Unter Venthas Willkür

Das große Meer ist launisch wie das Wetter. Einmal ist es friedlich und dann wieder die reinste Gefahr. Erfahrene Seemänner befahren es mit ihren großen Schiffen. Alle Reisen sind hier verzeichnet.
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Madiha Al'Sarma
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 2. November 2022, 22:06

Alles war neu. Erst waren da diese neuen Gefühle für einen Mann, von dem sie glaubte, dass er sie niemals erwidern würde. Dann war da diese unbändige Trauer als er sich Hals über Kopf in die Fluten der eisigen See gestürzt hatte, und sie allein an Deck eines Schiffes in unbekannte Richtung segeln ließ. Den Schmerz, den sie spürte, kannte sie bis dahin nicht. Er war anders, verzweifelter, endgültiger und Madiha hatte spüren müssen, wie er ihr die Seele zu zerreißen drohte. Nur um wenig später die Angst zu haben, dass er nie wieder würde aufwachen können. Zu hoffen, zu bangen und nie den Mut zu verlieren. Madiha hatte in den letzten Tagen einen emotionalen Marathon gemeistert und die Krönung des ganzen war, dass sie ins Ziel einlief: Caleb lebte. Das Mädchen vergaß jede Schüchternheit, wurde überrannt von all den Gefühlen, den guten und den schlechten, die sich allesamt in einer Umarmung des Mannes äußerten, der sich nachhaltig ihr Herz gestohlen hatte. Mit bebenden Schultern und nassem Gesicht, sog sie die Wärme in sich auf, die er ausstrahlte. Caleb lebte. Und es gab keinen Zweifel daran. Sie konnte den Druck spüren, den seine Arme an ihrem Körper ausübten und sie genoss dieses Gefühl. Wie sein schlagendes Herz, kräftig und zügig, auch ihres anregte, schneller zu schlagen. Wie seine Wärme auf sie überging und ihre Fingerspitzen seine Haut erkundeten. Madiha war so unendlich froh. Und doch erinnerte sie sich daran, dass er nichts von ihren Gefühlen wusste. Etwas erschrocken, brachte sie sich auf Abstand zurück. Trotzdem blieb sie bei ihm und tastete jeden Zentimeter seines Gesichts mit ihrem Blick ab. Ihre Worte erwiderte er endlich wieder. Sie lächelte zurück, als er ihr entgegen strahlte. Und während sie noch die Worte suchte, die unverfänglich klangen oder zumindest ein wenig ihre überschwängliche Erleichterung schmälerten, folgte sie wie von selbst seinem Zug an ihren Hüften. Er brachte sie näher zu sich und sie ließ es zu. Noch lenkten sie ihre Worte ein wenig ab, sodass sie erst beim letzten Satz etwas ins Stocken geriet, während sie spürte, wie nah er ihr plötzlich war. Madiha wurde mit einem Mal ganz ruhig und hielt die Luft an, während er seinen Kopf bereits leicht geneigt hatte. Ihr Herz polterte aufgeregt, während er näher und näher kam. Er kam ihr näher! Ohne… ohne, dass er wusste… Madiha schluckte. Nie hatte sich ihr jemand genähert, von dem sie es kaum erwarten konnte, dass er es tat! Das Mädchen hielt still und als sich nur noch wenige Millimeter Luft zwischen ihnen befanden, war sie ganz ruhig geworden. Da war keine Unsicherheit in eben jener Sekunde, die sie erleben wollte. Es war richtig so… Sie spürte es! In freudiger Erwartung lächelte sie ihn auffordernd an und neigte nun ihrerseits den Kopf ein wenig, um ihm zu zeigen, dass sie bereit wäre. Dass sie auf ihn gewartet hatte. Sie hatte sich das aufgehoben, denn er war es, mit dem sie diesen, für sie äußert besonderen Moment, teilen wollte. Und nur mit ihm. Madiha fasste just in dem Moment Mut, den letzten Schritt zu tun und erwartete bereits das Hochgefühl, des ersten, freiwilligen Kusses, als Corax seine grausige Entdeckung machte. Es fuhr ihr durch Mark und Bein und sie wandte augenblicklich den Kopf. Ihr Gesicht verlor augenblicklich einiges von ihrer eigenen Freude.
Sie hatte sich mitreißen lassen, hatte ihre Gefühle nicht im Griff gehabt und hatte dabei vollkommen übersehen, dass auch Azura hätte erwachen sollen. Madiha erwiderte Caleb’s Blick und nickte leicht. Sie verstand es. Jetzt war nicht der Moment, auch wenn sie innerlich dafür brannte, diese Erfahrung machen zu dürfen. Das Mädchen erhob sich von ihrer Position und sah mit mitleidigem Blick zum Raben. Caleb bewegte sich neben ihr und sprach den Dunklen an.

"Sie ist tot", Madiha spürte sofort, wie ihr die Tränen kommen wollten. Sie betrachtete Corax und … es tat ihr unendlich leid. Das hatte er nicht verdient. Das Mädchen wollte schon auf ihn zugehen, als Caleb sich mühevoll in die Höhe recken wollte. "Hilf mir", bat er sie und sie war zur Stelle. Sie hielt ihn mit einem Arm am Rücken und stützte mit der anderen Hand seine Seite, damit sie zusammen aufstehen konnten. Doch sie schafften es nicht. Caleb war viel zu schwach und Madiha kaum stark genug, um ihn vollends zu stützen. Sie setzte ihn behutsam wieder auf die Bettkante, und strich sanft über seinen Oberkörper. Dann richtete sie sich auf, um erneut zu Corax zu sehen. Noch ehe sie etwas sagen konnte, erhob erneut der Dieb das Wort: "Wir waren ... Geister? Ich weiß es nicht. Wir haben gegen ein gigantisches Skelett in Kutte ein Spiel auf Leben und Tod gespielt. Eines, dessen Sieg über die Rückkehr zu euch entschied. Wir ... haben gewonnen. Durch sie. Ich war vollkommen nutzlos. Ohne ihren Einsatz wär das nichts geworden, aber ... es ging nur um meine Seele. Nicht ihre. Sie ... hat trotzdem alles getan, was möglich war. Und sie möchte, dass du weitermachst, Corax. Verstehst du? Sie will dich glücklich wissen." Sie hob den Kopf, den sie traurig etwas gesenkt hatte. Madiha musterte Caleb und versuchte zu verstehen, was er da redete. Es klang so seltsam skurril, doch er schien es vollkommen ernst zu meinen. „Ihr … Ihr habt gemeinsam gegen den Tod gespielt?“, hauchte sie sorgenvoll und sah von Caleb zu Azura und wieder zurück. Ihr lief eine Gänsehaut über den Körper. Noch nie hatte sie etwas Derartiges gehört. Konnte das stimmen? Oder hatte er im Schlaf geträumt? Sie erinnerte sich an das seltsame Bild, als Corax als Krakenmann die Mannschaft dezimierte. Dort war ein geisterhaftes Abbild auf den Wellen erschienen. Er glitt neben dem Schiff im Wasser und … grinste. Madiha fröstelte plötzlich bei der Erinnerung. "Nimmermehr...", kam es von Corax und das Kind der Wüste seufzte auf. Er tat ihr so leid. Sie verließ Caleb für den Moment und ging auf Corax zu. Bevor sie ihn aber – wie geplant – in den Arm nehmen konnte, erhob er das Wort auch direkt an sie: "Herrin ... ich werde weiterhin meine Aufgaben erfüllen. Du ... wirst nichts ... bemerken, was nicht in deinem Sinn ist ... verstoß mich nur nicht..." Das war zu viel. Madiha öffnete ihre Arme und zog den Raben zu sich. Sie umarmte Corax und drückte ihn an sich. Nicht wie Caleb. Aber ebenso herzlich und vor allem mitfühlend. Sie wollte ihm ein wenig Halt spenden, wollte ihm zeigen, dass er seine Sorgen grundlos aussprach. Doch auch Caleb schien in diese Richtung zu denken: "Madi und ich lassen dich da nicht allein. Wir sind an deiner Seite und beschützen dich. Versprochen" Sie strich dem Raben behutsam über den Hinterkopf und nickte in der Umarmung, zur Bestätigung. „Corax… mir tut dein Verlust so unendlich leid. Ich… ich hätte dir all das Glück der Welt gewünscht, wenn ich es gekonnt hätte.“, murmelte sie und seufzte abermals.

Hinter ihm lag Azura. Madiha hatte die Augen aufgemacht und blickte die Rothaarige an. Sie wirkte deutlich gräulicher, das Leben war aus ihr gewichen und man sah es. Doch sie hatte offenbar dafür gesorgt, dass Caleb zu ihr zurück durfte. Es war wohl das Mindeste, denn immerhin passierte das nur, weil sie es so provoziert hatte! Doch Madiha war nicht hämisch oder missgünstig. Schon gar nicht im Tod. Sie war tatsächlich dankbar und so schloss sie die Augen und sandte ein Gebet an die Göttin, die Azura so wichtig war und die auch Caleb hin und wieder erwähnt hatte: „Ventha…“, murmelte sie in Gedanken. „Ich… ich gebe zu, dass ich bisher nicht gebetet habe. Ich wüsste nicht an wen. Aber… aber für sie, ich weiß ja, dass sie an dich glaubte. Und … und Caleb tut es auch – schätze ich. Naja, was ich sagen wollte, ist… Behüte sie gut. Sie… ich verdanke ihr eine Chance. Und… und auch wenn wir nicht – also – wir mochten einander wohl nicht so sehr… Aber… es tut mir so unendlich leid, dass es so gekommen ist…“, sandte sie weiter und es war wohl eher keins der schönsten Gebete. Doch sie konnte es nicht anders, hatte es nie getan. Nun aber wandte sie den Blick von der ewig Schlafenden und widmete sich wieder dem Raben. Madiha entließ Corax halb aus ihrer Umarmung und sah ihm ins Gesicht. „So lange du es willst, so … lange du es brauchst – bin ich.. - sind wir! - für dich da. Und wenn du dann irgendwann den Schritt wagen und … wahrlich fliegen willst, dann lasse ich dich ziehen.“, versprach sie erneut und wiederholte ihre Worte von vor einigen Tagen noch mal. Damit zog sie Corax abermals in ihre Arme und bekräftigte diese Worte, ehe sie ihn losließ.
Madiha sah zu Caleb und lächelte leicht traurig. Nie war Madiha gläubig gewesen. Doch sie wusste und hatte bereits daran mitwirken müssen, als Abbas starb, wie man in Sarma die Toten vorbereitete. Sie trat an Caleb heran, wandte sich aber an Corax. „Ich…“, setzte sie an und nestelte etwas an ihren Händen. „Ich würde sie für dich waschen, Corax…“, setzte Madiha an und handelte nach sarmaischen Brauch. Hier galt es, die Toten einer rituellen Waschung zu unterziehen, sie dann einzukleiden und in bis zu fünf weiße Leinentücher zu hüllen. „In… in meiner Heimat ist es Brauch, das zu tun. Damit sie freigesprochen werden können von all dem Leid, dem Schlechten und den Sünden… Um sie dann in Reinheit und in Frieden, dem Gott ihres Glaubens anzuvertrauen.“, sprach sie leise weiter. Madiha hatte das Bedürfnis, etwas für den Raben zu tun. Er wirkte so verloren auf sie. Und während sie das glückliche Gefühl nicht verdrängen konnte, weil es sie so sehr erfüllte, empfand sie trotzdem Mitleid mit ihm. Und das auf ehrliche Weise. Das Mädchen ging den letzten Schritt auf Caleb zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Sie ließ Corax einen Moment darüber nachdenken und musterte den Dieb. In ihrem Blick lagen so viele Fragen. Fragen darüber, was wirklich geschehen war in all der Zeit. Was er erlebt hatte… was er eigentlich durchgemacht hatte, während sie glaubte, dass er nur schlief, weil sein Körper mit dem Leben rang. Sie wollte mit ihm reden, wollte alles hören und sie wollte…. Seine Nähe. Doch sie würde warten, wenn Corax sich entschied, ihre Geste anzunehmen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 3. November 2022, 09:29

Madiha:
Wie gern hätte sie sich diesen neuen Gefühlen hingegeben. Emotionen, die sie in einer derartigen Lage nie gespürt hatte. Nie zuvor war ihr vor Freude und Erwartung dermaßen heiß geworden. Ihr Herz mochte auch damals oft genug wild geschlagen haben, wenn ein Mann ihr so nahe kam, aber da hatte Angst und das Gefühl, benutzt zu werden, im Vordergrund gestanden. Außerdem hatte sie sich dann auch immer sofort auf den Schmerz vorbereitet, der unweigerlich stattfand - entweder durch die ruppige Behandundlung des nächsten Lustmolchs oder weil dieser dringend eine Frau zuvor verprügeln musste, damit er ihren Körper überhaupt nutzen konnte, weil sein eigener sonst nicht mitmachte. Es waren schlimme Zeiten gewesen. Umso aufregender und schöner fühlte es sich jetzt an, da Caleb wieder lebte und ihr so nahe war. Er schaute sie an. Diese verträumten blaugrünen Augen, die über ihr Gesicht huschten, um jede ihrer Reaktionen aufzunehmen. Immer wieder blieben sie an ihren Lippen hängen und hüpften anschließend mit einem fragenden Unterton zu ihren Augen empor. Caleb nahm sich nicht, obwohl er gewiss gekonnt hätte. Madiha hätte es ihm sogar freiwillig gewährt und doch wartete er auf ein deutlicheres Zeichen. Er wollte ihre Erlaubnis. Er war kein Eroberer, sondern Gast. Madiha öffnete ihm die Pforten. Ihre Lippen lösten sich hauchzart voneinander, bereit für einen zärtlichen Willkommensgruß.
Es hätte so schön werden können, aber sie vergaß, dass es nicht er allein war, auf dessen Rückkehr sie gewartet hatten. Er war nur der Einzige, der es geschafft hatte. Corax Worte drangen ihr durch Mark und Bein, aber es war das Mitleid zum Dunkelelfen, das sie erschütterte. Für Azura hatte Madiha nicht viel übrig gehabt, gab ihr insgeheim auch irgendwo die Schuld an all dem, was geschehen war. Dennoch durchflutete sie eine eisige Kälte, als sie mitanhören musste, wie sehr es dem Raben in Elfengestalt zusetzte. Wie hätte sie reagiert, wäre Azura erwacht und Caleb nicht? Daran wollte sie gar nicht denken, denn dann gefror ihr Herz und wäre wohl zersprungen. Corax hörte sich genau danach an. Sein Anblick setzte all dem noch die Krone auf. Nicht einmal, als er als kleiner Junge und mit Tränen in den Augen tapfer das Tablett zu ihr und Azura in die Kabine gebracht hatte und bei jedem Schritt leicht gehumpelt war, hatte er so sehr ihr Mitleid erregt wie jetzt, da er einfach nur an dem Bett stand und die erschlaffte, gräuliche Hand der Toten hielt. Tot, das war sie. Azura würde nicht mehr zurückkommen.
Sowohl Madiha als auch Caleb waren alarmiert. Der gute Caleb. Er war Azura bereits Hals über Kopf einfach nachgesprungen und nun wollte er aus dem Bett springen für ihren zurückgelassenen Liebsten. Leider versagte ihm sein Körper den Dienst. Er brauchte Zeit, um wieder im Leben anzukommen. Zeit, Kraft und eine stärkende Mahlzeit. Wärme...
Er würde es aufschieben müssen wie alles, was sich zwischen ihm und Madiha anzubahnen gewagt hatte. Corax ging es deutlich schlechter und wenn sie ihm jetzt nicht Beistand leisteten, würde er sich vollkommen allein auf Celcias Gewässern und Boden fühlen. Nachdem Madiha und sein eigener Körper Caleb verdeutlich hatten, dass er besser im Bett blieb, hockte er auf dessen Kante, während das Wüstenmädchen sich Corax näherte. Sie konnte ihn einfach in die Arme ziehen. Er wehrte sich nichts. Er tat überhaupt nichts. Er weinte lediglich stumm und starrte Azuras lebloses Gesicht an. Man erkannte den Unterschied. Zuvor hatte es wenigstens noch etwas Körperspannung gegeben, allein weil sie geatmet hatte. Nun wirkte alles so unendlich entspannt und friedlich ... und reglos.
Caleb nutzte die Gelegenheit, mehr als ein Lob auf Azura auszusprechen - zu Recht. Sie hatte ihn zurückgebracht. Ohne ihre Schachkenntnisse wäre er verloren gewesen. Man mochte es kaum glauben, dass die hochnäsige, verwöhnte Adlige einmal doch selbstlos gehandelt hatte. Corax glaubte es, so schien es zumindest. Er hörte zu, aber er reagierte eigentlich gar nicht darauf und das war schrecklich mit anzusehen. Er schloss alles tief in sich ein, was er noch nicht wahrhaben konnte oder wollte. Sein Herz verkraftete den Schock noch nicht, also kannte er kein Verhalten, das man nun an den Tag legte. Dass ihm unentwegt die Tränen liefen, ließ sich nicht ändern, aber ansonsten wirkte er so schrecklich hilflos und paralysiert. Obendrein rang er sich Worte ab, die nur ein perfekt gebrochener, ewig loyaler Sklave widergeben konnte. Fast perfekt gebrochen, denn er flehte darum, nicht verstoßen zu werden. Eine gänzlich bis zur Zerstörung misshandelte Seele hätte es nicht mehr gewagt, um etwas zu bitten. Trotzdem hielt Madiha es nicht länger aus. Sie umarmte den Rabenmann eng, während Caleb die Worte aussprach, die auch ihr auf der Zunge lagen.
"Ich ... ich hätte dir all das Glück der Welt gewünscht, wenn ich es gekonnt hätte."
"Ich bin nicht für Glück geschaffen", antwortete er. Es klang so leise und trostlos, als wäre auch aus ihm all das Leben gewichen. Er erwiderte die Umarmung nicht einmal. Er stand nur von Madiha umschlungen da, hielt Azuras Hand. "Grauschelme bringen Leid", brachte er heraus. "Ich bringe Leid."
"Du glaubst diesen Quatsch doch nicht wirklich, oder?", brummte Caleb aus dem Hintergrund. Corax' Mangel an Reaktion sprach Bände. Nach einer Weile wandte er sich noch einmal an Madiha: "Wenn es dir zuwider ist, Herrin, dann schick mich weg ... ich werde dich nicht töten. Du bist eine gute Herrin. Ich will niemanden mehr töten...", fügte er leiser an. Caleb hörte es wohl kaum, aber Madiha konnte die Worte gerade noch verstehen. Der Elf lief Kopf und Schultern hängen.
Madiha erwies der Toten die letzte Ehre mit einem Gebet an Ventha. Es war holprig und sie wusste nicht, ob es richtig war, so zu einer Göttin zu denken, aber sie gab ihr Bestes. Eine Antwort erhielt sie nicht. Doch in ihr reifte die Idee, Azura auf Sarmaer Art aus der Welt zu verabschieden. Manche Familien der Wüstenkinder vollzogen Waschungen und wickelten ihre Toten in Tücher ein. Es soll sogar vorkommen, dass man ihnen mit hochsensiblen Techniken das Gehirn aus der Nase zog und dem Körper die Säfte entzog, sie einbalsamierte und so für Jahrhunderte konservierte. Madiha hatte noch nie in ihrem Leben eine Mumie gesehen, der Begriff war ihr aber schon einmal untergekommen. Das könnte sie mit Azura gewiss nicht tun, aber sie waschen und rituell in Tücher wickeln wäre ihr möglich. Es musste nur noch einer zustimmen, aber der stellte sich nun nicht nur quer, er wand sich auch sofort aus Madihas Armen und stellte sich zwischen sie und das Bett.
"Fass sie nicht an!", fauchte er dem Mädchen entgegen und in seinen Blick kehrte ein schimmerndes Rot zurück. Es erinnerte nur nicht an Rubine, sondern an ... Blut. "Sonst töte ich dich, Herrin."
"CORAX!" Caleb schob sich vom Bett, sein Warnfruf so scharf wie eine Schneide. Der Angesprochene hob den Blick. Er nahm an Bedrohlichkeit nicht ab, doch in ihn trat der Respekt, den er auch immer noch Madiha gegenüber brachte. Und dann: "Dich auch, wenn du ihr zu nahe kommst ... Herr."
Caleb blinzelte, aus dem Konzept gebracht. Er glotzte Corax mit großen Augen an, ehe sein verwirrter Blick den von Madiha suchte. Mit dem Daumen zeigte er auf den Dunkelelf. "Hat der micht gerade seinen Herren genannt? Hab ich was nicht mitbekommen?"
Corax schnaubte auf. Es genügte ihm. Er würde nicht riskieren, dass jemand Azura zu nahe kam und da er im Moment alles andere als rational handeln oder denken konnte, reagierte er wie es viele Hilfslose taten: kindlich naiv. In diesem Fall wurde dieses Verhalten durch verzweifelten Trotz geprägt. Der Elf wirbelte herum und wischte gleichzeitig mit der freien Hand in die Höhe. Der Raum wurde zwischen ihm und Madiha geteilt. Eine Wand aus dickem Gestein zog sich empor. Sie besaß keine Tür. Corax schloss sich und Azura ein.
Nun verließ Caleb doch das Bett. Er hielt sich an der Wand des Schiffes fest, stand halb aufrecht da und schlurfte zum Kind der Wüste hin. Es ging langsam vonstatten und erst als er sie erreichte, zeigte sich, wieviel Kraft es Corax kostete, den Verlust zu verarbeiten. Er konnte sich nicht auf seinen Zauber konzentrieren. Die Mauersteine verblassen, wurden durchsichtig und glichen nunmehr nur noch einem dünnen Vorhang mit Gesteinsmuster, dass man versucht sein konnte, einfach hindurch zu treten. Dahinter sah man den Elfen, der am Bett zusammengebrochen war. Er kniete davor, wie er schon vor Madiha gekniet hatte, als er ihre Füße hatte küssen wollen. Seine Hand umklammerte noch immer Azuras, die nun schlaff über den Rand des Bettes hing, während unter ihr ein elfisches Häuflein Elend bebte und zitterte. Sein Schluchzen hielt die illusionäre Mauer allerdings noch davon ab, zu Caleb und Madiha durchzudringen.
Der wieder Erwachte seufzte aus. "Geben wir ihm Zeit." Er legte seine Hand auf Madihas Schulter ab, auch um sich zu stützen. "Ich würde gern frische Luft schnappen, hilfst du mir? An Deck kannst du mich dann auch ausfragen und ..." Er verstummte. Ob die Röte in seine Wangen stieg, weil er seine Gedanken gegenüber Corax' Leiden für unangebracht hielt oder aus einem anderen Grund, darüber schwieg er. Gewiss hätte Caleb sich erneut die Hand in den Nacken geschoben, bräuchte er sie nun nicht, um Halt zu finden.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 3. November 2022, 21:41

In den letzten Tagen hatte Madiha so einige Gedanken zu Azura und ihre Tat unterdrückt. Immer wieder wollten sie aufkommen, sie in eine Richtung schieben und sie dazu bringen, sich abzulenken. Sich auf etwas anderes zu konzentrieren. Ihr die Schuld zu geben. Doch die Sarmaerin hatte sie niedergerungen, denn sie wollte tatsächlich Corax nicht verletzen. Er litt und so wie sie Caleb vermisste, fehlte ihm die Adelige. Wer war Madiha schon, darüber nachzudenken, warum er sein Herz an jemanden verschenkte, der so hochnäsig und arrogant daherkam? Der seine ausstaffierte Art selbst im Angesicht von Zuwendung und Mitgefühl nicht ablegen konnte. Madiha und Azura trennten Welten. Und so wie sie Azura’s Welt nicht verstand, mangelte es der Rothaarigen an Einsicht in ihre. Doch Madiha war in der Lage sich und ihre Gefühle zurückzunehmen. Es ging nicht um sie, sondern um ein Leben, das beendet war. Viel zu früh. Viel zu sinnlos. Und um eines, dass sich für immer wenden könnte, wenn es jetzt außer Acht gelassen würde. So war es auch nicht der Unmut, der sie jetzt trieb, sondern einzig das Mitgefühl, für Corax. Sie hätte jetzt an seiner Stelle sein können. Die Aussage, die Caleb machte, hatte sich wie ein kaltes Gewand über sie gelegt, jetzt da sie Corax so in Trauer sah. Wenn Azura nicht gewesen wäre, dann wären ihre Rollen vertauscht. Sie fühlte sich schuldig, dass sie Glück empfand, wo er litt. Vermutlich ein Nachhall aus ihrer Vergangenheit, der sie glauben ließ, sie hätte kein Glück verdient, obwohl sie sich danach sehnte. Ebenso wie der Rabe. Sie zog ihn in ihre Arme, versuchte ihm einen schwachen Trost zu geben und wollte ihm zeigen, dass er nicht allein sein würde. Auch Caleb bestätigte das. Madiha aber fühlte sich getrieben davon, dass sie mehr tun wollte. Sie war zwar längst freier als es der Dunkle vermutlich je wäre, doch auch sie hatte Jahre damit zugebracht, zu lernen, wie sie eine gute Sklavin war. Madiha bot ihm an, Azura einer rituellen Waschung zu unterziehen. Sie kannte es aus Sarma, wusste, dass es ehrenvoll, demütig und zugleich eine Geste des Respekts war. Einen Moment wartete sie ab, bis Corax seinen Blick hob. Madiha erstarrte bei dem Ausdruck in seinen Augen. Schon schossen messerscharfe Worte auf sie zu und durchstachen ihren Körper. "Fass sie nicht an!“ „Corax.. ich..“, hob sie beschwichtigend die Hände, "Sonst töte ich dich, Herrin." Madiha zuckte zusammen als hätte er ihr eine Ohrfeige verpasst. “CORAX!!“, sprang Caleb ihr zur Seite und Madiha verschränkte die Arme vor der Brust. Es war keine trotzige Geste, eher eine erschütterte und hilflose, aufgrund der harschen Reaktion. Corax trauerte, das verstand sie. Doch sein sprunghaftes Verhalten, machte ihr Angst. Erinnerte sie daran, dass jeder machen konnte, was er wollte und wonach ihm gerade war. Sie schlug die Augen nieder, wich dem Blick des Raben aus. Er hatte ihr soeben gezeigt, dass er ihr jederzeit etwas antun würde… Wenn die Umstände es für ihn rechtfertigten. Sie konnte sich nie sicher sein. “Dich auch, wenn du ihr zu nahe kommst ... Herr.", setzte Corax nach.
Ihre Augen hoben sich wieder zum Dunklen und nun lag in ihren eine Mischung aus Warnung und Distanz, ehe Madiha verständnislos zu Caleb blickte. Als er zu ihr aufschloss, streckte sie ihre Arme hilfsbereit entgegen, um ihm soweit Halt geben zu können, wie er es brauchte. Madiha schüttelte nur ratlos den Kopf, bevor sie Zeugin weiterer Magie durch Corax wurde. „Nein..“, wollte sie ihn mit leiser Stimme aufhalten, aber er verschwand hinter der illusorischen Mauer.
Staunend blickte sie auf seine Schöpfung und ließ ein wenig die Schultern hängen. Es war niederschmetternd, wie viel Leid auf dieser Schiffsreise geschehen war. Madiha starrte auf die Mauer, die sich allmählich wieder auflöste und zumindest durchsichtig wurde. Sie schaute auf das Elend am Boden und ihr stiegen erneut die Tränen in die Augen. Wie viel Leid würde genug sein, bis er endgültig brach? Und was würde geschehen, wenn er keinen Sinn mehr erkennen konnte in seiner Trauer? Madiha hielt die Augen sorgenvoll auf den Elf gerichtet, als sich Caleb’s Stimme leise einmischte: "Geben wir ihm Zeit." „Du hast vermutlich Recht…“, murmelte sie, sah jedoch weiter auf den Mann am Boden. Das Mädchen holte tief Luft. Die Schwere war erdrückend und vermutlich war es wirklich besser, wenn sie Corax einen Moment der Trauer ließen. Er musste sich verabschieden… und sobald er soweit war, wäre sie für ihn da. Trotz dessen, dass er sie bedrohte.

"Ich würde gern frische Luft schnappen, hilfst du mir? An Deck kannst du mich dann auch ausfragen und ..." Ihr Kopf wandte sich zu ihm, sodass sie ihn schräg von unten her ansehen konnte. Sie lächelte tatsächlich, denn es klang wie Musik in ihren Ohren, dass sie vielleicht einen kleinen Moment für sich erübrigen konnten. Es gab so vieles, was sie wissen wollte… und tun. Sie nickte zustimmend und wurde ebenfalls erneut verlegen. Plötzlich gab es da wieder eine Möglichkeit. Die Zeit allein mit ihm… das erste Mal, dass sie miteinander… wirklich sprechen konnten… Und das erste Mal, dass sie Zeit zu zweit verbrachten, wo doch diese frischen, neuen Gefühle zwischen ihnen schwebten. Madiha’s Herz klopfte aufgeregt, doch sie vergaß Corax nicht sofort. Das Mädchen half Caleb vorsichtig einige Schritte zu gehen, bis sie die Mauer nur ganz leicht mit ihrer Hand berührte. „Corax…“, sie wusste nicht, ob er sie hörte, „Corax, wir sind für dich da, wenn du soweit bist…“, bot sie ihm an und nickte Caleb daraufhin zu. Gemeinsam schafften sie es zur Tür, bis Madiha diese öffnete und mit einem letzten, kurzen Blick auf Corax, das Zimmer mit Caleb verließ.
Draußen schlug der kühle Wind der Wüstentochter entgegen und ließ sie tief einatmen. Ihr fiel ein wenig das bedrückende Gefühl von den Schultern, denn die Frische klärte unweigerlich ihr Gemüt. Auf einmal wirkte die Luft auch nicht mehr so unbarmherzig, sondern kühlte die glühenden Wangen, während ihr Blick einmal umherwanderte, um zu ergründen, ob sie wirklich ungestört sein könnten oder, ob die Mannschaft ihren Kapitän begrüßte. Madiha stützte Caleb weiter, bis er sich auch gleichzeitig an der Reling halten konnte. Einen Moment schaute sie auf das Fahrwasser des Schiffes. Ihr kam die schreckliche Situation wieder in den Sinn, als sie Caleb über der Reling verschwinden sah. „Sie haben so lange gebraucht… Sie sprachen davon, dass du das unmöglich überlebt haben konntest“, erzählte sie ihm, „und ich… Ich habe einfach nicht verstanden, wieso du… du warst so schnell und …“, Madiha schluckte und ihre Augen schwammen erneut, bei der Erinnerung an diesen furchtbaren Moment. „Dann haben sie dich aus dem Wasser gezogen. Doch… immer wieder sprachen sie davon, dass du nicht… Du hast dich nicht mehr bewegt…“, sie schloss die Augen, während ein paar wenige Tränen stumm ihre Wangen benetzten. Der Schock und der Schmerz, hatten sich tief in ihre Seele eingebrannt. Sie krallte sich seufzend in das Holz, um die Erinnerung zu verscheuchen. Danach wandte sie sich langsam Caleb zu und trat näher in seine Reichweite. Madiha blickte den Dieb von unten herauf an und befand sich in der exakt selben Position, wie zu der Zeit, bevor das alles passierte. Nur dieses Mal berührte ihre Rechte, auf der Reling ruhend, ganz sanft seine Finger. Sie strich ein wenig gedankenverloren über seine Haut. Sie trat noch einen Schritt näher als wollte sie verhindern, dass er wieder einfach so an ihr vorbeitreten und… verschwinden könnte. „Ich habe so unendlich viel Glück, dass…du zurückgekommen bist.“, flüsterte sie eindringlich. Ihr war das bewusst. Madiha hatte nicht viel Glück in ihrem Leben. Daher wusste sie es gut festzuhalten, zu bewahren und zu hüten. „Und ich schäme mich, dass ich Freude empfinde, wo Corax so leidet. Aber… Ich kann nicht anders, Caleb. Ich.. ich bin überglücklich. Weil… weil ich..“ – Ihre Stimme versagte mit einem Mal. Sie verlor den Mut wieder und machte einen Schritt zurück. Wieso nur fehlte ihr der Mut dafür?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 4. November 2022, 19:50

