Unter Venthas Willkür

Das große Meer ist launisch wie das Wetter. Einmal ist es friedlich und dann wieder die reinste Gefahr. Erfahrene Seemänner befahren es mit ihren großen Schiffen. Alle Reisen sind hier verzeichnet.
Forumsregeln
Hinweise zum Geschehen auf See
Piraten kapern alle Schiffe, die nicht dunkelelfisch oder verbündete mit sichtbarem Zeichen (Flagge) sind.
Die Mantroner versuchen, gegen die Piraten vorzugehen.
Ein Teil der Amazonen, sowie das dunkle Volk sind Verbündete der Piraten.
Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Donnerstag 27. Oktober 2022, 20:09

Während sie zweifelte und damit begann, damit zu hadern, was sie getan hatte, gegen den Versuch ankämpfte, zurück zu wollen, und zugleich Erinnerungen anzurühren, die besser weiter geruht hätten, spürte sie plötzlich etwas an der Wange. Etwas Kühlendes, das sich irgendwie... angenehm anfühlte.
Unwillkürlich hob sie ihre Hand an jene Stelle und ihr Blick glitt wie von allein zu der Leinwand, wo sie diese unbekannte Frau sehen konnte, wie diese etwas bei ihrem Gesicht tat. Oder besser gesagt, bei dem körperlichen Schandfleck, zu dem ihr einstmals hübsches Antlitz geworden war. Nun ja... sofern man sie überhaupt noch als schön oder attraktiv bezeichnen konnte, so unvollkommen, wie sie im Vergleich zu Ventha war.
Leise seufzte sie und musste die Lippen aufeinander pressen, um gegen das aufkeimende Gefühl der Sehnsucht ankämpfen zu können. Da war es besser, ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken und Fragen zu stellen, ehe es zu spät wäre.
Dass die Göttin ihr diese auch immer und immer wieder beantwortete, verwunderte sie und ließ sie dennoch nicht innehalten. Ein Hauch von dem Mädchen von früher, das kaum genug Antworten hatte bekommen können bei ihrer Neugier, blitzte hervor.
Bei der Ansprache spürte sie, wie sie leicht zusammen zuckte und ihre Wangen einen rötlichen Schein erhielten, die eine Erinnerung an ein verräterisches Brennen weckten. Auch senkte sie den Blick und biss sich auf die Unterlippe. Natürlich, eine Göttin wusste so etwas, nicht wahr? Aber sie hatte es nicht laut gesagt, sondern so als... als... als respektiere sie die Tatsache, dass sie diesen Teil ihrer Vergangenheit nicht jedermann anvertrauen wollte. Und das, obwohl sie sich in letzter Zeit so vollkommen orientierungslos gefühlt hatte und sogar ihrem Leben ein Ende hatte setzen wollen.
Mit gesenktem Blick lauschte sie weiter den Worten, immer staunender darüber, zu wie viel Erklärung die andere sich herabließ, mit wie viel Geduld sie mit ihr umging und sie irgendwie auch... wertzuschätzen schien. Als sie allerdings das Wort Dampf erwähnte, schien ihre gesamte Geistererscheinung vor Rot nur so zu glühen, denn es machte ihr schlagartig bewusst, dass diese ihre Göttin auch mehr oder weniger dabei gewesen war, als sie und Corax in den heißen Quellen... Oh, wie peinlich! Sie mühte sich, diese Gedanken nicht zu deutlich vor ihr inneres Auge zu lassen, auch wenn es mehr als schwierig war.
Mehrmals musste sie schlucken und hatte das Gefühl, als wäre es ein Kampf gegen Windmühlen, bis es ihr halbwegs gelang ihre Stimme wieder zu finden. "Ich danke Euch." Dennoch war es nichts weiter als ein Wispern, das ihr über die Lippen kam, und den Blick konnte sie ohnehin vor Scham noch nicht heben.
n ihrem Kopf arbeitete es wie wild. Zugleich hatte die Vernunft der Göttin eine gewisse Logik und erreichte bei aller Sturheit auch ihren Verstand. Sie hatte einen Fehler begangen und würde es nur zu gerne verbessern, um zu zeigen, dass bei ihr nicht alles vergebene Liebesmüh' wäre. Dass es sich lohnte, sich mit ihr zu beschäftigen. Dass sie nicht so ein hoffnungsloser, egoistischer Fall wäre, wie sie sich gegenüber ihren Eltern stets benommen hatte. Nur... es war zu spät dafür, oder?
"Es ist nur so... so... schwierig... wisst Ihr? Es hat sich alles verändert, ich fühle mich wie ein Fisch auf dem Trockenen und weiß nicht ein noch aus.", fuhr sie langsam und zögerlich fort, unsicher, ob sie den eingeschlagenen Pfad wirklich weiter verfolgen sollte. Sie schüttelte leicht den Kopf und strich sich eine geisterhafte Haarsträhne zurück hinters Ohr. "Ich... ich würde es gerne besser machen... um Euch meinen Dank wirklich zeigen zu können..."
Ein leises Seufzen entfleuchte ihr und sie umarmte sich wieder selbst. "Aber das habe ich wohl gründlich vermasselt...", gestand sie schließlich und zeigte damit weiter, dass sie anscheinend nicht ganz so lernresistent war, wie sie sich gerne gab. Das lag nicht allein daran, dass sie sich gerade mit der Göttin der Meere unterhielt, sondern auch an deren Art mit ihr zu sprechen, wie sie die Worte wählte und sich unbeeindruckt von all ihren Reaktionen zeigte, geduldig mit ihr blieb.
Beinahe wie... wie ihre Mutter, ehe sie es vor einer Handvoll Jahre angefangen hatte, aufzugeben. Sie aufzugeben, die zu verwöhnt worden war und es in ihrem Heranwachsen ohnehin für undenkbar hielt, nicht länger ihren Willen zu bekommen.
In diesem Moment wurde das Spiel zwischen dem Gerippe und dem Kapitän beendet und letzterer hatte verloren. Wieso das? Wie hatte Ventha das zulassen können? Ehe sie sich besann, war ihr die Frage schon entschlüpft.
Die Reaktion war eine sanfte Schelte, die dafür sorgte, dass die junge Frau sich ein weiteres Mal auf die Unterlippe biss. Ihr Blick ging hin zu den Spielenden und wanderte weiter zu der Leinwand, wo sich zwei Personen um die beiden leblosen Körper bemühten, obwohl diese schon verloren gegeben worden waren.
Auch sie seufzte leise und begann, an ihrem geisterhaften Ärmel zu zupfen. "Stur... Haben andere Götter auch diese Eigenschaft oder verdanken wir die Euch?", murmelte sie in Gedanken und fühlte sich merkwürdig getröstet bei dem Gedanken, in einer Eigenheit ihrer Göttin ein bisschen gleichen zu dürfen.
Oh ja, und welch ein großer Sturkopf sie sein konnte! Das hatte ihre Eltern oftmals zur Verzweiflung getrieben und mitunter hatte sie es genossen, erst recht, wenn sie sich am Ende durchgesetzt hatte. Dass sie sich damit allerdings Schwierigkeiten einhandeln könnte... oder auf dem Holzweg wäre, das hatte sie sich eigentlich nie vor Augen geführt.
Indes wurde vor ihr ein Tisch geschaffen und ein neues Spiel begonnen, Mühle, das kannte sie... und hatte sie für gewöhnlich nie interessiert. Trotzdem sah sie zu und merkte, wie die schwarzen Steine immer weniger wurden. "Er gewinnt?", flüsterte sie und ihre Augen wurden groß vor ehrlicher Überraschung.
"Er gewinnt!", stieß sie dann aus, als es soweit war, und sah zu Ventha.
"Also ist es möglich?", entkam es ihr noch, als sich vor ihr schon das nächste Spiel allmählich aus dem Nichts aufbaute. Oh, dieses!
Azura blinzelte und sah zu dem Mann hin, der sich stets gescheut hatte, ihr zu begegnen, als es zwischen ihnen eine Verbindung hätte geben sollen. Denn seine Absagen waren bestimmt nichts weiter als Ausreden gewesen! Doch er war nicht von altem Adel, neureich und dadurch zu dem Titel gekommen. Wie da wohl seine Ausbildung ausgesehen hatte? Ob er überhaupt wusste, wie dieses Spiel ging und wenn ja, welche Winkelzüge es gab?!
Sie selbst beherrschte es nicht, es hatte sie nie interessiert, es selbst zu spielen. Ganz zu schweigen davon, dass es die meisten Männer nicht schätzten, im Spiel der Könige von einer Frau geschlagen zu werden. Aber sie hatte als Kind oft in dem Salon ihrer Eltern zugesehen, wie ihr Ziehvater versucht hatte, es ihrer Mutter beizubringen. Diese hatte es nur mehr schlecht als recht begriffen und oftmals taktische Fehler begangen, jedoch war ihr Gatte sehr geduldig mit ihr gewesen und sie hatten in dieser Zeit sehr... glücklich miteinander gewirkt. Woran sie teilgenommen hatte, solange, bis sie nach ein paar Jahren kein Interesse mehr an dieser Art des Zusammenseins gehabt hatte. Kurz danach hatten diese Abende auch zwischen den Eheleuten ein Ende gefunden und sie hatten andere Aktivitäten miteinander unternommen. Jedoch konnte sie sich an ein paar Dinge erinnern oder glaubte es zumindest.
Gerade, als sie dabei war, einen Entschluss zu fassen, tauchte das Gerippe vor ihr auf. Azura sah hoch und spürte, dass sie erbleicht wäre, wenn sie noch lebendig gewesen wäre. "I... ich... ich...", stammelte sie und machte keine Anstalten, die Hand endlich zu ergreifen.
Hilfesuchend sah sie zu ihrer Göttin... und musste miterleben, wie diese sich verabschiedete. Ihre Augen wurden groß und rund, schon wollte sie etwas einwerfen, als ein Nachsatz sie zurück hielt. Irgendetwas ging hier vor sich, das sie nicht begreifen konnte... und vielleicht auch nicht wollte. Aber ihr war etwas anderes klar geworden.
Als sie allein dem Gerippe gegenüber saß, stand sie auf, klopfte sich imaginären Staub von ihrem geisterhaften Rock und musste sich einen inneren Ruck geben, um den Mut nicht zu verlieren. Dann jedoch straffte sie ihre Haltung, sah hoch und schüttelte ein wenig den Kopf. Sie rang sich ein kleines, liebliches Lächeln ab, we früher, wenn sie ihrem Vater gegenüber angefangen hatte, ihre Wünsche zu äußern. Die kleinsten zuerst, zum Warmwerden und zum Herantasten, wie weit sie gehen könnte.
"Ich... ich finde diese Spiele sehr... spannend. Darf ich noch ein wenig zusehen?", fragte sie betont harmlos und wartete kurz ab, ehe sie es wagte, an der Gestalt vorbei zu dem Kapitän zu treten.
Dieser griff gerade nach der dritten Figur von rechts und wollte sie lediglich um ein Feld nach vorne bewegen. Azura hob ihre Augenbrauen an und schüttelte leicht den Kopf. Oh, wie oft hatte ihre Mutter diesen Fehler begangen!
"Wenn du das machst, hat er dich in zwei Zügen matt gesetzt.", bemerkte sie trocken und beugte sich vor, als müsse sie das Feld besser sehen können.
"Wenn du aber diesen Zug wählst...", begann sie etwas gedehnt als Ablenkung, griff sich kurzerhand den Bauern links daneben und setzte ihn forsch zwei Felder vorwärts. "... hast du eine reelle Chance.", beendete sie ihren Satz und grinste ein wenig verschmitzt.
Ein Zug von früher, den für gewöhnlich kaum jemand noch von ihr zu Gesicht bekam nach all der Erziehung, die sie erhalten hatte. Es war zu verwegen für eine Dame, passte zu Abenteurern oder sonstigem Gesindel, das nur darauf aus war, abzulenken und hinterrücks eine Gemeinheit auszuführen. Aber es stand ihr, das ließ sich nicht leugnen.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 28. Oktober 2022, 13:10

Die Menschheit irrte, wenn sie sich anderen Gottheiten zuwandte, weil sie Ventha für zu impulsiv, stürmisch und wankelmütig hielten. Sie war gar nicht so. Sie konnte auch sehr geduldig sein und sanft - wie der Regen, den sie erwähnt hatte. Azura fühlte sich von ihren Worten gestreichelt, als glitt ein erfrischender Nebel über ihre Haut. Die angenehme Kühle spürte sie vor allem an ihrer Wange, wo ihr Körper mit der unschönen Schwellung vermutlich für immer entstellt wäre. Oder zumindest für eine ganze Weile. Heilte das ab, wenn sie tot war?
Der Gevatter schien bereit, ihre Seele mitzunehmen, nachdem ihr Gespräch mit der Göttin endete und auch sie sich aufbruchbereit machte. Warum nur wollte sie jetzt einfach gehen? Hatte sie nicht vor, weiterhin zuzuschauen, ob zumindest Caleb ins Reich der Lebenden würde zurückkehren können? Und auch auf Azuras verzweifelte Frage, ob ihr inzwischen gewählter Weg der richtige sei, hatte sie geschwiegen. Stattdessen löste sie sich von ihrem Felsenplatz. Sie strömte einfach von ihm herab, jede Bewegung war ein perfekter Fluss ihres Körpers. Winzige Fische umkreisten sie, als sie sich zu Azura neigte. Näher, noch näher ...
"Ich habe gehört, Fische an Land nutzen Fahrräder ... oh! Du weißt ja gar nicht, was das ist. Nicht schlimm. Sei einfach flexibel. Pass dich an, wie schwer es auch sein mag. Und verlier nicht den Mut, dafür bist du nicht gemacht." Erfrischend kühl, mit einer Spur Salt wie Tropfen aus Meerwasser und doch warm und sanft, wie wenn sie in der Bucht Khad Harad nahe Andunie in der Zeit der Abendsonne schwimmen gegangen war. So wunderbar fühlte es sich an, wenn Ventha eine Sterbliche mit einem Kuss segnete. Zurück blieb ein sanftes Kitzeln auf der Haut, das Azura an einen Windhauch erinnerte, der das neue Jahr ankündigte. Die Göttin hatte sie gesegnet, als sie ihre Stirn küsste!
Dann schwand sie und auf Azura wartete nur noch der Tod mit dargereichter Knochenhand. Erstmals seit ihrem Erwachen in dieser Zwischenwelt war sie unentschlossen. Ihre Entscheidung, sich dem Meer und ihrer Göttin zu übergeben, wankte. Sie hatte sich verändert, weil sie die Gelegenheit erhielt, von Ventha belehrt worden zu sein. Und weil sie Caleb hatte gewinnen sehen. Zwar bisher nur eines von drei Spielen, aber das aktuelle - das Spiel der Könige - stand noch aus und er befand sich vor seinem ersten Zug.
Für Azura jedoch schien es Zeit zu werden, in die Ewigkeit einzutreten. Der Gevatter blickte aus leeren Augen auf sie herab. "I... ich ... ich ... Ich ... finde diese Spiele sehr ... spannend. Darf ich noch ein wenig zusehen?" Tod hob den Kopf, dass seine Kapuze unter einem rauchigen Wink raschelte. Er schaute zu dem Spielbrett hinüber. Doch noch ehe er in irgendeiner Weise reagieren konnte, nahm Azura ihm die Antwort vorweg. Sie näherte sich bereits Caleb. Er blickte nachdenklich auf das unberührte Brett, ließ seine Hand schon über einer der kleinen Diebesfiguren schweben, welche die Bauern symbolisierten, wagte es aber noch nicht, sie zu rücken. Auch ihm waren lediglich die Grundkenntnisse des Spiels vertraut. Er wusste aber, dass man ziehen musste, was man berührte. Deshalb nahm er sich lieber Zeit, als...
"He!"
"Wenn du das machst, hat er dich in zwei Zügen matt gesetzt. Wenn du aber diesen Zug wählst..." Azura griff kurzerhand nach einem der Diebesbauern und setzte ihn zwei Felder voran. Caleb verschränkte die Arme vor der Brust. "Ist das nicht mein Spiel um Leben und Tod?", kommentierte er, ohne es wirklich böse zu meinen. Tatsächlich schien er sogar dankbar für eine zweite Meinung, denn er ließ nicht nur den Zug zu, sondern schenkte Azura auch einen ruhigen Blick. Sie hatte bereits das Schlmmste verhindert. Caleb wollte wirklich den anderen Bauern nehmen.
Der Gevatter trat heran. Er positionierte sich auf der anderen Seite des Spielfeldes, betrachtete Azuras Zug und schwieg zunächst. Die Stille in der Zwischenwelt wurde fast unerträglich. Wenn selbst das Rauschen des Windes oder der Wellen fehlte, wenn kein Vogel sang, dann bemerkte man erst, wie laut die Welt eigentlich war ... und wie gut dieses natürliche Orchester doch tat. In Tods Zwischenreich herrschte nichts. Es war ... totenstill.
Die Knochenfinger griffen nach einem der Kamelreiter und setzten ihn vor die eigenen Bauern. Damit könnte Azuras kleinem Dieb zu Leibe rücken, machte aber auch Platz für andere strategische Züge. Er richtete sich wieder zu seiner vollen Größe auf. Caleb schaute ihm entgegen und fragte: "Darf sie mitspielen?"
Der Schädel richtete sich auf Azura aus. "Berater sind immer nützlich, die eigenen Entscheidungen nochmal abzuwägen. Sie helfen auch, sich zu besinnen, damit man nicht ... unvernünftig handelt." Er behielt den Blick auf ihr und erst nach einer ganzen Weile schob er ihn herüber auf Caleb. Beide wurden hier stumm daran erinnert, dass sie vorschnell gehandelt hatten und der Preis dafür nun in einer Nachwelt auf sie wartete. Vorausgesetzt, die Partie Schach wurde verloren.
"In diesem Fall muss ich wohl eine kleine Änderung vornehmen", sagte der Gevatter. Er klopfte einmal mit dem Stiel seiner Sense ins Nichts. Das Pochen erfüllte nicht nur den Raum, sondern schoss auch due die geisterhaften Leiber beider Seelen. Sie nahmen Gestalt an. Sie sahen fast wieder lebendig aus, besaßen mehr Festigkeit und schwebten auch nicht mehr. Sie wirkten nur noch ganz schwach durchscheinend, so dass ihre Haut blasser aussah als es gesund wäre. Ihre Füße spürten festen Boden unter sich. Mehr noch, sie standen auf feinstem, weißen Marmor. Säulen gleicher Machart erhoben sich über sie hinweg und hielten eine große, runde Kuppel über sich. Sie besaß ein Glasdach, so dass Caleb und Azura einen Blick auf die Sterne erhaschen konnten, welche unter dem hereinbrechenden Morgenlicht langsam verblassten. Durch hohe Bogenfenster, die mit goldenen Vorhängen drapiert waren, konnte man aber ebenso die Aussicht auf weite Gärten bewundern. Gärten mit andunischen Apfelbäumen in voller Reife, mit zahlreichen Rosengestecken, kleinen weißen Bänken und zauberhaft gestalteten Steinskulpturen von Frauen und Männern in teils spielerischen, teils romantischen Posen. Springbrunnen plätscherten mit kristallklarem Wasser und zwischen den Spazierwegen aus kleinsten Kieselsteinchen lugten ein paar freche Grashalme heraus. In der Ferne wartete ein Pavillaon einladend darauf, dass man dort Gebäck und Tee zu sich nahm. Eine Zweisitzerschaukel, mit Efeu und Rosen verziert, stand aber auch bereit, ebenso eine rotweiß karierte Picknickdecke samt Korb. Schmetterlinge tanzten über der Idylle, als Sonnenlicht alles erfüllte. Doch auch innerhalb der Halle, in der Caleb und Azura nun standen, war es heimelig. Bequeme Diwane mit Quastenkissen, weiche Polstersofas und Stühle, brennende Kamine und weitere Statuen zeigten, dass sie von Prunk umgeben waren. Azura kannte es gewiss aus zahlreichen Villen und ihrem eigenen Heim. Es fühlte sich schon fast wie zu Hause an.
Selbst das Schachbrett mit den unheimlichen Sitzmöglichkeiten hatte sich zu einem Tisch aus Walnussholz mit Goldverzierung und passenden Stühlen gewandelt. Tod wirkte zufrieden.
"Hier haltet ihr es sicherlich eine ganze Weile aus. Ich werde jeden Tag einmal zu euch kommen, um meinen Zug zu setzen. Ihr könnt also in Ruhe nachdenken", sagte er. Dann wies er auf die Weite der Halle. "Ihr dürft euch im Palast und dessen Gärten frei bewegen. Versucht nicht, durch eines der Tore oder über die Hecken zu entkommen. Dort wartet nichts auf euch. Denkt lieber über das Spiel nach und genießt dieses Stück Nachwelt. Wir sehen uns bald." Er raffte seine Kutte etwas. Dann gluckste er hohl. "Man sollte meinen, gerade ich habe mehr ... Zeit. Aber wer viel Zeit hat, hat auch viel Arbeit, die damit gefüllt wird. Gerade jetzt ... die Sterblichen und ihre Kriege, nun ja. Mein Geselle ist noch nicht soweit, sich um alles zu kümmern." Vor sich hin murmelnd schlenderte er über den Marmor zu einer großen Doppeltür und verschwand durch diese.
Caleb und Azura waren allein. Der Kapitän blinzelte, dann blickte er erst die Adlige an. Schließlich schaute er sich um, während seine Hand in den Nacken fuhr. "Tja, sieht eher nach deiner Nachwelt aus ... oder wir befinden uns in meinem persönlichen Vorhof des Harax. Was nun?"

Während Azura und Caleb viele Möglichkeiten offen standen, blieben jene von Corax und Madiha eingeschränkt. Sie konnten zum einen nicht einmal von dem Schiff herunter, ohne ebenfalls im Eiswasser der Meere umzukommen. Zum anderen mussten sie sich um die Körper kümmern, die ihre Liebsten zurückgelassen hatten. Beide atmeten, beide schienen zu schlafen und beide waren inzwischen von Corax in Dunias Gestalt versorgt worden. In einer einstudierten Geste absoluter Perfektion wischte die Heilerin sich den Schweiß von der Stirn. Ihre Atmung ging schwer. Corax atmete schwer. Es kostete ihn offensichtlich mehr seiner magischen Kräfte, wenn er jemanden auch in dessen Fähigkeiten imitierte. Die Illusion bezog sich dann nicht nur auf das Äußere, sondern schöpfte auch von seiner Kraft, um fremde Kenntnisse auszunutzen. Aber er hatte es geschafft. Caleb war ohnehin schon genäht und neu verbunden, aber nun durfte auch Azuras Leib medizinische Fürsorge erfahren. Die Blessuren waren allesamt mit Wundalkohol desinfiziert und die meisten mit einer Salbe behandelt worden. Wo Platzwunden entstanden waren, hatte er sie fein säuberlich vom Blut gereinigt. Selbst um die aufgebissene Lippe hatte er sich gekümmert. Nun lag seine Angebetete da, die Hände liebevoll auf dem Bauch gefaltet. Corax zog ihr die Decke bis knapp unter das Kinn. Ihre Haut hatte den bläulichen Schimmer verloren, trotzdem wirkte sie blass - wie Caleb. Beide lebten, sahen aber schon aus, als stünden sie mit einem Bein im Grab. Dass sie so ruhig und friedlich atmeten, war einziges Anzeichen dafür, dass vielleicht doch noch alles richtig lief. Mehr konnten Corax und Madiha ohnehin nicht tun.
Für den Bruchteil von Sekunden fiel er aus seiner Rolle. Mit beiden Händen und unter einem Ächzen stützte er sich an Azuras Bettpfosten ab. Ihm zitterten die Arme. Dann kehrte er in das zurück, was Dunia ausmachte: Professionalität durch Perfektion. Corax richtete den Frauenkörper, den er trug, gerade auf, faltete die Hände vor sich und wandte sich in einer einzigen, fließenden Geste um. "Nun zu deinen Händen. Dieses Mal wird es richtig behandelt und nicht bloß eine Illusion sein."
Madiha aber schüttelte den Kopf. "Du hast schon so viel für mich… und ihn getan. Ich bin jetzt nicht wichtig, aber sie sind es."
"Du bist die Wichtigste für mich, Herrin. Natürlich werde ich-"
"Ich möchte, dass du dich, sobald du Azura behandelt hast, zurückverwandelst. Du musst deine Kräfte sparen."
Dunia blickte missbilligend drein. Die Erleichterung ob Madihas Befehl glomm nur als winziger Funken in ihren dunklen Augen und wäre bei anderen Iriden so gar nicht aufgefallen. Corax seufzte, als die Gestalt der heilkundigen Sarmaerin wie Schleier von ihm abfiel. Dann sank er kraftlos zu Boden und rieb sich die eigenen Oberarme. "Ihre Fassade ist so perfekt und dahinter lauern nur Ruinen", keuchte er. "Sie will so sehr, dass er lebt." Corax blickte auf, hinüber zu dem Bett des Kapitäns. "Ein Leben, mit dem er glücklich ist ... und unabhängig." Er schluckte. "So viel Leid..."
Seine nunmehr roten Augen streiften Madiha, die wieder bei Calebs Bett stand und ihn nun auch nochmal zudeckte. Er atmete fast dankbar durch mit ein wenig Vorstellungskraft konnte man den Anflug eines Grinsens in seine Züge hinein interpretieren. Lächelte er sie an? Sobald sie näher darüber nachdachte, war es fort.
"Fast hätte ich sie enttäuscht ... Sie hat mich gebeten, ihn zurück zu ihr zu bringen.." Madiha redete sich ihre Schuldgefühle von der Seele. Mit jedem Satz wuchs in ihr wieder die Verzweiflung an. Sie würde Caleb niemals für sich haben können. Nicht ohne das Gefühl, Dunia dabei zu verraten. Corax lauschte ihr. Viel mehr konnte er aktuell ohnehin nicht tun. Dass er nicht erneut in einen Erschöpfungsschlaf fiel, zeugte nur davon, wie sehr er sich trotz des Befehles bemühte, jederzeit bereit zu sein, seiner Herrin das Leben leichter zu machen. Als sie jedoch davon berichtete, dass Caleb für Dunia eine Träne vergossen hatte und sie sich nicht zwischen beide drängen würde, rutschte der Dunkelelf auf allen Vieren bis an sein Bett heran. Dort musste er trotzdem erst einmal ausruhen. Müde lehnte er die Stirn an das sperrige Holz des Bettkastens.
"Wir dienen - aber nicht uns. Wir helfen anderen dabei, ihre Träume zu erfüllen oder ihre Sehnsüchte zu stillen."
"Ich mach das gern, Herrin", erwiderte der loyale Sklave. Nach einer Atempause fragte er: "Wem dienst du? Caleb ist nicht dein Herr. Du bis auch keine Sklavin. Das kannst du nicht sein, wenn dir etwas gehört." Etwas. Er. Corax stellte nicht eine Sekunde in Frage, dass Madiha auf seiner Ebene stand. Er hatte bereits erfahren, dass sie wie er sei, aber offenbar war sie es nicht mehr. Das war seine Realität, immerhin diente er ihr. So sah er sich auch tatsächlich in der Lage, Madihas Frage zu beantworten, warum Caleb trotz seiner Gefühle für Dunia ausgerechnet mit Corax darüber sprach, wie er und Madiha sich näher kommen könnten.
Der Dunkelelf besaß nicht mehr die Kraft, ihr auf Sendli zu antworten. Er hing da wie ein nasser Sack und nass war er auch - schweißgebadet. Seine Stirn glühte, das konnte man sogar schon sehen. "Er will dir dienen, weil..." Corax rutschte von der Bettkante ab. Zum Glück krachte er nicht einfach auf den Boden. Er sank nur vor Calebs Schlafstatt nieder, auf seine eigene. Der Sklave rollte sich vor dem Bett zusammen wie ein Hund. Dabei schmunzelte er: "Die erste Liebe vergisst man eben nicht ... niemals ... trotzdem kann das Herz plötzlich für eine andere schlagen. Wenn man erkennt, dass es Liebe ist." Seine Worte gingen immer mehr in einem Nuscheln unter. Madihas Frage nach Hilfe hörte er schon gar nicht mehr. Er kauerte sich zusammen, um Wärme zu halten, dabei war er selbst schon ganz heiß von Fieber. Ob er nur Zeit brauchte, Madihas Frage zu verarbeiten oder ob seine eigene aus einem Wunsch heraus entsprang, den kein anderer Sklave laut auszusprechen wagte, blieb ungeklärt. Dennoch schob Corax seine Finger über das Holz in Richtung des Wüstenmädchens und winselte fast wie zu dem Zeitpunkt, als er die Gestalt eines Jungen besessen hatte: "Nimmst du mich in den Arm?" Auf seinem Unterarm sprossen schon erste Federn. Er wollte sich verwandeln, weil er wusste, wie gern seine Herrin ihm das Gefieder geflauscht hatte. Aber dann blieb er einfach so liegen, als Dunkelelf unter dem schwarzen Gewand eines Raben.
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Freitag 28. Oktober 2022, 14:15

Schon von klein auf hatte sie beobachten können, wie sehr die See sich zu wandeln wusste. Mal war sie ruhig, glitzerte im Sonnenlicht und schien, Ventha möge ihr dieses Wortspiel verzeihen, kein Wässerchen trüben zu können. Doch sobald sich etwas in der Umgebung verändert hatte, hatten die Wellen aufgeschäumt, war es aufbrausend und tödlich geworden, eine wahre Naturgewalt, der sich niemand entziehen konnte.
Wie oft hatte sie gruselige Geschichten gehört, vor allem als kleines Kind, in denen das Meer zum Mithelfer der übelwollenden Gestalten geworden war, indem es die braven Seeleute verschluckt und nicht mehr ausgespuckt hatte. Und dennoch war es für sie stets in erster Linie schön gewesen. So, wie auch die Göttin selbst, die sie hier belehrte und deren Worte sie... annahm, wie eine gehorsame, fügsame Tochter bei der Mutter tun sollte.
Bei ihrer richtigen Mutter war sie nur als ganz kleines Mädchen derart brav gewesen und hatte den Tadel angenommen, wenn sie mal wieder etwas ausgeheckt hatte. Doch spätestens seit der Hochzeit und ihrem Aufstieg in die höchsten Kreise Andunies hatte sich das gewandelt.
Zuerst noch auf eine vertretbare Art, denn ihr Stiefvater hatte sich mitunter darüber amüsiert, wenn sie in bewusster Verkennung der verzweifelten Ungeduld ihrer Mutter weitere Fragen gestellt und Erklärungen verlangt hatte, um eben nicht zu tun, was sie sich selbst in den Kopf gesetzt hatte. Aber im Laufe der Jahre waren ihre eigenen Forderungen immer größer geworden und irgendwann waren beide Elternteile ihrem Sturkopf nicht mehr Herr geworden.
Bei der Göttin hingegen... fühlte sie sich wieder in jene Zeit von damals zurück versetzt, in der sie einfach nur verstehen wollte. Sie konnte nun auch einiges begreifen und das bewirkte ein Umdenken bei ihr, dass sie nicht sofort und endgültig ins Reich des Todes gehen wollte. Zuvor allerdings...
Hätte Azura noch einen Atem besessen, er hätte ihr gestockt und ihr Herz hätte vermutlich zu schlagen aufgehört, als sich Ventha ihr zuwandte und sie auf ihre Weise segnete. Noch lange würde ihr dieses Gefühl, diese herrliche Erfrischung und wohltuende Geborgenheit, in Erinnerung bleiben, als sie göttliche Lippen auf der Stin berührten. Wäre sie dazu fähig gewesen, ihr wären wohl die Tränen in die Augen gestiegen.
Stattdessen war sie einige Momente lang sprachlos, in denen die Herrin der See verschwand und an ihrer Statt das Gerippe vor ihrem Blickfeld erschien. In Azura indes keimte ein Vorhaben und dieses würde sie auch verfolgen, solange man sie ließe. Also ergriff sie nicht die Knochenfinger, wie sie es bislang noch vorgehabt hatte, sondern rang sich ein kleines, vermeintlich unschuldiges Lächeln ab und bat um einen geringen Aufschub.
Um die Gelegenheit zu nutzen, um an der unheimlichen Gestalt vorbei bis zu dem Kapitän zu huschen und dessen Fehler zu beheben, ehe er diesen zur Gänze ausführen konnte. Ohne sich darum zu kümmern, ob es ihm gefiel oder nicht und welche genauen Kenntnisse er darin besaß, griff sie jenen Bauern, von dem sie wusste, dass er zum Sieg führen könnte.
Sein Protest ließ sie ungerührt und er sein folgender Kommentar vertiefte jenes feine, schelmische Grinsen, das ihr schon seit langem abhanden gekommen war. Scheinbar gleichgültig richtete sie sich auf und zuckte mit den Schultern. "Dann lauf du in deinen Tod und ich erhalte diese Partie, um wieder ins Leben zurück zu kehren.", hielt sie auf eine herausfordernde, spöttische Art dagegen, die einen Einblick in ihr Wesen abseits von Hochmut, Heuchelei und purer Verzweiflung zu bieten vermochte, wenn man es sehen wollte. Schließlich hatte sie auch andere Seiten an sich und wusste, wie man jemanden für sich einnehmen konnte, wenn man es sich mit ihr nicht gleich zu Beginn verdarb.
Dann jedoch gesellte sich das Gerippe zu ihnen, nahm auf der anderen Seite des Spielfeldes Platz und jenes Schalkhafte verschwand aus ihrer Mimik. Stattdessen biss sie sich auf die geisterhafte Unterlippe und musste schlucken, weil sie befürchtete, für ihre Einmischung bestraft zu werden. Vor allem jetzt, da Ventha nicht direkt zugegen war, um das Schlimmste zu verhindern.
Je länger die Stille, die nun eintrat, andauerte, desto unwohler fühlte sie sich. Beinahe wäre sie versucht gewesen, unruhig auf der Stelle hin und her zu trippeln.
Vorerst aber erhielt sie keine Beachtung, sondern nach einer gefühlten Ewigkeit wurde ein schwarzer Bauer gesetzt, sodass sie instinktiv versuchte, sich zu erinnern, ob sie das so damals gesehen hatte und was nun zu tun wäre. Umso überraschter blinzelte sie, als der Kapitän konkret nach den Möglichkeiten ihrer Beteiligung fragte. Nicht direkt danach, ob sie denselben Lohn erhielte bei einem Sieg. Es wäre jedoch ein Anfang und wenn ihre Göttin dann wieder hier wäre, vielleicht...
Fragend sah sie ebenfalls zu dem Gerippe und spürte ein leichtes Kribbeln in sich, wie als Erinnerung an die kühlen, salzigen Lippen auf ihrer Stirn. Seine Worte sorgten dafür, dass sie den Blick senkte, obwohl sie bei weitem nicht jene Beschämung darüber empfand, wie sie es gespürt hätte, wenn die Herrin der See diese Bemerkung gemacht hätte. Es war aber auch keine Ablehnung direkt, wodurch in ihr eine leise Hoffnung aufkeimte. Womöglich... wenn sie gemeinsam gewannen...
Wie gut, dass die Leinwand verschwunden war, ihr Blick wäre sonst dorthin gewandert und hätte sie nur abgelenkt. Nein, wenn sie mit machte, dann musste sie sich definitiv vollauf konzentrieren!
Die Ankündigung der dunklen Kutte ließ sie blinzelnd wieder aufsehen und schon klopfte er mit seiner Sense auf, sodass sich ihre Umgebung änderte. Mehr noch, ein Zucken ging durch ihre geisterhafte Erscheinung und sie wirkte im Anschluss daran irgendwie... materieller, mit mehr Substanz versehen.
Azura sah an sich herunter, griff auch instinktiv nach ihrem Bauch, dem ersten Körperteil, das sie mit ihren Händen erreichte, und hatte das Gefühl, sich tatsächlich wieder spüren zu können. Wenngleich sie es bevorzugt hätte, etwas anderes tragen zu können als den dunklen Rock und die helle Bluse, ohne Korsett, sodass diese ihre Formen bei weitem nicht so vorteilhaft umspielte, wie sie es für gewöhnlich bevorzugte. Andererseits... ihr Bedarf daran, jemandem zu gefallen, war vorläufig hinlänglich gestillt.
Also sah sie sich lieber in dem neuen Raum um, in dem sie sich nun befand. Er weckte Erinnerungen in ihr, ohne tatsächlich eine Kopie aus ihrem Zuhause zu sein, besaß lediglich Elemente, die auch sie gut genug kannte, in denen sie nach den ersten Lebensjahren aufgewachsen war.
Schon durchbrach die schaurige Stimme ihre Gedanken und eröffnete ihnen, was nun auf sie beide wartete. Die junge Frau nickte langsam und war irgendwie froh darüber, etwas Zeit zum Nachdenken zu bekommen. Nicht nur wegen des Spiels... auch anderes musste neu bedacht werden, allen voran eine Erinnerung, die sie vorhin gehabt hatte und die sie ablenken könnte, wenn sie diese nicht zuließ und damit abschloss.
Und dann waren sie auf einmal allein miteinander. Sie seufzte leise und hatte das Gefühl, aufatmen zu können, als das Gerippe verschwunden war. Kurz sah sie zu dem Spielbrett hin, deutete ein Kopfschütteln an und trat zu einem der hohen Fenster, um auf einen Springbrunnen sehen zu können, besser gesagt auf das Wasser, das aus ihm heraussprudelte und darin wieder versickerte, um erneut seinen Weg hinaus finden zu können.
Hinter ihr hörte sie die Stimme des Kapitäns und sagte erst einmal nichts dazu. Es dauerte und sie überlegte sich ihre Worte gut, ehe sie zu einer Erwiderung ansetzte. "Du meinst, weil du in solch einem Domizil hättest leben sollen... mit mir als der Frau an deiner Seite?", sprach sie erstaunlich ruhig und drehte sich zu ihm um, da sie sein Gesicht sehen wollte, wenn er ihr antworten würde.
"Ist dir eigentlich klar, dass dein Vater mich zum Gespött gemacht hat mit seinem Interesse? Und mit deinen ständigen Ausflüchten, weswegen du nie zu einem vereinbarten Treffen erschienen bist? Bis du verschollen bist und mein daran gehen konnte, eine andere Partie für mich zu suchen?" Noch immer war ihre Stimme unverhältnismäßig sachlich, ohne wehleidiger Anklage, die ihr im Prinzip zugestanden hätte.
Sie wusste ja selbst nicht so genau, was sie von dieser Erkenntnis halten sollte. Damals war sie zum Teil unsagbar verletzt gewesen, hatte sich gedemütigt gefühlt, und dennoch war sie daraus erstarkt hervor getreten und hatte es verstanden, ihre neue Rolle als verschmähte und verlassene mögliche Verlobte zu ihrem Vorteil zu nutzen. Ob sie wohl derart zum Mittelpunkt ihrer Altersklasse hätte werden können, wenn dies nicht geschehen wäre?
Sie bezweifelte es und zugleich wurde ihr klar, wie recht Ventha hatte. Auch damals hatte sie sich wie das Wasser verhalten, sich einen neuen Weg gesucht und war erfolgreich gewesen. Warum hatte sie nicht schon früher daran gedacht? Nun... vielleicht, weil ihr alles zu viel geworden war und sie diesen Denkanstoß von außen erst gebraucht hatte, um wieder zu sich selbst finden zu können.
Es kribbelte erneut auf ihrer Stirn und unwillkürlich strich sie sich mit den Fingerspitzen sacht darüber. Nein, sie wollte diese Göttin nicht ein weiteres Mal enttäuschen!
Entschlossen verließ sie ihre Position und ging zu dem Schachbrett zurück, um sich darüber zu beugen und die Konstellation in Augenschein zu nehmen. Er hatte recht... was nun? Sie musste nachdenken!
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 558
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 28. Oktober 2022, 14:37

Das Bild, welches Corax ihr zeigte, war nicht über jeden Zweifel erhaben. Dunia und ihre Fähigkeiten retteten sie und die Schlafenden vor noch mehr Leid. Vorerst. Doch Corax, der all das wirklich vollbrachte, brauchte immer weiter seine Kräfte auf. Und sie sah es mit Sorge. Auch wenn er sich ihr aus purem Eigennutz unterworfen und sie entgegen ihrer Überzeugung eingewilligt hatte, war es für Madiha inzwischen etwas anderes. Es ging nicht mehr darum dem Rabenmann zu ersparen, von jemanden wie Jakub drangsaliert zu werden. Es war nicht mehr das Mitleid, geboren aus ihren eigenen Erfahrungen, das sie handeln ließ. Madiha hatte so viel Leid erfahren und war dennoch in der Lage, sich Stück um Stück weiter zu öffnen, den Umständen entgegenzustellen und sich zu jemanden zu entwickeln, der durchaus seine eigenen Entscheidungen treffen konnte. Sie sah es nur noch nicht und tat es nicht bewusst. "Du bist die Wichtigste für mich, Herrin. Natürlich werde ich-", Madiha unterbrach ihn und schüttelte den Kopf. Nein, das stimmte nicht. Er glaubte das nur, weil er es noch nicht besser wusste. Sie verlangte von ihm, dass er sich schonte und das kurze Glimmen seiner roten Augen, ließen sie zustimmend nicken. Es war richtig so. Corax glaubte, dass Madiha nicht in einer Reihe mit ihm stand. Madiha sah das anders – sie stand neben ihm. Gefesselt und darauf wartend, dass der nächste Herr, die nächste Herrin ein Kaufangebot machte. Sie waren gleich. Darin bestand auch der Unterschied und so stellte sie sich hinter ihm an. Er hatte ihr so sehr geholfen, weil er sich trotz seines Zustandes in Dunia verwandelt und Caleb Zeit verschafft hatte. Es war genug und daher vergewisserte sie sich nur kurz, ob er weitestgehend wohlauf wäre, bevor sie sich zu Caleb begab und Corax einen Moment Verschnaufpause gönnte. Seine Worte trafen Madiha. Sie wandte kurz vor dem Bett noch mal den Kopf und suchte seinen Blick. Dass Dunia nur eine Maske trug, war schwer vorstellbar. Sie war so… erhaben in allem. So kam es ihr vor, doch Corax‘ Einblick, machte sie auch traurig. Dunia war offenbar genau so gebrochen, wie es Madiha war. Auch sie bemühte sich darum, irgendwie einen Platz in dieser Welt zu finden. Bisher gelang es ihr mäßig, betrachtete man auch ihren Zusammenstoß mit Jakub. Doch sie wollte es weiterversuchen. Und daran nicht zugrunde gehen.

