfach nicht verhindern. Die Szene änderte sich plötzlich und Madiha fühlte, wie sie größer war. Älter. Und doch noch immer so winzig klein. Wo war das warme Bettchen hin? Wo waren die liebevollen Augen, die sie betrachtet hatten? Sie wollte zurück, denn die Szene, die sich ihr jetzt aufdrängte, machte all das schöne Gefühl zunichte. Grauen erfasste ihr Herz. Und Ekel oder besser: Mitleid. Mit sich, nein Corax. Es war doch seine Erinnerung? Oder war es ihre? Verwirrt sah sie weiter zu wie sich ihre – nein! Seine! Seine Hände an den Leichen vergingen und ihr totes Fleisch seine, ihre Finger färbten. Ihr wurde schlecht. Oder ihm? Sie hatte das Gefühl einen seltsamen Geschmack im Mund zu spüren, ohne je probiert zu haben.
Erneut verwandelte sich die Szene. Aus dem Kleinkind wurde ein Junge. Madiha blickte auf den vorbereiteten Topf. Sie wollte es gut machen. Sie wollte die Dinge gut abwaschen, wollte helfen und tüchtig sein. Nein er! ER wollte tüchtig sein. Doch während die Szenerie Corax gehörte, wurde ihr wacher werdender Geist mit eigenen Erinnerungen gespickt. Da war die Küche aus dem Hause Melih. Hier hatte sie oft helfen müssen, musste der Züchtigung durch die Hausköchin entgehen, wenn ihr wieder eine Schüssel aus den jungen Fingern gelitten war. Die Erinnerung verblasste, als Corax plötzlich den Eispickel ansetzte und das Leben beendete. Hör auf…, wollte sie ihm sagen. Wollte sich bewegen, die Kontrolle erlangen und scheiterte, als sich das Bild erneut wandelte. Nun war er der Mann, den sie kennengelernt hatte, als er sich an den nackten Leib seiner Herrin klammerte. Nachdem er das Unheil über all die Männer an Bord gebracht hatte. Das Schiff… Madiha erinnerte sich langsam wieder und doch zog der Bann der Geschichte des Rabenmannes sie zurück.

Ihr Blick richtete sich auf eine Szenerie außerhalb des Gebäudes, in dem sie mit einem Mal war. Er war. Sie sah zu wie die Frau ihr Kind festhielt und es fühlte sich so seltsam an. Sie wusste doch was eine Mutter war- wieso erinnerte sie sich nicht mehr daran? Madiha wurde ruhig und sah durch die Augen des Raben zu. "Bitte trennt uns nicht. Er gehört zu mir. Bitte, verschont ihn." Ihr Herz verkrampfte sich, während sie der Szene beiwohnte und erkennen musste, dass etwas Essentielles fehlte. Das Verständnis dafür, wie es war, in einer Familie aufzuwachsen. Eine Mutter zu haben, die einen schütze und sich vor einen stellte, damit man kein Leid erfuhr. Die mit ihrem Leben bereit war, alles aufzugeben, damit man die Liebe, die man erfuhr, in sich einschließen konnte und bewahrte, wenn einem alles zu viel wurde. Sie kannte das nicht… er kannte das nicht. Madiha schluckte schwer und über die Wange ihres realen Körpers, rollte eine Träne. Er war so allein. Sie war so allein. Er hatte nicht genug Liebe erfahren, als dass es ihn hätte nachhaltig prägen können. Er wurde fortgerissen aus seinem echten Leben. Wo waren seine Eltern? Wieso haben sie nicht auf ihn geachtet? Wieso haben sie ihn nicht mit aller Macht festgehalten? Madiha hatte in den Anfängen ihres Lebens die Liebe einer Mutter erfahren dürfen. War das der Unterschied zwischen ihnen? Auch wenn ihre Mutter viel zu früh verstarb und sie längst keine weichen Kissen besessen hatte… so erfuhr sie dennoch die Herzenswärme eines Menschen, der alles für das Kostbarste in seinem Leben tun würde. Madiha hatte Glück. Corax hatte Pech. Die Tränen, ob dieser Szenerie wollten kaum versiegen und sie war sich dennoch nicht bewusst, dass sie tatsächlich flossen. Es war nur ihr Geist, dachte sie, der weinte. Erneut veränderte sich die Szene. Madiha ertrug kaum mehr davon. Wenn sie vorher schon verstanden hatte und er der auslösende Faktor für ihre eigene Sprengkraft gewesen war, dann sah sie ihn nun sehr viel deutlicher. Sie fühlte ihn. Die Tirade der Herrin klopfte mit eisigkalter Stimme Madiha’s eigene Barrieren auf. Sie erzeugte Risse in ihren Erinnerungen und sah ihren furchtbar dürren Leib aufflackern, wie er mit gesenktem Kopf, vor dem viel zu großen Mann stand, der seine Spucke in Wut auf sie niederregnen ließ. Das Mädchen hob den Kopf, bis das Bild ihrer eigenen Erinnerung erneut flackerte und sie plötzlich wieder Corax war.
