Unter Venthas Willkür

Das große Meer ist launisch wie das Wetter. Einmal ist es friedlich und dann wieder die reinste Gefahr. Erfahrene Seemänner befahren es mit ihren großen Schiffen. Alle Reisen sind hier verzeichnet.
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Piraten kapern alle Schiffe, die nicht dunkelelfisch oder verbündete mit sichtbarem Zeichen (Flagge) sind.
Die Mantroner versuchen, gegen die Piraten vorzugehen.
Ein Teil der Amazonen, sowie das dunkle Volk sind Verbündete der Piraten.
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Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. Oktober 2021, 08:38

Azura kommt von Der Zwergenhafen

Ein Blick auf das Meer konnte so beruhigend sein. Das sanfte Schaukeln der Wellen im ewigen Hin und Her der Gezeiten wiegte die eigene Seele in den Schlaf. Die winzigen Schaumkronen auf ihren Spitzen erinnerten an prachtvolle Juwelen oder feinstes Geschmeide, wenn Sonnenlicht sie traf und zum glitzern brachte. Der Ruf der Seemöwen, die selbst zu kleinen, weißen Wipfeln wurden, wenn sie auf der Wasseroberfläche landeten und sich dort treiben ließen, Schiffen gleich. Und nicht zuletzt das von Menschenhand geschaffene Gefährt aus Holz und Segel, welches es wagte dieser Naturgewalt zu trotzen und so manches Mal Ventha in Aufruhr versetzte, dass sie die Wellen nur noch höher schaukeln ließ, bis aus dem traumhaften Anblick ein Sturm auf Leben und Tod wurde.
So weit war es mit Azura noch nicht, aber auch sie befand sich in Aufruhr. Das kleine Schiff ihrer selbst war aus dem seichten Wellengang geraten und in unstete Gewässer getaucht, just als sie die Augen aufschlug und in Kapitän Edley Gilles' Gesicht hatte sehen müssen. Nichts davon erinnerte sie nun an die Stattlichkeit, die beinahe väterliche Präsenz oder den unerwartet galanten Umgang mit ihr, als er da so dicht vor ihr hockte, dass sie seine verhärtete Hosenregion an ihrem Leib und seine Lippen auf ihrer Haut spüren konnte.
Wenig später drohte dieser Aufruhr ihrer inneren See die Wellen noch weiter aufzuwühlen, als die schwielige Hand des Kapitäns unter ihre Tunika rutschte. Sein Griff war fest. Er klemmte ihre feinste Stelle zwischen den Fingern ein und zwiebelte sie, ehe seine Pranke erneut ihre gesamte Brust umfasste und walkte. Azura musste feststellen, wie machtlos sie ihm gegenüber war. Mit dieser Hand könnte er auch problemlos ihren schlanken Hals erdrücken oder einfach ihr Genick brechen. Auf diesem Schlachtfeld mochte sie nur auf eine einzige Weise Erfolg haben: mit ihrer Stimme, ihrem gebildeten Geist und Worten, die diese unflätige Bestie zurück an ihren Platz befördern mochten. Es war ihre einzige Chance, also nutzte sie sie aus.
Azura versuchte, an seine Rechtschaffenheit zu appellieren, aber das brachte Kapitän Gilles nur zum Lachen. Ein widerliches Lachen, das ihr mehr Entsetzen - vielleicht sogar Furcht - bescherte als es das boshafte Grinsen ihres widerlichen Schuftes jemals geschafft hatte. Wo steckte Corax überhaupt? Ging es ihm gut?
Edley Gilles packte erneut zu. Dieses Mal zwickte er Azuras Knospe bewusst, um über den Schmerz ihre Aufmerksamkeit zu erlangen. Und dann wanderte die Hand unter der Tunika tiefer. Zu tief. Er packte nach ihrem Hosenbund und zerrte daran, so dass sie nachgeben müsste, wollte sie das Kleidungsstück nicht zerreißen lassen. Schon lag ihr Schoß frei da. Es fühlte sich viel zu kalt an.
"Wie unglaublich freundlich von dir, Ariane, mich weiterhin als den rechtschaffenen Kapitän zu sehen. Das erfüllt mein Herz mit Freude, aber ich bin sicher, dass du mir noch andere Freuden bereiten wirst." Der Mann, welcher sich nun halb über sie beugte, leckte sich die Lippen. Sein Blick huschte zu ihrem Schoß und in seinem eigenen zuckte das hinter dem Stoff verborgene Fleisch. "Du gefällst mir so stürmisch ... und naiv. Haha! Beinahe wäre ich wirklich geneigt gewesen, dich an dein Ziel zu bringen. Beinahe! Hättest du dich jetzt freiwillig und offen mir hingegeben. Aber so gefällt es mir auch, haben wir doch nun eine kleine Hure für den Kapitän und seine Mannschaft an Bord. Ein unschuldiges Ding, dessen Unschuld sie nun an meinen Mast verlieren wird." Seine Pranke legte sich auf ihren Vernushügel. Sein Finger glitt ungefragt tiefer, um sich mit Druck einen Weg in ihr Innerstes zu suchen. Er unterdrückte ein lüsternes Stöhnen. "Viele Schiffe werden in diesen Hafen einfahren, oh ja. Aber mir gebührt das erste Anlegen ... das Plündern ... und Brandschatzen."
Seine wahre Natur zeigte sich. Sie blitzte in seinen Augen auf, so dass für Azura kein Zweifel mehr bestehen konnte. Vielleicht war die Apfelblüte der Aquaden wirklich ein andunisches Handelsschiff, ihr Kapitän aber war es nicht. Er mochte Andunier sein und sogar die Manieren eines ordentlich geschulten Kapitäns beistzen - bislang! - aber das hieß nicht, dass ihn sein Werdegang nicht auch an finsterere Häfen geführt hätte. Jetzt, wo sein Verlangen zusammen mit seinem wahren Gesicht in den kalten Augen aufblitzte, musste Azura erkennen, dass er zu den Ausgestoßenen gehörte. Er war Teil der Gefahr der celcianischen See. Er war Teil des Problems, mit dem nicht nur andunische Handelsschiffe zu kämpfen hatten. Er musste zu einem Piraten aus Rumdett geworden sein!
Azura durfte nicht zulassen, dass er ihr Leid antat. Sie wusste, was er vor hatte. Mehr noch! Er wollte sie nicht nur für sich selbst, sondern auch zu einer Hure auf seinem Schiff machen. Eine Hure für all die Männer, die derzeit an Bord waren und sich aktuell auf einen kräftigeren Seegang einstellten, als erste Wellen zur Reling empor schwappten. Dumpf konnte Azura jemanden an Deck Befehle rufen hören. Nichts davon klang panisch. Die Mannschaft war erfahren und eingespielt. Jeder wusste, was zu tun war. Jeder außer sie. Ihre leztte Möglichkeit blieben ihre Worte, die sie dem Kapitän mit Eiseskälte entgegen schleuderte. Nein. So würde es nicht enden. Sie verlangte, dass er von ihr stieg, aber Gilles rührte sich nicht. Er lachte nur erneut. Es war der widerlichste Klang, den Azura ihren Ohren jemals hatte aussetzen müssen.
"Runter? Willst du oben sitzen, Wellendirne?" Plötzlich wandelte sich sein Blick, zusammen mit der Tonlage. Jetzt sprach ein skrupelloser Mann zu ihr. Jemand, der anderen ohne Nachzudenken Gewalt antat, um seinen Willen durchzusetzen. Und zusammen mit seinen kalten Worten drängte er seinen Schritt gegen ihren. Einzig der Stoff seiner Hose hielt ihn noch davon ab, ein Eindringen zu forcieren. "Niemand sitzt über dem Kapitän. Dein Platz ist hier. Auf dem Rücken. Die Beine gespreizt, damit ich deine Fo....o~" Ein Ruck erfasste Kapitän Edley. Dann erstarrte er, blickte langsam an sich herab. Nichts war zu erkennen, abgesehen von seiner nackten Brust, welche sich plötzlich wie panisch hob und senkte. Dann krümmte er sich etwas, hustete und auf einmal ergoss sich ein Schwall Blut aus seinem Mund. Er röchelte, spuckte es auf Azura und das Laken unter ihr. Aus den Schatten hinter seinem Körper erschien Corax' Gesicht auf der Bildfläche. Nur Azura konnte sein Grinsen und die Verzückung in seinen Rubinaugen sehen, als er dem Kapitän zuflüsterte: "Na, hast du Angst? Sie ist ein düsterer, kalter Begleiter in den letzten Sekunden deines Lebens."