Madiha:
"Ich glaube nicht, dass er dich überhaupt wirklich attackieren wird - dieses Mal nicht." Caleb stützte sich mit reichlich Gewicht auf Madiha ab und hielt sich mit einer Hand an der Bordwand fest. Er kam nur sehr langsam voran. Wenigstens krümmte er sich nicht zur Seite. Die Verwundung an seiner Hüfte heilte wirklich gut, seit Corax-als-Dunia sich seiner angenommen hatte. Aber Caleb war noch geschwächt, trotzdem würde ihm etwas frische Luft mehr als gut tun. Madiha ebenfalls, allein schon weil sie sich insgeheim erhoffte, nun allein mit dem Wüstendieb zu sein. Ihr Gewissen nagte hier zwar auch an ihr, denn wo sie sich vor Glücksgefühlen kaum noch zurückhalten konnte, da litt Corax umso mehr unter Azuras Verlust, aber sein Verhalten hatte ihn nun von allein ins Aus befördert. Es würde auch ihm gut tun, erst einmal die Trauer zu verarbeiten und sich langsam vom Verlustschock zu erholen. Sie würde ihm danach wieder beistehen ... und Caleb ebenso, wie sich zeigte. "Ich habe Azura versprochen, ihn zu beschützen, aber das würde ich ohnehin tun, jetzt nach seinem Verlust." Er grinste schief auf, so wie Madiha es kannte und so lange vermisst hatte. "Sie will mich tatsächlich heimsuchen, um mich verantwortlich zu machen, wenn jemand ihm auch nur ein Haar krümmt. Ich verstehe nicht, warum sie sich dann in die Fluten stürzt, wenn er sie doch so sehr liebt ... und er ihr zumindest wichtig ist." Beide schlurften über das Deck, auf die Reling zu. Die Sonne ging auf und tauchte den Horizont in ein sanftes Gelb. Auf den Wellen tanzten kleine Schaumkronen wie weiße Sahnehäubchen auf einem wässigen Pudding. "Sie hat sich ein Ende setzen wollen. Das war kein Unfall, Madi. Jedenfalls nicht, wenn man ..." Caleb stutzte plötzlich, als er die Reling erreichte. Fast könnte man meinen, ein Schmerz durchzuckte ihn, aber es war die Erkenntnis. Er keuchte mit weit aufgerissenen Augen auf: "Bei Ventha ... ich hab Ventha gesehen!" Er wischte sich die Haarsträhnen ein weiteres, erfolgloses Mal nach hinten und lächelte. "Jetzt muss ich wohl tiefgläubig werden, sonst jagt die mir einen Blitz in den Arsch", lachte er auf. Und dann schaute er Madiha an, weil ihre Finger die seinen berührten. Caleb wurde ruhig. Er betrachtete das Mädchen neben sich sehr lang und mit warmen Zügen. Es passte nicht zu dem, was sie erzählte, denn alles klang schaurig. Caleb hörte nur mit halbem Ohr zu. Seine Augen wanderten über Madihas Profil, tasteten das gekürzte Haar ab und lernten, mehr in ihr zu sehen. Dinge, die er sich bisher nie erlaubt hatte, weil er glaubte, er sei ihr zu alt ... zu unbeständig ... zu ... groß ... Er schluckte, als seine Wangen einen rosigen Ton annahmen.
Da bemerkte er die feuchten Tränenbahnen, die Madiha durch ihre Erzählung geschaffen hatte. Caleb streckte die Hand aus. Sein Daumen wischte die eine Spur fort, an die er von seiner Seite aus heran kam. "Ich bin dumm", gestand er ihr. "Ich hab überhaupt nicht nachgedacht. Ich wusste nicht einmal, wer über Bord gegangen war. Ich wusste nur, dass ich etwas tun musste und noch bevor es mir klar war, hatte ich den Sprung schon gewagt. Das ... war wie bei dir. Als ich hörte, dass man dich im Sand begraben wollte." Er blickte zum Deck hinter sich. "Oder als ein risiger Kraken drohte, dich ins Meer zu schleudern. Ha, ich hab Corax irgendwas abgeschnitten! Im Nachhinein tut's mir leid, ein wenig."
"Und ich schäme mich, dass ich Freude empfinde, wo Corax so leidet. Aber ... ich kann nicht anders, Caleb. Ich ... ich bin überglücklich. Weil ... weil ich ..."
Der Angesprochene wandte sich Madiha wieder zu. Er legte seinen Arm um sie, beugte sich nach vorn, um ihr Gesicht sehen zu können. Nein, um ihr nahe zu sein, ihr immer näher zu kommen. Er legte den Kopf ein wenig schief. Seine Lippen öffneten sich minimal. Dafür fielen seine Lider auf halbe Höhe herab, dass er diesen romantischen Blick eines verwegenen Abenteurers aus den Groschenromanen der Wüstenhändler perfekt traf. Er kam näher ... näher ... näher ... ganz nah...
"KÄPT'N?!"
Da schwanden sie, die verführerischen Lippen. Caleb zog sich unter einem Seufzen zurück, lächelte dem Rufenden aber entgegen und drehte sich um. So rutschte auch sein Arm wieder von Madiha herunter. "Aye", gab er zurück. "Sofern ihr keinen neuen gewählt habt."
Kerf kam auf die beiden zu. Er hatte seinen Platz neben dem Steuerkreuz verlassen und man sah dem dortigen Matrosen ebenfalls an, dass es ihm schwer fiel, nicht die Treppe nach unten zu nehmen. Doch er blieb pflichtgetreu am Ruder stehen. Kerf erreichte dafür den Kapitän, bremste sich, bevor er ihn stürmisch umarmte und streckte ihm dann männlich eine Hand aus. Caleb ergriff sie. Er versuchte, den Matrosen an sich heranzuziehen, aber dazu fehlte ihm noch die Kraft. So schüttelten sie einander nur die Hände, dafür sehr innig. "Aber wie?", fragte Kerf vollkommen verwirrt. Sein Blick fiel auf Madiha.
"Ich hoffe, ihr kommt noch eine Weile ohne mich zurecht. Ich brauche noch viel Ruhe, Kerf."
Der Matrose nickte, zog seine Hand zurück und salutierte sogar in loyalem Respekt. Caleb schob seine Hand in den Nacken. "Meinen Hut hab ich verloren."
"Der sah an dir sowieso ziemlich bescheuert aus, Käpt'n." Beide Männer lachten auf. Dann fragte Kerf: "Wie geht es der Adligen?"
Wie schnell die Stimmung doch umschlagen konnte. Caleb schüttelte den Kopf. "Gib uns Zeit, wir bereiten alles vor."
"Aye, Käpt'n, aber viel Zeit bleibt dir nicht mehr. Wir schätzen, dass wir bei dem guten Wind Andunie schon in wenigen Stunden erreichen könnten. Ventha ist mit uns."
"Heilige Ventha!" Caleb blickte zum Meer hinaus, als schulde er ihr zumindest ein halbherziges Stück an Gläubigkeit. "Was geschieht dann?", fragte er Kerf. Der hob ratlos die Schultern. "Was du machst, weiß ich nicht. Versteh mich nicht falsch, Käpt'n. Bin gern unter dir gefahren, aber .. die Blaue Möwe ist verflucht und die Männer wollen kein Risiko eingehen. Selbst Jakub wird auf einem anderen Schiff anheuern, wenn er ein neues finden kann. Das Schiff gehört dann dir. Ich hoffe, du findest eine Mannschaft, die den verfluchten Kahn segeln will."
Caleb blinzelte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Freitag 4. November 2022, 20:30

Es war ein haushoher Unterschied, ob man etwas erahnte, ein ungutes Gefühl hatte... oder ob man ausgerechnet vor dessen Tatsache gestellt wurde. In dem Moment, in dem es vorbei war, war ihr, als würde man ihr den Boden unter den Füßen wegreißen. Jegliche Hoffnung, jeglicher Antrieb verließ sie und so, wie alle anderen Wesen plötzlich verschwunden waren, so fühlte sie sich auch. Leer und vollkommen allein.
Wie sie die einzelnen Wege im Anschluss bewältigte, wusste sie im Nachhinein nicht mehr zu sagen. Irgendwann erst schien sie wieder zu sich zu kommen, da saß sie bereits, umgezogen, im Garten an ihrer neuen Lieblingsstelle und starrte auf das plätschernde Wasser. Selbst dieses wirkte nun, als hätte es einen Teil seines Lebenssinns verloren und sprudelte mit weniger Kraft, ganz so, wie sie sich fühlte.
In ihrem Kopf herrschte Stille, sie war lange Zeit über zu keinem einzigen Gedanken fähig. Solange, bis... bis sich aus der Leere eine Idee heran tastete, anwuchs und immer mehr ihr gesamtes Denken auszufüllen begann. Wenn es klappen würde, wäre es ein großes Opfer, würde womöglich sogar ihre gesamte, letzte Daseinsform kosten.
Nur... warum auch nicht? Was sollte sie hier, so völlig allein, bar jeglicher Hoffnung darauf, ihren Raben noch einmal in die Arme schließen zu können? Er sollte, im Gegensatz zu ihr, schließlich leben! Leben und glücklich werden, und vielleicht würde er sie wenigstens nicht völlig vergessen. Ja, sie hatte ihren Entschluss gefasst und würde ihn in die Tat umsetzen, sollte sie niemand aufhalten.
Zuvor allerdings verabschiedete sie sich auf ihre Weise und aus ganzem Herzen von ihrer Göttin, weil sie nicht erwartete, sie jemals wieder zu sehen. Wie denn auch, wenn sie möglichst bald hoffentlich ihre gesamte Seele aufgeopfert hätte?
Mit mehr Kraft als bei ihrem Herweg kehrte sie zu dem Spiegelraum zurück, betrat ihn nach einem kurzen Zögern... und erstarrte vor Schreck. Der Spiegel, er... er war... weg!
Die zurückgewonnene Entschlossenheit und Stärke wich schlagartig von ihr, sodass sie zu Boden sank. Vorbei... selbst das war ihr also genommen worden! Was sollte sie jetzt nur tun?!
Lautlos schluchzend, schlang sie die Arme um sich selbst und wiegte sich in ihrem unendlich großen Kummer, der jegliche Empfindungen, inklusive sich selbst, betäubte in seiner unendlichen Größe, als könne sie sich nur auf diese Weise beruhigen. Es half nicht, die Einsamkeit blieb und die Leere in ihrem Inneren.
Bis sich allmählich ein Kribbeln auf ihrer Stirn bemerkbar machte. Es dauerte seine Zeit, bis durch all die Taubheit ihrer Gefühle dringen und sie aufsehen lassen konnte. Was...?
Langsam sah sie auf, obwohl es noch dauerte, bis sich ihr Blick soweit klären konnte, dass sie auch wahrnehmen konnte, was sich vor ihren Augen tat. Diese wurden, von dem Prickeln gelenkt, in Richtung des Sessels gezogen, bis sie jenes kleine Ding entdeckte, das dort lag und auf sie regelrecht zu warten schien.
Eigentlich wollte sie nicht und dennoch... es zog sie wie magisch an, sodass sie sich schlussendlich hoch rappelte und wie ferngesteuert die wenigen Schritte bis dorthin ausführte. Das Geschenk entpuppte sich als eine Miniaturausgabe des Spiegels und hätte ihren Atem stocken lassen, hätte sie noch einen benötigt. Normalerweise hätte sie dessen handwerkliche Schönheit würdigen müssen, hätte sie bewundert und diese auch präsentiert, um den Neid anderer auf diese Gabe zu wecken.
Aber das war nicht mehr wichtig, als sie den kleinen Spiegel in die Hand nahm und sich ihre Sicht verschleierte, als würden ihre Tränen fließen. Beinahe zärtlich strich sie um die spiegelnde Fläche herum und konnte Ventha im Stillen nicht genug dafür danken. Denn für sie stand fest, dass dieses Präsent allein von ihr stammen konnte! Zugleich ermöglichte es ihr, diesen Ort der Erinnerungen mit dem Kapitän verlassen und für ihr Vorhaben einen passenderen Ort aufsuchen zu können.
Noch hatte sie nicht genau hinein geschaut, das wollte sie sich aufheben, um sich innerlich gegen die für sie ungeheuerliche Freude der Göre wappnen zu können. Auf diese Weise war in der Lebendwelt schon einige Zeit vergangen, als sie sich vor dem Brunnen ins Gras sinken ließ und endlich den Mut fand, einen Blick hinein zu werfen.
Ein trockenes Schluchzen entrang sich ihrer Kehle, als sie ihren Raben sah, wie er bei ihrem Körper wachte und... War das eine Mauer? Wieso? Warum war er allein? Wo war dieser vermaledeite Sohn eines geilen alten Bocks von Kapitän?! Wobei... womöglich war das auch ganz gut so, so wäre er weniger abgelenkt, wenn sie versuchte, ihm ein Zeichen zu senden.
Azura hob ihre Finger erneut an und strich dieses Mal über die Fläche, dort, wo sie seine Wange sehen konnte, obwohl ihr klar war, dass es kaum so einfach sein würde, ihm ein Gefühl von Berührung zu vermitteln. Nein, dazu brauchte sie mehr innere Kraft. Ihr Blick glitt zu dem Brunnen, versuchte, von dem Anblick jene Stärke zu schöpfen.
Dann legte sie sich ins Gras, seitlich und so bequem wie möglich. So würde sie nicht vor Schwäche umfallen können. Ob sie sich eigentlich noch Schmerzen zufügen könnte in dieser Welt? Nein, wahrscheinlich nicht... und wichtig war diese Tatsache sowieso nicht! Besser, sie konzentrierte sich ausschließlich auf ihren Plan.
Also legte sie den Handspiegel aufgeklappt auf die Höhe ihres Gesichts, legte ihre Hand so daneben, dass ihre Fingerspitzen ihn berührten, und sah noch einmal hinein, versuchte, sich genau einzuprägen, in welcher Haltung ihr Rabe sich gerade befand. Dann schloss sie die Augen und achtete nicht länger auf das Plätschern im Hintergrund, das ihr zu seelischer Ruhe verhalf. Vielmehr versuchte sie daran zu denken, sich in jeglichem noch so kleinen Detail vorzustellen, was sie erreichen wollte.
Wie sie neben Corax stünde, ganz nahe bei ihm, und sich reckte, um mit ihren Lippen zu seiner Wange gelangen zu können, eine Hand auf seine Schulter und die andere an seiner abgewandten Wange, damit er sich ihr nicht entziehen könnte. Dorthin wollte sie einen Kuss hauchen, nicht leidenschaftlich und vielversprechend oder zurückhalten und keusch, sondern einen zärtlichen Kuss voller Dankbarkeit dafür, was er alles für sie bedeutete und was sie mit ihm hatte erleben dürfen. Selbst für die ganzen Streitereien und die Demütigungen, die sie durchstehen hatte müssen. Es war mit ihm gewesen und nur das zählte.
Azura stellte sich vor, wie es sich anfühlen würde, wenn ihre Lippen seine dunkle Haut berühren würden, seine Wärme und seine Weichheit spüren könnte und seinen Duft riechen würde. Jede noch so kleine Nuance wollte sie nachspüren, sich ausmalen.
Und das tat sie, immer und immer wieder, so intensiv sie es konnte und so lange, bis sie das Gefühl haben würde, dass es endlich geklappt hätte. Wenngleich es ihr vollkommen egal war, wie viel von ihrer Seele sie dafür opfern würde, ob einen kleinen Teil oder vielleicht sogar die Hälfte. Letztere wäre ihr womöglich sogar willkommen, denn dann hätte sie noch eine Hälfte für ihren endgültigen Abschied von sich, um ihm zu helfen, wieder nach vorne zu sehen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 5. November 2022, 00:56

Mod-Hinweis:
Für Azura geht es erst einmal weiter bei Sonstige Orte Celcias -> Kata Mayan - die Todesinsel -> Palast der Stille
Madiha kann feucht-fröhlich hier weiterposten!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 5. November 2022, 09:07

Während sie langsam das Deck erreichten, konzentrierte sich Madiha darauf, sich von Caleb’s Gewicht nicht umschubsen zu lassen. Sie half ihm, wo sie konnte, doch sie lernte auch gleichzeitig, dass er einiges an Kraft eingebüßt hatte. Es war kein Wunder, immerhin hatten sie und Corax nur das allernötigste in die beiden Schlafenden hineinbekommen. Er sprach davon, dass er Corax nun beschützen würde und Azura ihn sonst heimsuchte. Innerlich seufzte Madiha. Selbst im Tod schien sie an ihrer herrischen Art festhalten zu wollen. Doch sie verstand auch, dass sie ihn, der ihr so wichtig war, versorgt sehen wollte. …Ich verstehe nicht, warum sie sich dann in die Fluten stürzt, wenn er sie doch so sehr liebt ... und er ihr zumindest wichtig ist.", bestätigte er auch ihre Gedanken. Doch Madiha beantwortete seine stille Frage nicht. Sie konnte es auch nicht, denn sie hatte gewiss nicht ansatzweise Einblick in das Seelenleben der Adeligen bekommen, um zu ergründen, weshalb sie diesen Schritt wagte. Für Madiha hatte Azura keine schlechte Basis gehabt. Sie hatte jemanden, der sie vergötterte, Menschen, die ihr in ihrer Situation hatten beistehen wollen und nichts hatte sie zufrieden stellen können. Für Madiha unbegreiflich. Doch das Mädchen hatte mit ihren eigenen inneren Dämonen zu kämpfen, als sie die Reling erreichten und sich beide einen Moment Erholung gönnten. Die aufgehende Sonne, fing einen Moment ihre Augen ein. In Sarma wäre es jetzt bereits wieder furchtbar warm, doch hier wehte der kalte Wind und küsste jeden Frühaufsteher mit erfrischenden Lippen. "Bei Ventha ... ich hab Ventha gesehen!" Madiha hob überrascht die Augenbrauen. Meinte er das ernst? Offenbar, und sie staunte. Ihr Blick ging nachdenklich zurück zum Wasser. Der Tod… die Göttin, sie sollten also wahrhaftig sein? Madiha schluckte, bei der Gewichtigkeit, die das bedeuten würde.
Die kleinen Schaumkronen auf dem Wasser unter sich waren hübsch anzusehen, bis Madiha sich an den Moment erinnert fühlte, in dem sie geglaubt hatte, Caleb verloren zu haben. Ohne ihm erzählen zu können, was sie auf diesem Schiff für sich erkannt hatte. Sie bemerkte gar nicht, dass Caleb ihr kaum zuhörte. Vermutlich war es auch nicht zwangsläufig für seine Ohren bestimmt, sondern für ihr Verstehen, was nur passiert war. Madiha hatte in den letzten Tagen nur noch funktioniert. Sie hatte sich morgens aufgerappelt, die Routine von Corax mitgelebt und war abends wieder in Dunkelheit versunken. Die Erinnerungen zeigten sich deutlich, als sich ihre Augen schlossen und sanfte Tränen ihre Wege nach unten suchten, um wieder Teil der Fluten zu werden.

Plötzlich spürte Madiha eine sanfte Berührung und öffnete die Augen. Sie sah zu ihm auf, schmiegte sich sanft in seine Geste. "Ich bin dumm. Ich hab überhaupt nicht nachgedacht. Ich wusste nicht einmal, wer über Bord gegangen war. Ich wusste nur, dass ich etwas tun musste und noch bevor es mir klar war, hatte ich den Sprung schon gewagt. Das ... war wie bei dir. Als ich hörte, dass man dich im Sand begraben wollte. Oder als ein riesiger Kraken drohte, dich ins Meer zu schleudern. Ha, ich hab Corax irgendwas abgeschnitten! Im Nachhinein tut's mir leid, ein wenig." Sie lächelte. Madiha schaute den Dieb mit glitzernden Augen an und lächelte bei seinen Worten. Er schaffte es, mit seiner Art, ihr die dunklen Gedanken zu nehmen. Sie von dem Schmerz zu erlösen, den sie hatte spüren müssen. Madiha wischte sich die andere Gesichtshälfte trocken und nickte.„Ich weiß, dass du nicht nachdenkst. Du.. handelst.“, murmelte sie und hob den Blick wieder in sein Gesicht. „Es macht dich aus... und ich bin dir dankbar dafür, Caleb. Du hast mir mehr als einmal mein Leben gerettet… und..“, sie zögerte für einen Moment,„und du ahnst nicht, auf welch unterschiedlichen Wegen..“, versuchte sie es zu umschreiben. Denn dass sie jemals empfinden könnte, was für so viele alltäglich war, hätte sie nicht für möglich gehalten. Sie hatte Grausamkeiten erleben müssen, die sie für alle Zeit ein Herz aus Stein haben lassen könnten. Doch da stand sie und sah in die wundervollsten Augen, die sie je gesehen hatte. Und die Wärme, die das in ihr auslöste, hielt sie davon ab in ihrer Vergangenheit zu versinken. Caleb rettete ihr rein physisch mehrfach ihr Leben. Doch er gab ihr so viel mehr.
Er wandte sich ihr zu und Madiha spürte die Vorfreude in sich aufsteigen. Ihr Herz bebte, während sein Arm sich um sie legte. Dann senkte er sich ihr entgegen, als wolle er ihr Gesicht besser sehen können, doch Madiha brauchte nicht Übung darin zu haben. Sie spürte es. Auf einmal war es ganz leicht… und er senkte sich ihr weiter entgegen, während sie ihre Hand gehen seine Brust lehnte und langsam auf die Zehenspitzen kam, um ihm auf halben Weg entgegenzukommen. Sie neigte ihren Kopf und betrachtete sein Gesicht genau. Ihr Blick hüpfte von seinen halbgeschlossenen Augen zu seinen Lippen, die er just in dem Moment etwas öffnete. Ihr Herz pochte und ihre Wangen glühten. Dann schloss sie die Augen in Erwartung der Berührung ihrer beider Lippen. Endlich würde sie wissen, wie es war. Würde die Vorstellung davon zur Realität werden, auf die sie sich berufen könnte, wenn es nötig würde. Madiha war bereit und neigte sich vor. KÄPT’N?! Sie zuckte, verlor ein wenig das Gleichgewicht nach vorn, als Caleb sich entzog und sie einen halben Schritt ins Leere machte.

Madiha blinzelte verwirrt und konnte die Enttäuschung für Sekunden nicht verstecken. Ihr Blick fiel auf Kerf, der nicht glauben konnte, dass Caleb wieder unter den Lebenden weilte. Das Mädchen spürte, wie der Dieb sich von ihr entfernte und sein warmes Gefühl mit sich nahm. Trotzdem lächelte sie, als sie die Wiedersehensfreude der Männer beobachtete. Sie trat noch einen kleinen Schritt zur Seite und lehnte sich gegen die Reling. "Meinen Hut hab ich verloren."
"Der sah an dir sowieso ziemlich bescheuert aus, Käpt'n."
, Madiha kicherte. Es stimmte, denn der Hut hatte ihm nicht gerade geschmeichelt. Doch mit einer einzigen Frage, wischte Kerf ihre Ausgelassenheit wieder beiseite: "Wie geht es der Adligen?"
"Gib uns Zeit, wir bereiten alles vor."
"Aye, Käpt'n, aber viel Zeit bleibt dir nicht mehr. Wir schätzen, dass wir bei dem guten Wind Andunie schon in wenigen Stunden erreichen könnten. Ventha ist mit uns."

Madiha wandte sich dem Meer zu und blickte in die Fahrtrichtung. Andunie. Sie würden Andunie tatsächlich erreichen und Madiha das erste mal in ihrem Leben überhaupt anderen Boden unter ihren Füßen haben. Sie fühlte sich seltsam nervös bei dem Gedanken daran.
"Heilige Ventha! Was geschieht dann?", wollte auch Caleb wissen. Das Mädchen blickte über die Schulter zurück zu den beiden Männern und drehte sich so, dass sie Kerf ebenfalls interessiert ansehen konnte. "Was du machst, weiß ich nicht. Versteh mich nicht falsch, Käpt'n. Bin gern unter dir gefahren, aber .. die Blaue Möwe ist verflucht und die Männer wollen kein Risiko eingehen. Selbst Jakub wird auf einem anderen Schiff anheuern, wenn er ein neues finden kann. Das Schiff gehört dann dir. Ich hoffe, du findest eine Mannschaft, die den verfluchten Kahn segeln will." Madiha machte ein erstauntes Gesicht. „Ihm gehört das Schiff dann?“, fragte sie bei Kerf noch mal überrascht nach und sah zu dem Dieb, der die Nachricht offenbar auch verdauen musste.
Sie konnte ja irgendwie verstehen, dass die Mannschaft kein gesteigertes Interesse hatte, weiter auf dem Schiff zu fahren, nach allem was passierte. Madiha gab einen Moment Zeit und musste plötzlich grinsen. Sie lehnte sich gegen die Reling zurück und verschränkte ihre Arme. Mit leiser Stimme und einem Ausdruck, den man als schelmisch bezeichnen konnte, schürzte sie die Lippen und warf Caleb einen Seitenblick zu: „Ich wette, das ist das größte, was du jemals gestohlen hast!“. Madiha lachte leise und schüttelte leicht den Kopf. Sie strich sich mit den unbandagierten Fingerspitzen durch das kürzere Haar und ließ sich einen Moment durch den Wind ablenken. Eine kurze Pause entstand, sodass auch sie ihren Gedanken nachhängen konnte. Wollte Caleb eigentlich aus einem bestimmten Grund nach Andunie? Außer, dass er dort herkam, schien er nicht viel auf darauf zu geben. Er hatte ihr verraten, dass es jemanden gab, der auf ihn wartete. Ob er seine Familie damit meinte? Die Sarmaerin beobachtete Caleb einen Moment von der Seite her, während er noch etwas wie vom Donner gerührt dastand. "Wäre das ein Leben, das du dir vorstellen könntest?", fragte sie neugierig und musterte sein Profil. Er hatte etwas mehr Bart bekommen, wie sie plötzlich feststellte. Die vier Tage im Schlaf hatten ihn stärker wachsen lassen. Vielleicht bildete sie sich das aber auch nur ein, denn leicht stoppelig war er ja, seit sie sich kannten. Sie selbst hatte tatsächlich gedacht, sie könnte sich hier wohlfühlen. Bevor alles... aus dem Ruder lief. Sie hatte sich gerade angefangen, den Platz auf dem Schiff zu erarbeiten, bis Jakub hinter ihr Geheimnis kam und am Bord ein Tor zum Harax aufbrach, als Corax und Azura auftauchten. Davor waren ihre Gedanken davon erfüllt gewesen, es zu probieren. Ohne Caleb, ohne Sarma, ohne Dunia oder Ilmy. Sie hatte geglaubt, allein dazustehen und brauchte eine neue Richtung. Nun hatte sich wieder alles geändert. Madiha sah zur langsam aufgehenden Sonne zurück. In Sarma beteten die Leute zu Lysanthor, zumindest die oberste Schicht. Sie priesen die Strenge, die unerbittliche Macht des Sonnengottes. Madiha aber empfand ihn in diesem Moment eher als... Neuanfang. Als etwas, was Hoffnung versprach. Auch wenn sie sich ein wenig davor fürchtete, wenn sie in Andunie waren. Wie würde es sein? Würde sie sich überhaupt zurechtfinden können? Und... wenn die Stadt doch eingenommen war - wie könnten sie heil dort anlegen? Waren sie nicht aufgrund der dunklen Schergen geflohen aus Sarma? Es gab so viele Fragen und ... nie die Zeit, Antworten zu bekommen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 5. November 2022, 14:36

Er hatte Ventha gesehen ... und den Gevatter Tod, aber beide schienen etwas dagegen zu haben, dass Caleb und Madiha sich endlich näher kamen. Schon wieder wurde das, was sie mit hüpfendem Herzen und gespitzten Lippen so sehr erwartete, unterbrochen. Wenigstens war dieses Mal niemand gestorben, sondern das Gegenteil der Fall. Kerf freute sich aufrichtig darüber, dass Caleb noch lebte und da war er nicht der Einzige. Quasi ohne jegliche Gegenwehr erhob er den alten Kapitän wieder in seine Position. Es hörte sich sowieso danach an, dass niemand Einwände besäße. Caleb hatte seine Sache bisher zwar kurz, aber offenbar mehr als zufriedenstellend erledigt. Außerdem sollte es nur noch ein paar Stunden dauern, dann wäre ohnehin alles vorbei. Dann erreichten sie Andunie und der Dieb blieb zwar Kapitän, aber auf einem Schiff ohne Mannschaft. Die Besatzung hatte genug, dichtete der Blauen Möwe inzwischen an, verflucht zu sein - war durchaus Sinn ergab - und wollte nur noch auf einem anderen Kahn anheuern, sobald man Andunies Hafen erreicht hätte.
Für Madiha und Caleb ergaben sich daraus neue Fragen und Probleme. Zum einen lag da immer noch die tote Azura in der Kapitänskajüte und Corax wirkte unberechenbar, wenn jemand wagen wollte, sie auch nur anzurühren. Die beiden würden noch einmal mit dem Raben sprechen müssen, sobald er sich etwas beruhigt hätte. Aber was würde dann aus den Überresten der Adligen? Sie kehrte zumindest schon einmal in ihre Heimat zurück. Vielleicht ließ Corax es zu, sie dort zu bestatten. Das setzte aber auch voraus, dass es möglich wäre. Andunie war gerade für Madiha ein vollkommen fremdes Pflaster. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie das Festland gesehen, geschweige denn Betreten. Es war mit Aufregung verbunden, aber ebenso mit Unsicherheit. Schließlich hieß es, dass die dunklen Völker auch Calebs Heimat eingenommen hatten. Somit wäre er ebenso unsicher, wie Andunie seiner Aankunft begegnen würde.
Dann blieb noch die Frage, ob sie lange dort blieben? Caleb könnte vielleicht eine neue Mannschaft anheuern und mit seinem verfluchten Schiff den Hafen wieder verlassen. Auf zu neuen See-Abenteuern! Sie wären frei und ungebunden. Das Schiff wäre ihre kleine Welt, ohne Regeln, ohne Verderben ... sofern er das wollte. Wenn nicht und falls sie doch an Land gingen, was würde aus der Blauen Möwe? Könnte man sie verkaufen oder würden die Dunkelelfen das Schiff sofort beschlagnahmen? Es gab so viele Fragen und nur die wenigsten ließen sich beantworten. Dennoch war Madiha gewissermaßen stolz auf "ihren" Dieb. Den Kapitän. Kapitän van Tjenn... auch das war für sie noch nicht geklärt.
"Ihm gehört das Schiff dann?", hakte Madiha nach, um sich wenigstens in dieser Hinsicht vollkommen sicher zu sein. Kerf nickte. "Niemand will's haben, also steht es dem Käpt'n zu. Lediglich die Fracht werden wir vorher löschen müssen. Ich bin gespannt, ob sie ihren geplanten Zielort erreicht." Richtig. Die Blaue Möwe war ja nicht aus Spaß einmal durch den Kanal zwischen Belfa und dem restlichen Celcia geschippert. Sie hatte Fracht geladen, die irgendwo in Andunie ankommen sollte. Hoffentlich lebten die Abnehmer überhaupt nocht, obwohl damals in Sarma es Dunkelelfen waren, mit denen der eigentliche Kapitän und Jakub sich unterhalten hatten. Es würde Calebs Aufgabe sein, die Waren loszuwerden. Das klang seltsam, wo er doch sonst eher dafür sorgte, dass andere Personen ihre Sachen "verloren".
Madiha schürzte neckisch die Lippen. "Ich wette, das ist das Größte, was du jemals gestohlen hast!"
Caleb rieb sich den Nacken, zuckte dann aber lässig mit den Schultern und erwiderte ihr Schmunzeln mit einem kecken Grinsen. "Es ist kein Diebstahl, wenn's niemand haben will. Das sehe ich eher als Schenkung an."
Kerf blickte beide abwechselnd an. Er verstand kein Sendli, sonst hätte er ob der Vermutung, dass sein Kapitän ein Dieb war, durchaus anders drein geblickt. So aber salutierte er nur und verabschiedete sich, um seinem Ruderer mit den navigatorischen Künsten wieder zur Hand zu gehen. "Bin sicher, ihr beiden wollt auch ... allein sein", verabschiedete er sich. Sein Blick fiel dabei lange auf Madiha. Er wusste mehr als Caleb - dachte sie. Der Kapitän schaute seinem Matrosen nach. Dann lehnte er sich unter einem Seufzen an die Reling. "Und jetzt hab ich ein Schiff, um ganz Celcia zu besegeln...", murmelte er.
"Wäre das ein Leben, das du dir vorstellen könntest?"
"Vorstellen, ja. Aber führen...?" Caleb schüttelte entschieden den Kopf. "Nein, dafür bin ich nicht gemacht. Wär ich's hätten wir uns nie kennen gelernt, Madi. Weil ich dann nur hin und wieder in Sarmas Hafen angedockt und Waren umgeladen hätte. Ich bin gar kein großer Freund der See. Da fühle ich mich auf dem Schiff nicht weniger eingesperrt als ..." Er verstummte und blickte über Deck. Ein weiterer Matrose, der gerade durch die Luke empor stieg, stutzte, bekam große Augen und winkte unter einem freudigen Gesichtsausdruck. Caleb warf ihm ein schiefes Grinsen zu, winkte zurück, deutete aber zum erhöhten Heckbereich. Sollte der Seemann sich die Geschichte von Kerf berichten lassen.
"Hier finden wir keine Ruhe", sagte er und es klang verstimmt. Ganz so, als ärgerte er sich über eine verpasste Chance. Eine zum zweiten Mal verpasste Chance. Caleb ließ den Blick schweifen. Er suchte das Schiff ab und nun sah man, warum er sich allgemein auf einem Kutter eingesperrt fühlte, so groß er auch sein mochte. Am Ende gab es wenig bis keine Rückzugsorte, außer der eigenen Kabine. Aber dort steckte Corax noch in all seiner Trauer. Ungestört wären er und Madiha da nicht.
Dann hob Caleb den Blick zum Himmel und plötzlich trat ein Funkeln in seine Augen. Er nahm Madiha bei der Hand. Komm mit!" Schon machte er sich ein Stück an der Reling entlang auf den Weg. Es ging nur langsam vonstatten, aber er war bestrebt, nicht anzuhalten, bis er sein Ziel erreicht hätte: Die Takelage. Die straff gespannten Seile zu beiden Seiten des Mastes, welche an der Reling vertäut waren und mit ihren weiten Maschen eine Aufstiegsmöglichkeit für Matrosen bildeten, die entweder ins Kärhennest oder auf den Quermast für das Segelmussten, trotzten Wind und Wetter. Caleb umfasste eines der dicken Seile. Sein Blick war nach oben gerichtet, zum Krähennest hin. Er grinste kühn, ehe er zu Madiha blickte und dann ihre Hand losließ. Schon klammerte er sich an die Takelung, versuchte, sich empor zu ziehen. Und versagte unter einem Ächzen. Ihm fehlte noch immer die Kraft, dafür besaß er die Sturheit eines Ochsen.
"Da hab ich wohl mal wieder eine dumme Idee gehabt, hm?" Caleb lachte. Beim zweiten Versuch schaffte er es, sich so weit empor zu hieven, dass er auf die Reling steigen konnte. Ein falscher Schritt, einmal zu wenig Kraft in den Armen ... und Ventha hätte ihn wieder. Aber er stand nur da und grinste. "Wer zuerst oben ist ... du solltest dir lieber ein Tau um die Hüfte binden." Das Gleiche galt offenbar nicht für ihn, aber sollte Madiha darauf bestehen, würde auch er sich vorab sichern. Nötig war es tatsächlich nicht. Caleb beherrschte nicht nur das Fassadenklettern. Allerdings würde Madiha trotz Unerfahrenheit einen Wettkampf gewinnen. Der Dieb kämpfte mit seinen Kraftreserven, brauchte mehr als eine Pause und hing viel zu oft erschöpft in den Maschen. Von seiner Verletzung an der Hüfte sprach er nicht einmal, doch der Schweiß auf seiner Stirn stammte auch von wieder erwachten Schmerzen. Caleb schluckte sie stoisch herunter. Oh, er war dumm! So sehr, dass er sich nicht davon abbringen ließ, bis er schweißnass und mit zitternden Händen, aber sicher im Ausguck hockte. Den dort postierten Matrosen scheuchte er sofort nach unten. "WIr übernehmen jetzt", keuchte er, lehnte den Hinterkopf an die Innenwand des Holzkorbes und schloss für mehrere Atemzüge die Augen. "Tut gut, wieder am Leben zu sein", ächzte er und genoss wirklich jede Schweißperle, die ihm aus den Poren trat. Leiser raunte er nach: "Außerdem sind wir hier oben endlich mal unter uns..." Dass seine Wangen dabei nicht nur vor Anstrengung rot glühten, erkannte man lediglich an der wachsenden Intensität. "Ganz schön warm hier oben, aber sieh dir Aussicht an. Sowas erlebst du kein zweites Mal. Ich ... uff ... ich ruhe mich nur kurz aus." Aus dem Kurz wurden mindestens dreißig Minuten, in denen Caleb sogar mal weg nickte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 5. November 2022, 22:39

"Es ist kein Diebstahl, wenn's niemand haben will. Das sehe ich eher als Schenkung an.", Madiha schnaubte grinsend und genoss dieses kleine Gefühl von Erheiterung sehr nach all dem Schmerz. Hatte sie eigentlich jemals wirklich gelacht? Sie erinnerte sich jedenfalls nicht mehr, doch Caleb schaffte es mit seiner Art, dass sie das Grauen für den Moment vergessen konnte. Das kecke Grinsen lockerte ihre Mundwinkel ganz von selbst. Ihr Blick glitt ebenfalls zu Kerf, der sich offenbar seinen Teil dazu dachte und sich verabschieden wollte. "Bin sicher, ihr beiden wollt auch ... allein sein", sprach er aus und bedachte Madiha mit einem langen Blick. Ihr Lächeln gefror ertappt, bis es verblasste und eine feine Röte auf ihre Wangen trat. Natürlich, sie hatten sie gesehen, wie sie um ihn weinte. Wie sie den Schmerz nicht zurückhalten konnte, weil er zu stark gewesen war. Und wie sie die Tage an Deck kaum gesprochen hatte, sich zurückgezogen und allein gefühlt hatte. Madiha schluckte, während ihre Augen dem Matrosen folgten, bis er seine Position wieder eingenommen hatte. Caleb’s Seufzen, holte sie wieder zurück und sie betrachtete ihn unsicher. Ob er ahnte, was sie fühlte? Immerhin hatte er doch bereits zweimal versucht, sie zu …. Oder etwa nicht?! Und er hatte das Gespräch mit Corax geführt… Sie konnte sich nicht irren! Ihre Gedanken wanderten jedoch in eine andere Richtung und lenkten sie ab. Sie fragte ihn, ob die Seefahrt ein Leben wäre, das er führen könnte. Doch Caleb verneinte es vehement und sie nickte verstehend. Sie hatte noch so viele Fragen, doch erneut wurde er in seinen Worten unterbrochen, als ein weiterer Matrose überrascht die Augen auf ihn richtete. "Hier finden wir keine Ruhe", stieß er leicht ärgerlich aus und Madiha sah sich einmal um. Für sie war dieses Schiff die größte Freiheit, die man haben konnte, doch wenn es darum ging, irgendwo ungestört mal ein paar Worte zu wechseln, dann hatte Caleb recht. Es war viel zu wenig Platz. Plötzlich aber schien er eine Idee zu haben.
Überrascht, ließ sich das Wüstenmädchen an der Hand weiterführen und unterstützte ihn dabei, bis sie in der Mitte des Decks die Takelage erreichten. Sie legte den Kopf in den Nacken, um bis zum Ausguck hinaufzusehen. Unsicher sank ihr Blick zu dem Dieb, der sich offenbar etwas in den Kopf gesetzt hatte. Schon ließ er ihre Hand los, um sich mit beiden an den dicken Tauen festzuhalten. Madiha blinzelte fragend. „Caleb das…“, wollte sie ihre Zweifel verbalisieren, doch das kühne Grinsen traf sie prompt. Mit erhöhtem Kraftaufwand bemühte sich der Dieb darum, auf die Reling zu kommen. Madiha schüttelte leicht den Kopf als er es nicht schaffte. „…Das solltest du vielleicht lieber lassen, deine Wunde…“, mahnte das Mädchen und war tatsächlich schon wieder besorgt. "Da hab ich wohl mal wieder eine dumme Idee gehabt, hm?", lenkte er ein, doch sein Lachen war ansteckend. Madiha trat näher an ihn heran und wähnte sich schon als helfende Hand, wenn er wieder zur Vernunft kommen wollte, doch sie hatte seinen Sturkopf unterschätzt. Er probierte es ein zweites Mal und schaffte es tatsächlich, sich auf die Reling zu stellen. Ungläubig starrte sie zu ihm hoch. Wenn er jetzt fiel, dann… "Wer zuerst oben ist ... du solltest dir lieber ein Tau um die Hüfte binden.", forderte er sie heraus und sie konnte nicht anders, als ihn anzusehen als wäre er verrückt! Er war geschwächt, verletzt und gerade von den Toten auferstanden! Sie hatte um ihn geweint, hatte seinen Verlust kaum ertragen und er stand da und… Grinste! Madiha brauchte einige Sekunden, das zu verarbeiten.