Er grinste. Sie grinste. Da war eine wohltuende Zufriedenheit in ihnen. Ja, das war es doch, wonach sie sich sehnten. Sie wollten gesehen werden, wollten beachtet werden. Und sie wollten unentbehrlich werden, damit sie nie wieder allein sein mussten. Damit sie nicht kamen und spielen wollten. Sie waren müde. Madiha spürte die Zufriedenheit ebenso wie er sie empfand und sie glaubte schon, dass sie eins mit ihm wurde. Und während der Schmerz der Selbstverstümmelung dazu führte, dass das Bild sich wieder änderte, verflocht sich das Leben Madiha’s weiter mit dem von Corax. Sie war so schön, sie war es doch, was sie wollten. Sie wollte sein wie sie. Und er wollte ihr gefallen. Azura. Madiha empfand nicht die Lust auf ihren Körper, wie er es tat. Aber sie verstand, was Corax brauchte. Nicht, weil er sich das so wünschte, sondern weil es ihn erlösen könnte. Weil es ihn endlich befreien würde, wenn er ihr gefiel. Madiha vermischte sich mit Corax und sie spürte, dass er es nicht aus Eigennutz tat. Es war kein Mittel zum Zweck. Sie war der Schlüssel zu seinem Leben, das er verdient hatte. Der Rubin in seinem Auge, wenn sie nur wüsste, wie viel sie in der Hand hielt. Wie viel Liebe sie entfachen würde, wenn sie erkennen könnte….

Madiha war so ausgelaugt, dass sie sich nicht rühren konnte. Ihre Wangen klebten seltsam und ihr fehlte für einen Moment die Erinnerung an das Gesehene und ihre körperliche Reaktion darauf. Ihr Bewusstsein drang nur allmählich aus dem Sumpf der Erinnerungen eines anderen hervor. Reichlich verwirrt war ihr Verstand. Würde die Herrin sie lieben können? Könnte sie eine gute Sklavin sein und die Liebe erhalten, nach der sie sich so sehr sehnte? Ihr Gesicht verzog sich mit einem Mal gequält. Sie wollte sich rühren, doch eine bleierne Schwere drückte sie weiterhin in ihre Unterlage. Wo war sie? Sie sah keine Erinnerungen mehr, sie fühlte keine Geborgenheit. War das nun endgültig der Tod? Waren die Fetzen aus Grausamkeit nur ein Weg hinüber ins Reich der Toten? Das fühlte sich irgendwie nicht so an. "Du hast so gelitten"… wer war das?! Madiha richtete ihren Kopf nach der Stimme aus, auch wenn es ihr äußerst schwerfiel. Dann sickerte ihr eine Berührung ins Bewusstsein, irgendwo weiter unten. Was war das? Es war kühl, gleichzeitig spannte etwas unangenehm und ein sanfter Druck erschwerte ihr das Verstehen. Nur langsam hoben sich die Augenlider der Wüstentochter an. Ihr Blick war verschmiert, aufgrund der geweinten Tränen, der immensen Müdigkeit und der Schmerzen, die sich hämmernd ihren Kopf einzuverleiben drohten. Für Sekunden blieb ihr Blick verklärt, bis sie es endlich schaffte zu blinzeln. Restliche Tränenflüssigkeit schwappte noch mal über und rann ihr schwerfällig über die Wangen, bis sie in das Gesicht von „Caleb…“, sah. Madiha versuchte zu lächeln. Es mochte schief und krumm aussehen, jedenfalls fühlte es sich so an, doch es war nicht minder ehrlich gemeint. „Du.. lebst.“, stellte sie fest und spürte wieder ihre angegriffene Kehle. Doch da war noch mehr: Mit jedem Körnchen Bewusstsein, dass zurückfiel in den Kelch ihrer Seele, wurde sie sich auch bewusst, dass da etwas anders war an ihren Händen. „Was…?