Anschließend drehte Corax etwas in Gilles' Rücken, dass man hören konnte, wie unter scharfer Klinge das Fleisch mit matschigem Klang nachgab. Unterhalb ihres Schoßes spürte die Adlige warme, aber zähflüssigere Feuchtigkeit, als dass es sich um Wasser hätte handeln können. Zugleich sah sie das Entsetzen als letzte Emotion im Blick des widerlichen Kapitäns. Er verdrehte die Augen. Seine Haut verlor an Farbe. Er verlor an Leben. Noch ehe er jedoch tot zusammensacken und Azura unter sich begraben konnte, riss Corax an dem Sterbenden und schleuderte ihn aus der Koje zu Boden. So konnte Azuras Blick auf dem Griff eines Dolches enden, der aus einer sternförmigen Wunde in Gilles' Rücken ragte. Sternförmig. Corax hatte die Klinge mehrfach gedreht, um das Ende des Kapitäns möglichst schmerzvoll zu bereiten. Jetzt stand er über ihm, verpasste ihm einen Tritt und grinste zufrieden, als sich nichts mehr rührte. Nur noch totes Fleisch, das den eigenen Rücken mit Blut besudelte.
Blut befand sich auch auf der Bettdecke, da es schon bis zu Azuras Beinen herab getropft war. Hastig und ohne ein Wort zu sagen packte Corax nach den Sachen und knäuelte sie zusammen, ehe er sie achtlos auf den Leichnam warf. Im nächsten Moment war er es, der vor Azura auf dem Bett saß. Vor ihr, nicht auf ihr. Und seine Finger streckten sich nach ihrem Gesicht aus, nicht nach ihren weibliche Vorzügen. Mordlust und pervertierte Zufriedenheit waren aus seinem Blick gewichen. In den Rubinen fand sich ... Fürsorge. Es war der Blick eines Dieners, der um das Wohl seiner Herrin besorgt war. Sacht wischte er ihr mit einem Fetzen der Decke das Blut vom Gesicht.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 17. Oktober 2021, 19:38

Ihr sehnlichster Wunsch war es gewesen, auf ein Schiff zu gelangen und auf die See hinaus zu fahren. Das hatte sie ja auch geschafft, allerdings zu welchem Preis? Sie befand sich hier gerade in den Armen eines Mannes, der ihr seinen Willen auf eine Weise aufzwingen wollte, die sie nicht gutheißen konnte. Selbst, obwohl sie nicht mehr unverdorben war, konnte es sie diese Berührungen kaum ertragen. Es war absolut kein Vergleich zu jenen Erlebnissen mit ihrem derzeit unsichtbaren Schuft, dem sie das anfangs ebenfalls nicht erlaubt hatte, um es sich später regelrecht zu erträumen.
Doch sie war im Prinzip machtlos gegen die körperliche Kraft des Kapitäns und musste sich auf das beschränken, was ihr zur Verfügung stand. Und sich daran klammern, dass sie damit auch erfolgreich sein würde... Wie das Meer ruhig und scheinbar bewegungslos vor einer heftigen Sturmböe wurde, wurde es auch in ihrem Inneren still und all ihre Sinne konzentrierten sich auf ihre Worte, mit denen sie sich zwangsläufig zu wehren gedachte.
Wie wenig sie damit erreichen konnte, machte ihr sein Lachen bewusst, das dafür sorgte, dass es ihr eiskalt den Rücken hinabrieselte. Nicht gerade die angenehmste Art eines Schauers! Die Finger an ihrer Brust indes waren nichts weiter als unangenehm und im Gegensatz zu dem kleinsten Stupser des unverschämten Kerls regte sich dieses Mal absolut gar nichts. Im Gegenteil, ihr war, als würde sie innerlich noch mehr zu Eis erstarren und überhaupt nichts mehr empfinden können.
Unter anderen Umständen wäre sicherlich Panik in ihr hochgebrodelt wie das Magma innerhalb eines Vulkans und sie hatte auch allen Grund dazu. Aber im Moment war ihr Wille zu überleben und das ohne einer Schändung um einiges größer und konnte diese Furcht noch in Schach halten. Auch dann, als er sie zwangsweise von ihrer Hose befreite und ihr regelrecht übel vor Scham wurde. Die bittere Galle stieg ihr die Kehle hoch und sie hätte sie ihm nur zu gerne in sein widerliches Gesicht gespuckt.
Fest presste sie die Zähne aufeinander, dass es knirschte, als ein unwillkommener Schmerz ihren Schoß durchzuckte, denn sein Finger nahm keine Rücksicht darauf, welche Behandlung ihr gut täte oder nicht. Dann jedoch konnte sie wirklich nicht anders, als den Schleim, der ihren Brechreiz bereits begleitete, kurz in ihrem Mund zu sammeln und mit aller Kraft, die sie aufbieten konnte, in Richtung seines Gesichts zu spucken, in der Hoffnung, ihn auch zu treffen.
"Keine Sorge, Euer Bild habt Ihr soeben gründlich verändert. Ihr seid nichts weiter als ein verlogenes, ekelerregendes Scheusal, um nichts in der Welt erregender als dieser abstoßende Schädel an Eurer Kajütenwand! Ihr wollt ein Mann sein? Wärt Ihr auch nur einen Hauch mehr als ein verabscheuenswertes Subjekt, würdet Ihr sofort diesen Raum verlassen und mich nie wieder ansehen!", fauchte sie und zwang sich dazu, den groben Finger in ihrem Schoß zu ignorieren, der ihr die Galle noch stärker hochsteigen ließ.
"Ihr haltet mich gerade für ausgeliefert, aber ich schwöre Euch, Ihr werdet es noch bitter bereuen, Euch mir auf diese Weise genähert zu haben! Ich werde Euch vernichten, bis Ihr nicht einmal mehr ein Körnchen Dreck unter meinen Füßen sein werdet!", drohte sie zwar recht zahnlos, dafür mit umso mehr Überzeugung in ihrer kalt gewordenen Stimme.
Es war ihre letzte Barriere, die letzte Möglichkeit des Widerstands, während er ihr sein wahres Antlitz zeigte. Es war hässlich, obwohl sich die Züge kaum verändert hatten, und dazu angetan, sie noch in ihren schlimmsten Alpträumen zu verfolgen. Doch es stand viel zu viel auf dem Spiel, als dass sie jetzt aufgeben durfte. Oder mehr noch, zu schreien, weinen und betteln anfangen würde! Oh nein, so nicht, nicht mit ihr!
Wenn sie nur etwas mit Flüssigkeit in ihrer Nähe sehen würde! Das Meer selbst, so nahe es auch sein mochte, war für sie und ihre ungeübten magischen Kräfte unerreichbar und würde zu einer erneuten Ohnmacht führen. Nicht auszudenken, was dann geschehen würde! Obwohl... vermutlich wäre das sogar für ihren Geist weitaus besser, als bewusst miterleben zu müssen, was ihr gleich zustoßen würde... Dennoch, sie musste und wollte bei klarem Verstand bleiben, sich aber eben auch wehren können.
Mit Worten schien sie kaum etwas zu erreichen, das war aussichtslos, so sehr sie es auch gehofft hatte. Also brauchte sie etwas Flüssiges... Und mehr Bewegungsfreiheit!
Als er erneut lachte, nutzte sie den Moment, um den Kopf etwas zu drehen, in der Hoffnung, das Rettende zu entdecken. Warum nur hatte er sich keine Flasche Rum oder sonst etwas mitgenommen, um sich für seinen Erfolg zu betrinken?! Wieder sprach er zu ihr und die Worte wehten an ihr beinahe vorbei, denn sie wollte es gar nicht hören. Genauso, wie sie alles daran setzte zu ignorieren, wie er sich gegen sie drängte und ihr verdeutlichte, womit er ihr in wenigen Momenten Gewalt anzutun gedachte.
Dafür schlich sich allmählich die Panik in ihren Blick und sie suchte immer verzweifelter nach einer Flüssigkeit, für die ihre Magie ausreichen würde. Als er plötzlich mitten im Satz zu stocken begann und stattdessen gegen sie ruckte. Das weckte trotz allem ihre Aufmerksamkeit und sie drehte ihm den Kopf zu in genau dem falschen Moment, als er sich krümmte und zu husten begann.
Nun bekam sie etwas Flüssiges, wenngleich dieses absolut nichts war, das sie hatte spüren wollen. Es war rot und in einer Menge, dass ihre linke Gesichtshälfte nicht ausreichte, um Platz für alles zu bieten. Ihr war, als würde ihr Atem stocken, ehe der Ekel ihn umso heftiger fließen lassen konnte.
So begriff sie auch nicht, was hier vor sich ging und wem die Fratze hinter der Schulter des Kapitäns gehörte. Sie lag lediglich stocksteif weiterhin da und wurde wie eine ferne Beobachterin Zeugin einer Vergeltungstat, die ihr trotz ihrer Blutrünstigkeit gerade so einiges rettete. Ohne Begreifen sah sie zu und bekam noch anderes zu spüren, bis plötzlich das Gewicht verschwand, das sie bislang herunter gedrückt hatte.
Atmete sie eigentlich wieder? Oder hielt sie die Luft noch immer in ihrer Lunge gefangen, während ihr Herz scheinbar unendlich langsam und viel zu hart gegen ihren Brustkorb hämmerte?