Doch dann schluckte sie, richtete ihren Blick abermals in die Takelage und zum Krähennest hinauf. Es war so weit oben und sie hatte noch nie gewagt, irgendwo überhaupt hinaufzuklettern. Ihr Herz klopfte vor Aufregung. Und sie traf eine Entscheidung: Ihr Gesicht wechselte von ungläubig und ängstlich zu… abenteuerlustig. Noch ehe Caleb einen Fuß in die wackelige Takelung setzen konnte, stand Madiha neben ihm und hatte beide Hände fest um das Tau geschlossen. Auf die Sicherung verzichtete sie allerdings ebenfalls. Sie spürte den Druck gegen ihre Bandagen, doch ihre Finger boten ihr genug Halt, dass sie glaubte, es schaffen zu können. Sie wandte den Kopf dem Dieb zu und blitzte ihm herausfordernd entgegen: „Dann zeig mal, was du kannst!“, forderte sie mit einem frechen Grinsen, das ihr eigentlich gut zu Gesicht stand. Schon setzte sie ihre nackten Füße auf die erste Maschenbahn. Das dicke Seil drückte sich in ihre Haut und die ersten Schritte war sie noch vorsichtig. Madiha kannte das nicht, sie hatte nie, aber auch wirklich nie so etwas getan. Selbst in der Akademie war sie von der Höhe in den Gärten gebannt worden, brauchte sie aber nicht selbst zu erklimmen. Nach ein paar Maschen sah sie nach unten und schluckte. Sie war bereits hoch und unter ihr nur die schäumende See. Prüfend sah sie zu Caleb, doch der kannte seinen Körper und auch wenn er deutlich angestrengt wirkte, oftmals Pause machen musste, schien er nicht in Gefahr zu sein, erneut zu fallen. Und Madiha war berauscht von dem Adrenalin, das sich durch ihren Körper schob. Die Höhe war beträchtlich und ganz wohl war ihr nicht, wenn sie den Blick nach unten senkte, doch mit jeder Hand die höher griff, jedem Fuß, der sich abstieß, um weiter und weiter empor zu klettern, wurde Madiha mutiger.
Ab der Hälfte, kletterte sie ohne Angst weiter, zog sich Stück um Stück nach oben und erreichte schließlich als erste das Nest. Der verdutzte Matrose, bekam von ihr nur ein glückliches Grinsen. Sie atmete schwer, denn wirklich fit war sie nun nicht, aber das Heben und Senken der nach Luft ringenden Brust, belebte sie. Sie war aufgeregt und stolz, dass sie das geschafft hatte! Nur kurz darauf kam auch Caleb ins Nest und scheuchte den Ausguck weg, sodass Madiha ihm kurz nachsah. Sie lächelte berauscht und wischte sich über ihre feuchte Stirn. Kurz half sie dem Dieb und betrachtete ihn eindringlich, ob es ihm gut ginge. Er hatte sich deutlich verausgabt und sie hockte neben ihm, um ihm etwas Halt zu geben, während er den Kopf gegen die Innenwand lehnte. "Tut gut, wieder am Leben zu sein…" Madiha nickte zustimmend. Er hatte Recht. Sie waren am Leben und während es bei ihm absolut zutraf und er zu schätzen wusste, was er hatte, wusste Madiha es auf ihre Weise. Sie lebte endlich mal. Erlebte endlich mal. Und überlebte nicht nur. Sie hatte etwas Verrücktes getan und das Gefühl war wunderbar. Sie konnte nicht aufhören zu lächeln. „Außerdem sind wir hier oben endlich mal unter uns...“ Madiha wurde verlegen und strich sich eine Strähne aus den Augen, die sich aufgrund der leicht schweißigen Stirn dahin verirrt hatte. „Es war verrückt, das zu tun! Aber… ich bin froh, dass du das vorgeschlagen hast…“, antwortete sie ihm leise und blickte auf seine Wangen. Sie glühten… sahen ebenso aus, wie sich ihre anfühlten. Ihre Augen wanderten weiter über seine Brust und prüften schlussendlich die Stelle, an der seine Bauchwunde war. Sie hoffte inständig, dass sich kein Blut zeigen würde. Dass sie wieder aufgegangen war. Doch Corax-Dunia schien ganze Arbeit geleistet zu haben. Er schien keine ernsthaften Verletzungen zu haben und sich einfach nur einen Moment regenerieren zu müssen. "Ganz schön warm hier oben, aber sieh dir Aussicht an. Sowas erlebst du kein zweites Mal. Ich ... uff ... ich ruhe mich nur kurz aus." Madiha lächelte noch immer und sie nickte stumm.

Das Mädchen erhob sich langsam, um ihm etwas Ruhe zu gönnen. Erst jetzt nahm sie sich die Zeit, an den Rand des Nests zu treten und über dessen Umrandung zu blicken. Ihr Gesicht wurde glatt und ihre Lippen öffneten sich staunend. Die Aussicht war atemberaubend schön. Im Grunde sah sie nichts anderes als eben jenes Wasser, das sie seit Tagen sah, doch… in Verbindung mit den Segeln, der Takelage und dem glitzernden Horizont, der sich mehr und mehr in rötlichen und lilafarbenen Schlieren zeigte, war es atemberaubend! Madiha starrte in die Sonne und lehnte sich ein wenig auf das Holz. Der Wind frischte hier oben ordentlich auf, doch wie Caleb sagte… irgendwie war es warm hier oben und das Mädchen fror nicht eine Sekunde. Trotz ihrer eher leichten Bekleidung. Vermutlich, weil die Wärme eher aus ihrem Innern kam. Der Wind zerrte an ihrem Hemd, doch sie stand nur da und blickte auf die Aussicht. So etwas hatte sie wirklich noch nicht gesehen… Madiha beobachtete die Segel, die sich bauchig spannten und Ventha’s Atem einfingen. Hier und dort ruckelten die Böen an den ganzen Seilen und Tauen, deren Funktion Madiha nicht kannte, doch das Mädchen sog alles in sich auf. Ihr Blick glitt nach oben, während sie das Ende des Masts ganz in ihrer Nähe erkannte. Soweit oben… Madiha senkte den Blick in die gänzlich andere Richtung und sah, wie klein Kerf und der Navigator waren. Sie grinste dabei. Caleb’s Idee beflügelte Madiha’s Herz. Sie hatte etwas gewagt und wurde belohnt. Und sie konnte dem Sonnenaufgang dabei zusehen, wie er sich mehr und mehr entfaltete. „Wunderschön..“, flüsterte sie und blieb noch einen Moment ehrfürchtig staunend stehen. Bis sie sich langsam umwandte, denn sie wollte ihm die Schönheit, die sie zum ersten Mal entdeckte, zeigen und auf den schlafenden Dieb blickte. Sein Gesicht war entspannt und sein Atem inzwischen etwas ruhiger geworden. Madiha hatte ihm die Zeit gegeben und sie selbst aufgrund der neuen Erfahrung vergessen. Jetzt jedoch hockte sie sich ihm gegenüber und betrachtete ihn einen Moment. Hier hatten sie wirklich Ruhe… hier konnte sie sich die Zeit nehmen… Und auch wenn sie in den letzten Tagen nichts anderes gemacht hatte, als Caleb beim Schlafen zu beobachten… war das hier etwas anderes. Ihr Herz flatterte, denn nun wusste sie, dass er sie jederzeit aus seinen blaugrünen Augen ansehen konnte. Und damit direkt und ohne Umschweife ihr Herz freilegte, wenn er es tat. Das Mädchen schluckte und wurde ruhiger. Dann hob sie ihre Rechte und berührte ihn sanft und vorsichtig an seiner Wange. „Caleb..“, rief sie ihn leise und kam etwas näher. „Sieh mal, der… Sonnenaufgang!“, versuchte sie ihn aus seinem Schlaf zu locken, damit er das schönste nicht verpasste. Beim Näherkommen fand sich Madiha plötzlich wieder in der Situation, dass sie seine Lippen entdeckte. Sie lockten sie und das kribbelige Gefühl flammte wieder auf. Unwillkürlich leckte sie sich über ihre eigenen. Eigentlich wollte sie mit ihm tatsächlich nur den Aufgang bewundern, denn für sie war es absolut etwas Besonderes. Doch dann war da dieses Gefühl in ihr, was sie einfach nicht an seinen Lippen vorbeiließ. Sie wurde angezogen davon, wollte endlich wissen, wie es wäre… Ob die Vorstellung dem entsprach, was Wirklichkeit wäre. „Caleb…“, flüsterte sie abermals und strich mit ihrer Hand über seine Wange. Dabei rutschte sie aus ihrer vor ihm hockenden Position etwas näher. Madiha schluckte, als sie wieder so dicht bei ihm war, dass es ihr die Wärme durch den Körper trieb und ihr Herz schneller zu schlagen schien, als nach der körperlichen Anstrengung hier hinaufzuklettern.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 6. November 2022, 11:56

Der Aufstieg war nicht leicht, dauerte lang, aber er lohnte sich. Wo Caleb einfach aufgrund seiner Kraftreserven und der damit verbundenen Pausen nur langsam voran kam, da brauchte Madiha die Zeit, um sich an das Klettern selbst zu gewöhnen. Es ging ihr schnell in Fleisch und Blut über, wenngleich ein Blick zwischen die Maschen der dicken Taue durchaus einen flauen Magen verursachen konnten. Entweder warteten dort unten die rauschenden Fluten, die Caleb schon beinahe und Azura ganz das Leben gekostet hatten oder man landete auf dem harten Deck des Schiffes, um sein Ende bei einem Genickbruch zu finden.
Madiha blieben diese Schicksale erspart, dafür belohnte man sie mit einer unglaublichen Aussicht. Von hier oben war der Horizont noch weiter. Wie riesig die Welt doch war und wie viel Wasser existierte! Ihre eigene Heimat schrumpfte dadurch sofort ein wenig, fühlte sich richtig unbedeutend an, so wie man selbst, wenn man auf Venthas Schöpfung blickte. Der wind pfiff ihr ordentlich um die Ohren, spielte mit ihrem Haar, aber selbst in ihrem dünnen Hemd war es Madiha nur bedingt kühl. Die Temperaturen war sie ohnehin nicht ganz gewohnt. In Sarma hätten jetzt sicherlich milde 35 Grad und mehr geherrscht. Das aktuelle Wetter erinnerte das Mädchen eher an die Eisnächte der Wüste, wenn die Temperaturen so sehr abkühlten, dass man für eine zweite Decke dankbar war. So schlimm war es jetzt jedoch nicht. Die Sonne schickte ihre Strahlen ebenfalls auf das Meer, wärmte die Haut und schenkte ein wohliges Gefühl. Sie lud zum Dösen ein und der Anblick der goldenen Kugel zwischen den vielen Striemen und Schlieren aus rosarot, gelb und ersten Wölkchen war mehr als verlockend. Für Caleb reichte es. Der arme Dieb hatte sich mit seinem Aufstieg aber auch ordentlich verausgabt. Zum Glück bot der Holzkorb, der das Krähennest bildete, genug Platz, dass er sich ausruhen konnte. Irgendwie müsste er ja auch wieder hinunter gelangen. Nur jetzt nicht. Jetzt noch nicht. Hier hatten er und Madiha endlich ein ruhiges Fleckchen für sich entdeckt. Sie könnte die restlichen Stunden bis zur Ankunft in der neuen, fremden Welt durchaus hier verbringen. Corax und sein Verlust waren für's erste vergessen. Stattdessen zog sie etwas Anderes an wie das Licht die Motten.
Caleb saß am Boden des hölzernen Korbs. Er hatte ein Bein von sich gestreckt, das andere angewinkelt und locker einen Arm darauf abgelegt. Der Kopf lehnte hinter ihm am Holz an, so dass seine entspannten Züge sich gen Himmel richteten. Die Augen hatte er geschlossen, atmete ruhig und entspannt. Er schlief oder döste zumindest. Ein rascher Blick an seine Hüfte verhieß Erleichterung. Corax imitierte Dunia wirklich bis zur Perfektion und nicht anders hätte es die Wüstenschönheit wohl so gewüsncht. Mit Hilfe ihrer Fähigkeiten war nicht einmal jetzt wieder etwas aufgerissen. Madiha sah jedenfalls kein Blut, das durch den Verband hindurch sickerte. Alles war gut. Fast alles. Eine Kleinigkeit fehlte noch. Wieder glitt ihr Blick zu Calebs Gesicht, blieb an dessen Lippen haften. Er hatte sie ein Stückchen geöffnet, um atmen zu können und allein das erinnerte an ihren Moment unten an der Reling. Das Kind der Wüste konnte sich nicht geirrt haben. Caleb hatte sein Gesicht ihr zugeneigt, den Mund minimal geöffnet und war bereit gewesen für...
Sie kam nicht davon los. Warum nur lockte er sie allein durch seine Anwesenheit so sehr, dass sie keinen anderen Gedanken mehr fassen konnte? Wahrscheinlich, weil Caleb das verhieß, von dem Madiha nie zu träumen gewagt hatte. Er hatte es bereits bewiesen. Seine Nähe bedeutete Freiheit. Wie oft schon hatte er sie gerettet, um sie aus einem Unglück in eine neue Möglichkeit hinein zu bugsieren. Natürlich hatte vieles davon nicht funktioniert. Caleb verdankte sie schließlich ihren Aufenthalt bei Khasib gleichermaßen wie ihre Zuteilung in die Reihen der Feuer-Akademie. Dennoch hatte er sich stets bemüht, ihr ein Stück Freiheit zu schenken. Außerdem war er immer da gewesen, wenn es sich als Misserfolg entpuppte. Er ließ sie gar nicht im Stich, wie sie ihm bei seiner Flucht aus Sarma unterstellt hatte. Letztendlich war er auch hier auf dem Schiff für sie dagewesen, als Kraken-Corax wütete. Er war immer da, um sie zu retten. Immer da, um sie in die nächste Chance auf Freiheit zu entführen.
Auch jetzt war er da, so entspannt, so schön, so nah...
"Caleb ... sieh mal, der ... Sonnenaufgang!" Er ließ sich nicht stören, wenngleich es aussah, als schenkte er Madiha ein Schmunzeln. Irgendwie besaßen seine Mundwinkel stets diese seichte Andeutung eines spitzbübischen Lächelns. Ein verwegener, abenteuerlustiger Dieb, wie im Märchenbuch! Mit verführerischen Lippen... Sie mussten einfach nach Freiheit schmecken und Madiha musste es erfahren. Sie musste es wissen!
Erneut wisperte sie seinen Namen, streichelte seine Wange. Da hoben sich die Lider ihres Gegenübers. Er blinzelte einmal, um die verschwommene Sicht zu klären. Grüne Hügel über einem tiefblauen Gewässer und beides floss irgendwie ineinander über. Im Zentrum schaute Madiha ihrem eigenen Bild auf der schwarzen Pupille entgegen. Sie glühte und doch stand ein Begehren in ihren Zügen, das sie all ihre Scham vergessen ließ. Calebs Mundwinkel kräuselten sich, zuckten empor. "Ohja, die aufgehende Sonne...", säuselte er. Dann hob sich seine Hand langsam. Sie wanderte, schob Luft beiseite, um ihren Platz an Madihas Wange zu finden. Sein Daumen berührte ihre Lippen, während Ring- und kleiner Finger schon ihren Hals erreichten. Er besaß so gewaltige Pranken und doch war jede Berührung zärtlicher als von einer Feder. "Wunderschön und warm." Seine Hand führte sie. Er zog ihr Gesicht zu seinem heran, ohne dabei grob zu sein. Er forderte nicht einmal, sondern wies ihr nur einen Weg, den Madiha bereitwillig gehen konnte und doch schon lange beschreiten wollte. Das Ziel war in Sicht. Sie konnte es fast schmecken. Wieder öffneten sich Calebs Lippen. Wieder waren sie so nahe. Wieder ... wurde der Moment unterbrochen!
Dieses Mal war der Dieb selbst es, der den nächsten Schritt verhinderte. Er schob Madiha zwar nicht von sich, aber er hinderte mit ganz sanften Druck seiner Finger ihr Gesicht daran, sich ihm sofort entgegen zu werfen. Sein Blick wanderte nun über ihre Züge. Röte stieg auch in seine Wangen. "Ich hab mir meinen ersten Kuss immer so lang aufsparen wollen - für die Richtige. Und jetzt ... ich ... es ist dann doch schon mein dritter." Er schmunzelte. Nein, er grinste - schief wie immer mit seinem zum Zerreißen verführerischen Mund, an den sie einfach nicht heran kam! "Aber für uns wäre es der Erste, nicht wahr? Also ... wenn ... falls ..." Calebs Röte stieg ihm bis in die Ohren. Er löste seine Hand von der Wange des Wüstenkindes. Seine Finger legten sich in den eigenen Nacken. Er brauchte diese Geste, selbst wenn sie unbewusst kam. "Sagen wir, ich habe nun wenigstens Übung. Also darf ... darf ich dich..?" Sonst war er nie so verlegen, dass er kaum ein Wort hervor brachte. Aber Madiha war ihm auch selten so nahe. "Darf ich dich ... küssen?"
Jetzt stand es fest. Auch er wollte die Freiheit schmecken! Er hatte es schon mehrfach versucht. Madiha brauchte nicht länger zweifeln. Ihre Hoffnung erfüllte sich und nicht einmal das Ungeheuer in seiner Höhle aus Stoff, das sich hervorrecken wollte, könnte sie jetzt noch aufhalten, diese Lippen zu schmecken. Es war der letzte Versuch. Jetzt musste es klappen. Jetzt oder nie!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 6. November 2022, 15:19

Ihre Erleichterung darüber, dass sich seine Wunde offenbar nicht wieder verschlechtert hatte, trotz ihrer halsbrecherischen Aktion, trieb den graublauen Blick der Sarmaerin zurück. Er kletterte langsam über seine Brust, seinen Hals und zu seinem Kinn hinauf, bis er die leicht geöffneten Lippen erreichte, die ein entspanntes Schmunzeln zeigten. Der Anblick bannte Madiha’s Augen auf eine Weise, die sie nicht erklären konnte. Die Erinnerung an seine Nähe erfüllte ihr Herz und trieb es schneller an. Es war wie ein süßer Lockruf, den er ihr stets zu senden schien, wenn sie einander näherkamen. Verheißungsvoll versprachen sie ihr eine neue Art von Freiheit. Etwas, was sie nicht für möglich gehalten hatte, während sie sich trotzig an den Gedanken, eines besseren Lebens klammerte. Sie konnte nie ihr Schicksal gänzlich akzeptieren. Es wurde ihr zeitweise eingeprügelt, damit sie endlich zu der Sklavin wurde, die alle zu schätzen wussten: Gehorsam und pflichtbewusst. Doch sie nicht. Madiha fügte sich, wuchs darin auf und verinnerlichte die ein oder anderen Gepflogenheiten. Doch ein Teil in ihr sorgte dafür, dass sie nie gänzlich entzweibrach. Vermutlich war dieser Teil auch daran schuld, dass sie nun vor Caleb saß und sich fragte, wie es wohl wäre, wenn sie endlich die Wahrheit auf seinen Lippen finden dürfte. Wenn sein Blick direkt in ihr Herz sah und sie sich in dem grünen Seetang verfing, um in seiner aufwühlenden See zu ertrinken. Losgelöst von einem schlechten Gewissen gegenüber Dunia. Corax hatte ihr Absolution erteilt, indem er Dunia so perfekt imitierte, dass er auch die Gefühle der Heilerin kannte. Und selbst wenn… Madiha hatte das nicht geplant oder forciert, es war… passiert. Plötzlich sah sie in Caleb nicht nur ihre einzige Konstante im Leben, sondern den Mann hinter der kessen Fassade. Zum ersten Mal sah sie einen Mann wahrhaftig an. Er war nicht jener ohne Gesicht, der sich einreihte, um nur sein eigenes Wohl zu finden, indem er sich ihrer bemächtigte. Dem sie zu Gefallen hatte, der sie benutzte und sich ihrer entledigte, wenn er fertig war, nur damit sie dem nächsten zum Opfer fiel. Nein, sie hatte seine Nähe schätzen gelernt. Seine Wärme gebraucht und erhalten. Er war für sie da, all die Zeit und darüber hinaus. Er kümmerte sich, sie war ihm nicht egal. Das erkannte Madiha. Auch als er sie zurücklassen wollte und sie so wütend auf ihn gewesen war… So sprach doch nur das verletzte Herz aus ihr. Die Enttäuschung, dass sie ihn bei sich wissen wollte und er es nicht verstand.

Das Mädchen erhob leise das Wort, denn sie wollte ihrem Dieb zeigen, was sie entdeckt hatte: Wie sich der große Feuerball über der See erhob, um glitzernd darauf zu tanzen. Wie der Wind etwas von Freiheit säuselte und imstande war, das Gemüt zu klären. Doch er reagierte nicht, weshalb sie sanft seine Wange berührte und seinen Namen flüsterte. Erst jetzt regte er sich, ließ seine Lider sich ein wenig anheben und sie wartete geduldig, bis sie sich selbst in seinen Augen widerspiegelte. Madiha wurde ruhiger und ließ sich gefangen nehmen von dem Blick, den er ihr schenkte. Er lächelte, was sie augenblicklich erwiderte. "Ohja, die aufgehende Sonne...", hauchte er und ihr Herzschlag beschleunigte sich abermals. Sie war so aufgeregt und hielt den Atem an, während er seine Hand anhob. Sekunden verstrichen, quälend langsam, bis seine Finger ihre Haut berührten und in Brand setzten. Madiha verlor den Atem etwas und hauchte gegen seinen Daumen, so angespannt war sie. Seine Berührung hinterließ eine kribbelnde Spur, deren Wärme sich ihr in die Wangen legte. "Wunderschön und warm." Jetzt war ihr auch furchtbar warm hier oben! Die Zärtlichkeit seiner Geste ließ sie beinahe atemlos zurück. Nie war ihr etwas Derartiges zuteilgeworden. Madiha spürte, wie ihr gesamter Körper darauf zu reagieren schien und ihre Nervenbahnen aufsogen, was er ihr mit nur einer einzigen Geste schenkte. Das Mädchen schloss für einen Moment die Augen, weil sie glaubte zu träumen. Doch als sie ihr Graublau wieder entließ, war er immer noch da und mehr noch: Er sah sie. Niemanden sonst, sondern sie, Madiha. Das Mädchen schmolz dahin, als er mit sanftem Druck eine Richtung wies, der sie ganz von selbst folgte. Es war eine Bewegung, die harmonischer nicht hätte sein können. Er führte, sie folgte und kam seinem Gesicht immer näher, während sie sich zwischen seinem ausgestreckten Bein und dem Angewinkelten zwischenschob, um die Distanz zu überbrücken. Gleich, gleich wäre es endlich so weit und sie hatte ihren Blick in seinen Augen verfangen, hielt sich am Grün fest, um ihn nicht wieder zu verlieren. Bis er es war, der sie aufhielt.
Ihrer Entschlossenheit mischte sich plötzlich Unsicherheit bei. Sie hielt inne und zögerte fragend, spürte bereits, dass er es sich sicherlich anders überlegt hatte. "Ich hab mir meinen ersten Kuss immer so lang aufsparen wollen - für die Richtige. Und jetzt ... ich ... es ist dann doch schon mein dritter.", offenbarte er ihr ehrlich und Madiha schluckte. Sie zog ein wenig den Kopf zurück, um ihn besser ansehen zu können. Ihre Augen wanderten zwischen seinen umher, schweigend und abwartend. Immer wieder abgelenkt von den Lippen, die er ihr nun auch noch verwehrte. Madiha schluckte gequält von Verlangen, ihrer Neugierde endlich Erlösung zu bieten! "Aber für uns wäre es der Erste, nicht wahr? Also ... wenn ... falls ..." Oh ihre Wangen mussten bereits brennen, so wie sie sich plötzlich anfühlten. Sie musste leicht lächeln, um die Anspannung etwas loszuwerden. Ihr Herz stolperte nur noch in ihrer Brust und war inzwischen völlig aus dem Takt gekommen. "Sagen wir, ich habe nun wenigstens Übung. Also darf ... darf ich dich..?", versuchte er etwas zu fragen und Madiha beobachtete seine Hand, wie sie in seinen Nacken wanderte. Sie selbst hatte in Sachen körperliche Nähe wohl einen traurigen Vorsprung. Doch noch nie hatte sie überhaupt gewollt, was man mit ihr tat! Das war hier gänzlich anders und Madiha konnte kaum erwarten, dass es endlich geschah.

Trotzdem hielt sie inne, gab ihm die Zeit, die er brauchte und wartete mit angehaltenem Atem darauf, was er kaum über die Lippen bekam, die sie einfach nur kosten wollte! "Darf ich dich ... küssen?". Madiha starrte Caleb an und hätte es einer Symbolik bedurft, hätte sich jetzt vermutlich ein fulminantes Feuerwerk in den Himmel erhoben, das ihre Erlösung unterstrich. Madiha atmete stockend aus und ihre Hände wurden ganz kühl, vor lauter Aufregung. Dennoch beherrschte sie sich, ihm nicht gleich entgegenzufallen. „Du…“, war es nun an ihr, ein wenig stammelnd nach Worten zu suchen. Doch sie wusste, was sie sagen wollte. Auch wenn ihr die selbstbewusste Art vielleicht etwas fehlte, wollte sie es dennoch klarmachen: „Du darfst nicht…“, antwortete sie und für eine Sekunde hätte es das Ende sein können von allem, was endlich beginnen wollte. „Du musst…“, flüsterte sie sanft und erlöste sich und vielleicht auch ihn selbst. Madiha aber wartete nicht länger. Sie rutschte so dicht, wie es seine Beine zuließen und sie nicht Gefahr lief, ihr Knie an einem Ort zu versenken, der ihn hätte ablenken können. Sie setzte sich auf ihre Unterschenkel und nutzte ihren plötzlichen Mut aus, um endlich das zu tun, was sie so sehr wollte. Sie hob beide Hände an sein Gesicht, schaute ihm dabei innig in die Augen und neigte ihre Kopf. Madiha zitterte sogar leicht, weil die Aufregung so groß wurde. Gleich… näher…, und während sie ihr Gesicht seinem entgegen lehnte, überbrückte sie endlich die letzten Millimeter, die sie bisher nie geschafft hatten, mit leicht geöffneten Lippen. Endlich… endlich senkten sich ihre Lippen auf die seinen. Eine Welle von Emotionen durchflutete sie und sie schloss augenblicklich die Augen. Ihr Herz blieb fast stehen bei dem Gefühl, welches sie durchströmte. Es war um Längen besser als das, was sie erwartet hatte. Seine Lippen waren so weich, so… sanft und schmiegten sich für ihre Begriffe perfekt an ihre eigenen. Madiha hauchte ihm einen Kuss voller Gefühl auf und kostete sanft und vorsichtig, was sie nie glaubte, haben zu können. Eine Gänsehaut breitete sich über ihren gesamten Körper aus. Sie hatte die Augen geschlossen und wollte nicht aufhören damit, ihn zu liebkosen und ihm zu zeigen, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte. Das Wüstenkind hatte niemals auch nur ansatzweise Gefühle für irgendwen gehegt. Nichts von dem, was sie erlitten hatte, geschah mit Freude oder Verlangen. Das schaffte nur er. Und mit jeder Sekunde, die dieser zärtliche Kuss andauerte, wurde Madiha etwas mutiger. Getrieben von ihren Gefühlen, die sich nur noch intensivierten, schenkte sie ihm einen Hauch ihrer Erfahrung, die sie nun in etwas Gutes verwandeln wollte. Immer wieder ließ sie ihre Lippen über seine wandern. Erst nach einer gefühlten Ewigkeit, puren Glücks, löste sie sich von ihm. Aber nur wenige Millimeter trennte sie von ihm. Sie suchte in seinem Blick nach einer Antwort auf die stumme Frage, ob es ihm gefiel… ob sie es richtig machte und… ob sie mehr davon haben dürfte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Dienstag 8. November 2022, 09:30