“, sie bewegte vorsichtig die Hand, die Caleb hielt. Es tat gar nicht weh, aber sie fror mit einem Mal. Verbrennungen dieses Grades hatten jegliche Chance auf Empfindung genommen. Die Schmerzrezeptoren waren weggebrannt und zurück blieb lediglich die körperliche Reaktion, etwas retten zu wollen. Adrenalin schoss durch ihren Körper, um sie zu wärmen, während sie anfing zu zittern. Madiha konzentrierte sich wieder auf den Dieb an ihrer Seite. Da war er wieder… er war immer da. Sie lächelte abermals, war aber noch sehr müde. Ihre arkanen Kräfte hatten sie entbrannt, aber auch ein wenig ausgelaugt. Sie drehte den Kopf ein wenig in dem Bett und sah an Caleb vorbei zu den anderen beiden. „Sie… leben.“, bemerkte sie furchtbar leise, bis sie zufrieden die Augen schloss. Es war nicht umsonst gewesen. Sie hatte helfen können. Hatte etwas erreichen können. Madiha schaffte es erneut zu lächeln. Nur um plötzlich durch die Erinnerung, in einer schmerzverzerrten Fratze zu enden, die erneut in Tränen ausbrach. „Caleb… er - ich… wir… wir nein er… da war ein Leben voller Leid. So viel Leid…“, krächzte sie gequält auf und ließ die Erinnerungen an das Gesehene in Form von zahlreichen Tränen fließen. Sie hatte noch Mühe das ganze in richtige Bahnen zu lenken, wusste noch nicht was er war und was sie, doch sie brauchte nun auch nicht alles zu durchschauen. Erstmal musste sie wieder ganz im Jetzt ankommen und all das Erlebte, Erkannte und Entbrannte verarbeiten. Was half da besser als zu weinen?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Dienstag 30. August 2022, 21:16

Die Kapitänskajüte hatte sich in zwei Lager geteilt. Da war zum einen Caleb, der auf der Kante der Koje saß, in die er Madiha gebettet hatte. Er hielt feuchte Lappen gegen die Innenflächen ihrer verbrannten Hände und wartete mit der stoischen Geduld eines Felsens, dass sie die Augen aufschlug.
Zum anderen war dort immer noch die Stelle vor dem Tisch, wo das Wüstenmädchen wahrlich Feuer gefangen hatte. Ein sichelmindförmiger Halbkreis, von dem verschieden große Zacken in unregelmäßigen Abständen abgingen, bildeten einen rußigen Rahmen um Corax und Azura. Sie lag halb auf den Planken und halb in den Armen des Dunkelelfen. Jener hatte wieder seine ursprüngliche Gestalt angenommen, sah besorgt auf die Rothaarige herab und tätschelte sie immer wieder. Endlich schlug Azura die Augen auf. Zunächst nahm sie ihren Gegenüber nur verschwommen war, denn auch eine einzelne Träne genügte manchmal schon, um einen trüben Schleier an den Wimpern aufzuhängen. Sie blinzelte ihn quälend langsam fort und endlich erkannte sie jenen Mann, von dem sie durch dieses Chaos an Erinnerungen mehr aus seiner Vergangenheit erfahren hatte als er ihr je erzählt hatte. Aber wer mochte schon von einer solchen Vergangenheit sprechen? Auch Azuras erster Reflex war es, mit einem freudigen Funkeln in den Augen Corax zu erkennen. Sie hauchte ihm nur ein einziges Wort zu, aber es löste auch bei ihm ein glückliches Aufblitzten der Rubinaugen aus. Er erwiderte ihr Lächeln deutlich sichtbarer, beugte sich zu ihr hinab und stoppte. Sie schlug die Augen nieder, löste den Blickkontakt auf. Erneut verstieß sie ihn. Er schluckte schwer.