Verständnislos folgten ihre Augen der Bewegung des Körpers und starrten auf die Waffe in der sternförmigen Wunde, ohne sie tatsächlich wahrzunehmen. Was... war hier gerade geschehen? Wieso wurde sie jetzt nicht geschändet, wie angedroht? Warum konnte sie endlich wieder den Mann sehen, der ihr die ganze Zeit über schon hätte helfen können?! Die Zeit dehnte sich zu gefühlten Ewigkeiten und verflog zugleich wie ein Wimpernschlag, als befände sie sich außerhalb von deren Wahrnehmung.
Erst eine behutsame, sanfte Berührung an ihrer Wange ließ sie wie unter einem Peitschenhieb zusammen zucken und abrupt in die Gegenwart zurück kehren. Mit einem trockenen Aufschluchzen fuhr sie hoch, schlang die Arme um den dunklen Leib neben ihr und presste sich an ihn, während ein heftiges Zittern all ihre Glieder erfasste. Auch wenn er ihr schon viel angetan hatte, sie zuletzt wegen ihm in Ohnmacht gefallen und in dieser prekären Lage aufgewacht war, er hatte sie gerade vor etwas bewahrt, das keine Frau erleben sollte.
Er hatte gerade die unmittelbare Gefahr gebannt, obwohl ihr Verstand noch nicht ganz in der Lage war, alles und noch mehr zu begreifen. Trotzdem war er ihr Retter und mochte sie noch so entwürdigend entkleidet sein, sie brauchte gerade jetzt seine Wärme und seinen Halt, um das Entsetzen zu ertragen, das nun in ihr hochschoss und sie fest im Griff hatte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 30. Oktober 2021, 10:00

Seit ihre Welt sich durch den Angriff der dunklen Völker auf Andunie verändert hatte, war Azura von einer seltsamen Situation in die nächste geraten. Dabei hatte sie stets erkennen müssen, dass nur in den seltensten Fällen jemand es wirklich gut mit ihr meinte. Serpentis Mortis, die unheimliche Dunkelelfenherrin mit der Kraft der Feuermagie, hatte sie versklaven und ihre Wassermagie wecken wollen. Letztendlich warf sie Azura und ihren Sklaven von einem Leibwächter - Corax - in den geschändeten Tempel der Ventha. Weggeschmissen, auf einen Berg von Leichen. Zu diesem Zeitpunkt war nicht einmal Corax ansatzweise nett zu ihr gewesen. Der Zwergentrupp der Kumpels hatte sich zwar als freundlich erwiesen, sie und ihren Begleiter sicher aus Andunie und sogar bis nach Nogrot verfrachtet, aber dort waren sie zusammen mit einigen Zwergenbewohnern grundlos auf den Dunkelelfen losgegangen. Sie hatten ihn beinahe zu einem Fleischberg verprügelt. Und Mellyn Kicherklang! Was sollte Azura von der Buntschelmin halten, die mehr Interesse an ihrem Körper als an ihrer Person und Lage gehabt hatte? Gleichermaßen erging es ihr nun unter den wilden Pranken des Kapitäns Edley Gilles. Er machte seinem Namen nicht gerade Ehre, denn er war alles andere als edel. Seine Handlungen folgten dem drängenden Ziehen in seiner Hose, an der er sich schon zu schaffen machte. Wahrscheinlich wäre es um Azura geschehen gewesen, hätte nicht die einzige Person eingegriffen, die doch noch in gewisser Form nett zu ihr gewesen war. Freundlich, liebevoll sogar, wenn auch mit gelegentlichen Ausbrüchen seiner düsteren Ader. Aber Corax hatte ihr niemals wirklich ein Haar gekrümmt. Im Gegenteil. Wie oft hatte er sie schon gerettet? Und nun erneut, als er mit einem Dolchangriff aus dem Hinterhalt das Leben dieses Lustmolchs vorzeitig beendete.
Edley Gilles war seitlich aus dem Alkoven gekippt. Reglos lag er nun auf den breiten Holzplanken seiner Kabine. Eine dunkelrote Lache breitete von der sternförmigen Wunde in seinem Rücken aus. Da lag er, mit heruntergezogener Hose. Es war das perfekte Ende für einen widerlichen Mann wie ihn!
Corax schaute auf Gilles' Leiche herab. Seine Augen glitzerten boshaft vor Triumph. Er grinste jedoch nicht. Dafür war die Situation zu heikel gewesen. Einen Moment später und er hätte Azura körperliche Gewalt angetan. Wie es mental aussah, musste der Elf erst noch herausfinden. So schaute er nach seiner Begleiterin. Sanft wischte er die wenigen Spritzer Blut von ihrem Gesicht. Sorge glomm durch den Schleier seiner Boshaftigkeit hindurch. Sie war echt und gehörte Azura allein.
Die Adlige brauchte noch Zeit, um das Geschehene zu verarbeiten. Auch sie lag da, entblößt und noch immer mit dem Gefühl des Drucks an ihren Handgelenken, als würde der Kapitän sie weiterhin ins Laken pressen. Es war so knapp gewesen! Beinahe hätte er...
Corax' Berührung beförrdete Azura zurück in die Wirklichkeit. Die Erkenntnis, dass er gerade ihren Peiniger aus dem Leben gerissen und sie vor einer Gräueltat bewahrt hatte, sickerte in ihen Verstand. Dann brach das Wissen durch. Es schlug auf sie ein wie der Hieb einer Peitsche: schnell, mit einem Knall, dass es fast spürbar schmerzte. Sie schluchzte auf, was auch ihren Körper emporriss. Wie von selbst suchten ihre Arme nach Halt, fanden ihn um den Leib ihres Retters. So schlang sich Azura um ihn, klammerte sich an Corax fest und merkte wohl nicht einmal, dass sie am ganzen Körper zitterte.
Der Dunkelelf hingegen wirkte für den Augenblick aufrichtig überrascht. Er verharrte, unschlüssig wie er auf diese Form des Dankes reagieren sollte. Corax war nicht gewohnt, dass Frauen ihm so um den Hals fielen. Auch bei Azura hatte er es nicht erwartet, sondern sich innerlich mehr darauf vorbereitet, einen bissigen Kommentar zu kontern. Dass er bereits früher hätte handeln sollen! Dass er sie mit dem Blut dieses Bastards besudelt hatte! Doch am meisten fürchtete - ja, fürchtete! - er einen Ausbruch ihrerseits, warum er den Kapitän aus dem Leben gerissen hatte, noch ehe sie aggressive Freuden mit ihm hätte teilen können. Dass Azura ihm so innig dankte, weiter Schutz in seiner Nähe suchte und nach ihren wunderbar kalten Drohungen jetzt so schrecklich zitterte, musste auch der Dunkelelf erst begreifen.
Viel zu langsam, viel zu verzögert legte auch er seine Arme um sie. Eine Hand landete dabei auf ihrem Haarschopf, der sie beide einem zerzausten Lockenvorhang gleich einhüllte. Mit der anderen Hand strich Corax zaghaft über Azuras Rücken. Und nun? Trost auszusprechen war nicht seine Stärke. Wenigstens verstand er langsam, was sie nun brauchte.
Ohne mit einer Gegenwehr des erschütterten Körpers zu rechnen, hob er Azura aus dem Bett. Sie fühlte sich so leicht an, so zerbrechlich! Nackt wie sie nun war, trug Corax sie zum Schreibtisch. Dort gab es wenigstens den hohen Stuhl, auf dem er sie absetzen konnte und die Polsterung des Sitzes würde ihre Haut gar mit Weichheit Willkommen heißen. Es kostete ihn etwas Mühe, Azura von sich zu lösen und eigentlich wollte er sie nun gar nicht allein auf dem Platz zurücklassen. Doch es gab nur sie und ihn. Sie brauchte ihn jetzt, in so vielerlei Hinsicht.
Ich bin hier, versicherte er ihr, ohne es auszusprechen. Ein Kuss, noch sanfter als seine Hand an ihrer Wange, reichte aus. Noch einmal strich er ihr Haar zurück, ehe Corax sich etwas zurückzog. Azura konnte ihn lediglich mit den Augen verfolgen. Ihre Beine würden ihr nur den Dienst versagen. Das Entsetze steckte noch tief in ihren Knochen und das Zittern kam nicht mehr nur von der Entsetzlichkeit, der sie gerade so hatte entgehen können. Ihr fröstelte, was nur natürlich war. Sie befand sich auf See, auf einem Schiff. Hier ein Feuer zu machen, wäre gefährlich. Also benötigte sie eine Alternative, um sich zu wärmen. Corax wäre ideal gewesen, doch er suchte gerade die Kabine ab. Tatsächlich wurde er sogar fündig.
Aus einer Truhe holte er frische Kleidung. Eine edel und seitlich schnürbare Seemannshose, dazu ein überraschend weißes Hemd. Es würde Azura beides etwas zu groß sein, denn eigentlich waren diese Sachen für einen Mann gedacht, aber jetzt musste es reichen. Außerdem fand Corax noch einen großen Gürtel, sowie das prächtigste Stück in Edley Gilles' Sammlung. Er kehrte mit einem sauberen Kapitänsmantel in andunischen Farben zurück. Azuras Schuhe holte er vom Bett aus heran.