Glücklicherweise ließ Madiha zwischen ihren Worten eine nur kurze Pause entstehen. Andernfalls wäre Caleb vor Schreck wohl direkt erneut vom Gevatter abgeholt worden. Also das Mädchen ihm nämlich zunächst verkündete, dass er sie eben nicht küssen durfte, da setzte sein Herz für zwei Schläge lang aus. Seine Augen weiteten sich, während die Pupillen schockiert zuckten. Hatte er sich denn so getäuscht? Schon war Caleb drauf und dran, seine Unsicherheit und sein Entsetzen mit einem humoristischen Schnauben zu überspielen. Er wich Madihas Blick aus. "Oh ... ja, natürlich ... ich bin dir ja auch viel zu a-"
"Du musst..."
Calebs riss seinen Kopf herum, um die Sarmaerin vor sich nun genau zu betrachten. Er suchte nach Anzeichen eines schlechten Scherzes, nach Spuren von Hohn und Spott über seine eigene Annahme, da könnte mehr zwischen ihnen sein als bislang angenommen. Dieser winzige Teil an Mehr, wegen dem er nun versuchte, Dunia zu vergessen. Er fand nur Ehrlichkeit, gepaart mit wissbegieriger Sehnsucht in den schönen Augen Madihas. Er starrte gebannt hinein, verlor sich in ihren blaugrauen Schwingungen.
"Andunische Regentage...", säuselte er benommen. "Über den Apfelplantagen, wenn die Wolken sich auftürmen und es diesig wird. So erfrischend ... deine Augen sind wunderschön." Während er sich noch genau in diesem Blick verlor, ergriff Madiha endlich die Initiative. Sie hatte bemerkt, dass keiner von beiden irrte, sondern sie ständig nur herum drucksten und um ihr eigentliches Glück schlichen, ohne die Beute zu packen. Sie hatte schon einmal einen fast unumstößlichen Fehler begangen, ihm nicht rechtzeitig von ihren Gefühlen erzählt zu haben. Dieses Mal würde sie es nicht so weit kommen lassen. Außerdem hatte Caleb schon drei Versuche gewagt. Jetzt war sie dran. Beflügelt durch seine Worte überschritt Madiha endlich die Grenze. Ihre Lippen näherten sich den seinen, bis sie die raue Oberfläche fand und sich dagegen drückte. Nein, Calebs Lippen waren nicht weich, aber fern von all der Grobheit, die Madiha durch Küsse bisher erfahren hatte. Und das machte sie dann doch zu den sanftesten Lippen, die sie je hatte mit den ihren berühen dürfen. Sie spürte jede noch so kleine Unebenheit. Sie schmeckte einen leichten Mantel aus Salz auf ihnen. Ihre mussten ebenfalls von Venthas Gewässern gezeichnet sein. Darunter kam aber das Aroma durch, das Caleb ausmachte. Es erinnerte sie wirklich ein wenig an Äpfel. Vielleicht assoziierte sie es auch ob seiner Worte. Mit etwas mehr Konzentration auf die Offenheit, was ihr der Kuss noch zu bieten hätte, würde sie gewiss Calebs ganz eigenen Geschmack entdecken. So wie sie bereits mit seinem Geruch vertraut war. Aus nächster Nähe konnte sie auch diesen Duft wieder aufnehmen. Geschützt durch den Holzkorb des Ausgucks konnte der Wind ihn nicht forttragen. Aber ihm so nahe zu sein, bedeutete, dass sich ihrer beider Düfte vereinten. So wie es nun ihre Lippen taten.
Caleb zögerte, aber nur für einen Moment. Dann erwiderte er den Kuss zaghaft. Es war nicht so, dass er nicht wollte. Madiha, die deutlich mehr Erfahrung besaß, erkannte, dass er noch Übung brauchte. Oh, sie würde ihm schon helfen. Sehr oft, denn es fühlte sich für sie so unsagbar anders an als mit jedem anderen Mann oder Frau, die sich ihr aufgezwungen hatten. So schmeckte Freiheit von einer Sklavschaft aus Leid und Misshandlung. So schmeckte Liebe. Wenn sie in einem ruhigeren Moment noch einmal darüber nachdenken würde, könnte sie gewiss auch Corax etwas besser verstehen und warum er so an Azura hing. Auch sie musste ihn dieses Stück Freiheit haben kosten lassen. Madiha wollte es nie wieder verlieren!
Von Leidenschaft gepackt, setzte sie immer wieder nach, küsste immer inniger und sehnsüchtiger. Sie wollte mehr davon, mehr von ihm. Als sich ihre Zunge aber einen Weg in seinen Mund bahnte, da zuckte Caleb mit der seinen zurück. Er riss wiederholt die Augen auf, guckte Madiha an. Sie zog sich sacht zurück, musterte ihn und in ihrem Blick stand die Frage, ob sie etwas falsch gemacht hatte. Gefiel es ihm denn nicht? Ging sie damit zu weit?
Sein schiefes Aufgrinsen wischte jede Form von Unsicherheit oder Zweifel beiseite. "Die Zungen benutzt man also auch?" Es war schlicht und ergreifend Unerfahrenheit. Darüber hinaus sagte es viel über Calebs bisherige drei Küsse aus, wenn sie das Zungenspiel nie eingeführt hatten. Es waren unschuldige, brave Küsse gewesen! Somit war Madiha wirklich seine Erste, die er mit so viel Sinnlichkeit empfing. Denn Caleb tat es erneut. Nun war er es, der mit seinen Lippen nach den ihren angelte. Mutiger haschte er danach. Ein bisschen unbeholfen, aber stürmisch, getrieben von einer ähnlichen Sehnsucht wie sie, wagte er sich nun mit seiner Zungenspitze vor. Er tippte Madihas an und .. wartete. Er wusste nicht, wie es nun weiterging. Es war an ihr, ihn zu führen, aber Caleb ließ sich auf einfach alles ein.
Seine Hände wanderten zu ihren Hüften, wo er sie festhielt und sanft anhob, so dass sie sich im nächsten Moment auf seinem Schoß wiederfand. Ein harter Platz, aber die Ausbuchtung störte kaum. Es fühlte sich sogar irgendwie angenehm an, als Caleb ganz instinktiv seinen Unterleib etwas bewegte. Er seufzte zufrieden in den nächsten Kuss hinein. Dieses Mal hielt er sich nicht zurück. Sie war nicht Azura. Sie gehörte Corax nur in einem Sklavenverhältnis. Er hinterging hier niemanden ... außer vielleicht Dunia, doch auch hier hatte der Dunkelelf ihnen beiden durch seine Worte Absolution erteilt. Sie waren frei, um füreinander geschaffen zu sein.
Caleb schickte seine Finger auf Wanderschaft. Weniger aus Lust, als vielmehr aus Neugier und dem Wunsch, Madiha dadurch noch näher zu kommen. Er wollte alles von ihr erfahren, sie erkunden und bis in die Tiefe ihrer Seele ergründen. Schließlich fanden seine Finger Eintritt zwischen dem Bund ihrer Hose und dem Hemd. Er konnte ihre Haut fühlen, strich darüber. Ein erneutes Raunen kündete davon, wie sehr er Madiha um diese weiche Haut beneidete. Wie gern er auch diese schmecken wollte!
Caleb löste den Kuss irgendwann auf und lehnte sich zurück. Er lächelte, aber seine Wangen glühten wie ein feuriger Wüstensturm. "Ich ... geh ich zu weit? Ich bin kein Freier. Du bist keine...!" Er schüttelte den Kopf und schob dieses Mal keine Hand in seinen Nacken. Er hatte keine frei. Er musste Madiha festhalten. Seine Daumen strichen an ihrer Taille entlang. "Ich werde nichts von dir erwarten, was du nicht tun möchtest. Ich ... wir ... also ... wie .. wie weit willst du denn gehen?" Hochrot wich er ihrem Blick aus, lächelte dabei aber so selig, dass sie einfach ahnen musste, dass es einfach nur Unbeholfenheit war. Er wirkte unendlich nervös, aber...
"Ich bin glücklich."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 8. November 2022, 13:37

Seinen Blick, erwiderte Madiha mit klopfendem Herzen. "Andunische Regentage... Über den Apfelplantagen, wenn die Wolken sich auftürmen und es diesig wird. So erfrischend ... deine Augen sind wunderschön.", raunte er ihr entgegen und Madiha schluckte geschmeichelt. Ihr Graublau hüpfte weiter über sein Gesicht und sie konnte sich gegen das wohlige Gefühl in ihrem Innern kaum wappnen. Sanft hob sie ihre Hände und ließ die Fingerspitzen mit einer ungekannten Zärtlichkeit über seine Wangen fahren, bis sie an seinen Ohren endeten und sich dort, in seinem Haar, festhielten. Es brauchte keine fragenden Blicke mehr. Keine Schüchternheit, die sie nur davon abhielt, endlich den nächsten Schritt zu wagen. Sie waren beide unendlich nervös und doch… Caleb’s Einfall, sich im Krähennest des Schiffes ein wenig Zweisamkeit zu erkämpfen, hatte ihnen die letzte Zutat beschert, die sie brauchten, um endlich einzugestehen, was sie füreinander empfanden. Madiha ergriff die wohl letzte Chance und ließ sich nicht mehr beirren. Sie war beflügelt von ihren Gefühlen, die sie allesamt nie zuvor erfahren hatte und die sie dennoch verlässlich führten. Mit jedem Millimeter, auf Caleb zu, stieg ihre Anspannung ins Unermessliche. Ihre Hände waren kühl vor Aufregung, während ihre Wangen zu brennen begangen. Fast hätte sie gedacht, dass ihre Magie sich in diesem Moment unpassender Weise meldete, doch war es eine natürliche Reaktion auf den Mann, der ihr so wichtig geworden war. Das Mädchen lehnte sich vor, neigte den Kopf, dass die kürzeren Haare über ihre Schulter fielen und legte die letzten Millimeter zurück, bis sie nicht weiterkonnte. Endlich hielt sie nichts anderes auf, als seine Lippen. Sanft und hauchzart öffnete sie ihren Mund, um mit ihren Lippen über die seinen zu streichen. Sie waren das wohl schönste, was sie jemals hatte berühren dürfen. Madiha verlor sich in dem Gefühl, spürte jeder kleinen Kerbe nach, dem sanften Piksen der feinen Bartstoppeln, die sich auf dieser Reise gebildet hatten. Sie kitzelten sie am Rande ihrer Oberlippe und ließen sie voller Neugierde zurück, was es noch zu entdecken gäbe. Da war seine Zaghaftigkeit, die sie ruhiger werden ließ. Für sie war es gewiss nicht das erste Mal, dass sie jemandem so nahegekommen war, allerdings in einem gänzlich anderen Kontext. Madiha ließ sich nicht von den aufkommenden Erinnerungen beirren.
Sie drängte sie zur Seite, während sie ihrer Zuneigung zu Caleb den Vortritt ließ und es somit schaffte, die Zärtlichkeit weiterzugeben. Es dauerte nur ein paar sanfte Momente, da bewegten sich seine Lippen und gaben ihr den Nährboden, um weiterzumachen. In ihrem Innersten flammte ein intensives Gefühl auf, das sie mutiger werden ließ. Seine Lippen hatten einen ganz eigenen Geschmack, den sie weiter erforschen und probieren wollte. Eine leichte, salzige Note, gepaart mit dem nicht unangenehmen Schweiß, der sich aufgrund der Kletterpartie auf seinem Gesicht gesammelt hatte, versprach Madiha die Freiheit, die sein Naturell seitjeher pries. Sie wollte mehr davon. Und je länger der Kuss andauerte, desto verlangender wurde sie, bis sie einen Moment abpasste, indem sie ihre Zungenspitze vorwagte, um mehr aufzunehmen von ihm. Er zuckte zurück, sodass sie innehielt und die Augen öffnete. Unsicherheit flatterte in den hellen Iriden, denn auch wenn sie sich von ihrem Gefühl beflügeln ließ, wollte sie gewiss nichts falsch machen! Sie wollte es nicht zerstören. Madiha sah ihn etwas atemlos an, während auch ihre Wangen so glühten, dass sie doch noch mal glaubte, ihre Magie hätte ein kleines Lagerfeuer auf beiden Seiten ihres Gesichts entzündet! "Die Zungen benutzt man also auch?", fragte er und Madiha wurde noch mal verlegender. Sie lächelte berauscht von ihrem ersten Kuss, den sie sich nie erträumt hatte. „Ich…“, schluckte sie und hob den Blick wieder zurück. „Ich denke schon...?“, murmelte sie und musste sich zurückerinnern, als man ihr so oft die Zunge unwirsch in den Mund geschoben hatte. Sie hatte das nie gemocht und nicht selten versucht, zu beißen. Doch es hatte sich hier so… natürlich angefühlt… War sie zu grob? Machte man das überhaupt, wenn man einander mochte? Madiha leckte sich einmal kurz unsicher über die pochenden Lippen und wollte schon eine Entschuldigung äußern, als sich Caleb nun vorneigte. Ihr blieb nicht die Chance, sich für ihren Vorstoß zu entschuldigen, denn schon setzte er an und tatsächlich schob er seine Zunge nun vor. Madiha spürte sie in ihren Mund und das sanfte Stupsen ihrer Zungenspitzen, vernichtete die Zweifel. Es fühlte sich richtig an. Wie alles in diesem Moment. Die Sarmaerin griff auf die Erinnerungen zurück, nicht aber auf die schmerzhaften Gefühle. Die hätten nun ohnehin keine Chance gehabt, sie zu quälen.

Das Hochgefühl, endlich ihre Gefühle für Caleb eingestehen und zeigen zu dürfen, verbannte sämtliches Leid ihres Lebens in die aller dunkelste Ecke ihrer Seele. Sie wurden verschüttet von Zuneigung, Sehnsucht und Verlangen. Madiha schob ihre Zunge vor, während er auf sie wartete. Liebevoll empfing sie seine und führte sie, so gut sie es konnte und verstand, um ihm zu zeigen, wie verlockend das Spiel sein konnte. Dabei war sie jedoch selbst noch etwas unbeholfen. Vielleicht manchmal etwas zu zaghaft oder aber zu fordernd, den richtigen Rhythmus fand sie nur durch ausprobieren. Allerdings konnte nichts von der Unerfahrenheit, ob nun seine oder ihre eigene, daran etwas ändern, dass sie zärtlich zu ihm war. Sie ließ sich mühelos von ihm auf seinen Schoß setzen und keuchte leise als sie spürte, wie er sich unter ihr bewegte. Ihre Hände schoben sich über seine Schultern, bis sie sich in seinem Nacken trafen. Während eine Hand sich an der Innenwand abstützte, fuhr die andere in das Haar an seinem Hinterkopf, um sich dort festzuhalten und noch inniger die Nähe zu ihm aufzubauen. Madiha spürte ein Flattern und Ziehen in ihrer Mitte, das sie bisher nicht kannte. Da war eine Vorfreude, die ihrem Innersten entsprang, ohne dass sie aktiv daran etwas hätte ändern können. Doch auch er ließ seine Finger nicht, wo sie waren. Sie spürte seine Bewegungen, während sie noch immer seine Lippen kostete und wurde nur kribbeliger durch seine Berührungen. Bis er ihre Haut entdeckte. Madiha zuckte unter der Berührung zusammen und löste fast zeitgleich mit ihm den Kuss. Sie spürte, dass sie sich entgegen ihrem Wollen anspannte. Caleb war der erste Mann, der sie wieder dort berührte. Der ihre Haut anfasste und Madiha schluckte angespannt. Jetzt krochen doch ihre Erinnerungen zäh wie Pech ihre Nervenbahnen hinauf. Das Mädchen sah dem Dieb atemlos entgegen. "Ich ... geh ich zu weit? Ich bin kein Freier. Du bist keine...!" Madiha senkte den Blick und sank ein wenig auf seinem Schoß zurück. "Ich werde nichts von dir erwarten, was du nicht tun möchtest. Ich ... wir ... also ... wie .. wie weit willst du denn gehen?", beruhigte er sie, während sie darum kämpfte, nicht in die Schatten ihres Daseins zurückzufallen.
Er hingegen war furchtbar verlegen und konnte ihrem Blick nicht standhalten. Noch immer schmeckte sie Caleb auf ihren Lippen. Noch immer war sie erfüllt von Sehnsucht und nichts hätte ihre Zuneigung zu ihm schmälern können. Nicht mal, dass er unerfahren war, dass er sich hatte aufsparen wollen für die Richtige… Madiha war nicht wichtig, wie alt er war oder ob er unzählige Frauen beglückt hatte. Für das Wüstenkind war Caleb um seinetwillen wichtig. Weil er… er war. Schlicht und einfach. Für sie zählte nicht ein Vermögen, ein beständiges Leben, eine blütenreine Weste… Madiha wurde von ihrer Zuneigung einfach überrollt und hatte nichts davon geplant oder arrangiert. Es war passiert. Und auch der Kuss passierte einfach.
Ihre Erfahrungen waren schmerzhaft, ungewollt und zeichneten ein Leben lang Schatten auf ihre Seele. Und trotzdem empfand sie dieses Gefühl.. diese... Leichtigkeit... Das Bedürfnis, einfach jedem zu erzählen, was sie erleben durfte… Sie war... "Ich bin glücklich.", offenbarte er ihr und sie hob den Blick in sein Gesicht zurück. Glücklich? Ja… glücklich! Ihr Herz hüpfte und plötzlich lächelte auch sie, als hätte die Sonne die dunklen Wolken aufgebrochen. „Ich auch..“, gestand sie ihm und strahlte ihren Dieb an. Madiha strich ihm mit dem Zeigefinger einen Moment gedankenverloren über die Lippen. „Ich…“, begann sie und sah ihn direkt wieder an. Ihre Hände sanken auf seine Brust zurück. „Ich weiß nicht… es… ich bin mir nicht sicher ob du… also …“, bei den Göttern, wieso konnte sie nicht mal einen geraden Satz herausbringen! Sie atmete durch. „Ich weiß nicht wie… es geht.“, brachte sie heraus und versuchte zu präzisieren: „Ich habe nie viel… tun müssen… ich...“ stammelte sie und bemühte sich inständig, nicht die schmerzhaften Erinnerungen zu sehr zuzulassen. „ich weiß nicht ob… ob… es dir… nun, ob es dir Freude bereiten würde…“, flüsterte sie beinahe und zeigte ebenso eine Unsicherheit, die er auch verspürte. Gleichzeitig aber zeigte sie ihm, als wäre es selbstverständlich und müsste so sein, dass sie dabei nicht an ihr eigenes Vergnügen dachte. Dass es auch ihr Spaß machen sollte und durfte! Nie hatte es das. Wenn sie Glück hatte, war es nicht schmerzhaft. Doch das war selten genug der Fall. Nie hatte Madiha auch nur erlebt, dass auch ihr Körper etwas anderes dabei empfinden könnte außer Schmerz und Scham. Sie blickte dem Dieb erneut in die Augen und in diesem Blick lag so viel Zuneigung, dass er nicht zweifeln musste, dass sie Gefühle für ihn hegte. Nicht nach dem Kuss und dem süßen Erkunden seiner Lippen. „Wenn du… willst, wäre… also … wäre das in… Ordnung.“, meinte sie wenig romantisch. Madiha glaubte, dass es ihre Pflicht wäre. Und diese Pflicht erfüllte sie jemandem wie Caleb selbstverständlich gern und fühlte sich von ihm gewiss nicht bedrängt. Sie glaubte, dass er durch seine Bitte an sie schon vollkommen anders war als alle zuvor. Er nahm nicht. Er bat. Und ihre Freiheit bestand darin, dass sie die Bitte beantworten durfte. Sie hatte von seinen Lippen die Freiheit gekostet. Und die Zuneigung, vielleicht sogar die Liebe, die sie bisher nicht hatte kennenlernen dürfen. Für wen, wenn nicht ihn, würde sie sich auch auf anderen Wegen öffnen?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 9. November 2022, 11:44

Obwohl Madiha im Grunde um einiges mehr Erfahrung hatte sammeln können als Caleb, so war sie auf der liebevollen, zärtlichen Ebene genauso unschuldig wie er. Sie hatte niemals erfahren, was es hieß, einen Kuss aus Leidenschaft und innigen Gefühlen heraus zu schenken, geschweige denn zu erhalten. Sie wusste nicht, dass ein Zungenspiel einem sinnlichen Tanz oder einer neckischen Spielerei gleich kommen konnte. Sie kannte nur die grobe Variante, die dem Partner keinerlei Freiraum für eigene Kreativität ließ. Sie sollte unterdrücken, damit sich fügte, was sich zu fügen hatte. Madiha hatte sich immer gefügt. Sie war nie Teil eines Aktes aus Lust oder wachsender Zweisamkeit geworden. Es ging stets nur darum, ein Ventil für den Druck eines anderen zu sein. Objekt der Begierde war die beste Bezeichnung. Keiner, weder Khasib noch die Freier, die er auf Madiha losgelassen hatte, hatten sie jemals als Menschen angesehen. Sie war eine von vielen Haremsdamen - ein Objekt, an dem sie sich nach Herzenslust abarbeiten konnten. Und sie hatte still zu liegen und in übertriebener Manier mit Gestöhne auf die Männer zu reagieren, damit sich aus deren Befriedigung gute Geschäfte für Khasib entwickelten. Oder sie sollte zappeln wie ein Fisch auf dem Trockenen, damit sie die widerlichen Schänder noch animierte, sie zu prügeln. Es war niemals ein sanftes Entgegenkommen beider Seiten gewesen. Es war niemals wie mit Caleb gewesen.
Seine Art sie zu behandeln wuchs nicht aus seiner Unerfahrenheit heraus. Diese ließ ihn zwar auch zögernder und bedachter vorgehen, doch Caleb wollte hier vordergründig nicht nehmen. Er wollte ihr etwas geben und bat selbst darum, auch etwas für seine Mühen zu erhalten. Sie wollten einander Gutes tun und das machte den Unterschied aus, der Madiha nun mit Wellen aus heißen und kalten Schauern versah, die Glücksgefühle hinterließen und ihr eine Gänsehaut bescherten.
Aber auch Calebs Finger hinterließen etwas auf ihr, als sie die Grenze zwischen Stoffbahnen durchbrachen und auf ihrer nackten Haut zum Liegen kamen. Sie brannten. Sie verbrannten nicht, aber selbst die kleinen Fingerspitzen hinterließen so viel Gefühl, dass Madihas Konzentration augenblicklich auf die Stellen ihres Körpers ausgerichtet waren, die Caleb so mit seinem Fingerabdruck prägte. Madiha spannte sich an, ob sie wollte oder nicht. Ihr Körper handelte instinktiv und mit der Erfahrung, die man ihr über Jahre hinweg eingetrichtert hatte. Der Kuss löste sich auf. Caleb beließ die Finger, wo sie waren. Er drückte nicht fester zu wie all die Männer, die Madiha immer kraftvoll in die Horizontale drängten, sobald sie sich versteifte und von ihr forderten, sich zu entspannen, sonst würde es schmerzhaft. Das wurde es auch so. Immer. Stünde ihr das nun auch mit Caleb bevor?
Unsicherheit machte sich breit, aber nicht nur bei ihr. Aus Befürchtung, etwas falsch gemacht zu haben, zog der Dieb sich etwas zurück. Er packte sie nicht, er begrub sie nicht unter seinem Gewicht und er nahm sich nicht, was sie ihm ohnehin nie verweigert hätte. Er beruhigte sie und das auf eine Art, dass sie darin reines Glück erkannte. Spätestens als er es offen ausprach, wusste sie es. Das hier war nicht mit ihrer Vergangenheit vergleichbar, denn nichts davon tat weh, war demütigend oder dazu gedacht, ihren Willen zu brechen. Im Gegenteil, Caleb baute sie auf, umhegte sie mit seiner eigenen unschuldigen und doch so verschmitzten Weise, dass sie wie ein gegossener Samen keimte und bereit war, ihre Knospe zu öffnen. Auch ihre Seele öffnete sich, denn jetzt wusste sie, dass sie Caleb würde alles sagen können: Ob er zu weit ging, wie weit er gehen durfte und wie sehr sie sich ihm hingeben würde, was immer seine Bedürfnisse befriedigte. Er würde es verstehen und sorgsam mit ihr umgehen.
"Ich ... Ich weiß nicht, wie ... es geht. Ich habe nie viel ... tun müssen ... Ich..." Sie wusste es. Sie wusste, wie sehr sie Caleb vertrauen und wieviel sie ihm anvertrauen konnte. Dennoch war es schwierig, es in Worte zu fassen und laut auszusprechen. Er hingegen hörte zu, mit einer Geduld, die man einem so unsteten Kerl wie ihm niemals zugetraut hätte. Seine Daumen strichen an ihrer Hüfte entlang. Er neigte sich zu ihr, küsste ihren Mundwinkel und streichelte den Rand ihrer Lippen mit den seinen. Das war stumme Ermutigung. Sie wirkte.
"Ich weiß nicht, ob ... ob ... es dir .. nun, ob es dir Freude bereiten würde..." Er löste sich wieder etwas von ihr, lehnte sich zurück an die hölzerne Wand ihres Verstecks. Seine Augen erwiderten ihren Blick, der so unsicher und doch voller Zuneigung für ihn war. Und dann lächelte er. Eine Seite seines Mundes zog sich in die höhe, stauchte die Haut, dass er ein winziges Grübchen bekam und sich auf der entgegengesetzten Seite die Bartstoppeln etwas aufrichteten, weil die Muskulatur dort angespannt wurde. Sein schiefes Grinsen, dieses Spitzbübische darin ... es erreichte seinen Blick, mischte sich dort aber nicht nur mit den schillernden Farben seiner Iriden, sondern auch mit der Erleichterung darin.
"Gut", entgegnete er zunächst knapp. Dann lachte er auf. "Ich weiß es nämlich auch nicht. Oh, was bin ich froh. Das nimmt mir enorm viel Druck, mich beweisen zu müssen. Oh, wie gut!" Er schob seine Hände an Madihas Hüften vorbei, bis er sie umschlungen hielt und dicht an sich heran zog. Ein Kuss folgte und er ... Caleb weinte. In seinen Augenwinkeln glitzerten Tränen der Glückseligkeit. Deshalb war er zu Corax gegangen. Deshalb hatte er, ein gestandener Mann, dem Sklaven anvertraut, unerfahren zu sein. Es hatte ihn so sehr belastet, für die erfahrene Madiha nicht ausreichend zu sein, dass allein der Gedanke, sich seinen Gefühlen überhaupt bewusst zu werden, ihn wie paralysiert hatte. Obenauf kam noch die unglückliche Situation, dass er für Azura eine Zeit lang durchaus anziehend gewirkt hatte und sie Corax beinahe ausgespannt hätte. Aber nun saß er hier und es war alles in Ordnung, weil Madiha nichts von ihm erwartete. Sie würden alles gemeinsam entdecken, ohne enttäuscht zu werden.
Caleb löste die innige Umarmung wieder auf. Jetzt legte er beide Hände an Madihas Wangen, lächelte ihr befreit entgegen und stahl sich einen weiteren, kleinen Kuss. "Du bist wunderbar, Madi. So wunderbar, ich..." Er stockte. Röte schoss ihm in die Wangen. Er schaute sich kurz um. dann schloss er die Augen unter einem sanfteren Lächeln. "Nehmen wir uns Zeit", sagte er, mehr zu sich selbst als zu ihr. Dann schaute er sie wieder an. "Ich weiß nicht, was uns in Andunie erwarten wird, aber gewiss bessere Umstände als ein Schiff voll einsamer Männer, die sich schon am kleinsten Geräusch erfreuen würden ... und einem trauernden Raben." Ja, auch das musste angesprochen werden, selbst wenn ihre Herzen vor Glück platzen wollten. "Gib mir etwas Zeit, dann will ich es für uns beide zum unvergesslichsten Moment machen, den wir uns vorstellen können. Nicht weniger hast du verdient, denn..." Er seufzte, stieß Atem durch seine Nase aus. Er war dabei gewesen, etwas Anderes zu sagen, doch bremste sich erneut. "Gib mir Zeit."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 9. November 2022, 14:41

Wie viel war die Erfahrung in einer Sache wert, wenn sie von falschen Werten geprägt war? Seit Caleb sie als Kind an den Edelmann Abbas verkauft hatte, erfuhr Madiha was es hieß, nichts wert zu sein. Ein Leben zu haben, über das andere zu bestimmen wussten und sich niemals selbst finden zu dürfen. Während sie bei Abbas keine sexuelle Gewalt erfuhr aber bereits lernte, dass sie niemals eigene Gedanken und Ansätze äußern durfte, da sie sonst mit Schlägen bestraft würde, war es ihr Wechsel zu Khasib, der sie nachhaltig prägen sollte. Hier brauchte sie nicht auf Besserung zu hoffen. Mit dem Heranwachsen, dem Erreichen des perfekten Alters, wurde ihr das letzte Bisschen Unversehrtheit genommen. Madiha hatte unzählige Lippen geküsst. Sie hatte unzählige Hände auf sich gespürt. Sie kannte den Geruch von Schweiß und Alkohol, die grunzenden Laute, das Schnaufen und Stöhnen, während es wehtat. Während der Schmerz zwischen ihren Beinen und in ihrem Herzen anschwoll und zu zerreißen drohte. Sie hatte gelernt, dass Körperlichkeit etwas Schlechtes war. Dass es wehtat. Etwas anderes kannte sie nicht und auch wenn die Mädchen, die dem selben Schicksal ausgesetzt waren, teilweise verträumt von ihren Prinzen redeten… Sie alle wussten, dass es bei Träumen bleiben würde, wenn sie die Fähigkeit dazu nicht auch noch verlieren würden. Madiha aber träumte nie. Bei ihr war der Unterschied, dass sie so aufwuchs. Sie war nicht bereits eine junge Frau gewesen, als man sie verkaufte. Sie war ein kleines Kind und als solches lernte sie was das Leben bedeutete auf diese Weise. Nicht was es hieß, liebevoll umsorgt zu werden. Ein sicheres Zuhause zu haben. Liebende Eltern. Oder zur Schule zu gehen. In Sarma waren Mädchen und Frauen generell nichts wert. Doch war die Stufe der Sklaven um einiges tiefer und es hätte sehr, sehr viel Mühe bedurft, die nächste Sprosse zu erklimmen, wenn die Chance bestanden hätte. Madiha wuchs in dem Glauben auf, dass es so richtig wäre. Dass es so sein musste und erst mit zunehmendem Alter bildete sich ein Glaube daran, dass es noch etwas geben musste. Sie kam selten nach draußen, denn die Sklaven wurden schön verborgen gehalten, obwohl jeder wusste, dass es sie gab. Man zeigte den Schmutz aber nicht.
Doch immer wenn sie der Köchin helfen musste, indem sie mal etwas zu besorgen hatte, dann nutzte Madiha die Zeit mit offenen Augen durch die Gassen zu laufen. Alles Leben, das so anders und … schöner war, in ihren Augen, aufzusaugen. Sie erkannte, dass es mehr gab. Auch für sie musste es mehr geben! Sie wollte nicht mehr daliegen und stillhalten! Madiha wollte frei sein und hatte es geschafft. Sie hatte überlebt, wie sie es immer getan hatte. Und nun stolperte sie durch ihre Freiheit, ohne zu wissen, was kommen würde. Sie taumelte mit offenen Augen durch eine ihr unbekannte Welt und hätte nie davon zu träumen gewagt, wie wundervoll es war! Trotz des Leids, das auch hier von ihr Besitz zu ergreifen drohte. Trotz der Schmerzen, die sie auch hier fühlte. Es war anders, lebendiger… ihrs. Es gehörte ihr, jede Träne, jedes Lachen, jede Kerbe. Alles ihrs, denn niemand bestimmte darum, was sie sagte oder was sie tat. Jedenfalls fühlte es sich so an, auch wenn sie Rückschläge erlitt. Es würde sie nicht aufhalten. Sie sah die Chance und griff zu. Und sie sah ihn.

Madiha lächelte dieser neuen und vollkommen unerwarteten Chance in die wundervollen Augen. Er war glücklich, wie er ihr gestand. Und sie? Sie konnte es endlich auch behaupten zu sein! Caleb war schon immer Teil ihres Lebensweges gewesen. Und jetzt war er mehr als der Dieb, der sich ständig einmischte! Der sie bevormunden wollte, wo sie doch eigene Entscheidungen hatte treffen wollen. Nein… Das war er nicht mehr. Er hatte sich verändert – sie hatte sich verändert. Madiha sog das Spitzbübische in sich auf und hielt an dem Moment fest. Trotz ihrer Reaktion, die so unbewusst ablief, als er ihre Haut berührte, war sie glücklich. Und deshalb war ihre Antwort so ehrlich, wie sie konnte. Sie wollte ihn nicht anlügen oder ihm etwas vorenthalten. Er verlangte nichts von ihr, ganz im Gegenteil. Caleb hoffte… Er bat und er wartete geduldig, bis sie die Worte fand, die sie nun brauchte. Es stimmte, sie hatte zwangsweise lernen müssen, zu gefallen. Doch konnte sie das auch, wenn sie nicht dazu gedrängt wurde? Wenn man ihr nicht die flache Hand ins Gesicht drückte, damit sie zappelte, weil sie nach Luft rang? Nur um sie schlagen zu können, weil sie es wagte sich zu wehren? Madiha war sich unsicher, ob sie Caleb geben konnte, was er wollte. Dabei war seine Nähe schon genug, um sie spüren zu lassen, dass sich etwas regte, von dem sie nicht kannte, wozu es diente. Seine Finger, die sanft über ihre Hüften strichen und mit jeder Bewegen neue Wellen erzeugten, die sie in Schwingungen versetzten. Noch immer war da das Verlangen, seine Lippen zu liebkosen. Ihm nahe zu sein und sich dem Gefühl, das Schönste, welches sie je hatte spüren dürfen, hinzugeben. Doch er ermutigte sie… er neigte sich vor, nicht um zu fordern, sondern um ihr sanft das Gefühl zu schenken, dass sie offen reden durfte. Und sie ergriff den Mut, um sich zu erklären.
Seine Reaktion hatte sie indes nicht erwartet. Madiha blickte den Dieb wachsam an und ihr Mundwinkel hob sich gleichwohl etwas an, auch wenn sie nicht so verschmitzt aussah dabei sondern eher unsicher. "Gut. Ich weiß es nämlich auch nicht. Oh, was bin ich froh. Das nimmt mir enorm viel Druck, mich beweisen zu müssen. Oh, wie gut!" Er lachte gelöst und zog sie dichter zu sich. Madiha blinzelte überrascht, ehe sich das in Wohlgefallen auflöste und auch sie eine Erleichterung verspürte. Sie erwiderte seinen Kuss erlöst von ihrer Verlegenheit und hob beide Augenbrauen, als sie die Tränen entdeckte, die ihm aus den Winkeln seiner Augen traten. Mit einer fließenden Bewegung glitt ihre Rechte an seiner Wange empor und wischte dort mit dem Daumen die Träne beiseite. Fragend sah sie ihn an, als er sich etwas löste. Bei seiner liebevollen Geste, ihr Gesicht in seinen Händen einzubetten, sanken ihre Lider etwas auf Halbmast und sie lächelte leicht. "Du bist wunderbar, Madi. So wunderbar, ich..." Sie hob den Blick und war selbst verlegen, bis über beide Ohren. „Ja?“, versuchte sie ihn zum Weiterreden zu locken. Er schmeichelte ihr nicht zum ersten Mal, doch sie merkte, dass sie kaum genug davon haben könnte. Es war so ungewohnt…
Schon früher fand er nette Worte für sie. Worte, die sie berührten und sanft eine Tür öffneten, die sie sich nun hier wiederfinden ließen. Hier bei ihm. Doch nun waren da ihre Gefühle, die sie ihm gezeigt und offenbart hatte. Und die machten die Worte umso süßer… um so schmeichelnder. Sie wickelten ihre Seele ein und bauten ein behagliches Gehäuse darum.