"Bitte nicht", entkam es seinen Lippen. Dann drückte er Azuras Hand. Reichte es, um ihre Aufmerksamkeit wieder zu gewinnen? Ganz gleich, wie es ausfiel, er setzte sein Vorhaben um, allerdings nicht mehr in Form eines Kusses, den er ihr hatte aufdrücken wollen. Er senkte den Kopf tiefer, schob damit mehr unbewusst Azuras Brüste ein wenig beiseite und legte sich auf ihrem Bauch ab. Die Lippen berührten jetzt das kalte Leder ihres Mieders. Er löste seine Umarmung auf. Stattdessen schob er seine Hände ebenfalls auf die Korsage und etwas tiefer. Er griff in den Stoff des Rocks. Seine Stimme drang nur leise zu ihr durch, aber er wagte es nicht, aufzusehen.
"Nimm mich zurück. Ich will wieder dir gehören." Es war keine Forderung. Es war ein Flehen, auch wenn er weder wimmerte noch winselte. Das hätte das Kind Corax getan, mit Tränen in den Augen. Der Mann Corax drückte sich gefasster aus, scheinbar unnahbar und doch steckte so viel Sehnsucht zwischen den Zeilen. Er wagte es nur nicht erneut, vor Azura emotional auszubrechen. Entweder fehlte ihm inzwischen die Kraft oder er hatte schon eingesehen, dass es nichts half. Am Mast wollte sie ohne ihn weiterziehen und er hatte sich an den nächstbesten geworfen, der bereit war, ihn aufzunehmen. Was würde eigentlich geschehen, wenn Azura jetzt doch wieder zusagte? Was würde aus Jakubs Verhältnis zu seinem jüngsten Eigentum ... welches er offensichtlich lieber jung und schwach sah?

Schwach, das war das treffende Wort, allerdings für eine ganz andere Person. Madiha fühlte sich schwach und ausgelaugt, sowohl physisch als auch auf mentaler Ebene. Sie schien die Erinnerungen des Dunkelelfen viel intensiver durchlebt zu haben als Azura oder hatte sich ihnen gegenüber mehr geöffnet. Jedenfalls hatte sie, zurück in ihrem eigenen Körper und Denken, viel intensiver mit den Nachwirkungen zu kämpfen. Es kostete sie einige Zeit, um überhaupt zu begreifen, dass sie nicht länger eins mit den Echos war, die so viel über den Jungen und den Mann verraten hatten. Für Madiha fühlte es sich fast so an, als verschwammen nun eigene Erinnerungen. Sie würde nicht vergessen, aber sie würde mit der Zeit erkennen, dass es nicht ihre eigenen waren. Trotzdem rüttelten sie an ihrem Geist, überwältigten sie so sehr, dass sie mehr Tränen vergoss als die Adlige.
Caleb war da, um sie aus diesem Gefühlschaos abzuholen. Zunächst reagierte er kaum, betrachtete Azura nur und zog langsam die feuchten Tüchter von ihren Händen. Sie mussten ohnehin erneuert werden. Er strich über ihren Kopf, erwiderte ihren Blick. Dann nickte er unter einem Lächeln. "Ganz ruhig. Wir leben alle noch. Nun ... bis auf diese schwarzen Ratten. Sie waren unter dem Bett und ... oh ..." Caleb unterbracht sich selbst und verzog verlegen das Gesicht. Er schien allerdings sehr erleichtert, dass ihm noch möglich war, mit Madiha so zu plappern. "Ich erkläre dir später alles. Ruh dich erst einmal aus. Du hast so viel durchgemacht, so sehr gelitten."