Das Mädchen seufzte, als sich ihr Blick auf Caleb legte. Sie schob die Decke über seinen Körper und erkannte, wie blass er inzwischen geworden war. Der bläuliche Schimmer war vergangen, doch noch immer wirkte er so wahnsinnig … leblos. Madiha schob die Decke bis zu seinem Hals und harrte einen Moment aus, um sich zu vergewissern, dass er noch atmete. Plötzlich seufzte er kaum hörbar und weckte in Madiha sofort die Hoffnung, dass er aufwachte. Sie sah in sein Gesicht und runzelte die Stirn. War das ein… Lächeln? Doch sobald sie darüber nachdachte, verflog der Ausdruck und sie schüttelte kaum merklich den Kopf. Vorstellungskraft war doch mächtig. Solange man es glaubt, wird es wahr… Sie hob ein wenig die Mundwinkel. Egal wie klein diese Geste gewesen war, sie wärmte sie und ihren Schmerz, trotz ihrer nachfolgenden Gedanken. Es war ihr wichtig, dass sie aussprach, woran sie dachte. Madiha hatte niemanden, der ihr je etwas darüber erzählt hätte, wie es sich anfühlte, wie man sich verhielt und was man damit anfing, wenn man sich so fühlte, wie sie. Also versuchte sie, das Gespräch mit Corax. Sie vertraute sich dem Raben an. Und ließ ihn teilhaben an ihrer Unsicherheit, die zu einem Entschluss führten. Seine Bewegung, lenkte Madiha von Caleb ab und sie blickte auf ihn nieder. Er sah so schlecht aus… Die Unruhe in ihr wurde größer, weshalb sie sich von dem Dieb abwandte und sich langsam zu Corax hinunterhockte. Sie musterte ihn, als er sprach. "Ich mach das gern, Herrin. Wem dienst du? Caleb ist nicht dein Herr. Du bist auch keine Sklavin. Das kannst du nicht sein, wenn dir etwas gehört." Sie senkte den Blick. Der bittere Geschmack war nicht verflogen, denn sie schämte sich trotzdem, dass er ‚ihr Sklave‘ war. „Ich.. ich will niemanden verletzen. Du machst das, weil du denkst, dass du es musst..“, flüsterte sie leise und hob den Blick wieder in sein Gesicht. „Wir werden von anderen dazu gemacht. Denn uns gehört immer irgendetwas – unser Leben zum Beispiel.“, antwortete sie und zeigte, was ihr all die Jahre durchaus das Sklavendasein noch ungemütlicher gemacht hatte. Ein wenig Trotz verschob die Traurigkeit in ihrem Blick. Dann kehrte sie zurück und sie wollte wissen, wieso Caleb sich ausgerechnet nach ihr erkundigte. Einen Moment lang, sagte Corax nichts. Sie setzte sich neben Corax und blickte auf ihre Hände. "Er will dir dienen, weil...", sie hob den Blick und wandte den Kopf ihm zu, zuckte ein wenig, um zu verhindern, dass er sich stieß als er abrutschte. Er sah furchtbar aus. „Die erste Liebe vergisst man eben nicht ... niemals ... trotzdem kann das Herz plötzlich für eine andere schlagen. Wenn man erkennt, dass es Liebe ist." Madiha starrte ihn wortlos an. Seine Antwort war… Balsam. Liebe? Das Mädchen drehte den Kopf und sah zu Caleb. Sie hatte sich mit dem Rücken gegen sein Bett gelehnt und holte zitternd Luft. War das Liebe? Das was sie fühlte, wenn sie ihn ansah, wenn er mit ihr sprach und sie berührte… Madiha verlor eine Träne, dieses Mal aber vor Rührung. Konnte es wirklich möglich sein? Und… würde sie, ausgerechnet sie, an die Stelle von Dunia treten können? Madiha’s Wangen wurden rot dabei. Das schlechte Gewissen war nicht weggewischt, die Unsicherheit nicht getilgt, aber… sie wurden geschmälert, durch die Worte von Corax.
"Nimmst du mich in den Arm?", kam es leise von dem Raben. Madiha’s Kopf wandte sich wieder ihm zu und sie nickte, ohne dass er es sehen könnte. Sie zog noch einmal das Tablett mit den Utensilien für Dunia an sich heran. Dort stand noch das Wasser, lauwarm aber brauchbar und sauber. Madiha griff nach Corax Hand und rutschte ein wenig näher. Dann fasste sie behutsam seinen Kopf, um ihn auf ihren Schoß zu betten. Nachdem sie eine Position gefunden hatte, die für sie beide halbwegs bequem war, streckte sie ihre Beine lang aus und ließ Corax auf ihrem Oberschenkel ruhen. Sie strich ihm mit einer Hand, so wenig sie auch spürte, behutsam über den Rücken. Die Federn waren seidig, und doch brauchte es das nicht. Madiha wartete einen Moment, bis Corax eingeschlafen wäre. Sie griff dann eines der Tücher, tunkte es in das Wasser und wrang es aus. Sanft begann sie seine Stirn abzutupfen und den Fieberschweiß fortzuwischen. Madiha nahm sich Zeit. Blieb ruhig dabei und gönnte ihm die wohlverdiente Ruhe. Es wurde still in dem Raum und sie war allein. Ihr Blick glitt zu Azura, schlafend und so bleich. Dann sah sie Corax an und strich ihm sanft über die Wange. „Ich bin dir sehr dankbar, dass du das auf dich genommen hast. Dass du uns geholfen hast. Und … ich bin deine Herrin, aber nur so lange, bis du erkennen kannst, dass du dein eigener Herr sein kannst. Ich verspreche, dass ich verhindere, dass irgendjemand dir Leid zufügt. Ich… passe auf dich auf, Corax. Solange du es brauchst. Danach… bist du jederzeit frei, zu gehen.“, flüsterte sie ihm zu und vielleicht würde es ihn im Schlaf erreichen, auf eine Art oder Weise. Sie würde es jederzeit wiederholen, denn sie meinte jedes Wort so, wie sie es sagte. Madiha sah in Corax nicht den Feind, der die Mannschaft dezimierte oder den Sklaven. Sie sah sein Bemühen, sie sah, dass man ihn zu all den Taten getrieben hatte. Es entsprach niemals seinem Wesen, denn das war tatsächlich freundlich. Hilfsbereit und gewissenhaft. Aufrichtig, sogar liebevoll, wenn er mit Azura agierte. Sie konnte es sehen. Madiha legte nach einiger Zeit das Tuch beiseite und blieb so sitzen.
Sie starrte auf die Tür, ihr gegenüber und wandte dann den Blick hinaus zu Fenster. Bald würde die Sonne aufgehen. Und sie flehte inständig, dass sie das für sie alle tat. Noch einmal sah sie zu Caleb schräg über ihr. Er musste es schaffen und sie wollte da sein, wenn er aufwachte. Doch auch Madiha war erschöpft und ausgelaugt, sodass ihre Angst, Caleb könnte vielleicht doch einfach gehen und sie würde nicht da sein, um es zu verhindern, nicht die Müdigkeit aufhalten konnte, die sie erfasste. Ihre Kräfte hatten sich bereits durch den Einsatz ihrer Magie erschöpft. Doch das sie erleben musste, Caleb zu verlieren, die immense Verzweiflung dahinter und das bange Hoffen, das sie nun erfüllte… Zudem das Frieren, welches jetzt ebenfalls einsetzte und sie dazu veranlasste, ihre Hand an Corax Haar zu legen, während die andere auf seiner Brust ruhte, um etwas Wärme zu erhaschen, auch wenn sie fiebrig wäre. All das tat seine Wirkung und ließ auch Madiha langsam, aber sicher, mit dem Kopf nach vorn sinken und einschlafen. Irgendwann, gab auch der stärkste Wille auf.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 28. Oktober 2022, 19:14

Madiha:
Es war für Madiha nicht leicht gewesen, wirklich etwas von Corax zu verlangen und ihn nicht nur um eine Handlung zu bitten. Damit erhob sie sich über ihm wirklich zu Herrin, aber es war nötig gewesen. Das erkannte sie nun, da er fiebrig heiß den Kopf auf ihre Schenkel bettete und gar nicht mehr mitbekam, was sie alles anstellte, um ihm seine Ruhephase komfortabel zu gestalten. Hätte sie ihn einfach machen lassen, wäre ein weiteres Leben auf diesem Schiff zu Ende gegangen und das, ohne dass sie wusste, ob Azura und Caleb wirklich würden gerettet werden können. Der Dunkelelf ging offenbar davon aus. Er kämpfte verbissen darum, bereit, sich zu bis an die Grenzen zu bringen. Diese waren nun erreicht und sein Körper so ausgelaugt wie Madiha sich fühlte. Noch immer hatte sie keine Gelegenheit erhalten, sich umzuziehen. Die Kälte klopfte an ihre Haustür. Sie spürte das Zittern bereits und auch wenn es ihm dadurch so schlecht ging: Corax' Fieber war zumindest für sie eine Wohltat. Seine glühende Stirn, die Wangen, selbst die Arme spendeten ihr etwas Wärme, so dass auch sie nach ihrem Versprechen an ihn alsbald in Schlaf versank.
Leider schenkte ihr Manthala nicht die beste Restnacht. Zwar blieb sie von Albträumen verschont, aber sie schlief unruhig, was ihrer Position und der Tatsache zu verdanken war, dass sie den harten Boden einem Bett hatte vorziehen müssen. Wenigstens wurde sie von niemandem geweckt. Die Mannschaft war nun ohne Kapitän und musste sich endgültig selbst organisieren. Das war auch für ein eingespieltes Team eine Herausforderung und es blieb kaum jemand übrig, sich um die Verletzten zu kümmern. Erst, als es irgendwann heftig gegen die Kabinentür klopfte und Kerfs Stimme durch das Holz drang, erwachte Madiha.
Sobald sie schlaftrunken den Kopf anhob, um den Raum zu sondieren, fiel ihr Blick auf ... sie selbst. Das war eindeutig sie. Die mittellangen Haare, die Narben, selbst die Kleidung war aktuell und sie noch immer barfuß. Sogar die Hände zeigen sich dunkel und verkohlt. Würde sie allerdings einen Blick auf ihre eigenen werfen, fände sie diese behandelt und verbunden vor. Er war vor ihr wach geworden, hatte sie schlafen lassen und versorgt. Und jetzt öffnete er in ihrer Gestalt die Tür.
"Es ist schon beinahe Mittag. Ich dachte, jetzt schaue ich doch mal, damit ihr auch etwas zu Essen bekommt." Madiha konnte Kerf nicht sehen, erkannte ihn aber inzwischen ebenso an der Stimme wie andere namentliche Mitglieder auf dem Schiff. Er drückte Corax-als-Madiha ein Tablett in die Hände. Der Geruch von trockenem Brot, das man um des Geschmacks Willen geröstet hatte, sowie ein sanftes Aroma gemischter Gewürze drang in den Raum. "Wie geht es ihnen und ... dir?", fragte der Matrose.
Die falsche Madiha wich seinem Blick ein wenig aus. Sie murmelte: "Danke, Kerf. Ja, es ... ich hab sie versorgt. Jetzt heißt es wohl warten."
Die echte Madiha sah das Nicken nicht und konnte es nur interpretieren. "Danke, dass du geklopft und gewartet hast. Bitte, das sollen alle so machen, ja? Ich ... äh ... ich möchte nicht, dass ihr mich nochmal..."
"Schon gut. Ich sag's den anderen."
"Danke, Kerf." Corax-als-Madiha schloss die Tür mit der Hüfte und Kerf musste sie von außen zugezogen haben, um ihr zu helfen. Sie brachte das Tablett zu dem Stuhl, denn der große Schreibtisch hatte sich ja in Azuras Bett verwandelt. Dabei bemerkte Madiha die Echte und verlor sofort ihre Gestalt. Corax - deutlich nicht mehr so blass und ohne fiebrigen Schweiß auf der Stirn - trat an sie heran und sank vor ihr in die Hocke. Zu ihr sprach er auf Sendli. Selbst Corax hatte festgestellt, dass es dem Mädchen wichtig war. "Ich wusste nicht, ob es dir Recht ist, wenn ich dich umziehe, deshalb hab ich's noch nicht getan. Aber falls du willst, ich hab frische Kleidung besorgt." Er selbst trug nichts Neues. Die Flecken auf dem Hemd bewiesen es. Teilweise waren es sogar noch braune Stellen von Azuras Blut, als er sie umarmt und sie panisch reagiert hatte. So viel war binnen einer Nacht geschehen, aber jetzt schien Sonnenlicht durch die Fenster. Corax hatte sie geschlossen, so dass nur durch die zerstörte, kleine Kachel etwas salzige Luft zu ihnen hinein drang. Neben Madiha auf dem Boden lag neue Kleidung. Er hatte eine bequeme Hose und ein Hemd mit Knöpfen gewählt. Letzteres würde ihr wohl etwas zu groß sein, aber wenn sie das weiße Leinen in die braune Hose stopfte, würde es schon gehen. Mehr benötigte es nicht und doch lag obenauf auch noch eine Unterhose. Sie sah aus wie eine gekürzte Hose und Madiha könnte sie wohl auch so tragen, denn sie war eindeutig für einen männlichen Seefahrer geschneidert worden. Ehe das Wüstenkind sich fragen konnte, wie ihr Sklave an all das hatte gelangen können, beantwortete er ihr schon die Frage. "Keine Angst, ich bin als du an Deck gewesen. Und in deiner alten Kabine. Ich hab von dort auch weitere Decken geholt, damit du es warm hast." Er nickte zu einem Haufen an einer anderen Stelle des Bodens. Eine Matratze fehlte jedoch. "Ich hab nicht viel mit den Männern gesprochen, damit es nicht auffällt. Sie haben alle nach dir und Caleb gefragt, einige wenige auch nach Azura. Sie ... ist an Bord nicht sehr beliebt." Er presste die Lippen in stiller Wut aufeinander, dass andere so von ihr denken konnten. Wenigstens schien er ihnen keine Lektion erteilt zu haben. "Ich hab außerdem darum gebeten, uns Essen zu bringen. Und wie du hörst, werden sie klopfen und warten, bis du aufmachst. Ich verwandle mich, sobald das der Fall ist." Sein Blick hob sich, an Madiha vorbei zum Bett. Dann wandte er den Kopf zum illusionären Bett und seufzte. "Keiner von beiden ist aufgewacht, aber sie leben noch. Und sie nehmen Dinge zu sich. Frag mich nicht, wie sie es tun. Ich hab versucht, Azura Wasser einzuflößen. Sie hat ganz normal getrunken, als ich ihren Kopf angehoben habe. Caleb auch. Und wenn ich ihnen Nahrung auf einem Löffel an die Lippen halte, schlucken sie es. Sie ... funktionieren, irgendwie." Über mögliche andere Bedürfnisse des Körpers sprach er nicht. Stattdessen reichte er Madiha nun die Kleidung. "Ich zieh dich um, wenn du möchtest, Herrin. Danach solltest du etwas essen und vielleicht mal kurz an Deck, um Luft zu schnappen."
So ging es vonstatten. Corax zeigte sich nicht draußen. Sofern Madiha es ihm erlaubte, nahm er ihre Gestalt an, um auch mal an Deck zu kommen. Er ging damit aber sparsam um, schonte sich und sammelte Kräfte. Denn schon am Abend verwandelte er sich wieder in Dunia, um die Verbände beider Patienten zu wechseln und sie zu untersuchen. Erst danach gönnte er sich selbst den Luxus, sich zu Madiha auf den Boden zu setzen und mit ihr zu essen. Ansonsten blieben sie beide eher für sich beim Bett ihres jeweiligen Herzblattes sitzen und wachten über sie, es sei denn Madiha hatte etwas anzusprechen. Corax schwieg. Er rührte sich auch nicht, solange es nicht danach aussah, dass seine Herrin etwas benötigte. Da zeigte sich der Sklave von Kindesbeinen an sehr aufmerksam. Er tat alles für Madiha und hätte sogar hinter ihrem Po gefächelt, wenn ihm ein entfleuchter Furz aufgefallen wäre. Natürlich, ohne es anzukündigen. Gute Sklaven handelten still, so dass ihr Tun für den Herren selbstverständlich und sie zum Schatten wurden. Corax hatte dies beinahe so gut perfektioniert wie Dunia ihre heilerischen Fähigkeiten.
Als es erneut Nacht wurde, deutete er plötzlich auf Calebs Bett und meinte: "Ich bin sicher, er hat nichts dagegen, wenn du bei ihm Wärme suchst." Die Herrin sollte schließlich nicht noch einmal auf dem harten Boden schlafen. Er selbst blickte zum Bett mit Azura, ging zu ihr hin und ... zögerte. Dann griff er endlich nach ihrer Hand, hob sie an seine Lippen, küsste und drückte sie. Anschließend wurde sie erneut unter die Decke geschoben und Corax neigte sich für einen Kuss auf ihre Lippen über Azura. In Märchen erwachten die Prinzessinnen dann immer. Hier funktionierte es nicht. "Ich liebe dich." Er sprach es nocht immer mit tiefer Aufrichtigkeit aus. Man hörte ihm gar an, wie gern er es sagte. Es lag keine Spur von Zweifel oder Sorge darin, sondern nur die bedingungslose Emotion, die er für sie empfand. Es musste ihm sehr gut tun, endloch so offen sprechen zu können. "Gute Nacht." Er verabschiedete sich für den Abend. Er würde nicht zu Azura unter die Decke kriechen. Sie hatte zu ängstlich reagiert und Corax ihre Freude über seine Raumillusion verpasst. Dafür hatte er deren Schwinden gesehen ... und Momente später hören müssen, dass Azura über Bord gegangen war. "Es tut mir so leid." Corax wandte sich von Azura ab und mit einem Hinweis an Madiha, dass er noch einmal frische Luft brauchte, nahm er ihre Gestalt an, um an Deck zu gehen. Er blieb lange Zeit fort und hoffte, seine Herrin schlief bei seinem erneuten Eintreffen. Wenn nicht, setzte er sich zu Azuras Bett und wartete.
Tags drauf würde Madiha nicht nur feststellen, dass Caleb und Azura immer noch in diesem seltsamen Zustand waren, sondern dass Corax seinen Schlafplatz vor dem Bett seiner Herzensdame gewählt hatte. Er lag auf dem harten Holz, eine dünne Decke über sich geworfen. Und kaum, dass er erwachte, kam Routine in den Tag. Verwandeln, um als Dunia nach den Patienten zu sehen. Verwandeln in Madiha, um Frühstück und frische Kleidung für die Herrin zu besorgen. Die Patienten füttern, Madiha an Deck schicken, damit er beide waschen konnte, anschließend selbst essen und bis zum Abend über Azura wachen.
Es würde noch zwei weitere Nächte dauern, bis Madiha überhaupt mitbekam, dass er jedes Mal darauf wartete, dass sie zuerst einschlief. In der vierten Nacht aber war sie noch wach, als er sich vom nächtlichen Deck zurück in die Kabine schlich.

Azura:
Auch bei Caleb und Azura verging die Zeit. Sie bemerkten es, weil der Gevatter regelmäßig erschien, aber auch, weil er ihrer kleinen Welt tatsächlich Tageszeiten und Wetter gewährte. Morgens lagen die Gartenanlagen im Nebel und am zweiten Abend nieselte ein sanfter Schauer wie ein Geschenk Venthas auf die Pflanzen herab.
Das Anwesen selbst war gigantisch. Der Tod hatte nicht zuviel versprochen, als er von einem Palast geretet hatte. Überhaupt schienen die Räumlichkeiten sich den Wünschen oder Bedürfnissen anzupassen - wenn man Azura war. Es gab weite Bäder mit goldenen Wannen in Schwanform, die zentral auf einem Podest standen und mit heißem Rosenwasser oder Milch darauf warteten, dass sie ihren Körper darin entspannte. Sie konnte auch endlich ihre Kleidung loswerden, denn ein einem Raum von der Größe einer Scheune fand sie ganze Wandregale angefüllt mit der feinsten Garderobe. Ballkleider mit einem Reifrock aus Holz darunter, damit sie um ihren zarten Körper eine Komfortzone schufen, in die niemand eindringen konnte. Es gab aber auch Reitkleidung mit feinen Seidenhosen, an denen leine Schleifchen angebracht waren. Sie fand sogar einen Frack und Hosen, wie man sie auf der Jagd trug ... und die Falknerei! Azura vergaß in der Zeit ihrer Anwesenheit beinahe schon das Schachspiel, weil sie hier alles haben konnte, was ihr Herz begehrte. ein Teil der Gärten bestand aus einem Wäldchen, in dem es sich jagen ließ. Wenn sie Musizieren oder Zeichnen wollte, fand sie einen Kreativitätsraum und ein Musikzimmer vor. In einem gewaltigen Ballsaal wartete alles auf eine Festivität. Die Küche bot bei jedem Besuch andere Leckereien an, als würde eine unsichtbare Dienerschaft ihr alle Gourmetwünsche von den Augen ablesen und rechtzeitig zubereiten.
In der Zeit, in der sie sich im Palast umschaute, bekam sie Caleb kaum zu Gesicht. Ohnehin hatte er ihr bislang nicht viel zu sagen. Seitdem sie angedeutet und ihm in erschreckender Ruhe mitgeteilt hatte, dass sie ihm möglicherweise versprochen worden wäre und er weder Anstand noch Manieren hatte, erschienen zu sein, war von ihm nicht viel gekommen.
Ein überraschtes Blinzeln und wenig später ein nicht minder verwirrtes "Was?" ließen vermuten, dass sie sich irrte, aber Azura war sich sehr sicher. Van Tjenn war kein Allerweltsname im andunischen Adel. Leider konnte sie sich nur nicht erinnern, ob Gregor van Tjenn den Namen seines Sohnes jemals erwähnt hatte. Es war immer nur die Rede davon, dass sie zu diesem und jenem Ball gehen sollte, weil dort mit Glück endlich der junge van Tjenn zugegen wäre und ihr Vater ihn ihr unbedingt vorstellen wollte. Er sähe in einer Verbindung nämlich große Vorteile für ihn als adligen Kaufmann. Erst am dritten Tag, als Azura und Caleb sich erneut in der großen Halle mit dem Schachbrett trafen, um ihren weiteren Zug zu wählen und anschließend auf den Gevatter zu warten, sprach der Kapitän sie endlich an.
Heute trug er erneut einfach nur eine simple Hose und ein Hemd. Auf Schuhe verzichtete er, denn er hatte in den Umziehräumlichkeiten keine bequemen Gaunerstiefel finden können, wie er sie nannte. Und mit Politur zum Glänzen gebrachte Schuhe mit Rüschenbrosche an der Seite würde er nicht anziehen! Sie musste jedoch zugeben, dass gerade eine schlichte Aufmachung ihm gut zu Gesicht stand, wenn man sein verwegenes Bild mochte. Er hockte auf einem breiten Fenstersims nahe des Schachbrettes und schaute auf die Gärten. Barfuß, mit schwarzer Hose, einem breiten dunkelroten Gürtel und einem weiten Hemd aus weißer Seide, bei dem er wieder einmal nicht die obersten Knöpfe geschlossen hatte erwartete er Azuras Erscheinen und sprang auf, als er sie ankommen sah.
"Ich hab davon nichts gewusst, in Ordnung?", begann er mit einem losen Faden, so dass die Andunierin erst einmal nachdenken musste, auf welches Thema er hinaus wollte. "Ich wusste, dass mein Vater mich immer wieder drängte, einen dieser ... Bälle zu besuchen, aber er hat niemals eine arrangierte Ehe erwähnt. Bist du sicher, dass sich unsere Eltern da schon zu abgesprochen hatten?" Er schloss es allerdings auch nicht aus, so wie er blickte. Offenbar war ihm bewusst, dass sein Vater ihn auch vor vollendete Tatsachen gestellt hätte, wenn er nur wenigstens ein einziges Mal in der Öffentlichkeit und mit Samtfrack erschienen wäre! "Es lag mir fern, dich oder irgendeine andere Frau dadurch ins Unglück zu stürzen. Aber du würdest doch auch nicht einfach vor eine Schar gepuderter und mit Perrücken und feinen Taschentüchern ausgestatteter Männer geworfen werden, damit sie dich begaffen können und überlegen, ob du eine gute Partie abgibst. Damit du stundenlang mit ihnen tanzt und nur aufgrund dieser kurzen Zeit entscheidest, ob du zu einem von ihnen Ja sagen wirst, dein Leben mit ihm verbringst, ihm ein Dutzend Kinder zur Welt bringst und nicht einmal weiß, ob er dich als Mensch auch wenigstens leiden kann." Er fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare und verschränkte sie unter einem Seufzen und dem Blick zur Glaskuppel im Nacken. "Das sind doch auch nur die Viehmärkte des Adels...", murmelte er und schüttelte den Kopf. "Woher wusstest du eigentlich, dass ich ... naja, irgendwie ... dazugehöre. Nicht gebürtig, damit das klar ist! Weder in mir, noch in meinen Eltern fließt blaues Blut. Mein Vater hat sich nur einen Namen gemacht und ... ich trage diesen Namen nicht mehr. Im besten Fall hält er mich für tot." Caleb blickte sich um. "Im schlimmsten Fall werde ich das bald sein. Wie lange sind wir schon hier?" Er trat an das Schachbrett. Die Partie war im vollen Gange. Azura und er hatten bereits zwei Bauern und einen Läufer verloren. Tods Figuren standen über das Spielfeld verteilt und wirkten doch sehr bewusst dort hingesetzt, wo sie sich befanden. Seine Kontrahenten hatten schnell erkennen müssen, dass ihr Spiel da weniger Strategie besaß. Sie konnten sich für jeden Zug nicht nur stets einen Tag und eine Nacht Zeit nehmen, sie mussten es auch tun, um ansatzweise mit dem Gevatter mithalten zu können. Auch heute schien die Situation wieder brenzlig. Ihr eigener König, der wie Caleb aussah, wurde von einem Kamelreiter, einem Zelt und einem Bauern bedroht. Sofern sie nicht wussten, was eine Rochade war, würden sie ihre Dame opfern müssen, um einen weiteren Zug zu gewinnen. Dabei wäre eine Rochade nicht nur für sie die Rettung, sondern positionierte ihr eigenes Zelt an eine vorteilhafte Stelle. Caleb kannte dieses Manöver jedoch nicht, bei dem man König und Turmfigur tauschen durfte, wenn zwischen ihnen nichts stand und man beide bislang nicht bewegt hatte. Viel Zeit, sich einen Zug zu überlegen, blieb ihnen nicht mehr. Bald würde der Gevatter auftauchen.
Sie mussten aber auch zugeben, dass sie sich zu oft vom Palast selbst ablenken ließen. Azura durch das reichhaltige Angebot. Caleb, weil er immer wieder den Spiegelraum aufsuchte. Es handelte sich dabei nur um ein kleines Zimmer, abgedunkelt durch tiefrote Vorhänge. Er besaß auch keine Fenster, dafür einen riesigen Wandspiegel in gotischer Form und aus dunklem Holz. Vor jenem stand ein bequemer Lehnsessel und ein Schemel, um die Füße hochzulegen, Ein Beistelltisch befand sich daneben und die Schale darauf war immer mit frisch gepufftem Mais gefüllt. Wer sich dort niederließ, konnte das Geschehn in der Kapitänskajüte der Blauen Möwe beobachten. Es war nicht sehr interessant, denn Corax und Madiha sprachen nicht unentwegt miteinander. Sie beobachteten nur die Körper in den Betten. Manchmal nahm Corax Dunias Gestalt an, was Caleb bislang aber jedes Mal verpasst hatte. Dafür schaute er Madiha fast jede Nacht beim Schlafen zu.
Jetzt war aber weder für ihn noch für Azura Zeit dafür, obgleich draußen der Himmel schon wieder dunkelte. Die Adlige hatte auf seine Frage zu reagieren und beide mussten überlegen, wie sie ihren König vor dem Ende des Spiels retten wollten.
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Freitag 28. Oktober 2022, 21:03

Eigentlich hätte sie sich in ihrer neuen Umgebung wohl fühlen müssen. Es gab absolut nichts, woran es ihr mangelte, sah man von dem Umstand ab, dass sie das Anwesen selbst nicht verlassen konnte. Doch es war so weitläufig, dass der Gedanke, es könne sich um ein Gefängnis handeln, gar nicht erst aufkam.
Selbst das Wetter war vorhanden und der sanfte Nieselregen sorgte dafür, dass sie den Abend draußen verbrachte, um das Wasser auf sich herabfallen spüren zu können. Es war ihr gleich, ob der Kapitän sie dabei beobachtete und was er davon halten mochte, genauso wie der Umstand, dass ihre Bekleidung bereits für die Nacht gewählt gewesen war. Der Morgenmantel schützte ihre Figur vor neugierigen Blicken. Ohnehin hatte er ja schon mehr von ihr gesehen, als sie es gewollt hätte.
Selbst das Essen, das sie serviert bekamen, und die Kleidung, die ihnen zur Verfügung stand, entsprach ganz genau dem, was sie für sich beanspruchen würde. Und dennoch... es fehlte jemand, eine ganz spezielle Person, um sich an diesem Ort verlieren zu können.
Mit jedem Tag, ja, beinahe mit jeder Stunde, wurde ihre Sehnsucht nach der Umarmung ihres liebsten Raben größer. Er fehlte ihr wirklich und die Zeit zeigte ihr immer deutlicher, dass sie einen Fehler begangen hatte. Zugleich wurde auch ihre Angst größer, was geschehen würde, wenn sie sich jemals wieder sehen sollten.
So zog es sie immer öfter zu den beiden Jagdfalken, die draußen im Garten in einer Volière ihren Platz gefunden hatten. Es waren herrliche Tiere, einer erinnerte sie sogar an ihr eigenes, erstes Tier, das sie mit Hingabe und Liebe beschäftigt und gepflegt hatte, um ab und zu ins Hinterland Andunies zu gehen und ihn fliegen zu lassen. Jagen... nun, das war ein anderes Kapitel gewesen.
Trotzdem war das nur ein schwacher Trost für ihre Sehnsucht nach diesem einen besonderen Vogel, der für gewöhnlich Elfengestalt annahm. Ob er sie eigentlich schon vergessen hatte...?
Zu gerne verbrachte sie somit Stunden bei diesen Raubvögeln, saß in der Nähe der Volière und beobachtete sie oder das Wasser des nahen Brunnens, streichelte das Gefieder und fütterte sie. Dabei konnte sie auch gut nachdenken, sowohl über sich und ihr bisheriges Leben, ihre Gefühle und ihr Benehmen, als auch über die Züge, die sie als nächstes ausführen musste, um nicht unterzugehen. Es war für sie alles andere als einfach und sie hatten schon ein paar Mal haarscharf die Katastrophe abgewendet.
Doch mit jedem Tag wurde es schwieriger für sie und die Erinnerungen an die Spiele ihrer Eltern drohten zu verblassen, sofern sie überhaupt noch darauf zurück greifen konnte. Aber sie gab sich ehrlich Mühe.
Im Gegensatz zu ihrer Garderobe. Zwar hatte sie eine riesige Auswahl und es gab sogar eine Dienerin, die ihr helfen und die Haare machen würde, damit sie wieder so herausgeputzt wäre, wie sie es gewohnt war. Allein, sie empfand keinen Bedarf danach, nach diesem schönen Schein, der ihrem Leben einen Sinn gegeben hatte. So kam es, dass sie sich in einer ungewöhnlich schlichten, hellblauen Bluse und einen dazu passenden, dunkelgrünen Rock kleidete, jene Farben des Meeres, die sie am liebsten hatte. Die Haare trug sie stets zu einem Zopf geflochten und hochgesteckt, das war am Praktikabelsten. Lediglich die Schnürstiefeletten mit dem kleinen Absatz, diesen Luxus gönnte sie sich, einfach, weil sie sich so angenehm an ihre Füße und Beine schmiegten.
Abends dagegen schlüpfte sie in ein hellgrünes Seidenkleid und darüber warf sie sich dann einen dunkelblauen Morgenrock mit rötlichem Wellenmuster. Aber dafür war jetzt noch nicht die Zeit, stattdessen befand sie sich mal wieder auf dem Weg zu jener Halle mit dem Schachbrett, während sie über den nächsten Zug grübelte.
Er lag ihr beinahe fühlbar auf der Zunge, so dicht lauerte die Erinnerung daran an der Grenze zu ihrem Bewusstsein. Wenn sie das Bild nur endlich hätte greifen können!
Doch sie kam nicht weit, denn kaum, dass sie eintrat, wurde sie von dem Kapitän angesprochen. Azura blieb stehen und blinzelte irritiert, abrupt aus dem Konzept gerissen. Als er fortfuhr, hoben sich ihre Augenbrauen allmählich und äußerst skeptisch an. Was sollte das werden? Eine Entschuldigung? Sie schnaubte wenig damenhaft und wollte ihm mit einer Geste bedeuten, dass er das lassen sollte. Jetzt war nicht der rechte Zeitpunkt dafür!
Aber er war so schnell mit seinen Worten, dass sie gar nicht dazu kam, sondern zum Zuhören gebracht wurde. Nicht, dass ihr gefiel, was er ihr zu sagen hatte, obwohl es nachvollziehbar war. Jedoch war sie in den letzten Tagen ausreichend zur Ruhe gekommen, um nicht sofort wieder aufzubrausen. "Ja, ich bin mir sicher. Oder hatte dein Vater mehrere Söhne?", erwiderte sie viel zu sachlich für dieses persönliche Thema.
Als er dann allerdings fortfuhr, zuckten ihre Augenbrauen noch höher, ehe sich ihre Mimik verfinsterte und sie ihre Arme schließlich vor der Brust verschränkte. "Danke für die schmeichelhafte Beschreibung dessen, was dazu führen sollte, dass ich meinen Platz in der Gesellschaft als baldige Ehefrau und Mutter finden würde.", gab sie etwas schärfer zurück. "Meinst du wirklich, es hat mir immer Spaß gemacht, war reines Vergnügen für mich? Die Stunden der Vorbereitung, die Enge der aufwendigen Kleider, die Kopfschmerzen danach durch die kunstvollen Frisuren und anstrengenden Gespräche mit all den Lästereien darin, versteckte, offene? Zuerst der Spott darüber, ob dein Vater meine Hand möchte, dann darüber, dass der ach so umtriebige Sohn mal wieder keine Zeit hatte, und am Ende gab es ausreichend, die hinter ihren Fächern schadenfroh gekichert haben, als offiziell nach einem neuen Verlobten für mich gesucht wurde." Ein feines, freudloses Grinsen huschte bei der Erinnerung an diese furchtbaren Abende über ihre Lippen. "Tja, blöd für diese Gänse, dass ich mich nicht kleinkriegen lasse."
Damit wollte sie dieses Thema beenden, doch zuvor fiel ihr noch etwas ein. "Ein Leben an der Seite eines reichen, wichtigen Mannes war das, wonach jedes Mädchen streben sollte. Es gibt ihrem Dasein Sinn und bringt bei dem Segen der Götter viele, gesunde Kinder. Und wenn sie diese Aufgaben erfüllt haben, können sie sich darauf konzentrieren zu tun, was ihrem weiteren Leben neuen Sinn gibt. Das wird erwartet und wehe der Tochter, die sich dagegen auflehnt. Aber ein Mann versteht so etwas nicht, der weiß nicht, wie es ist, nicht frei zu sein." Außer einem, der seine Freiheit nicht annehmen konnte...
Azura musste schlucken, löste ihre Haltung und trat an ihrem Gegenüber vorbei, als Zeichen, dass sie nicht länger darüber reden wollte. Sie hatten viel Wichtigeres zu tun!
Trotzdem ließ er nicht locker, sodass sie seufzend stehen blieb und über die Schulter zu ihm sah. "Meine Göttin hatte dich mit dem Namen angesprochen, schon vergessen?" Sie jedenfalls würde diese Begegnung niemals vergessen wollen! Im Gegenteil, mehrfach entsann sie sich jenes Kribbelns auf ihrer Stirn und darauf, was sie ihr alles gesagt hatte.
Sie solle wie das Wasser sein... Das wollte sie definitiv beherzigen! Womöglich war sie durch dieses Gespräch und ihre derzeitige Daseinsform tatsächlich so etwas wie... gereift. Mal sehen, wie lange diese Einsicht anhalten würde... Doch das sollte sie jetzt nicht kümmern, das Schachspiel war wichtiger und ihnen lief allmählich die Zeit davon!
Also ging sie endlich zu dem Brett und beugte sich darüber, die Hände zu beiden Seiten auf den Tisch gestützt, als könne ihr diese Position einen besseren Überblick verschaffen. Dabei verschaffte sie es lediglich jedem anderen in diesem Raum einen Einblick in ihre Bluse, die zwar nicht so tief ausgeschnitten war wie das, was sie noch an Bord getragen hatte. Aber eben ausreichend locker, um in dieser Position viel Haut zu offenbaren. Nicht alles, darauf hatte sie beim Anziehen geachtet, jedoch so einiges.
Die Position der weißen Figuren... sie kamen ihr irgendwie bekannt vor. Es musste ein Manöver geben, das sie vor dem Untergang bewahren könnte, das spürte sie regelrecht! "Wie war das, wie war das...?", murmelte sie und stieß einen frustrierten Laut aus, als sie sich aufrichtete und mit allen zehn Fingern ins Haar fuhr, wodurch sich einige Strähnen lösten.
Dann wieder legte sie einen Arm unterhalb ihrer Brust quer, stützte den anderen mit dem Ellbogen darauf und tippte sich mit dem Zeigefinger auf ihre Unterlippe. Ihre Augen huschten über das Spielbrett, aber es wollte ihr einfach die Lösung nicht einfallen.
Mit einem kleinen Aufschrei stampfte sie wütend über sich selbst auf und wandte sich ab, um zum Fenster hin zu marschieren. Dort angelangt, starrte sie hinaus aufs plätschernde Wasser und... zuckte zusammen. Moment! So in etwa hatte doch auch einmal ihre Mutter reagiert, damals in einer ähnlichen Position im Spiel! Und dann...?
Azura schloss die Augen, versuchte sich zu erinnern und wirbelte plötzlich herum. "Halt!", rief sie, für den Fall der Fälle, dass ihr Mitgestorbener in Versuchung geraten wäre, einen Zug ohne ihrem Einverständnis zu tun.
Mit wenigen, großen Schritten kehrte sie zurück und musterte noch einmal die Figuren. "Haben wir Turm und König schon mal bewegt? Nein, oder?", fragte sie hochkonzentriert und hatte die Erinnerung an ein wild pochendes Herz vor Aufregung. Wenn das ginge... dann wären sie zumindest vorläufig gerettet! Glaubte sie...
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 558
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 28. Oktober 2022, 22:11

Die Dunkelheit, die sie endlich umfing, war dennoch nicht so gnädig, wie sie es vermutlich gebraucht hatte. Doch das war bereits seit geraumer Zeit so. Seit sie auf diesem Schiff fuhr, hatte Madiha nicht einmal ordentlich geschlafen. Zuvor war sie der Erschöpfung erlegen, in Dunia’s Reich, doch das war schon so lange her. Das Mädchen schlief in eben jener Position, die sie zuletzt eingenommen hatte und merkte nicht mal, dass Corax sich bereits früh aufmachte, um den Tag zu beginnen. Erst reichlich später, hob sie leidend den Kopf und verzog die Miene dabei. Ihr Nacken war völlig steif von der Last ihres Schädels und ihr Po tat ungemein weh. Ihre Beine kribbelten unangenehm, hatte sie sich, trotz ihres geringen Gewichts, etwas abgeklemmt. Madiha schnaufte und wischte sich unelegant über das Gesicht. Langsam blinzelte sie und tauchte aus dem traumlosen Dunkel auf. Unscharf blinzelte sie, damit sie sich bewusstwerden konnte, wo sie eigentlich war. Doch das ging schneller als ihr lieb gewesen wäre. Nur Sekunden nach ihrem Erwachen, fiel ihr alles wieder ein und ihr Kopf ruckte viel zu schnell zur Seite, um nach Caleb zu sehen. Es hatte sich nichts geändert. Nicht zum Negativen – aber eben auch nicht positiv. Madiha wollte ihre Hand in den Nacken legen und sich darüber reiben als ihr die Bandagen auffielen. Verwirrt nahm sie die Hand wieder hinunter. Dabei fiel ihr Blick auf … sich selbst! Sie zuckte zusammen und blinzelte ein paar Mal. Gerade öffnete sie selbst die Tür zur Kajüte und Kerf’s Stimme drang zu ihr herüber. Sie rührte sich nicht, wartete ab und hielt sogar die Luft an. Bis sie sich mit einem Tablett zu… sich selbst umdrehte. Madiha hatte inzwischen begriffen, dass das Corax war. Offenbar ging es ihm wieder besser. Das Mädchen wartete noch, bis die Tür ins Schloss fiel, bevor sie sich noch mehr rührte und ihre kribbeligen Beine bewegte. Corax kam zu ihr und setzte sich ihr gegenüber. „Guten Morgen.“, meinte sie leise und lächelte sogar leicht. Seinem Bericht lauschte sie konzentriert und immer wieder huschten die Emotionen über ihr Gesicht. Er wirkte so zuversichtlich bei dem, was er tat, und das schwappte etwas auf sie über. Madiha holte tief Luft und nickte. „Das klingt… gut? Danke, Corax.“, erwiderte sie noch etwas verschlafen und gleichermaßen fühlte sie sich irgendwie ausgelaugt. Die vielen Tränen hatten ihre Augen gerötet und sie hatte ein wenig Schwierigkeiten, richtig aus dem Dämmerzustand aufzuwachen. Madiha bewegte sich mehr und mehr, bis sie sich sogar aufrappeln konnte. Sie blickte auf das Essen, auf die Kleidung, die Decken. Corax hatte für sie beide gesorgt. Sie lächelte ihm entgegen und blieb dennoch mit der Aufmerksamkeit bei ihm: „Wie geht es dir inzwischen? Du warst gestern wirklich hinüber. Ich hoffe, der Schlaf hat dir etwas helfen können?“, erkundigte sie sich und trat an ihn heran, um die Kleidung entgegenzunehmen. Sie zögerte kurz. „Ich schaffe das. Danke“, murmelte sie etwas verlegen und trat ein wenig zur Seite, um sich das Gefühl von Privatsphäre einzureden.
Noch einmal schaute sie sich unsicher um, doch dann seufzte sie still. Im Grunde war das Schamgefühl für diese Dinge bereits abgetötet worden. Doch sie entdeckte es seit einiger Zeit neu. Im Prinzip, seit Caleb ihr so nahegekommen war. Jetzt aber drehte sie Corax den Rücken zu und hob das Hemd, etwas umständlich wegen der Verbände, über ihren Kopf. Helfen lassen wollte sie sich aber dennoch nicht, weshalb sie ein wenig hin und her hüpfte, bevor sie obenrum nackt war. Corax konnte, wenn überhaupt, nur einen Blick auf ihren Rücken erhalten. Er zeigte ihre Narben, die eine Fortsetzung derer im Gesicht waren. Die roten Striemen verliefen über ihren Nacken und über die linke Schulter, ebenso dem Schulterblatt. Doch Madiha gewährte nicht lange Sicht darauf, denn sie kleidete sich wieder an und zog das frische Hemd eng um sich herum. Die Hose wechselte sie danach, entstieg der alten und zog sogar die Unterwäsche an, bevor sie die andere Hose hochzog. Alles fiel mal wieder viel zu groß aus. Doch daran störte sie sich nicht. Madiha steckte das Hemd in die Hose und schaffte es so, dass sie sowohl das Hemd bändigte als auch die Hose am Rutschen hinderte. Erst danach wandte sie sich zu Corax und würde ihn bitten, ihr bei den Knöpfen zu helfen. Mit den Verbänden würde ihr das nicht gelingen. Dabei wartete sie nur, dass er es schnell tun würde, denn ihr war das doch unangenehm. Erst dann setzte sie sich mit ihm zum Essen. Die kleine Stärkung gewährte ihr sogar den Wunsch, sich tatsächlich einmal draußen an Deck aufhalten zu wollen. Das Mädchen trat jedoch vorerst zu Caleb und betrachtete ihn.