Sie wollte ihm seinen Wunsch nach dem Schritt mehr erfüllen. Weil er es verdient hatte. Madiha würde dieses Mal selbst entscheiden und sie würde es gern tun. Sie glaubte nicht daran, dass er ihr wehtun wollte. Und sie wollte ihm zeigen, dass ihre Zuneigung das zulassen konnte. Madiha glaubte, er wolle nun weitergehen, als sie es bisher getan hatten. Dass sie einander ausprobierten und sie sich für ihn öffnete, wie sie es unzählige Male unfreiwillig getan hatte. Das Mädchen glitt mit ihren Fingern zu ihrem Hemd und begann an den Knöpfen zu nesteln. Dass es anders ginge, dass es durchaus zu der Zweisamkeit gehören konnte, sich gegenseitig dabei zu helfen, wusste Madiha nicht. Sie war schon froh, wenn ihre Kleidung nicht zerrissen wurde und in Fetzen hing, wie ihre Seele. Auch das machte einen Unterschied. Madiha löste bereits den zweiten Knopf als Caleb sie unbewusst aufhielt. Das Mädchen schluckte, hob den Blick und hielt in seinem Tun inne. "Nehmen wir uns Zeit", murmelte er eher sich selbst zu, doch Madiha blinzelte überrascht. Er wollte nicht? Aber hatte er nicht verstanden, dass sie einwilligte? Er sah sie wieder an und Madiha legte ihre Hände langsam auf seiner Brust ab, während sie immer noch auf seinem Schoß saß. "Ich weiß nicht, was uns in Andunie erwarten wird, aber gewiss bessere Umstände als ein Schiff voll einsamer Männer, die sich schon am kleinsten Geräusch erfreuen würden, ... und einem trauernden Raben." Sie wandte den Kopf und schaute zum Deck hinunter. Sie konnte niemanden sehen, doch sie wusste, was er meinte. Daran störte er sich? Oh… langsam verstand sie, worum es ihm ging. Zudem war die Erwähnung Corax‘ folgerichtig und in ihr keimte das schlechte Gewissen wieder auf. Sie wandte den Kopf zurück. "Gib mir etwas Zeit, dann will ich es für uns beide zum unvergesslichsten Moment machen, den wir uns vorstellen können. Nicht weniger hast du verdient, denn..." Madiha blinzelte. „Was denn?“, fragte sie leise und doch neugierig, damit er weitersprach. "Gib mir Zeit.", bat er sie.
Sie blinzelte erneut und starrte ihn an. Seine Worte brauchten einen Moment, in dem Madiha sie verarbeitete. Er wollte… es unvergesslich machen? Er… Madiha spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. Er sprach davon, dass sie wunderbar wäre und dass sie mehr verdiente, als es hier, auf die Schnelle hinter sich zu bringen, so wie sie es kannte. Er… Sie schluckte und brach plötzlich den Blickkontakt ab. Sie kniff die Augen zusammen und schluchzte leise auf, während ihr die Tränen überschwappten. Dann schob sie ihre Hände über seine Schultern, lehnte sich vor und umarmte ihn innig. Madiha hielt sich an seiner starken Schulterpartie fest und presste ihr Gesicht in seine Halsbeuge. Es war vermutlich nicht der günstigste Moment, sich nun schluchzend in seine Arme zu lehnen, doch sie war gerührt. Sie war schlicht und ergreifend gerührt. Die Sarmaerin beruhigte sich nur langsam wieder und wischte sich selbst die Tränen beiseite. „Entschuldige...“, flüsterte sie und schniefte leise. „Ich bin nur so… ich bin so überwältigt...“, gestand sie ihm und richtete sich langsam wieder auf. „Das ist alles so neu und…“, versuchte sie ihm ihren Ausbruch zu erklären, während ihre nassen Augen, die seinen suchten. „Ich hatte solche Angst, dir nicht mehr sagen zu können, dass… wie viel du mir bedeutest. Dass ich den Moment verpasst hätte. Ich konnte nur noch daran denken, dass ich dich nicht wiedersehen würde und du nie erfährst, dass du mir wichtig bist… Sehr sogar!“, sprudelte sie plötzlich los. Sie schniefte abermals, doch die Tränen versiegten. „Ich habe so etwas noch nie erlebt… ich weiß gar nicht, wie das geht und … es ist so… schön.“, hauchte sie und zog ihre Unterlippe ein, während sich ein glückliches Lächeln auf ihren Zügen einnistete und sie mit ihrer Stirn sanft gegen die seine lehnte. „Wir nehmen uns die Zeit…“, flüsterte sie zärtlich, während ihr Herz dennoch schneller schlug. Dann neigte sie ihren Kopf erneut, um ihn abermals zu küssen. Weil sie das durfte, weil sie das wollte und weil er es verdiente. Er trug ihre Seele auf Händen und ahnte es vielleicht nicht mal. Madiha war beflügelt von seiner Zurückhaltung, seinem Sanftmut und dem Willen, sie… und ihr Herz… auf eine völlig neue Art und Weise zu erobern. Nachdem sie den so liebevollen und zärtlichen Kuss wieder löste, hob sie ihren Blick und lächelte abermals in sein Gesicht. Sie strich ihm über die Wange. Madiha war glücklich. Zum ersten Mal in ihrem Leben, war sie wirklich und aus vollem Herzen glücklich.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 10. November 2022, 01:29

Wertschätzung war eine der Säulen, die Liebe trug. Caleb schätzte Madihas Wert und er teilte es ihr auch mit. Seien es Gesten, seine sanften Küsse oder Worte, sie spürte mit jeder Faser ihres Körpers, dass sie nicht länger das Sklavending war, das man benutzen, misshandeln und bei zu viel Rebellion einfach wegwerfen konnte. Sie hatte ihren Platz in der Welt und Caleb zeigte ihr, dass er an seiner Seite sein sollte. Die größte Wertschätzung brachte er ihr jedoch gegenüber auf, als er trotz seiner Lust im Lendenbereich, der Sehnsucht nach ihr in seinen Augen und ihres Geständnisses, auf zärtlicher Ebene nicht mehr erfahren zu sein als er selbst, nichts überstürzen wollte. Sie hatten sich gefunden und nun konnte sie sich Zeit nehmen. Nichts musste in dunklen Ecken, auf splittrigem Holz oder dem harten Boden geschehen. Es brauchte nicht schnell zu gehen, denn das führte zu Grobheit und Vernachlässigkeit. Nein, Caleb wollte, dass es für sie beide so perfekt wie möglich war, denn nicht weniger verdienten sie. Er wollte es für Madiha und auch für sich. Es sollte unvergessen sein und dafür verzichtete er gern darauf, mal eben schnell über sie zu rutschen und sich Erleichterung zu verschaffen. Denn darum ging es ihm nicht.
Kein größeres Geschenk hätte er ihr nun machen können. Es ließ bei Madiha alle Dämme brechen. Sie fiel Caleb um den Hals, vergrub ihr Gesicht dicht an ihm und schluchzte hörbar. Auch hier war er sofort bei ihr, wenngleich ihr plötzlicher Ausbruch ihn etwas stutzen ließ. Trotzdem legte er seine Arme sanft und dennoch eng um ihren Leib. Er berührte ihren Rücken mit seiner riesigen Pranke, die so unsagbar sanft zu ihr sein konnte. Er strich ihren Rücken entlang, vom Steiß bis zum Nacken, wo der sie kraulte, um sie zu beruhigen. Er nutzte ihre Schwäche nicht aus, um sich an ihrem Körper zu erfreuen. So manch anderer, darunter auch Khasib, hätte ihr jetzt schmerzlich in den Hintern gekniffen, sie dann für ihre verweichlichte Art geschlagen und ihr dann einen Grund zum Weinen gegeben. Einen schmerzhaften Grund, der mit Caleb niemals passieren würde. Jetzt nicht und auch dann nicht, wenn für sie beide die richtige Zeit angebrochen wäre. Madiha konnte darauf vertrauen, dass der Dieb der Letzte wäre, welcher ihr Schaden zufügen wollte. Und das ließ sie erneut vor Rührung in Tränen vergehen. Es dauerte, bis sie sich beruhigte. Caleb war geduldig. Er hielt Madiha so lange, wie sie die Zeit brauchte. Es gab ohnehin nichts zu tun und da sie beide jetzt nicht in Lust und Begierde übereinander herfallen wollten, verpassten sie auch nichts. Die Mannschaft unterhalb des Krähennestes kam auch ohne sie beide zurecht. Corax hätte sie womöglich gebraucht, doch auch er musste sich zunächst beruhigen. Auch für ihn würde die passende Zeit kommen und dann wollten Caleb und Madiha für ihn da sein. Sie hatten es ihm zugesichert. Jetzt aber nahmen sie sich auch Zeit füreinander, was ebenfalls so wichtig war wie den Wert des jeweils anderen anzuerkennen.
Mit Tränen verschmiertem Gesicht löste Madiha sich irgendwann wieder von Calebs Halsbeuge. Der Kragen seines Hemdes war durchnässt, aber es kümmerte ihn nicht. Er hob bereits die Hand gen ihrem Gesicht, doch Madiha wischte ihre Tränen selbst fort. Anschließend erklärte sie ihren Ausbruch und wie sehr seine Worte sie bewegt hatten. Wie groß ihre Angst um seinen Verlust gewesen war. Wie viel er ihr bedeutete.
"Was bedeute ich dir denn?" Caleb grinste in spielerischer Manier auf. Dann erwärmten sich seine Züge und wieder erschien es, als wollte er selbst etwas dazu sagen, doch es kam ihm nicht über die Lippen. Stattdessen betrachtete er Madiha erwartungsvoll und mit klopfendem Herzen. Er hielt sogar für einen Moment den Atem an, gespannt auf ihre mögliche Antwort. Und als sie ihm offenbarte, dass er ihr mehr als wichtig wäre, schob Caleb wie so oft eine Hand in den eigenen Nacken. Verlegen schaute er beiseite, dann nach unten und schließlich mit hochroten Wangen gen Himmel. Die morgendlichen Farben verzogen sich langsam.
"Ich habe so etwas noch nie erlebt ... ich weiß gar nicht, wie das geht und ... es ist so ... schön."
"Du bist schön", erwiderte Caleb, stutzte, senkte den Blick wieder und brauchte nun auch die zweite Hand im Nacken. Wäre er nicht so rot, man könnte meinen, dass er es sich einfach nur gemütlicher machen wollte. All das Holz im Rücken war doch schon recht hart. So wie ... er, an gewisser Stelle.
Um seine Unsicherheit weiter zu kaschieren, grinste er wieder auf. Er versuchte, lässig zu klingen, wie es nun einmal seine Art war. "Hab ich das gerade laut gesagt, ja?" Dann schnaufte er amüsiert. "Es wird wirklich Zeit für mich zu lernen, dass ich erst denken, dann reden sollte ... auch wenn's vollkommen wahr ist, was ich sagte." Er hüstelte, sog die Luft ein und blickte zu Madiha. Nur kurz, dann huschten seine Augen an ihr vorbei. "Das Wetter ist wohl mit uns. Sieht nicht nach Regen aus ... ähm ... dann müssen wir aufpassen. Bei gutem Wetter sind viele Bauern auf den Plantagen, das erschwert den Äpfelklau." Er plauderte munter weiter und listete einige Apfelsorten auf, von denen Madiha nicht eine einzige etwas sagte. Er erklärte, dass er zwar erst sehr spät in den Genuss von andunischem Apfelwein gekommen war, aber dort eine Vorliebe für eine bestimmte Sorte entwickelt hatte und sich schon darauf freute, sie bald wieder probieren zu können. "Und den Apfelkuchen erst. Du wirst ihn lieben. Vor allem, wenn er mit eingekochten Äpfeln gemacht wird, die dann wie eine weiche Cremefüllung im Inneren darauf warten, dass man sich heimlich ein Stück stibitzt, wenn Mutter nicht hinsah und..." Er seufzte. "Achja. So wird's wohl nicht sein, wenn wir ankommen. Und was ich mit unserem Schiff anstellen soll, weiß ich auch noch nicht." Endlich schien er sich von seiner Verlegenheit erholt zu haben, denn Caleb suchte nun wieder Madihas Blick. "Hast du denn eine Idee? Das heißt, falls die potenziellen Stadteroberer uns nicht sofort lynchen wollen. Wenn wir sonst nirgends sicher unterkommen, wäre es zumindest ein Rückzugsort. Notfalls fahren wir es in die Bucht von Kad Harat hinein, könnte zu dritt aber schwierig werden." Und jetzt bleckte er die Zähne, denn man kam zwangsläufig auf ein anderes Thema zu sprechen, das sie irgendwann auch nicht weiter würden aufschieben können. "Was machen wir mit Azura? Ich schätze, Corax wird eine Seebestattung ebenso ablehnen wie ihre Überreste zu verbrennen. Letzteres gefällt mir auch nicht so, es ... riecht einfach nicht gut."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 10. November 2022, 10:56

Glück wurde mehr, wenn man es teilte. Das zumindest konnte Madiha nun sehen und machte die Situation, in der sie sich befand umso heilsamer. Sie hatte sich getraut, hatte es gewagt und wurde belohnt für ihren Mut. Einem Mut, der gar nicht hätte existieren dürfen, wenn man bedachte, aus welchem Leben sie emporstieg. Doch ebenso wie sie Masche um Masche ins Krähennest hinaufgeklettert war, immer schneller werdend, mit jedem Zentimeter mutiger…, so lernte Madiha nun, dass auch ihr Wille aus dem Schatten zu treten, nur Schritte auf einer Leiter des Lebens waren. Und es sich lohnte diese zu gehen. Am Ende wurde man belohnt für seine Beharrlichkeit. Belohnt mit einem atemberaubenden Ausblick auf die aufgehende Sonne… und belohnt mit ihm. Madiha saß auf Caleb’s Schoß und auch wenn sie spürte, dass er durchaus bereit wäre, sich zu nehmen, was er jetzt begehrte… Es nicht zu tun, war keine Ablehnung ihrer selbst. Sie verstand das auf ganz natürliche Weise. Er wollte es, aber er nahm sich nichts. Das war der alles entscheidende Unterschied. Madiha glaubte nicht eine Sekunde daran, dass Caleb ihr nicht nahe sein wollte. Er wollte, sie konnte es zwischen ihren Schenkeln spüren und sie hätte es sogar sehen können, wenn sie nachgeschaut hätte. Aber er wollte sich Zeit nehmen, Zeit für sich, Zeit für sie. Zeit füreinander. Die Bedeutung seines Zögerns löste in dem Wüstenkind eine unerwartete Reaktion aus. Auch für sie, die sich an ihn schmiegte und seine Nähe haltsuchend in ihre Arme schloss. Seine Hand fuhr über ihren Rücken und bedeckte diesen beinahe gänzlich. Er umschloss sie, so fühlte es sich an und die Wärme flutete ihren schluchzenden Körper. Eine kleine Weile hielt sie das Gefühl, gehalten zu werden, aufrecht, dann richtete sie sich wieder auf und wischte sich über das glänzende Gesicht. Sein Blick traf sie und sie lächelte leicht. Sie schuldete ihm eine Erklärung und versuchte die richtigen Worte dafür zu finden. Immerzu suchte sie nach den richtigen Worten, am Ende aber gelang es ihr zumeist. "Was bedeute ich dir denn?", kam es plötzlich von ihm und Madiha hielt für einen Moment inne. Sie öffnete leicht ihre Lippen, überlegte aber noch – suchte wieder nach den Worten. Ihr entging, dass er etwas hatte sagen wollen und offenbar selbst nicht die Worte dafür fand.
Madiha jedoch holte tief Luft und blickte ihm in die Augen, während er ungesehen von ihr, den Atem anhielt. Ihre Wangen nahmen eine feine Röte an. „Nun… ich weiß nicht, wie man es nennt… Aber, ich kann es beschreiben?“, fragte sie zögerlich, bevor sie durchatmete: „Immer wenn… wenn du in meiner Nähe bist, dann fühle ich mich.. wohl. Ich habe das Gefühl, dass ich alles schaffen könnte. Deine Nähe macht mich nervös… das hat sie schon immer getan. Ich konnte es nur nicht so recht deuten – wollte es auch lange Zeit gar nicht. Dann… in den Tunneln, als du fast gestorben wärst – das erste Mal, meine ich.. Ich war bereit alles aufzugeben, alles zu tun, nur damit du.. zurückkehrst. Damit ich dich ansehen kann, damit…“, Madiha wurde noch roter im Gesicht und senkte den Blick zur Seite. „…damit ich deine Wärme spüren und über die widerspenstigen Haarsträhnen lachen kann...Damit ich dich nicht vermissen muss. Als du nicht mehr da warst, nachdem du mich bei Dunia gelassen hattest… Ich war so enttäuscht, so verletzt, weil ich einfach nicht ohne dich sein wollte. Caleb ich habe dir gesagt, du sollst nicht immer den Helden spielen.“, sie lachte kurz auf, denn eben dieser Charakterzug hatte ihnen wieder so einiges eingebrockt, „Dass du nicht der Retter wärst, auf den alle warten..“, spielte sie auf ihre Konfrontation auf der Blauen Möwe an und hob die graublauen Regentage wieder in seine mit Seetang gefüllten Augen. „Du bist so viel mehr für mich- und das schon so lange, ich habe es nur nicht sehen können… vielleicht nicht wollen, aus Angst vor deiner… Reaktion.“, murmelte sie und holte tief Luft. "Ich habe so etwas noch nie erlebt ... ich weiß gar nicht, wie das geht und ... es ist so ... schön." "Du bist schön", kam es unvermittelt und ließ das Mädchen einen Moment das Atmen vergessen. „Oh..“, entfloh ihr die geschmeichelte Verlegenheit und sie lächelte, ohne, dass sie es hätte ändern können.

Auch Caleb schien auf einmal reichlich unsicher zu sein, denn seine Hand löste sich von ihr und legte sich in seinen Nacken. "Hab ich das gerade laut gesagt, ja?", sie kicherte leise und nickte, "Es wird wirklich Zeit für mich zu lernen, dass ich erst denken, dann reden sollte ... auch wenn's vollkommen wahr ist, was ich sagte." Madiha schloss die Augen bei seinem leisen Nachsatz und spürte, wie sein Kompliment sie überstreifte und warm einpackte. Als schön wurde sie nun wirklich nie bezeichnet. Vorher war sie annehmbar, ausreichend, wenn man so wollte. Seit sie ihre Narben erhalten hatte, war sie jedoch nicht mal mehr das. Dafür hatte Khasib sorgen wollen und diesen Willen in die Tat umgesetzt. Aber Caleb schien das nicht zu stören… Er sah nicht in ihr Gesicht und erschrak… Madiha schluckte, bevor sie die Augen wieder öffnete. Sein Blick glitt gerade an ihr vorbei, während sich ihrer an seine Wangen heftete, die an Röte nichts verloren hatten. Es tat so gut das Leben in ihm zu sehen… und nach wie vor zu spüren. Auch Madiha konnte mit jeder noch so kleinen Bewegung erahnen, was sie sich aufsparen wollte. Auch sie konnte Ablenkung gebrauchen, wenn sie ehrlich war. "Das Wetter ist wohl mit uns. Sieht nicht nach Regen aus ... ähm ... dann müssen wir aufpassen. Bei gutem Wetter sind viele Bauern auf den Plantagen, das erschwert den Äpfelklau. Und den Apfelkuchen erst. Du wirst ihn lieben. Vor allem, wenn er mit eingekochten Äpfeln gemacht wird, die dann wie eine weiche Cremefüllung im Inneren darauf warten, dass man sich heimlich ein Stück stibitzt, wenn Mutter nicht hinsah und...“, plapperte er auf einmal los, um seine Anspannung in etwas anderes zu lenken. Madiha aber beobachtete ihn genau, während er über seine Heimat zu sprechen begann.
Das Mädchen ließ ihn erzählen, ohne ihn zu unterbrechen. Sie hörte ihm gern zu. Ließ sich von seiner Stimme forttragen, erfuhr so viel Neues und lächelte als er sogar von seiner Vergangenheit ein Stück preisgab. Apfelkuchen? Mit Cremefüllung? Madiha konnte sich das nicht vorstellen. Sie hatte zwar einen Apfel hier an Bord gegessen und manchmal hatte Khasib auch etwas importiert, doch viel Obst und Frisches gab es nicht für die Sklavinnen in Sarma. Geschweige denn Kuchen. Dass es so viele Sorten gab, verblüffte das Mädchen und sie hätte gerne sämtliche probiert. Sie wurde neugierig auf die neue Stadt, die sie nun nicht allein würde betreten müssen. In der sie sich nun nicht allein zurechtfinden musste. Erleichterung trat bei ihren Gedanken auf ihr Gesicht und sie genoss diesen Moment. Zusammen mit Caleb im Krähennest, einfach nur unter sich ohne Pflicht und Muße. Sie konnten reden, während sie seine Wärme aufnahm und ihm so nahe sein durfte. Achja. So wird's wohl nicht sein, wenn wir ankommen. Und was ich mit unserem Schiff anstellen soll, weiß ich auch noch nicht.", sprach er weiter und sie nickte. Seine Heimat war bereits dem Feind zum Opfer gefallen. Sarma war überrannt worden, doch Andunie… Wenn man Jakub Glauben schenken durfte… Madiha legte ihre Handflächen auf seine Brust. „Ich bin mir sicher, dass du deine Heimat dennoch erkennen wirst. Egal was dort auf uns wartet.“, sie lächelte ermutigend, ehe sie eine Hand auf seine Herzgegend legte. „Du bewahrst dir deine Heimat hier drin. Und das kann keine Armee dir nehmen..“, bemühte sie sich in aufbauenden Worten. „Und wenn es uns gelingt, dann will ich gern deinen…Apfelkuchen probieren.. Ich habe noch nie Kuchen gegessen, aber ich bin sicher, es schmeckt.“, lachte sie leise und war tatsächlich neugierig darauf. Endlich sah er sie wieder an. Madiha erwiderte und die Verlegenheit schien sich ein wenig zurückzuziehen. „Hast du denn eine Idee? Das heißt, falls die potenziellen Stadteroberer uns nicht sofort lynchen wollen. Wenn wir sonst nirgends sicher unterkommen, wäre es zumindest ein Rückzugsort. Notfalls fahren wir es in die Bucht von Kad Harat hinein, könnte zu dritt aber schwierig werden."

Sie ließ ihren Blick über sein Gesicht klettern, bis sie über ihm zum Horizont blickte. „Nun, ich kenne mich nicht mit Schiffen aus, aber… wenn es möglich ist, das zu tun, klingt das nach einer guten Möglichkeit? Oder… Meinst du, die Mannschaft würde das Schiff dort gleich abstellen? Gibt es hier nicht diese kleinen Boote, mit denen wir sonst weiterfahren könnten?“, fragte sie nachdenklich. Sie hatte zwar keine Ahnung von Schiffen, aber in ihrer Zeit hier an Bord hatte sie so einiges gesehen. Vielleicht hatte Kraken-Corax ja ein Beiboot heilgelassen. So viele waren sie jetzt nicht mehr. Caleb, aber brachte das Gespräch noch weiter voran: "Was machen wir mit Azura? Ich schätze, Corax wird eine Seebestattung ebenso ablehnen wie ihre Überreste zu verbrennen. Letzteres gefällt mir auch nicht so, es ... riecht einfach nicht gut." Madiha hielt ihren Blick noch einen Moment in den Himmel gerichtet, ehe sie langsam zum Dieb zurückkehrte. Ihr Ausdruck war mitleidig. „Sie sollte nicht verbrannt werden…“, murmelte sie leise und seufzte. Es ging ihr nahe, dass der Rabe so sehr litt. Und trotz der Schönheit ihres eigenen Glücks, empfand sie Trauer, wenn sie daran dachte, was da unten in der Kajüte wartete. „Sie… Eine Seebestattung wäre sicher angemessen. Aber… Er wird sie nicht freigeben.“, meinte sie leise und sah zu der Stelle hinab, wo die Kajüte lag. „Ich denke, wir sollten herausfinden, ob ihre Eltern noch… leben. Und sie ihnen zurückbringen.“, meinte sie nachdenklich. „Sie sollen entscheiden, was mit ihr passiert… Sie sollen sich verabschieden dürfen.“, murmelte sie, während die Bilder ihrer ‚Verabschiedung‘ von ihrer verstorbenen Mutter vor dem geistigen Auge zuckten. Auf einen Karren geworfen, Madiha auf einem Mauervorsprung und den Hals reckend, um zu sehen, wohin man die tote Mutter brachte. Weggeschafft. Ende.
Doch das Mädchen wandte den Blick wieder zu Caleb. „Solange lassen wir sie vielleicht an Bord, wenn du es behalten kannst. Wir… wir bereiten ihr eine letzte Ruhestätte hier in der Kajüte vor, sodass Corax zu ihr zurückkehren kann, wenn er will. Und bis wir wissen, ob ihre Eltern noch leben.“. Es war nur eine Idee, Madiha wusste ja nicht, was sie erwarten würde. „Wir sollten nach Corax sehen, meinst du nicht?“, nur schweren Herzens löste sie ihre Zweisamkeit auf. Im Grunde wollte sie das nicht, doch sie konnte den Raben auch nicht vollkommen alleinlassen. Allerdings bevor sie Caleb’s Körper freigab und von ihm hinunterrutschte, hielt sie noch mal inne und sah ihn an. Madiha neigte sich abermals vor, vergewisserte sich aus Gewohnheit noch mal, dass er nichts dagegen hätte, ehe sie ihn abermals liebevoll küsste. Es war die letzte Möglichkeit, bevor sie sich ein wenig zurücknehmen mussten. Wie sollten sie denn vor dem Trauernden ihr Glück zur Schau stellen? Das wäre nicht richtig! Nachdem sie sich von seinen Lippen endlich lösen konnte, ließ sie ihre Hand an seinem Hals und streichelte mit dem Daumen über seine Wange. „Ich hoffe, dass dich in Andunie Apfelkuchen und Apfelwein erwarten. Und, dass du deine Heimat wiedererkennst, so wie du sie schätzt.“, hauchte sie ihm voller Zuneigung entgegen. Sie lächelte, bevor sie sich langsam von seinem Schoß gleiten ließ und sich allmählich erhob.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 13. November 2022, 09:08

Sein Mundwerk war wieder einmal schneller als sein Kopf gewesen. Nur deshalb rutschte ihm die Frage heraus, was er Madiha denn bedeuten könnte. Dass sie wirklich versuchte, es in Worte zu fassen und ihm ganz offen zu sagen, damit rechnete Caleb nicht. Und jetzt saß er hier, angespannt wie ein Flitzebogen, weil sein Körper am liebsten über den ihren herfallen und ihn mit Liebe durchlöchern wollte, während sein Geist sich darauf konzentrierte, den Atem nicht zu lange anzuhalten und die Ohren besonders wachsam sein zu lassen.
Er lauschte und wurde vollkommen ruhig. Nur seine Fingerspitzen zitterten leicht, weshalb er immer wieder bei Madihas Rücken nachgriff, den Stoff ihres Hemdes in Unordnung brachte. Zwei Mal leckte er sich über die Lippen, weil er glaubte, ihr nicht antworten zu können, sobald es soweit wäre. Unterbrechen würde er sie nicht. Er wollte das doch alles hören! Aber es schnürte ihm die Kehle zu, damit all die Schmetterlinge in seinem Bauch nicht in Freiheit flattern konnten. Als sie ob seiner Eigenschaft, stets jemanden retten zu wollen, auflachte, da grinste er auf. Nein, nicht jemanden. Nur sie. Das hätte er ihr am liebsten geantwortet, aber er brachte es nicht über die Lippen. Ohnehin wäre es eine Lüge gewesen. Er war gestorben im Versuch, Azura zu retten und nur das Leben selbst hatte ihm hier eine zweite Chance gegeben. Er war voller Dankbarkeit dafür, allein schon, weil er nun diese zauberhaften Worte von Madiha hören und sie dabei ansehen durfte.
Liebe war es, was sie beschrieb. Liebe war es, womit er antworten wollten, doch alles, was sein plumper Geist am Ende herausbrachte, war ein Kompliment zu ihrer Schönheit. Er hasste sich dafür. Zugleich hatte es sich gelohnt, als sie darauf reagierte. Aber waren denn im Moment mehr Worte nötig? Er könnte ihr auch mit Gesten zeigen, was er empfand. Mit Zärtlichkeiten, mit Leidenschaft, mit ... nein, er wollte warten. Das Krähennest eines Schiffes, das nun zufällig bald ihm gehören sollte, war kein geeigneter Ort. Nicht, wenn es zwischen ihnen das erste Mal sein sollte. Er wollte Perfektion, denn nicht weniger hatte die Schöne vor ihm verdient und doch wusste Caleb, dass er ihr das nicht würde erfüllen können. Denn es wartete ein von dunklen Völkern erobertes Andunie auf sie. Es wartete seine Heimat. Er überspielte all das Unbehagen in seinem Magen damit, sich nur an die guten Dinge zu erinnern, die Andunie zu bieten hatte und tatsächlich schwelgte er für eine Weile bei gewissen Sachen, die er in Sarma nicht hatte kriegen können. Andunischer Apfelwein war weitreichend in Celcia bekannt, wurde hoch geschätzt und dennoch hatten die Andunier ihn nicht oft nach Sarma exportiert. Falls doch, so war ein einfacher Straßendieb wie Caleb niemals an ihn heran gelangt. Noch seltener und damit kostbarer war ihm aber die Erinnerung an den andunischen Apfelkuchen. Nicht irgendeinen Kuchen, sondern den, den seine Mutter immer gebacken hatte. Manchmal war er in die Küche geschlichen, um ihr zu helfen. Sie hatte sich nie für die noblen Bälle interessiert, von denen sein Vater gar nicht genug bekommen konnte. Sie war nur dort aufgetreten, wenn es nötig würde. Die Küche war ihre Leidenschaft und Calebs Zufluchtsort, um ebenfalls nicht präsent zu sein. Somit waren allein schon die Aromen von Zimt und Nelke ihm in guter Erinnerung. Gepaart mit dem köstlichen Duft aus dem Ofen und dem Genuss des ersten Stückes Kuchen, bei dem die eingekochte Apfelfüllung noch heiß und cremig weich war ... Er bemerkte gar nicht, wie sehr er lächelte, als er darüber erzählte und wie sehnsüchtig sein Herz geworden war. Ob es seinen Eltern gut ginge? Er seufzte. Plötzlich legte Madiha ihm die Hand auf die Brust, auf sein Herz.
"Du bewahrst dir deine Heimat hier drin. Und das kann keine Armee dir nehmen..."
"Das ist wahr", erwiderte er, fügte in Gedanken aber einen düsteren Nachsatz hinzu, den er sein Leben lang bereute und doch wusste, dass es damals die richtige Entscheidung gewesen war. Ich habe mir diese Heimat selbst genommen. So ganz stimmte es nicht. Die Umstände, für seinen Vater glücklich, für ihn nicht, waren es, die ihm nach und nach das entrissen hatten, was er als Heim bezeichnet hätte. Und am Ende hatte er den letzten Spuren dieses Gefühls den Rücken gekehrt, um es ungebunden an einem neuen Flecken Celcias zu finden. Seine Suche war von Erfolg gekrönt gewesen. Dieses Mal hatte er bei seiner erneuten Flucht aber wieder einen Teil zurücklassen müssen, aber auch einen mitgenommen. Er zog Madiha in eine erneute Umarmung, als sie andeutete, vom andunischen Apfelkuchen selbst einmal probieren zu wollen. Bald würden sie die Küste erreichen und dann brachte Caleb ein Stück seiner neuen Heimat in die alte mit. Es blieb abzuwarten, ob jene, die dort auf ihn warteten, überhaupt noch am Leben wären.
Zunächst einmal mussten sie den Hafen aber erreichen. Caleb hatte keinen Zweifel daran, dass die Mannschaft diesen nicht ansteuerte. Man konnte Schiffe dort bestens unterbringen und war nicht gezwungen, mit einem Beiboot ans Ufer zu fahren wie es nötig wäre, würden sie in der Bucht selbst vor Anker gehen. Leider war das keine Option. "Die Beiboote gibt es nicht mehr. Corax als Kraken hat eines zerstört und das andere ... nun, anfangs glaubte die Besatzung, es hätte sich ebenfalls von den Seilen gelöst. Später fand man aber heraus, dass diese kein bisschen beschädigt waren. Es musste also von Hand zu Wasser gelassen worden sein ... und dann entdeckten wir das Fluchtseil aus Laken in der Kajüte des alten Kapitäns." Caleb ging nicht weiter darauf ein. Er hörte sich nicht einmal wütend an, weil der Kapitän Schiff und Mannschaft im Stich gelassen hatte. Das nahm er sich nicht heraus. Er war selbst jemand, für den Flucht stets eine Option war. Von Doppelmoral hielt er allerdings nichts. So schwieg er dazu.
Eine Weile saßen er und Madiha noch gemeinsam im Krähennest. Inzwischen hatte die Sonne sich weit über den Horizont erhoben, wärmte mit ihren Strahlen das Deck. Es versprach, ein angenehmer Tag zu werden. Trotzdem konnte auch sie nicht zu lange von den Problemen ablenken, für die man noch eine Lösung brauchte. Eins davon waren Azuras Überreste, an die Corax niemanden heran lassen wollte. Sie konnten ihren Leichnam unmöglich auf ewig auf dem Schiff belassen. Irgendwann begann sie zu stinken und das war nichts Persönliches. Es gehörte zum Lauf der Natur. Caleb machte sich bereits jetzt Gedanken, was man mit ihr anstellen könnte, um auch ihren hinterbliebenen Überresten ein würdiges Ende zu setzen. Für ihn kamen seine See- oder Feuerbestattung in Frage, denn er zweifelte an, dass man eine Menschenfrau in einem von dunklen Völkern eroberten Andunie einfach beerdigen könnte. Mit Glück würden die Elfen dort zulassen, sie zu anderen Leichen auf einen Haufen werfen zu dürfen.
Madiha war es, die darauf aufmerksam machte und Caleb erinnerte, dass auch Azura aus Andunie stammte. Folglich musste sie Familie dort haben und in diesem Fall hatte niemand von ihnen an Bord das Recht, über sie zu entscheiden - nicht einmal Corax.
"Ich denke, wir sollten herausfinden, ob ihre Eltern nocht ... leben. Und sie ihnen zurückbringen. Sie sollen entscheiden, was mit ihr passiert ... Sie sollen sich verabschieden dürfen."
Caleb nickte. "Das klingt nur gerecht. In diesem Fall muss die Blaue Möwe im Hafen einlaufen, damit wir Azura auf dem Schiff lassen können, bis wir ihre Eltern gefunden haben." Er tippte sich nachdenklich ans Kinn. "Van Ikari, van Ikari ... natürlich hat man von dem Kaufmann schon einmal gehört, aber ..." Er verstummte. Zum einen, um nicht erneut auf den "van Tjenn" aufmerksam zu machen, der ihm einmal herausgerutscht war. Zum anderen, weil ja gerade er sich bewusst immer wieder aus den adligen Kreisen herausgeredet hatte. Die Namen waren ihm geläufig, zuordnen konnte er sie dennoch nicht. Er war froh, wenn er nicht wieder einer gepuderten Tochter in Reifrock und Perrücke vorgestellt worden war. Und so wie Azura sich ihm gegenüber in dieser Totenwelt verhalten hatte, schien sie ebenfalls froh darüber zu sein, ihn niemals als potenziellen Heiratskandidaten an die Seite gestellt bekommen zu haben.
"Wir sollten nach Corax sehen, meinst du nicht?"
Wieder nickte Caleb. Mit etwas Kraft hob er Madiha von seinem Schoß. Sie war so leicht! Sie musste dringend den andunischen Apfelkuchen probieren! Caleb folgte. Seine Schwellung war zurückgegangen, nachdem keine Chance mehr bestand, heute noch fremde Gefilde entdecken zu dürfen. Dafür war seine Kraft zurückgekehrt. Jedenfalls jene, die er für den Abstieg benötigen würde. "Corax muss von den Plänen erfahren. Eine Wahl können wir ihm hier nicht lassen, das wird er einsehen müssen. Azura gehört zu ihrer Familie zurückgebracht." Caleb schluckte. Da stünde ihnen noch etwas bevor, so wie der Rabe bereits reagiert hatte, als es um die Waschung der Toten ging. "Wir müssen es ihm behutsam beibringen oder aber ... Madiha. Du bist seine Herrin. ich weiß, es gefällt dir nicht, aber notfalls musst du über ihn gebieten, damit er einsichtig wird. Schaffst du das? Bei mir..." Caleb stutzte. Corax hatte auch ihn zuletzt Herr genannt. Er erinnerte sich just in dem Moment, da er sich erhob, um aus dem Krähennest zu klettern und erneut ins Stocken geriet. Sein Blick schweifte in die Ferne. Dort tat sich am Horizonz ein dunkler Streifen auf. Er war uneben und auf einer Seite ragte etwas in die Höhe, das unmöglich natürlich sein konnte. Caleb kannte die Form des von Menschen geschaffenen Objekts. Er war nie selbst in ihren Hallen gewesen, aber jeder Andunier war sich bewusst, welche Wichtigkeit dieses Gebäude für einen Teil ihrer Gesellschaft besaß. Es war noch intakt, wie es schien. Ob die Mauern und Türme der Akademie der Wassermagie zu Andunie Schaden genommen hätten, würde man allerdings erst sehen, wenn das Schiff nah genug an der Küste angelangt wäre. Die andunische Küste, sie lag direkt vor ihnen.
Schon hörten Caleb und Madiha auch die Matrosen von unten rufen.
"LAND IN SICHT!"
"ES IST ANDUNIE!"
Und im nächsten Moment plärrte einer der Männer zu ihnen empor: "HE, WARUM ERFÜLLT DER AUSGUCK NICHT SEINE PFLICHT?!"
Caleb grinste schien auf. Er suchte Madihas Blick. "Schätze, ich hab nach anderen Dingen Ausschau gehalten..." Er neigte sich vor, sah ihr tief in die Augen. Und dann berührte er ihr Kinn, hob es leicht an, um noch einmal ihre Lippen zu küssen. Von sich aus! Es war nicht nur ein Traum gewesen und wenn doch, dann setzte er sich gerade für Madiha fort. "Liebe", sagte er, als er sich wieder von ihr löste. "Wovon du gesprochen und was du umschrieben hast, ist Liebe. Aufrichtige Liebe, nicht das, was du hast erleben müssen und was einige reiche Pfeffersäcke als solches bezeichnen. Es ist Liebe, Madi und ich ..." Wieder geriet er ins Stocken. Er wich ihrem Blick aus, um erneut zur Küste zu schauen. Es schwelte kein Rauch in den Himmel, dass man besorgt sein müsste, die ganze Stadt brennt. Vielleicht ging es Andunie besser als befürchtet. Dann war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt. Caleb wollte sich Zeit lassen. Seine Augen kehrten zu Madiha zurück. "Ich sage dir es dir ein anderes Mal ... damit es Bedeutung hat." Er beugte sich über den Holzkorb und zog sein Bein nach, um auf die festen Taue zu klettern. "Gehen wir nach unten und geben das Nest wieder frei. Der echte Ausguck wird nun gebraucht und auch wir haben etwas zu erledigen."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 14. November 2022, 10:33