Nicht nur sie. Ihr Blick wanderte sofort - das hieß, sehr langsam, denn das Mädchen besaß nach wie vor kaum Kraftreserven - zu der Ecke, wo sie ein kleines Inferno losgelassen hatte. "Sie ... leben." Wieder nickte der Dieb. Noch ehe er aber weiter beruhigend auf Madiha eingehen konnte, wurde sie unruhig. Corax' Erinnerungen waren noch frisch. Madiha schwamm zwischen ihnen, hatte sie längst noch nicht alle abgeschüttelt und fühlte sich zu ausgelaugt, um noch zu kämpfen. So reagierte ihr Körper auf die Überforderung mit Tränen. Ihr Hals schmerzte wieder, als sie sprach. Dennoch konnte sie nicht anders als wenigstens zu versuchen, Caleb von all dem zu erzählen, was sie - was er - erlebt hatte. Er hörte ihr zu, ließ ihr Zeit. Aber anstelle zu antworten, handelte Caleb. Wo Corax bei Azura die Umarmung löste, um sich quasi in ihre Hände, respektive ihren Schoß, zu geben, da schlang der Dieb seine großen Arme um die einstige Sklavin. Vorsichtig richtete er sie in seiner Umarmung auf, zog sie an sich heran und hielt sie, dass ihr Kopf an seiner Brust ruhen konnte. Sanft strich er ihr über das Haar. "Ganz ruhig. Was immer dir geschehen ist, du hast es geschafft. Und du hast es gut gemacht. Du hättest dich sehen sollen! Naja ... ich habe nicht alles gesehen. Aber du hast gestrahlt, wie ein glühendes Wesen de Hoffnung." Er gluckste. "Wobei Sarmaer in Lysanthors strahlendem Licht wohl kaum ein Symbol der Hoffnung sehen. Und erst Recht nicht in seiner sengenden Hitze." Er drückte sie enger an sich und raunte nun so leise, dass nur Madiha ihn verstehen konnte: "Mir hat es Hoffnung gegeben. Du kämpfst. Das hast du immer getan und damit kommst du weiter. In allen Momenten dazwischen kommt dein unliebsamer Retter zu Hilfe." Er konnte ihr nichts Anderes versprechen, so gern er es getan hätte. Sie konnte sich nicht auf ihn verlassen, denn er hatte sie bereits einmal verlassen. Das war auch Caleb jetzt bewusst. Versprechen, bei ihr zu bleiben, wollte er aber auch nichts. Er konnte nicht wissen, wie die Zukunft aussah. Außerdem wusste er, wie seine Versprechen endeten. Er würde Madiha überhaupt nichts versprechen, niemals!
"Willst du mit ihnen reden? Oder soll ich dich hier rausbringen? Hast du einen Schlafplatz an Bord?"
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Mittwoch 31. August 2022, 13:47

Bislang hatte sie noch keinen Blick für mehr als ihre nähere Umgebung gehabt. Das Letzte, das sie bewusst aus der Kapitänskajüte wahrgenommen hatte, war die Dunkelheit mit dem nadelspitzen Monstrum, das sie alle angreifen wollte. Danach war es... seltsam, verwirrend und dennoch irgendwie auch aufschlussreich gewesen. Doch es war viel zu viel, als dass die junge Frau jede Wendung sich hatte merken können. Von verstehen war da noch gar keine Rede!
Hinzu kam der Schluss, ehe sie allmählich wieder aufwachte, denn dieser betraf auch sie persönlich. In einem Ausmaß, das ihr das Herz schier noch einmal zu brechen drohte. Trotzdem war all das noch nicht sofort wieder in ihrem Bewusstsein, als sie langsam die Augen aufschlug.
Ihre Sicht war anfangs verschwommen und klarte zuerst nur soweit auf, dass sie jenes Gesicht erkennen konnte, das sie sich zu sehen gewünscht hatte. Und zugleich eigentlich nie mehr vor Augen haben wollte! Entsprechend fiel auch ihre Reaktion aus, voller rührender Freude und Erleichterung, bis... ja, bis im nächsten Atemzug die Erinnerung zurück kehrte.
Azura konnte nicht anders, sie senkte ihren Blick und musste schwer schlucken, denn in ihr kochte das Bedürfnis zu weinen hoch, wenngleich sie scheinbar keine Tränen mehr in sich hatte, so viel, wie von ihr verdampft war in jener Feuersbrunst. Die sie alle wie durch ein Wunder überlebt zu haben schienen...
Hatte sie eigentlich die positive Regung in seinen Augen wahrgenommen? Oder verstanden, wieso sich sein Gesicht ihr hatte nähern wollen? Nein, im Prinzip nicht, dafür war ihr Geist noch viel zu verwirrt und ihr Herz zu wund.