Die Sehnsucht war nicht verraucht. Im Gegenteil. Sie strich ihm über die Wange und schluckte den Kummer wieder hinunter, um dann ein wenig die Luft zu genießen. An Deck frischte der Wind sie auf. Sie suchte sich einen Platz an der Reling aus, um niemandem im Weg zu stehen, aber auch allein sein zu können. Corax‘ Bericht hatte ihr ein wenig Hoffnung geschenkt. Sie waren krank und er machte sie, in Form von Dunia, wieder gesund. Madiha verlor die Zeit ein wenig, sodass sie am Abend zurückkehrte und mit sichtlich roten Wangen, von der kalten Luft, belebter aussah als am Morgen. Sie lächelte Corax zu. Sie setzte sich wieder an ihren Platz und griff sich eine Decke, um sich etwas zu wärmen, als der Rabe zu ihr sprach: "Ich bin sicher, er hat nichts dagegen, wenn du bei ihm Wärme suchst." Madiha hob fragend den Blick, dann fiel ihr ein, was er meinte und sofort leuchtete das Rot ihrer Wangen noch etwas mehr. Ihr Blick glitt zu Caleb und sie biss sich auf die Unterlippe. Ihr Herz klopfte bei dem Gedanken daran, sich neben ihn zu legen. Wie gerne würde sie seine Nähe spüren. Doch Madiha wagte es nicht. Sie schüttelte den Kopf und zog die Decke wieder zu sich, um sich ebenfalls auf den Boden zu legen. „Ist schon gut.“, murmelte sie vage, ehe sie Corax beobachtete, wie er zu Azura ging. Sein Gemurmel und das Aussprechen seiner Gefühle, lösten etwas in Madiha aus. Sie schluckte und erinnerte sich an seine Worte. Ihre Gedanken gingen wieder zu Caleb. Würde er doch nur endlich aufwachen… Doch er tat es nicht. Madiha wachte am nächsten Tag auf und musste feststellen, dass sich wieder nichts geändert hatte. Corax entwickelte eine Routine, die ihm vielleicht half das ganze zu überstehen. Ab und an fragte Madiha ihn nach seinem Befinden und gewährte ihm alles, was er tun wollte. Er sollte in ihrer Gestalt an Deck gehen dürfen, denn auch er musste frische Luft schnappen. Sie wachte dann über Caleb, strich ihm gedankenverloren über die Haut seines Armes oder legte ihren Kopf neben ihn auf dem Bett ab. Am Abend aber schlief sie wieder auf dem Boden. So sehr sie die Nähe des Diebes wollte. Sie hatte Angst, dass sie aufwachte und er aufgehört hätte zu atmen… in ihren Armen.
Am nächsten Tag, war Madiha’s Stimmung nicht mehr so hoffnungsvoll. Wieder hatte sich nichts geändert. Wieder dümpelte der Tag für sie dahin… barg Monotonie und viel zu viel Platz für ihre Gedanken. Sie half Corax-Dunia zwar, wenn sie die Wunden versorgte, und das lenkte sie ab, doch das hielt nicht ewig. Einmal sprach sie Corax doch an: „Warum legst du dich nicht zu ihr? Sie würde die Wärme sicher wollen.“, versuchte sie ihn aufzumuntern. So verbrachte Madiha ihren Teil des Tages an Deck und kauerte in einer Ecke, wo ihre Sorge weiterwuchs, und ihre Hoffnung unterdrückte. Sobald sie angesprochen wurde, stellte sie ein Mienenspiel zur Schau und versuchte nicht so zu zeigen, wie sehr ihr die Sorge, dass sie nie wieder aufwachen würden, auf den Magen schlug. Sie aß wenig und fing am nächsten Tag an, vor Caleb’s Bett auf und ab zu tigern. Inzwischen hatte Madiha kaum noch Worte übrig. Sie fragte stets, wie es Corax ging, doch andersherum sprach sie selten über sich. Sie kauerte, die Knie angezogen, die Arme darumgelegt und den Kopf verborgen, neben dem Bett von Caleb und harrte so teilweise Stunden aus. Es war lähmend nichts tun zu können… 3 Tage waren nun vergangen, als es erneut Abend wurde und nichts hatte sich geändert. Sie musste sich stets fragen, was wäre, wenn er sie verließ? Wenn sie es nie gesagt hätte? Wenn … sie es nie gehört hätte. Von ihm, von Angesicht zu Angesicht. Was, wenn sie das Gespräch irgendwann nicht mehr erinnerte? Immer wieder spulte sie es in ihrem Kopf ab, labte sich an dem schönen Gefühl und versuchte, sich irgendwie über Wasser zu halten. An diesem Abend stand Madiha lange vor Calebs Bett. Corax war bereits zurückgekehrt und hockte neben Azura. Sie hatte inzwischen gemerkt, dass er stets wartete, bis sie einschlief. Nie schlief er vor ihr. Doch dieses Mal, lag sie nicht bereits auf dem Boden vor Caleb, sondern rang mit sich. Der Boden war hart und ihr tat inzwischen alles weh. Also hatte sie ihre Wolldecke in der Hand und… starrte.
Madiha’s Herz schlug schnell, denn die Aufregung, ihm so nahe zu sein, ließ sich nicht leugnen. Doch dann ging ein Ruck durch sie, sie kletterte äußert vorsichtig über ihn und hielt sogar die Luft an, als sich ihr Körper neben den seinen senkte. Sie legte sich auf die Seite, um ihn ansehen zu können. Er atmete ruhig und gleichmäßig, sein Profil wirkte blass, aber… friedlich. Und er strahlte tatsächlich noch ein wenig Wärme aus. Madiha schluckte. Ihre Hände lagen noch immer in Bandagen, die Corax stets prüfte und wechselte. Sie hatte sich allerdings nicht unter die Decke von Caleb gelegt. Diese trennte sie voneinander, sodass sie sich aber mit ihrer zudeckte und etwas verkrampft darauf achtend, ihn nicht zu berühren, neben ihm lag. Madiha schlief trotzdem ein, denn ihr Körper dankte es ihr, dass sie sich endlich in einem Bett ausstreckte, statt ständig den harten Boden zu nutzen.

Am nächsten Morgen, des 4. Tages aber lag sie halb um Caleb geschlungen. Ihr Gesicht hatte sich gegen seine Schulter gelehnt, ihre Haare verteilten sich etwas wild über seiner Brust, ihr Arm hielt ihn locker fest und ihr Bein ruhte ebenfalls auf seinem. Und sie hatte deutlich besser geschlafen, das spürte sie, als es ihr gelang, wesentlich leichter die Augen zu öffnen. Erst als sie sich ihrer Position bewusstwurde, sammelte sie alle Gliedmaßen, die ihr gehörten schleunigst ein, erhob sich mit hochrotem Kopf, nuschelte ein Guten Morgen an Corax und stellte sich schleunigst zum Waschen an den kleinen Eimer, der stets frisch gefüllt wurde. Dann begann die Routine wieder. Dieses Mal saß Madiha auf der Treppe zum erhöhten Deck, an der Seite, damit jeder noch Platz hatte zum Durchkommen. Hier betrachtete sie das Meer und den Horizont und fühlte sich wahrlich wohler. Die Nacht an Caleb’s Seite, auch wenn er sie wohl nicht so erfahren hatte, wie sie, hatte dem Mädchen neuen Mut gegeben. Sie wirkte etwas ausgeruhter, auch wenn man ihr die Strapazen noch immer deutlich ansehen und anmerken konnte. Am Abend aß sie mit Corax und es war eine Weile ruhig um sie beide. Die vier Tage waren weiterhin wortkarg geblieben, denn ein jeder hing seinen Gedanken weiterhin nach, bis sie am Abend wieder zusammen aßen. „Corax?“, eröffnete sie dann aber doch das Gespräch. „Weißt du, dass du Azura eine wahre Freude gemacht hast, als du ihr Zimmer erschaffen hast?“, ließ sie ihm zu teil werden. „Sie… sie hat sich wie ein kleines Kind gefreut…“, bestätigte sie ihm und lächelte ihm leicht zu. Sie wollte ihm auch etwas Gutes tun. Wollte ihm eine Freude machen. „Gibt es etwas, was… ich mal für dich tun könnte? Ich würde dir gern auch eine Freude machen, wenn ich kann?“, fragte sie und musterte den Raben. Nach dem Essen und dem Waschen, legte sich Madiha wieder ins Bett zu Caleb. Dieses Mal war sie etwas mutiger und legte sich etwas dichter zu ihm. Vielleicht spürte er ja, ihre eigene Wärme? Vielleicht mochte er es ja… Erinnerte ihn daran, dass sie wartete… Wo auch immer er war… was auch immer ihn aufhielt. Madiha hatte erkannt, dass Corax nie schlief, bevor sie nicht schlief. Dieses Mal hatte sie sich vorgenommen, wachzubleiben, um zu beobachten, was er tat, wenn sie schlief. So hatte sie zwar die Augen geschlossen, lauschte aber genau auf sein Kommen, als die Tür sich öffnete.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 29. Oktober 2022, 13:27

Madiha:
Nach nunmehr vier Tagen hatte sich eine Routine eingeschlichen. Das bedeutete nicht, dass man besser mit der Situation umgehen konnte, sondern dass man in der Lage war, sich zu beschäftigen und nicht ständig die Gedanken zu wälzen. Was Madiha besonders gut tat, war ihre Entscheidung, Corax' Vorschlag nachzukommen. Eine Nacht zuvor hatte sie sich zu Caleb ins Bett gelegt. Ohne ihn zu berühren war sie eingeschlafen und dicht an ihn geschmiegt wieder aufgewacht. Und diese Nacht war die beste seit einer Ewigkeit gewesen. Auch wenn Caleb nicht so viel Körperwärme hergab wie sie selbst, hatte seine Nähe ihr einfach gut getan. Sie fühlte sich erholter und auch ein bisschen hoffnungsvoller, weil sie sich einbilden konnte, dass es auch ihm half. Vielleicht fand er ins richtige Leben zurück, wenn er ihre Wärme spürte.
Was ihr nach wie vor neben Calebs Zustand Sorgen bereitete, war ihr Sklave. Seine Gesundheit war offensichtlich wieder hergestellt. Eine Nacht Schlaf hatte ihm bereits geholfen. Madiha hingegen spürte keinen Unterschied, ob sich ihre magischen Kräfte schon wieder erholt hätten. Sie dachte ohnehin nicht viel über sie nach. Ihr Fokus lag darauf, sich um Caleb zu kümmern und Corax-Dunia zur Hand zu gehen, wenn sie die Verbände wechselte. Eine positive Nachricht war, dass die Wunde ihres Diebes komplikationslos heilte. Dunia lobte sogar seine Wundheilung, nannte ihn einen zähen Hund und schickte Madiha anschließend an die frische Luft. Sie verbrachte überraschend viel Zeit an Deck. So bekam sie in den Tagen auch mit, dass die Mannschaft es geschafft hatte, sich gut zu organisieren. Wenn man eine Entscheidung fällen musste, kamen sie alle zusammen. Tatsächlich kristallisierte sich jedoch heraus, dass Jakub nach wie vor das letzte Wort an Bord zu haben schien. Sie spürte aber die Atmosphäre. Sie war weit weg von dieser Düsternis, als er sich einen Kapitän schimpfte. Was immer ihn da geritten hatte, er handelte inzwischen vernünftig und mit Blick auf das Wohlergehen der Mannschaft - so wie die Tochter der Wüste ihn kennen gelernt hatte.
Weil sie einen so großen Teil der Besatzung verloren hatten, gab es noch reichlich Vorräte. Man konnte sich beim Essen eine doppelte Portion nehmen und der aktuelle Smutje - Madiha schnappte den Namen Fischbein auf - beherrschte sein Handwerk passabel genug, dass alle satt wurden. Glücklicherweise schickte Ventha ihnen günstige Winde. Die Blaue Möwe blieb auf Kurs und man erhoffte sich, Andunie in den nächsten Tagen zu erreichen. Das wäre gut, denn trotz der Vorräte gingen ihnen wichtige Dinge wie Obst und Gemüse langsam aus. Beides war nicht ewig haltbar und Jakub wusste, dass Seeleute krank wurden, wenn sie zu lange nichts davon zu essen bekamen. Er schien dennoch guter Dinge. Wann immer er Madiha an Deck traf, ob es nun sie selbst oder Corax in ihrer Gestalt war, fragte er nach Azura und Caleb. Alle an Bord dachten an die ewig Schlafenden, wie sie die beiden inzwischen nannten, beteten aber nach jeder Abendmahlzeit zu Ventha für sie.
Ansonsten verlief die Weiterfahrt an sich ereignislos, jedenfalls auf dem Rest des Schiffes. In der Kabine des Kapitäns tat sich mehr, auch wenn nichts davon mit Azuras oder Calebs Erwachen zu tun hatte. Trotzdem fand eine Entwicklung statt. Dass Madiha ihren Sklaven morgendlich grüßte, verwirrte ihn noch am ersten Tag. Am zweiten nickte er ihr daraufhin zu und am dritten erwiderte er den Gruß, wenngleich auch zaghaft. Er schien es nicht gewohnt, dass man sich überhaupt mit ihm beschäftigte, ohne ihm den Befehl zum Bettmachen oder Anziehen zu geben. Letzteres bot er Madiha jedes Mal auf's Neue an, wenn er ihr frische Kleidung mitbrachte.
"Ich gehe in deiner Gestalt an Deck. Ich weiß im Grunde, wie du aussiehst", kommentierte er irgendwann, als sie sich wieder abmühte, ihr Hemd zu wechseln. Nach einer Pause der Erkenntnis setzte er sogar mit einem leichten Grinsen und anschließend mit aufrichtigem Ernst nach: "Ich könnte dich vollkommen erkunden ... ich tu's nicht, Herrin. Versprochen."
Dass er sich selbst keinen Vorteil verschaffte, in ihrer Haut zu stecken, lag offensichtlich an Madihas Umgang mit ihm. Corax wirkte jedes Mal verwirrt, wenn sie freundlich zu ihm war. Er gewöhnte sich nur schwer daran. So reagierte er auf ihr tägliches Fragen nach seinem Befinden die ersten drei Tage nur mit einem vagen "gut". Am Morgen des vierten Tages aber lautete die Antwort: "Es geht mir wie dir." Und damit wusste Madiha alles über seinen Gemütszustand. Sie kämpften weiter, Tag für Tag. Sie wollten beide nicht aufgeben. Sie sorgten sich, schöpften aber auch Hoffnung aus dem jeweils Anderen, weil auch dieser nicht aufgab. So hielten sie sich gegenseitig stark.
Nur dass ihr Sklave immer wartete, bis sie eingeschlafen war, ehe auch er sich mutmaßlich zur Ruhe legte - immer noch auf dem Boden - nagte an dem Wüstenmädchen. Auch, warum er ihr vorschlug, bei Caleb zu liegen, sich selbst aber nicht das Privileg bei Azura herausnahm. Als sie danach fragte, wandte Corax den Blick ab. Er trat an Azuras Bett, betrachtete sie und strich über ihr Haar. Es hatte zunächst den Anschein, als würde Madiha keine Antwort mehr erhalten. Nach einer Weile aber sprach der Dunkelelf: "Ich will sie nicht erschrecken, wenn sie aufwacht. Sie hatte so große Angst vor mir" Er griff nach Azuras Hand, streichelte den Rücken und spielte mit den Fingern. Er erfuhr keine Erwiderung. "Der letzte Moment mit ihr war zwar schön - sie hat mit dem Kopf an meinem Bein gelehnt und zu mir hochgeschaut, als betrachtete sie einen Schatz von Wert - aber ... danach ... Als ich dich mit Caleb an Deck zurückgelassen habe, um nach ihr zu sehen, war sie fort. Sie war nicht hier in der Kajüte. Nichts war mehr hier. Die Illusion ihres Zimmers lebte durch sie und sie war ... weg." Stille entstand. Corax rang mit sich, wieviel er Madiha anvertrauten wollte. Schließlich entschied er sich. "Du bist eine gute Herrin." Er drehte sich zu ihr um. "Ich fürchte mich, dass es wie bei den anderen Herren und Herrinnen sein wird ... irgendwann funktioniert es nicht mehr. Wie groß mein Bemühen auch war, sie lehnten es ab und es blieb eine Illusion ohne Wirkung." Sein ernster Blick traf Madihas verbundene Hände. Sie heilten endlich auch, wenn auch nicht so schnell und gut wie Calebs Verletzung, aber Dunias Handwerk zeigte mehr als ein Schelmenzauber. "Sie glauben nicht mehr, wenn ich ihnen ... zuwider werde. Wenn ... das Leid zu groß wird. Nimmermehr..." Corax drehte sich wieder um. Er starrte auf Azuras schlafenden Körper. Ihn plagten ähnliche Ängste wie Madiha. Auf der einen Seite wünschte er sich nichts sehnlicher, als Azura wieder erwachen zu sehen. Auf der anderen Seite fürchtete er auf, was sich daraus entwickeln könnte. Madiha nahm ihm diese Furcht etwas. Sie teilte ihm mit, was er verschlafen hatte. Sie erzählte ihm, wie sehr Azura sich über seine Raumillusion gefreut hatte.
"Wirklich?", hakte er nach, schaute über die Schulter zu seiner Herrin und in seine Augen trat ein rotes Funkeln, das von Sprenkeln in allen Regenbogenfarben umschmeichelt wurde, bis er es weg blinzelte. Spuren davon fanden sich nur noch in dem warmen Lächeln, das er offenbar selbst gar nicht bemerkte. Er behielt es den Rest des Tages.
Madiha konnte sich ebenfalls daran erfreuen. Es war schön zu sehen, dass auch Corax einmal glücklich war. Sie stellte fest, wie viel er für sie alle im Grunde tat und wie wenig er zurück erhielt. So beschloss sie, ihn auch darauf anzusprechen. Am Ende ihres gemeinsamen Abendessens war es soweit.
"Corax?" Er blickte zu ihr auf, musterte sie aufmerksam. Sie wussten beide, dass er normalerweise nun Madihas Gestalt annahm und das schmutzige Geschirr fortbrachte, um anschließend bis zur Nacht an Deck zu bleiben. Es war seine Zeit, den Kopf frei zu bekommen. So schaute er nun fragend drein, wenn Madiha durchbrach ihre gemeinsame Routine. "Gibt es etwas, was ... ich mal für dich tun könnte? Ich würde dir gern auch eine Freude machen, wenn ich kann?"
Er stutzte. So überrascht und gleichzeitig überrumpelt hatte sie ihn noch nicht erlebt. Er wich ihrem Blick aus, schaute auf seine Hände und dann zu Boden, schließlich durch das Zimmer. Er wusste überhaupt nicht, mit der Frage umzugehen und ließ das auch verlauten. "Nicht einmal Azura hat mich das je..." Er vergaß glatt, in Madihas Muttersprache zu reden. Als er sie wieder ansah, hob er nur vollkommen überfordert die Schultern an: "Ich ... weiß nicht? Ich freue mich, wenn du glücklich bist, Herrin." Eine typische Antwort von einem Sklaven. Eine Rettungsleine für Corax, der keine andere Antwort gelernt hatte und nicht so tief in sich gehen konnte, nach den eigenen Bedürfnissen zu fragen. Obwohl auch das nicht ganz stimmen konnte, denn diese Worte hatte er auch Azura einmal mitgeteilt. Madiha hatte es erlebt, in einem der Träume seiner Vergangenheit, als beide in der heißen Quelle vereint waren. Sie erinnerte sich daran, als wäre es ihr eigenes Erlebnis gewesen und sie wusste, dass er es da ernst gemeint hatte. Er war glücklich, wenn es Azura gut ging. Wieviel Wahrheit nun auch auf die Aussage in Hinsicht auf Madiha zutraf, konnte sie nur erahnen. Dass er mit der Situation überfordert war, machte es unglaubwürdiger. Dann aber: "Bitte, lass mich darüber nachdenken, Herrin."
Er klaubte das benutzte Geschirr zusammen, stapelte es auf dem Tablett und trug Madihas Äußeres wieder wie einen Schutzmantel als er die Kajüte verließ.

Azura:
Auch zwischen Azura und Caleb fand eine Entwicklung statt, wenngleich beide in den Tagen im Zwischenreich nur wenig Zeit miteinander verbrachten. Sie gingen einander eher aus dem Weg und trafen nur in der Halle mit dem Schachbrett wieder aufeinander. Azura konnte nicht einmal sagen, ob Caleb sich jemals eine Mahlzeit aus der Küche geholt hatte. Dort stand immer alles auf vollen Tellern und Schüsseln bereit. Das Dienstpersonal leistete enorm gute Arbeit, das musste sie zugeben. Allein schon, weil sie so perfekt im Schatten agierten. Azura bekam niemand zu Gesicht. Das stimmte, im wahrsten Sinne des Wortes! Denn selbst, wenn sie in der Umkleide eine Dienerin an ihrer Seite hatte, die ihr nicht nur beim Einkleiden, sondern auch mit ihrer Frisur aushalf, besaß dieses Dienstmädchen kein Gesicht. Sie wusste um ihr loyales Lächeln, hörte es auch als Reaktion auf was immer sie sagte, aber sie konnte kein Gesicht ausmachen. Wenn sie den Kopf zu ihr hob, war bei dem Mädchen einfach ein verwaschener Fleck, als befände sich ihr Antlitz hinter einer Wand aus milchigem Glas. Sie wusste nicht einmal, welche Augenfarbe die Dienerin besaß und auch ihren Namen kannte sie nicht. Sie war die Einzige, die Azura bislang überhaupt begegnet war. Von Caleb und dem Gevatter abgesehen. Letzterer sollte wohl auch bald wieder erscheinen, also machte sie sich am Abend des vierten Tages auf, um die Halle mit dem Schachbrett aufzusuchen. Caleb wartete dort bereits und zwar nicht nur auf den skelettierten Kuttenträger. Er hatte reichlich über Azuras Worte nachgedacht und schien nun bereit, eine Erklärung abzugeben. Ausgerechnet jetzt, da sie sich beide konzentrieren müssten! Immerhin hatten sie sich heute noch nicht zusammengesetzt, um einen Zug zu besprechen. Bereits den Tag davor war es für sie schwierig gewesen und Azura hatte erkennen müssen, dass Caleb im Grunde gar nicht mehr weiter wusste. Er überließ es ihr, die nächsten Schritte zu planen. Sie bemerkte es, weil er immer nur abnickte, was sie vorschlug. Er wusste nicht weiter. Ohne ihr Eingreifen wäre die Partie längst verloren.
Auch jetzt wollte er nicht darüber nachdenken. Wahrscheinlich wäre es wieder an ihr, eine Figur zu bewegen. Caleb hingegen sprach die vielen Bälle an, denen er ferngeblieben war und fragte auch nach, woher Azura all das wusste. Woher sie von ihm wusste und dass ausgerechnet er besagter van Tjenn wäre.
"Ich bin mir sicher. Oder hatte dein Vater mehrere Söhne?"
Caleb lachte freudlos auf. Wenigstens trat er zu Azura an das Schachbrett heran, wenn er selbst auch keine Vorschläge für den nächsten Zug anzubieten hatte. "Schön wäre es gewesen, dann wäre der Kelch des einzigen Erben wohl an mir vorüber gezogen. Andererseits wünsche ich keinem anderen diese Bürde."
"Danke für die schmeichelhafte Beschreibung dessen, was dazu führen sollte, dass ich meinen Platz in der Gesellschaft als baldige Ehefrau und Mutter finden würde." Azura ärgerte sich. Er klang, als säße er in einem Gefängnis, dabei war sie doch der Vogel im Käfig. Die Gitter mochten zwar golden sein, aber im Gegensatz zu ihm war sie auch als Adlige niemals frei. Dieses Privileg besaßen nur Männer!
"Ein Mann versteht so etwas nicht, der weiß nicht, wie es ist, nicht fei zu sein."
"Achja?", entgegnete Caleb und in diesem einen Wort schwang so deutlich die Frage nach Corax mit, dass er sie nicht einmal laut aussprechen musste. Wie frei war er? "Warst du hier eigentlich schon in dem kleinen Raum mit dem Spiegel? Er ist wie das Wasserkleid der Göttin Ventha. Man kann Madi und Corax sehen. Ich schaue sie mir jeden Tag an. Sie ... kümmern sich um uns. Beide. Jeden Tag." Er seufzte aus und endlich fand er sein Pflichtgefühl wieder. Wo Azura sich über die eine Seite des Brettes beugte, da umrundete er den kleinen Tisch und tat es ihr auf des Gevatters Seite gleich. Es war nicht schlecht, das Spiel auch aus der Position des Gegners zu betrachten, vorausgesetzt natürlich, man beherrschte das strategische Denken. Caleb konnte die geplanten Züge des Zeitlosen nur erahnen, sprach für Azura hier und da eine Idee an, wirkte aber selbst nicht überzeugt. Für ein Wesen, dass das zeitliche Ende eines jeden Celcianers vorhersehen konnte, musste Schach ein schrecklich langweiliges Spiel sein. Für Azura hingegen wurde es immer spannender. Nicht leichter, aber sie konzentrierte sich immer mir allem Herzblut auf die Partie, wenn ihr Blick über das gescheckte Brett schweifte. Auch jetzt dachte sie fieberhaft nach und versuchte, sich an diesen einen Zug zu erinnern, der ihrer Mutter einmal aus der Patsche geholfen hatte. Die Rochade! Sie kannte den Begriff nicht, wusste aber, dass es möglich war.
Noch während sie sich erneut dem Brett zuwandte und so verhinderte, dass Caleb nach einem der Bauern griff, hakte sie nach, ob König und Turm in Form eines Nomadenzeltes schon einmal bewegt worden waren. Caleb schaute auf das Feld hinab. "Dieses eine Zelt haben wir gerückt, wie du siehst. Das andere noch nicht und auch der König steht noch an seiner Position. Warum?"
Kein anderer Zug würde sie retten. Azura führte kurzerhand das Manöver aus, das ihnen etwas mehr Zeit verschaffte. Der König befand sich nun zwar in einer Ecke des Schachbrettes, war dort aber noch durch Bauern und einen Kamelreiter beschützt. Jetzt durfte nur kein gegnerischer Turm oder gar deren Dame in die hinterste Reihe gelangen, dann wäre die Partie wohl verloren.
"Ich wusste nicht, dass das geht!", stieß Caleb aus. Dann hakte er mit einem spitzbübischen Grinsen nach: "Oder ist das ein Trick? Glaubst du, er erinnert sich nicht daran, wo unser König stand?"
"Es ist legitim." Aus einer Wolke aus Rauch und dem fröstelnden Gefühl von Todeskälte erschien der Gevatter auf der anderen Seite des Schachbrettes. Sein Schädelgesicht grinste: "Heute muss ich einen schnellen Zug wagen, denn ich habe nicht viel Zeit. Eine weitere celcianische Stadt wir angegriffen. Viele Tote." Er winkte ab, ehe seine Kutte einen halb offenen Vorhang vor seiner Seite des Brettes bildete, als er sich darüber beugte. "Die Rochade hätte ich auch gewählt. Sehr vernünftig. Dennoch... hm, ja, das sollte gehen." Tods Finger umschlossen tatsächlich die schwarze Dame und rückten sie voran. Azura hatte eine Lücke übersehen. Nun wurde der kleine, weiße König mit Calebs Gesicht bedroht. "Schach", sprach der Gevatter. Normalerweise verschwand er nach seinem Zug immer sofort und er hatte dieses Mal auch angedeutet, dass seine Zeit knapp bemessen war. Aber er blieb noch. Dachte er über seinen letzten Zug nach?
Caleb stöhnte auf, fuhr sich durch die Haare und wandte sich vom Tisch ab, um ihn nicht vor Frustration umzuwerfen. Auch bei Azura machte sich ein Gefühl der Niederlage breit. Dann aber spürte sie die Frische. Eine sanfte, kühle Brise berührte ihre Stirn. Zentral prickelte es, als hätte Corax sie dort geküsst. Nein, es war jemand mit deutlich mehr Macht gewesen. So viel Macht, dass die Adlige das Prickeln nun auch sehen konnte. Wie winzigste Blitze umzuckte es bläulich und weiß eine ihrer Figuren. Wenn sie den Läufer zwischen die feindliche Dame und ihren König schob, war Letzterer sicher. Tod würde nicht wagen, seine Dame zu opfern, indem er den Läufer nahm. Sie war eine wertvollere Figur und der Läufer wurde von einem ihrer Kamelreiter gedeckt. Der Gevatter schien auch nur darauf zu warten, dass Azura der Zug auffiel und sie ihn vollführte. Sobald es geschehen war, streckte er seine Hand erneut vor und rückte einen Bauern in Richtung des weißen Kamelreiters. Noch war er nicht in Gefahr, aber Azura und Caleb würden planen müssen, damit sie die Deckung des Läufers nicht aufzugeben hatten, um ihn zu retten. Schach war so kompliziert!
"Nun, das war es für heute. Ich bin morgen wieder hier", meinte der Gevatter und lehnte sich zurück. Ehe er eine gerade Haltung hatte einnehmen können, war er fort und zurück blieb nur seine Kälte, die sich aber ebenso verflüchtigte. Caleb fuhr herum und kam zum Brett zurück. Er starrte Azura an. "Du hast es aufhalten können?" Dann schaute er auf das Brett und seine Freude wuchs. "Du hast es geschafft. Es ist dir wirklich gelungen, du kluges Weib, ha!" Ehe sie es verhindern konnte, packte Caleb sie bei den Schultern und drückte ihr einen Kuss erst auf die linke, dann auf die rechte Wange. Sie kannte diese Geste aus Geschichten vom jorsanischen Hof, wo einige Adlige sich offenbar auch so begrüßten. Nun, fast so. Es fehlte noch ein flüchtiger Kuss auf die Lippen. Caleb bewegte sich aus Reflex dorthin und ... verharrte. Dann zog er sich zurück, ließ Azura los und griff sich verlegen in den Nacken. "Danke. Ein Tag mehr Zeit bedeutet, wir sind noch im Spiel. Äh ... magst du den Spiegel sehen?" Ablenkung war es, was er nun gebrauchen konnte und obgleich Azura ihn begleitete oder nicht, er machte sich zum kleinen Spiegelraum auf. Er freute sich auf den Anblick der Kapitänskajüte und auf Madihas Gesicht. Leider kam er wohl zu spät. Sie schien schon zu schlafen. Dafür freute er sich darüber, dass sie erneut ihren Platz neben ihm gewählt hatte. Und jetzt würde geschehen, was auch die anderen Nächte passiert war. Caleb bereitete sich darauf vor.

Madiha:
Die Nacht war hereingebrochen. Madiha hatte es wieder an Calebs Seite gelockt. Sie lag unter der Decke und heute auch an ihn geschmiegt im Bett, aber im Gegensatz zu den anderen Abenden wollte sie nun wach bleiben. Sie wollte in Erfahrung bringen, was Corax so trieb und warum er immer wartete, bis sie schlief. Endlich tauchte er auf. Leise schloss er die Tür hinter sich und nahm seine eigene Gestalt an. Sein Blick fuhr in die Schatten, in denen Madiha vorgab zu schlafen. Er lauschte, schien aber keinen Verdacht zu schöpfen. Dann ging er an das Bett heran, in dem Azura schlief. Und erneut begann es...
"Wach auf ... bitte, wach doch auf." Er strich über Azuras Haar. Eine sanfte Bewegung, aber sie erhörte ihn nicht. Corax schlug mit der Faust auf die Matratze neben ihrem Kopf. "Wach auf, verdammt!" Nichts, wie jede Nacht. Zwei Runden tigerte er vor ihrem Bett umher. "Ich liebe dich doch. Du musst zurückkommen. Ich brauche dich." Er wiederholte es wie ein Mantra, nur dass es bei jedem Mal verzweifelter klang. Schließlich fuhr er herum und Madiha konnte eine Dolchklinge im Schein der aufgestellten Laterne erkennen. Corax hielt sie über Azuras Brust erhoben.
"Dann erlöse ich dich, hier und jetzt!" Der Dolch fuhr herunter und ein Schreckgefühl auch durch Madihas Mark und Bein. Millimeter vor Azuras Brustkorb stoppte der Dunkelelf. Seine Angebetete atmete gleichmäßig. Sie schlief unbeeindruckt weiter. Die Klinge verschwand. Sie war nur Illusion. Der Elf aber sank auf die Knie, das Gesicht in den überkreuzten Armen vergraben, die er auf das Laken gebettet hatte. Seine Schultern bebten. Er schluchzte. Er weinte. "Du kommst nicht zurück, oder? Nimmermehr ... Ich bin der, der Leid bringt. Also bleibst du fort."
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 558
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 29. Oktober 2022, 15:59

Es war schon erstaunlich, zu was ein Wesen in der Lage war. Dass es sich an jede noch so schlimme Situation anzupassen verstand, wenn es sich nur darauf einließ. Madiha konnte diesen Umstand sehr gut an der Mannschaft der ‚Blauen Möwe‘ ablesen. Sie beobachtete das Treiben, weil sie Ablenkung brauchte, um sich nicht fortlaufend mit ihrer quälenden Angst zu beschäftigen. Caleb war ständig präsent in ihren Gedanken und irgendwann drehte sie sich nur noch im Kreis. Gefangen in ihrer Machtlosigkeit. Während sie die frische Luft genießen konnte, die Ablenkung in der Beobachtung anderer, schwand aber auch ihre Hoffnung mehr und mehr. Madiha wurde unruhiger, unsteter und zeigte das, wenn sie in der Kajüte war, indem sie entweder herumtigerte oder vor seinem Bett saß und sich so klein wie möglich machte. Es war nicht auszuhalten. Aber es ging weiter – irgendwie. Corax hatte da einfach die bessere Methode. Er hatte zu tun, hatte sich seine Routine angeeignet und verfolgte diese stets und pflichtbewusst. Immer mal wieder beobachtete sie ihn und erkannte so vieles von sich. Auch sie hatte ihre Pflichten ausgeführt, nur um einem inneren Schmerz zu entgehen. Doch sie ließ ihn. Ihr morgendlicher Gruß wurde inzwischen erwidert, ihre Frage nach seinem Befinden erwartungsgemäß mit einem einzigen Wort abgeschmettert. Sie verstand das und ließ ihm seinen Willen. Am Morgen des vierten Tages war jedoch alles ein wenig anders. Sie selbst hatte viel besser geschlafen, war sie doch an Caleb geschmiegt aufgewacht. Offenbar war ihr Unterbewusstsein längst nicht so schüchtern, wie sie es bisweilen gezeigt hatte. Es schien sehr wohl zu wissen, was gut für sie war und was sie sich wünschte, wenn ihr Verstand sich dagegenstellte. Mit leicht rötlichen Wangen stand sie da und Corax bot ihr erneut seine Hilfe beim Anziehen an. Sie nahm die Sachen und wandte sich, wie jeden Morgen ab von ihm, um sich irgendwie mit ihren Händen abzumühen. "Ich gehe in deiner Gestalt an Deck. Ich weiß im Grunde, wie du aussiehst. Ich könnte dich vollkommen erkunden ... ich tu's nicht, Herrin. Versprochen." Madiha hielt inne und schaute über die Schulter zu ihm. Das Rot verstärkte sich und sie fühlte sich für einen Moment so, als hätte er mit einem Fingerschnipsen ihre Kleidung von ihrem Leib gerissen. Peinlich. Doch sie grinste nur unsicher. „Das… ist ehm… nett?“, wich sie aus und wandte sich wieder um. „Ich will es allein machen.“, beharrte sie jedoch, ohne unfreundlich zu sein. Sie stopfte sich gerade das neuere Hemd in die Hose und fügte an: „Ich habe es immer allein gemacht. Ich schaffe das.“. Nachdem das erledigt war, stellte sie ihm die Frage, die sie jeden Morgen stellte: „Wie geht es dir heute?“, und erwartete schon das ewige ‚Gut‘. "Es geht mir wie dir." Sie sah zu ihm auf und hatte die Augenbrauen gehoben. Einen Moment blickte sie ihn nur erstaunt an, dann nickte sie aber verstehend. Mehr bedurfte es nicht, sie verstanden einander und wussten, was sie beide fühlten. So wie sich Corax in Gestalt von Dunia mit Caleb gegeben hatte, schien er nicht nur Optisches und Fertigkeiten zu übernehmen, sondern sogar das Innenleben. Auch zu ihr war er, in Gestalt von Caleb, äußerst sanft gewesen. War das ein Spiegel des Innenlebens des Diebes gewesen? Oder glaubte Corax nur, dass das sein Empfinden gewesen wäre? Wie auch immer. Sie verstand jedenfalls, was der Rabe damit sagen wollte. Madiha klaubte ihre Sachen auf und hielt sie im Arm fest, als sie sich erkundigte, wieso Corax nicht auch bei Azura ein wenig Nähe suchte. Immerhin war bei ihnen bereits alles klar. Zumindest, soweit sie es verstanden hatte. Er liebte sie und auch sie schien irgendwie etwas für den Mann zu empfinden. Was, das ergründete Madiha nicht, denn über Azura dachte sich ehrlicherweise am wenigsten nach.
Sie hatte die Adelige ein wenig aus ihrem Kopf verbannt, denn sie lief Gefahr, sie für alles verantwortlich machen zu wollen. Doch gerade Corax zuliebe, wollte sie nicht ungerecht werden und beließ es deshalb bei wenigen Moment, in denen sie über Azura nachdachte. "Ich will sie nicht erschrecken, wenn sie aufwacht. Sie hatte so große Angst vor mir. Der letzte Moment mit ihr war zwar schön - sie hat mit dem Kopf an meinem Bein gelehnt und zu mir hochgeschaut, als betrachtete sie einen Schatz von Wert - aber ... danach ... Als ich dich mit Caleb an Deck zurückgelassen habe, um nach ihr zu sehen, war sie fort. Sie war nicht hier in der Kajüte. Nichts war mehr hier. Die Illusion ihres Zimmers lebte durch sie und sie war ... weg." Sie hörte ihm zu und beobachtete seinen Rücken, während er sich zärtlich an die Schlafende wandte. "Du bist eine gute Herrin. Ich fürchte mich, dass es wie bei den anderen Herren und Herrinnen sein wird ... irgendwann funktioniert es nicht mehr. Wie groß mein Bemühen auch war, sie lehnten es ab und es blieb eine Illusion ohne Wirkung." Madiha folgte seinem Blick und schaute auf die Hände. „Sie glauben nicht mehr, wenn ich ihnen ... zuwider werde. Wenn ... das Leid zu groß wird. Nimmermehr..."