Dann rückte er den Stuhl, auf dem sie saß, in seine Richtung. Er kniete vor ihr nieder, begann damit, sie anzukleiden. Erst die Hose. Unterwäsche hatte die junge Adlige schließlich auch vorher nicht getragen. Dann folgten die Schuhe. Wieder nahm dieser sonst so bissige Elf eine sehr devote Haltung ein. Er agierte einem ihrer Diener aus dem Anwesen ihres Stiefvaters gleich. Seine Arbeiten besaßen Routine, auch als er ihr das Hemd überzog und an der Brust zuknöpfte. Locker hüllte es sie ein, so dass Corax auch die Knöpfe an den Hemdsärmeln schließen musste, damit der Stoff nicht über Azuras Finger rutschte. Nun blieb lediglich noch der Mantel.
Corax trat zurück und hielt ihn offen seiner Begleiterin hin. Wenn sie es schaffte, sich zu erheben, brauchte sie nur noch hinein zu schlüpfen. "Du musst dich anziehen", forderte Corax sie mit einer Ruhe auf, die sie so nicht von ihm kannte. "Du musst auf das Deck treten, den Leichnam an den Haaren mit dir hinausgezerrt und dich als neue Herrin der Mannschaft präsentieren", erklärte er weiter. "Dir gehört jetzt ein Schiff. Mach ihnen das klar, damit ich sie nicht töten muss. Das würde die Weiterreise unmöglich machen." Obwohl Corax anscheinend nicht viel von Schiffen verstand, wusste selbst er, dass man zu zweit kein Wassergefährt dieser Größe würde handhaben können.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 31. Oktober 2021, 22:03

Was hatte sie eigentlich an den Göttern verbrochen, dass sie ihr all dieses Leid zugefügt hatten in der letzten Zeit? Sie hatte nichts und niemanden geschändet oder bestohlen, der einen Grund gehabt hätte, sie in dieses Verderben zu stoßen. Und doch hatte sich ihre Welt so oft und so viel gedreht und gewendet, dass sie eigentlich längst nicht mehr sagen konnte, wo oben und unten war.
Es gab seit dem Überfall der Dunklen auf ihre Heimatstadt lediglich eine Konstante an ihrer Seite, die sie stets anzog und zugleich wiederum abstoßen konnte: ihr widerlicher Schuft! So grausam er oftmals mit Worten auch gewesen sein mochte, so sehr hatte er sich mit Taten in ihr Herz geschlichen, ihren Körper erobert und dafür gesorgt, dass sie sich tatsächlich in seiner Gegenwart wohl und sicher fühlen konnte. Nun ja... meistens jedenfalls.
Jetzt hingegen lag ein anderer Widerling auf ihr und wollte sich nehmen, was ihm nicht zustand und sie ihm auch nicht gewähren wollte. Als wäre das noch nicht genug, war sie auf sich allein gestellt, konnte ihren Begleiter nirgendwo ausmachen und musste sich jeglichen Gedanken an ihn verbieten, um sich vollauf auf ihr eigentliches Problem konzentrieren zu können. Immer verzweifelter suchte sie nach einer Flüssigkeit in ihrer Nähe, die sie mit ihrer Magie einsetzen könnte, um sich zu retten, ohne dabei zu viel Kraft zu verbrauchen und erst recht wehrlos zu enden.
Bis... bis sich plötzlich alles änderte. Mit einem Mal war er endlich da und obwohl er ihren Augen ein absolut grauenhaftes Schauspiel bot, indem er den Kapitän von hinten und alles andere als zimperlich erstach, nahm er ihr damit eine unheimlich große Last ab.
Es dauerte seine Zeit, bis sie in der Lage war, soweit die gebannte Gefahr zu begreifen, dass sie sich wieder bewegen konnte. Sogleich suchte sie Schutz in den Armen des einzigen Mannes, dem sie trotz aller Widrigkeiten und Widersinnigkeiten bis zu einem gewissen Maß vertraute. Ja, sie konnte gar nicht anders, als sich zu ihm zu flüchten, wenngleich er ihr vor kurzem noch gezeigt hatte, dass er derart einfach zu einem Mord imstande war. Der ihr erzählt hatte, was er mit einigen früheren Bekanntschaften gemacht hatte, andere Grausamkeiten, die er sicherlich auch bei ihr ausführen könnte, sobald er denn wollte.
Doch im Moment war er erneut der einzige konstante Halt, den sie hatte, und das brauchte sie gerade umso dringender, um den durchstandenen Schrecken erst einmal soweit verwinden zu können, dass sie zurück in die Wirklichkeit fand. Dabei wusste sie nicht einmal zu sagen, ob sie weinte oder lediglich trocken schluchzte, ob sie zitterte, ob ihr kalt oder heiß oder sonst etwas war.
Sie spürte lediglich den vertrauten Körper, die Wärme, die er ausstrahlte, und konnte seinen ganz eigenen Duft riechen, den sie kannte und der ihr schon so einiges an Gedanken und Gefühlen abverlangt hatte. Er musste sie nicht umarmen, sie nicht halten oder gar mit beruhigend auf sie einreden. Es reichte dieses instinktive Wissen, dass sie ihre Arme um ihn geschlungen hatte, nur um ihn und niemand anderes.
Wahrscheinlich hätte er gerade sehr viel mit ihr machen und für seine eigenen Zwecke ausnutzen können, solange sie ihn dicht an sich gedrückt spüren konnte. Aber er tat es nicht, er drehte die Situation nicht zu seinen Gunsten, sondern war trotz seiner Unbeholfenheit irgendwie trotz allem für sie da. Nicht, dass sie diesen Umstand tatsächlich hätte begreifen können, jedoch irgendwann würde sie es verstehen... vielleicht. Jetzt erst einmal zählte allein das Gefühl seiner Nähe, während ihr Geist in Aufruhr war und nicht recht zur Ruhe kommen zu wollen schien, obwohl sie es nicht recht fassen konnte.
Wahrscheinlich hätte sie Stunden so verbringen können, ohne sich ihrer Nacktheit und Verletzlichkeit bewusst zu sein, wenn er nicht irgendwann damit begonnen hätte, seine Arme um sie zu legen. Auch wenn sie es nicht mit ihrem Verstand wahrnehmen konnte, ihr Unterbewusstsein spürte diesen zusätzlichen Halt sehr wohl und sorgte dafür, dass sie herzzerreißend aufschluchzte und sich noch enger an ihn schmiegte, als wäre er zu nichts anderem als liebevollem Umgang mit seiner Umgebung fähig. Als wäre er nicht jener Mann, der gerade seinen Nebenbuhler hinterrücks und mit mehr Grausamkeit als notwendig erstochen hätte.
Durch ihr Klammern machte sie es ihm allerdings einfacher, sie anzuheben. Zuerst begriff sie nicht, warum sie sich bewegte, doch dann sickerte es allmählich durch den Nebel ihres Schocks durch. Aber sie nahm an, er wolle sie einfach weg von diesem blutbesudelten Ort bringen, um ihr anderswo die Zeit zu geben, die sie brauchte.
Dass er sie hingegen in den hohen Stuhl setzte und daraufhin nach einem kurzen Kuss losließ, verstärkte ihre negativen Reaktionen wieder. Sie verstand sein Handeln nicht, wollte sich an ihn klammern und hatte zugleich keine Chance, ihm ihren Willen aufzuzwingen. Mit einem Mal fühlte sie sich klein, hilflos und ihr war unsagbar kalt, sodass sie ihre Beine anzog und mit den Armen umschlang, während sie sogar schon mit den Zähnen klapperte. Noch immer liefen die Tränen aus ihren Augen, nicht in Strömen und doch beständig, hin und wieder untermalt von einem wahrlich peinvollen Schluchzen.
Dabei starrte sie blicklos vor sich hin, anstatt ihm mit ihren Augen zu folgen. Und selbst wenn sie es getan hätte, war ihr Geist noch viel zu gefangen in dem Erlebten, als dass sie hätte begreifen können, was er vorhaben könnte. Sogar die Geräusche, die an ihre Ohren drangen, während er auf seiner Suche war, waren nicht dazu angetan, um ihr einen Hinweis zu geben.
Nein, sie driftete stattdessen gedanklich ab und geriet in Gefahr, noch einmal die schrecklichen Momente durchstehen zu müssen, die sie hinter sich hatte, als würde sie mit offenen Augen träumen. Und mit einem womöglich anderem Ergebnis als in der Realität... Erst eine Bewegung des Stuhls ließ sie heftig zusammen fahren und soweit aus ihren alptraumhaften Bildern zurück kehren, dass sie lediglich ein Echo des Gewichts ertragen musste, das sie zuvor in die Laken gepresst hatte.
Sanfte und dennoch geschickte Berührungen an ihren Beinen sorgten dafür, dass sie zu blinzeln begann und allmählich durch den Tränenschleier hindurch ihre Umgebung wieder ausmachen konnte. Es hatte sich etwas verändert, war anders als noch zuvor und während ihre Füße in ihre Schuhe gesteckt wurden, sickerte es langsam in ihren Verstand, dass sie sich nicht mehr liegend unter ihrem Peiniger befand.