Erst seine Bitte sorgte dafür, dass sie ihn erneut ansah, dieses Mal mit einem fragenden und zugleich leicht gequälten Blick. Was wollte er denn noch von ihr? Reichte es ihm nicht, dass er ihre zarten Keime der Liebe zertrampelt hatte? Nichts, kein Wort kam ihr über die Lippen, sie sah ihn lediglich an.
Bis er sich erneut zu ihr beugte, nun allerdings mit einem anderen Ziel. Als er ihr Dekolleté berührte, erschauderte sie, obwohl sie es gar nicht wollte. Diese Berührung weckte Erinnerungen, Dinge, die sie lieber tief in sich einsperren würde, um niemals wieder daran denken... sich danach sehnen zu müssen.
Jedoch blieb es nicht dabei, sondern er wanderte tiefer und sorgte dabei noch für andere Gefühle und Schreckensbilder der Vergangenheit, sodass sie sich unwillkürlich versteifte. Würde er etwa...? Hoffentlich nicht! Es hatte ihr gereicht, dass ein anderer vor nicht gar zu langer Zeit versucht hatte, sie zu schänden! Und ihr ehemaliger Begleiter war es nicht gewesen, obwohl er durchaus seine Gelegenheiten gehabt hätte... Leer schluckte sie und musste sich zwingen, um das Wimmern zu unterdrücken, das in ihrer Kehle emporwandern wollte.
Bis er still lag, an sie geklammert und ihr etwas flehentlich sagte, das ihre Augen brennen ließ voller ungeweinter Tränen. Ihr Kopf drehte sich wie von allein zur Seite, sie konnte nicht länger in seine Richtung sehen. Zugleich aber sprach ihr Körper auch eine ganz andere Sprache, denn einige seiner Haarsträhnen fielen auf ihre Handinnenfläche, sodass ihre Finger zuckten und schließlich ein wenig... damit spielten. Unbewusst, gedankenverloren und trotzdem so, wie sie es manchmal bei ihrer Mutter gesehen hatte, wenn sie diese heimlich mit Alycide beobachtet hatte.
"Warum...?", wisperte sie und schluckte erneut schwer, während sie versuchte, ihre spröden, ausgetrockneten Lippen zu befeuchten. "Du... du willst mich doch eigentlich gar nicht... Nur, weil ich dich nicht schlage... oder quäle... oder zwinge zu..." Ihr versagte die Stimme und sie musste die Augen schließen in der Hoffnung, dass das Brennen dann etwas nachlassen würde. "Ich will dich nicht als Eigentum. Ich will..."
Ja, was denn eigentlich? Den strahlenden Helden in glänzender Rüstung, der ihr ein aufregendes Leben versprach? Den heißblütigen Liebhaber für viele feuerige, intensive Stunden? Den fürsoglichen Ehemann, dem sie bereitwillig viele Kinder schenken würde...? Kinder...
Bei diesem Gedanken zuckte sie leicht zusammen, als ihr etwas bewusst wurde, was sie zu sehen und zu hören bekommen hatte. Langsam, unendlich langsam hob sie ihre Lider wieder an und zwang sich, an sich herunter zu sehen, zu ihm hin. Es widerstrebte ihr und dennoch musste sie es tun, sonst würde es sie umso schlimmer quälen.
"Hast du... hast du es... Lebt es... noch...?", hauchte sie tonlos und vermutlich kaum hörbar. Doch sie schaffte es nicht, lauter zu sein oder gar deutlicher zu werden. Er müsste sie auch so verstehen... oder nachfragen, aber ohne etwas von seiner Seite würde sie nicht den Mut finden, konkreter zu werden.
Denn allein schon die Vorstellung, er könnte dieses Ungeborene... sein Kind... noch im Mutterleib... Azura schauderte und ihr wurde ein wenig übel. Hätte sie die Kraft besessen, mehr als ihre Finger an seinen Haarsträhnen zu bewegen, sie hätte versucht, sich von ihm zu befreien. So hingegen blieb sie liegen und schwankte zwischen dem Bedürfnis, es wissen zu wollen, und der Angst, es zu erfahren.
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