Einen Moment schwieg sie und wusste nicht so recht, was sie nun sagen sollte. Auch sie hatte den Glauben daran verloren. Aber das lag nicht an Corax – es lag an der Tatsache, dass Illusion für Madiha nicht erstrebenswert war. Sie wollte etwas Echtes, brauchte es regelrecht, um sich sicher zu fühlen. Alles war Illusion in ihrem Leben, selbst es so zu bezeichnen. Sie hatte existiert in einem Schloss aus Prunk und Pracht. Stets stolz und zurechtgemacht präsentiert, eine schöne Fassade, doch dahinter sah es nur düster aus. Mehr Schein als Sein half ihr nicht, sich wohlzufühlen. Sie wollte nicht mehr nur daran glauben. Sie wollte… Bestand und Wahrhaftigkeit. Doch anstelle es auch so formulieren zu können, erzählte sie ihm von Azura’s Reaktion. Seinem Blick begegnete sie mit einem leichten Lächeln und Nicken. „Wirklich.“, bestätigte sie ihm und sah ihm die Freude deutlich an. Er lächelte und es stand ihm gut! Madiha spürte, dass es auch ihr half, ihn lächeln zu sehen. Dann war es Zeit, dass sie ihren Tagesabschnitt an Deck verbrachte. Sie wandte sich – wie jedes Mal – an Caleb und betrachtete ihn schweigend, ehe sie es schaffte, sich zu lösen. Madiha ließ Corax allein und verbrachte den Tag an Deck. Hier war sie inzwischen etwas gelöster, auch aufgrund der Nachwehen durch die Nähe zum Dieb. Sie saß auf der Treppe und ließ ihren Kopf gegen das Holz sinken, um das Meer, den Horizont und die Matrosen zu beobachten. Jakub schien inzwischen ausgeglichener zu sein und auch wenn er immense Fehler gemacht hatte… Er zeigte seine beherrschte Art und schien sich auch sonst besser in seine Rolle zu fügen. Sie schnappte auf, dass sie in den kommenden Tagen offenbar Andunie erreichen würden und ihr Herz klopfte dabei. Was wenn die beiden bis dahin nicht erwacht waren? Was sollten sie anfangen? Madiha kannte sich in keiner anderen Stadt aus, wusste nichts von der tatsächlichen Lage, wie es sein würde und kannte auch sonst nichts außer heißen Wüstensand und Sultane. Am Abend kehrte sie routinegemäß zur Kajüte zurück. Sie aßen gemeinsam, eher schweigsam und doch hing Madiha ihren Gedanken weiter nach. Sie hatte sich entschieden, dem Raben zu zeigen, dass ihre den Umständen entsprungene Verbindung nicht nur einseitiger Natur war. So sprach sie ihn darauf an, was er sich wünschen könnte. Und erntete einen hilflosen Rabenblick, der ihr klarmachte, was das für ihn bedeutete. Madiha gab Corax Zeit und neigte ein wenig den Kopf. Sein Mienenspiel war vielsagend und doch wusste Madiha, dass es einfach nicht so leicht wäre, so etwas zu formulieren. Ihr gelang es ja kaum. Und Corax war sehr viel mehr Gefangener seines Lebens. "Nicht einmal Azura hat mich das je... Ich ... weiß nicht? Ich freue mich, wenn du glücklich bist, Herrin.“ Madiha schüttelte bereits den Kopf, um ihm klarzumachen, dass sie das nicht meinte, als er den Kontakt abbrach und das Abendessen abräumte. Sie seufzte tonlos und ließ ihn, als er sich doch noch mal zu Wort meldete: “Bitte, lass mich darüber nachdenken, Herrin." „Natürlich, sobald dir etwas einfällt, versuche ich es möglich zu machen…“, bestätigte sie, wählte dieses Mal ihm zuliebe Celcianisch und blickte ihm nach.
Madiha brauchte noch einen Moment, bis auch sie sich erhob und zur Ruhe legte. Dieses Mal aber lag sie direkt bei Caleb. Zu schön war die Nähe zu ihm, so trügerisch sie vielleicht auch derzeit sein mochte. Sie konnte nur ahnen, ob es ihm überhaupt recht wäre, doch Madiha versuchte die Gedanken nicht wieder aufkommen zu lassen. Was auch gelang, denn sie war ohnehin von dem Umstand abgelenkt, dass Corax sie jeden Abend vorher einschlafen ließ. Dieses Mal aber tat sie nur so und versuchte ruhiger zu atmen, damit er davon ausging, dass sie schlief. Leise trat er an das Bett von Azura und sie öffnete verstohlen die Augen, um ihn zu beobachten. "Wach auf ... bitte, wach doch auf.", die Worte umfassten ihr Herz innerhalb einer Sekunde. Er sprach aus, was auch sie dachte und innigst ersehnte. Die presste die Lippen aufeinander, denn der Schmerz kam sofort wieder an die Oberfläche. Dann zuckte sie, als er mit der Faust schlug. Das dumpfe Geräusch hielt sie alarmiert. Ihr Herz klopfte. "Ich liebe dich doch. Du musst zurückkommen. Ich brauche dich.", flehte er und Madiha spürte, wie sich ihre Tränen augenblicklich zu sammeln begangen. Sein Leid, war das ihre und umgekehrt. Ihre Lippen bebten, denn sie glaubte, dass er einfach nur allein leiden wollte und sie deshalb einschlafen ließ. Dass er damit allein war, brach ihr das Herz, denn gerade sie, verstand ihn so gut. Madiha hob ein wenig den Kopf und ihr gefror das Blut in den Adern. Sie starrte auf die Klinge und keuchte, als sie niedersauste und er sie erlösen wollte. „Corax!“, rief sie in ihrer Panik, doch die Illusion verpuffte und Madiha starrte auf das Häufchen Elend, das sich zusammenkauerte und zu schluchzen begann. Herzklopfen ereilte Madiha und sie brauchte einige Augenblicke, um den Schreck zu verdauen. Er wollte sie erlösen… Madiha blickte zu Caleb und Angst stand ihr ins Gesicht geschrieben. Erlösen?! War… war es das was sie tun sollten…? Der Gedanke war so abwegig, dass sie die Augen schloss und durchatmete.

Dann erhob sich das Wüstenkind langsam und kroch aus dem Bett. Sie stellte sich hinter Corax und schaute auf ihn herab. "Du kommst nicht zurück, oder? Nimmermehr ... Ich bin der, der Leid bringt. Also bleibst du fort." Madiha konnte die Tränen nicht länger halten. Sie flossen ihr stumm über die Wangen und sie betrachtete den weinenden Elfen hilflos. „Corax…“, flüsterte sie dann aber und ging hinter ihm in die Knie. Sie streckte eine Hand aus und hielt vor einer Berührung seines Rückens inne. „Sie… sie kommt zurück..“, versuchte sie es auf eine lahme Art und Weise, ihn zu beruhigen. Wie sollte sie auch überzeugend sein, wenn sie doch selbst der Angst Tür und Tor geöffnet hatte, dass auch Caleb sie für immer verließ. Was waren sie nur für ein trauriges Gespann… Doch dann holte Madiha zitternd Luft und fasste sich ein Herz. Sie rutschte etwas auf, legte ihre Arme um den Elfen und lehnte ihren Kopf an seinen. Sie hielt ihn, ließ ihn weinen und wartete einen Moment ab. Behutsam strich sie ihm über den Kopf und konnte ihre eigene Trauer kaum verbergen. Die Tage über hatten sie sich gegenseitig Mut gegeben. Ihn nun so mutlos zu sehen, erschütterte Madiha. Mit nassem Gesicht hob sie ihren Kopf an und löste ein wenig die Umarmung. „Wir dürfen die Hoffnung… nicht verlieren, Corax.“, murmelte sie und sprach auch zu sich selbst. „Gib sie nicht auf. Sie… sie braucht jemanden, der an sie glaubt.“, schniefte sie und sah zu Caleb, über den Rücken des Elfen hinweg. „Sie beiden brauchen uns, damit sie den Weg zurückfinden…“, murmelte sie weiter und senkte den Kopf wieder, weil der Schmerz und die Angst nie weggewesen waren. Sie waren lediglich durch eine stoische Art im Zaum gehalten worden. Sie ließ den Elfen langsam los, falls er sich aufrichten wollte. „Sie wird dich brauchen, wenn sie aufwacht… Deinen Halt, deine… deine Liebe.“, murmelte sie und wischte sich über das Gesicht. Dann wanderte ihr Blick wieder zu Caleb zurück, während sie doch für sie beide sprach. „Sie müssen spüren…, dass wir auf sie warten. Damit… damit sie einen Grund haben, zu uns zurückzukehren. Etwas, was sie an diese Welt bindet. Ich… Corax, verlier den Mut nicht… ich habe nicht genug für uns beide… Und ich weiß, wie es dir geht… schon vergessen? Du bist nicht allein mit deiner Angst. Ich habe schreckliche Angst ihn zu verlieren, dass er den Weg nicht findet. Ich… was soll ich anfangen, wenn ich sein Lächeln nicht mehr sehen darf und sein unbeschwertes Wesen mir selbst kein Lächeln mehr entlockt. Wenn ich ihn nicht mehr beobachten kann, wenn er verlegen in den Nacken greift und sich die Haare zu bändigen versucht, ohne dass es je Wirkung hätte.“, sie lächelte kurz bei ihren Gedanken an ihn. Sich vorzustellen, wie es gewesen war, schaffte eine kleine Brücke, um sich daran zu erinnern, auf wen sie hier warteten und für wen sie das ganze Leid auf sich nahmen. Sie kehrte mit ihrer Aufmerksamkeit zu Corax zurück. „Erinnere dich an sie…“, flüsterte sie ihm zu und legte seine Hand behutsam auf Azura’s. „Erinnere dich, was du an ihr magst. Und glaube daran.“, murmelte sie sanft. „Sie wird aufwachen. Wenn du daran glaubst, wird es wahr. Wir dürfen nicht aufgeben, Corax.“, versuchte sie ihm trotz ihres eigenen Schmerzes, Mut zu zusprechen. Und fügte ein flehendes „Bitte…“, an. Denn allein wüsste Madiha nicht, ob sie stark genug wäre, das durchzustehen…
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Samstag 29. Oktober 2022, 16:27

Diese erzwungene Ruhe tat ihr gut. Die gefühlten Stunden, in denen sie nichts zu tun hatte und somit ihren eigenen Bedürfnissen nachgehen konnte, waren Balsam für ihre aufgewühlte Seele. All die Zeit, die sie nicht gehabt hatte seit ihrer Gefangennahme in Andunie, schien sie jetzt endlich nachholen und sacken lassen zu können.
So manches war ihr schon dank der Anwesenheit Venthas und ihren Ausführungen klar geworden, ohne es wirklich greifen zu können. Nun jedoch konnte die Saat zu keimen beginnen und auch manch anderes wurde ihr bewusster. Vor allem, was ihre Gefühle für Corax betraf. Noch immer hatte sie Angst vor dem, was er getan hatte und ob er es auch ihr jemals antun würde, sollte sie wider Erwarten zurück ins Leben gelangen.
Auch der Kindsmord an seinem eigenen Samen wog weiterhin äußerst schwer, nicht nur, weil ihre Daseinsberechtigung im Austragen von Nachkommenschaft bislang gelegen hatte, sondern weil ihr das Herz bei dem Gedanken an dieses unschuldige Wesen blutete, das niemals wirklich hatte existieren und wachsen dürfen. Hinzu kam das Wissen darum, dass er auch sonst keine weiteren Kinder haben würde, ganz gleich, ob mit ihr oder... oder einer anderen.
Trotzdem hatte er seinen festen Platz in ihrem Herzen und sie sehnte sich nach ihm. Ob das Liebe war? Ob es Bestand haben würde, bekämen sie eine weitere Chance dazu, es herauszufinden? Sie wusste es nicht. Aber tatsächlich war sie allmählich soweit zu bereuen, dass sie vor all dem davon gelaufen war.
Die Sache indes mit dem Missgeschick... Nun, sie blieb sich selbst treu und das bedeutete, dass sie es dem Kapitän durchaus nachzutragen wusste. Früher oder später würde es wieder zur Sprache kommen, das ahnte sie, und dann wäre der Vorwurf ihrerseits wieder da.
Doch im Moment konnte sie ihm erfolgreich aus dem Weg gehen und auch ansonsten waren sie beide eher wortkart miteinander, konzentrierten sich auf die möglichen Züge und darum zu... überleben, so absurd es in ihrem derzeitigen Zustand auch erscheinen mochte. Sie ging davon aus, dass es auch an diesem Abend so sein würde, schließlich wurde es gerade ziemlich brenzlig für sie beide.
Womit sie hingegen nicht rechnete, war der Umstand, dass er ausgerechnet jetzt mit dem Thema ihrer möglichen Verlobung, die durch sein Verschulden gar nicht erst zustande gekommen war, anfangen musste. Selbstverständlich war sie sich sicher, so viel wusste sie von damals immerhin noch.
Sie hatte sich auffallend oft in ihrem Unterricht seit den Gesprächen ihres Vaters mit dem alten van Tjenn mit dessen Familie und Verbindungen beschäftigen sollen, um sich selbst ein Bild darüber machen zu können, in welchen Reihen ihr zukünftiger Platz sein könnte. Entsprechend war ihr klar, dass er keine Geschwister gehabt hatte, zumindest keine offiziellen, die erbberechtigt gewesen wären.
Bei seinem freudlosen Lachen warf sie ihm einen skeptischen Blick zu und als dem Ganzen Worte folgten, rollte sie leicht mit den Augen. Auch sie war ein Einzelkind geblieben, von ihrer Mutterseite her, denn diese hatte dem Ehegatten keine lebenden Kinder schenken können. Was Azura weidlich auszunutzen gewusst hatte, damals ohne schlechtem Gewissen. Denn dadurch hatte sie so manche Vorzüge genossen, die sie sonst entweder hätte teilen oder, im Falle eines vorhandenen Bruders, aufgeben müssen. "Mein Beileid!", erwiderte sie somit auch sarkastisch und spürte, wie er es schon wieder schaffte, die Wut auf ihn und seine Selbstgefälligkeit zu schüren.
Oh ja, Männer der hohen Gesellschaft mit viel Geld waren ja so zu bedauern mit all ihren Freiheiten und Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung! Diesbezüglich fielen auch ihre Worte aus, denen er mit einer einzigen, vieldeutigen Frage begegnete.
Plötzlich blitzten ihre Augen wütend und der Zorn wallte wie eine Sturmwelle in ihr hoch, vor allem, weil sie schon genug mit ihrer Sehnsucht nach diesem einen Mann zu kämpfen hatte, als dass sie einen Hinweis auf ihn gebrauchen könnte. "Wage es ja nicht, mir die Worte zu verdrehen!", fuhr sie ihn an und ihre Augen wurden einen Moment lang schmal.
Dann wurde ihre Stimme ganz kühl und distanziert. "Was weißt du schon davon, wie es ist, in dem Wissen aufzuwachsen, dass man nur etwas taugt, wenn man widerstandslos eine gute Zuchtstute abgibt, am besten noch mit einem hübschen Gesicht! Wenn man mildtätig sein muss, wie es alle erwarten, obwohl einem beim Gedanken an schwärende, eitrige Wunden und deren Gestank schon übel wird und man ungeeignet für die Pflege ist. Wenn man nicht selbst den eigenen Weg suchen und finden darf. Wenn man von Leuten umgeben ist, die man zu mögen hat, obwohl man genau weiß, ein kleiner Fehler, eine falsch gewählte Garderobe, die falsche Frisur zum aktuellen Anlass, und schon ist man für Wochen das Gespött aller. Und alle, die man kennt, haben genau denselben Zwang wie man selbst." Sie schnaubte wenig damenhaft. Zwar hatte sie mehr Freiheiten als manch anderes Mädchen genossen und sich auch die Vorteile ihrer Position zunutze gemacht, jedoch bedeutete das noch lange nicht, dass sie in ihrem goldenen Käfig glücklich gewesen wäre.
"Also hör gefälligst mit deinem Gejammere auf, du armer Erbe eines Vermögens, der zumindest die Chance und Skrupellosigkeit hatte davon zu laufen und lass uns endlich auf das Wichtige hier konzentrieren!" Damit wollte sie dieses Thema beenden, drehte sich weg und atmete, bar jedweger Notwendigkeit, ein paar Mal zur Beruhigung durch.
Als er dann wieder sprach, zuckte sie leicht zusammen und warf ihm einen fragenden Blick zu. Nein, diesen Raum hatte sie noch nicht entdeckt. Wie denn auch? Es hatte sie bislang vor allem nach draußen gezogen, zum Wasser und zu den Falken... Auch jetzt sollte sie sich besser konzentrieren und nicht dran denken, dass sie jemanden Bestimmtes vielleicht zumindest sehen könnte!
Seine Erwähnung jedoch von dem, was sich in der Welt der Lebenden abspielte... Die junge Frau biss sich auf die Unterlippe und musste den Blick abwenden, damit er nicht zu deutlich den Schmerz darin sehen würde. "Umso mehr sollten wir uns auf den nächsten Zug besinnen und nicht herum schwafeln!", beschloss sie mit mehr Nachdruck, als ihr zumute war.
Im Gegenteil, am liebsten hätte sie von ihm verlangt, dass er sie sofort zu jenem Spiegel brächte, um wenigstens nach all der Zeit Corax wieder sehen zu können. Sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, dass er lebte und keine Dummheiten beging, die ihm nicht gut tun würden. Doch ihr war auch klar, dass sie dazu später noch Gelegenheit hätte, wenn sie es jetzt nicht vermasselte.
Also beugte sie sich über das Spielbrett und dachte angestrengt nach. Es lag ihr auf der Zunge, sie konnte die Lösung beinahe schmecken und dennoch... es bedurfte einer ähnlichen Reaktion wie damals ihre Mutter, um sie endlich den erlösenden, gedanklichen Schritt machen zu können. Kurz vor der Katastrophe fiel es ihr ein und seine Antwort war ihr Bestätigung genug, um jenen Zug auszuführen, den sie damals gesehen hatte.
Wie er hieß, wusste sie nicht, und auch nicht, warum er zulässig war. Er war gültig, allein das war von Bedeutung! Seine Reaktion ging ihr runter wie Öl, denn sie war irgendwie eine Bestätigung dessen, dass sie wohl nicht vollkommen unnütz war.
Doch ehe sie zu einer Erwiderung ansetzen konnte, erschien die dunkle Kutte mit der unheimlichen Stimme, von der sie noch Alpträume bekommen würde, wenn sie noch lange Zeit hier würde verbringen müssen. Sie beobachtete ihn, wie er nach seiner Dame griff und... ihr ihren Fehler aufzeigte!
Azura entschlüpfte ein deftiger Fluch in bestem Gossengarmisch, ohne, dass sie sich dessen bewusst war. Es war eine jener Bemerkungen, die ihrer Mutter, wenn sie diesen zu hören bekommen hatte, das Blut ins Gesicht getrieben und sie richtig wütend gemacht hatte. Anfangs hatte das Kind nicht verstanden, warum, denn dort, wo sie ihre ersten Lebensjahre verbracht hatte, hatten alle Bengel und auch viele Mädchen so gesprochen und den Fluch benutzt, ohne, dass es jemanden gestört hätte. Erst mit der Zeit hatte sie begriffen, dass dies ihrer neuen Stellung alles andere als angemessen war. Und dennoch... manchmal, in besonderen Momenten, so wie jetzt, trat dieses kleine Stückchen Kindheit zurück an die Oberfläche.
Verdammt, und nun? In ihrem Kopf arbeitete es und beinahe hätte sie das Gefühl von Frische wie bei einer sanften Meeresbrise ignoriert, das über die Haut an ihre Stirn strich. Sie blinzelte und instinktiv atmete sie tief durch, wenn auch ohne Sauerstoff in ihrer Lunge, um sich besser darauf besinnen zu können.
Trogen sie ihre Augen oder... oder schimmerte da...? Ihr Blick heftete sich auf den Läufer, folgten seinem möglichen Weg und... Bevor sie daran zweifeln oder aus sonst einem Grund zögern konnte, griff sie nach der Figur und machte kurzerhand den Zug.
Daraufhin biss sie sich auf die Unterlippe und wagte es nicht, von dem Brett wegzusehen, als die Knochenfinger nach einem Bauern griffen. Nachdem dieser seine Position gewechselt hatte, war die Kutte auch schon wieder gegangen.
Erst jetzt durchlief sie ein Zittern, als die Anspannung anfing, nachzulassen. Indes drehte sich der Kapitän um und schien zu erkennen, was geschehen war. "I... ich... ich glaube... schon...", stammelte sie etwas unbeholfen und musste das erst begreifen.
Nicht nur, welch einer Gefahr sie entronnen waren, sondern auch und vor allem das Gefühl, dass ihr da jemand unerlaubt und klammheimlich geholfen hatte. Jemand Wichtiges, obwohl dieser Jemand gewiss besseres zu tun hätte...
Plötzlich wurde sie gepackt in Euphorie und auf den Wangen geküsst, was sie vor lauter Überrumpelung steif zuließ. Bis das Gesicht vor ihr schwebte und sich ihren Lippen näherte... "Untersteh dich!", zischte sie, die ebenfalls erkannte, was gleich passieren würde.
Tatsächlich wurde sie losgelassen und war diesem Kuss entgangen. Nicht, dass ihr dieser Mann optisch nicht mehr gefallen könnte, denn er war und blieb auf seine eigene Art attraktiv. Doch ihr Herz schlug für jemanden, der eben doch noch lebte, und den sie vermisste.
"Noch, ja...", erwiderte sie seufzend und warf einen unsicheren Blick zu dem Brett. "Auch wenn ich nicht weiß, wie lange noch...", nuschelte sie dann.
Plötzlich ruckte ihr Kopf zu ihm zurück, sie straffte die Schultern und nickte entschlossen. "Unbedingt!", meinte sie und das in einem Tonfall, der verdeutlichen sollte, dass er gar nicht auf die Idee kommen sollte, ihr diesen Raum länger vorzuenthalten. Trotzdem begannen ihre Finger zu zittern und ihre Knie wurden weicher, je näher sie besagtem Raum kamen.
Als sie schließlich davor standen, zögerte sie und verspürte Angst. Was würde sie zu sehen bekommen? Was war in den letzten Tagen geschehen? Hatte er sie bereits... aufgegeben?
Doch schlussendlich siegte die Sehnsucht danach, ihn sehen zu können, sodass sie den Mut fand und hinein ging, um vor den Spiegel zu treten und hinein zu blicken. Zuerst war diese Entdeckung... kränkend und sie musste den Kopf abwenden, um sich zu beherrschen.
Natürlich, was hatte sie denn erwartet? Da war die Göre, wie sie sich an den reglosen Körper des Kapitäns schmiegte, so, wie sie es gerne bei Corax getan hätte. Was sollte das? Wollte er sie verspotten, nachdem sie gerade erst das Spiel gerettet hatte?!
Aber bevor sie ihm ihren Vorwurf an den Kopf werfen konnte, tat sich etwas, was sie im Augenwinkel wahrnehmen konnte. Sie sah wieder hin und musste schlucken.
Er befand sich anfangs in Gestalt der anderen, wurde jedoch rasch wieder zu dem Mann, den sie kannte und in den sie sich verliebt hatte. Auch sah er besser aus, erholter, wie sie hoffte. Und anstatt sich zu der Göre zu gesellen, trat er an jenes Bett heran, in dem ihr eigener Körper ruhte. Sie konnte seine Worte hören und es schnitt ihr ins Herz, ihn so sehen zu müssen, ohne ihm etwas sagen zu können, ohne ihn trösten oder die Hand reichen zu können.
Traurig beobachtete sie weiter, wie er sie umrundete und sein Geständnis wiederholte, das so klang, als würde er es nicht zum ersten Mal so aussprechen. "Ach, Corax, mein Rabe...", hauchte sie unbewusst und hätte sich so gern an den Spiegel gelehnt mit der Stirn, als könne sie ihm so nahe kommen. Allerdings wagte sie es nicht, um das Bild nicht zu zerstören. Was wusste sie schließlich von der Magie, die hier wirkte? So blieb sie, wo sie war.
Plötzlich veränderte sich die Szene, seine Haltung, einfach alles, wie ihr schien. Mit einem Mal wurde seine Stimme energisch und er hielt eine Waffe in der Hand. Mit einem Keuchen schlug sie sich die Rechte vor den Mund und wich zurück, der festen Überzeugung, er würde sie gleich erdolchen. Doch einen Millimeter, ehe die Spitze der Klinge ihren sterblichen Körper hätte verletzten können, verschwand sie plötzlich wieder. Zurück blieb ein verzweifelter Mann, der schluchzend zusammen sank. Dieser Anblick schmerzte beinahe noch mehr, vor allem, weil sie so hilflos war.
Obwohl... war sie das wirklich? Oder gab es nicht doch noch eine Verbindung zu ihrem Leib, solange sie sich in dieser Zwischenwelt befand? Azura wusste es nicht und dennoch, ihr kam ein Gedanke, der sie nicht mehr loslassen wollte.
Ganz gleich, was nun vor ihren Augen geschah, sie fasste einen Entschluss. Zur Sicherheit kniete sie sich hin und hoffte, dass in der Welt der Lebenden ebenfalls mehrere Tage bereits vergangen waren, in denen sich ihr Körper hatte erholen können. Ihr Körper... und ihre Magie.
Azura schloss die Augen und konzentrierte sich so fest, wie sie nur konnte. Sie versuchte, sich so bildlich und detailgetreu wie möglich vorzustellen, wie ihr Leib damit begann, eine kleine Reaktion zu erschaffen. Eine Träne, die Flüssigkeit eines Körpers mit jener salzigen Note, die ihrem liebsten Element am nächsten kam. Diese sollte sich langsam sammeln, solange, bis sie unter ihrem geschlossenen Lid hervorquellen könnte. Aber anstatt wie gewöhnlich einfach dann seine Bahn allmählich ihren Augenwinkel entlang in Richtung ihres Haaransatzes zu suchen, sollte sie sich langsam lösen und zu schweben beginnen. Sollte als kleiner Tropfen durch die Luft gleiten, bis sie an seiner Unterlippe zerplatzen und ihm einen Hauch von Salz bescheren könnte.
Würde das funktionieren? Hätte sie so viel Einfluss oder wäre Ventha ihr gnädig genug gestimmt, um ihr dieses Ausmaß an Macht zu gewähren? Die junge Frau wusste es nicht, als sie mit einem Keuchen in sich zusammen sank und völlig entkräftet den Halt zu verlieren drohte.
Würde sie den Halt verlieren oder aufgefangen werden? Wie auch immer, es dauerte, bis sie den Mut fand, ihre Lider wieder anzuheben und im Spiegel nachzusehen, ob ihre Vorstellungskraft auch nur eine winzige Reaktion hatte bewirken können.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 29. Oktober 2022, 19:44

Sie hatte es geschafft - vorerst - aber immerhin, es fühlte sich wie ein kleiner Sieg an. Für Caleb war es von größerer Bedeutung, denn er hatte bereits mehrere Tage lang Stunden vor dem Spiegel verbracht, der ihm Einblick in das gab, was sich in der realen Welt abspielte. Er wusste, wie sehr beide zurückgelassenen Gefährten litten und es zeigte ihm deutlich, dass mehr auf dem Spiel stand als nur sein eigenes Leben wiederzubekommen.
Umso überschwänglicher drückte der große Kerl dann auch seine Freude aus, indem er aus einem Reflex heraus Azura packte und ihr zwei Schmatzer verpasste. Auf den letzten Kuss aber verzichtete er.
Und auch Azura keifte ihm abwehrend entgegen: "Untersteh dich!" Er löste sich von ihr, um die Hände in einer beschwichtigenden Geste anzuheben. "Keine Sorge, ich rühr dich nicht an. Was glaubst du, warum ich Corax versucht habe zu erklären, dass diese ganze Bettgeschichte nur ein Missgeschick gewesen ist, hm? Hab mir trotzdem eine gefangen." Er grinste schief auf. "Ich hab kein Interesse daran, dich ihm wegzunehmen ... auch, wenn du unheimlich gut fluchen kannst. Wo hast du das gelernt? Wie auch immer, es gefällt mir besser als das hochgestochene Gehabe des Adels." Nun, da sie sich wieder Zeit lassen konnten, bis der Tod ihren nächsten Zug erwartete, ging alles etwas leichter von der Hand. Beschwingt, eine Runde weiter zu sein, schlenderte Caleb zum Ausgang der Halle. Er winkte Azura indes mit sich, wollte er ihr doch den Spiegelraum zeigen. Wie hatte sie diesen nur bislang übersehen können? Es war das Erste, wonach der Dieb gesucht und sich insgeheim gesehnt hatte, nachdem er wusste, dass es möglich war, die Lebendwelt wenigstens zu beobachten. Dass er sogar durch das Spiegelglas hören konnte, was gesprochen wurde, hatte ihn sofort in den Sessel gebannt. Einzig auf den gepufften Mais verzichtete er. Das Zeug schmeckte ihm nicht wirklich.
Auf dem Weg zu seinem Ziel hin, griff er allerdings erneut Gesagtes seiner Begleiterin auf. Irgendwie schien er sich deren Anschuldigungen und Vorwürfe immer erst einmal durch den Kopf gehen zu lassen - ganz im Gegensatz zu selbstmörderischen Rettungsplänen über Bord gegangener Nicht-Jungfrauen! "Du stellst mich übrigens die ganze Zeit dar, als wüsste ich nicht, was es heißt, sein Leben den Plänen zu unterwerfen, die andere für einen gefällt haben. Das geht doch nicht nur den adligen Frauen so! Als Stammhalter einer Familie und sei sie nur durch Geld in den Adel eingetreten bist du mit der Geburt verpflichtet, deine Interessen aufzugeben. Es geht nur darum, dass du all das lernst, was du brauchst, um in die Fußstapfen deines Vaters treten zu können. Dabei ist es uninteressant, ob du dich dafür eignest oder nicht und glaub mir: ich eigne mich nicht!" Caleb verzog den Mund. Azura hatte doch von Gregor van Tjenn damals erfahren, dass sein Sohn auf See geschickt worden sei und das nicht nur einmal. Es war die am häufigsten verwendete Ausrede, wenn er wieder einmal einen Ball versäumte. Als Kapitän hatte Caleb sich allerdings recht gut gemacht, zumindest soweit sie es beurteilen konnte. Wie sehr die Mannschaft hinter ihm stand, hatte sie ja nicht mitbekommen. "Selbst, wenn ich der zweite oder dritte Sohn einer Adelslinie geworden wäre, so hätte ich mich menem Schicksal fügen müssen. Ich bin sicher, du kennst die andunischen Traditionen, nach denen einige Adelsfamilien noch immer leben. Nicht alle, wohlgemerkt, aber mein Vater schwärmte bereits vor unserem Titel für diese Strukturen." Natürlich kannte Azura diese alten Regelungen, die ihren Ursprung in Pelgar besaßen. Gemäß alter Traditionen der Edlen wurde der Erstgeborene einer Adelsfamilie zum Stammhalter erklärt. Er übernahm nicht nur das gesamte Erbe, sondern würde auch die Blutlinie fortführen. Daher umfasste seine Ausbildung im Leben auch Etikette, Tanzen und das Umwerben feiner Damen. Außerdem musste er sich damit beschäftigen, welche von ihnen für die eigene Familie die beste Mitgift einbrächte. Der zweite Sohn einer solchen Familie wurde Soldat oder Ritter. Auf diese Weise zeigte man seine Loyalität gegenüber der Heimat und stärkte deren militärische Truppen. Ob der Spross dann wirklich in Kriege zog oder sich der Stadtwache in einem Offiziersposten anschloss, war uninteressant, solange er den militanten Weg verfolgte. Ihm war nur dann gestattet, überhaupt zu heiraten und eine Familie zu gründen, wenn sein älterer Bruder bereits für einen Erben gesorgt hatte. Demnach war auch jeder Zweitgeborene bestrebt, den großen Bruder rasch unter die Haube zu bringen. Von all diesen weltlichen Dingen blieb ein dritter Sohn, sofern vorhanden, verschont. Nachdem das Militär gestärkt war, schenkte man seine Loyalität auch den Göttern. Somit wurde ein Drittgeborener oftmals einer Priesterschaft übergeben, um eines Tages den Glauben der von der Familie bevorzugten Gottheit zu verbreiten. Das Los wollte es, dass sich dieses Kind weder von Politik noch Frauen ablenken ließ. Eine Familie, ja gar eine Ehe, war für ihn nicht vorgesehen. Bei Töchtern handhabte man es im Gesamten simpler. Sie alle dienten nur dem Zweck, die eigene Familie durch eine gute Heirat zu erweitern oder Bündnisse zu schließen, die mit einem Eheversprechen besiegelt wurden.
"Du armer Erbe eines Vermögens, der zumindest die Chance und Skrupellosigkeit hatte, davon zu laufen!"
"Magst du Corax deshalb? Weil er dir diese Chance ermöglich hat, als sein Volk Celcia angriff? Ich hörte, er hat dich entführt. Oder bist du ihm freiwilig gefolgt?"
Beide erreichten endlich das Spiegelzimmer. Caleb war wenigstens so höflich, Azura den Lehnsessel anzubieten. Er selbst blieb stehen, aber auch sie nahm lieber Aufstellung vor dem Fenster zum Leben, auch wenn ihr der Anblick von Corax an ihrem Bett und vor allem seine sehnsüchtigen Worte sofort einen Stich ins Herz versetzten. Er hatte sie nicht vergessen, im Gegenteil. Er litt so sehr unter ihrer Trennung wie sie. Aber als er zu endgültigen Mitteln griff und sie durch einen Dolchstoß wenigstens auf eine Seite schicken wollte, wich sie vor Schreck zurück. Caleb hingegen zuckte nicht einmal zusammen. Er streckte nur den Arm aus, um Azura am Zurückweichen zu hindern, indem er sie an der Schulter ergriff. "Das geht nun schon die dritte Nacht so. In der ersten hat er gefiebert, ich weiß nicht, warum. Wir waren ja mit Spielen beschäftigt gewesen. Aber das ... jede Nacht. Jedes Mal die gleichen Worte, die gleichen Verzweiflungstaten und das gleiche Ende. Wenn er dich erlösen könnte, würde er es tun, aber er kann nicht. Er will dich zurückhaben, so egoistisch ist er - zum Glück, möchte ich meinen. Können wir zurück, wenn unseren Körpern etwas zustößt?"
Diese Frage blieb unbeantwortet. Dafür versuchte Azura nun, Corax eine Nachricht zukommen zu lassen. Sie legte alle Hoffnung in ihre Magie, die sie als Geschenk Venthas sah und die Göttin hatte ihr schon beim Schummeln am Spielbrett geholfen. Jetzt sollte sie ihr helfen, Corax' wehes Herz zu beruhigen. Azura ertrug seinen Anblick so nicht. Er war doch stark und stets darauf aus, sie zu ärgern. Er war widerlich und selbstbewusst und ihr Rabe. Sie kniete sich vor den Spiegel und schloss die Augen. Dann konzentrierte sie sich auf ihre arkanen Fähigkeiten. Caleb wollte schon nachfragen, aber irgendwie bemerkte er, dass etwas im Gange war. Also beschränkte er sich darauf, die Szenerie zu beobachten. Auch jene im Spiegel, da Madiha es ebenfalls nicht aushielt, wie sehr der Elf litt. Sie verließ das Bett und näherte sich ihm langsam.

Madiha stieg aus dem Bett. Sie ließ Caleb zurück, denn ausnahmsweise erregte ein anderer Mann ihre Aufmerksamkeit. Einer, von dem sie glaubte, dass er durch seine Routine stärker war. Nun ahnte sie, warum Corax immer wartete, dass sie eingeschlafen war. So konnte er mit seiner Trauer und seiner Angst ganz allein sein. Vor allem aber mit seiner Verzweiflung. Auch ihm entglitt die Hoffnung von Tag zu Tag. Keiner der beiden zeigte ein weiteres Lebenszeichen und niemand konnte ihnen bestätigen, dass sie jemals wieder erwachen würden. Was geschähe erst, wenn das Schiff wirklich in Andunie anlegte und sich an ihrem Zustand noch immer nichts verändert hätte? Madiha wollte gar nicht daran denken. Corax indessen verzweifelte darunter. Sein Schluchzen allein konnte einem schon das Herz zerreißen. Den Rest erledigte aber das stereotypische Denken über sein Volk. Dunkelelfen galten als kaltherzig und abgebrüht. Sie dienten einem Gott, der sich den Blutdurst auf die Stirn geschrieben hatte. Einen von ihnen nun bitterlich weinen zu sehen, verschlug nicht nur die Sprache, es machte auch sehr betroffen.
"Corax..." Madiha flüsterte seinen Namen nur, aber es reichte aus, dass der Elf mit den feinen Ohren sofort erstarrte. Er schluckte ein paar Mal, dann war das Mädchen schon an ihm heran. Behutsam umarmte sie ihn von hinten und verhinderte so, dass er ihr erneut vor die Füße warf. Sie spürte aber den Ansatz dieser Bewegung und als einstige Sklavin wusste sie, dass es Konsens war. Die Worte konnte sie ihm jedoch nicht abschneiden. "Verzeih mir, Herrin ... das ... solltest du nicht sehen. Mir geht es ... gut." Es war die schlechteste Lüge Celcias und seine Fassade hielt auch nicht lange stand. Kaum dass Madiha beteuerte, Azura - und auch Caleb - würden zurück zu ihnen finden, brachen bei Corax erneut die Dämme. Er krümmt sich, um ein Schluchzen zu unterdrückten. Letztendlich führte es aber nur dazu, dass er sich gegen Madiha lehnte und hemmungslos heulte.
"Gib sie nicht auf."
"Das tue ich nicht, aber was können wir denn unternehmen? Schau sie dir an, Herrin!" Er deutete auf die Schlafende ... und erstarrte.

Caleb riss die Augen auf. "Wie machst du das?" Er deutete zum Spiegel. Azura aber spürte eine Welle der Kraftlosigkeit, die an ihr zur zehren drohte. Es fühlte sich an, als versuchte jemand, einen Teil ihrer Seele von ihr zu trennen. Tatsächlich ging sogar ein Quäntchen verloren, gerade groß genug, um eine perlenförmige Tränen in ihrem Augenwinkel in der Lebendwelt entstehen zu lassen. Leider schwebte sie nicht zu Corax herüber. Sie benetzte nicht seine Lippen, wie Azura es sich erhofft hatte. Sie schimmerte nur groß und schillernd, aber der Dunkelelf hatte im rechten Moment zu ihr hingeschaut und sie entdeckt. Er wagte nicht, sie zu berühren, sondern starrte sie nur an.
Caleb starrte ebenso. Im letzten Moment bekam er Azuras Schwächeanfall mit. Hätte er sie zuvor aber nicht bereits an der Schulter gefasst, wäre sie an ihm vorbei zu Boden gestürzt. So konnte er sie gerade noch auffangen und anschließend in dem hohen Lehnsessel absetzen. Er kniete sich zu ihr und fächelte ihr etwas Luft zu. "Geht es wieder? Azura?" Seine Hand fuhr an ihre Wange, um sie leicht zu tätscheln. "Hast du gesehen, was passiert ist? Dein Körper hat eine Träne erzeugt. Wie ... wie hast du das vollbracht? Ich möchte das auch können. Ich möchte Madi ein Zeichen setzen. Ich möchte-" Er verstummte, war er doch nicht der einzige, der seinem Gegenüber gut zuredete. Auch das Kind der Wüste versuchte, durch ihre Worte Corax wieder aufzubauen.
"Ich ... was soll ich anfangen, wenn ich sein Lächeln nicht mehr sehen darf und sein unbeschwertes Wesen mir selbst kein Lächeln mehr entlockt? Wenn ich ihn nicht mehr beobachten kann, wenn er verlegen in den Nacken greift und sich die Haare zu bändigen versucht, ohne dass es je Wirkung hätte?"
"Keine Wirkung? Moment mal!" Caleb fuhr sich mit einer Hand durch die Haare. Er schob die Strähnen nach hinten. Sie besaßen aber eine ungünstige Länge, die sie nicht an Ort und Stelle halten wollten. So fielen sie ihm zurück in die Stirn. Madiha irrte allerdings. Gerade diese unbewusste Geste hatte eine enorme Wirkung, vor allem, wenn das Herz für verwegene Straßenköter schlug wie er einer war.

"Sie wird aufwachen. Wenn du daran glaubst, wird es wahr. Wir dürfen nicht aufgeben, Corax." Das tat er nicht. Er hatte die Träne entdeckt und starrte sie nun an. Eine schillernde, durchsichtige Perle, die in Azuras Augenwinkel glitzerte. Das war neu. Sofort sprang der Elf auf die Beine und beugte sich über das Gesicht seiner Liebsten. Er zeigte mit einem Finger auf die Träne, damit Madiha ihm bestätigen konnte, dass sie diese auch sah.
"Sie hört uns", raunte er mit neu entdeckter Hoffnung. "Leidest du, Azura? Weine nicht, ich bin da. Ich bin für dich da." Er beugte sich tiefer und schenkte ihr einen sanften Kuss. Es musste daran liegen, dass Corax kein Prinz war, nicht einmal ein Rabenprinz. Ansonsten wäre Azura doch längst erwacht. Märchen endeten immer so! Aber das hier war keine Geschichte und sie auch keine Prinzessin, außer für ihn. Trotzdem verlor er nicht wieder den Mut. Sanft strich er über ihre Wange, achtete jedoch darauf, die Träne nicht zu verwischen. Sie sollte als kleiner Hoffnungstropfen dort schillern, solange sie konnte. "Ich liebe dich", hauchte Corax. Keine weitere Reaktion. Er seufzte und senkte den Kopf. Eine ganze Weile stand er so da, bis irgendein Gedanke ihn von neuem erfüllte. Er drehte sich um, schaute Madiha an. "Du bist wach", bemerkte er. Dann sank er vor ihr auf die Knie und wechselte aus Respekt wieder in ihre Muttersprache. "Herrin, ich ... weiß nun, wie du mir eine Freude machen könntest. Du musst es nicht tun, wenn ... ich weiß, ich sollte überhaupt keine Wünsche äußern. Aber du bist eine gute Herrin und du hast mir schon einmal einen gewährt." Das stimmte. Sie hatte ihm damals gestattet, überhaupt nach Azura zu sehen, als auch sie Caleb suchen wollte. Bevor all das hier passiert war. Der Rabe griff nach ihren verbundenen Händen. Sie heilten wirklich langsam. Madiha konnte die Wärme seiner Finger fühlen und dass er die ihren drückte. Sein Blick ruhte auf ihr. "Herrin, ich sag ihr jeden Tag, dass ich sie liebe. Damit sie es hört, aber ..." Er rang mit sich. "Es kostet Kraft, wenn es nicht erwidert wird, egal wie. Sie ... hat mir schon einmal gesagt, dass sie mich liebt. Ich weiß bis heute nicht, ob es eine Lüge war, aber ... selbst wenn, dann möchte ich diese Lüge noch einmal hören. Einmal nur noch. Würdest du?" Er hob seine Hände zu ihrem Gesicht und legte die Finger um ihre Wangen. Dann strich er von dort zu ihrem Hals, was bei Madiha sofort Erinnerungen an bedrohlichere Momente mit Corax wecken könnte. Doch er hatte nicht vor, sie zu würgen. Er strich weiter, über ihre Schultern und die Arme hinunter, bis er erneut ihre Hände umfasste. Nein, nicht ihre Hände. Wohin waren die Verbände verschwunden? Was war mit ihrer angenehmen Sarmaer Bräune geschehen? Warum wirkten ihre Finger so fein und schlank, als hätten sie nie gelernt, was Arbeit ist? Auch kam Madiha sich nun etwas größer vor. Als sie zu Corax herabsah, weil dieser immer noch vor ihr kniete, hoben sich zwei wohlgeformte Hügel in ihren Weg. Sie wippten ganz sanft, wann immer sie atmete. Rote Locken mit einem Schimmer aus Gold umrahmten diesen vollen Busen. Corax hatte sie in Azura verwandelt. "Nur einmal. Lüg mich nur noch einmal an ... bitte ... Azura."