Wachsam ruhten die blaugrauen Augen auf seinem Gesicht. Er sprach von seiner Heimat, wie die Bauern nach jedem Apfeldieb Ausschau hielten und ein gutes Wetter, den Klau erschwerte. Sie schmunzelte. Er war halt Dieb, wohl schon im Rahmen vor Sarma gewesen. Er erinnerte sich an den Genuss von Wein und warmen Kuchen und Madiha beobachtete jede Regung in seinem Gesicht. Er lächelte und sie spiegelte augenblicklich. Es war so schön ihm dabei zuzuhören, wie er sich an seine Heimat erinnerte. Zu sehen, wie er in Gedanken dahin zurückkehrte und mit ihr teilte, was ihm etwas bedeutete. Langsam wanderte ihr Blick über seine Züge. In Ruhe hatte sie ihn selten betrachten können, weshalb sie sich nun die Zeit nahm. Die feinen Lachfältchen an den Augen, die ihn stets zusätzlich schelmisch aussehen ließen. Das dunkle Grüne in seinen Augen, welches sich wie die See mit dem dominanten Blau vermischte, während es eingerahmt wurde von dunklen Wimpern. Sie hatte so oft in dieses Gesicht geguckt und ihr war nie aufgefallen, dass er sogar um den Mund leichte Lachfältchen trug. Sie waren unter den Bartstoppeln verborgen und nur durch ihre Nähe zu ihm zu erkennen. Madiha lauschte seinen Erinnerungen und prägte sich sämtliche Nuancen dieses Moments ein. Ihr Blick blieb auf seinen Lippen liegen. Er hatte sie geküsst. Ihr Herz hüpfte bei dem Gedanken daran. Mit jenen Lippen, die ihr von Apfelkuchen erzählten und ihre Fantasie auf unterschiedliche Weise anregten. Madiha kannte keinen Kuchen. Genuss war ohnehin nicht in ihrem Leben präsent gewesen. Nahrung bestand aus Linsen, Bohnen, Brot und Reis. Ab und an mal etwas Frisches wie Aubergine oder Datteln. Selbst die in Honig eingelegten Feigen hatte sie das erste Mal in der Akademie probiert und feststellen müssen, dass sie sich danach alle zehn Finger leckte. Honig – sie hatte ihn hier erhalten, als Corax sie verletzt hatte. Die Striemen waren noch immer sichtbar, wenn sie auch bereits in ein hässliches Blau-Violett übergegangen waren. Corax hatte ordentlich zugedrückt und es würde wohl noch eine Weile dauern, bis sich der Verlauf über grün zu gelb machte, um dann endlich zu verschwinden. Doch Madiha hatte Honig genossen, um ihre Stimme etwas zu unterstützen. Das Raue war weitestgehend verschwunden, sodass sie zumindest wieder normal sprechen konnte. Früher hatte sie solche Dinge nicht probieren dürfen und das nötigste an Nährstoffen erhalten, damit sie leistungsfähig blieb. Gerade so.
Doch diese Gedanken konnten nicht darüber hinwegtäuschen, wie sehr sie ihren Moment mit dem Dieb genoss. Madiha hatte ihren Platz auf seinem Schoß gefunden und selbst wenn sich zwischen ihnen durchaus Leidenschaft befand, war es doch für sie so viel wertvoller, dass er mit ihr sprach. Sie teilhaben ließ, an seinen Gedanken und auch an seinen Sehnsüchten. Eben jenen, die er wohl in Verbindung mit seiner Heimat hegte. Madiha hatte nicht vergessen, dass er ihr sagte, dass jemand in Andunie auf ihn warten würde. Sie dachte darüber nach, was es für ihn bedeuten musste, jetzt nach Hause zu kommen. Sie selbst konnte nicht schnell genug wegkommen aus Sarma – unabhängig von den dunklen Schergen, die es befielen.

Sarma hatte nichts Gutes für sie bereitgehalten und ihr gezeigt, dass Heimat nicht immer an einen Ort gebunden sein musste. Sie dachte sogar darüber nach, ob es etwas gab, das sie positiv mit der Wüstenstadt verband. Und plötzlich erinnerte sie sich an die Märkte, auf denen sie als kleines Mädchen herumschlich, um sich hier und dort etwas zu stibitzen. Sie erinnerte sich an die lautstarken Diskussionen, wenn sich zwei Männer unterhielten und wild gestikulierten. An das warme Klima, den Geruch von Gewürzen und sie erinnerte sich an den blauen Himmel mit der sengenden Sonne. Die Palmen, mit ihren grünen Kronen, während ihre Stämme verdorrt erschienen. Sie erinnerte sich an die Frauen, die mit Getöse ihrer Kinderschar Einhalt geboten. Sie erinnerte sich an das Leben, bevor sie verkauft wurde und sie wusste, dass sie Sarmaerin war und bleiben würde. Unabhängig davon, wie ihr das Leben Steine in den Weg gelegt hatte. Sarma, das was fernab von Sklaverei, Prunk und Protz existierte – wo die Frauen als diejenigen geachtet wurden, die sich um die Nachkommen kümmerten, das war ihr Zuhause. Das war ihr Sarma, an das sie gern zurückdenken wollte. Es gab nicht nur Schlechtes. Und während sie nach Andunie segelten, wandte Madiha kurz den Kopf in die entgegensetzte Richtung. Trotz der Tortur, die sie erfahren musste, war es Heimat. Nicht immer konnte man dort bleiben, wo man herkam, aber sich etwas bewahren, so wie Caleb sich die Liebe zu Wein und Süßspeise bewahrte - das konnte Madiha ebenso.
Ihr kleiner Blick zurück machte ihr das bewusst, sodass sie sich, während sie wieder zu Caleb sah, auf ihn und die Zukunft konzentrieren konnte, die da folgen würde. Caleb war es, der diese Gedanken aus der Vergangenheit in die Gegenwart holte. Er sprach die Sorgen an, die sie noch zu bewerkstelligen hatten. Madiha versuchte eine Lösung anzubieten und überlegte, was man tun könnte, um das Schiff als Rückzugsort zu behalten. "Die Beiboote gibt es nicht mehr. Corax als Kraken hat eines zerstört und das andere ... nun, anfangs glaubte die Besatzung, es hätte sich ebenfalls von den Seilen gelöst. Später fand man aber heraus, dass diese kein bisschen beschädigt waren. Es musste also von Hand zu Wasser gelassen worden sein ... und dann entdeckten wir das Fluchtseil aus Laken in der Kajüte des alten Kapitäns." Madiha erinnerte sich. „Achja..“, sagte sie und dachte kurz an ihren kläglichen Versuch, Azura in ihrer Not zu helfen, zurück. Sie hatte mit ihr über die heimliche Flucht von Kapitän Strontje reden wollen, leider kam es doch alles ganz anders. Sie seufzte leise und wurde durch den Dieb auf ein weiteres, viel größeres Problem gestoßen. Azura würde bestattet werden müssen. Die Gedanken an die Tote in der Kajüte und vor allem dem trauernden Raben bei ihr, erstickten ein wenig das Hochgefühl, welches Madiha verspürt hatte. Sie empfand Mitleid, sowohl mit Azura, dass sie es nicht geschafft hatte, aber vor allem für Corax. Er litt wahre Qualen und Madiha durfte nicht darüber nachdenken, dass es hätte andersherum sein können.

Eine Gänsehaut flutete für einige Sekunden ihren Körper, bevor sie sich wieder auf Caleb’s Worte konzentrierte. Ihre Eltern sollten das Vorrecht haben, sich darum zu kümmern. "Das klingt nur gerecht. In diesem Fall muss die Blaue Möwe im Hafen einlaufen, damit wir Azura auf dem Schiff lassen können, bis wir ihre Eltern gefunden haben. Van Ikari, van Ikari ... natürlich hat man von dem Kaufmann schon einmal gehört, aber ..." Sie musterte Caleb. Ihr war nicht entfallen, dass er sich selbst ‚Van Tjenn‘ genannt hatte. Aber sie kannte sich nicht aus, sodass sie nicht wusste, dass jemand, der solch einen Beinamen hatte, durchaus auch andere mit diesem kennen konnte. Zudem war sein Nachname für das Mädchen nicht wichtig. Er war Caleb. Schon immer und würde es für sie auch bleiben. „Ist so ein Kaufmann nicht auf neue Waren angewiesen? Würde er nicht in der Nähe des Hafens sein, wenn die Schiffe Waren aus anderen Städten brächten? Ich meine… vielleicht hat er ja einen Stand am Hafen? So wie der Fischhändler in Sarma, der dicht beim Hafen seinen Stand auf dem Markt hat, damit er zügig verkaufen kann..“. Madiha meinte nicht Stand, aber sie wusste eben auch nicht, wie sich die Dinge verhielten. Sie wusste, dass der Markt in Sarma in der Nähe des Hafens lag. Nicht direkt dort, aber schnell erreichbar. War das vielleicht mit Azura’s Vater auch so? Schulterzuckend ließ sie ihren Hinweis stehen, ehe sie sich dazu durchringen konnte, ihre Zweisamkeit aufzulösen. Caleb hob sie kurz hoch und folgte ihr dann. Sie strich sich eine verirrte Strähne aus dem Gesicht als er noch eine weitere Hürde ansprach: "Corax muss von den Plänen erfahren. Eine Wahl können wir ihm hier nicht lassen, das wird er einsehen müssen. Azura gehört zu ihrer Familie zurückgebracht. Wir müssen es ihm behutsam beibringen oder aber ... Madiha. Du bist seine Herrin. ich weiß, es gefällt dir nicht, aber notfalls musst du über ihn gebieten, damit er einsichtig wird. Schaffst du das? Bei mir..." Sie schluckte bei seinen Worten und wandte den Blick zur Seite. Nachdenklich blickte sie auf das Deck und in weiterer Richtung, auf die Kajüte des Kapitäns. So wie Corax sie angefahren hatte… Madiha fröstelte und strich sich über den Arm. „Es muss eine bessere Möglichkeit geben, ich… ich kann ihm nichts befehlen..“, meinte sie leise und seufzte. Es gefiel ihr nicht, doch sie nickte kaum merklich. „Wir sehen, ob er sich überzeugen lässt. Im… im äußersten Notfall…“, sie beendete ihren Satz nicht, weil er so bitter schmeckte. Sie wollte Corax nicht befehligen, denn sie sah ihn nicht als Sklaven an. Sie würde eine andere Möglichkeit finden. Sie würde mit ihm reden. „Ich versuche es ihm begreiflich zu machen…“, versicherte sie und lenkte ihren Blick wieder zurück, sodass auch sie die feinen Linien am Horizont erkannte. Madiha’s nachdenklicher Blick brach auf und sie folgte der Linie mit ihren Augen.

Die Männer riefen ihre Entdeckung zu und eine kleine Schelte gab es in den Ausguck hoch. Sie lächelte leicht, doch als Caleb ihren Blick einfing, trat da wieder eine Röte in ihr Gesicht. "Schätze, ich hab nach anderen Dingen Ausschau gehalten..." Sie lächelte voller Wärme und wollte ihren Blick senken, weil sie doch noch immer nicht glauben konnte, dass er sie so sah, wie es seine Augen versprachen. Doch er trat an sie heran und seine Finger führten ihr Kinn empor, sodass ihr Blick folgen musste. Mit erneut klopfenden Herzen wirkte seine zärtliche Nähe auf das Wüstenkind und erneut senkten sich seine Lippen auf die ihren. Madiha schloss die Augen vor Glückseligkeit. Er wollte mehr davon. Er wollte mehr. Sie hatte sich nicht geirrt und es würde nicht enden, weil sie ihre Zweisamkeit verließen. Madiha erwiderte den Kuss zärtlich und noch immer war da dieses Gefühl von kribbeliger Unsicherheit, das ihr eine Gänsehaut bescherte. Oh es war so schön, wenn er sie berührte und seine Lippen die ihren liebkosten! "Liebe“, Madiha öffnete die Augen, während er sich langsam wieder aufrichtete. Fragend sah sie ihm in seiner Bewegung nach. "Wovon du gesprochen und was du umschrieben hast, ist Liebe. Aufrichtige Liebe, nicht das, was du hast erleben müssen und was einige reiche Pfeffersäcke als solches bezeichnen. Es ist Liebe, Madi und ich ..." Sie blinzelte. Liebe?! Nein… das konnte doch nicht sein, oder? Ihre Freier hatten von Liebe gestöhnt, wenn sie sich ihrer bemächtigt hatten und kurz davor waren zu kommen. Khasib hatte davon gesäuselt, wenn er sie antreten ließ, wie Vieh zur Schlachtbank. Er hielt Reden darüber, dass er sie alle liebte und sie sich glücklich schätzen konnten. Dass er jede einzelne vergötterte, wenn sie ihm dienten. Dass sie in einem Haus wären, wo Liebe wirkte. Unsicher sah sie zu Caleb. Das hier war doch anders? Oder nicht? Es fühlte sich so anders an und Madiha wollte gewiss nicht, dass Caleb glaubte, sie würde ihn ebenso sehen, wie man sie gesehen hatte. Ergab das Sinn? “Aufrichtige Liebe, nicht das, was du hast erleben müssen und was einige reiche Pfeffersäcke als solches bezeichnen“, wiederholte sie in Gedanken…. Nein, es war etwas anderes. Das, was sie ihm erzählt hatte, was sie versuchte zu beschreiben, das fühlte sich so vollkommen anders an, als das was sie erlebt hatte. Was man ihr als Liebe verkauft hatte. Sie lächelte leicht und sie wartete, bis er seine Worte gefunden hätte. "Ich sage dir es dir ein anderes Mal ... damit es Bedeutung hat." Sie musterte ihn.
Madiha hatte nie diese Worte mit dieser Bedeutung gehört. Sie rechnete nicht mal, dass man es ihr entgegnete und somit war sein Aufschub für sie auch nichts, was sie hätte kränkend aufnehmen können. Sie war sich nicht mal bewusst, dass sie ihm mit ihren vielen Worten eigentlich nur eines gesagt hatte: Ich liebe dich. Und dass es das war, was er verstanden hatte. Drei kleine Worte, die Madiha nicht erwartete, weil sie nicht wusste, was sie bedeuteten, wenn man sie sagte oder gesagt bekam. Caleb mochte sie. Caleb suchte von sich aus ihre Nähe. Madiha war glücklich mit dem, was sie hatte, denn es war weitaus mehr, als sie sich jemals gewagt hatte zu erhoffen. So nickte sie lächelnd auf seine Worte und trat ein Stück zurück, als er sich daranmachte, den Ausguck zu verlassen. "Gehen wir nach unten und geben das Nest wieder frei. Der echte Ausguck wird nun gebraucht und auch wir haben etwas zu erledigen." „Nach dir“, meinte sie wartend und wandte kurz darauf den Kopf wieder zum Horizont. Andunie. Erneut wurde sie von einer leichten Nervosität erfasst. Da konnte sie es sehen, das Unbekannte. Unbekanntes Land, unbekannte Leute. Was sie dort wohl erwarten würde? Die Stadt war eingenommen worden, doch auch ohne diesen Umstand war es für das Mädchen eine aufregende Zeit. Wie würde es dort aussehen? Wie würde man sie behandeln? Als Frau. Was durfte sie? Was durfte man nicht? Madiha rieb sich kurz die Finger aneinander, weil sie kalt wurden. Dann drehte sie sich um und folgte dem Dieb die Takelage hinunter. Der Abstieg war weniger aufregend als der beflügelnde Aufstieg, doch unten angekommen, blickte sie sich um und lächelte leicht. Die Männer hatten sich auf den Anblick von Andunie gestürzt. Jeder war wohl froh, wenn er dieses Schiff endlich verlassen konnte. Jeder… bis auf Corax. „Ich würde vielleicht versuchen, mit ihm zu reden…“, meinte sie leise an Caleb gewandt, als sie sich zu ihm stellte. „Kommst du mit oder willst du warten?“, fragte sie ihn und holte tief Luft. Die Drohung des Raben machte ihr zu schaffen. Ihr Hals war stummer Zeuge seiner Launenhaftigkeit. Und im Gegensatz zu Caleb, war Madiha nicht sicher, ob er nicht diese Drohung wahr machen würde, wenn sie es falsch anginge… Doch was blieb ihr? Sie schuldete ihm das offene Gespräch und das Vertrauen in ihn, dass er verstehen würde. Sie wollte auf Augenhöhe sprechen, nicht als Herrin.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Dienstag 15. November 2022, 21:33

So schön ihre Zeit zu zweit auch sein mochte, über ihnen schwebte stetig das Wissen um die Dinge, die unten an Deck oder noch tiefer auf eine Lösung warteten. Allen voran, scharf wie eine Schneide über ihren Köpfen, war dabei Azuras Leichnam. Sowohl Madiha als auch Caleb entschieden, dass es das Beste wäre, sie zu ihren Hinterbliebenen zurück zu bringen. Als Adlige Andunies müssten diese sich schließlich noch finden lassen, selbst wenn die Stadt unter feindlicher Besetzung stand. Caleb war der Name der van Ikaris sogar irgendwo geläufig, aber so richtig einfallen wollte es ihm nicht. Azura hatte zu Lebzeiten rigoros erwähnt, welch einflussreicher Kaufmann ihr Vater doch sei. So kam es Madiha in den Sinn, dass er sich doch irgendwo nahe des Hafens aufhalten müsste, um neue Waren anzunehmen. Oder er hätte einen kleinen Makrstand.
Das brachte Caleb zum Lachen. Kein Spott lag in diesem Ausdruck, sondern die pure Freude über Madihas weltfremde Naivität. Er denunzierte sie nicht, im Gegenteil. "Du bist niedlich", sagte er warm, nachdem er sich etwas beruhigt hatte. Dann aber schüttelte er den Kopf. "Mir ist klar, dass du nur die Marktstände Sarmas kennst - schmutzig, improvisiert zusammengeszimmert, dass sie keinem Sandsturm Stand halten könnten. Aber ein adliger Kaufmann befindet sich auf einer ganz anderen Ebene. Er holt sich auch nicht eine Kiste von einem Schiff, das seine Waren liefert. Nein, meist gehören ihm sämtliche Güter, die ein Handelsschiff bringt. Er lässt sie von Leuten, die für ihn arbeiten, in Kontore schleppen und dort lagern. Weitere Arbeiter, die meist sehr wichtigtuerisch aussehen und mit Klemmbrett umher stolzieren wie geckenhafte Pfauen, prüfen die Waren anschließend und organisieren alles, damit sie an die richtigen Stände auf dem Marktplatz der Stadt oder gar hinaus in fremde Gebiete transportiert werden." Er rieb sich das stoppelige Kinn und brummte, als auch ihm eine nötige Rasur bewusst wurde. "Ich bin ziemlich sicher, dass sich Papa van Ikaris Verkausgebiet nicht auf Andunie beschränkt. Der Mann liefert mindestens noch ins Fischerdorf und nach Pelgar, wenn nicht sogar an die Küsten der Königreiche des Südens." Es war herauszuhören, wie gut Caleb sich mit diesem Thema auskannte. Ihm waren sogar fremde Königreiche vertraut. Wie groß war die Welt? Und wie wenig hatte Madiha bisher gesehen?
Das sollte sich ändern. Andunies Küste war schon zu erkennen. Es sollte nicht mehr allzu lang dauern, bis die Blaue Möwe im Hafen einlief. Bis dahin mussten sie unbedingt mit Corax gesprochen haben. Caleb empfahl sogar, zur Not einen Machtbefehl auszusprechen. Immerhin war der Elf Madihas Sklave, doch ihr behagte es nicht. Nur ungern wollte sie so über ihn verfügen. Caleb verstand das und nickte zwar, aber er wäre bereit, auf diese Option zurückzugreifen, falls ein Gespräch nicht zum gewünschten Ergebnis führte. Madiha hoffte, den Raben ohne diese Unterdrückung überzeugen zu können.
Gemeinsam mit Caleb und in seinem Windschatten kletterte das Kind der Wüste wieder die Takelung herab. An Deck standen bereits Briggs, Jakub und ein weiterer Matrose mit einem seltsamen Gerät, durch das er in die Ferne schaute. Der Erste Maat wartete geduldig, bis Caleb und Madiha wieder Planken unter den Füßen hatten. Dann aber wandte er sich beiden sofort zu. "Kapitän, wir müssen das Organisatorische besprechen, ehe wir im Hafen einlaufen. Das ist wichtig und obliegt deiner Entscheidung."
"Kommst du mit oder willst du warten?" Jakub hatte nur Caleb angesprochen. Folglich würde Madiha nicht zwingend gebraucht und könnte sich erst einmal um Corax kümmern. Doch dem Dieb war es nicht geheuer, sie allein zu ihrem Sklaven gehen zu lassen. Nicht, nachdem er sie so bedrohlich angefahren hatte. Caleb nahm Corax zwar in Schutz und bezog sein Verhalten auf seine Trauer. Dennoch könnte der Rabe sich vergessen und sei es nur für einen Moment, es würde ein fatales Ende nehmen. Das wollte Caleb nicht riskieren. Er hielt Madiha auf, indem er ihr eine Hand auf die Schulter legte."Hör dir das Gespräch noch mit an. Bring dich ein, falls du eine Idee hast. Ich werde dich brauchen, wenn die Mannschaft uns verlässt. Da ist es gut, wenn du dich schnell an Aufgaben an Bord gewöhnst."
"Du hast es also bereits mitbekommen." Caleb nickte auf Jakubs Bemerkung hin und erwiderte: "Aye. Die gesamte Mannschaft verlässt das Schiff nach Ankunft?" Nun war es an Jakub zu nicken.
"Aye", entgegnete auch er. "Die meisten fühlen sich unwohl und halten die Möwe inzwischen für verhext oder verflucht - durch diesen verstorbenen Elfenmagus Corax. Niemand will weiter anheuern, ehe das Schiff nicht rituell oder magisch von diesem Fluch befreit wurde. Es sind zu viele gestorben." Er machte eine Pause und Caleb senkte in Gedenken an alle Verlorenen den Kopf. "Wir bleiben unserem Kapitän gegenüber jedoch loyal bis unsere Pflichten erfüllt sind. Das beinhaltet das Einfahren und Vertäuen im Hafen. Die Männer werden die Fracht löschen, sofern es noch Abnehmer gibt. Ich überwache alles und organisiere es, falls du das nicht selbst tun möchtest."
Caleb winkte ab. Er wirkte erleichtert, dass Jakub ihm diese stressige Pflicht abnahm. "Gut", meinte jener. "Vom Gewinn zahle ich die Heuer der Mannschaft aus und überlasse dir den Rest - zusammen mit dem Schiff. Was du daraus machst, ist dann deine Sache. Ich selbst habe vor, erst einmal eine Weile in Andunie zu bleiben und ein Zimmer in einem der Gasthäuser zu beziehen. Falls ihr mich nochmal brauchen solltet." Jakub warf auch Madiha einen Blick zu.
Caleb hingegen blinzelte. "Du hörst dich an, als sei dies kein Problem. Ich dachte, Andunie befindet sich in Feindeshand."
"Das ist dennoch kein Grund, die Bevölkerung sinnlos abzuschlachten. Bauern werden gebraucht, um die Felder und Apfelplantagen zu bestellen. Auch Soldaten müssen essen. Solang man sich fügt, hat man sogar Chancen, seiner normalen Tätigkeit ungehindert nachzugehen. Ich fuhr mit einem anderen Schiff nach Sarma und lebe noch, wie du siehst. Verhaltet euch unauffällig, gehorcht den Befehlen der Dunkelelfen und ihr solltet durchkommen. Achja, und meidet die Diener der regierenden Dunkelelfenfamilie. Absinth heißen sie. Soweit ich informiert bin, herrscht ein Dunkelelf, aber eine Priesterin verwaltet den Wiederaufbau der Stadt. Sie hat markierte Sklaven, die besondere Privilegien genießen. Stellt euch ihnen nicht in den Weg."
"Das ... klingt weniger schrecklich als ich befürchtet habe."
"Oh, es ist schrecklich", entgegnete Jakub sofort. "Aber wir versuchen alle, das Beste daraus zu machen. Wir haben keine Chance gegen eine Armee, selbst wenn sie geschrumpft sein mag, nachdem die Stadt eingenommen wurde. Ein Teil hat sich per Schiff gen Sarma aufgemacht, ein anderer soll auf dem Weg in die südlichen Königreiche sein. Inzwischen dürften sie dort angekommen sein, aber wie die Lage genau aussieht .. ich bin ebenso überfragt wie du."
Caleb musterte Jakub einen Moment lang. Dann schob er eine Hand in den Nacken und blickte flüchtig zu Madiha hinüber. Er räusperte sich: "Und weißt du auch, wie es dem Adel so geht? Sind dir die Namen der bekannteren Familien überhaupt geläufig, so wie jener unserer verstorbenen Gefährtin? Van Ikari ... oder ... weißt du, wie es um die Tjenninger Werft steht?"
Jakub hob ratlos die Schultern. "Mit dem Adel hatte ich nicht viel am Hut. Einige haben sich wohl aufgelehnt und sind versklavt oder getötet worden. Da wirst du selbst herausfinden müssen, wie es um die van Ikaris steht. Aber die Tjenninger Werft war noch intakt, als ich aus Andunie abgereist bin. Allerdings auch unter dunkelelfischer Hand. Ich glaube, ein Ork verwaltet dort nun das Geschehen."
Calebs Miene wurde ernst. Er sagte jedoch nichts mehr dazu. Stattdessen senkte er seine Hand wieder aus dem Nacken. "Brauchst du mich noch für Weiteres oder können wir gehen? Wir müssen uns auch um Azuras Überreste kümmern."
"Den Rest erledige ich. Sei nur an meiner Seite, wenn wir anlegen, Kapitän. Die Dunkelelfen wollen immer zuerst mit dem Ranghöchsten an Bord sprechen."
"Aye, das dachte ich mir", brummte Caleb missmutig und straffte dann die Schultern. Sein flüchtiger Blick zur Reling erweckte den Anschein, dass er kurz über die Fluchtmethode nach Azura-Art nachdachte. Zum Glück verwarf er sie ebenso schnell wieder, als er Madihas Nähe gewahr wurde.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Mittwoch 16. November 2022, 10:31

Er lachte. Madiha hob beide Augenbrauen und musterte den Dieb fragend. Zwar mochte sie den volltönenden Klang, der ihn da verließ und so richtig viel zum Lachen hatten sie in der Vergangenheit nicht gehabt, doch sie verstand nicht, wieso er es jetzt tat. Was war so witzig? Caleb brauchte einen Moment, bis er sich beruhigte und ihr seinen Ausbruch erklärte. Während er ihr erzählte, wie sich die Unterschiede zwischen ihrem ‚Kaufmann‘ und seinem darstellten, wurde das Mädchen rot und kam sich reichlich dumm vor. Sie schlug sogar die Augen nieder und lächelte etwas beschämt. „Achso… Nun… das wusste ich nicht.“, pflichtete sie unnötigerweise bei, denn ihre Naivität kannten sie beide. Beziehungsweise- Caleb wusste darum, Madiha lernte nur, wie viel sie eigentlich nicht wusste. Und das ließ sie lautlos seufzen. Da gab es also so viel mehr. Die Welt war schier endlos in ihrer Vorstellung. Es gab Andunie – eine Stadt, soweit sie mitbekommen hatte, die für ihre Äpfel bekannt war. Die die Heimat von Azura, Caleb und auch Ilmy war. Wo diese Stadt lag, wusste Madiha indes nicht. Sie hatte nie eine Karte von Celcia in den Händen gehalten. Dann gab es das Meer, so endlos und weit – auch das war eine für sie unermessliche Größe. Und offenbar gab es noch weitere Orte – Königreiche, wie Caleb sie nannte. Und ein Dorf voller Fischer. „Wieso leben die Fischer nicht in der Stadt? Wieso haben die ihr eigenes Dorf? Mögt ihr in Andunie keine Fischer?“, fragte Madiha plötzlich und ohne weiter darüber nachzudenken. Das Mädchen musterte Caleb, während er sich erhob. Sie hatte noch so viele Fragen – aber sie wusste auch, dass es keine gute Gelegenheit gab, sie alle zu stellen. Wichtigeres drängte sich ihnen auf und beendete leider ihre Zeit zu zweit. Madiha folgte Caleb wieder hinunter und ließ ihren Blick über die Seemänner schweifen. Andunie war nah und sie alle schienen froh zu sein, es endlich geschafft zu haben. Auch wenn die Heimat von ihnen in anderen Händen war. Madiha wollte sich, als Jakub das Wort an Caleb richtete, zu Corax begeben.

Doch der leichte Druck auf ihrer Schulter, hielt sie auf. Madiha hob den Blick. "Hör dir das Gespräch noch mit an. Bring dich ein, falls du eine Idee hast. Ich werde dich brauchen, wenn die Mannschaft uns verlässt. Da ist es gut, wenn du dich schnell an Aufgaben an Bord gewöhnst." Unsicher, aber gleichzeitig erleichtert, nicht allein zu Corax zu müssen, wechselte ihr Blick zwischen Caleb und Jakub, ehe sie nickte. Sie wusste zwar, dass sie kaum etwas würde beitragen können, doch sie wollte zuhören, wie er vorschlug und blieb zwischen den beiden Männern stehen. Auch Jakub sprach davon, dass man glaubte, das Schiff wäre verflucht. Der Schaden, den Corax angerichtet hatte, war offenbar tiefergehend und nachhaltig. Auch Madiha ließ den Blick nachdenklich schweifen, als Jakub die Toten erwähnte. Er hatte Recht, es waren so viele gewesen. Und sie alle waren nun Teil der See – trieben irgendwo in den Fluten und … Sie senkte den Blick auf den Boden und holte tief Luft. Sie hatten wirklich viel erlebt. Und wenn sie daran dachte, dass Andunie besetzt war… "Vom Gewinn zahle ich die Heuer der Mannschaft aus und überlasse dir den Rest - zusammen mit dem Schiff. Was du daraus machst, ist dann deine Sache. Ich selbst habe vor, erst einmal eine Weile in Andunie zu bleiben und ein Zimmer in einem der Gasthäuser zu beziehen. Falls ihr mich nochmal brauchen solltet."
"Du hörst dich an, als sei dies kein Problem. Ich dachte, Andunie befindet sich in Feindeshand."
"Das ist dennoch kein Grund, die Bevölkerung sinnlos abzuschlachten. Bauern werden gebraucht, um die Felder und Apfelplantagen zu bestellen. Auch Soldaten müssen essen. Solang man sich fügt, hat man sogar Chancen, seiner normalen Tätigkeit ungehindert nachzugehen. Ich fuhr mit einem anderen Schiff nach Sarma und lebe noch, wie du siehst. Verhaltet euch unauffällig, gehorcht den Befehlen der Dunkelelfen und ihr solltet durchkommen. Achja, und meidet die Diener der regierenden Dunkelelfenfamilie. Absinth heißen sie. Soweit ich informiert bin, herrscht ein Dunkelelf, aber eine Priesterin verwaltet den Wiederaufbau der Stadt. Sie hat markierte Sklaven, die besondere Privilegien genießen. Stellt euch ihnen nicht in den Weg."