Gerade, als diese Erkenntnis für sie greifbarer wurde, wurde ihr etwas über den Kopf gezogen. Einen Moment lang konnte sie nichts sehen und Panik drohte in ihr aufzusteigen, weil sie nicht begreifen konnte, woher das kam. Dann allerdings war es vorüber und ließ sie verständnislos zurück, an sich herab sehend und beobachtend, was da geschah.
Sie wurde berührt, jemand machte sich an ihrer Kleidung zu schaffen, nur irgendwie... stimmte die Reihenfolge nicht ganz? Wie war das möglich? Was passierte gerade mit ihr?! Die dunklen, geschickten Finger verschwanden schließlich, tauchten noch einmal an ihren Handgelenken, zuerst an dem einen, danach an dem anderen auf und lösten sich schließlich gänzlich von ihrem Körper.
Weiterhin verwirrt starrte sie noch einige Sekunden an sich herab, bis eine vertraute Stimme erklang und dafür sorgte, dass zumindest ihr Blick zu wandern anfing. Nicht, dass sie den Sinn hinter dieser Aussage hätte begreifen oder gar sich darüber echauffieren können, nein, soweit war sie noch lange nicht. Ja, sie verstand ja nicht einmal, warum ihr ein Stück Stoff hingehalten wurde, fast schon auffordernd. Was sollte sie damit tun? Würde ihr damit erneut die Sicht genommen werden, um sie im Anschluss daran umso vehementer quälen zu können?!
Und dann... dann wurde es still zwischen ihnen. Dieser Mann, dieser dunkle, bekannte und doch auch unbekannte Mann hatte ihr einiges gesagt, ja, das hatte sie gehört. Nur... "Was...?", kam es ihr spröde über die Lippen und machte wohl am besten deutlich, wie überfordert sie von der gesamten Situation gerade noch war.
Sie war zwar jetzt angezogen, auch wenn ihr das auch weiterhin nicht klar war, und sowohl die Tränen, als auch das Zittern ließen allmählich nach. Aber das bedeutete noch lange nicht, dass sie tatsächlich schon so weit war, mit all ihren Sinnen in die Gegenwart zurück zu finden.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 8. November 2021, 12:35

Der Schock saß tief. Azura brauchte mehr als Minuten, um überhaupt erst einmal zu realisieren, was beinahe mit ihr geschehen wäre. Dass sie sich also schon wieder davon erholte, war Wunschdenken. Mit Glück, sowie dem Handeln eines widerlichen Schufts, war sie knapp einer Vergewaltigung entkommen. Das war keine Kleinigkeit, nicht einmal für abgebrühte Gemüter! Sie aber war in einem noblen Hause groß geworden. Ihr Stiefvater hatte ihr jeden Wunsch von den Lippen abgelesen, sie Prinzessin genannt und dem Titel würdig verwöhnt. Ihr war es wirklich gut ergangen, aber selbst in diesen gepuderten Kreisen hätte es zu einem ähnlichen Schicksal kommen können. Arrangierte Ehen lieferten die Braut nicht selten einem Mann aus, der zwar nach außen hin den ehrbaren Schein wahrte, aber im eigenen Schlafzimmer zu einem gewaltätigen Tyrannen werden konnte. Die Möglichkeit bestand, dass Azuras Schicksal hätte ähnlich oder gar schlimmer kommen können, wäre sie in ihrer verwöhnten Welt aus Schein und Heuchelei geblieben. Diese ach so strahlende Welt mit all ihrem Luxus! Derzeit blieb ihr nichts davon, obgleich sie genau das erhalten hatte, was viele ihrer gut betuchten Freundinnen stets als das ideale Traumbild einer jeden Prinzessinnengeschichte ansahen: Im Augenblick des Schrecken erschien ein Ritter auf weißem Ross, um die Jungfer zu retten, sie zu küssen und dann glücklich mit ihr bis ans Ende zu leben.
Das weiße Ross fehlte und ihr Ritter entpuppte sich alles andere als ehrenhaft, gut gesittet und charmant. Dennoch hatte Corax sie gerade vor etwas bewahrt, das intensivere Traumata hätte hinterlassen können als den jetzigen Schreck. Trotzdem benötigte Azura Zeit, sich zu erholen. Sie nahm die Welt gerade nur gedämpft wahr. Wie in Watte gepackt taumelte sie durch die Realität oder musste sich vielmehr hindurch schieben lassen. Einer Puppe gleich führte jemand Anderes ihre Glieder. Jemand positionierte sie, wo immer er sie haben wollte, kleidete sie ein und plötzlich erhielt dieser Jemand ein Gesicht. Corax stand vor ihr, hielt er etwas entgegen, dessen Farben sie an Andunie erinnerten. Doch vielmehr konnte Azura nicht damit anfangen. Auch seine Aufforderung drang nur als Rauschen an ihre Ohren. Sie erkannte wenigstens, dass er etwas von ihr verlangte, aber worum es sich tatsächlich handelte, wusste ihr Verstand nicht zu verarbeiten.
So brachte sie lediglich ein fragendes "Was?" in ihrer Muttersprache heraus. Corax schnaubte daraufhin. Er verdrehte sogar genervt die Augen. Schon bereitete sich ihr Körper darauf vor, dass er sie packte oder gar schlug. Nein, das nicht! Corax mochte ein Widerling sein. Er war ein Mörder und seine Gräueltat, die er an Kapitän Gilles begangen hatte, galt nicht als Debut. Der Elf war sadistisch, mordlüstern und gierte nach brutalen Mitteln, auch auf psychischer Ebene, um Leid zu sähen. Er war ein Grauschelm, wenn sie Mellyn Kicherklangs Worten Glauben schenken konnte. Aber er war ihr gegenüber nie gewalttätig geworden. Oft genug hatte sie ihn gereizt oder mit einer bewussten Provokation in Versuchung geführt, sie zu schlagen. Oft genug hatte er die Gelegenheit erhalten, sie ähnlich zu nehmen wie es Edley Gilles beinahe gelungen wäre. Doch nichts. Corax überschritt diese Grenze bei ihr nicht, im Gegenteil. Auf eine skurrile Art, die Azura sich noch immer nicht ganz erklären konnte - aktuell sowieso nicht! - hielt er sich bei ihr zurück. Er sorgte sich gar um sie. Er versorgte sie. Er war es, der sie von dem schändlichen Bett und dem Leichnam fortgetragen und ordentlich angekleidet hatte. Er stand vor ihr und gab ihr sogar Anweisungen, wie sie aus dem Zustand des Schreckens heraus käme. Oh, wenn es ihr nur gelänge! Sie war noch nicht bereit, obgleich Corax als ihr Anker fungierte, an dem eine Rettungsleine befestigt war. Er hielt ihr diese Leine sogar hin, aber Venthas Willkür verhinderte, dass sie danach greifen konnte. Die Wellen schwappten um sie herum, tauchten ihren Geist in wilden Wogen unter Wasser, so dass Azuras Seele noch immer damit beschäftigt war, überhaupt Luft zu bekommen.
Atem. Das brauchte sie jetzt. Sie musste tief durchatmen.
Corax erkannte das nicht. Er besaß als Dunkelelf mit einem klassisch morbiden Hintergrund nicht das Gespür für ein bisschen Empathie. Es fiel ihm schwer, zu erkennen, was Azura nun gut täte. Dass er sie aus der Gefahrenzone getragen hatte, war von ihm kein Akt der Gnade gewesen. Es war nur leichter, sie anzuziehen, wenn die Kleidung beim Hantieren nicht dem Risiko ausgesetzt war, mit Edley Gilles' Blut besudelt zu werden. Er dachte pragmatisch. Dementsprechend sah Corax es nun auch als die beste Vorgehensweise an, der verbliebenen Mannschaft sofort klar zu machen, wer nun das Sagen an Bord hatte. Aber Azura war noch nicht bereit. Wie sollte er nun vorgehen? Mit dieser Situation überforderte sie ihn.
Corax senkte den Arm, über dem der neue Kapitänsmantel hin. Er schnaufte und starrte Azura an. Sie hatte kaum auf ihn reagiert. Immerhin gab sie eine Frage von sich, aber diese irritierte ihn. Hatte er sich nicht klar und deutlich genug ausgedrückt?
"Du musst den Mantel tragen, an Deck treten und ihnen deine Macht demonstrieren", wiederholte er mit knirschenden Zähnen. Nichts. Sie verstand nicht. Sie war noch nicht aus ihrer Schockstarre heraus. Was nun? Corax legte den Kapitänsmantel auf eine Armlehne des Stuhles, in dem Azura saß. Dann wirbelte er herum, stapfte mehrmals sehr energisch durch den Raum. Schließlich knurrte er auf, stiefelte mit großen Schritten zu dem Leichnam und verpasste ihm einen Tritt. Dann kniete er zu ihm nieder, griff nach dem Dolch und riss ihn aus der Wunde. Blut spritzte, verteilte sich auf seiner Kleidung. Es kümmerte den Dunkelelfen nicht, der nun in seiner Überforderung nach einem Weg suchte. Solang er keinen fand, versuchte er, sein Gemüt zu beruhigen ... auf seine Art. Die Klinge tauchte in totes Fleisch. Noch einmal und noch einmal. Corax stach bestimmt noch ein gutes Dutzend Mal in Gilles' Leib hinein. Er veranstaltete ein Schlachtfest mit dem Rücken des Mannes und es fehlte nur ein hysterisches Lachen, um ihn endgültig für wahnsinnig zu erklären. Corax aber war alles andere als das. Seine Stiche zeugten von Präzision. Selbst deren Zahl war nicht willkürlich. Jedes weitere Loch, das der Dolch in den toten Leib fraß, bescherte ihm ein Quäntchen mehr an innerer Ruhe.