Caleb sah nicht, was in seinem Rücken geschah. Er mochte zwar die Worte hören, aber konnte sie ohne die vollführte Illusion nicht zuordnen. Er ging immer noch davon aus, dass Corax zu seiner Liebsten im Bett sprach. Währenddessen richtete der Dieb seinen Blick auf die Seele eben jener. Er hoffte auf eine Antwort, damit auch er Madiha würde ein Zeichen geben können. "Ich weiß, ich schulde dir bereits einiges für das bisherige Schachspiel, ganz besonders heute. Aber du hast was bei mir gut, wenn du mir sagst, wie du das eben mit der Träne gemacht hast. Mein Wort darauf, das so ehrenhaft sein wird wie die Wüste Sar heiß. Und die ist verdammt heiß. Warst du jemals dort?"
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Samstag 29. Oktober 2022, 21:04

Ob die Göttin eingegriffen hätte, wenn sie diese zuvor darum gebeten... besser gesagt, angefleht hätte? Würde sie ihr noch einmal helfen, jetzt, da sie generell nicht mehr weiter wusste? Und... was brachte es ihr eigentlich am Ende? Würde der Sieg ihnen beiden gleichermaßen gelten, sollten sie ihn erringen, und sie auch zu zweit zurück schicken? Oder würde es erneut eine Wahl geben müssen? Wie würde sie dieses Mal dazu stehen?
All das und noch viel mehr schoss durch ihren Kopf, als sie plötzlich gepackt und auf die Wangen geküsst wurde. Bevor es allerdings ihre Lippen traf, stieß sie eine Mahnung aus, um genau das zu verhindern. Schon zweimal hatte sie es bei ihm ihrerseits versucht, war enttäuscht worden... und verspürte auch keinen Bedarf mehr danach.
Und auch wenn er daraufhin die Hände beschwichtigend anhob, gelang es ihm mit seinen Worte ein weiteres Mal ihren Zorn zu schüren. Trotzdem setzte sie ihr lieblichstes Lächeln auf, als könne sie kein Wässerchen trüben. "Welche Wange war es denn?", säuselte sie. "Das Missgeschick würde gerne auch die andere bedienen!" Um daraufhin die Maske wieder fallen zu lassen.
Sie verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle sie diese betonen und ihn daran erinnern, dass er schon mal zu lange und ausgiebig gegafft hatte. Schon wollte sie ihm weitere Widerworte geben, als er sie auf etwas aufmerksam machte, dessen sie sich gar nicht bewusst gewesen war.
Ihre Wangen färbten sich tiefrot und sie wandte rasch den Blick ab. "Da wärst du der Erste...", nuschelte sie in sich hinein, peinlich berührt ob des Umstandes, dass sie sich dadurch hätte verraten können. Nein, er sollte auf gar keinen Fall erfahren, wo ihre eigentlichen Wurzeln lagen!
Wie gut, dass er einen anderen Vorschlag hatte, sodass sie ihm folgen konnte. Auf dem Weg jedoch verspürte er das Bedürfnis, den Faden von vor den Zügen wieder aufzunehmen, sodass sie murrend die imaginäre Luft ausstieß. Warum konnte er ihr nicht einfach das letzte Wort lassen, wie es bei einem Funken Anstand das Gebot der Stunde gewesen wäre?
Leicht schüttelte sie den Kopf und deutete ein Augenrollen an. "Und trotzdem haben Söhne ein viel größeres Mitspracherecht, einen größeren Aktionsradius und sobald sie ihr eigener Herr sind, jegliche Freiheit, die sie begehren. Ganz gleich, ob zur See, zu Land,... zu Schlafgemächern anderer Frauen!", hielt sie unbeeindruckt dagegen. Alles Dinge, die sie und auch ein paar andere gleichaltige Adelstöchter, zu Teilen oder zur Gänze selbst getan hätten.
Nun ja, bis auf die Sache mit den anderen Frauen. Wobei... bei Amalia war sie sich damals nicht ganz sicher gewesen und wenn sie an ihren eigenen Kuss mit der Elfe dachte... Eine zarte Röte erschien in ihren Wangen, als sie die Erinnerung daran lieber verdrängte.
"Außerdem dürft ihr Söhne wenigstens herausfinden, was euch in der Hochzeitsnacht und während der Ehe erwarten sollte, um die Zeugung der Erben auch tatsächlich zu bewerkstelligen.", platzierte sie ihren nächsten Vorwurf in Bezug auf die Ungerechtigkeit in der Erziehung adeliger Kinder.
Daraufhin zuckte sie mit den Schultern und machte eine gelangweilte Miene. "Selbstverständlich kenne ich die Traditionen. Es wäre schließlich eine meiner Aufgaben gewesen zu überwachen, dass meine künftigen Söhne sich auch daran halten, wenn ihr Vater nicht zugegen sein kann." Unerheblich davon, was sie davon halten mochte, denn alles andere hätte eine Art von Gerede erzeugt, dass sie sich wohl kaum geleistet hätte. Um ihres eigenen Rufes willen, als auch wegen jenem ihrer standesgemäßen Kinder, die sie nun niemals haben würde.
Dann traf er allerdings seinerseits einen wunden Punkt bei ihr. Azura zuckte zusammen wie unter einem Peitschenhieb und blieb kurz sogar stehen. Schließlich schüttelte sie den Kopf und folgte ihm wieder, wobei sie beschloss, ihm gewiss nicht noch einmal ihre Herzensangelegenheiten zu offenbaren. Damit er nicht erneut darauf herumtrampeln könnte und mit gemeinen Bezeichnungen bedenken könnte. "Oh ja, man folgt freiwillig einer Person, die einen schikaniert, quält und fesselt!", entrüstete sie sich entsprechend.
Fügte jedoch leiser und ehrlicher hinzu:"Dass er mir nicht gleichgültig ist, hat andere Gründe." Und wollte sie dazu auch nicht sagen.
Endlich hatten sie ihr derzeitiges Ziel erreicht, sodass dieses Gespräch auch ein Ende fand. Sie trat zu dem Spiegel und musste an sich halten, ihn nicht zu berühren, so sehr verlangte es sie, ihren Liebsten spüren zu können. Stattdessen bekam sie ein Szenario zu sehen, das sie zuerst zu Tränen zu rühren drohte und schließlich erschreckte, dass sie zurück wich.
Er hielt sie auf und seine Worte drangen nur mühsam zu ihr durch. "Was...?", entfuhr es ihr und sie wandte tatsächlich einen Moment lang ihren Blick zu ihm, sah zu ihm hoch und schien kaum glauben zu können, was er erzählte.
Dann seufzte sie leise, befreite sich und schaute wieder zum Spiegel. "Ich wollte ihn... euch... von mir erlösen, nicht ihn quälen...", wisperte sie und hielt inne.
Eine Idee formte sich in ihren Gedanken, die sie sowohl beflügelte, als auch leicht ängstigte, falls sie nicht umsetzbar wäre. Aber... nein, es gab kein Zögern, sie musste es einfach tun! Instinktiv sank sie in die Knie, falls sie schwächeln würde, um nicht aus zu großer Höhe zu fallen. Dann schloss sie die Augen und konzentrierte sich, flehte Ventha um Beistand an und stellte sich so detailgetreu wie möglich vor, was passieren sollte. Dabei musste sie alles um sich herum ausblenden, sodass sie nicht darauf achtete, was um sie herum geschah oder gesprochen wurde.
Rasch beschlich sie das Gefühl, dass es funktionierte. Wie genau und in welchem Ausmaß, damit konnte sie sich jetzt noch nicht befassen, es hätte ihre Konzentration gestört. Ebenso die Frage, die direkt neben ihr gestellt wurde, sie einen winzigen Moment aus dem Konzept brachte. Vielleicht war das der Grund, dass es nicht ganz so klappte, wie sie es gewollt hatte.
Stattdessen zog etwas an ihr, schien einen winzigen Teil aus ihrem geschaffenen Körper heraus zu lösen, dass es gehörig ziepte, nahe an der Schmerzgrenze, bis es sich plötzlich gelöst hatte. Im selben Augenblick verließ sie die Kraft und sie kippte zur Seite, gerade noch rechtzeitig aufgefangen, um nicht zu stürzen.
Stöhnend lag sie in den starken Armen und war einige Sekunden lang nicht fähig, etwas anderes zu tun, als sich der Schwäche hinzugeben. Sie war machtlos dagegen, dass er sie zu dem Stuhl brachte und dort hinein setzte. Erst jetzt war sie langsam wieder in der Lage daran zu arbeiten, dass sich ihre Lider anheben konnten.
Dennoch konnte sie nicht entkommen, als er ihre Wange tätschelte. "Nicht...", murmelte sie verwaschen und hätte zu gern den Kopf weggedreht. Allein, ihr fehlte die Kraft dazu.
So plapperte er weiter auf sie ein, während sie sich Stück für Stück zurück zu kämpfen hatte. Und auch bei den Lebenden entstand keine Pause. Nachdem sie die Augen endlich geöffnet hatte, brauchte sie noch kurz, um auch wieder klar sehen zu können.
Als erstes bemerkte sie, wie der Kapitän neben ihr vergebens sein Haar zu bändigen versuchte. "Definitiv wirkungslos.", hauchte sie noch recht schwach, aber immerhin schon etwas deutlicher als noch zuvor. Ihr Blick flackerte leicht und wanderte schließlich zu dem Spiegel.
Hatte sie es geschafft? Was hatte sie geschafft?
Der Dunkle sprang auf und beugte sich zu ihr, die eine Träne im Augenwinkel hatte. Azura seufzte gequält, weil sie versagt hatte. Wobei... nein, nicht ganz, immerhin! Trotzdem... "Ach, Corax...", seufzte sie und hätte ihm so gerne noch weitere Botschaften übermittelt. Doch dafür war sie definitiv zu schwach! Stattdessen fühlte sie, wie ihr für sie reale Tränen in die Augen stiegen und ihr die Sicht zu verschleiern drohten.
Langsam deutete sie ein Kopfschütteln an und schloss die müden Lider erneut. "Mei... meine... Magie... und Bitte an... Ventha...", flüsterte sie mit belegter Stimme verspätet auf seine Fragen hin. Es kostete sie so viel Mühe, ihre Augen zu öffnen und ihn nun direkt anzusehen.
"Bist du... magisch... begabt?", sprach sie direkt ihren nächsten Gedanken aus und hatte derzeit keine Kraft für irgendwelche Geplänkel oder sonstige Umschweife. Vielleicht kein ganz so schlechter Umstand...
Ein leises, kaum hörbares Schnauben entkam ihr bei einem anderen, ebenfalls naheliegenden Gedanken. "Oder wenn... wenn sie das nächste Mal... bei dir liegt... sei typisch... Mann!" Zu früh gefreut, sie hatte ihre stichelnde Art doch wieder gefunden.
Indes geschah im Spiegel so einiges, das sie kaum sehen, hauptsächlich nur hören konnte, weil der Kapitän so vor ihr stand, dass er ihr den Blick darauf verwehrte. Der ihre fiel nun schief auf ihn bei seiner letzten Frage. "Ich habe Was...sermagie in mir. Willst du, dass... ich vertrockne?", hielt sie dagegen und deutete ein Kopfschütteln an.
In diesem Moment fiel, mal wieder, ihr Name. Sie blinzelte leicht, denn irgendwie klang es... seltsam, drängend und nicht mehr so wie zuvor, als er zu ihrem schlafenden Körper gesprochen hatte. Und da sie sich allmählich erholte, neigte sie sich ein wenig zur Seite, um an ihm vorbei linsen zu können.
Was sie sah, sorgte nicht nur dafür, dass sich ihre Augen weiteten und sie leise ächzte, nein. Innerhalb kürzester Zeit entfuhr ihr ein weiterer, absolut unflätiger Fluch. Was war jetzt schon wieder geschehen? Wieso stand sie dort, direkt vor Corax und war... lebendig?! Hätte sie noch einen Herzschlag besessen, so wäre dieser wohl ihr letzter gewesen.
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 558
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 29. Oktober 2022, 22:53

Der Schreck saß ihr noch in den Gliedern, weil sie glaubte, Corax verlor so sehr den Mut, dass er Azura erlöste, wie er es sagte. Für Madiha gab es diese Möglichkeit gar nicht. Bisher hatte sie nicht darüber nachgedacht, dass sie sich quälen könnten. Dass man ihnen keinen Gefallen tat, sie so zu lassen. Ihr Blick lag auf Caleb, wie er scheinbar friedlich schlief. Dann schluchzte Corax und ihr Blick glitt wieder zu dem Raben. Madiha erhob sich langsam und verzog mitleidig das Gesicht. Sie hatte ihre Trauer gezeigt. Hatte das Zerreißen ihres Herzens offenbart, sodass jedem klar sein musste, was Caleb ihr in Wahrheit bedeutete. Doch Corax hatte das all die Tage nicht getan. Er war stets zur Stelle, half und arbeitete, bemühte sich um Routine und ein mutig gerecktes Kinn. Doch er überlebte nur. Madiha erkannte es an den bebenden Schultern vor ihr, ehe sie sich zu ihm kniete und sanft ihre Hände auf ihn legte, um ihm Halt zu geben. Er erstarrte und sofort flüchtete er sich in sein Sklavendasein. „Verzeih mir, Herrin ... das ... solltest du nicht sehen. Mir geht es ... gut.", doch Madiha glaubte es nicht. Sie wusste einfach, dass es nicht so war. Denn sie fühlte sich ganz genauso. Das Mädchen rutschte dichter, beteuerte für ihn und für sich, dass sie zurückkehren würden. Was Corax‘ Dämme einriss und ihn endlich einmal aufbrechen ließ. Sie tröstete ihn sanft streichelnd und schloss die Augen. Als sie sie wieder öffnete, blickte sie über Corax‘ Kopf hinweg zu Caleb. Auch ihr flossen stumm die Tränen, den Schmerz immer mit sich tragend und stets bemüht, nicht ständig neue Tränen zu vergießen. Madiha drückte Corax noch etwas mehr an sich, zeigte ihm, dass er weinen durfte und dass sie das Los mit ihm teilte. "Das tue ich nicht, aber was können wir denn unternehmen? Schau sie dir an, Herrin!", stieß er aus, als sie ihn bat nicht aufzugeben. Azura und damit irgendwie auch Caleb aufzugeben. Sie wollte ihm begreiflich machen, dass sie es allein nicht schaffen konnte. Doch bevor sie weitersprechen konnte, erstarrte der Rabe und sie ließ ihn wieder los. „Was ist?“, fragte sie und folgte seinem Blick. Madiha klappte der Mund auf als sich eine Träne zu bilden begann. Langsam kam sie auf die Beine und starrte regelrecht auf das Wunder, welches ihnen zuteilwurde. "Sie hört uns", kam es von Corax und Madiha’s Herz begann wie wild zu klopfen. Konnte das etwa sein? War es etwa möglich, dass sie sie hörten? Aber… wie? Sofort schnellte ihr Kopf zu Caleb und sie machte zwei Schritte auf ihn zu. Sie wollte prüfen, ob er auch eine Reaktion hervorbrachte, doch schnell musste sie feststellen, dass sich bei ihm nichts tat. Sie ließ die Schultern hängen und schluckte ihre Hoffnung wieder hinunter. Madiha wandte sich langsam, doch noch mal einen Blick zu Caleb werfend, um ja nichts zu verpassen, wieder Corax zu und kehrte zu Azura ans Bett. „Wie kann das sein?“, fragte sie leise und beobachtete ihn danach schweigend, wie er zu ihr sprach. “Ich liebe dich“, hauchte er ihr zu und Madiha entfernte sich rücksichtsvoll etwas. Die Träne hatte sie aufgewühlt. Sie gab Corax den Moment, den er derzeit brauchte und stand erneut hoffnungsvoll vor Calebs Bett. Sie prüfte jeden Zentimeter seines Gesichts, in stiller Erwartung, dass auch er ihr zeigte, dass da noch etwas war… Madiha schloss die Augen und holte langsam Luft. Sie musste weiter durchhalten. Sie durfte nicht aufhören zu hoffen… Auch wenn das wohl das schwerste war, was sie bisher durchgemacht hatte. Trotz ihres zweifelhaften Lebenslaufs.

"Du bist wach", riss Corax sie aus ihren Gedanken und sie wandte sich fragend zu ihm um. „Hm?“, hakte sie wortlos nach und runzelte die Stirn, als er sich vor ihr auf die Knie begab. Unsicher blickte sie ihn an, schon sprudelten seine Worte hervor: "Herrin, ich ... weiß nun, wie du mir eine Freude machen könntest. Du musst es nicht tun, wenn ... ich weiß, ich sollte überhaupt keine Wünsche äußern. Aber du bist eine gute Herrin und du hast mir schon einmal einen gewährt." Madiha blinzelte und musste erstmal den gedanklichen Sprung zu diesem Thema machen. Sie war ein wenig überrumpelt, dass ihm gerade jetzt etwas einfiel, sodass sie nur nickte, dass er raus mit der Sprache kam. Er griff nach ihren Händen und Madiha spürte die sanfte Wärme seiner, die ihre Finger neu belebte. Erstaunt sah sie kurz abgelenkt darauf, bevor sie sich aber wieder auf Corax und seine Bitte konzentrierte: "Herrin, ich sag ihr jeden Tag, dass ich sie liebe. Damit sie es hört, aber ...Es kostet Kraft, wenn es nicht erwidert wird, egal wie. Sie ... hat mir schon einmal gesagt, dass sie mich liebt. Ich weiß bis heute nicht, ob es eine Lüge war, aber ... selbst wenn, dann möchte ich diese Lüge noch einmal hören. Einmal nur noch. Würdest du?" plötzlich stand er vor ihr, hatte sich erhoben und begann sie zu berühren. Madiha starrte Corax fragend an und verstand nicht recht. Wollte er, dass sie ihm die Worte sagte? Das… das ging nicht! Aber sie hatte ihm etwas versprochen. Wollte sie es nun brechen? Madiha zögerte lange, denn sie war wirklich überfordert damit. Doch damit nicht genug: Corax berührte sie an ihrem Hals, sodass sie die alte Angst aufflammen spürte und einen Schritt zurücktreten wollte, auch wenn sie nicht glaubte, dass er ihr jetzt etwas antun würde. Er wollte etwas von ihr, sie verstand nur nicht. Bis sie den Blick auf ihre Hände richtete und… sie kaum sehen konnte. Auch fehlte das einfache Hemd. Madiha starrte mit großen Augen auf das, was jede Frau neidisch werden ließ. Ihr Atem beschleunigte sich und sie entdeckte eine rote Haarsträhne, auf ihrem Dekolleté. Sie hatte nie eines besessen! Das Wüstenkind schluckte, doch die Kehle fühlte sich anders an. Auch hatte sie das Gefühl, etwas größer zu sein, denn ihre Perspektive hatte sich mit einem Mal verschoben. Ihr Herz raste, dann schob sie ihre Hände vor, um sie zu betrachten. Fein und gepflegt waren sie. Ein zarter Hautton, ganz anders als das Bräunliche, welches sie kannte. „Was hast du…“, entkam es ihren sinnlichen Lippen und ihre eigene Stimme, erschreckte Madiha zu Tode. Sie taumelte zurück und starrte Corax an. „Was hast du getan?!“, stieß sie aus und wurde von ihm zurückgehalten, denn er hielt noch immer ihre – nein, Azura’s! – Hände. "Nur einmal. Lüg mich nur noch einmal an ... bitte ... Azura." Madiha starrte auf ihn nieder und sank in die Knie zurück. Sie betrachtete den Raben, der sie so sehr bat, etwas zu tun, was niemals ihre Aufgabe wäre. Madiha bebte innerlich. Sie sollte etwas sagen, was sie selbst nicht geschafft hatte? Sie sollte Corax das sagen, was sie Caleb sagen sollte? Und was sie nicht mehr konnte, weil er sich kurz, bevor sie den Mut dazu gefunden hatte, in die Fluten gestürzt hatte um eben jene Frau zu retten, die bisher nichts als Kummer bereitet hatte? Die sie herablassend und überheblich behandelt hatte? Madiha wollte nicht in ihrer Haut stecken. Sie hatte keinen Bedarf daran, dass zu spüren, zu erleben und zu sehen.
Ihr Herz pochte und das Kleid kratzte sie überall, obwohl es wie eine zweite Haut passte. Doch da waren die roten, großen Augen, die sie flehend ansahen. Madiha presste die Lippen aufeinander. Ihr Gesicht zeigte Unwohlsein und sie rang mit sich. Dann öffnete sie die Lippen wieder und holte zitternd Luft. „Corax…“, begann sie und schloss die Augen. „Corax… glaub‘ mir, ich kenne mich mit diesen Dingen nicht aus… Ich… niemals habe ich so etwas gesagt. Niemals erfahren.“, flüsterte sie mit Azura’s Stimme und sank auf ihre Unterschenkel zurück. Die Hacken piekten ihr in den Hintern, doch sie blieb bei der Sache: „Ich will dir deinen Wunsch erfüllen – wenn ich es könnte. Aber… aber es wäre nicht echt, es wäre nicht mal eine Lüge…, weil… weil ich nicht sie bin.“, flüsterte sie ihm zu und zog die Augenbrauen zusammen. Sie deutete auf die schlafende Azura. „Sie ist echt… und sie hat dir eine Träne geschenkt, als Zeichen ihrer… Liebe für dich.“, sprach sie weiter und griff nun sein Gesicht. Madiha nahm sie zwischen ihre Hände und blickte dem Raben in die Augen. „Sie hat es erwidert… sie hört dir zu und … sie hat es erwidert! Worte sind nicht wichtig, schätze ich. Aber das da…“, sie deutete abermals auf die Träne, „das ist es... Halte dich daran fest.“, meinte sie leise und lächelte mit ihren Lippen. Daraufhin hielt sie kurz inne, bevor sie sich vorneigte und ihn umarmte. An seinem Ohr murmelte sie ein zartes „Sie liebt dich…“, bevor sie ihn drückte und sich von ihm wieder löste.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 30. Oktober 2022, 10:08

"Welche Wange war es denn?"
"Die linke Seite", erwiderte Caleb und wenn Azura genau hinschaute und sich konzentrierte, konnte sie Spuren eines Handabdrucks auf seinen halb durchsichtigen Zügen erkennen. Corax' Hand. Wie sehr sie sich danach sehnte, dass er sie berührte und in seinen Arm zog. Längst hatte sie erkannt, dass ihre Reaktion etwas zu ... konsequent war und sie bereute es. Sie wollte aber aus diesem Fehler lernen können. Die Zeit im Palast half ihr dabei schon, denn sie konnte sich über einige Dinge ihres Lebens Gedanken machen. Doch bekäm sie auch die Chance, diese neuen Erkenntnisse anders umzusetzen als bisher?
Manche Dinge würden jedoch gleich bleiben. "Das Missgeschick würde gerne auch die andere bedienen."
Caleb stöhnte auf und rollte mit den Augen, ehe er zu Azura schaute. "Du willst manche Dinge wohl auch falsch verstehen. Die Stuation war ein Missgeschick. Ich habe nicht dich damit gemeint. Du warst..." Er stockte. Sein Blick huschte flüchtig zu ihrer Oberweite, die von der Bluse glücklicherweise verdeckt wurde. Nur die Erinnerung keimte kurz auf, aber lang genug, dass er verlegen blinzelte, den Blick in eine andere Richtung schickte und sich wie so oft eine Hand in den Nacken schob. Nach einer Weile erwiderte er: "Das wäre wahrscheinlich sogar gerechtfertigt - die Ohrfeige, meine ich." Er wartete. Als nicht sofort eine flache Damenhand auf ihn zuraste, setzte er mit Azura den Weg gen Spiegel fort.
Dort sollte ein kleines Wunder geschehen. Azura gelang es tatsächich, Kontakt mit den Lebenden aufzunehmen. Zwar erreichte sie nicht alles, was sie sich vorgenommen hatte, dennoch genügte es ein Zeichen zu setzen. Und Corax hatte es gesehen! Leider schwächte es sie, schien gar einen winzigen Teil ihrer Seele als Grundlage zu verwenden und ihr zu nehmen. Ob sich das regenerierte, wusste sie nicht. Sie fühlte sich lediglich erneut sehr ausgelaugt und kippte zur Seite. Caleb fing sie rechtzeitig auf, setzte sie in den Lehnsessel. Er war sehr bequem, wie alles im Palast. Das Kissen unter ihr fühlte sich fast so sanft an wie Calebs Hand, die ihre Wange tätschelte. Es schmerzte nicht, störte nur. Sie war schließlich nicht bewusstlos! Als Azura genuschelte Gegenwehr leistete, endete es glücklicherweise. Dafür löcherte Caleb sie mit Fragen.
Rasch stellte sie klar, dass es ihr nur Dank Venthas Gabe möglich gewesen war. Seinerseits hakte sie bei Caleb nach, ob er Magie wirken konnte und warnte ihn, dass ein erneuter Einsatz ihrer Wassermagie sie wohl gänzlich austrocknen könnte. Er erhob sich daraufhin, da Azura in dem Sessel sicher saß. "Dann solltest du etwas trinken. Ich hole dir Wasser."
"Bist du ... magisch ... begabt?" Caleb lachte auf. "Nein, ich bin ein Stein. Unbegabt wie ein Stück Holz in der Hinsicht. Madiha kann es aber. Leider hatte sie keine Chance, es zu lernen und meine Idee, sie in eine Akademie zu stecken, war ... nicht die Beste." Caleb kratzte sich mit zwei Fingern den Nacken. "Ich würde ihr auch so gern eine Botschaft zukommen lassen..."
"Wenn sie das nächste Mal ... bei dir liegt ... sei typisch .. Mann!", riet Azura ihm und beiden war klar, was sie meinte. Caleb brachte dieser Vorschlag allerdings gehörig aus dem Konzept. "W-wie soll ich denn...?" Seine Augen, welche auch im Jenseits von einem intensiven Grünblau geprägt waren, huschten zu Azura. Sie verweilten nicht lange auf ihrem Gesicht, sondern wanderten zu ihren Brüsten herunter. Ihre Nacktheit hatte einiges bei ihm bewirkt und hier war nicht nur davon die Rede, dass ihre sanften Knospen ihm die Sprache verschlugen ließen. Er schnappte nach Luft, obwohl er nicht atmen musste und wandte rasch den Kopf ab. Seine Wangen glühten ... nicht nur hier. In der Lebendwelt lag Caleb im Bett und zeigte ein Zeichen. Für einen ausgebeulten Schritt reichte es nicht, Azura war immerhin noch angezogen. Aber die Erinnerung an ihre Schönheit zauberte eine angenehme Röte auf seine Wangen. So lag er da, friedlich schlummernd und verlegen.
In der Welt zwischen Leben und Tod verhaspelte er sich immer mehr mit den eigenen Worten. Ihm war warm und er fuhr sich gleich mehrmals durch die Haare. "Ich ... äh ... Wasser ... ich bring dir Wasser! Das klingt gut ... dann bleibst du schön ... feucht ... oh, ihr Götter! I-ich bin ... ohje..." Ohne noch einmal einen Blick in den Spiegel zu werfen rauschte er davon. Es würde ein Weilchen dauern, denn Caleb hatte die Küche des Palastes in all den Tagen nicht einmal aufgesucht. Ihm war weder nach Essen noch Trinken zumute gewesen. Er brauchte hier auch beides nicht zu tun. Es brachte ihm höchstens eine Form von Genuss ein.
So verpasste er allerdings auch, was sich im Spiegel abspielte. Azura konnte es sehen. Sie sah ... sich selbst. Corax hielt ihre Hände, blickte sie an und bat darum, dass sie ihn noch einmal anlog. Sie wusste, was er sich wünschte. Als er bei der hässlichen Zwergenfrau mit der großen Nase im Fieber lag und glaubte, sterben zu müssen, hatte er sie angefleht, sie möge ihm ein LIebesgeständnis machen. Es war ihm gleich gewesen, ob sich dahinter echte Gefühle verbargen oder nicht. Es war das Letzte, was er von ihr hatte hören wollen. Etwas, das er hatte mitnehmen wollen. Wieviel es ihm bedeutet hatte, zeigte sich nun, da er es als einzigen Wunsch äußerte, der ihm eine Freude machen würde - selbst wenn es nur eine Lüge wäre. Aber war es das? Azura müsste sich wohl selbst einmal Gedanken dazu machen.

Derweil kämpfte Madiha in der Gestalt der Adligen damit, dem bittenden Blick des Dunkelelfen standzuhalten. Es lag so viel Sehnsucht und Flehen in den Rubinen, dass sie in Tausend Facetten funkelten und erneut zu Tränen rühren konnten. Eine Seele, die nie geliebt worden war, klammerte sich an jede noch so kleine Form der Zuneigung und lebte sogar von einer Lüge. Selbst diese gab ihm Hoffnung. Er wusste doch, dass nicht Azura vor ihm saß und trotzdem ... es wäre ihm genug, weiterzumachen.
Aber Madiha konnte es nicht tun. Sie hatte diese besonderen Worte niemals über die eigenen Lippen gebracht. Ihre Chance, es zu tun, hatte sie verpasst durch den Freitod der Frau, deren Gestalt sie nun trug. Sie konnte es weder aus vollem Herzen dem Mann sagen, für den sie diese Gefühle entwickelte, noch konnte sie es einem Mann vorlügen. Es schmerzte sie, erneut ein Versprechen brechen zu müssen, nachdem sie glaubte, Dunia allein durch ihre Gefühle zu Caleb ein Stück weit zu verraten. Daran gewöhnte man sich auch nicht. Noch ehe sie sprach schien Corax es aber bereits zu wissen. Kummer, aber auch Verständnis legten sich in seinen Blick. Es war ein winziger Funke Hoffnung auf ein Stück Freude, das in ihm keimte und das Madiha nun mit so viel Erde überschüttete, dass es Zeit brauchen würde, ehe er überhaupt nochmal ein Pflänzchen sprießen lassen konnte. Wenn die richtige Azura nicht erwachte, würde das kleine Samenkorn im Boden verdorren.
Azuras Augen, die nun Madiha gehörten, schlossen sich, wo ihre Lippen sich öffneten. Nicht für einen Kuss, sondern für Worte: "Ich will dir deinen Wunsch erfüllen - wenn ich es könnte. Aber ... aber es wäre nicht echt, es wäre nicht mal eine Lüfe, weil ... weil ich nicht sie bin."
"Ja, ich weiß", entgegnete er. Er wusste es vorher schon, war trotzdem bereit gewesen, darauf einzugehen. "Es funktioniert nicht." Wenigstens hatte er Einsehen und würde weder sich noch Madiha damit quälen, einer Lüge eine noch größere aufzusetzen. Doch war es gelogen? Madiha glaubte nicht daran. Sie verwies auf die Träne am Auge der echten Azura. Ein Zeichen der Liebe. Daran sollte Corax festhalten. Er schaute zum Bett. Kurz darauf fand er sich in Azuras Umarmung wieder. Der Illusion einer Azura, die er Madiha auferlegt hatte. Trotzdem tat es gut, ihre gewohnten Formen zu spüren, die Körperwärme und ihre Stimme als sanftes Wispern an seinem Ohr wahrzunehmen. Er winselte.
Sie liebt dich..."
"Und ich liebe dich, Azura. Ich vermisse dich so sehr", gab er unglücklich zurück. Dieses Mal brach er aber nicht wieder in Tränen aus. Das hatte er hinter sich, jede Nacht seit dem Unglück. Jedes Mal leise für sich. Auch bei ihm versiegte die Quelle irgendwann. Wenn sie nur seinen Kummer mitnehmen könnte.
Auf einmal spürte Madiha wie seine Finger sich von ihr lösten und weich über ihr Gesicht strichen, von der Stirn zu ihrem Hals. Sie fühlte sich nicht mehr groß, nicht mehr so ... üppig, sondern klein und dürr und vernarbt und ... wie sie sich kannte. Doch als sie sich zurücklehnte, hielt sie nicht Corax in den Armen, sondern...

"Das bin ja ich! Wie ... was ... hä?" Caleb brachte nicht nur ein Glas Wasser. Er kam mit einem ganzen Essenswagen voller Leckereien, einer Karaffe, Gebäck und sogar Wein zurück. Jemand hatte eine Rose in eine Glasvase gestellt, um noch etwas mehr Farbe ins Spiel zu bringen. Der Kapitän ließ den Wagen neben Azuras Lehnsessel stehen und blickte in den Spiegel. Er sah sich, wie er Madiha umarmte, die sich nun langsam von ihm löste. Aber er sah sich auch weiterhin im Bett liegen mit roten Wangen. Im Jenseits war die Farbe längst verblasst. In der Lebendwelt hielt sie sich, gleichermaßen wie die Perlenträne im Augenwinkel der schlafenden Azura.

Es war Caleb. Er hielt sie. Madiha sah in sein lebendiges Gesicht. Sie sah seinen Blick, der ihr grünblau entgegen schimmerte. Sie sah den Anflug eines verschmitzten Lächelns, das nur darauf wartete, sich auszubreiten. Sie erkannte die wachsenden Bartstoppeln, die Strähnen, welche ihm in die Stirn fielen. Sie roch ihn. Aber sie wusste auch, wer es in Wirklichkeit war.
Corax in Calebs Gestalt berührte ihre Wange. "Ich hab es erfahren. Ich kann es sagen, wenn du möchtest. Ich kann dir ein wenig Kraft schenken, wenn du sie brauchst." Calebs Lippen kamen ihr nahe, so schrecklich nahe. Es fehlten nur wenige Millimeter. Wenn sie ihre spitzte...
Sein Atem berührte sie, als er hauchte: "Ein Wort nur und ich werde dich glücklich machen - für den Augenblick."

"Oh, Elflein, dafür hast du dir auch eine Ohrfeige verdient", knurrte ein Caleb in der Zwischenwelt. Er trat an den Spiegel und konnte sich nicht zurückhalten. "Wir liegen da in den Betten und ... und ..." Er gab einen Laut der Verärgerung von sich, griff sich in die Haare und strich sie nach hinten. Dann wandte er sich ab, marschierte zum Lehnsessel, wirbelte herum und trampelte wieder auf den Spiegel zu. "Wehe, du bist nicht zärtlich zu ihr, du kleiner Bastard! ... Sei nett! Es muss eine gute Erinnerung sein, sonst ... Ouh, was macht er nur. Corax! Hörst du mich? Lass es sein, ja? Du solltest das nicht tun, sondern..." Caleb stockte. Etwas fiel von ihm ab. Er atmete durch, obgleich er nicht musste. "Ich sollte es sein, der ihr endlich Glück bringt. Weil ich es sein will..." Langsam nun wandte er sich wieder dem Lehnsessel zu. Er winkte auffordernd, dass Azura ihm Platz machen mochte. Wenn nicht, ließ er sich auf einer der Armlehnen nieder.
"Ich geb dir jetzt eine Chance für eine ganze Tirade an Ohrfeigen, in Ordnung? Nein, nein, lass mich ausreden. Lass - mich - ausreden!" Er hob einen Finger an. "Diese typisch Mann Sache ... das könnte funktionieren, oder? Es würde zumindest gut gesehen und ... äh ... ja ... allein bekomme ich das wohl nicht ... also nicht, solange sich nicht jemand ... was ich meine ... ohweh, gleich pfefferst du mir eine - halt! Erst ausreden lassen, verstanden?" Caleb räusperte sich. Hochrot, dass es erneut in die Welt der Lebenden überschwappte, bat er Azura: "Würdest du dich erneut ausziehen, damit ich ... du weißt schon ... für Madi? Danach kannst du mich gern windelweich prügeln. Nehm ich in Kauf. Und fluchen kannst du auch wie ein andunischer Apfelbauer! Wär mir sogar recht. Du gefällst mir besser, wenn du das hochnäsige Gehabe des Adels ablegst und einfach ... du bist. Ohne Zwänge." Er schob beide Hände in den Nacken und blickte zur Decke. Es war ihm unendlich peinlich, aber was machte man nicht alles für die Frau des Herzens. "Und ... ohne Kleidung. Du bist 'n hübsches Missgeschick. Da, jetzt hab ich's gesagt! Du machst mich schon ... warm ... also ... körperlich. An Madi kommst'e nicht ran, nur ... ich kann sie schlecht bitten, sich jetzt auszuziehen - vor Corax! Der aussieht wie ich! Dann ging's vielleicht? Oh, heilige Ventha, Mutter der Meere, hilf! Dieses Mal steuere ich mein Kamel in den tiefsten Wüstensand aus purer Scheiße, den ich mir vorstellen kann!" Und er grinste dabei auch noch hoffnungsvoll.
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 30. Oktober 2022, 11:49