Madiha lauschte dem Gespräch schweigend. Sie musterte Jakub, während er Instruktionen erteilte, wie sie sich am besten in Andunie verhalten sollten. Das Mädchen runzelte die Stirn, während er über die Diener und Familien sprach, die mehr das Sagen haben sollten, als andere. Die erste Frau des Harems hatte auch etwas mehr Privilegien. Das wusste Madiha, denn sie wählte mitunter auch die anderen Frauen aus, die Teil des Konstruktes werden sollten. War es also ganz ähnlich wie bei Khasib? Nur in anderen Ausmaßen? Sollte sie mit gesenktem Haupt durch die Straßen gehen, damit niemand auf sie aufmerksam wurde? So wie sie durch den ‚Palast‘ von Khasib schlich, nur damit man sich ihr nicht in den Weg stellte? Madiha holte tief Luft und sah an Caleb vorbei zum Horizont. Sie wollte ein Leben in Freiheit. Fuhr sie nun in ein weiteres Leben in Ketten? „Was…“, hörte sie plötzlich ihre eigene Stimme und räusperte sich, „Was passiert mit denen, die sich in ihren Augen falsch verhalten?“, wollte sie wissen und sah Jakub an. Madiha wusste, dass es immer Regeln gab. Regeln, die manchmal offensichtlich waren, manchmal aber geheim gehalten wurden. Regeln, die nur die Herren kannten. Und die sie als Fallen auslegten, damit sie ihre Schikane unter dem Deckmantel von Sanktionen gegen Regelbruch durchführen konnten. Madiha hatte ein flaues Gefühl im Magen. "Das ... klingt weniger schrecklich als ich befürchtet habe.", bemerkte Caleb und Madiha konnte ihm nicht ganz zustimmen. Obwohl sie glaubte zu wissen, wie er es meinte. "Oh, es ist schrecklich. Aber wir versuchen alle, das Beste daraus zu machen. Wir haben keine Chance gegen eine Armee, selbst wenn sie geschrumpft sein mag, nachdem die Stadt eingenommen wurde. Ein Teil hat sich per Schiff gen Sarma aufgemacht, ein anderer soll auf dem Weg in die südlichen Königreiche sein. Inzwischen dürften sie dort angekommen sein, aber wie die Lage genau aussieht .. ich bin ebenso überfragt wie du."

Das Mädchen zuckte bei den Erinnerungen etwas zusammen. Krieg war überall schrecklich. Und so wie die dunkle Armee in Sarma eingezogen war, mordend und schändend, so würde es gewiss den Anduniern gegangen sein. Madiha war unbewusst etwas dichter an den Dieb herangetreten, denn die Erinnerung, dass er bereits erhebliche Bekanntschaft mit den Dunklen gemacht hatte, war für sie noch immer präsent. Noch vor wenigen Tagen hatte er ihr gesagt, dass seine Wunde aufgegangen war. Jetzt, 4 Tage später, hatte Corax-Dunia dafür gesorgt, dass sie sich darum keine Gedanken mehr machen musste. Doch die Erinnerung würde man Madiha nicht nehmen können. Ihr Blick wurde kurz von einer Möwe abgelenkt, ehe sie Caleb’s typische Geste entdeckte. Sie neigte leicht den Kopf als er das Wort noch mal an Jakub richtete: "Und weißt du auch, wie es dem Adel so geht? Sind dir die Namen der bekannteren Familien überhaupt geläufig, so wie jener unserer verstorbenen Gefährtin? Van Ikari ... oder ... weißt du, wie es um die Tjenninger Werft steht?" Sie stutzte. Tjenninger ? Wie in van Tjenn? Madiha betrachtete Caleb von der Seite, während er sich auf Jakub konzentrierte. "Mit dem Adel hatte ich nicht viel am Hut. Einige haben sich wohl aufgelehnt und sind versklavt oder getötet worden. Da wirst du selbst herausfinden müssen, wie es um die van Ikaris steht. Aber die Tjenninger Werft war noch intakt, als ich aus Andunie abgereist bin. Allerdings auch unter dunkelelfischer Hand. Ich glaube, ein Ork verwaltet dort nun das Geschehen." Sein Gesicht wurde ernst und Madiha verengte kurz die Augen. Es ging ihm nahe, das zu hören… Wieso? "Brauchst du mich noch für Weiteres oder können wir gehen? Wir müssen uns auch um Azuras Überreste kümmern."
"Den Rest erledige ich. Sei nur an meiner Seite, wenn wir anlegen, Kapitän. Die Dunkelelfen wollen immer zuerst mit dem Ranghöchsten an Bord sprechen."
"Aye, das dachte ich mir"
Er wich aus. Er kümmerte sich lieber um das Naheliegendste, als sich vielleicht damit auseinanderzusetzen, dass er offenbar auch Sorge empfand. Madiha aber machte noch einen kleinen Schritt auf ihn zu und berührte ganz leicht seine Hand, nachdem er zur Reling blickte. „Da kommt einiges auf uns zu.“, lenkte sie ihn ein wenig ab, damit er keine Dummheit beging. Auch wenn der Moment wohl zu kurz war, um als ernsthaft in Betracht gezogen zu werden.
Danach trat sie allerdings selbst an Caleb vorbei und lehnte sich auf die Reling. Ihr Blick glitt über die Gischt hinüber zu Andunie. „Kennst du die Tjenninger Werft gut?“, leitete sie das Thema behutsam ein und hielt ihren Blick am Horizont. „Sie sind wichtig. Sie ist bestimmt noch intakt.“, wollte sie ihm irgendwie die Sorge, dass der Feind nun das Sagen hatte, nehmen, die sie meinte, bei ihm gesehen zu haben. „Van Tjenn… Tjenninger.. ziemlich ähnlich..“, murmelte sie dann leise, sodass es nur Caleb verstehen könnte und sie keine Aufmerksamkeit auf seinen Namen lenkte. Sie schmunzelte leicht und wandte sich ihm wieder zu. Ihre Augen ruhten in seinem Gesicht als würde sie dort Antworten finden können. „Verwandte von dir?“, fragte sie und lächelte ihn nun offen an als ahnte sie die Antwort. Allerdings verlangte sie auch nichts zu erfahren. Nach einem Moment des Schweigens, wurde sie wieder etwas ernster. „Das Schiff hat sicher etwas Schaden erlitten, nachdem … du weißt schon. Wir sollten vielleicht diese Werft aufsuchen und … eine Reparatur anstoßen. Nachsehen, ob alles… in Ordnung ist“, sprach sie weiter und anhand ihres Ausdrucks war klar, dass sie zweideutig sprach.
Madiha wollte ihm helfen und sagen, dass er nach seiner Familie sehen sollte. Und dass er alle Möglichkeiten dazu besaß, das auch unter einem Vorwand tun zu können. Sie hatte mal ein Gespräch belauscht in dem es um Holz für den Schiffsbau ging, das eine Werft in Sarma benötigte. Daher wusste sie, was eine Werft war und tat. Sie trat etwas näher an ihn heran und griff nach seiner Hand. Noch immer war es nicht selbstverständlich, dass sie ihm näherkam. Noch immer zögerte für einige Sekunden, bevor sie dann doch ihr Vorhaben in die Tat umsetzte. Leicht drückte sie seine Finger. „Es geht ihnen sicher gut…“, flüsterte sie ihm zu und lächelte ermutigend. Bevor sie sich löste und wieder ein Stück Platz zwischen ihnen schaffte, sah sie zurück auf die dunkle Linie. Nun war es ihr Gesicht, das Sorge spiegelte, die sie aber schleunigst zu verscheuchen versuchte. Madiha atmete tief durch, um ihre eigenen Gedanken und die daraus resultierende Nervosität beiseite zu schieben und sich auf etwas anderes zu konzentrieren. „Lass uns zu Co.. zu ihm gehen. Er… wir werden die Zeit bis zum Hafen brauchen, fürchte ich…“, meinte sie leise und man sah ihr an, dass ihr nicht wohl dabei war, Corax jetzt gegenüberzutreten. Doch sie tat es. Es war ihre Pflicht – als Freundin.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 18. November 2022, 08:45

Auch wenn es Madiha nicht ganz gefallen mochte, Caleb empfand ihre Naivität unglaublich erheiternd. Deshalb schmunzelte er erneut, als sie nach den Fischern des nach ihnen benannten Dorfes fragte. "Andunie ist groß und auch wenn die Stadt einen Hafen hat, liegen Hauptmerkmale auf den Äpfeln, ihren Erzeugnissen und dem Handel mit Waren aus aller Welt. Die meisten Fischer, die in der Stadt leben, zieht es so früh wie möglich hinunter zur Bucht Kad Harat und vom Fluss Ilfar her fahren sie ebenfalls hinunter gen Bucht. Es etablierte sich, dass es sinnvoller für einige der Berufsgruppe ist, in einer Siedlung direkt am Fluss zu leben, weil sie von dort aus ihre Waren auch gut gen Pelgar transportieren können. So entstand ihr eigenes Dorf. Namenslos und doch bezeichnend durch ihre Profession." Caleb sah Madiha mit warmem Blick an. "Du wirst es schon noch sehen. Wir werden viel zusammen sehen, was meinst du?" Dann machte er sich an den Abstieg, dem rasch ein Einhalten ihrer eigenen Pläne durch Jakub Tauwetter folgte. Der Erste Maat hatte reichlich Informationen, vor allem für den Kapitän, wie man sich in Andunie am besten verhielt, um auf ein längeres Leben zu hoffen. Auch besprach man sich, was aus dem Schiff und seiner Besatzung würde. Es lief darauf hinaus, dass Caleb ein Kapitän eines eigenen Schiffs, aber ohne Mannschaft würde. Als Zuflucht während ihres Aufenthalts in der Stadt würde die Blaue Möwe aber gewiss ausreichen. Vorausgesetzt, die Dunkelelfen beschlagnahmten sie nicht. Dann würden Madiha und Caleb auch sehen müssen, wo sie Azuras Leiche unterbekämen. Doch das klärte sich, sollte es zum Schlimmsten kommen. Zunächst einmal ging man davon aus, dass alles gut verlief. Jakub machte auch nicht den Eindruck, übermäßig besorgt zu sein.
Der Einzige, der plötzlich sehr ernst war, war der Dieb. Er hatte nach einer Werft gefragt und Madiha war der Name sofort in ihre Erinnerungen gemeißelt worden: Tjenninger. Das klang seinem Beinamen van Tjenn erschreckend ähnlich. Stumm zog sie ihre Schlüsse, bis Calebs flüchtiger Blick zur Reling sie dazu verleitete, ihn durch eine Berührung daran zu erinnern, dass er bei einer Dummheit erneut ihr Herz zurücklassen würde.
"Da kommt einiges auf uns zu."
Er wandte ihr das Gesicht zu und grinste schief auf. "Aye, aber wir haben doch schon Schlimmeres überstanden." Dann stutzte er und seine gute Miene bröckelte, bis sie in sich zusammenfiel, just als Madiha die Werft ansprach. Wie schnell eine Stimmung doch umschlagen konnte. Außerdem war Madiha es gewohnt, dass Caleb seltener seine wahren Gefühle nach außen hin verriet. Er kaschierte viel, sehr viel unter seinem Grinsen. Sie hatte es bei den Wüstendieben gesehen und sogar selbst erlebt - unten, in den Labyrinthtunneln der Wüstendiebe, als er dem Tode nahe war und trotzdem noch herunterspielte, wie es ihm wirklich ging. Aber jetzt, als sie nach der Tjenninger Werft fragte, da schien er all diese erlernten Methoden, seine Mimik für sich arbeiten zu lassen, vergessen zu haben. Oh, wie ernst er schauen konnte! Es weckte ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend, zugleich aber wirkte dieser überschattete Blick aus den blaugrünen Augen auch ... anziehend. Würde er so etwas Verruchtes oder Schlüpfriges von sich geben, würde er damit mehr als heißkalte Schauer über Madihas Rücken erreichen. Doch jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt für Zweisamkeit. Madiha konzentrierte sich auf das, was sie herausfinden wollte.
"Van Tjenn ... Tjenninger ... ziemlich ähnlich..."
Caleb brummte nur. Er wich ihrem Blick aus.
"Verwandte von dir?"
Jetzt antwortete er gar nicht, sondern schaute in die Ferne, wo der dunkle Küstenstreifen mit Andunie den Himmel vom Meer trennte. Madiha wartete einen Moment, aber Caleb schien nichts sagen zu wollen. So sprach sie erneut: "Das Schiff hat sicher etwas Schaden erlitten, nachdem ... du weißt schon. Wir sollten vielleicht diese Werft aufsuchen und ... eine Reparatur anstoßen. Nachsehen, ob alles ... in Ordnung ist."
"Tjenninger...", begann Caleb plötzlich aus dem Nichts heraus den Faden zu ergreifen und langsam aufzuziehen. Er seufzte. Es bereitete ihm kein Vergnügen, darüber zu sprechen. Dennoch tat er es, Madiha zuliebe. "Das war der Familienname meiner Eltern, bevor mein Vater mit der Werft genug Erfolg hatte, um sich in den Adel zu kaufen. Und Gregor van Tjenn existierte plötzlich, mit all seinen Privilegien ... und Erwartungen." Er wischte sich die Haare aus der Stirn, eine immerwährende Aufgabe, die nicht von Erfolg gekrönt sein würde, solange er sich keinen Kahlschädel rasierte. Dann lächelte er, so wie Madiha ihn kannte: mit kaschierender Verschmitztheit. "Aber ich bin nur Caleb. Wir müssen nach niemandem sehen ... ansonsten schicke ich Tauwetter, der kennt sich garantiert besser aus." Das stimmte nicht und Caleb hatte es bewiesen. Schließlich war er der einstimmig ernannte Kapitän. Dankbar für Madihas Vorschlag, nun Corax aufzusuchen und das Thema um seine Familienwerft nicht zu vertiefen, nickte er und folgte ihr.
Bereits ehe sie die Tür zur Kapitänskajüte öffnen konnten, hörten beide das tiefe Schnaufen dahinter. Caleb warf Madiha einen Blick zu. Das klang nicht gut. Keuchte da jemand um sein Leben? Hatte Corax nun eine Dummheit begangen? Alarmiert riss der Dieb die Tür auf und stürzte hinein, nur um mitten im Raum erstarrt stehen zu bleiben. Seine aufgerissenen Augen waren auf den Tisch ausgerichtet, auf dem Azuras Leichnam lag. Die Totenstarre musste bereits vorbei gezogen und sie wieder beweglicher sein. Anders hätte Corax ihr nie die Röcke raffen und sich zwischen ihren Beinen versenken können. Mit geschlossenen Augen, aber stetigem Rhythmus stieß er sich in ihren erkalteten Leib. Er schnaufte und stöhne dabei sehr willig.
"Feuchte Wüstenoase, was zum...?! Sag mal, spinnst du?!?!?!" Noch ehe Madiha aktiv eingreifen konnte, stürmte Caleb aus seiner Starre befreit nach vorn. Er packte Corax und riss ihn von der Toten herunter, was ihn zucken und lustvoll aufstöhnen ließ. Ein Strahl schoss wie ein milchiger Sternenschweif über Azuras toten Schoß hinweg und klatschte gegen die feinen Unterröcke. Klebrig und heiß sickerte der Fleck nur langsam in den Stoff. Caleb achtete nicht darauf. Er zerrte Corax von der Toten fort und schaffte es irgendwie, ihm auch die Hose zurück auf Hüfthöhe zu zupfen. Da schien der Befriedigte aus seinem Lusttraum zu erwachen. Mit einem Keuchen riss er die Augen auf, blickte sich orientierungslos um und keuchte die Nachwirkungen seines Höhepunktes von sich. Dann starrte er Caleb an, wurde sich dessen Anwesenheit bewusst und schon kniff er die Augen zusammen. Der aufkommende Tränenfluss ließ sich dennoch kaum unterdrücken. "N-nein. Azuuuura!" Schon begann der Rabe im Griff des Diebes zu zappeln. Caleb gab nicht nach. Er packte ihn fester, legte beide Arme um den Elfen um ihn an einem Ausbruch zu hindern. Außerdem ... wiegte er ihn dabei leicht. "Trauer hin oder her, das hier ist nicht mehr gesund. Du musst von ihr loskommen, hörst du?" Corax beruhigte sich nicht. Er weinte und wand sich im festen Kapitänsgriff, rief dabei immer wieder Azuras Namen und plötzlich fielen zwei besonders dicke Tränen von seinen Wimpern. Geräuschvoll kamen sie auf dem Boden auf, kullerten direkt zu Madihas Füßen herüber, wo sie endlich zum Liegen kamen. Vor ihren nackten Zehen glänzten ihr zwei reine, weiße Perlen entgegen.
Caleb sah auch hin, dann beugte er sich mit all seinem Gewicht auf den Raben, was diesen daran hinderte, weiter hektisch umher zu zappeln. "Deine Herrin sorgt sich. Wie willst du denn so für sie da sein, hm?"
Da hielt Corax still. Er starrte Madiha aus wässrigen Augen an, fing ihren Blick auf und wandte dann den Kopf, um die Tränen in Calebs Armbeuge abzuwischen. Der Kapitän rieb mit beiden Pranken über Corax' Rücken. "Ich wusste gar nicht, dass Dunkelelfen so viel Gefühl zeigen. Gefällt mir grundsätzlich, aber das hier ... tut dir auf Dauer nicht gut."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 19. November 2022, 21:24

Caleb würde vermutlich aus dem Lachen nicht mehr herauskommen, wenn sie weiterhin einfach nur Zeit gehabt hätten, sich ein Leben anzuschauen, das Madiha nie hatte kennenlernen dürfen. Ihre Naivität sorgte für ein paar Sekunden Erheiterung und auch wenn ihr das ein wenig unangenehm war – war es einfach nur schön, wenn sie Caleb dabei beobachten durfte, wie er sich amüsierte. Das Sorglose kam dieser Tage viel zu kurz und noch einmal war es ein warmer Schauer, der sie durchflutete, während er ihr erklärte, wieso sich die Fischer ein eigenes Dorf erschaffen hatten. "Du wirst es schon noch sehen. Wir werden viel zusammen sehen, was meinst du?", versicherte er ihr und lud sie gleichzeitig ein, diese Dinge mit ihm zusammen zu erleben. Nun war es Madiha, die ihm einen warmen Blick aus graublauen Augen schenkte. Sie wollte das alles erleben, sehen und erkunden. Mit ihm. Ein offenes Lächeln und ehrliche Freude im Blick, waren ihm als Antwort sicher und sie nickte. Noch während sie nacheinander die Maschen hinunterkletterten, stand ihr die Freude über sein Angebot ins Gesicht geschrieben. Madiha fühlte sich leicht. Trotz aller Widrigkeiten und Umstände, fühlte sie ein hoffnungsvolles Ziehen, dass ihr Leben jetzt endlich einen Anfang finden würde. Bis Jakub Tauwetter ihnen kurz Einhalt in ihrem Tun gebot, konnte sie das Lächeln nicht ganz kaschieren. Madiha lauschte den Worten der Männer still, denn sie besprachen Dinge, denen sie nichts zu entgegnen hatte. Sie wollte wissen, wie es um jene bestellt war, die sich falsch gegenüber der herrschenden Familie verhielten und die ausbleibende Erwiderung war für sie Antwort genug. Das Lächeln schwand, auch wenn sie weiterhin hoffnungsvoll bleiben wollte. Es war eine Erfahrung, die sie ihr Leben lang hatte machen müssen, die sie nun ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückholte. Sie machte mit Caleb keinen gemütlichen Ausflug. Es würde nicht so einfach werden, doch war es das jemals? Auch er hatte eine Vergangenheit. Und diese schien ihn Stück um Stück einzuholen.
Madiha bemerkte die Gemeinsamkeit der beiden Namen und sah in seinem Gesicht eine Wahrheit lauern, die sie ergründen wollte. Erst als der Erste Maat sich wieder seinen Aufgaben widmete, traute sich das Wüstenkind, dem Dieb näherzukommen. Vorsichtig berührte sie seine Finger, um ihn von seinem Impuls abzulenken. Sollte er eine Dummheit begehen, würde sie erneut zurückbleiben. Und er könnte seine Zugeständnisse nicht mehr einhalten… Sie versuchte behutsam das Thema einzuleiten und er antworte in seiner typischen Art. Das verschmitzte Lächeln, welches sie durchaus mochte, verriet ihr allerdings inzwischen auch, dass er verdrängte, als wahrlich Sorglosigkeit zur Schau zu stellen. Etwas nagte an ihm und Madiha wollte gerne für ihn da sein. Sie spürte in sich das Verlangen, ihm helfen zu können. Sie wünschte sich, dass es ihm gut ging und er sich nicht sorgte.

Diese Gefühlen waren ebenso neu für sie, wie die Tatsache, dass nur ein Blick von ihm genügte, um ihr ganz andere Dinge in den Kopf zu pflanzen. So wie jetzt… Als sein närrisches Lächeln verblasste und er sie mit Ernsthaftigkeit bedachte. Es stand ihm gut. Auch wenn die Sorge dahinter, die düstere Erinnerung, wehtat. Behutsam tastete sie sich langsam an das Thema heran und erhielt … nichts. Sie musterte Caleb für einen Augenblick und wartete, ob er vielleicht doch noch antworten wollen würde, doch er wich ihr aus. Sein Blick glitt schwer über den Horizont und auch ohne Lebenserfahrung oder besser soziale Erfahrung, verstand sie, dass es ihm schwerfallen musste, darüber zu sprechen. Sie erwartete nichts. Madiha bemühte sich dennoch, ihm diese Gedanken etwas leichter werden zu lassen und versuchte ihm umständlich zu sagen, dass sie gemeinsam nach dem Rechten sehen konnten, wenn ihm danach war. Dass sie bei ihm sein würde, wenn er es wollte. Sie hatte den Wunsch, für ihn da zu sein. "Tjenninger... Das war der Familienname meiner Eltern, bevor mein Vater mit der Werft genug Erfolg hatte, um sich in den Adel zu kaufen. Und Gregor van Tjenn existierte plötzlich, mit all seinen Privilegien ... und Erwartungen." Sie hörte aufmerksam zu. Schweigend hielt sie ihren Blick auf seinem Profil, während ihm offenbar die Worte schwer über die Lippen kamen. Das Mädchen konnte sich nicht vorstellen, wie sein Leben verlaufen war. Sie verstand nicht, dass jemand seinen Namen plötzlich änderte und sich irgendwo einkaufte. Dass sich damit auch das Leben für alle anderen ändern konnte und welche Verpflichtungen Caleb damals auferlegt wurden. Doch sie verstand, dass es ihm etwas ausmachte, darüber zu sprechen. Dass seine Worte eine gewisse Bitterkeit innehatten, die ihr leidtaten. Ihre Augen folgten seiner Geste und kurz zuckte ihr Mundwinkel. Ihr wurde warm ums Herz. So fühlte es sich also an, wenn man jemanden sehr mochte. Und so fühlte man sich, wenn es diesem Jemand nicht gut ging. Man wollte ganz selbstverständlich für ihn da sein. Sein Lächeln kehrte zurück, was sie leicht erwiderte. Madiha nickte ihm verstehend zu, drängte ihn aber nicht mit weiteren Fragen. "Aber ich bin nur Caleb. Wir müssen nach niemandem sehen ... ansonsten schicke ich Tauwetter, der kennt sich garantiert besser aus.", wich er aus und Madiha’s Blick glitt kurz nachdenklich an ihm vorbei. „Hm…“, machte sie und kehrte nach einigen Sekunden mit ihrer Aufmerksamkeit zu ihm zurück. „Solltest du es dir anders überlegen… ich könnte mitkommen.“, bot sie an, ohne überhaupt zu wissen, ob er es wollen würde oder ob es ihm etwas bedeutete. Für sie, die nicht viel mehr hatte, war es eben das einzige, was sie tun konnte. Für ihn da sein. An seiner Seite bleiben und ihn unterstützen. Es war wirklich nicht viel, aber doch alles, was Madiha besaß. Und sie wäre bereit, ihm dieses Bisschen zu überlassen. Das und das instinktive Wissen darum, dass sie an dieser Stelle nicht weiter nachbohrte.
Also schwenkte Madiha auf ihren ursprünglichen Plan um, damit sie endlich nach Corax sehen konnten. Caleb nahm diese Ausflucht an und sie folgte dem Dieb bis zur Kajüte. Ein seltsames Geräusch drang aus dem Raum zu ihnen. Madiha erwiderte besorgt den Blick von Caleb, ehe jener alarmiert die Tür öffnete. Sie trat nach ihm ein und erhaschte noch einen Blick auf das entsetzliche Bild, welches sich ihnen bot.

Madiha schnappte nach Luft als die Erkenntnis das skurrile Bild in ihren Verstand verankerte. Caleb war es, der handlungsfähig blieb, während sie nur starren konnte. Eine Gänsehaut flutete ihren Körper. "N-nein. Azuuuura!", gellte sein Schrei durch die Kajüte und entfachte das mitleidige Grauen in der Dunkelhaarigen. Sie konnte kaum etwas anderes tun als Caleb und Corax dabei zu beobachten, wie sie miteinander und gegeneinander rangelten. Ihr Herz klopfte wie wild. Nur langsam setzten ihre Bewegungen wieder ein, sodass sie eine Hand hob und entsetzt an ihren Mund legte. Sie wollte etwas sagen, dem ganzen Einhalt gebieten, aber sie war dazu nicht in der Lage. Seine Rufe nach Azura erschütterten sie aufs neue und das Hochgefühl war augenblicklich verschwunden. "Trauer hin oder her, das hier ist nicht mehr gesund. Du musst von ihr loskommen, hörst du?", versuchte Caleb es und schaffte es dennoch nicht, dass Corax sich beruhigte. Madiha trat einen unsicheren Schritt vor. Innehaltend konnte sehen, wie die Tränen von Corax‘ Wimpern fielen und mit einem hellen Geräusch zu Boden fielen. Ihre Augen rutschten von den beiden Rangelnden, verfolgten die Perlen, die sich über den Holzboden auf sie zubewegten. Bis sie vor ihren Füßen liegenblieben. Stirnrunzelnd betrachtete das Mädchen die beiden Perlen, ehe sie unsicher den Kopf hob und wieder zu Corax blickte. "Deine Herrin sorgt sich. Wie willst du denn so für sie da sein, hm?", bemühte Caleb sie als Ablenkung, die offenbar funktionierte. Madiha musterte Corax mitleidig. Er tat ihr so leid. "Ich wusste gar nicht, dass Dunkelelfen so viel Gefühl zeigen. Gefällt mir grundsätzlich, aber das hier ... tut dir auf Dauer nicht gut.", beruhigte der Dieb den Elfen weiter und Madiha schluckte einen Kloß hinunter. Er war eine Mischung aus Mitleid und Entsetzen. Sie fing den roten Blick auf, blieb aber stumm. Das Mädchen wusste nicht recht, was sie sagen sollte. Die Situation war erschreckend gewesen. Sie hatte zwar gewusst, dass er trauerte, aber … so? Bevor sie etwas sagen konnte, wandte sie den Blick zurück zu den Perlen. Unerheblich wie sie entstanden waren, waren sie jedoch Ausdruck seiner Trauer. Madiha bückte sich und hob beide auf, um sie in ihrer Handkuhle aufzufangen. Sie richtete sich auf, hielt den Blick darauf gerichtet und stieß sie ein wenig mit dem Daumen an. Erst nach einem Moment der Stille, hob sie den Kopf und ging auf Corax zu. Vor den beiden Männern blieb sie stehen und bedachte Caleb mit einem Blick, dass er ihn loslassen sollte, wenn er das Gefühl hätte, dass Corax sich beruhigt hatte. Dann glitt ihr Blick zum Elfen. Sie hielt die Perlen hoch und auf der flachen Hand. „Sag mir, was ich tun kann, damit du den Verlust ein wenig leichter ertragen kannst, Corax…“, murmelte sie halblaut. Nichts ließ daran zweifeln, dass sie sich um ihn sorgte. Dass sie ihm helfen wollte. „Ich… ich will dir helfen. Denn so darf es nicht weitergehen.“, meinte sie leise weiter und blinzelte etwas. „Wir sind bald in Andunie.“, eröffnete sie das heikle Thema und holte tief Luft. „Azura…“ sie warf einen Blick auf die Tote zurück, ehe sie wieder Corax ansah. „Corax, sie… es wird Zeit, loszulassen.“. Madiha schloss die Augen. Es war nicht fair, dass er das erleiden musste. „Andunie war ihre Heimat.“, sprach sie weiter, „Wir müssen herausfinden, wo sie lebte und… ob ihre Eltern noch dort sind. Sie haben ein Recht zu erfahren, was mit ihr geschehen ist. Und…“ ihr Blick glitt unsicher zu Caleb, „und sie sollten sich verabschieden dürfen, so wie es ihr Brauch ist.“, murmelte sie.
Sie wusste nicht, wie Corax reagieren würde. Madiha war sich im Bezug auf den Raben in gar nichts sicher. Er verstand es wahrlich sie immer wieder zu entsetzen. Und doch hatte sie ihre Solidarität ihm gegenüber nicht vergessen. Diese war echt. Und diese sorgte dafür, dass sie ihm sein Leid lindern wollte. Und vielleicht würde er irgendwann erkennen können, dass sie nicht nur eine Herrin sein konnte. Sondern eine Freundin, auf die er sich verlassen könnte, ohne Gegenleistungen zu gewähren. Madiha’s Blick glitt kurz zur Seite, während sie an etwas bestimmtes dachte. Dann sah sie Corax erneut fest an: „Meine Mutter starb plötzlich. Sie wurde auf einen Karren geworfen und ich habe sie nie wieder gesehen. Ich konnte mich nicht verabschieden.“, erklärte sie, ohne zu viel Emotionen zuzulassen, denn es ging nicht um sie. Sie wollte ihm lediglich etwas begreiflich machen: „Mir fehlt der Abschied, Corax. Jeden Tag, in den letzten 11 Jahren. Ich wünsche das niemandem. Und ich wünsche Azura’s Eltern, dass sie sich verabschieden dürfen. Dass sie einen Ort haben, an dem sie sich an sie erinnern können. Und … du dich auch…“, meinte sie leise, ehe sie ihm die Perlen noch mal hinhielt. „Aber nicht so…“, flüsterte sie in Anspielung auf sein Tun. „Das wird ihr nicht gerecht, Corax. Das hätte sie niemals gewollt… da bin ich mir sicher. Lass sie uns zudecken...“, schloss sie vorsichtig und konnte sich nicht ganz davon befreien, sich anzuspannen, aus Angst, dass er ihr gleich an die Kehle gehen würde, wenn sie ihr zu nahe käme. Im Bezug auf Azura war er nicht einzuschätzen. Und nach wie vor war seine Drohung höchst präsent in ihrem Bewusstsein.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 23. November 2022, 00:48