Durchatmen. Corax war dazu in der Lage, nachdem der Rücken des toten Kapitäns nur noch ein durchlöchertes Hautsieb war. Der Dunkelelf wischte die Klinge am Ärmel des Toten ab. Dann verstaute er sie wieder ordentlich in der Gürtelscheide und erhob sich. Noch einmal atmete er tief durch. Corax hatte sich geerdet und war nun bereit, sich dem Problem Azura wieder zu stellen. Er kehrte zu ihr zurück.
"Gut", begann er und suchte nach einer Reaktion von ihr. Sobald sie ihn zumindest anschaute, sprach er weiter - langsam, damit sie ihm vielleicht ansatzweise folgen konnte. "Die Mannschaft glaubt, dass dieser Bastard sich gerade mit dir vergnügt. Wir haben also noch etwas Zeit. Früher oder später werden sie ihn aber wieder an Deck erwarten und dann musst du hinaus treten. Verstehst du das? Du bist die Herrin. Du bist die neue Kapitänin." Er seufzte und kniete sich vor sie. Endlich erreicht auch ihn ein Hauch von Empathie, denn Corax wischte das Blut von seinen Fingern, ehe er nach Azuras Händen griff. "Du bist so anders als Serpentis und all die anderen vor ihr", murmelte er und küsste ihre Finger. "Sag etwas. Tu etwas. Verdammt, schrei mich an oder schlag mich! Aber ... sei nicht so. Was ... was soll ich tun?" In jeder anderen Situation hätte er nachgehakt, wen er quälen oder umbringen sollte, aber hier war niemand und selbst ein Kerl wie Corax wusste, dass er es nicht gleichzeitig mit einer ganzen Schiffsmannschaft aufnehmen konnte. Mal ganz davon abgesehen, dass sowohl er als auch Azura sie brauchten. Ein Schiff ließ sich nicht zu zweit segeln, erst Recht nicht, wenn man keine Kenntnisse als Seefahrer besaß.
Sein Blick huschte zur Tür der Kapitänskabine und erstmals drang ein Gedanke in sein Bewusstsein, den er bislang gänzlich verdrängt oder dementiert hatte. Er drückte Azuras Hände sanft. "Soll ich meine Magie nochmal benutzen, damit du schläfst, bis wir ankommen?" Er blinzelte. Hatte er das gerade wirklich gefragt? Unstet huschte sein Blick durch die Winkel und Nischen der Kabine, aber dort war nichts. Auch die Schatten flackerten nicht. Corax atmete durch.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Dienstag 16. November 2021, 12:47

Ein Leben als Frau war immer gefährlich und in der Theorie war sie sich dessen stets bewusst gewesen. Schließlich hatte sie ihre ersten Jahre mit ihrer Mutter auf der Straße verbracht und auch wenn sie sich daran nicht mehr gezielt erinnern konnte, war ihr bekannt, welche Schicksale einen in den dunklen, engen Gassen rasch treffen konnten.
Damit nicht genug, war es in den höheren Kreisen ebenfalls so, dass Mädchen und Frauen alles andere als die Erfüllung im Bett finden mussten. Oft genug war das höchste Gut schließlich die Jungfräulichkeit und obwohl dadurch oftmals die Vergleiche fehlen mochten, waren die jungen Bräute durchaus in der Lage zu begreifen, wann sie es mit ihrem Angetrauten gut oder schlecht getroffen hatten. Nicht selten waren die Damen der feinen Gesellschaft über Liebschaften ihrer Männer heilfroh, um selbst ihre Ruhe im Schlafzimmer haben zu können, ja, einige förderten solche Entwicklungen mit Absicht trotz der Vereinsamung, die sie dadurch mitunter erfahren mussten.
Azura hingegen hatte sich immer für so unantastbar und von ihrem Stiefvater ausreichend beachtet gefühlt, um sich in der trügerischen Sicherheit zu wähnen, dass ihr das nicht passieren würde. Und wenn dieser Überfall auf ihre Heimatstadt nicht gewesen wäre, wäre sie bestimmt noch immer in diesem Glauben. Doch die Realität sah anders aus, sie war längst nicht mehr unberührt und hatte jetzt auch noch dieses Erlebnis erfahren müssen... wenngleich zu ihrem Glück nicht bis zum Äußersten.
Dennoch saß der Schrecken derart tief in ihr drin und hielt sie fest umfangen, sodass sie kaum zwischen den Bildfetzen der Erinnerung mitsamt den unschönen Gefühlen und dem wahren Geschehen unterscheiden konnte. Hilf- und regungslos wie eine Puppe ließ sie sich tragen und anziehen, ohne begreifen zu können. Auch die Worte rauschten an ihr regelrecht vorbei und ergaben für sie absolut keinen Sinn.
Aber die Stimme gemeinsam mit all den aneinander gereihten Silben sorgten immerhin dafür, dass sie allmählich aus diesen tiefen Wellen aufzutauchen begann. Soweit, dass sie tatsächlich reagieren konnte, wenngleich sicherlich nicht so, wie er es gewollt hätte. Sie konnte nichts anderes tun als verständnislos nachzufragen.
Umso mehr verschreckte sie sein Schnauben nach dem Erlebten, sodass sie zusammen zucken und sich instinktiv kleiner zu machen versuchte, als wolle sie regelrecht in der Polstern versinken und unsichtbar werden. Doch die befürchtete Züchtigung oder sonstige übergriffige Reaktion ihr gegenüber blieb aus.
Stattdessen sprach er nach gefühlten Ewigkeiten noch einmal zu ihr. Nur... die Worte ergaben weiterhin keinen Sinn. Mit einer Miene, die scheinbar nur aus vor Angst übergroßen Augen zu bestehen schien, sah sie zu ihm hoch und deutete ein zaghaftes Kopfschütteln an, denn sie verstand einfach nicht, was er von ihr wollte.
Daraufhin trat er auf sie zu, sodass sie unwillkürlich den Atem anhielt, allerdings legte er lediglich den Mantel neben ihr ab. Selbst dieses Stück Stoff schien ihr im Moment fremd zu sein, sodass sie fragend darauf starrte, während er herum wirbelte und auf und ab stapfte. Langsam nur konnte sie ihre Augen von den Farben lösen und wieder zu ihm wenden, der inzwischen zu dem leblosen Körper ging und an diesem seine Empfindungen ausließ. Bar jeglichen Begreifens, dadurch jedoch auch ohne Ekel oder fassungslosem Entsetzen, beobachtete sie sein Tun.
Sie sah, wie der Leichnam keinen Widerstand leistete und bei jedem Tritt den Schwung aufnahm, bis die Kraft dahinter verblasste. Wie die Klinge der Waffe in das Fleisch eindrang und ihn noch mehr metzelte, als es bei seinem Tod der Fall gewesen war. Eigentlich hätte dieses Handeln sie schockieren und mit dem Fluchtinstinkt ausstatten sollen, aber nichts war davon der Fall. Ihr war, als befände sie sich in einer anderen Welt, sähe zu und könne trotzdem nichts fühlen, weil ihr das Begreifen fehlte.
Ja, sie zuckte nicht einmal zurück, als er fertig zu sein schien und sich wieder auf sie zu bewegte. Stattdessen sah sie nur stumm zu ihm hoch, fragend und weiterhin ein wenig hilflos, ohne der Fähigkeit, selbst einen Schritt weiter zu denken. Oder sich überhaupt völlig in der Wirklichkeit wiederfinden zu können.
Langsam sprach er mit ihr, wirkte absolut ruhig und half ihr damit tatsächlich, Stück für Stück in Richtung Oberfläche zurück zu kehren. Es würde noch viele unzählige Minuten benötigen, bis sie tatsächlich soweit wäre, mit dem Begreifen anfangen zu können.
Bis dahin sah sie ihn nur schweigend an, zuckte lediglich minimal zusammen, als er nach ihren Händen griff... und entzog sich ihm dennoch nicht. Weiterhin schweigend senkte sich ihr Blick, als er sich vor sie hingekniet hatte, als wären seine roten Augen der Halt, den sie in all der Düsternis brauchte. Erneut sprach er zu ihr... und entlockte ihr damit endlich eine Reaktion, obwohl diese bei weitem nicht so ausfiel, wie er es wohl erwartet hätte.