Als er ihr gestand, wo Corax ihn getroffen hatte, sah sie hin und glaubte tatsächlich Umrisse erkennen zu können. Es verstärkte die Sehnsucht nach dem Mann, von dem dieses Zeichen stammte, sodass sie an sich halten musste, um ihre eigene Hand nicht auf die Wange des Kapitäns zu legen, in dem unsinnigen Versuch, etwas von dem anderen dadurch spüren zu können.
Doch dann war ihr die nächste Bemerkung schon über die Lippen gekommen, denn sie hatte diese einfach nicht zurückhalten können... wollen. Bei seiner genervten Reaktion lächelte sie zuckersüß und blinzelte, als wäre sie vollkommen unschuldig an der Wendung seiner Laune. Es tat ihr schlichtweg zu gut, dass sie ihn nerven konnte, nachdem er sie mit Leichtigkeit zornig zu machen verstand.
Ob das daran lag, dass er ein Kerl war? Oder an seinem Charakter? Corax hatte schließlich auch ein Händchen dafür. Lautlos seufzte sie bei dem Gedanken an ihre Auseinandersetzungen, die sie ebenso vermisste.
Indes ging der Männerblick zu ihrem Vorbau und sorgte dafür, dass ihr Lächeln schwand und einem skeptischen Augenbrauenheben weichen musste. Schließlich verschränkte sie sogar die Arme vor der Brust, als ihr das Starren schon wieder zu lange dauerte, so kurz es auch gewesen sein mochte, bis er betreten zur Seite sah.
"Oh, nicht nur wahrscheinlich.", konterte sie erstaunlich ruhig und fast so, als müsse er mit einer nächsten Attacke rechnen. Nur... Nein, nicht jetzt, das war nicht der richtige Moment dafür und würde ihr bei weitem nicht jene Genugtuung bringen, als wenn sie abwarten würde. Es war nicht vergessen, lediglich aufgeschoben.
Ohnehin war gerade anderes wichtig, sodass sie ihm folgte und einen Blick in die Welt der Lebenden werfen konnte. Das, was sie sah, nahm sie innerlich so stark mit, dass sie sich Venthas Segen anvertraute und all ihre Kraft opferte für ein winziges Zeichen ihrerseits. Es funktionierte! Nicht ganz so, wie sie es gern gehabt hätte, aber... es war besser als nichts! Allerdings verlor sie dadurch auch ein Stückchen von sich, hatte sie das Gefühl. Welches es genau gewesen war, wusste sie nicht, ebenso wenig wie die Tatsache, ob sie es jemals zurück erhalten würde. Jedoch... das war es definitiv wert gewesen!
Trotzdem war sie derart schwach, dass sie seine Hilfe annehmen und sich in den Sessel setzen lassen musste. Wobei sie ihre Zeit brauchte, während der er auf sie einplappern und tätscheln konnte. Was nicht gerade half... oder vielmehr doch, denn dadurch kratzte sie ihre Reserven zusammen, um sich dagegen zu wehren. Bei seinem Vorschlag vom Trinken deutete sie ein schwaches Nicken an und schickte auch eine gänzlich andere Frage hinterher.
Bei seiner Antwort nickte sie erneut leicht und seufzte dann, was beinahe wie ein wehmütiges "Akademie..." klang. Oh, sie wäre auch gerne an solch einen Ort gegangen, hätte sich dort mit ihrer Magie beschäftigt und allerhand gelernt! Das war schließlich auch für adelige Töchter nicht verboten!
Ihre Schwäche hingegen, sobald sie zu viel mit dem Wasser spielte, hatte verhindert, dass ihre Mutter dieses Risiko erlaubt hatte. Sie war ja schon als Kind beinahe daran gestorben, wie wäre das dann erst, wenn sie gezielt ihre Grenzen hätte überschreiten müssen! Somit war ihr diese Option verwehrt geblieben und sie hatte sich damit begnügen müssen, heimlich und allein nach Gefühl damit zu spielen.
Ihr derzeitiger Gefährte hingegen war unbegabt, somit musste es eine andere Lösung geben, sollte er tatsächlich ein Zeichen senden können. Was sie ihm nun vorschlug, war eigentlich eher abfällig und spöttelnd gemeint gewesen. Dass er es ernst nahm... Woher sollte sie das denn wissen, dass er trotz allem derart einfach gestrickt war?!
Sie warf ihm einen misstrauischen Blick zu, seufzte erneut und deutete ein Kopfschütteln an. Er hingegen nahm bereits wieder Augenschein von ihrem Körper, wenngleich dieser in eher schlichter Kleidung steckte und nicht zusätzlich vorteilhaft betont wurde. "Männer!", murrte sie dabei und verdrehte die Augen.
Und schon begann er wieder zu stammeln, redete sich selbst um Kopf und Kragen... und suchte am Ende das Weite. War wirklich besser so! Azura sah ihm kurz nach, ehe sie den Kopf schüttelte und zurück zum Spiegel blickte... um sich dort selbst zu sehen, lebendig und vor Corax stehend! Ihr entfuhr ein weiterer Fluch, vor allem, als sie auch noch hören musste, was er sich wünschte.
Ihr krampfte sich das Herz zusammen bei der Aussicht darauf, dass die Göre das erfüllen könnte. Allerdings... tat sie es nicht. Nein, sie entzog sich diesem Sehnen, redete anderweitig auf ihn ein und schließlich... akzeptierte er es. Dennoch hatten sich die Hände der echten Azura zu Fäusten geballt und sie knirschte leise mit den Zähnen. "Will ich dir auch geraten haben!", fauchte sie und erweckte den glaubhaften Eindruck, dass man sie sich lieber nicht zum Feind haben wollte.
Dies hielt an, bis er den Zauber wieder auflöste. Doch anstatt, dass es jetzt vorbei wäre, wurde er auf einmal... anders! In diesem Moment tauchte auch der echte Kapitän wieder auf, mit viel zu viel auf einem Essenswagen. Die junge Frau warf ihm einen skeptischen Blick zu, wer das alles essen sollte, ehe sie nach der Karaffe griff und mit leicht zitternden Fingern ein Glas für sich füllte.
Dann zog sie die Beine auf den Sessel, stellte eines auf, schlug das andere unter und konnte das Handgelenk, in dessen Hand sie das Behältnis hielt, bequem dort abstützen, nachdem sie davon getrunken hatte. Zugleich verbarg ihr Rock fast vollständig weiterhin die weiße, seidige Unterwäsche, die sie trug. "Er zaubert wieder.", erklärte sie schlicht zu dem Umstand der Wandlung. Auch ihr gefiel nicht, was sie nun zu hören bekam, sodass sie die Lippen fest aufeinander presste.
Solange, bis der Mann neben ihr es zunichte machte. Abrupt für ihr Kopf zu ihm rum und sie funkelte ihn mordlüstern an. "Untersteh dich, ihn anzurühren!", zischte sie und beobachtete, wie er herum zu tigern und zu reden begann.
Sie hingegen saß ruhig da, hatte sich lediglich klein gemacht, obwohl es durchaus bequem war, und wartete ab. Es fiel ihr nicht leicht, aber sie hatte keine andere Wahl. Die Schwäche war bei weitem noch zu groß und außer diesem winzigen Tropfen hatte sie ohnehin nichts bewirkt.
Zwar gönnte sie der Göre dieses kleine Glücksgefühl nicht, nachdem sie es bei Corax verschmäht hatte, doch sie hatte keine Macht darüber, es zu verhindern. Viel lieber wäre es ihr ohnehin gewesen, wenn ihr Rabe gar nicht erst auf diese Idee gekommen wäre! Der Kapitän mochte ja gut aussehen und wäre ihr Herz nicht schon vergeben, sie könnte sich durchaus vorstellen, wie eine Ehe mit ihm hätte verlaufen können, wenn er nicht solch ein Drückeberger gewesen wäre. Jedoch wollte sie ihren Liebsten bevorzugt in eigener Gestalt beobachten.
Plötzlich hörte das Herumtigern auf, der Mann vor ihr wurde ganz ruhig, schien einen Entschluss zu fassen... und drehte sich schließlich zu ihr um. Mit fragend erhobenen Brauen, das Glas weiterhin in den feingliedrigen Fingern, sah sie ihm entgegen, als er sich ihr näherte und zu ihr auf die Armlehne setzte. Selbstverständlich machte sie ihm keinen Platz auf der Sitzfläche. Als ob sie mit ihm kuscheln wollen würde, pah!
Und dann begann er zu sprechen, formulierte seine Idee und hätte sich damit viel mehr Schläge, Beschimpfungen und sonst was verdient, als er auch nur ahnen mochte! Doch anstatt gleich aufzubrausen und ihm an die Gurgel zu gehen, blieb Azura vollkommen ruhig. Stille Wasser sind tief... ein Sprichwort, das sie schon immer geschätzt hatte.
Ihr Blick glitt zum Spiegel und in diesem Moment fasste sie einen Entschluss. "Du willst meinen Körper also nutzen, für deine Zwecke.", stellte sie verdächtig ruhig fest, nahm einen letzten Schluck und stand auf.
Im Vorbeigehen gab sie dem Mann einen Schubs, dass er gemäß ihres Plans auf die Sitzfläche rutschen sollte, während sie das Glas mit einem betont langsamen und obendrein unnötigen Vorbeugen auf dem Wägelchen abstellte. Einen Moment gönnte sie ihm den Blick auf ihr Hinterteil, das sich unter dem Rock andeutungsweise abzeichnete, ehe sie sich wieder aufrichtete und zu ihm zurück kehrte.
"Du willst bestaunen, was du einst nicht haben wolltest... für dich... für dein Liebchen... und für mich, die dich dann windelweich prügeln darf, nicht wahr?", raunte sie weiter mit einem Hauch Verruchtheit in der Stimme. Die Hände legte sie rechts und links auf die Armlehnen, weit genug weg von ihm, um ihn nicht versehentlich zu berühren, sollte er nicht gezielt und schnell nach ihr greifen.
Langsam beugte sie sich vor und gewährte ihm einen Einblick in ihr Dekolleté, ohne direkt blank ziehen zu müssen. "Und kränken soll ich mich nicht, weil du mich zwar begehrst, aber in Wahrheit niemals so wertschätzen würdest wie sie, hm?", fuhr sie in diesem Timbre fort, das seine Sinne erst recht erregen sollte.
Sie kam ihm näher, langsam und unaufhaltsam, bis sie mit ihrem Gesicht dem seinen ganz nahe war. Leicht öffnete sie ihre sinnlichen Lippen, sah auf die seinen und rückte noch etwas vor, als wolle sie ihm doch noch einen Kuss rauben. "Nackt willst du mich sehen, ja? Was aber, wenn das nicht reicht? Was käme dann als nächstes? Mich berühren, mich streicheln, mich kosten, bis ich seufze und mich winde? Mich an dich schmiege, mich an dir reibe? Oder mich gar vor dich setze und dir zeige, wie ich mich selbst berühre?", fuhr sie weiter fort, mit immer rauchigerer Stimme.
Ganz gemächlich senkte sie sich, tat, als würde sie gegen seine Lippen ausatmen, ohne zu wissen, ob es hier eine Luft gab, die sie dadurch erwärmen und gegen ihn pusten konnte. "Oder wäre es dir nicht lieber, wenn ich dich streichle und kose, bis du Erlösung findest?", sponn sie das nächste Bild, um es in seinen Kopf zu pflanzen, während sie sich senkte und zurück zog, als wolle sie entweder mit ihren Spitzen seinen Schoß streifen... oder mit ihrem Mund vollbringen, was sie gerade angedeutet hatte.
Die Spannung stieg, die Luft schien zu kribbeln und wäre seine Bitte nicht derart skandalös gewesen... oder säße vor ihr ein anderer, dunklerer Mann, es hätte sie selbst durchaus erregen können. So allerdings...
Azura wartete, zählte innerlich bis drei, warf ihm dabei einen lasziven Blick von unten zu, um ihm noch mehr einzuheizen. Bis sich ihre Miene plötzlich verfinsterte, sie sich abdrückte und vor ihm mit vor der Brust verschränkten Armen aufrichtete. "Träum weiter, van Tjenn! Mich siehst du nicht mehr entblößt!"
Damit wandte sie sich um und wollte davon stapfen, konnte jedoch nicht der Versuchung widerstehen, einen letzten Blick in den Spiegel zu werfen. Wie weit Corax wohl inzwischen gegangen war? Was die Göre alles zugelassen hätte? In ihrem Magen bildete sich ein unangenehmer Knoten, der sie dennoch nicht an diesem suchenden Blick hinderte.
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 558
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 30. Oktober 2022, 15:00

Madiha hätte nicht ahnen können, was Corax von ihr verlangen würde. Sie hatte zwar nicht zu ergründen gewusst, was der Rabe überhaupt erfreuen würde, denn dafür kannten sie sich ohnehin nicht gut, dich das, was er nun anstellte, entsetzte sie dennoch. Madiha wollte gewiss nicht in der Haut von Azura van Ikari stecken. Nicht eine Sekunde lang, denn sie war es, die ihr Caleb genommen hatte. Und sie war es, die sich nicht einen Millimeter bewegt hatte, wenn es darum ging, ihre Schmerzen zu lindern. Sie war hochnäsig, überheblich und Madiha hatte rein garnichts mit ihr gemein. Dementsprechend fühlte sie sich äußerst unwohl, als sich Corax dazu hinreißen ließ, sie in eben jene Adelige zu verwandeln. Doch Madiha steckte in diesem Körper. Der durchaus üppig gebaut war und sie immer wieder daran erinnern musste, was Männern gefiel und was sie selbst nicht bieten konnte. Sie war schlussendlich nicht wegen ihren Attributen in den Harem gekommen. Sie wuchs darin auf und die jahrelange Mangelernährung unterband jedwede Veranlagung, die hätte entstehen können. Doch es reichte, wenn die Lust zu groß wurde und vor ihren Narben hätte sie durchaus auch als attraktiv gelten können. Volle Lippen, große, helle Augen und eine lange, dunkle Haarpracht. Madiha war zwar schmal, aber trotzdem fraulich gewesen. Bis man ihr die Nahrung entzog und sie für einige kleinere und größere Trotzanfälle und Gehorsamsverweigerungen zurechtwies. Seit dem war sie dürr geworden, hatte den Glanz verloren, den sie hätte haben können. Ihre Haare vielen ihrem Weg zum Opfer, um nicht aufzufallen und die Narben… Caleb war dabei gewesen, als man ihr diese zugefügt hatte. Als sie den Schmerzen entkräftet hatte nachgeben müssen und er kurz darauf aus den Zellen entlassen worden war. Am nächsten Tag, war er jedenfalls nicht mehr da, als sie wieder wachwurde. Danach sah sie erst bei Dunia wieder… Dunia. Madiha spürte erneut das schlechte Gewissen, denn Corax würde von ihr nicht erhalten, was er sich so wünschte. Wie könnte sie denn auch? Madiha hatte noch nie so etwas empfunden. Nie hatte ihr jemand auch nur etwas Liebevolles entgegengebracht und dass sie nun bei Caleb ein wahres Chaos verspürte, führte auch dazu, dass sie nicht einfach so etwas aussprechen konnte, was so… neu und rein war. Es gehörte ganz ihr. Doch sie bemühte sich, dem Raben den Kummer etwas zu lindern.

Nicht so, wie er erhoffte, aber dich ehrlich und wahrhaftig davon ausgehend, dass das was sie mit ihrem bescheidenen Wissen erkennen konnte, auch der Wahrheit entsprach. Das Mädchen drückte Corax und wisperte ihm ins Ohr, bevor sie sich von ihm zurückzog. Sie versuchte mit fremden Lippen zu lächeln, doch waren es kurz darauf wieder ihre eigenen. Madiha atmete erleichtert aus und nickte ihm zu. Es war gut so. Doch plötzlich zuckte sie zurück, denn vor ihr saß nicht Corax. Es war Caleb. Mit geweiteten Augen blickte sie ihn an und unnötigerweise sah sie zum Bett, zum echten Caleb als müsse sie sich vergewissern, ob es nicht doch der echte wäre. Ihre Aufmerksamkeit kehrte wieder zu Corax zurück. Madiha betrachtete das Gesicht ihres Wüstendiebes und tastete mit ihren Augen jede Nuance ab. Er beherrschte es so gut… machte die Illusion so perfekt… Madiha’s Herz klopfte wie wild in ihrer Brust, wenn sie die blaugrünen Augen ansahen und er ihr so nahe war, wie es der echte Calev bisher nur ein mal gewagt hatte. Madiha erinnerte sich an die Situation, in der er ihr versprach, dass sie jemandem wichtig wäre… dass sie nie daran zweifeln sollte. Ihre Lippen öffneten sich bebend und die Stimme lullte ihren Körper ein. “ Ich hab es erfahren. Ich kann es sagen, wenn du möchtest. Ich kann dir ein wenig Kraft schenken, wenn du sie brauchst.“, hauchte er ihr entgegen und ihr Herz setzte für einen Moment aus. Madiha hielt wie erstarrt still, als er ihr noch näher kam. In ihren Ohren rauschte die Sehnsucht nach dieser Nähe. Sie wollte es, ohne, dass sie bisher wusste wie sehr. Er war ihr so schrecklich nahe. Sie roch seinen typischen Geruch und ihr Atem beschleunigte sich automatisch. Wenn sie sich nur einen Millimeter bewegen würde, dann würde sie wissen, wie es wäre… wie seine Lippen schmeckten, wie es sich anfühlte, wenn die Lippen mit Hingabe und Gefühl die ihren liebkosten. Sie würde verstehen, warum es alle Welt tat. Warum es einigen so wichtig war, könnte erkennen, dass ihre Gefühle erst ein Anfang wären… dass es auch anders ging. Madiha hatte den Atem angehalten und kurz bewegte sich ihr Körper, zuckte nach vorn und hätte es beinahe zugelassen. Doch anstatt, dass ihre Lippen seine trafen hob sie ihre Hand an und legte diese auf die Versuchung. Sie schloss die Augen und lehnte ihre Stirn gegen die Illusion. Ihr rann stumm eine Träne über die Wange. „Du… bist nicht er…“, flüsterte sie erstickt und dennoch fiel es ihr schwer, sich dieses Mal nicht der Illusion einfach hinzugeben. Der Verlockung zu folgen, um endlich zu verstehen, was es war, das sie so angezogen wurde von Caleb. Einfach zu tun als wäre er es... um ein wenig Frieden zu finden, ein wenig Mut zu schöpfen..
Madiha lehnte noch immer mit der Stirn gegen das Gesicht von Corax-Caleb und presste die Augen zusammen. „Ich… ich hebe es mir auf… ich will es bewahren.“, flüsterte sie, denn auch für sie wäre es das erste Mal, dass es von ihr ausginge. Dass sie es wollte. Das erste Mal, gehörte ihr etwas und sie entschied, was sie damit tat. Es war ihr kostbarster Besitz, ihr einziger Besitz und diesen würde sie hüten, bis es den richtigen Moment gab. Wenn es ihn je gab…
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 30. Oktober 2022, 19:06

Die Versuchung war so unendlich groß, vor allem weil Corax es verstand, andere nahezu perfekt zu imitieren. Er konnte sogar die Illusion von Calebs Geruch erzeugen. Ob seine Lippen gleich schmeckten. Sie waren Madiha so nah. Sie spürte die Wärme seines Atems, als er ihr das Angebot machte. Sich fallen lassen, einen Moment lang all die Sorgen vergessen und dafür kennen lernen, was wahre Freude bedeutete. Eine Freude, die Corax sich gewünscht und die Madiha ihm hatte verwehren müssen. Nun saß er hier und bot ihr die Möglichkeit. Caleb hatte vielleicht nicht einmal etwas dagegen. Der Dunkelelf tat es wohl kaum mit dem Hintergedanken, sie erobern zu wollen. Er liebte Azura und ... er fühlte sich nach wie vor verpflichtet, Madihas Bedürfnisse zu stillen. Er war ihr Sklave.
Dass dies der Grund war, erkannte sie, als sie ihm die Hand an die Lippen legte und so verhinderte, der Verführung zu verfallen. Er wirkte weder enttäuscht noch unglücklich, im Gegenteil. Kaum dass sie ihre Erklärung abgegeben hatte, verwandelte er sich zurück und in seinem Blick lag dankbare Erleichterung. Er wollte das nicht tun und dennoch kam niemals ein Wort des Widerstands von ihm. Er verweigerte ihr den Dienst nicht, den sie niemals von ihm verlangt hatte. Er bot es an, weil er es gewohnt war. Weil er erwartete, dass es von ihm erwartet wurde. Sein Leben lang. Und jetzt hatte er eine Herrin, die Ähnliches kannte. Im Gegensatz zu ihm hatte sie sich von diesen Diensten und auch diesem Denken endlich befreien können. Für Corax war der Schritt größer und nicht sicher, ob er ihn je würde gehen können. Madiha konnte ihm nur entgegenkommen, indem sie eine Ausnahme bildete und seine Erwartungen zerstreute. Sein Blick war diesen Aufwand wert.
"Herrin..." Es lag so viel Dankbarkeit in seiner Stimme, dass er es mit anderen Worten nicht beschreiben konnte. Wäre dieses Gefühl Liebe gewesen, das Kind der Wüste hätte Azura ernsthaft Konkurrenz machen können. Stattdessen aber knüpfte sie ein enges Band der Loyalität, das Corax sich nur allzu bereitwillig anzulegen schien. Er berührte sie. Er griff an ihre Hüfte und schob einen Arm in ihre Kniekehlen, ehe er sie anhob. Er trug sie, so wie Caleb Frauen trug - auf beiden Armen. Azura besaß als einzige das Privileg, sich wie ein Kartoffelsack zu fühlen! Behutsam gar brachte Corax das Mädchen Richtung Bett. Dort legte er sie neben Caleb ab, der noch immer rote Wangen besaß. Der Elf bemerkte es nicht. Sein Körper lag im Schatten und außerdem schaute er ohnehin nur halbherzig hin. Dafür nickte er Madiha zu.
"Schlafenszeit. Lass uns morgen einfach weitermachen wie immer." Sein Kopf fuhr herum und er schaute zum anderen Bett hinüber. Beinahe war es so, als glitzerte die Träne ihm spielerisch zu. "Sie hört zu. Dann ... hat sie wohl auch keine Angst, wenn sie aufwacht. Ich schätze, ich schlafe heute mal nicht auf dem Boden." Er wandte sich ab, schlich zum Bett hinüber und schaute zunächst auf Azura herab. Er streckte die Hand nach der Träne aus, wollte sie zärtlich aus dem Augenwinkel wischten. Da kullerte sie ihm in die Handfläche. Es war wirklich eine Perle, entweder aus Glas oder Kristall. Sie schimmerte ganz zart bläulich, als Corax sie ins Licht der Laterne hob. Wortlos schloss er seine Hand darum. Er besaß nichts, um sie aufzubewahren. So schuf er in seiner anderen Hand erneut den Dolch. Dann zog er Azura die Decke zurück und schnitt. Man hörte es kaum, als er einen Teil ihres Ärmels vom Rest der Bluse trennte. Es reichte gerade, um die Träne hineinzulegen. Jetzt fehlte nur noch etwas, das Säcklein zu verschnüren. Erneut schnitt Corax. Er entfernte Azura eine lange Strähne ihres Haares, dick genug, dass er darauf ein Band flechten konnte. Das tat er, auch wenn es noch etwas Zeit kostete. Dabei saß er still auf der Bettkante, verlor kostbare Schlafenszeit, doch wollte er nicht riskieren, die Tränenperle zu verlieren. Sobald es getan war, band er die Kordel aus Haar um das Säckchen und hing es sich um den Hals. Erst dann schob er seinen Körper zu Azura unter die Decke, legte sich dicht neben sie und seufzte. Es tat so gut, bei ihr zu sein, selbst wenn sie es nicht erwidern konnte. "Ich ... dich ..." Er zögerte. "Beischlaf." Zufrieden damit, ihr auch die Liebe auf Garmisch gestanden zu haben schmiegte er sich dicht an ihren Hals, küsste dort ihre Haut und legte einen Arm um sie. "Meine Schöne..." Mit diesen Worten schlief er langsam ein.
Wo Corax aber zur Ruhe kam, begann sich andernorts etwas zu regen...

"Du willst meinen Körper also nutzen, für deine Zwecke."
"Wenn es einen einfacheren Weg gäbe, der keine furienhafte Prügelei nach sich zieht, würde ich ihn wählen, glaub mir. Aber..." Caleb war inzwischen hochrot. Er schluckte und kratzte sich den Nacken. Azuras Blicken wich er konsequent aus. "Ich weiß nicht, wie er sonst..." Oh, diese Unschuld! Wahrscheinlich hatte der alte Mann, der er war, sich in seinem ganzen langen Leben nicht einmal selbst angefasst. Er war so weit entfernt von Azuras Klischeebild eines adligen Grünschnabels, dass es beinahe süß wäre ... hätte es nun nicht bedeutet, sie um Stimulation zu bitten. Wenigstens griff er nur darauf zurück, ihren nackten Körper noch einmal sehen zu wollen. Weiter müsste sie nicht gehen, aber das war bereits schon weit genug. Azura konnte nun von Glück sprechen, dass sie in einer weniger behüteten Umgebung aufgewachsen zu sein schien. Schlüpfrige Geschichten machten unter adligen, jungen Frauen schneller die Runde als eines ihrer Taschentücher bei den Galanen. Ständig wurde getuschelt. Man tauschte die schmutzigsten, kleinen Geschichten aus und versuchte zu ergründen, mit welchen Mitteln man einen Mann um den Verstand bringen konnte, ohne auch nur einen Millimeter Haut zeigen zu müssen. Worte, ein lasziver Blick oder ein passend gesetzter Schmollmund bewirkten Wunder. Auch die Art und Weise wie man zu ihnen sprach konnte helfen, dass sie einem aus der Hand fraßen und Azura hatte es stets genossen, diese Methoden ausgiebig anzuwenden, um reichlich Geschenke und Bewunderung einzuheimsen. Am Ende hatte sie jeden Mann doch noch immer abgewiesen. Jeden außer Corax, aber der hatte sich von ihren Spielchen auch kaum verleiten lassen. Wie auch, als Eunuch? Dennoch ... in den heißen Quellen und als sie sich bei der Zwergin umgezogen hatte, da war er ihr durchaus sehr bereitwillig nahe gekommen. Fast so von seinem Schritt getrieben wie jeder andere Mann auch. Jetzt wollte sie diesen typisch männlichen Instinkt bei Caleb wecken und zwar ohne seiner Bitte wirklich nachzukommen.
Sie schickte ihn in den Lehnsessel, in dem er auch überrumpelt landete. Er drückte sich gar dicht in das Polster, als sie sich mit beiden Händen auf den Armlehnen abstützte und vorbeugte. Seine halbgeisterhaften Wangen glühten. Er wollte das doch, warum hatte er nun solche Angst?! Aber er atmete bereits gepresst, flacher, so wie Azura es von vielen jungen Männern kannte, denen sie eine nackte Schulter oder ein süßes Aufstöhnen geschenkt hatte, weil ihr Tachentusch in ihren Ausschnitt gerutscht war. Caleb ließ sich noch leichter manipulieren. Es weckte beinahe einen spielerischen Reiz bei ihr.
"Und kränken soll ich mich nicht, weil du mich zwar begehrst, aber in Wahrheit niemals so wertschätzen würdest wie sie, hm?"
"Ich .." Caleb schluckte. "Du bist wunderschön, aber Corax hängt sehr an dir. Ich erlaube mir gar nicht erst das Risiko, mir nochmal eine von ihm zu fangen." Caleb verstummte. Er fand auch kaum noch die Stimme, um zu antworten. Azura war ihm so nahe und sie schaute so verrucht, sprach noch verruchter. Er spannte sich an, leckte sich über die Lippen. Ohja, auch seine Instinkte kamen nicht an ihr vorbei. Er begehrte sie und vielleicht hätte er sich auch wertschätzen gelernt, möglicherweise mehr noch als das Gör in der Lebendwelt, wenn er Corax nicht respektieren würde. Irgendetwas zwischen den Männern hatte sich verändert. Anfangs hatte Caleb in dem Elfen schließlich nur einen Mörder gesehen. Mittlerweile aber ... Nein, sie durfte sich jetzt nicht zu sehr auf ihren Raben konzentrieren, sonst würde auch in ihr die Sehnsucht nach Nähe wachsen und vielleicht in einer unbedachten Kurzschlussreaktion enden. Keine, die ihren Tod herbeiführte, aber im schlimmsten Fall fände sie noch heraus, wie es sich anfühlte, sich mit einem Geist - waren sie und Caleb denn schon welche? - zu vereinen.
Oh, sie durfte nicht ihre eigenen Gelüste siegen lassen. Die Aufgabe war somit auch für sie nicht ganz leicht. Trotzdem gelang es ihr, den Kapitän einzulullen. Sie spürte seine Anspannung. Umso überraschter musste sie sein, als sie an seinem Körper entlang strich, ohne ihn zu berühren und auf Höhe seines Schrittes gar keine Ausbuchtung fand. Reichte es etwa doch nicht aus? Musste sie sich wirklich entblättern? Mit verschränkten Armen richtete sie sich auf. "Träum weiter, van Tjenn! Mich siehst du nicht mehr entblößt!"
"Ist auch nicht ... nötig ... bin gleich ... ohja ..." Er legte den Kopf zurück und seufzte genüsslich. Seine Wangen waren hochrot, aber das war auch schon alles. Keine sonstigen Anzeichen von Erregung und bei ihm hätte man es wohl sehr gut gesehen, wenn Azura dem Gespräch beider Männer und ihrer Erinnerung an diesen mächtigen Rammbock von damals Glauben schenken konnte. Doch da war nichts. "Und nenn ... mich nicht so ... das ... bewirkt nur das Gegenteil ... ouhhh...!"

Sofern einer der beiden einen Blick in den Spiegel werfen würde, bekämen sie zu sehen, welche Wunder Azura mit so wenig Körpereinsatz eben doch bewirken konnte. Die Toten waren tot, die Zwischenweltler ... schickten gewisse Dinge an ihre Körper weiter. Calebs Geist mochte in Tods Domäne erregt sein, sein Leib befand sich aber noch unter den Lebenden ... und dieser reagierte. Wo Madiha nun bei Caleb im Bett lag und möglicherweise seine geröteten Wangen und sogar eine Gänsehaut auf seinen Armen entdeckt haten könnte, würde ihr gewiss auch der Mast auffallen. Schließlich hob er die Bettdecke ein ganzes Stück an, so kerzengerade wie er sich darunter aufgerichtet hatte. Er bebte sogar leicht, als wäre ihm kalt.
Da öffneten sich die Lippen des Schlafenden, um mehr als einen Atemzug zu entlassen.
"M...di....aahhhrrr..." Jetzt würden sie mindestens eine neue Hose für ihn brauchen.

"Madihaaaaaaaahhhhhhhrrrrr!!!!", keuchte und stöhnte Caleb in seinem Lehnsessel, als er sich leicht aufbäumte, das Becken vorstreckte und sein Körper in der Lebendwelt den Höhepunkt vollzog, den er im Reich zwischen Leben und Tod nicht vollbringen konnte. Erschöpft, aber sichtlich glücklich sank er in die Polster zurück. Obwohl er nicht atmen musste, hob und senkte sich seine Brust heftig. Der Blick wirkte fiebrig verklärt, was zum dümmlichen Lächeln passte, das er aufgelegt hatte. "Will zurück", nuschelte er im Rausch seiner Leidenschaft. "Lass uns'n Schachspiel ... schnell ... gewinnen ... ouh, ich muss zurück zu ihr... Danke. Azura van ikari ... Wunderbringerin." Er war eben doch ein typischer Mann. Vor allem ein unschuldiger, typischer Mann. Langsam hob er den Kopf an, konnte den Spiegel aber nicht wirklich sehen. "Hat's ... funktioniert?"
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 30. Oktober 2022, 20:02

Es reichte scheinbar noch nicht, dass sie voller Sehnsucht war und mit einer gewissen Eifersucht zusehen musste, wie ausgerechnet die Göre ihrem dunklen Raben nahe sein konnte, während sie hier in dieser Zwischenwelt festsaß. Nein, jetzt musste sie sich auch noch eine unerhörte Bitte anhören, fußend auf einen Vorschlag ihrerseits, der eigentlich ein Scherz sein sollte.
Gedacht dazu, ihn zu verlegen zu stimmen, als dass er ihr weiter auf den Geist gehen konnte. Im wahrsten Sinne des Wortes... Er hingegen nahm es ernst und... wollte es auch umsetzen! War das zu fassen?!
Doch so leicht machte sie es ihm nicht. Pah, das wäre ja noch schöner! Nein, sie hatte etwas ganz anderes vor, um ihn um den Finger zu wickeln und dafür zu sorgen, dass er noch lange an sie denken würde. Daran, was er einmal ausgeschlagen und somit nie wieder bekommen würde.
Dabei kannte sie jedoch kein Mitleid mit seiner Schüchternheit, mit dem hochroten Gesicht, mit seiner... Unschuld. Gerade er als Mann! Für sie kaum vorstellbar, dass ein Mann wie er derart unverdorben sein sollte.
Da war sie von einem ganz anderen Schlag. Selbst vor Corax war sie bis zu einem gewissen Maß neugierig darauf gewesen, hatte sich für alles Verbotene, Verruchte interessiert und es sich zugleich natürlich romantisiert vorgestellt. Sie hatte aber auch gerne gespielt, herauszufinden versucht, wie sie einen Mann am leichtesten um den Verstand bringen könnte. Ohne natürlich, dass man ihr Schamlosigkeit unterstellen könnte. Das kam ihr jetzt zugute, als sie ihn von der Lehne in die Fläche schubste und sich dann so vor ihm aufbaute, dass er einen vorteilhaften Blick auf ihre einst samtene Haut besaß, jedoch nicht vor ihr flüchten konnte.
Seine Reaktion fiel aus, wie von ihr beabsichtigt, und das gab ihr den Antrieb, diesen Weg weiter zu verfolgen, da er Erfolg versprach. Er wirkte, als müsse er sich beherrschen, nicht sofort zu explodieren, während seine Stimme mehr als gepresst klang. Sie machte einen kleinen Schmollmund, ehe sie sich kurz auf die Unterlippe biss und ihm einen herausfordernden Blick zuwarf.
"Selbstverständlich ist es nur die Furcht vor neuerlichem Schmerz, der dich zurück hält. Der verhindert, dass du mich um viel mehr bittest, mich berühren zu dürfen, meinen Körper zu spüren, eng an dich geschmiegt, nicht wahr?", lockte sie ihn weiter und verbot sich dabei jeglichen Gedanken an den Mann, mit dem sie das am liebsten wieder getan hätte. Unerheblich davon, ob daraus jemals ein Kind würde entstehen können.
Allein eine Umarmung von ihm wäre für sie gerade schon das höchste der Gefühle! Doch sie durfte sich nicht ablenken lassen, um nicht in Versuchung zu geraten, den Kapitän anzuspringen und sich Ersatz zu holen, der sie danach umso leidender und sehnsuchtsvoller zurück lassen würde, gepaart mit einem absolut schlechten Gewissen Corax gegenüber. Dabei war das gar nicht so leicht, wie sie mit leisem Ärger feststellen musste.
Dieser Mann vor ihr, mit dem knallroten Gesicht und der Haltung, als wolle er sofort aufspringen und vor ihr davon laufen, weil sie ihn sonst fressen würde, war ebenfalls attraktiv. Er war groß, gut gebaut, besaß ein angenehmes Timbre und auch das, was er in der Hose hatte... Aber vor allem wäre gerade verfügbar! Und dennoch, sie würde sich hüten, diesen Fehler noch einmal zu begehen, es auch nur ernsthaft versuchen zu wollen. Nein, jetzt wollte sie ihm anderes einpflanzen in seine Gedanken und Vorstellungen, etwas, das viel nachhaltiger als eine schnelle Ohrfeige für all seine Frechheiten wäre.
Also riss sie sich zusammen und verfolgte ihren Plan weiter. Sie tieb es bis zum Höhepunkt, wobei sie nicht ahnte, wie nah er diesem tatsächlich allein dadurch schon war, ehe sie das Ganze abrupt beendete und ihm verdeutlichte, dass er sich seinen Wunsch in die Haare schmieren konnte.
Womit sie nicht rechnete, war indes seine Reaktion. Ihre Augenbrauen zuckten in die Höhe und sie gab einen tadelnden Laut von sich, ehe sie sich von ihm ab- und dem Spiegel wieder zuwandte. "Oh, ich könnte mir noch ganz andere Bezeichnungen für dich einfallen lassen!", drohte sie ihm.
Im nächsten Moment erschauderte sie unwillkürlich und hatte das Gefühl, als berührten sie weiche Lippen in ihrer Halsbeuge. Sie keuchte beinahe lautlos auf und fasste sich unbewusst dorthin, als könne sie so diese Empfindung festhalten. Dabei fiel ihr Blick auf Corax, wie dieser sich an sie kuschelte und nach einem Flüstern bei ihr einschlief.
Sie spürte, wie ihr die Tränen zu kommen drohten, während hinter ihr ein lautes Stöhnen erklang, das ihr die Kehle zuschnürte. Keuchend sank er in ihrem Rücken zusammen, während sie die Kränkung, dass er dabei nicht ihren Namen genannt hatte, noch gar nicht bei ihr angekommen war. Stattdessen kämpfte sie gegen das beinahe übermächtige Gefühl der Sehnsucht nach ihrem Raben an, das sie inzwischen sogar erzittern ließ.
Der Kapitän schien davon nichts mitzubekommen. Er lallte vor sich hin, glückselig und berauscht, als wäre er betrunken. Und steigerte damit ihren Tränenfluss in der Zwischenwelt.
Sie fühlte sich wie erstarrt, unfähig, die Augen von diesem Bild, wie Corax sich an sie schmiegte und sie scheinbar zusammen friedlich schliefen, nicht abwenden, obwohl es ihr beinahe das Herz zerriss. Solange, bis hinter ihr eine Frage erklang. Mit tränennassen Wangen warf sie ihm einen anklagenden Blick über die Schulter hinweg zu.
"Sieh doch selbst!", fuhr sie ihn an, ehe sie schluchzend aus dem Raum stürmte. Sie konnte nicht mehr, es war ihr viel zu viel geworden, all diese Puzzelstückchen zusammen taten zu weh, als dass sie sich diesen weiterhin stellen konnte. Also flüchtete sie, mal wieder. Wenngleich dieses Mal nicht in die kalten Fluten der See, um zu sterben, sondern hinaus in den Garten.
Es mochte dunkel sein, das war ihr gleich. Sie kannte den Weg, den sie wählen wollte, und fand sich wenig später auf jener Bank neben der Falkenvolière wieder, auf denen sie den Großteil der letzten Tage verbracht hatte. Schluchzend zog sie die Beine an, schlang die Arme darum und verbarg ihr Gesicht darin, während das sanfte Plätschern des Wassers des Brunnens vor ihr die Hintergrundmusik bildete.
"Ich war so dumm... so unsagbar dumm... Oh, Ventha, hilf mir! Ich weiß doch nicht mehr weiter! Er fehlt mir so...", murmelte sie verzweifelt ihre Gedanken, die ihr in diesen Momenten des Leids die Brust zuschnürten und ihr in dieser Welt nicht schlagendes Herz umklammerten.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 30. Oktober 2022, 22:55

Azura:
Caleb war definitiv kein Mann, dem man auch nur ansatzweise blaues Blut zuschreiben würde, aber er besaß auch keinen noblen Stammbaum. Sein Vater hatte sich in den Adel gekauft. Das bedeutete zwar, dass er sich auf seinem Gebiet einen Namen gemacht hatte - welchem auch immer, denn daran erinnert Azura sich beim besten Willen wirklich nicht. Allein dafür musste man ihm wohl Respekt zollen. Das galt aber nicht automatisch auch für den Sohn, erst Recht nicht, wenn dieser sich als Drückeberger entpuppte. Und trotzdem erwies Caleb sich auf der grundlegendsten Ebene ebenso gleich wie alle anderen Männer, jedenfalls aus Azuras Sicht. Er ließ sich so leicht um den Finger wickeln, es war fast zu einfach. Und auch wenn es seinen Reiz besaß, so würde ein Grünschnabel wie er sie doch nicht so wunderbar verführen können wie es ihr Rabe getan hatte. Azura konnte zwar selbst nicht von Erfahrung sprechen, aber umso wichtiger war es, wenn ihr Gegenpart das Zepter zu führen wusste - ganz gleich wie groß es war. Sie sehnte sich nach ihm, was ihren Blick zurück zum Spiegel schweifen ließ. Die Sehnsucht wurde erwidert. Es brach ihr fast das Herz, als sie Corax sehen konnte, wie er sich an ihren Leib schmiegte. Sie glaubte gar, seine Küsse zu spüren, wie eine sanfte Erinnerung an all die Zärtlichkeiten, die er ihr bisweilen auch geschenkt hatte. Sie musste zugeben, sie hatte beides sehr genossen: seine liebevolle Seite gleichermaßen wie die vielen Neckereien zwischen ihnen. Die Sehnsucht übermannte sie schließlich so sehr, dass sie das Bild nicht mehr ertrug. Sie floh. Caleb schaute ihr mit verklärtem Blick nach. Ihm ging es noch viel zu gut, als dass er jetzt irgendeinen Finger rühren wollte und wer wusste schon, was sich noch entwickelte, sollte Madiha das Eigenleben seines besten Stückes entdecken.
Azura würde das nicht mitbekommen. Ihre Füße leiteten sie in den Garten hinaus. Die Nacht war sternenklar und somit auch kalt, aber sie spürte es nicht. Sie war tot - so gut wie. Sie empfand keine negativen Gefühle dieser Art. Warum schmerzte es aber dann nur so, Corax zu sehen? War Liebeskummer denn etwas Gutes? Sie wusste nicht, wie die Götter, der Tod oder sonst irgendein höheres Wesen es definierte. Alles, was sie sagen konnte, war, dass sie sich ins Leben zurück wünschte. Zurück an die Seite ihres widerlichen Schuftes, der ohne sie alles andere als widerlich war. Von Kummer tief erfüllt ließ sie sich bei ihrer einstigen, anderen Liebe - den Falken - nieder. Diese schliefen um die Zeit, so dass sie weder das Rauschen ihrer Flügelschläge noch deren Krächzen venahm. Lediglich das Plätschern des nahen Springbrunnens erfüllte die Luft, zusammen mit den Aromen von reifenden Äpfeln und Zierbüschen, an denen seltsamerweise zugleich auch Rosen blühten. Irgendwo in der Ferne war der Ruf einer Eule zu hören, so dass man den Eindruck gewinnen konnte, Manthala befände sich in der Nähe.
Tatsächlich fiel auch plötzlich ein Schatten auf die Verstorbene. Dann umschmeichelte sie dunkler Rauch. Es war nicht Manthala. Sie spürte nämlich nun doch einen Frost, der ihr Unbehagen bereitete. Gevatter Tod lehnte die Sense an den Rand des Springbrunnens, ehe er sich bei Azura niederließ. Hätte er Seufzen können, so wäre es wie ein Totenklagen durch die Nacht gedrungen.
"Hallo", grüßte er zunächst, schlug unter der Kutte die Knochen übereinander und richtete dann den Stoff, der doch nur aus Finsternis zu bestehen schien. "Ich bin ein furchtbar schlechter Seelsorger, das muss ich dir vorab mitteilen. Glaube mir, ich habe es schon versucht. Meistens werde ich missverstanden, aber mein Geselle ist da auch ... speziell. Obwohl auch du den Hang dazu besitzt, manche Dinge aus Aussagen heraus hören zu wollen, die gar nicht so gemeint sind." Es knackte, als Tod die knochigen Schultern anhob. "Mir ist es gleich. Das ist im Grunde auch nichts, womit ich mich beschäftige, aber so langsam muss ich wohl doch einschreiten. Caleb und du seid gestorben. Das muss dir bewusst sein. Ihr seid nur noch nicht vollends tot, weil noch immer gespielt wird." Der offene Teil seiner Kapuze drehte sich, als er den Blick zum Springbrunnen wandte.
"Und das verdanke ich dir...", murmelte er vor sich her. Aus dem Brunnen platschte es vergnügt und eine Fontäne reagierte auf Tods Worte, indem sie das Wasser besonders hoch spritzte. Er sollte lernen, zu seufzen. Dann könnte er seinem Gemütszustand nun mehr Ausdruck verleihen. Stattdessen knackte und knirschte es, als seine Zähne übereinander rieben. So musste sich eine Seelenmühle anhören.
Er wandte sich wieder Azura zu. "Du hast einen Teil deiner Seele geopfert - winzig nur, aber er fehlt dir jetzt. Wengistens ist er gut verwahrt. Aber durch dein Opfer hast du einen Pfad in die Welt der Lebenden geschaffen. Das wäre an und für sich nicht so schlimm, aber ihr beiden nutzt diesen Pfad bereits in einem Ausmaß, dass es problematisch wird. Zumindest für mich. Geister auf Celcia sind dir ein Begriff? Verlorene Seelen, die in der Welt der Lebenden umher schweben, anstatt ewigen Frieden bei ihren Gottheiten zu finden?" Er winkte ab. "Das geht zu weit. Ich bin nur hier, um dir mitzuteilen, dass ich nun nicht mehr täglich kommen werde, um einen Zug zu machen." Der Gevatter erhob sich, klopfte sich imaginären Staub von der Kutte und ergriff die Sense wieder. "Es war nicht meine Entscheidung, sondern eure Taten, sowie ... die Ungeduld einer gewissen Göttin, die einen Narren an dir gefressen hat. Warum auch immer." Es war nicht Tods Problem, wenn dieses Spektakel nur ein Ende fände. In welche Richtung es auch führen sollte, es musste enden. Sonst würde Ventha ihm gar keine Ruhe mehr lassen. Da wünschte er sich lieber ein weiteres Gespräch mit seinem Gesellen und dessen Freundin herbei.
"Wir spielen es heute noch zu Ende. Bei Sonnenaufgang geht es los und wir hören nicht auf, bis wir ein Ergebnis haben. Entspann dich noch etwas. Ich erwarte Caleb und dich in der Halle, beim Spielbrett, sobald die ersten Strahlen durch das Fenster dringen. Sag ihm Bescheid oder lass es bleiben. Mir ist es gleich, wer von euch die Figuren rückt. Das Ergebnis ist für mich von Interesse, mehr nicht." Damit wandte er sich zum Gehen. Seine Kutte hinterließ abgestorbenes Gras an den Rändern des Kieselpfades, bis er im Palast verschwunden war.
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 558
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 30. Oktober 2022, 23:14

Madiha blieb stark. Corax in Calebs Gestalt zu erleben, sich an ihn lehnen zu können und eine Erwiderung zu erfahren war so verführerisch und gleichzeitig so schmerzhaft. Wo sich andere der Zweckmäßigkeit bedienten, war es das Wüstenkind, das nicht einfach ihrem Wunsch folgte. Selbst Corax bekam nicht, was er wollte, weil Madiha sich dazu entschied, dass sie diese Worte und die Zuneigung nicht einfach so hergeben würde. Sie bunkerte sie für sich, in ihrem Herzen, bis es den rechten Moment geben würde. Denn auch wenn Caleb noch nie einer Frau nähergekommen war und Madiha schon so ziemlich alles hatte mitmachen müssen, was sich teilweise kranke Hirne ausdenken mochten, so erkannte sie dennoch, dass es etwas ganz besonderes für sie war. Denn bis vor kurzem hätte sie gar nicht damit gerechnet, dass es ihr passieren würde. Ihr Bedarf an körperlicher Zuneigung war so sehr gedeckt, dass sie überhaupt nicht darüber nachgedacht hatte, es je freiwillig zu tun. Caleb war aber nicht irgendwer. Er war der Dieb, der ihr ein Leben als Sklavin schenkte, um ein paar Münzen zu erhalten. Aber er war auch ihr beständiger Begleiter gewesen und stets zur Stelle, wenn sie sich selbst an einem Scheideweg befand. Dass sie ihr Herz womöglich viel zu schnell an ihn hing, war ihrem leeren Leben geschuldet. Doch jetzt? Trotz aller Umstände, trotz ihrer Unsicherheiten und ihrer Unerfahrenheit, gab es da dieses warme Gefühl, welches sich stets kribbelnd auszubreiten vermochte, wenn er ihr näher kam. Er schaffte es mühelos, dass sie in Schwingung versetzt wurde und das alles, ohne dass Madiha aktiv daran gearbeitet hätte. Sie hatte ja nicht mal daran geglaubt, dass sie überhaupt gesehen wurde! Nicht so. Dass er ihr half und sie sich auf ihn -irgendwie- verlassen konnte, ja, schon. Aber.. so?! Deshalb fiel es ihr auch so schwer, dass es Corax war, der vor ihr saß. Sie berührte den falschen Dieb und schloss die Augen. Nein, sie würde es nicht können. Es ging ihr nicht darum, dass sie unbedingt die körperlichen Freuden erkunden wollte. Ihr war es sogar einerlei, wie gut er gebaut war. Madiha sehnte sich gewiss nicht nach dem, was ihr all die Jahre per Gewalt angetan wurde. Sie wusste ja nicht mal, dass es Spaß machen konnte. Dass es nicht stets schmerzhaft und ruppig war, ohne Rücksicht darauf, wie es sich für sie anfühlte und, ob sie denn auch auf gewisse Kosten käme. Für sie war es nicht erstrebenswert. Obwohl es gerade Caleb verstand, dass sich etwas zu Wort meldete, wenn er mit ihr sprach… aber nur bei ihm. Bei Corax fühlte sie das indes nicht. Ihm gegenüber fühlte sie eine Verpflichtung, ihm sein Übertreten in sein freies Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Und seine Reaktion gab ihr Recht: Corax Aufblitzen in den roten Augen zeigten ihr deutlich, dass er es gar nicht wirklich wollte. Natürlich nicht!