Die fröhlichen Gedanken über Calebs Angebot, mit ihm zusammen die Welt jenseits Sarmas zu entdecken, waren schon verflogen, als sich der Dieb an Deck mit Jakub über die Ankunft in Andunie unterhielt. Madiha schnappte viele Informationshappen auf, die man nur zwischen den Zeilen erhaschen konnte. Falls Jakub ebenalls bemerkte, dass der Adelsname "van Tjenn" und die Werft "Tjenniger" sich ähnelten, so ließ er nichts davon in seiner Mimik durchblicken. Aber er besaß ohnehin ein Gesicht, das bis auf die ausgestrahlte Strenge gänzlich versteinert war. Dass er gar nicht so unheimlich war, hatte Madiha erkannt. Eigentlich war der Erste Maat umgänglich. Nur die Sache mit Corax ... oh, der Rabe wartete auch noch auf sie und Caleb. Wie es ihm inzwischen wohl ging? Vermutlicht nicht besser als Caleb selbst. Auch dessen Freude war etwas gewichen und sein knapper Impulsblick zum Wasser sorgte dafür, dass Madiha ihn durch eine Berührung daran erinnern musste, keine Dummheit zu begehen - nicht schon wieder. Auf ihr Nachfragen reagierte er auch ausweichend, wenigstens zunächst. Dann aber öffnete er sich endlich und Madiha verstand. Es ging um seinen Vater, Gregor Tjenninger und nun wohl Gregor van Tjenn. Ein Werftbesitzer, der sich Dank seines Erfolges in den Adel hatte einkaufen können.
Das Wüstenmädchen entdeckte während seiner Ausführungen und der damit verbundenen Bitterkeit ganz neue Empfindungen an sich. Sie spürte, dass sie instinktiv für Caleb da sein wollte. Sie wünschte sich, dass er lächelte und glücklich war, weil es auch ihr Herz erwärmte. Allein deshalb schon bot sie ihm an: "Solltest du es dir anders überlegen ... ich könnte mitkommen." Sie wollte nicht, dass er Tauwetter stellte. Caleb durfte seinem Vater, seinen Eltern, nicht ausweichen, auch wenn er offensichtlich düstere Gedanken mit ihnen verband. Er musste selbst gehen. Madiha würde ihn nicht dazu zwingen, aber sie wollte an seiner Seite sein, wenn es geschah. Umso mehr dürften sie Calebs Worte beflügeln, als er sprach: "Natürlich kämst du dann mit. Ich hab mein Versprechen nicht vergessen: Ich lass dich nicht mehr zurück." Das wollte er im Gegenzug bei ihr auch jetzt nicht und deshalb begleitete er sie auf dem schweren Weg zurück zum anderen Sorgenkind an Bord. Trotzdem war es Caleb, der zuerst die Kajüte stürmte. Er hatte die seltsamen Keuchgeräusche für eine Gefahr gehalten, vielleicht sogar befürchtet, der Rabe hätte sich etwas Schreckliches angetan. Es war Azuras Leib, dem dieses Schicksal zuteil wurde, jedenfalls aus Calebs Sicht. Er packte Corax und riss ihn im Moment seines Höhepunktes von der Toten herunter, nur um ihn erst anzufahren, sich dann mit ihm zu balgen und schließlich auf ihn einzureden. Dass er Madihas Namen und Rang gegenüber Corax als Druckmittel nutzte, schreckte ihn nicht ab. Er tat alles, damit der Elf sich beruhigte und da Caleb wusste, wie sensibel er tatsächlich auf seine Herrin reagierte, griff er auch auf diese moralisch fragwürdige Methode zurück. Es funktionierte.
Nachdem Corax zwei schöne, weiße Perlen auf den Dielenboden geweint hatte, vergrub er sich in Calebs Armen und schniefte leise. Madiha hatte er mit der gesamten Szenerie reichlich erschreckt und noch immer wusste sie den Raben nicht einzuschätzen. Wenn es um Azura ging, reagierte er schnell impulsiv und oftmals kopflos. Dann war er wieder dieser unheimliche, dunkle Kerl, der seine Hände um ihren Hals legte.
Sie lenkte sich damit ab, nach den Perlen zu schauen und beide aufzusammeln. Wie schön sie waren. Ganz rein und weiß mit einem perlmuttartigen Glanz, der jedoch eher etwas Bläuliches besaß. Meistens wirkten solche Schmuckstücke ja eher violett. Diese hier nicht. Sie waren so rein wie man sich die Seele eines Neugeborenen vorstellte: vollkommen unbefleckt. Und sie verströmten eine angenehme Wärme, die selbst in Madihas verkohlten Handflächen zu bemerken war. Als sie beide mit dem Daumen gegeneinander stieß, klang ganz leise ein Ton auf, der sie irgendwie an das Seufzen der Andunierin erinnerte. Oder das Klacken ihrer Absätze, wenn sie mit dem Fuß aufstampfte. Das allein genügte ihr, um sie Corax überreichen zu wollen.
Der Dunkelelf starrte mit tränenfeuchten Augen auf Madiha und die Perlen herab. Die Rubine hatten ihren Glanz verloren. Wenn hinter den Seelenspiegeln je ein Feuer gebrannt hatte, um das tiefgründige Rot zu erzeugen, so brauchte es dringend etwas Neues als Nahrung, damit es nicht gänzlich erlosch. Azura war gestorben und Corax drohte, ihr in seiner Trauer zu folgen.
"Sag mir, was ich tun kann, damit du den Verlust ein wenig leichter ertragen kannst, Corax..." Kaum hatte sie die Worte ausgesprochen, fühlte sie das Wischen vor ihrem Körper. Corax berührte sie nicht, er strich lediglich durch die Luft. Madiha aber spürte Veränderung. Sie wuchs und zwar überall. Ihre Beine wurden länger, ihre Taille bekam mehr Gewicht, ohne dadurch fettleibig zu werden. Vielmehr erhielt sie nun erst eine richtige Taille. Und vorn ... das Gewicht des größeren Busens hing ihr schwer auf den Brustkorb. Rote Locken mit einem seicht goldenen Schimmer umrahmten ihr Gesicht und sie wusste, wessen Gestalt sie angenommen hatte. Corax starrte sie an, blinzelte die Tränen fort, nur um neue zu produzieren. Dann senkte er unter einem Seufzen den Kopf, als auch die Hand. "Du bist nicht sie", seufzte er so schwer, dass es das Schiff zum Meeresgrund hätte drücken können. Die Illusion einer Madiha in Azuras Gestalt fiel sogleich wieder von ihr ab. Hinter Corax schluckte Caleb einmal leer, eher er sich die Lippen befeuchtete.
"Corax, sie ... es wird Zeit, loszulassen. Andunie war ihre Heimat. Wir müssen herausfinden, wo sie lebte und ... ob ihre Eltern noch dort sind. Sie haben ein Recht zu erfahren, was mit ihr geschehen ist. Und ... und sie sollten sich verabschieden dürfen, so wie es ihr Brauch ist."
Wahrscheinlich erwartete nicht einmal Madiha, was sie mit ihren Worten auslöste. Corax' Tränenfluss versiegte. Er bebte auch nicht mehr, sondern wirkte plötzlich sowohl von innen heraus als auch von außen vollkommen ruhig. Ohne den Kopf zu heben griff er nach den Perlen und nahm sie aus Madihas Hand. Er löste den kleinen Beutel aus Rockstoff von seinem Hals, öffnete ihn und ließ die beiden Kugeln zu ihren Schwestern fallen. Leises Klackern kündete davon, aber in der Luft hing auch ein adliges Lachen, das man damals nur gesehen hatte, als Azura stumm aufgesprungen war und sich über die Illusion ihres Schlafzimmers so immens gefreut hatte. Als Corax den Beutel wieder verschloss, verhallte das Geräusch.
"Ich weiß, wo ihre Eltern wohnen", sagte er plötzlich. Seine Stimme war kaum mehr als ein heiseres Kratzen. Caleb legte ihm den Arm um, um ihn stumm zu ermutigen, weiterzusprechen. Aber das war nicht nötig. Corax brauchte nur etwas Zeit, seine Gedanken zu ordnen. "Schließlich war ich es, der sie von dort entführt hat. Ich kenne den Weg und ..." Er atmete tief durch, musste einen erneuten Tränenausbruch zurückhalten. Es gelang, nachdem er ein paar Mal leer geschluckt und sich nochmals über die Augen gewischt hatte. "Ich hab ihr schon lange vorher versprochen, sie zurückzubringen und ihre Eltern zu suchen." Das stimmte. In Nogrot hatte er ihr sogar beteuert, ihre Eltern aus dunkelelfischer Gefangenschaft zu befreien, sollten sie in eine solche geraten sein. Aber außer ihm und ihr wusste niemand davon. Es war ein Versprechen zwischen ihnen beiden gewesen und die heimliche Hoffnung eines Entführers, man mochte ihm verzeihen, nun, da er sein Herz an die Beute verloren hatte. Auf Vergebung konnte Corax jetzt nicht mehr hoffen. "Ich werde mein Versprechen halten", murmelte er, dennoch klang es entschlossen. Da war er, der neue Funke. Noch konnte er nicht in Trauer vergehen, denn noch gab es für ihn etwas zu tun. Wenigstens diese eine Tat, damit Azura zu ihrer Familie zurückkehren konnte.
Madiha bestärkte ihn darin, indem sie ihn erinnerte, dass Azura nach Andunie gehörte und dort entsprechend ihrer Bräuche bestattet würde. Nicht hier und nicht so würdelos und geschändet wie sie nun auf dem Tisch lag. "Das hätte sie niemals gewollt ... da bin ich mir sicher. Lass sie uns zudecken..."
"Aber wir haben es doch beide gewollt. Sie hat mein Herz..." Er berührte die genannte Stelle und stutzte plötzlich. Da war etwas, unter dem Stoff seines Hemdes. Corax griff an seine nackte Brust. Er zog an etwas, zog und zog, bis Caleb vor Überraschung japste: "Ist das ein Faden in deiner Haut?!" Corax zog ihn einfach darunter hervor und obwohl er vollkommen rot war, klebte kein Blut daran. Überhaupt schien er nicht verwundet. Dennoch hielt er diesen dünnen, langen Faden in der offenen Handfläche. "Das war echt...", keuchte er, sah auf. "Wir wollten es, wir..." Dann schaute er über die Schulter und zuckte zusammen. Er sah Azura, wie sie da auf dem Tisch lag. Reglos, bleib und mit gerafften Röcken, die nicht mehr steifen, aber toten Beine gespreizt, weil Corax zwischen ihnen gelegen und ihren Leib benutzt hatte. Noch jetzt waren Spuren seiner Tat als sündiger Fleck auf der Unterwäsche zu erkennen.
"Was ... hab ich ... getan...?!" Hätte Caleb ihn nicht gehalten, Corax wäre nun in sich zusammengeknickt. Er starrte das Bild seiner verblichenen Liebe an und schien jetzt erst wirklich zu begreifen, dass er sie geschändet hatte. Er brachte kein Wort hervor. Der Mund stand ihm weit offen, die Augen waren aufgerissen und erneut stürzten sich Tränenbäche die Wangen hinab. Er begann zu beben. Madiha wusste genau, wie er sich fühlen musste. Sie selbst war nie zur Schändenden geworden, konnte aber sicherlich als Opfer sehr gut nachempfinden, wie sich die Erkentnis darüber anfühlen musste. Wenn man selbst immer und immer wieder missbraucht und benutzt worden war und plötzlich auf der anderen Seite gestanden hatte. Ging es nicht auch Opfern von schlagwütigen Eltern so? Sobald die Kinder der Stube entkommen waren und eigenen Nachwuchs hatten, verfielen sie doch ebenso in diese Muster. Weil sie es nicht anders kannten. Sie hatten es nicht gelernt. Doch hier schien es anders zu sein.
Corax riss sich plötzlich von Caleb los. Anstatt aber auf Azura loszustürzen, wie der Dieb schon vermutete und sich ihm deshalb in den Weg stellen wollte, wirbelte der Dunkelelf herum. Er warf sich vor Madiha auf den Boden, die Haltung gebeugt und den Kopf vor ihren blanken Füßen fest auf den Boden gepresst. Seine Finger, um die der rote Faden gewickelt war und die noch immer das Perlensäcklein hielten, streckten sich nun auch nach Madihas Zehen aus. Er tastete sich an ihren Füßen hoch, bis er ihre Knöchel zu umfassen bekam. Er klammerte sich an sie, presste sein tränennasses Gesicht auf ihre Fußrücken, dass sich die Nase genau zwischen ihre beiden Füße bohrte.
"Wir müssen ... sie wachen. Bitte, Herrin .. zeig mir wie es geht ... mit der Waschung und den Tüchern. Ich bitte dich. Danach darfst du jede Strafe verlangen. Ich schneide mir dieses Mal auch alles ab ... alles ..."

Natürlich konnte Madiha ihm diese Bitte nicht abschlagen. Sie hatte es ja selbst für Azura tun wollen, um ihr die letzte Ehre zu erweisen. Inwiefern sie auf eine Bestrafung ihres Sklaven einging, der ihr zuvor noch mit Mord gedroht hatte für das, was er nun erbat, musste sie selbst entscheiden. Fest stand nur, dass Corax' Blick nicht dankbarer hätte sein können. Er brauchte einige Zeit, um sich erneut zu beruhigen. Zeit, in der Caleb und Madiha für die nötigen Utensilien sorgten. Schalen mit Wasser wurden gebracht, ebenso Tücher und alles, was das Mädchen für eine rituelle Reinigung brauchte, sofern es das Schiff hergab. Sogar Caleb wollte mithelfen, doch es dauerte keine Stunde, da wurde er von der Mannschaft an Deck gebeten. Das Schiff trudelte in Andunies Hafen ein und man brauchte ihn.
Während also die Besatzung der Blauen Möwe unter Calebs und Jakubs Aufsicht den Hafenvorstehern vorstellig wurden und plötzlich reichlich Lärm draußen zu hören war, weil man die Fracht vom Schiff lud, da blieben Corax und Madiha in der Kajüte. Sie wuschen Azuras Körper so wie Madiha es vorgab. Corax schwieg und tat so brav, wie ihm geheißen, dass sich das Wüstenmädchen erschreckend an die gebrochenen Sklavinnen zurück erinnerte, die in Sarma einfach nur noch existiert hatten - ohne Willen und ohne Seele. Aber Corax besaß beides noch, es lag nur unter einem Trauerschleier.
Nachdem Azura den sarmaer Riten entsprechend gereinigt und von Corax auch wieder angekleidet worden war, frisierte er ihr Haar soweit wie es ihm möglich war. Hochsteckfrisuren bekam er nicht hin, aber er bürstete jede einzelne Locke und drapierte sie wie ein Künstler die Pinselstriche auf einer Leinwand. Mittlerweile ließ sich nicht mehr bestreiten, dass Azura einen eigenen Geruch entwickelte. Tod hing in der Luft. Trotzdem küsste Corax ihre Lippen, als er geendet hatte und seine Hände über ihre gefalteten auf dem Bauch legte. "Verzeih mir ... ich hab dir das Schlimmste angetan, was man hätte tun können...", murmelte er und der Schmerz über die eigene Tat war aus jeder Silbe zu hören. Er bereute wohl nichts so sehr wie das. In Ermangelung von Ersatzkleidung musste Azura noch immer die von ihm befleckte Unterwäsche tragen, aber man sah es nicht mehr. Die Röcke lagen darüber. Azura sah zurechtgemacht und adrett aus. Etwas blass, denn sie war tot. Die Haut nahm blaue Färbungen ob der Körperflüssigkeiten in ihr an, welche nicht mehr bewegt wurden.
Dafür hatte etwas Anderes nun gänzlich seine Farbe verloren. Als Corax zu Madiha blickte, war der letzte Rest Rot aus seinen Augen verschwunden. Sie glänzten schwarz, wie zwei verdorbene Perlen. Die Iris war kaum noch von der Pupille zu unterscheiden. Und in diesem Moment betrat Caleb wieder die Bühne. Mit einem Schnaufen schob er die Tür auf. Dass es draußen bereits wieder dämmerte, hatten Madiha und Corax gar nicht bemerkt.
"Puhh, es ist geschafft! Und wir leben noch!" Er schloss die Tür und lehnte sich an eine Wand, um sich anschließend Luft zuzufächeln. "Was für eine Tortur. Hinter jedem falschen Wort wird ein Hinterhalt vermutet. Ich glaube, ich hab mich mental noch nie so tief bücken müssen. Ich muss stinken wie eine Jauchegrube, so tief bin ich diesen Typen in ihre Hintern gekrochen. Aber es ist getan. Die Fracht ist verladen, wir haben sogar ganz gut daran verdient. Ich konnte die Mannschaft auszahlen und dann hat sich jeder von ihnen aus dem Staub gemacht. Jakub ist in einer Spelunke am Hafen, die ich nicht kenne ... einiges hat sich verändert, aber irgendwie auch nicht. Aber eines kann ich sagen: Dunkelelfen sind richtige Arschlöcher!" Er hob die Hände beschwichtigend in Corax' Richtung. "Nichts für ungut, du zählst für mich nicht zu denen und ... he, was ist mit deinen Augen passiert?"
"Ich hab sie meinem Dasein angepasst. Es gibt keine Farben mehr für mich. Sie ... ist tot." Und damit ließ Corax Azuras Hände los. Zwei Rubine glitzerten in Fassungen zweier Ringe aus fast durchsichtigem Silber, als hätte Corax seine Tränen zu Schmuck geschmiedet. "Ich möchte sie zu ihren Eltern bringen, sobald du mich bestraft hast, Herrin."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 24. November 2022, 22:43

"Natürlich kämst du dann mit. Ich hab mein Versprechen nicht vergessen: Ich lass dich nicht mehr zurück." Die Worte hallten in ihrem Kopf wider, während sie dem Dieb folgte. Auch wenn Caleb sie bereits in der Vergangenheit gelehrt hatte, dass das Einhalten von Versprechen nicht grundlegend seine Stärke war, so glaubte sie ihm dennoch. Gewiss, er hatte sie bei Dunia gelassen. Und er hatte sie alleingelassen, um Azura zu retten. Aber er war wieder da. Hatte gekämpft und war zurückgekehrt. Madiha wollte ihm glauben. Und sie würde es, solange er sie ließ. Nun aber verschoben sich ihre Gedanken, während sie beide erkannten, wie weit die Trauer den Raben und was er daraus resultierend mit Azura getrieben hatte. Es erschreckte sie. Es erschreckte sie auf mehreren Ebenen und sie brauchte Zeit, um das Gesehene zu verdauen. Während sie noch hilflos ihrem Schreck ausgeliefert war, war es Caleb der handelte und Corax zur Vernunft bringen wollte. Madiha aber konnte nur starren. Bis er Perlen aus reinem Weiß weinte und diese sich mit leisem Scharben über den Boden auf sie zu bewegten. Das Mädchen wandte den Blick von den Männern ab und beugte sich zu den perlenden Tränen. Es war schon erstaunlich, wie viele Wunder Madiha in ihrer kurzen Zeit in Freiheit gesehen und erlebt hatte. Wie war es möglich, dass jemand solche Dinge erschuf? Sie stieß mit ihrem Daumen daran und die Wärme, die von ihnen ausging, wurde erfüllt von einem leisen Kichern. Sie starrte erneut, nun aber die Perlen an. Ihr Blick glitt kurz einmal zum Leichnam, ehe ihr die Grausamkeit seiner Behandlung wieder ins Gedächtnis glitt. Madiha bewegte sich endlich und trug die perlmuttfarbenen Tränen zum Sklaven hin. Sie hielt ihm die Perlen auf ihrer Handfläche entgegen und spürte selbst durch den Verband die ausgehende Wärme. Jene Wärme, die die Augen des Raben vermissen ließen. Madiha schluckte. Der Anblick der tränennassen Wangen war schmerzhaft. Ob Azura wusste, wie viel Leid sie zurückgelassen hatte? Sie wollte ihm helfen und prompt reagierte er mit einer Bewegung, die sie trotz ihrem Willen, zucken ließ. Sie glaubte schon, dass er nach ihr griff, doch eine Berührung blieb gänzlich aus. Stattdessen spürte sie die körperlichen Veränderungen und runzelte die Stirn. Ihr Blick rutschte von Corax zu sich selbst und sie erkannte die Locken, die veränderte Perspektive, das Dekolletee. Madiha hob den Kopf und öffnete die Lippen. Ihr war nicht wohl dabei und unsicher glitt der Blick zu Caleb, der ebenfalls nur schluckte. "Du bist nicht sie", kümmerte sein kläglicher Versuch nach dem zu streben, was er verloren hatte, dahin. Madiha blickte zu Corax zurück, während sein Schwermut ihr Herz füllte und ihre Augen ein wenig zu schwimmen begannen. Sie verlor die adelige Gestalt ebenso schnell wieder, wie sie sie gewonnen hatte. Madiha konnte nichts daran ändern, dass sie erleichtert Luft holte. Es war einfach falsch. Doch statt sich von seiner gequälten Seele einlullen zu lassen, brachte sie die nötigen Worte heraus, damit sie ihn auf das Kommende vorbereiten konnten. Und sie schienen in der Tat Wirkung zu zeigen.

Corax sah zu ihr auf und sie erkannte, dass er aufhörte zu weinen. Sie beobachtete, wie er die Perlen an sich nahm, einen kleinen Beutel öffnete und sie hineingleiten ließ. Das Lachen, welches entstand, bescherte ihr eine Gänsehaut und sie runzelte ein wenig die Stirn. Was war das nur, dass man meinte, Azura wäre noch hier? Doch der Klang verhallte, nachdem er den Beutel wieder schloss. "Ich weiß, wo ihre Eltern wohnen. Schließlich war ich es, der sie von dort entführt hat. Ich kenne den Weg und ...“, offenbarte er und lenkte Madiha von den Perlen und ihrer Eigenheit ab. Das war doch gut? Offenbar würde er sich auch an den Weg erinnern. Und es schien so, als wollte er helfen. "Ich hab ihr schon lange vorher versprochen, sie zurückzubringen und ihre Eltern zu suchen. Ich werde mein Versprechen halten.“ Madiha nickte langsam. Sie erklärte ihm, dass sie in Andunie nach allen Riten bestattet werden könnte. Angemessen für jemanden wie sie, wie Madiha glaubte. Sie ging behutsam vor, damit er keine Dummheit beging in seinem Schmerz. Denn so wie Azura derzeit dalag, würde sie gewiss nicht behandelt werden wollen. Offenbar war Corax das ganze aber nicht in dem Maße bewusst gewesen, denn plötzlich sah er auf. "Aber wir haben es doch beide gewollt. Sie hat mein Herz..." Madiha blinzelte überrascht, während Corax plötzlich einen roten Faden aus seiner Brust zog. „Was…“, stellte sie eine wortkarge Frage und sah erneut zu Caleb, der ebenfalls überrascht wurde von dem, was sie sahen. "Das war echt..." Madiha hob fragend die Augenbrauen. „Was meinst du denn?“, stellte sie eine Zwischenfrage, doch Corax war offenbar mit seinen Gedanken beschäftigt: "Wir wollten es, wir..." Erst jetzt sickerte die Erkenntnis seiner Tat, mit einem einzigen Blick in das Bewusstsein. "Was ... hab ich ... getan...?!", sprach er sein Entsetzen aus und Caleb musste ihn halten. Auch Madiha trat einen Schritt vor, als der Rabe zusammensackte und unter der Last brach. „Corax…“, flüsterte das Kind der Wüste mitleidig und legte ihm eine Hand auf die Schulter. Behutsam und sanft.
Sie war entsetzt gewesen, von dem was sie hatte mit ansehen müssen. Doch jetzt erkannte sie, dass er vollkommen in seiner eigenen Welt gefangen war. Dass er auf eine Weise trauerte, die sie kaum ergründen konnte. Und da war noch mehr… Während Madiha den Raben in den Armen des Diebes tätschelte und abwartete, dass sein Ausbruch etwas abflaute, drängte sich ihr der Gedanke auf, dass er zusätzlich erkennen musste, dass er zum Täter geworden war. Bisher waren sie Opfer. Sie beide. Nun aber hatte sich das Blatt gewendet und Corax hatte Azura auf eine Weise benutzt, die ganz sicher nicht in ihrer beider Sinne gewesen sein konnte. Er hatte es ausgerechnet ihr angetan. Jener, die er liebte. Madiha blinzelte und konnte nur mit Mühe verhindern, dass ihr die Tränen, ob der Erkenntnis kamen. Sie musste sich vorstellen, wie sie sich fühlen würde. Wenn sie jemandem das antat, was sie selbst hatte erdulden müssen. Aber tat sie das nicht bereits? Sie hatte einen Sklaven… Doch so sah sie Corax nicht. Er sah sich so. Sie hingegen versuchte ihm, Corax, dem Dunkelelfen mit den roten Augen, zu helfen. Nicht ihrem Sklaven die Arbeitskraft zu erhalten. Und wenn er hunderte von Tränen weinte… Sie würde ihn nicht davon abhalten, sollte es das sein, was er brauchte. Sie befahl ihm nichts. Sie wollte hören, was er brauchen könnte. Und wollte es erfüllen, wenn sie die Gelegenheit bekam.

Mit einem Mal bewegte sich der Rabe ruckartig, sodass Madiha zurückzuckte und einen Schritt nach hinten machte. Sie glaubte, dass Corax erneut eine Dummheit würde begehen können, doch stattdessen warf er sich ihr vor die Füße. Hilflos und angespannt starrte sie auf den dunklen Haarschopf, dann hob sie den Blick hilfesuchend in Caleb’s Gesicht. "Wir müssen ... sie waschen. Bitte, Herrin .. zeig mir wie es geht ... mit der Waschung und den Tüchern. Ich bitte dich. Danach darfst du jede Strafe verlangen. Ich schneide mir dieses Mal auch alles ab ... alles ...", krächzte er zu ihren Füßen und Madiha richtete den Blick wieder auf ihn. Ihr Herz klopfte, ob der Situation. Es war so unangenehm, doch viel mehr beschäftigte sie nun der Inhalt seiner Worte. „Natürlich…“, hauchte sie nur, denn das Angebot war nicht zeitlich begrenzt gewesen. Sie hatte gemeint, was sie sagte. Und auch wenn er sie erschreckt hat, wollte sie ihm den Wunsch erfüllen. Madiha beugte sich zum Raben hinunter und berührte ihn an den Schultern, damit er aufstand. „Ich werde sehen, was ich besorgen kann, dann fangen wir an.“, sicherte sie ihm zu, während sein Blick vor Dankbarkeit glühte. Das Verlangen nach Strafe, überging sie. Madiha blickte zu Caleb, damit er ihr half, während sie Corax versicherte, dass sie gleich zurückkehren würden. Sie erfragte vom neuen Smutje, ob er ihr bei einigen Kräutern aushelfen könnte und tatsächlich konnte er ihr zumindest Kampfer und Pfefferminze geben. Madiha kehrte mit einer Schüssel Wasser zurück. Caleb hatte sie gebeten zwei weitere Schüsseln und einen Krug zu tragen. In den trockenen Schüsseln befanden sich sowohl die Kampfer- als auch die Pfefferminzblätter. Dazu trugen sie Leinentücher. Die Sarmaerin stellte alles bereit und wollte beginnen, als Caleb jedoch an Deck gerufen wurde. Sie sah dem Dieb nach und Unsicherheit flackerte kurz in ihrem Blick auf. Zum einen darüber, ob er das Gespräch mit dem dunklen Volk heil überstand, zum anderen, weil sie hoffte, nicht etwas falsch zu machen, das Corax unüberlegt handeln ließ.
Das Mädchen holte tief Luft, nachdem die Tür zur Kapitänskajüte geschlossen war und zwang sich, sich nun vollständig auf die Waschung zu konzentrieren. Sie hatte nach Kerzen gefragt. Sie drapierte am Kopfende von Azura 2 Lichtquellen, ehe sie an den Füßen ebenfalls 2 aufstellte. Vorsichtig entflammte sie die Dochte, sodass ein warmes Licht entstand. „4 Götter…“, murmelte sie, um Corax zu erklären, warum sie das tat. „Für jeden Gott, gibt es ein Licht. Lysanthor, Feylin... Manthala und Ventha", beschrieb sie mit leiser Stimme weiter. Sie erzählte einfach, achtete nicht darauf, ob er ihr auch wirklich zuhörte. Sie versuchte dem ganzen so viel nötige Würde zu verleihen, wie sie, als Sklavenmädchen, es konnte. Madiha griff ein dunkles Leinentuch von ihrem Vorrat an mitgebrachten Dingen und wandte sich zum Tisch. Sie sah zu Corax und stand ihm, Azura zwischen sich auf dem Tisch, gegenüber. „Wir müssen sie entkleiden…“, fuhr sie fort und nickte ihm zu, damit er ihr half. Das Wüstenkind legte das dunkle Tuch zur Seite und gemeinsam mit dem Raben, schaffte sie es, Azura von ihren Kleidern zu befreien. Nun legte sie behutsam das dunkle Tuch über ihre Scham und bedeckte sie würdevoll. Einen Moment verharrte sie, denn auch wenn sie den Ritus bei Abbas mitgemacht hatte als er starb und auch bei der ersten Frau von Khasib, brauchte sie einen Moment, um sich zu erinnern.

Die Kerzen flackerten hier und dort, während sich das Mädchen bewegte. „Leg die Kleider ordentlich zur Seite“, wies sie Corax an und wandte sich selbst den Schüsseln zu. Sie griff nach einigen kleinen Tüchern und ließ sie in das angenehme Wasser sinken. Sie drehte sich zu Corax um und stellte die Schale mit reinem Wasser auf einen Stuhl. „Ich beginne jetzt…“, murmelte sie. Madiha holte tief Luft und konzentrierte sich: Sie nahm eines der hellen Tücher, wrang es aus und begann behutsam, Azura’s Körper von etwaigem Schmutz zu befreien. Sie entfernte alte Blutkrusten, Schorf oder Schmutz. Sie zog ihr Algen aus dem Haar, reinigte sie von allem, was das Wasser hinderte, an ihre Haut zu gelangen. Sie ging dabei sehr behutsam vor, nahm sich Zeit, reichte Corax den Lappen, damit er es auf seiner Seite gleichtun konnte, wenn er wollte. Sollte er nicht wollen, würde sie weiter übernehmen. Dann, nachdem das beendet war, wickelte sie ein neues Tuch um ihre Hand und schob sie unter das dunkle Tuch. Auch hier reinigte sie die Scham, ehe sie die erste Schüssel, durch eine zweite, saubere tauschte. Hier legte sie die Pfefferminzblätter hinein und ließ sie einen Moment ziehen. Madiha wandte sich derweil wieder Azura zu und räusperte sich:
“Der Tag neigt sich dem Ende zu.“, begann sie mit gedämpfter Stimme in ihrer Heimatsprache. Sie hob die Finger zu Azura’s Augen und strich sanft darüber. “Das Suchen weicht dem Innehalten“. Sie glitt mit ihren Fingern über ihre Wangen und hielt auf ihren Lippen inne. "Öffne dich und lasse geschehen. Lasse los und streife den Tag von deinen Schultern. Mit all dem Guten. Mit all dem Schlechten. Wir danken euch Göttern, dass ihr sie begleitet.“ Sie strich über ihr Herz. Überlegte einen Moment, wie es weiterging, denn es fiel ihr nicht ganz so leicht...“Eure Stimmen in ihrem Herzen. Umfangen in den Armen der Großen, schlafe ein von Vertrauen getragen…“, beendete sie das Gebet und legte ihre Hand an ihr eigenes Herz, schloss die Augen und führte die Finger zu ihren Lippen, die sie küsste, ehe sie ihre eigene Stirn berührte. Daraufhin wandte sie sich dem Pfefferminzwasser zu und tauchte auch hier ein neues Tuch hinein, wrang es aus und wandte sich Azura erneut zu. Es duftete leicht nach der Minze.
Madiha begann damit, Azura’s Hände zu waschen. Dann folgten Mund, Nase und das Gesicht, ehe der Kopf mit Corax‘ Hilfe gewaschen wurde. Danach wusch sie den rechten Unterarm, dann den linken, ehe sie den rechten Fuß und schließlich den Linken wusch. “Der Tag neigt sich dem Ende zu. Das Suchen weicht dem Innehalten. Öffne dich und lasse geschehen. Lasse los und streife den Tag von deinen Schultern. Mit all dem Guten. Mit all dem Schlechten. Wir danken euch Göttern, dass ihr sie begleitet. Eure Stimmen, in ihrem Herzen. Umfangen in den Armen der Großen, schlafe ein von Vertrauen getragen…, wiederholte sie das Gebet andächtig. Madiha berührte sich wieder am Herzen. Dann schloss sie die Augen, führte ihre Fingerspitzen zu ihren Lippen, küsste sie und hob sie zu ihrer Stirn. Danach überließ sie es Corax, ob er diese Art der Waschung ebenfalls durchführen wollte. Sobald er verneinte oder fertig wäre, würde sie sich der letzten Schüssel widmen.

Das Wüstenmädchen wechselte die Pfefferminzwasser-Schüssel mit der Kampfer-Schüssel aus. „Das ist Kafur… oder allgemein Kampfer“, murmelte sie, ohne zu wissen, ob Corax das wissen wollte. Vielleicht war es auch ein wenig für sich selbst. Sie rief sich die Erinnerungen wach und versuchte alles richtig zu machen. Es war schwer, dem gerechtzuwerden. Aber sie bemühte sich. Sie tat es für Corax. Und mit Respekt der Adeligen gegenüber, so gut sie es in ihrer Position vermochte. Madiha hatte nichts mit Göttern am Hut. Sie glaubte nicht, aber sie besaß den Willen, es vernünftig zu tun. Und sie spielte nichts vor, sondern bemühte sich um wahre Frömmigkeit – für den Raben. Das Mädchen wrang einen neuen Lappen aus und widmete sich erneut dem toten Frauenkörper. Dieses Mal wusch sie den Kopf als erstes. Danach folgte der Hals, dann die rechte Körperhälfte und schlussendlich die Linke. Auch hier gewährte sie Corax die Gelegenheit, es ihr gleichzutun, wenn er wollte. Sofern er es nicht mochte, würde sie die Waschung selbst dreimal wiederholen. Erneut sprach Madiha das Gebet und vollendete es auf die gleiche Weise, wie zweimal zuvor. Jegliches Zeitgefühl war verflogen. Sie konzentrierte sich vollends auf ihr Tun und bemühte sich darum, dass Corax ein Gefühl für den Respekt bekam, den sie mit dieser Waschung erreichen wollte. Nachdem die Waschungen vollendet waren, übergab sie das Handtuch an Corax, der Azura trocknen konnte. Sie selbst trocknete das rote Haar. Nachdem das beendet war, zog sie die Adelige wieder an und überließ es Corax, sie endgültig zurechtzumachen. Nach seinen Vorstellungen. Madiha stand währenddessen schweigend und mit gefalteten Händen daneben. Wartete. Gab ihm die nötige Zeit und blieb geduldig dabei. Der Geruch der Toten wurde ein wenig überdeckt von Pfefferminz und Kampfer. Doch würde die Natur alsbald holen, was sie einst gab. Nun aber konnte Azura ihrer Göttin gereinigt gegenübertreten. "Verzeih mir ... ich hab dir das Schlimmste angetan, was man hätte tun können...", hauchte er ihr entgegen und küsste ein letztes Mal ihre Lippen.
Sein Blick richtete sich auf das Wüstenmädchen und sie schluckte ergriffen aufgrund des Farbwechsels. Ihre Augen schwammen und sie nickte ihm langsam zu. Sie lächelte minimal, wollte ihm sagen, dass es gut wäre. Dass er es gut gemacht hätte. Für sich. Für sie. Die farblosen Augen beschwerten ihre Seele. Es tat ihr einfach nur leid, dass er sich so fühlen musste. Es würde Zeit brauchen… Madiha widmete sich dem Aufräumen der Utensilien, als Caleb plötzlich wieder zu ihnen stieß. "Puhh, es ist geschafft! Und wir leben noch! Was für eine Tortur.“ Sie sah auf und lächelte leicht in seine Richtung. Er hatte es geschafft! “Hinter jedem falschen Wort wird ein Hinterhalt vermutet. Ich glaube, ich hab mich mental noch nie so tief bücken müssen. Ich muss stinken wie eine Jauchegrube, so tief bin ich diesen Typen in ihre Hintern gekrochen. Aber es ist getan. Die Fracht ist verladen, wir haben sogar ganz gut daran verdient. Ich konnte die Mannschaft auszahlen und dann hat sich jeder von ihnen aus dem Staub gemacht. Jakub ist in einer Spelunke am Hafen, die ich nicht kenne ... einiges hat sich verändert, aber irgendwie auch nicht. Aber eines kann ich sagen: Dunkelelfen sind richtige Arschlöcher! Nichts für ungut, du zählst für mich nicht zu denen und ... he, was ist mit deinen Augen passiert?"
"Ich hab sie meinem Dasein angepasst. Es gibt keine Farben mehr für mich. Sie ... ist tot. Ich möchte sie zu ihren Eltern bringen, sobald du mich bestraft hast, Herrin."
Madiha blinzelte. Sie hatte etwas zu kämpfen, mit der rituellen Waschung und der daraus resultierenden Stimmung, ehe Caleb sein Erlebtes so wortgewandt ausschmückte. Sie stand, beide Hände um eine der Schüsseln gelegt, etwas ratlos im Raum. Dann seufzte sie leise und stellte die Schüssel beiseite. Madiha bedachte Caleb einen Moment, wandte sich danach aber an Corax. Schweigend blickte sie den Dunklen an und schien zu überlegen. Doch in Wahrheit wusste sie die Antwort schon, ohne darüber nachzudenken. Sie trat auf ihn zu und legte die Arme um seine Schultern. „Keine Strafen.“, flüsterte sie ihm zu. „Wir können es besser, Corax. Wir machen unsere Regeln. Unsere eigenen.“, versicherte sie ihm und ließ ihn los. Dann wandte sie sich wieder der Schüssel zu, hob sie hoch, ehe sie zu Caleb trat. „Heißt das, dass wir jetzt vom Schiff gehen können?“, fragte sie ihn hoffnungsvoll und ein kleines Lächeln stahl sich auf ihre Lippen. Madiha konnte die Neugierde nicht verbergen. Endlich! Endlich würde sie wieder festen Boden unter ihren nackten Füßen haben. Würde endlich sehen, wie eine andere Stadt war. Wie die Leute waren… Aber sie hielt sich zurück, aus Rücksicht auf den Trauernden. Und der Toten. „Ich räume schnell auf. Dann lasst uns aufbrechen.“, schlug sie vor, ehe sie sich um die Utensilien kümmern wollte.
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