Mit kleinen, leichten Bewegungen sorgte sie dafür, dass sie ihre eine Hand aus der seinen lösen konnte, beharrlich und zugleich ohne Hinweis auf Angst vor dieser Berührung. Als sie soweit war, hob sie diese langsam, ganz langsam, wie von einer unsichtbaren Schnur gezogen, hoch und streckte sie aus, bis sie mit ihren Fingern dem Flügelschlag eines Schmetterlings gleich ihn an der Wange berühren konnte. Zugleich kehrte ein Hauch von Leben in ihre weiterhin übergroßen Augen zurück, bildetete ein feines, warmes Funkeln in ihrem Blick, während sich ein angedeutetes Lächeln in ihren Mundwinkel schlich.
Die Andeutung eines echten, freundlichen Gefühls für ihr Gegenüber spiegelte sich in ihrem Gesicht wider. Mehr geschah allerdings noch nicht, das wäre auch zu viel für ihren Geist gewesen. Doch immerhin... der Anfang schien geschafft zu sein.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 17. November 2021, 14:53

Er gab ihr Zeit, wartete auf eine Reaktion und zeigte sich dabei so geduldig wie noch nie, denn normalerweise erntete Azura von ihrem widerlichen Schuft mindestens einen unflätigen Kommentar, wenn sie zu lange brauchte. Nun aber blieb er still. Er kniete vor ihr, die Hände um ihre geschlungen und den Blick zu ihr aufgerichtet. Stumm. Einzig sein langsam zuckender Mundwinkel verriet, dass es für ihn eine Zerreißprobe war.
Dann endlich löste sie ihre Finger aus seinen. Corax' Augen glommen auf, wie in Rubine gebannte Flammen. Er verfolgte die Bewegung, ohne sich zu rühren und als die Hand weit genug von ihm fort war, senkte er die Lider. Dafür spannte sich sein Körper an. Er erwartete eine Strafe für sein Tun oder auch sein Nichthandeln. Er erwartete, dass sie ihm gleich die Augen auskratzen oder mindestens ohrfeigen würde. Er erwartete irgendetwas. Schmerz. So wie er es kannte. Womit er nicht rechnete, war, dass nichts dergleichen geschah.
Langsam öffnete er die Augen wieder und sah auf Azura Handrücken. Ihre Fingerspitze strich in eben jenem Moment hauchdünn an seiner Wange entlang. Er suchte ihren Blick, entdeckte das schwache Lächeln. Er selbst runzelte die Stirn. Dann stob er zurück, löste sich gänzlich von Azura, als hätte sie ihn verbrannt. Er wirbelte herum, auf die Beine und knurrte: "Nein! Das ist so nicht richtig!"
Wütend warf er die Hände über den Kopf, drehte mehrere Runden durch den Raum wie ein Tiger im Käfig. Seine Atmung nahm an Intensität zu, bis bei jedem Ausstoßen der Luft auch ein Knurren aus seiner Kehle zu hören war. Er ballte die Hände wiederholt zu Fäusten. Er trat nach einigen Schriftrollen. Dann stieß er ein Klagen aus, das nach Verzweiflung klang. Plötzlich war er wiederholt bei Azura. Corax hockt sich vor sie, sah wieder zu ihr auf. Sein Gesicht war zu einer hilflosen Maske verzerrt. Er unterdrückte ein Schluchzen, aber es brach durch. Schon rannen dicke Tränen seine Wangen herunter. Er japste, wimmerte und wischte sich mit nacheinander mit beiden Unterarmen die Augen, während er sich zu einem halbrunden Trauerkloß zusammenkauerte. Die ganze Haltung besaß etwas Kindliches. Es erinnerte Azura vielleicht an eine Szene aus ihren jüngsten Jahren, als sie einen Straßenjungen wienend in der Gasse gesehen hatte. Den ganzen Tag hatte er mit einem Stock einer Katze hinterher gejagt, sie getriezt und nach ihr gepiekt. Bis sie schließlich von der scharfen Spitze des Steckes unglücklich ins Auge getroffen worden und daran verblutet war. Der Junge hatte den restlichen Nachmittag vor der toten Katze gekauert und bitterlich geweint. Hilflos, wie er seine Tat rückgängig machen konnte. Schließlich war seine Mutter aufgetaucht, hatte ihn von dem toten Tier weggezerrt und ihn gescholten für seine Unachtsamkeit. Auch den kleinen Jungen von damals hatte niemand sanft an der Wange berührt.
Corax beruhigte sich nicht. Tatsächlich steigerte er sich immer mehr in seinen Zustand hinein. Er winselte. Er weinte, wie man es einem Kleinkind zutrauen würde, nicht aber einem gestandenen Mann und erst Recht keinem Dunkelelfen. Dann knurrte er einen weiteren Klagelaut, sprang auf und suchte nach seiner Klinge. Er stürzte mit mehreren Sprüngen auf den bereits schlimm zugerichteten Leichnam des einstigen Kapitäns. Er riss ihn herum, denn die Vorderseite hatte Corax noch nicht bearbeitet. Mit bloßen Fingern der einen und dem Dolch in der anderen Hand nahm er Kapitän Gilles' Körper endgültig auseinander. Er hackte auf ihn ein und begann dann damit, sein Gesicht zu zerschneiden. Das brachte den Elfen wenigstens zum Lachen, wenngleich es fast wahnsinnig klang.
"Na, Angst? Leidest du? Sag's mir! Winsel, bettel um dein Leben ... schrei um Hilfe. Komm schon! Komm schooooon!" Edley Gilles rührte sich natürlich nicht. Er war längst tot. Was Corax hier als Ventil nutzte, war nicht einmal mehr ein Leichnam. Nach und nach verwandelte sich der misshandelte Körper in einen übergroßen Fleischbrei. Trotzdem hatte der Elf sich noch nicht beruhigen können. "Du befingerst gern meine Herrin, ja? Das ist aber gar nicht nett, nicht nett! Du wirst ihr nichts mehr tun. Kannst du auch nicht, weil du gleich keine Finger mehr haben wirst, hahahaha!" Mit reichlich Mühe, aber dem Antrieb von bloßem Trotz durchtrennte Corax die Fingerknochen, einen nach dem anderen. Er löste die Finger von den Händen des Toten. Jedes Mal, wenn die Klinge die Gliedmaßen teilte, war ein dumpfes Geräusch zu hören, das sehr an einen Hackklotz erinnerte, an dem ein Metzgermeister arbeitete. Ähnlich sah der Boden auch schon aus. Überall lagen Einzelteile des Kapitäns herum, in Lachen aus Blut. Mobiliar, der Rand der Schlafecke, sowie Corax selbst waren mit Blut befleckt.
Es dauerte sehr lang, bis der Elf endlich von seinem Opfer abließ. Immer wieder hörte man ihn frustriert winseln. Es machte keinen Spaß, wenn keine Reaktion auf seinen Sadismus erfolgte. Deshalb dauerte es, aber irgendwann wurde es still. Corax ließ die Klinge neben den blutigen Brei fallen, zu dem Edley Gilles geworden war. Träge rappelte er sich zurück auf die Beine. Mit hängendem Kopf und Schultern wandte er sich um, trottete auf Azura zu. Bei jedem Schritt fielen blutige Rabenfedern von ihm ab, bis nur noch jene übrig waren, die unbefleckt schwarz seinen Körper umgaben. Er stand vor Azura, in einen Mantel aus Federn gehüllt. Seine Hände besaßen kleine Vogelkrallen anstelle von Fingernägeln, als er nach ihr griff. Wenigstens unterdrückte die grauschelmische Illusion seine blutige Optik.
Mit einer Behutsamkeit, die man diesen Krallenhänden nicht zutraute, hob Corax Azura aus ihrem Stuhl und auf seine Arme. Er presste sie an sich, als der Federmantel sich zu zwei Schwingen weitete und sie umgab, damit auch sie unter all dem flauschigen Schwarz geborgen war. Corax hielt sie mehrere Herzschläge so an sich gedrückt.
"Du darfst nicht so sein", murmelte er. Es klang nicht nach einem Verbot ihr gegenüber, sondern noch immer nach verzweifelter Hilflosigkeit ... und der Angst vor einem Verlust, der zerstörerisch sein könnte. Dann brachte er Azura dorthin zurück, wo er sie hergeholt hatte. Seine Magie, ob bewusst gerufen oder nicht, hatte den Alkoven des Kapitäns in ein Himmelbett verwandelt. Schwarze Satinlaken und weiche Samtkissen erwarteten Azura, während schwarze Vorhänge den Blick auf den übrigen Raum würden verbergen könnten, sobald man sie zuzog.
Corax trug seine Herrin in das Bett, das nur für sie bestimmt war. Er legte sie ab, erklomm es anschließend selbst und verlor in der Bewegung sein gesamtes Federkleid. Auch die Vogelkrallen bildeten sich zurück. Auf einen Ellenbogen gestützt lag er neben Azura, blickte müde auf sie herab. "Wie hab ich das beim ersten Mal gemacht? Was hab ich gemacht? Achja!"