Er hob sie plötzlich hoch und führte sie langsam aber bestimmend, zu Calebs Bett. Madiha rutschte von ihm hinunter und ließ ihn los. Er war so dankbar und für sie war es selbstverständlich. Bevor er aber ging, um sich endlich zu seiner Herzensdame zu legen, wie er ankündigte, hielt sie ihn auf. „Corax, ich… ich erwarte nicht, dass du das tust. Du… auch wenn ich mich nach ihm sehne… es ist nicht deine Aufgabe, diese Sehnsucht zu stillen, hörst du?“, versuchte sie ihm die Last zu nehmen, die er offenbar trug. Sonst wäre er nicht so erleichtert gewesen. Sie hob die Mundwinkel kurz an. „Schlaf gut, Corax. Und… träum etwas schönes.“, murmelte sie in celcianisch, als er sich langsam zu Azuras Bett bewegte. Sie selbst musterte ihn noch einen Moment, beobachtete ihn dabei, wie er das Geschenk ihrer Zuneigung behutsam verpackte. Madiha senkte den Blick und entdeckte die roten Wangen, Caleb’s. Sie stutzte und sofort legte sie ihre Fingerspitzen auf seine Stirn, um zu prüfen, ob er Fieber hätte. Doch da war nichts. Ihr Blick glitt über seinen Hals und seine Arme. Sie erkannte dabei eine leichte Gänsehaut. Fieberte er wirklich nicht? Ihr Blick glitt noch reichlich unschuldig über seine Brust, bevor sie plötzlich im Augenwinkel das Anheben der Decke entdeckte.
Sie riss die Augen auf und starrte überrascht auf die Ausmaße mit der der Mast sein Segel hisste. Das Mädchen ließ einen peinlich berührten Blick zu Corax wandern, doch der wandelte bereits in Glückseligkeit. Und Madiha auch irgendwie. Denn just in dem Moment, in dem ihr Blick zurückkehrte und eingefangen wurde von… ihm, begann Caleb zu beben und sie wandte den Blick zu seinem Gesicht zurück. Dann geschah es: Madiha hielt den Atem an, als Caleb die Lippen öffnete und tatsächlich etwas ausseufzte, was wie ihr Name klang. Sofort kam sie auf die Knie und starrte Caleb an. Nun bekam sie am ganzen Körper eine Gänsehaut. Madiha ließ beide Hände an seine Wangen fahren und hatte zumindest ihre Fingerspitzen soweit zur Verfügung, um seine Haut spüren zu können, wo ihre Handflächen noch heilen mussten. „Ja! Ja! Ich bin hier, Caleb! Ich…“, sie warf einen Blick zurück und erkannte, was den Seufzer unterstrichen hatte. Sofort lief sie so hochrot an, wie eine knallige Tomate und die Verlegenheit entlockte ihr dennoch ein heimliches, aber seliges Lächeln. Sie neigte sich vor und ihr Gesicht schwebte über seinem, während ihre kurzen Strähnen, seine Haut kitzelten. „Ich bin bei dir, Caleb…“, sie leckte sich über die Unterlippe, als sie nun dem echten Caleb so nahe war, wie eben noch Corax. Und obwohl er schlief, war seine Wirkung nicht minder groß auf sie. „Ich warte auf dich..“, flüsterte sie ihm zärtlich zu und neigte sich ein wenig zu ihm hinunter. Nun schwebte ihr Mund über seinem und ihr blaugrauer Blick ruhte auf seinen Lippen, die ihren -ihren!- Namen geflüstert hatten. Sie senkte sich weiter seinen Lippen entgegen, wandte sich dann aber im letzten Moment zur Seite und hauchte ihm einen zarten Kuss auf den Mundwinkel. Einige Sekunden verharrte sie so und war selbst von ihrer Zärtlichkeit gefangen. Sie schloss sogar die Augen dabei und spürte ganz bewusst, wie die zarte Haut ihrer Lippen, sein Gesicht berührten. Madiha seufzte sehnsüchtig und ließ nur langsam von ihm ab. Danach strich sie ihm eine der unbändigen Haarsträhnen liebevoll über die Stirn und lächelte, die Augen voller Tränen vor Glück. Auch er hatte ihr ein Zeichen gesandt… er hatte ihren Namen genannt und … noch immer glühten ihre Wangen und ihr war ganz heiß geworden.
Sie spürte ein Verlangen in ihrer Mitte, das kein Mann je geweckt hatte. Madiha schaute noch mal kurz zurück zu der wieder gesunkenen Decke und legte sich an seine Seite zurück. Dieses Mal aber, während sie ihren Kopf an seine Brust bettete und keine Decke ihren Hautkontakt schmälerte, schob sie ihre Hand unterhalb der Decke über seine Muskeln am Bauch und kostete jede kleine Welle mit ihren wieder empfindsamen Fingerspitzen aus, bis sie zum Erliegen kam und sie ihn sanft festhielt. Madiha lächelte immer noch glücklich und hoffte so sehr, dass er bald zu ihr zurückkehren würde. Doch sie war dankbar für das Zeichen und es hatte ihr bis dahin unbekanntes Verlangen, nach seiner Nähe weiter angefacht. Dankbar und irgendwie… kribbelig, schlief Madiha bedeutend seliger ein und konnte die feine Wärme und den sanften Atem, die von ihm ausgingen, durchaus genießen.
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Montag 31. Oktober 2022, 09:36

Auch wenn der Kapitän nicht von Geburt her adelig war... Es fiel ihr noch immer schwer zu begreifen, wie er es geschafft hatte, derart unschuldig zu bleiben. Denn, obwohl gerade die hochgestellten Herren und deren männliche Sprösslinge sich für gewöhnlich alles erlaubten, die Söhne der darunter liegenden Schichten hatte gewiss ebenso viele Gelegenheiten, um Erfahrungen zu sammeln.
Trotzdem schien der hier auf Abstand gegangen zu sein, warum auch immer. An einem möglichen Interesse am gleichen Geschlecht konnte es bei seinen körperlichen Reaktionen auf sie gewiss nicht liegen! Doch letzten Endes war es ihr gleich, sie war wütend auf ihn und würde ihm so manches gern an den Kopf werfen. Aber nicht jetzt, nicht hier.
Stattdessen wandte sie sich von ihm ab, als sie ihr Vorhaben beendet hatte, und musste feststellen, dass es für sie noch schlimmer geworden war. Mehr noch, es war dermaßen zu viel für sie, dass sie schluchzend das Weite suchte.
Ihr Weg führte sie dabei wie von selbst zu ihrem Lieblingsplatz im Garten, unter einem wolkenlosen Sternenhimmel und begleitet von dem leisen Plätschern des Brunnens. Dort saß sie auf der Bank, auf jener Stelle, auf der sie bereits Stunden verbracht hatte, und weinte sich mal wieder die Augen aus. Nun ja, soweit sie als Wesen der Zwischenwelt eben Tränen vergießen konnte. Dabei machte sie sich so klein wie möglich und verbarg ihr Gesicht an ihren Knien.
Solange, bis ein Gefühl sie innehalten ließ. Als müsste sie noch atmen, sog sie mit einem leisen, letzten Laut die Luft ein, um sie kurzanzuhalten, als ein Frösteln sie durchlief. Eine Empfindung, die sie in den letzten Tagen als Vorbote einer speziellen Ankunft des Öfteren verspürt hatte.
Jedoch noch ehe sie von selbst darauf kommen konnte, wer sie hier aus ihrem Kummer riss, erklang bereits die dazu gehörige Stimme mit einem simplen Gruß. Azura schluckte schwer und wischte sich hastig so verstohlen wie möglich die Wangen, unerheblich davon, ob sie nun nass wären oder nicht. Was machte das Gerippe hier... bei ihr? Sie hatten schließlich heute schon ihre Züge gesetzt, doppelt so viele als sonst!
Ein ungutes Gefühl beschlich sie, als sie schließlich zu der Kutte aufsah, fragend und unsicher zugleich. Schon sprach er weiter und sorgte dafür, dass sie mehrfach schlucken musste. Seelsorger...? Nein, das Letzte, was ihr einfiele, wäre, ihre Probleme ausgerechnet vor diesem Wesen auszubreiten, das sie gerade in einem äußerst ungünstigen Moment aufgesucht hatte.
Was ihr allerdings ein flaues Gefühl im Magen bescherte, war seine Bemerkung darüber, einschreiten zu müssen. Das konnte nichts Gutes verheißen! Oder...?
Ohne ihm zu antworten, sah sie ihn weiterhin an, bis er nebenbei eine Botschaft in Richtung des Wassers schickte. Und dieses... antwortete! Die junge Frau sah im Augenwinkel, wie eine Fontäne etwas höher schoss und mit mehr Spritzer als sonst herab fiel. Unwillkürlich zuckte ein kleines Grinsen über ihre Lippen, ehe sie hastig den Kopf senkte, um es zu verbergen. Ob sie wohl hoffen dürfte, dass Ventha sich ihr gegenüber auch noch einmal zeigen und mit ihr sprechen würde?
Sie verschränkte die Finger ineinander und musste sich auf anderes konzentrieren, als das Gerippe neben ihr fortfuhr. Ein weiteres Mal musste sie schlucken und sah wieder zu ihm hin. "Ein Teil von meiner... meiner Seele...?", hauchte sie und spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals zu bilden begann. "Aber... aber... das heißt, ich hab... etwas von mir selbst... verloren...?" Ihr drohte, die Stimme zu versagen, sodass die dringendere Frage, ob sie diesen Teil je wieder zurück bekommen würde, gar nicht mehr stellen konnte.
Ohnehin sprach die Kutte bereits weiter und maßregelte sie. Azura biss sich auf die Unterlippe und senkte lieber erneut den Blick. Es war besser, demütig zu bleiben und nicht so aufzubrausen. Dieses Privileg hatte schließlich ihre Göttin für sich gepachtet in dieser Zwischenwelt. Auch wenn es ihr gegenüber dem Gerippe mitunter schwer fallen mochte, sie hielt sich wohlweißlich zurück.
Trotzdem zuckte sie leicht zusammen und konnte vor Engegefühl in der Kehle kaum schlucken. Ob in der Lebendwelt gerade ihr noch schlagendes Herz seinen Rhythmus beschleunigte? Sie jedenfalls fühlte sich ganz danach!
Wie sollte sie das denn schaffen? Der Kapitän war ihr längst keine Hilfe mehr bei den gemeinsamen Zügen und sie selbst war am Ende ihrer Weisheit angelangt! Auch wenn sie nichts davon sagte, sondern nur leicht nickte. Eine Wahl hatte sie ja ohnehin nicht.
Wobei sich ihr eine Frage aufdrängte, vor dessen Antwort ihr dermaßen graute, dass sie sich diese bislang nicht zu stellen gewagt hatte. Was wäre, wenn das Spiel beendet wäre und sie gewonnen hätten? Würde wirklich nur er allein ins Leben zurück kehren? Oder durfte sie hoffen, weil sie die Züge gesetzt hatte, dass sie womöglich auch...? Doch auch jetzt kam ihr diese Frage nicht über die Lippen, als sie der Kutte nachsah, wie sie allmählich verschwand.
Es dauerte noch einige Zeit, bis plötzlich ein Ruck durch ihren Körper ging. Anstatt aber sofort loszulaufen und den Kapitän zu holen, er hob sie sich, machte ein paar Schritte... und sank vor dem Brunnen ins kühle Gras. Ihr Blick heftete sich flehend auf das weiterhin sprudelnde Wasser. "Oh, Ventha, ich bitte dich, hilf mir! Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll, welchen Zug ich machen kann, um es zu beenden. Ich habe in Wahrheit doch keine Ahnung von diesem Spiel, habe immer nur meine Eltern beobachtet, vor viel zu langer Zeit! Habe nicht wertschätzen können, was wir damals hatten. Was soll ich nur tun? Hat es denn überhaupt noch einen Sinn? Es hieß doch, es dürfe nur einer zurück... Dabei helfe ich jetzt. Aber was dann? Was passiert, wenn es vorbei ist? Verliere ich so oder so und werde meinen Raben nie wieder spüren dürfen?" Ihr drohten erneut die Tränen zu kommen, doch dieses Mal kämpfte sie verbissen dagegen an, schluckte so oft, bis sie das Gefühl hatte, sich im Griff zu haben.
Erst dann sah sie wieder zu dem Wasser und hoffte auf eine Antwort... ein Zeichen... irgendetwas! Da fiel ihr noch etwas ein und sie senkte die Stimme, als müsse sie befürchten, ansonsten belauscht werden zu können. Sofern es nicht sowieso umsonst wäre und die Kutte so oder so alles hören würde, was in dieser Zwischenwelt gesagt wurde. "Ich weiß, du hast schon so viel für mich getan und ich muss dir undankbar erscheinen, dass ich dich jetzt wieder belästige, aber..." Ein feines Lächeln umspielte ihre Lippen in Erinnerung an die kleine Fontäne von vorhin. "Aber ich hatte den Eindruck, es gefällt dir, unserem..." Kurz zögerte sie, bis sie die passende Formulierung fand. "... Gastgeber ein Schnippchen zu schlagen. Gibt es denn womöglich ein Schlupfloch für mich? Ein ganz kleines, fast vergessenes, jedoch eines, das legitim wäre, damit auch ich wieder leben und an dich glauben darf? Ich möchte diese Chance, die du für mich erwirkt hast, nutzen. Bitte, Herrin!" Damit schloss sie ihr Gebet, legte Zeige- und Mittelfinger auf die Lippen und hielt sie dann kurz als Zeichen ihrer Ehrerbietung ins Wasser.
Danach stand sie auf, klopfte sich ein paar Erdkrümel von ihrem Rock, straffte die Schultern und atmete tief durch. "Ich danke dir fürs Zuhören, verehrte Göttin. Es würde mich sehr freuen, wenn du die Gnade hättest, über mein Flehen nachzudenken. Ich gehe solange jemanden in den Hintern treten, der das auch gewaltig verdient hat.", fuhr sie wenig damenhaft, dafür mit umso entschlossenerer Stimme fort.
Ein Grinsen kräuselte ihre Lippen, wenngleich es ein freudloses war. "Sollte ich das Glück haben und den Sieg erringen, bin ich ihn und sein Gestammel wenigstens los... und finde womöglich eine Gelegenheit, ihm endlich die verdiente Ohrfeige zu verpassen, auf dass er mich wenigstens nicht vergessen möge!" Damit knickste sie vor dem Brunnen, wandte sich ab und ging hinein.
Mit weit ausholenden Schritten und dennoch ohne Eile kehrte sie zum Spiegelraum zurück und riss die Tür auf. Ohne Blick für das Geschehen zu haben, weil sie stur auf die gegenüber liegende Wand starrte, verkündete sie sowohl entschlossen, als auch betont derb:"Mit dir rumspielen kannst du später noch, van Tjenn. Jetzt heißt es nachdenken und dafür reicht eine ausgebeulte Hose nicht. Komm in die Halle, aber rühr' ja keine der Figuren an!"
Daraufhin knallte sie die Tür hinter sich zu, ohne auf eine Antwort zu warten, und machte sich erneut auf den Weg. Zwar nicht direkt in die Halle, aber in deren Nähe, nämlich in ihr Ankleidezimmer, das ihr hier zur Verfügung gestellt worden war. Das Spiel sollte enden und dafür wollte sie sich entsprechend kleiden. Ganz gleich, wie es ausgehen würde, es würde ein besonderer Moment werden. Das verlangte nach einer besseren, ausgefalleneren Robe und einer dazu passenden optischen Erscheinung. Schließlich war es höchstwahrscheinlich das letzte Bild, das der Kapitän von ihr mitnehmen könnte, da wollte sie ihm auch etwas präsentieren, das der Erinnerung wert wäre.
Nach einer guten Stunde, umziehen und herausputzen kostete schließlich viel Zeit, war sie mit ihrem Aussehen endlich zufrieden. Als würde sie den Glanzpunkt einer Ballnacht darstellen, hatte sie sich in ein aufwendiges Kleid gezwängt, das vor allem ihre Lieblingsfarben zeigte.
Verschiedene Grüntöne verbargen blaue Unterröcke, die bei jedem ihrer Schritte jedoch hervor blitzten. Die Schultern waren bloß, ihr Dekolleté durch das Mieder vorteilhaft betont und ihre Taille so eng geschnürt, das sie wohl bei einem tieferen Atemzug in Ohnmacht gesunken wäre. Wie gut, dass sie das hier nicht benötigte!
An ihren Armen schimmerte die hellgrüne Seide ihrer Handschuhe, die bis über ihre Ellbogen reichten und ihre feingliedrigen Finger und schlanken Unterarme betonten. Auf ihren Oberarmen waren indes dunkelgrüne Rüschen, die optisch danach aussahen, als sollten sie das Kleid an seinem Platz halten, in Wahrheit jedoch nur dekorative Funktion hatte. Das Mieder selbst war ebenfalls dunkelgrün, mit hellgrünen Seidenbändern geschnürt und auch die Rüschen ihres Oberrockes hoben sich in hell, wenngleich in dunkler werdenden, sich spiralförmig herabschlängenden Bahnen von dem grünen Samt des Rockes an sich ab. Die Schnürstiefel, die sie dazu, gut verborgen von den Stofflagen, waren das einzig Schwarze an ihr und würden lediglich hervor blitzen, wenn sie eine Treppe herab käme oder ihre Röcke anheben müsste.
An den Ohren hatte sie nun kleine Perlohrringe baumeln und auch ihr Hals wurde von den schillernden Meereskügelchen verziert. Diese fanden sich auch in ihrer Hochsteckfrisur wieder, in denen ein solches Band eingeflochten worden war, sodass es je nach Lichteinfall aufblitzte und auch nicht alle gleichermaßen von jedem Winkel zu sehen waren. Lediglich eine dickere Strähne war nicht fixiert worden, sondern ringelte sich seitlich an ihrem dezent geschminkten Gesicht herab, um mit der Spitze ständig die Haut ihres Dekolletés zu kitzeln und als Blickfang zu dienen.
So gerüstet kehrte sie schließlich in die Halle zurück, bereit für die letzten Züge in ihrem Dasein.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Dienstag 1. November 2022, 09:52

Madiha:
Sorgloses Einschlafen war etwas Wundervolles. Endlich konnte der Körper sich erholen, wenn die Seele Ruhe und Frieden in Manthalas Reich fand. Zwar konnten weder Madiha noch ihr Sklave Corax davon sprechen, sorgenfrei zu sein, aber ihr aktueller Zustand war schon um Längen besser als die letzten Tage. Allem voran, weil sie beide ein Zeichen ihrer "Sorgenkinder" erhalten hatten.
Der Dunkelelf trug Azuras Träne wie einen Schatz in einem Säcklein aus ihrem Ärmel, gebunden durch ihr eigenes Haar, um den Hals und Madiha genoss die Nachwirkungen von Calebs erlebtem Höhepunkt, in dem er ihre Namen ausgeatmet hatte. Für beide fühlte es sich unsagbar befreiend an. Endlich ein Gefühl, erleichtert die Augen schließen zu können. Endlich eine Chance auf Hoffnung. Sie schliefen selig. Vor allem Madiha fand diese Nacht sehr viel Ruhe. Caleb fühlte sich wärmer an als sonst, lebendiger. Sie würde auf ihn warten und bei ihm sein, sobald er erwachte.
Zunächst aber holte es sie selbst irgendwann aus dem Traumreich hinaus, das Manthala für sie dieses Mal in Dunkelheit gehüllt hatte, um ja keine Sekunde des erholsamen Schlafes zu stören. Corax war diese Aufgabe zugeteilt worden. Lange vor Madiha hatte es ihn hochgerissen, dass er in das Morgengrauen gestarrt und nach Azuras Hand gegriffen hatte. Abgesehen von der Träne und ihrem gleichmäßigen Heben und Senken der Brust gab es noch immer kein neues Lebenszeichnen. Der Elf aber gab nicht auf. Nach Madihas Worten, ihrer Ablehnung, dass er ihr in Gestalt des Kapitäns Freuden schenkte und nicht zuletzt auch Azuras Liebessymbol in Form einer gläsern wirkenden Tränenperle fasste er neuen Mut. So räumte er die Rückstände der abendlichen Mahlzeit zusammen, die es gestern nicht mehr aus der Kabine geschafft hatten und brachte sie - erneut als Madiha getarnt - in die Kombüse. Dort wurde er von einem der Matrosen aufgehalten, der mitteilte, dass das Mädchen doch mal zu Jakub gehen sollte. Er habe mit ihr etwas zu besprechen. Sie könnte ihn in seiner Kabine vorfinden. Corax hatte genickt und war ausgewichen, dass er sich noch frisch machen wollte, dann käme er der Aufforderung nach.
So war er schnurstraks zurückgekehrt und rüttelte nun sanft an Madihas Schulter. "Herrin, wach auf. Wirf dir etwas Wasser ins Gesicht und zieh dich an. Ich hab frische Kleidung mitgebracht. Der Erste Maat möchte dich sprechen." Corax zögerte. "Soll ich mitkommen - als Rabe?" Er hatte mehr mit Jakub erlebt als ihm lieb war und auch wenn die Dinge an Bord sich gebessert hatten, würde er die Misshandlung durch ihn nicht vergessen. Er traute Tauwetter nicht mehr über den Weg. Andererseits war sein Angebot, Madiha zu begleiten auch nur halbherzig. "Ich muss aber auch noch die Verbände wechseln und nach Calebs Wunde sehen." Und dies konnte er nur in Dunias Gestalt tun. Es würde zu lange dauern, wenn das Mädchen nun wartete, bis er es erledigt hätte. Sie konnte ihm höchstens vorschlagen, dass er nachfolgte. Wo Tauwetters Kabine lag, wussten sie schließlich beide.
So musste Madiha sich zunächst ohne den Raben auf den Weg machen. Beide ahnten ja nicht, was sich in dieser Nacht alles getan hatte und welche Auswirkungen es auf den heutigen Morgen haben sollte.

Azura:
Mit verbissener Miene und verschränkten Armen wartete Caleb van Tjenn in der Halle mit dem gläsernen Kuppeldach. Er tippte immer wieder mit der Fußspitze auf, hielt den Blick starr auf die Tür am Ende des Raumes gerichtet, während die Sonnenstrahlen langsam aber stetig über die Gartenhecken draußen wanderten. Sie erreichten inzwischen den unteren Fenstersims und schoben sich alsbald darüber hinweg, um durch das Glas in den Raum zu scheinen. Dort trafen sie auf das zentral platzierte Schachbrett. Einige Figuren, schwarz wie weiß, lagen bereits an der Seite, aber noch immer waren genug auf dem Spielfeld, um der Partie noch eine Wendung zu geben. Letzte Nacht hatte die weiße Seite erfolgreich ein vorzeitiges Ende abwenden können. Im Gesamten sah es aber nicht gut aus.
"Möchtest du nicht schon einmal ziehen?", fragte die Gestalt, deren Kutte ebenso schwarz wie seine Figuren waren. Die Sense mit der silbrigen Schneide lehnte ruhig in seiner Armbeuge, während seine Knochenhand in nachdenklichen Kreisen über das Feld flog. Er sondierte. Er überlegte. Er arbeitete Taktiken aus, solange er warten musste. Weiß war am Zug, aber Caleb weigerte sich, auch nur einen Blick auf das Spielbrett zu werfen.
"Wir beide wissen sehr genau, dass ich ohne ihre Hilfe keinen Schritt weiterkomme", knurrte die verstorbene Seele. Tod nickte nur stumm. "Dann warten wir noch", meinte er. Beide sollten nicht enttäuscht werden, sondern lediglich in ihrer Geduld ein wenig auf die Probe gestellt. Dafür war das Ergebnis ein wahrer Blickfang. Selbst Caleb löste seine Verschränkung auf angesichts der außerordentlich zurechtgemachten Azura van Ikari, die mit reichlich Rüschen, Perlen und Glanz den Saal betrat.
"Bezaubernd", kommentierte der Gevatter. Caleb hatte weniger lobende Worte übrig. Er musterte seine Mitverstorbene von der Sohle bis zum Scheitel und als sie endlich auch das Brett erreichte, brummte er leise: "Mir hast du vorhin besser gefallen." Nach einer Kunstpause, in der er seine Hand in den Nacken schob, setzte er allerdings nach: "Für eine Adlige sieht es allerdings recht hübsch aus... mit den Perlen und so." Ob er es ernst meinte, blieb fraglich. Caleb war bisher nicht unaufrichtig gewesen, wenn er diese Erkennungsgeste von Verlegenheit vollzog, denn sie war unbewusst gewählt. Ihm fiel es wahrscheinlich nicht einmal auf. Allerdings stand für ihn momentan eher das Schachspiel im Vordergrund anstatt Azuras Aufmachung. Trotzdem wollte er sie nicht verärgern, denn wie er Tod bereits offen gestanden hatte: ohne ihre Finesse käme er überhaupt nicht mehr weiter. Das Spiel war für seine Kenntnisse bereits zu komplex und er würde nur wahllos irgendeine Figur über die Felder ziehen. Azura wägte immerhin vorab ihre Möglichkeiten ab.
"Ihr seid dran", eröffente Gevatter Tod hohl und wies mit einladender Geste auf das Brett. Er selbst wirkte deutlich geduldige als Caleb, der sich nun etwas an die Seite stellte, den Blick trotzdem halb vorgebeugt auf das Spiel richtete. So schaute er seitlich von unten zu Azura herüber wie es sonst nur sie oder die adligen Töchter machten, um mit einem Hundeblick die Erfüllung all ihrer Wünsche dem Vater oder einem Verehrer zu entlocken. "Schon eine Idee", fragte er und deutete dann mit einem Finger auf ihren Kamelreiter. "Den müssen wir in Sicherheit bringen, soweit ich das richtig deute." Damit hatte Caleb Recht. Würde ihr Springer nun in die Mangel genommen, hätte Tod die Chance die Figur zu schlagen, die sich zwischen seine Dame und den König geschoben hatte. Dann wäre es aus. Wo Caleb aber einen strategielosen Rückzug anstrebte, da schien etwas in Azuras Kopf nach der Flucht nach vorn zu schreien. Sie spürte wieder dieses sanfte Prickeln hinter ihrer Stirn und wenn sie die Figuren genauer betrachtete, konnte sie winzige Blitze erkennen, die von einer von ihnen ausging. Sie hatte um Hilfe gebeten und erneut gewährte Ventha sie ihr. Es blieb zu hoffen, dass Tod diese Schummelei nicht bemerkte, aber welche Wahl hatten sie schon?
Azura entschied in gutem Glauben an ihre Göttin deren Weisung zu folgen. So rückte sie immer jene Figur, die von winzigsten Blitzen umspielt wurde. Auf welches Feld sie diese jeweils zu setzen hatte, musste sie allerdings selbst entscheiden. Fest stand, dass Azura das Spiel führte. Sie kämpfte nicht allein, denn Caleb dachte ebenfalls nach und wies sie sogar gelegentlich auf ein gutes Zielfeld hin, aber die Züge an sich focht die Andunierin zusammen mit ein wenig göttlicher Hilfe selbst aus. Trotzdem blieb es eine spannende Partie.
Gevatter Tod spielte nicht das erste Mal in seinem zeitlosen Dasein Schach. Tatsächlich wurde er oft von den Verstorbenen herausgefordert, um deren Seelenheil zu spielen. Karten, Münzwürfe, aber sehr oft eben das Spiel der Könige. Zu oft. Tod hatte mehr Zeit als jeder Sterbliche und sämtliche Strategien über Jahrtausende erlernen können. Vielleicht hätte eine bessere Chance bestanden, in einem atheltischen Wettstreit gegen den alten Knochen anzutreten. Leider fiel den meisten das erst hinterher ein. Sie hatten aber auch seltenst Hilfe von göttlicher Seite.
"Ihr spielt gut", kommentierte der Tod, als er irgendwann tatsächlich einmal in Bedrängnis geriet. "Aber ihr opfert auch viel." Schon rückte sein eigener Springer vor. Azura, Caleb und auch Ventha im Hintergrund hatten die Figur übersehen. Die weiße Dame fiel. Mit den knochigen Händen legte Tod sie um und schob sie dann vom Spielfeld.
"Verdammt", schnarrte Caleb und erstarrte, als der hölzerne Schleier der Dame beiseite glitt. Darunter war ... Azuras Gesicht zu erkennen. Er blickte zu seiner Mitspielerin herüber und schluckte. Ein Omen?
"Ihr könnt noch gewinnen", lenkte Tod von dem Bild ab und deutete wieder auf das Brett. "Euer Zug."
Caleb befeuchtete sich die Lippen. Er trat hinter Azura, nun gebannt vom Spiel selbst. Seine Hände landeten auf ihren Schultern und er neigte sich halb über sie, dass sie sein Gemurmel hören konnte. Es drang ganz leise an ihr Ohr, war auch eigentlich nicht dafür bestimmt. Caleb betete. Er schickte gewisperte Stoßgebete an alle Götter, die ihm einfielen. Ventha, Lysanthor ... am Ende flehte er sogar den kleinen Feylin an, der möge ihnen Hoffnung schenken, dieses Spiel zu gewinnen. Caleb strahlte Ruhe aus, aber er war mehr als nervös. So sehr, dass er glatt vergaß, sich in den Nacken zu fassen oder die Haare in einem ewig währenden Fehlschlag versuchte, zu bändigen.
Da blitzte eine kleine weiße Figur in sanftem Blau auf. Azura entdeckte sie. Ein Bauer, auf ihrer Seite als vermummter Wüstendieb dargestellt. Niemand hatte ihn bemerkt. Er war stets unscheinbar, Zug um Zug über das Feld gewandert und kaum aufgefallen, weil in seiner Nähe stets der weiße Läufer in Form eines Raben agiert und von dem kleinen Bauern abgelenkt hatte. Madiha brauchte ihn nur noch einmal zu ziehen und...
"Oh, eine neue Dame!"
"W-was?" Caleb hob den Kopf auf dessen Aussage hin zum Gevatter. Der Tod nickte und erklärte: "Wenn es ein simpler Bauer auf die andere Seite schafft, wird er zur Dame in den hinteren Reihen ... das ... ist gerade ziemlich schlecht. Wie unbedacht von mir, sie zu übersehen." Er wischte mit der Hand über die Bauernfigur, dass sie ihre weiße Vermummung verlor. Darunter kam eine geduckte Holzgestalt zum Vorschein, die sich erhob, um die Größe einer Dame anzunehmen. Ihr vernarbtes Gesicht richtete sich kurzzeitig auf ihre beiden Spieler, die sie so sicher durch das Schlachtfeld gerückt hatten. Dann zog die kleine Madiha-Figur den Schleier der weißen Dame über ihr Gesicht und machte sich bereit, aus dem Hinterhalt zu agieren.
"Madi...", flüsterte Caleb. Endlich ließ er Azuras Schultern los, schob sich neben sie und konnte den Blick nicht von der kleinen Dame lassen, die über Sieg oder Niederlage entscheiden könnte. Es musste nur noch eine Figur fort, dann wäre der Weg zu Tods schwarzem König frei. Leider war der Gevatter am Zug. Er dachte nicht allzu lang nach, denn es war klar, dass er nun die weiße Dame ausheben musste. Er stellte ihr seinen Turm in den Weg. Der Turm, die geradlinigste Figur auf dem Brett. Er konnte weite Strecken ziehen, blieb aber immer in seiner Bahn. Nur im Zusammenspiel mit dem König selbst war ihm ein Ausnahmemanöver gestattet, von dem Caleb und Azura bereits Gebrauch gemacht hatten. Tod blieb diese Methode jetzt verwehrt. Trotzdem stand seine Bastion zwischen der weißen Dame und dem schwarzen König wie ein Bollwerk und er würde die kleine Madiha-Figur plattwalzen, wenn sie nicht vorher wich.
Aber so manches Tier machte sich die mächtigen Bauten der Menschheit zunutze, unterjochte sie und schuf auf ihnen den eigenen Lebensraum. Denn künstlich aufeinander gelegte Steine waren am Ende auch nichts weiter als ein Aussichtspunkt, hoch oben und unerreichbar für Feinde. Ein perfektes Nest ... für Raben...
Azura rückte die bläulich blitzende Figur ihres Läufers nach vorn. Wer nur Augen für den Turm und seine geraden Bahnen hat, vergisst schnell mal die schrägen Angriffe des Läufers. Im Sturzflug sauste der weiße Rabe heran, erhob sich, landete auf dem Turm und zerhackte ihn, bis die Figur gänzlich vom Spielfeld gefegt war. Die weiße Dame war frei. Jetzt musste nur noch der eigene Läufer weichen. Er musste ...
"Ich schätze, nun bleibt mir keine andere Wahl mehr." Tod schlug den weißen Raben mit einer eigenen Figur, um dem Schachmatt zu entkommen. Für eine weitere Runde wenigstens, denn es war abzusehen, was geschah. Sobald die Rabenfigur Opfer des Spiels geworden war, rächte die weiße Dame ihn und vernichtete auch dessen Angreifer. Sie stand nun in der Positon, die der einstige Läufer eingenommen hatte und als Dame besetzte sie ebenfalls die schiefe Bahn. Der schwarze König wurde bedroht. Jetzt gab es nur keine Figur mehr auf der dunklen Seite, die sich hätte der Dame in den Weg stellen können.
"Schāh māt", keuchte Caleb in Unglauben und Staunen über das Geschehene.
Tod grinste. Er tat es immer, aber jetzt wirkte sein Schädel besonders breit gezogen. "Du verwendest sogar den ursprünglichen Begriff", erwiderte er nicht ohne Lob in der hohlen Stimme. "Das Schachmatt stammt aus dem Sarmischen und bedeutet: Der König ist hilflos. Und das bedeutet..."
"Wir haben gewonnen ... wir haben gewonnen!!!" Caleb konnte seine Freude kaum halten. Er machte einen Sprung in die Luft, stieß dabei einen lauten Jubelschrei aus und packte anschließend wieder Azura. Dieses Mal blieben Wangenküsse jedoch aus, denn er griff sie gekonnt an Hüfte und Schulter, um sie über den Marmor zu führen. Seine Tanzschritte waren wohl einstudiert, wenngleich sie eine leichte Auffrischung gebrauchen könnten. Außerdem bewegte er sich weitaus zügelloser und wilder als die gut betuchten Seidenhosen, die Azura sonst über das Parkett gleiten ließen.
Der Gevatter beobachtete den Tanz ungerührt. Er sagte nichts, aber die Gestalt, die sich als winziger Tropfen an der Klinge seiner Sense entlang bahnte, konnte ihn dennoch hören: Damit hast du deinen Willen erhalten. Ein Sieg. Mehr gewähre ich nicht. Der Tropfen rutschte noch etwas tiefer, als wollte er sich vor des Gevatters Gnade verneigen. Tod aber griff zur Sende, so dass er sich löste und weggespritzt wurde. Er trat an die Tanzenden heran.
"Damit steht es fest. Das Spiel ist gewonnen. Zwei von drei Siegen. Eine Seele kehrt zurück."
Caleb, noch immer jauchzend bisher, erstarrte plötzlich. Schlagartig endete der Tanz. "Moment, moment!", warf er ein. "Was soll das heißen, eine Seele?"
Tod blickte sowohl ihn als auch Azura weiterhin emotionslos an. Nun, nicht ganz. Der Schädel grinste natürlich. "Wir erweiterten unser Spiel. Zwei von drei Siegen und du darfst ins Leben zurückkehren. Meine Glückwünsche. So wird es geschehen."
Caleb keuchte. Ihm klappte die Kinnlade herunter, dieses Mal aber nicht vor Begeisterung. Er deutete mit wildem Gefuchtel auf Azura. "A-aber was ist mir ihr? Sie hat doch mitgespielt, sie hat-"
"Sie hat mich gebeten, noch zusehen zu dürfen, anstelle sofort meine Hand zu ergreifen." Er richtete den leeren Blick auf Azura aus. "Es war nie die Rede davon, dass auch sie inbegriffen wird. Du hast nicht um deine Rückkehr gebeten. Dass du deinen Freund berätst und für ihn die Spielfiguren rückst, hat nichts mit dem Einsatz zu tun."
Das war so nicht abgemacht, Gevatterchen! Tod neigte den Kopf leicht, als er Venthas Stimme hörte, die sowohl Caleb als auch Azura verwehrt blieb. Die Göttin stritt sich schließlich nur mit dem Sensenmann. Jener aber dachte ruhig und kalt zu ihr zurück: Wie ich sagte: Du hast deinen Willen erhalten. Ein Sieg. Mehr gewähre ich nicht. Du hättest natürlich auch um ihre Rückkehr handeln können.
Aber dann hätte sie allein spielen müssen!
, wütete Ventha, ohne dass es die sterblichen Seelen hören konnten.
Ja, erwiderte Tod stumm. Damit war für ihn der kleine Gedankenstreit beendet. Es gab nichts mehr zu rütteln. "Caleb van Tjenn, du darfst ins Leben zurück. Azura von Ikari, dein Wunsch nach dem Ende wird gewährt. Du bleibst hier in deinem Palast für die Ewigkeit. Sobald sie dir zu lang wird, erwarten dich die Götter an ihrer Seite. Du wirst schon sehen, wenn es soweit ist. Ich wünsche euch beiden ... nun ... was man eben so wünscht." Noch immer tat der Gevatter sich schwer damit, Emotionen zu zeigen. Er war deutlich eingerostet.
"Nein!" Caleb trat vor, an Azura vorbei. "D-das geht doch nicht. Sie hat gespielt, nicht ich. Dann..." Er zögerte, schaute über die Schulter zurück und kniff dann schmerzvoll die Augen zusammen. "Dann sollte sie auch zurück dürfen."
"Der Einsatz wird nicht durch die Teilnehmenden oder deren Berater beeinflusst", erwiderte Tod. "Es reicht. Ihr habt genug meiner Zeit beansprucht." Damit schnippste er Caleb mit zwei Knochenfingern gegen die Stirn, dass es diesen durch den ganzen Saal und ins Nichts schleuderte. Er löste sich einfach auf. Ebenso wie der Gevatter. Er wandte sich nicht mehr an Azura, hatte ihr alles Nötige mitgeteilt. Allein und verlassen stand sie nun in dem großen Saal. Caleb war fort. Der Gevatter war fort. Selbst das Schachbrett war verschwunden. Sie war allein in ihrem kleinen Paradies ... für die Ewigkeit.

Madiha:
Dunia legte dem Schlafenden die letzte Bahn Verband um. Sie war zufrieden. Die Verwundung heilte gut. Bald konnte sie die Nähte ziehen und darauf hoffen, dass nichts mehr aufriss. Nun, im Moment würde das ohnehin nicht geschehen. Dazu müsste Caleb sich einfach mehr bewegen. Das tat er nicht. Er lag nur da und schlief, zu ihrem Bedauern. So hatte sie ihn nicht sehen wollen, niemals. Sie hatte ihn ziehen lassen im Wissen, dass er Sarma nicht wiedersehen wollte. Sie hatte ihre Chance verspielt und Madiha war ihm gefolgt. Sie wusste, was das bedeutete und hatte gehofft, dass beide wenigstens einen gemeinsamen Weg fänden. Nun lag er hier.
"Ach, Caleb..." Corax steckte schon zu lange in der Gestalt der Heilkundigen. Nicht am Stück, aber immer wieder in zu regelmäßigen Abständen. Das Gleiche galt für die Tarnung als Madiha. Beides führte dazu, dass gewisse ... Gefühle auf ihn abfärbten. Er betrachtete Caleb mit Kummer und einer Sehnsucht, die nicht seine eigene war. Trotzdem spürte er sie. Ebenso machte sich bei ihm auch das aufgeregte Hüpfen seines Herzens bemerkbar, nachdem es für einen Atemzug aufhörte zu schlagen. Jenen Atemzug, den Caleb tätigte, als es ihn in eine sitzende Position empor riss und er mit weit geöffneten Augen ins Leben starrte.
"Nein", keuchte er, blinzelte Tränen aus den Augenwinkeln und wandte dann den Kopf, als er die schöne Sarmaerin entdeckte. "D-Dunia?!" Sie lächelte und aus einem Reflex heraus ergriff sie seine Hand.
"Du lebst", erwiderte sie. Ihr Blick huschte über die Schulter, aber im anderen Bett tat sich noch nichts. Erneut wurde sie abgelenkt, als Caleb ihre Hand drückte und sie an sich zog, um sie in den Arm zu nehmen. Er weinte, vor Glück, vor Kummer. "Verzeih mir! Ich liebe dich! Ich hätte es dir sagen sollen, als ich konnte, aber ich..."
"Du hast es gesagt. Immer wieder. Ich bin die, die abgeblockt hat. Nicht, weil es in meinem Herzen anders aussähe, sondern weil ich mich nie wieder von einem Mann abhängig machen wollte. Niemals wieder machen will. Und jetzt gehört dein Herz einer anderen. Ich habe meine Chance verpasst ... deshalb musst du sie jetzt glücklich machen, Caleb. Sie hat es ebenso verdient wie ich, aber sie ist dir gefolgt."
"Madi..."
, keuchte er und löste sich aus Dunias Armen in dem Moment, da Madiha von ihrem Gespräch mit Jakub zurückkehrte, bei dem sie nur erfahren hatte, dass man Andunie am nächsten Morgen erreichen sollte und sie sich überlegen müsste, was dann aus Caleb und Azura würde.
Bild

Benutzeravatar
Madiha Al'Sarma
Celcia-Team
Celcia-Team
Beiträge: 558
Registriert: Sonntag 14. Februar 2021, 12:04
Moderator des Spielers: Kazel
Aufenthaltsort: Hafenstadt Andunie
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch
Sprachen: Sendli
Beruf: Sklavin (ehem.)
Fähigkeiten: Durchhaltevermögen (sehr gut)
Feuermagie (rudimentär)
Schwimmen (rudimentär)
Lesen & Schreiben (rudimentär)
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: Eine kleine Muschel mit Loch an einer Kette um den Hals
Tierische Begleiter: Keinen

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 1. November 2022, 21:40

Ihre Lippen prickelten noch immer leicht, während ihr Kopf bereits an seiner Schulter ruhte und ihre Fingerspitzen die warme Haut seiner Brust berührten. Madiha hatte sich dieses Mal tatsächlich unter die Decke gelegt und war mutig an ihn herangerutscht. Sofort erfasste die gestaute Wärme ihren Körper und ihre Seele. ‚Madiha‘… Sie hatte es gehört und sie irrte sich auch nicht. Sie war sich ganz sicher, dass er ihren Namen seufzte und dieses kleine Zeichen – das eigentlich sehr viel größer war -, ließ sie in einen ruhigen und gleichmäßigen Schlaf fallen. Manthala war gnädig zu ihr, denn sie quälte sie dieses Mal nicht mit irgendwelchen Schreckensbildern aus ihrem Innersten. Ängste, Sorgen und Nöte gäbe es gewiss, damit die Göttin der Nacht aus den vollen schöpfen könnte, doch sie tat es nicht. Madiha schlief ruhig, passte sich sogar allmählich der Atmung des Diebes an und lächelte leicht. Vielleicht wurde doch alles gut? "Herrin, wach auf. Wirf dir etwas Wasser ins Gesicht und zieh dich an. Ich hab frische Kleidung mitgebracht. Der Erste Maat möchte dich sprechen.", wurde sie aus ihrem Schlaf gerissen und öffnete blinzelnd die Augen. Madiha verzog leidend das Gesicht. Es war viel zu früh. Und es war viel zu schön gewesen als dass sie gerne geweckt wurde in diesem Moment. Doch das Mädchen blinzelte noch mal, ehe sie Corax erkannte. Sofort schlug sie die Augen weiter auf, ihr zweiter Blick ging zum Dieb. Der lag jedoch unverändert da und sie atmete erleichtert aus. Die Angst begleitete sie trotz Zeichen. Und würde wohl nie verschwinden, bis sie endlich Gewissheit hätte. Madiha erhob sich trotzdem so behutsam, als würde Caleb neben ihr nur schlafen und sie ihn nicht wecken wollen. „Ich komme.“, flüsterte sie aus dem selben Grund und schüttelte einmal ihren Kopf darüber, dass sie so handelte, als wäre er bei Bewusstsein. Sie versuchte wacher zu werden, bevor sie aus dem Bett stieg und zur Waschschüssel trat. Das kühle Nass erfrischte sie etwas, bevor sie sich einen Schluck Wasser in einen Becher einfüllte. "Soll ich mitkommen - als Rabe?", Madiha schüttelte den Kopf. "Ich muss aber auch noch die Verbände wechseln und nach Calebs Wunde sehen.", nun nickte sie, während sie weiter den Becher leerte und sich kurz über die Lippen wischte. „Nein, schon in Ordnung. Kümmere dich um die beiden. Ich bin gleich wieder da und helfe dir, in Ordnung?“, sie schenkte Corax ein Lächeln. Danach zog sie sich um. Inzwischen war auch das zur Routine geworden, auch wenn sie sich dafür immer noch eine Zimmerecke aussuchte und sich abwandte. Nachdem sie fertig war, wandte sie sich zur Tür. Bevor sie allerdings an Corax vorbeitrat, griff Madiha nach seiner Hand und drückte sie kurz aufmunternd lächelnd. Der gestrige Abend war für sie beide bedeutend gewesen und ein wenig hallte es noch nach. Madiha entließ Corax aus ihren Fingern, blickte noch mal prüfend zu Caleb und ging danach durch die Tür. Wieder schlug ihr die kalte Luft entgegen. Sie folgte dem bekannten Weg, zu Jakub’s Kabine und klopfte leise. Nachdem sie ein 'Herein' vernommen hatte, verschwand sie ins Innere, etwas aufgeregt, was der erste Maat wollen könnte. Jakub erklärte ihr, dass sie am nächsten Morgen wohl Andunie erreichen würden. Madiha hatte völlig vergessen, dass sie ja irgendwann ein Ziel erreichten. Sie war so abgelenkt von allem, was passierte, dass sie das außer Acht gelassen hatte. Andunie. Die Heimatstadt derjenigen, die schlafend in der Kajüte des Kapitäns lagen. Madiha schluckte. Und sie sollte entscheiden, was mit den beiden passierte. Aber wie konnte sie das? Sie hatte gehört, dass die Stadt offenbar nicht länger so aussah, wie einst. Doch Madiha wusste gar nicht, wie es überhaupt zuging dort. Sie kannte nicht eine Gepflogenheit – außer, dass der Adel offenbar immens wichtig war und man auf bestimmte Art mit ihm umzugehen hatte. Hilflos stand sie vor Jakub und sah ihn aus großen Augen an. „Ich… ich denke darüber nach.“, hatte sie gestammelt und war wieder hinausgetreten. Sollte er ihr Vorschläge gemacht haben, würde sie auch diese durchdenken wollen. Es wäre natürlich nur richtig, wenn sie zu ihren Familien kämen, dachte sie noch, während ihre Füße sie nicht gleich wieder zur Kajüte trugen.
Sie ging vorerst zum neuen Schiffskoch ‚Fischbein‘ und bat ihn, wie sonst Corax, um die tägliche Ration. Sie wollte dem Raben dieses Mal die Aufgabe abnehmen und ihm vielleicht eine Freude machen. Sie fragte Fischbein sogar, ob er einen kleinen Klecks Honig mehr übrighätte. Vielleicht freute sich der Rabe ja über ihre winzige Geste. Es war nicht viel. Aber es kam von Herzen. Wie auch immer das Tablett mit dem Frühstück aussah, sie trug es, ein wenig unbeholfen, durch ihre Verbände, zurück zur Kapitänskajüte. Die Fragen von Jakub hatten sie wieder aufgewühlt. Das Hochgefühl verblasste zunehmend. Andunie – wenn Caleb und Azura zu ihren Familien kämen, wenn sie noch dort waren… würden Corax und sie bei ihnen bleiben dürfen? Und… würden sie zusammenbleiben? Madiha beschlich eine Angst, dass es ein Ende bedeuten konnte. Und so fragwürdig der Anfang gewesen war – sie hatte Corax ein wenig gern. In den letzten Tagen haben sie ihr Leid geteilt und einander Halt geboten. Er würde ihr fehlen. Auch wenn sie ihm nie verwehren würde, bei der Adeligen seines Herzens zu bleiben. Madiha seufzte leise bei ihren Gedanken und balancierte gerade das Tablett auf ihrem linken Unterarm, um die Tür zu öffnen, als sie Stimmen aus dem Innern vernahm.

Verdutzt blieb sie stehen und horchte instinktiv: "Verzeih mir! Ich liebe dich! Ich hätte es dir sagen sollen, als ich konnte, aber ich..." Sie runzelte die Stirn und wähnte schon Corax als Inhaber der Stimme, doch mit jeder Silbe, kroch das Erkennen in ihren Geist. Madiha’s Herz setzte aus. War das nicht…?!
"Du hast es gesagt. Immer wieder. Ich bin die, die abgeblockt hat. Nicht, weil es in meinem Herzen anders aussähe, sondern weil ich mich nie wieder von einem Mann abhängig machen wollte. Niemals wieder machen will. Und jetzt gehört dein Herz einer anderen. Ich habe meine Chance verpasst ... deshalb musst du sie jetzt glücklich machen, Caleb. Sie hat es ebenso verdient wie ich, aber sie ist dir gefolgt." Das war Dunia – Corax! – Dunia?! Madiha’s Herz pochte mit einem Mal so laut, dass sie nichts anderes mehr hörte, außer die Sprache ihrer Heimat. Und die Bedeutung der Worte dahinter. Eindeutig Dunia hatte gesprochen... Mit... ihm... Sie merkte nicht mal, dass sie die Klinke zur Kajüte so festumschlossen hielt, dass ihre Knöchel hervortraten. Dann drückte sie die Klinke endlich, stieß die Tür auf und stand in ihrem Rahmen. "Madi..." Sie fing an zu zittern, als sie Caleb dort aufrecht sitzen sah. Madiha rührte sich zwei Sekunden gar nicht, sie starrte nur, dann füllten sich ihre Augen mit Tränen und sie hätte beinahe das Tablett fallengelassen. Sichtlich erschüttert über die Wendung, fing sie es irgendwie hemdsärmlich auf, rettete es allerdings noch auf einen Stuhl und kam mit schnellen Schritten auf das Bett zu. Sie sank davor auf die Knie und starrte Caleb voller Erleichterung an. Madiha hatte es die Sprache verschlagen, während ihre Augen jeden Zentimeter seines Gesichts abtasteten, als könne sie es nicht glauben.
Dann schlang sie allerdings die Arme um den Dieb und drückte ihn so fest es ihre schmale Gestalt konnte. Die Tränen liefen ihr in Strömen über die Wangen und benetzten seine Haut, während sie ihr Gesicht in seine Halsbeuge drückte und ihr Körper mehr und mehr zu schluchzen begann. All die Anspannung der letzten Tage fiel mit einem Mal von ihr ab. All die hochgehaltene Stärke, die Trauer, die Angst und die Verzweiflung. Er war wieder da. Er war hier… er hat sie nicht alleingelassen. „Caleb!“, keuchte sie seinen Namen und drückte erneut ein wenig zu. Bis sie es endlich schaffte, sich zu lösen, ihn etwas von sich zu schieben, um ihn ansehen zu können. Ihre Hände hielten sein Gesicht sanft zwischen sich, während sie ihn aus glitzernden Augen ansah. Sie strich ihm ungläubig über die Wangen und lächelte beim Anblick seiner vorwitzigen Haarsträhnen. Wie hatte sie seinen Ausdruck vermisst… wie sehr hatte er ihr gefehlt. Sie dachte, sie hätte es bereits geahnt. Doch jetzt… jetzt wurde ihr das Ausmaß dessen erst wahrlich bewusst. Sie konnte sich gar nicht sattsehen an ihm, bis ihr mit einem Mal bewusstwurde, dass sie ihn völlig belagerte. Madiha wurde mit einem Mal rot. Sie wurde sich bewusst, dass er ja gar nichts von ihren Gefühlen wusste und nichts von alldem mitbekommen haben konnte im Schlaf. Sie ahnte ja nicht, dass er zugesehen hatte, jeden Abend. „Ich…“, begann sie und ließ die Hände sinken, um ein wenig Abstand zu schaffen. Sie räusperte sich. „Ich bin erleichtert...“, versuchte sie ihren Ausbruch zu relativieren und wischte sich über das nasse Gesicht als könne sie die verräterischen Spuren jetzt noch bereinigen. Peinlich... Madiha sah unsicher zu Corax und machte plötzlich Caleb’s Geste nach, indem sie sich in den Nacken fasste und dort ihre Verlegenheit parkte. Madiha blickte zu Caleb zurück und bemühte sich sichtlich um Haltung, obwohl sie ihn am liebsten gar nicht losgelassen hätte. Dann wurde ihr Gesicht dennoch ernster. „Tu… das nie! niemals! wieder…!“, beschwor sie ihn, doch es genügte ein Blick in das Gesicht des Mädchens, um zu erkennen, dass sie alles andere als sauer auf ihn war, sondern einfach nur heilfroh… überglücklich und erleichtert.
Bild

Benutzeravatar
Azura
Spieler-Charakter
Spieler-Charakter
Beiträge: 422
Registriert: Freitag 15. April 2011, 20:33
Moderator des Spielers: Kazel Tenebrée
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mensch/Elf
Sprachen: Garmisch
Sendli
Beruf: adelige Tochter
Fähigkeiten: Lesen und schreiben
sich präsentieren
Wassermagie unausgebildet/ungefördert
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: das, was sie am Leib trägt
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Mittwoch 2. November 2022, 00:26

Das Spiel würde enden, selbst, wenn es Stunden dauerte, das hatte ihr das Gerippe zuvor gesagt. Dafür brauchte es eine angemessene Erscheinung ihrerseits, da konnte und wollte sie von den ihr anerzogenen Gepflogenheiten nicht abweichen. Und für eine ordentliche Garderobe benötigte man... oder eher frau eben ihre Zeit! Somit kümmerte sie sich reichlich wenig darum, ob sie jemanden warten ließ oder nicht, sie verließ ihr Ankleidezimmer erst, als sie mit ihrem Aussehen zufrieden war.
So ausstaffiert kehrte sie in die Halle zurück und wurde von den beiden anderen bereits erwartet. Dass die Kutte als erstes eine Bemerkung von sich gab, die obendrein nach etwas wie einem Kompliment klang, ließ sie unwillkürlich innehalten und blinzeln. Dann jedoch hatte sie sich wieder gefasst und nickte ihrem Gegner zu, ehe sie weiter in Richtung Schachbrett schritt, denn selbstverständlich bewegte sie sich auch so, wie man es von ihr erwarten durfte.
Das Brummen des Kapitäns hingegen... sorgte dafür, dass sie die Augenbrauen leicht und vor allem verstimmt anhob. Die noch etwas höher wanderten, als er sich in den Nacken griff und etwas nachschob, das fast wie ein Kompliment klang. "Wie nett, dass du meine Bemühungen zu schätzen weißt.", erwiderte sie in einem Tonfall, der deutlich machte, dass er sie verärgert hatte.
Damit wandte sie sich von ihm ab und dem Spiel wieder zu, über das sie sich beugte und nach dem rettenden Einfall suchte, in dem Bemühen, die Worte um sich herum zu ignorieren. Und tatsächlich... hatte sie sich dieses Schimmern gerade eingebildet oder hatte Ventha sie erhört? Azura ließ ihre Hand zu der Figur schweben, während ihre Augen die verschiedenen Möglichkeiten der Bewegung abtasteten, bevor sie den Zug
wagte.
Das Gerippe konterte und so ging es Zug um Zug. Bis es schließlich zu einer gelinde gesagt Katastrophe kam. Der ging ein Lob voraus, dann eine Mahnung und schon war es geschehen. Azura keuchte unwillkürlich auf, als die Dame fiel... und dabei ihr Gesicht preisgab.
Ein eisiger Schauer kroch ihr den Nacken hinauf und sie presste die schön geschwungenen, dezent betonten Lippen einen Moment lang zusammen. War das ein vielsagendes Zeichen? Würde das bedeuten...? Ein ungutes Gefühl wollte sich ihrer bemächtigen, das sie mit aller Willenskraft, die sie aufzubieten hatte, zurück drängte. Später... dafür wäre später viel zu viel Zeit.
Verbissen heftete sie ihren Blick nun auf das Feld, nickte geistesabwesend bei den wohl ermutigend gemeinten Worten der Kutte und zuckte zusammen, als sich plötzlich Hände auf ihren Körper legten. Zwar strahlten sie keine Wärme aus, allerdings drohten sie für gewisse Erinnerungen zu sorgen, nach denen sie sich, wenngleich von einem anderen, sehnte. Nein, das konnte sie jetzt nicht gebrauchen!
Das Gemurmel an ihrem Ohr, das ihr rasch lästig wurde, half ihr, sich wieder zu fassen. "Was immer du da tust, tu es stumm!", zischte sie den Mann hinter ihr an, der sie so gekonnt ablenkte, um nicht noch einen Fehler zu begehen.
Dafür, dass sie noch nie gespielt hatte, und nur teilweise Hilfe erhielt, war sie erstaunlich gut. Doch nun wurde sie ehrgeizig und wollte definitiv auch gewinnen!
Nicht für sich, die Befürchtung, dass es dafür zu spät wäre, hatte sich in ihrem Hinterkopf eingenistet und begann damit, es sich bequem zu machen. Aber sie hatte erst recht keine Lust, bis in alle Ewigkeit diese Gesellschaft zu ertragen... und das Wissen darum, dass es bis zu einem gewissen Grad ihr eigenes Verschulden war. Nicht vollständig, selbstverständlich nicht! Jedoch war sie ein wenig gereift und hatte erkannt, dass ihre Tat zu unbedacht gewesen war. Das durfte ihr bei ihren Zügen nicht mehr passieren.
Wieder half ihr die Göttin unbemerkt und sorgte dafür, dass sie zugleich eine vollkommen neue Möglichkeit erhielt. Als sich allerdings das Gesicht der neuen Dame enthüllte...
Der Schmerz, der sie durchzuckte dabei, hätte sie sich beinahe krümmen lassen vor Übelkeit. Zugleich stieg Bitterkeit in ihr auf bei der Schlussfolgerung, die sie daraus zog. Denn einst hätte sie die Dame des Mannes in ihrem Rücken werden sollen... und in der Zukunft wartete diese andere auf ihn. Kurz musste sie die Augen schließen und sich so sammeln, um weiter machen zu können.
Viele Figuren hatten sie nicht mehr auf dem Brett, somit wäre es bald geschafft. Und dann... dann würde sie weitersehen und trauern können... Worum alles, das würde sich weisen. Es war gut, dass der Kapitän endlich seine Hände von ihr nahm, obwohl ihr die Knie so weich geworden waren, dass sie diesen Halt hätte gebrauchen können. Nur... sie wollte ihn nicht, nicht von ihm! Erst recht nicht nach dieser Wendung, diesem offensichtlichen Zeichen für sie, das die Bitterkeit noch weiter schürte.
Nun schlug die Stunde des Läufers, der die Form eines Vogels angenommen hatte. Nein, nicht irgendeines, sondern ihres Raben. Die junge Frau bewegte ihn und selbst ihr war es nun möglich vorher zu sehen, was passieren würde. Schwer schluckte sie ob des Umstandes, dass sie ein Sinnbild für Corax opferte, um ausgerechnet der Göre zu ihrem Glück zu verhelfen.
Gerne hätte sie nach der geschlagenen Figur gegriffen und sie in der Hand gehalten, als Erinnerung und sonstigen sentimentalen Anwandlungen, doch wie jede verschwand sie, sobald sie besiegt worden war. So blieb ihr mal wieder nichts als das, was sie in ihren Gedanken hatte.
Und dann, plötzlich, nach einer Handvoll weiterer Züge, war es vorbei. Sie hatten gewonnen... Azura war, als würde sämtliche Kraft aus ihr weichen, sodass sie rasch nach der Tischkante griff, um sich festzuhalten. Es dauerte, bis sie es überhaupt fassen konnte, dass sie es geschafft hatte.
Da wurde sie auf einmal gepackt und zu einem Tanz verleitet, der ihr weder Freude bereitete, noch nach dem ihr zumute war, wenngleich sich ihre Beine wie von allein bewegten. Tatsächlich schaffte es das Gerippe mit Leichtigkeit, die Freude des Mannes zu trüben, während in ihr die Bitterkeit anschwoll und das ungute Gefühl zur Gewissheit wurde.
Ob es etwas ändern würde, wenn sie wenigstens jetzt etwas sagen würde? Nein, es war, wie es war. Erschöpfung begann sich in ihr breit zu machen und sie akzeptierte, ohne aufzubegehren... im Moment.
Stattdessen ahnte sie, dass der Abschied nur allzu bald sein würde, sodass sie sich dazu zwang, wenigstens etwas noch anzusprechen. Fest fixierte sie das Gesicht des Kapitäns und bewahrte Haltung, um mit kräftiger Stimme zu verkünden:"Du wirst mir gut auf Corax aufpassen, verstanden? Sollte ihm irgendetwas zustoßen, egal, wo, wann oder durch wen, ich werde dich persönlich dafür verantwortlich machen und dich heimsuchen! Ich hoffe, du hast mich verstanden, van Tjenn!"
Damit wandte sie sich ab und hätte es beinahe dabei bewenden lassen, um nichts mehr mit ihm zu tun haben zu müssen, als ihr noch ein Gedanke kam, ein wichtiger, der unbedingt raus musste. So drehte sie den Kopf, bis sie ihn im Augenwinkel sehen konnte. Ihre Züge wurden weicher, ebenso ihre Stimme, als sie hinzu fügte:"Sag ihm, dass... dass er glücklich werden soll. Er wird immer in meinem Herzen seinen Platz haben, aber für ihn geht es weiter. Ich..." Sie brach ab, weil ihr die Tränen zu kommen drohten.
Ohnehin nutzte das Gerippe dieses flüchtige Stutzen sofort, um den Abschied zu verkünden. Azura schloss die Augen... und als sie diese wieder öffnete, war sie allein, allein an einem Ort, der ihr schon die ganze Zeit über nicht mehr das bieten konnte, was sie sich früher erwartet hätte. Langsam gab sie einen seufzenden Laut von sich, als würde sie die Luft aus ihren Lungen entweichen lassen.
Dann setzte sie sich in Bewegung, kehrte in ihr Ankleidezimmer zurück und wählte erneut jene einfachere Kleidung, die der Kapitän an ihr mehr geschätzt hatte. Es war nicht von Bedeutung, sie wollte es lediglich bequemer haben.
Wie sie hingegen danach zu der Tür zum Spiegelraum gelangte, wusste sie nicht mehr zu sagen. Stattdessen ergriff sie allmählich die Erkenntnis, was geschehen war und was nun war. Sie war tot, sie war allein. Nie wieder würde sie Corax spüren können, mit ihm reden... oder eher streiten, und in seinen Armen liegen.
Ihre Hand hob sich und verharrte mit zitternden Fingern vor der Klinke. Es schien wahre Ewigkeiten zu dauern, bis ihr Arm kraftlos wieder herunter fiel. Nein, das konnte sie nicht, nicht jetzt. Sie konnte und wollte nicht die Freude der Göre sehen, wenn ihr Herzblatt wieder ins Leben zurück gekehrt war, während sie keine Gelegenheit hätte, es ihm gleich zu tun. Oder das Leid bei ihrem eigenen Liebsten, wenn er erkennen musste, dass sie nicht folgen würde.
Die junge Frau wandte sich ab und fand wie von selbst den Weg in den Garten zu ihrem Lieblingsplatz. Dort setzte sie sich auf die Bank, machte sich klein und sah blick- wie tränenlos in das plätschernde Wasser vor sich.
Und jetzt? Was sollte sie jetzt tun? Was konnte sie tun? Könnte sie ihn rufen und auf einen Handel mit ihm auch für sich bestehen? Würde er sich darauf einlassen? Nein, womöglich nicht.
Obwohl... könnte sie ihn vielleicht dazu nötigen? Schließlich hatte er die Geduld mit ihnen verloren, als sie damit begonnen hatten, kleine Zeichen in die Welt der Lebenden zu senden. Dafür hatte sie einen winzigen Teil ihrer Seele geopfert, ohne zu wissen, ob sie diesen jemals wieder gewinnen könnte.
Und wenn nicht? Was, wenn sie Stück für Stück sich selbst aufgab und es nichts bringen würde? Andererseits... was machte es denn schon? Was hatte sie von der Ewigkeit an diesem Ort ohne ihn? Wäre es da nicht tatsächlich besser... klüger, ihm Zeichen zu senden, eines nach dem anderen, um ihm Erinnerungen zu schenken? Das Gefühl, dass sie ihn nicht vergessen würde, selbst wenn sie nicht mehr lebte? Und wie lange hätte sie noch etwas von sich, das sie ihm opfern konnte?
Langsam reifte dieser Gedanke immer deutlicher in ihrem Kopf und festigte sich zu einem Entschluss, der sie leicht nicken ließ. Dann löste sie langsam ihre Glieder, nachdem diese sich ein wenig steif anfühlten, und trat an den Brunnen heran. "Ich danke dir... für alles.", wisperte sie und hielt ein letztes Mal einen Finger in das kühle Nass, zum Zeichen des Abschieds.
Denn sie hatte vor, zurück in den Spiegelraum zu gehen und so lange Teile ihrer Seele dort zu opfern, bis nichts mehr von ihr übrig wäre. Dieses Zimmer würde sie, sollte sie niemand daran hindern, nicht mehr verlassen...
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 7014
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 2. November 2022, 10:39

Azura:
Sie hatte es geahnt und spätestens während des fortschreitenden Schachspiels immer mehr befürchtet. Nun, da es eingetreten war, fühlte es sich dennoch anders als jede Erfahrung an, die Azura bisher gemacht hatte. Fort. Sie waren alle fort und sie blieb zurück. Allein. In Ewigkeit.
Zunächst wusste sie überhaupt nicht, was sie denken sollte, also folgte sie den Mechanismen ihres einstigen Lebens und kehrte in den Umkleideraum zurück, um sich dort umzuziehen. Was immer ihr Herz in Sachen Mode begehrte, sie würde es hier finden. Dennoch zog sie ihre vorherigen, bequemen, simplen Sachen vor. Diese fühlten sich wie frisch gereinigt und von Sonnenlicht und Venthas Böen getrocknet frisch an. Sie strahlten eine eigene Wärme aus, aber diese sollte niemals an die starker Arme herankommen, welche ihr Halt und Liebe böten. Arme, die sie niemals wieder umschließen würden.
Aus gutem Grund mied Azura zunächst den Raum mit dem Spiegel. Sie ertrug einen Blick hinein nun nicht. Einen Blick auf die neue Dame des Mannes, der ihr vielleicht einmal versprochen worden wäre und wie sie sich über dessen Rückkehr ins Leben freute. Sie ertrug nicht, welches Bild ihr Rabe machen sollte, sobald er bemerkte, dass sich bei ihr nichts mehr täte. Sie ertrug nicht, dass sie nicht haben konnte, was dem Kapitän geschenkt worden war.
Immer schneller waren ihre Schritte, dass der Kies unter ihren Schuhen knirschte, als sie die Gärten erreichte. Die Sonne war bereits aufgegangen, ein falsches Bild an einem falschen Ort, an dem sie ihre Ewigkeit erleben sollte. Das Morgenrot tauchte Himmel und Laub in einen sanften Schimmer. Sie roch die Vielfalt der Natur, welche Insekten anlockte, ihren Nektar zu kosten und an ihren winzigen Beinchen die Pollen mitzunehmen, auf dass sich alles mehrte. Se bekäme niemals mehr die Chance dazu.
Die Falken in der riesigen Voliere saßen nahe. Sie beobachteten Azura, wie sie sich auf der Steinbank niederließ und dem Wasserspiel des Springbrunnens hingab. Es plätscherte nicht so munter wie sie es gewohnt war. Fast konnte man es als Beileid einer Göttin sehen, die ihrerseits so viel versucht hatte, um sie zu retten. Azura wägte ab, ob sie eine Chance hätte, dass der Tod sich auf einen weiteren Handel einließ. Aber er war nicht Manthala, Göttin des Handels. Er war das letzte Wesen, das sie in die Ewigkeit geleitete. Ihre Ewigkeit, in der sie sich bereits befand, von aller Welt verlassen.
Ihr Herz war so schwer und doch versuchte sie, ihr Schicksal zu akzeptieren. So verabschiedete Azura sich von ihrer Göttin mit einem Kuss, den viele ihrer Gläubiger in ihren Tempeln vollzogen. Dort gab es spezielle Becken am Eingang, gefüllt mit ihrem geweihten Wasser, nur um ihr einen Gruß auszurichten. Manche benetzen ihre Lippen mit dem heiligen Wasser, andere zeichneten sich Venthas Symbol damit auf die Stirn. Azura konnte noch immer das sanfte Prickeln auf ihrer eigenen Stirn fühlen, aber es war schwach. Trotzdem war es gut zu wissen, dass Ventha sie offenbar noch nicht gänzlich verlassen hatte. Eines Tages würde sie zurückkehren und sie in ihr Reich holen. Oder das, was von ihr übrig wäre, denn die Adlige fasste einen Entschluss.
So allein wie sie sich nun fühlte, so sollte ihr Rabe nicht mit seinem Verlust gestraft sein. Sie würde ihm weitere Nachrichten und Hinweise schicken, selbst wenn sie dadurch ihre Seele gänzlich verlieren sollte. So kehrte sie nach einiger Zeit doch noch endlich zum Spiegelzimmer zurück.
Es kostete sie jede Menge Kraft, überhaupt die Tür zu öffnen. Nicht physisch, aber mental musste sie sich darauf vorbereiten. Sie rechnete bereits damit, einen tief betrübten Raben in der glatten Oberfläche zu sehen, als sie eintrat. Was sie nicht erwartet hatte, bot sich ihr allerdings jetzt. Nicht nur das Schachbrett war verschwunden. Tod hatte ihr nichts als den Lehnsessel gelassen. Der große Spiegel mit dem dunklen Holz war fort, als hätte es ihn nie gegeben. Sie besaß keine Möglichkeit, ihre Seele aufzuopfern. Sie würde Corax nun wirklich nie mehr wiedersehen.
Der gesamte kleine Raum wirkte mit einem Mal dunkler, ihr Palast trostlos und Azura endgültig verlassen. Wenn sie vorher schon glaubte, Einsamkeit kennen gelernt zu haben, wurde sie nun mit einer neuen Stufe dieser Emotion vertraut. Sie war gekoppelt an tiefe Seelenleere, mit der man die Taubheit von Gefühlen nicht beschreiben konnte. Denn es hätte bedeutet, dass sie zumindest noch vorhanden wären. Jetzt aber war nichts mehr, so wie der Spiegel nicht mehr war. Einzig ein Stechen hinter ihrer Stirn blieb. Nein, es war ein Prickeln, das sich einen Weg in die Aufmerksamkeit bahnte. Es versuchte, ihr ein Zeichen zu geben und vielleicht würde Azura nach einer Weile das kleine Geschenk auf dem Polster des Lehnsessels auffallen. Dort lag, nicht größer als ihr Handteller, ein Spiegel. Normalerweile verwendete man ihn, um einen raschen Blick auf das eigene Antlitz zu machen, ehe man sich für einen Abend unter noblen Herrschaften präsentierte. Aber normalerweise klappte man einen solchen Handspiegel auch auf. Dieser hier war schon offen und entgegen sonst verwendetem Metall bestand er aus aus einer weißen, flachen Muschelschale, in die der Spiegel wie ein klarer Bergsee eingefasst worden war. Die aufgesetzte, winzige Figur einer Möwe lugte in den See hinein und sollte Azura es ebenfalls tun, würde sie tatsächlich zu sehen bekommen, was sich derweil in der Lebendwelt und auf dem Schiff abspielte, das Andunie schon bald erreichen sollte.

Madiha:
Noch vollkommen in Gedanken ob des Gesprächs mit Jakub wanderte Madiha zum neuen Smutje in die Kombüse. Natürlich kredenzte Fischbein ihr alles nach Wunsch. Auch er schien ein Herz für das arme Mädchen zu haben, dem mehr am einstigen Kapitän gelegen hatte als ihnen allen zusammen. Ihren Verlust glich er mit dem erbetenen Klecks Honig mehr immer gern aus. Ansonsten war die Mahlzeit eher karg. Niemand durfte frische Brötchen und Vielfalt auf einer Seereise erwarten. Es gab Brot, das noch nicht schimmelig war, aber auch nicht so hart und salzig wie die haltbaren Kekse. Dazu wurde angesichts des Honigs zum Glück kein Fisch gereicht. Man beschränkte sich auf Nüsse, Trockenpflaumen und -feigen, sowie die tägliche Schale getrockneter Graupen, Linsen oder Erbsen. Die gab es immer dazu, zusammen mit einer Kanne erhitzten Wassers, damit man die Mahlzeit etwas einweichen konnte. Sie schmeckte nicht besonders, enthielt kaum noch Nährstoffe und machte lediglich satt. Seemann zu sein war keine Leichtigkeit.
Mit dem Tablett beladen kehrte Madiha dann weiterhin nachdenklich zur Kapitänskajüte zurück. Vielleicht hätte sie vor der Tür sogar noch eine Zeit lang länger gegrübelt, was man mit Caleb und Azura würde tun müssen, sollte sich bis zur Ankunft im fremden Hafen an ihrem Zustand nichts mehr ändern - ganz gleich, ob zum Positiven oder Negativen hin. Aber eine vertraute Stimme, die sich dumpf durch das Holz zunächst in ihre Ohren und schließlich in ihr Herz schlich, ließ sie alle Planungen in den Wind schlagen. Dass sie das Tablett nicht fallen ließ, war nur ihrer Vergangenheit als Sklavin geschuldet, in der man ihr mit mehr als Schlägen eingetrichtert hatte, dass solche Fehler in keiner Situation geduldet worden waren.
Caleb! Da saß er, aufrecht im Bett, unterhielt sich mit Corax, der noch immer in Dunias Gestalt zugegen war und ... lebte. Einfach so.
Madiha schaffte es irgendwie, das Tablett abzustellen und mit großen Schritten zum Bett des Kapitäns zu stürzen. Sie würde sich später nicht mehr daran erinnern können, wie sie den Weg zurückgelegt hatte. Sie wusste nur, dass sie sich plötzlich in Calebs Armen befand, das Gesicht an seinem Hals vergraben. Sie fühlte seine Wärme, die sie ebenfalls einnahm. Kein schwaches Atmen, keine schlaffen Glieder. Er hielt sie, er drückte sie an sich und sie konnte das Leben in ihm spüren, dass sie es wie einen Schwamm aufsog. Er fühlte sich genau so an, wie sie es vermisst hatte. Er fühlte sich so richtig an, so gut, so ... nah.
Madiha schuf ein wenig Distanz. Caleb konnte nicht wissen, was sie in den letzten Tagen durchgemacht hatte und was ihr klar geworden war. Er hatte es nicht wissen können, weil er sich vor der großen Offenbarung in einem Rettungsversuch Azuras hinter ihr in den Tod gestürzt hatte. Und nun war er wieder da. Die Götter hatten Gnade gezeigt, weil er so selbstlos versucht hatte, eine andere Person zu retten. Er lächelte sie an, wenngleich auch ein wenig fragend, weil sie die Umarmung so rasch wieder aufegelöst hatte. Ebenso glomm eine Spur Verlegenheit in seinen Augen. Dieses Mal konnte er sich nicht in den Nacken fassen, weil er Madihas Hüften festhielt und sie einfach nicht mehr loslassen wollte. Er zog sie sogar wieder dichter an sich heran, von sich aus!
"Caleb!"
"Ja..."
Er lächelte.
"Ich..."
"Ja." Er zog sie noch näher heran, dass sie schon wieder in seinen Armen lag.
"Ich bin erleichtert..."
"Mhm..." Mit roten Wangen neigte er den Kopf etwas, kam ihr näher.
"Tu ... das nie! Niemals! Wieder..."
"Gut..." Seine Lippen erreichten fast die ihren. Sie nahm seinen Atem bereits wahr. Warm. Lebendig. War es sein oder ihr Herz, das wild und lebendiger klopfte als jemals zuvor? Ein winziges Stück noch und er versuchte es, ganz von sich aus, ohne dass sie ihm ihre Worte nochmal hätte sagen können. Er...

"Azuuuuura!" Corax Aufschrei durchstieß die Luft, zerstörte den Moment und sorgte dafür, dass Caleb nun wirklich ins Leben zurückfand und sich der Momente erinnerte, die in der anderen Welt das Letzte gewesen waren, was er aus ihr mitgenommen hatte: Das Wissen, was geschehen war.
Während er und Madiha ihre Wiedersehensfreude mit einer ersten innigen Umarmung feierten, hatte Corax Dunias Form abgelegt und sich langsam zurückgezogen. Den Kapitän lebendig und erwacht zu sehen, sorgte bei ihm sofort dafür, sich dem anderen Bett zuzuwenden. Schweigend war er dorthin gegangen, hatte blind nach einer der gefalteten Hände gegriffen und sie gedrückt.
"Jetzt bis du dran", hatte er geraunt, sanft mit einem Finger ihren Handrücken gestreichelt ... und feststellen müssen, dass er unnatürlich kalt war. Sofort war Corax herumgefahren, hatte ihre ganze Hand in beide genommen, dann ihren Arm gestreift und ihre Stirn gefühlt. Er hatte ihren Kopf geneigt, die Lippen berührt und festgestellt, dass kein Atemzug sie mehr verließ. Die Brust hob sich nicht mehr an und kein Herz schlug darin, als er sein Ohr darauf legte und lauschte.
Ohne ihre Hand loszulassen, war er vor Schreck und Erschütterung zurückgewichen und hatte ihren Namen geschrien. Jetzt trat er wieder heran, beinahe so blass geworden wie sie und tätschelte ihr Gesicht. "Nein. Nein, nein, nein. Das darfst du nicht, hörst du? Du musst aufwachen. Der Tod steht dir nicht. Er macht dich hässlich! So hässlich bist du!" Er keifte sie an, versuchte es mit Provokation, weil seine verwöhnte Adlige immer darauf ansprang, nur um im nächsten Moment in verzweifelter Zärtlichkeit zu ihr zu sprechen. "Du hast mir doch ein Zeichen gegeben. Warum ... machst du das jetzt? So sehr kannst du mich doch nicht hassen.. bitte ..."

Caleb tauschte einen Blick mit Madiha. Einen, der aussagen sollte, wie sehr es ihm leid tat, ihre Zweisamkeit nun zu unterbrechen, aber sie wusste ja nicht, was er wusste. Der Kapitän versuchte, aus dem Bett zu gelangen, aber auch ein wieder erwachter Körper war schwach, wenn er sich Tage lang nicht gerührt hatte. Seine Beine versagten ihm schon den Dienst, als er auch nur versuchte, sie auf dem Boden aufzusetzen. Sie zitterten und würden sein Gewicht niemals halten können. Er musste es langsam angehen, aber er konnte nicht. Mit der Kraft seiner Arme stämmte er sich in einen mehr als wackligen Stand. Dann fiel sein Blick auf Madiha zurück. Hatte er ihr nicht eben noch beteuert, nie wieder eine solche Dummheit zu begehen? Oh, schwere Zeiten kamen auf ihn zu. Langsam ließ er sich zurück auf die Bettkante sinken und das einzige, was er noch erhob, war seine Stimme.
"Corax", rief er den Raben. Dieser zuckte nicht einmal zusammen. Er drehte nur den Kopf in Richtung des anderen Bettes. Sein Gesicht war fahl, tränennass und seine sonst so strahlenden Rubine waren zu dunklen Quarzen geworden, in denen kaum noch etwas von dem Rot glomm, dass den Edelsteinen ihren einzigartigen Glanz verlieh.
"Sie ist tot", sagte er so tonlos und heiser, dass man ihn kaum verstand. Er hielt noch immer die schlaffe Hand umklammert, die seinen Druck nicht mehr erwidern sollte.
"Ja", erwiderte der Kapitän. Er konnte dieses Bild nicht mitansehen, wie der Dunkelelf dort stand, als wäre er nur eine Erweiterung von Azura, aus der nach und nach ebenfalls das Leben zu weichen schien. Er legte seinen Arm um Madiha. "Hilf mir", bat er sie, ohne auszuführen, ob sie ihn nun stützen oder einfach zum Raben hinüber gehen sollte. Ganz gleich, wofür das Kind der Wüste sich entschied oder ob sie etwas ganz Anderes trieb, so redete der Mann an ihrer Seite weiterhin auf Corax ein. Er durfte jetzt ebenfalls keine Dummheit begehen.
"Wir waren ... Geister? Ich weiß es nicht. Wir haben gegen ein gigantisches Skelett in Kutte ein Spiel auf Leben und Tod gespielt. Eines, dessen Sieg über die Rückkehr zu euch entschied. Wir ... haben gewonnen." Er nickte zu Azura hin. "Durch sie. Ich war vollkommen nutzlos. Ohne ihren Einsatz wär das nichts geworden, aber ... es ging nur um meine Seele. Nicht ihre. Sie ... hat trotzdem alles getan, was möglich war. Und sie möchte, dass du weitermachst, Corax. Verstehst du? Sie will dich glücklich wissen."
"Nimmermehr...", erwiderte der Rabe. Wie sollte er glücklich werden? Er war ein Grauschelm. Die Buntschelmin Méllyn Kicherklang hatte es vorhergesagt. Grauschelme brachten Leid - sich selbst und anderen. Für immer. Er mochte von den seltsamen Männchen befreit sein und doch änderte sich nichts. Er war an dieses Schicksal gebunden und würde kein Glück finden. Nimmermehr.
Dass ihn diese Erkenntnis überschattete, war ihm anzusehen, aber auch wie er darum kämpfte, sich zusammenzureißen. Er wischte sich die Tränen fort, ohne Azuras Hand loszulassen. Er klammerte sich weiterhin an sie, als er das Wort mit gesenktem Kopf an Madiha richtete.
"Herrin ... ich werde weiterhin meine Aufgaben erfüllen. Du ... wirst nichts ... bemerken, was nicht in deinem Sinn ist ... verstoß mich nur nicht...", flehte er. Einen Verlust erlitt er gerade, einen zweiten würde er nicht überstehen.
"Madi und ich lassen dich da nicht allein. Wir sind an deiner Seite und beschützen dich. Versprochen", antwortete Caleb, noch ehe Madiha überhaupt darauf reagieren konnte. Denn er hatte es schließlich versprochen, auch wenn es ihm mehr oder weniger abgerungen worden war. Er hatte keine andere Wahl gehabt, aber angesichts dieses Elends vor ihm hätte er auch nichts Anderes gesagt.
Bild

Antworten

Zurück zu „Auf Hoher See“