Er wollte es wiederholen, die Magie heraufbeschwören, die sie beide hatte die ganze Reise nach Nogrot schlafen lassen. So versuchte Corax, sich an die Abläufe von damals zu erinnern. Als erstes tasteten seine Finger nach Azuras Oberteil. Er löste die Knöpfe, die er vorhin noch einzeln geschlossen hatte. Er schob seine Hand unter den Stoff, aber anstatt mit großer Pranke zuzupacken, wie es der Kapitän in seiner Forschheit getan hatte, wagte er gerade mal ein zartes Berühren ihrer Knospen. Ein beinahe schüchternes Streicheln war es. Mehr nicht. Dann zog er sich auch schon zurück, schob den Hemdsstoff über ihre Brüste, knöpfte aber nichts mehr zu.
"Und dann?", murmelte er zu sich selbst. Was hatte er dann getan? Damals war Azura noch in ihrem Höschen erwacht, aber wie weit hatte Corax es mit ihr getrieben? Jetzt erfuhr sie es. Er griff nach ihrer Hand, verflocht seine Finger mit ihren und hielt sie fest. Er hielt sich daran fest. Anschließend legte er den Kopf dicht neben ihr ab, dass sein warmer Atem an ihrer Haut entlang strich. Er schloss die Augen.
Leider musste er einen Fehler begangen haben oder der Zauber ging nicht auf Azura über. Sie war noch wach. Sie konnte die Bewegungen des Schiffes hören, das Knarren von Holz und die gedämpften Rufe vereinzelter Befehle seitens der Besatzung. Sie verfiel nicht in Müdigkeit, nicht in Schlaf. Es wirkte nicht. Die Magie erlöste weder sie noch ihn.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 21. November 2021, 21:41

Sie sah es nicht, sie sah schlichtweg diese feinen Anzeichen nicht, die sich in seiner Mimik abspielten und davon zeugten, wie sehr er sich zusammen reißen musste, um ihr die Zeit zu geben, die sie für eine Reaktion brauchte. Es war noch immer viel zu viel für sie und ihr Geist hatte sich in einen schützenden Kokon gehüllt, um den Schmerz und den Schrecken Stück für Stück verarbeiten zu können.
Doch dann war es endlich soweit und ein kleiner Lichtblitz drang zu ihr hindurch, zeichnete sich in ihrem Antlitz ab und in jener zärtlichen Geste, mit der sie ihn, der trotz aller Widrigkeiten und aller Logik ihr Herz erobert hatte, an der Wange berührte. Es war, obwohl kaum als solches zu erkennen, eine leichte Berührung auf der Suche nach Halt in der Wirklichkeit, um sich zu vergewissern, dass es tatsächlich sein Gesicht war, das sich da vor ihr befand, und keine Illusion. Er war derjenige, der sich ihr nähern, der sie berühren durfte und sonst niemand!
Allerdings konnte sie nicht ahnen, was sie damit auslöste. Sein Stirnrunzeln sorgte für ein flüchtiges Blinzeln ihrerseits, als er jedoch aufsprang und vor ihr zurück wich, zuckte sie leicht zusammen und machte sich wieder so klein wie möglich. Im Moment begriff sie nicht, was los war, und seine Reaktion verschreckte sie erneut, sodass sie sich in sich selbst zurück zog.
Was dazu führte, dass sie nicht mehr bewusst sah, wie er schlussendlich zu ihr zurück kehrte, sich vor sie hinkauerte und zu weinen begann. Es dauerte seine Zeit, bis ihren Verstand erreichte, dass Tränen aus seinen Augen liefen, während die ihren trocken blieben. Fragend und etwas verwirrt runzelte sie ein wenig die Stirn und beobachtete ihn, unternahm indes aber keinen Versuch, ihn zu trösten. Soweit reichten ihre Kräfte noch nicht, so bemitleidenswert er auch aussah dadurch.
Ihr Blick wandte sich schließlich ab, aus einem Instinkt heraus, den sie selbst nicht nachvollziehen konnte, und suchte in der Umgebung nach etwas, ohne es benennen zu können. Dennoch wusste sie es, als sie das zusammengelegte Stück Stoff, den Mantel, der ihr zuvor hingehalten worden war, entdeckte.
Langsam, um keine zu große Aufmerksamkeit zu erregen, streckte sie ihren Arm danach aus und griff es sich. Doch sie kam nicht mehr dazu, es ihm zu reichen und als Tuch für die Nässe in seinem Gesicht anzubieten, ungeachtet des Materialwerts, denn er knurrte erneut und sprang auf. Schon wandte er sich ab, noch ehe sie sich wirklich über diesen neuerlichen Wandel erschrecken konnte, und ließ sie, mit dem Stoff in den Fingern, wiederholt ratlos zurück.
Und verschreckte sie ein weiteres Mal, als er sich auf den Leichnam stürzte und seine Wut wieder an ihm ausließ. Dieses Mal war sie nicht mehr vollkommen vor der Realität geschützt, sodass ein Bruchteil dessen, was sie zu sehen bekam, bis in ihr Bewusstsein dringen und einen Sinn ergeben konnte. Azura schauderte angesichts der verzweifelten und auch sinnlosen Brutalität und hüllte sich instinktiv in den Mantel ein, den sie zuvor erst als Schnäuztuch hatte anbieten wollen.
Auch schloss sie irgendwann die Augen, als ihr Magen damit beginnen wollte zu rebellieren, und vergrub sich in dem großen Stück Stoff so weit wie möglich. Das dämpfte zwar die Geräuschkulisse ebenso, wenngleich nicht genug, um ihr jegliches Detail zu ersparen. Bittere Galle stieg ihr dabei die Kehle hoch, die sie nur mühsam wieder hinunter würgen konnte, weil sie sich nicht übergeben wollte. Nicht, weil sie es nicht verkraftet hätte, sondern weil sie sich darüber erstaunlicherweise im Klaren war, dass sie sich nur selbst besudeln würde aus Mangel an Kraft, sich rechtzeitig in eine vorteilhaftere Position zu bewegen.
Und irgendwann, jegliches Zeitgefühl war ihr weiterhin nicht gegönnt, wurde es still. Fast schon unheimlich still, sodass auch sie unbewusst ihren Atem anhielt, um nur ja kein Geräusch von sich zu geben. Ihr eigener Herzschlag kam ihr dadurch überlaut vor und das Blut rauschte ihr beständig wie die See in den Ohren. Noch weniger wagte sie es, nach dem Grund dieser plötzlichen Ruhe zu sehen, rührte nicht einmal den kleinen Finger.
Bis plötzlich von außen eine Berührung erfolgte, die sie leicht zusammen zucken ließ. Mehr Gegenwehr bot sie hingegen nicht, als sie hochgehoben und an einen vertrauten, warmen Körper gedrückt wurde. Diesen konnte sie zwar durch das Tuch nicht sofort erkennen, allerdings war da sein Geruch und dieser war dermaßen eindeutig, dass sie sich etwas entspannen konnte. Auch wenn ein Teil von ihr die gesehenen Bilder und gehörten Laute von gerade eben niemals würde vergessen können, diese gesellten sich gleichfalls zu jenem Erlebnis mit dem Kapitän, war es trotzdem noch er, bei dem sie in diesen Momenten Geborgenheit und Halt zu finden glaubte. Somit versuchte sie gar nicht erst, sich zu befreien, sondern ließ es zu, dass er sie trug, und lehnte sich vertrauensvoll an ihn.
Erst sein Gemurmel sorgte dafür, dass sie es zumindest ein bisschen wagte, aus dem schützenden Mantel hervorzulugen und zu ihm aufzusehen. Ein wenig irritiert blinzelte sie und sogar ein fragendes "Hm...?" kam ihr über die Lippen. Das war schon ein gewaltiger Fortschritt und zeugte davon, dass sie allmählich wieder zu begreifen begann. Zumindest, was man zu ihr sagte, nicht das Warum.
Danach zog sie sich erneut zurück und ließ es geschehen, dass er sie trug und an einem Ort ablegte, der ihr fremd und zugleich beschützend vorkam. Eigentlich war es recht düster mit all seinem Schwarz und dennoch... als könne sie es instinktiv mit ihm verbinden, fühlte sie sich geborgen genug, um sich nicht dagegen zu sträuben. Ebenso wenig, als er sich zu ihr gesellte und erneut etwas sprach, das für sie derzeit keinen Sinn ergab.
Eine Reaktion ihrerseits erfolgte erst, als er damit begann, mit seinen Fingern unter ihr Oberteil sich voran zu tasten. Besser gesagt, zwei. Ihr Körper erschauerte leicht und ihre Knospen reagierten durchaus gefällig auf seine leichten Berührungen. Zugleich jedoch versteifte sie sich und bekam einen starren Blick, als könne sie diese Zärtlichkeit nur auf diese Weise ertragen.
Zwar weckte er nicht direkt die schockierenden Erinnerungen, vor allem nicht, weil er viel sanfter und behutsamer vorging. Trotzdem war es definitiv zu früh, als dass sie sich darauf hätte einlassen können. Da waren keine seufzenden Laute von ihr zu hören, kein wohliges Räkeln oder Anschmiegen, absolut gar nichts. Wie ein Brett lag sie da und ließ geschehen, was auch immer er mit ihr vorhatte, während ihr Geist sich wieder in seinen schützenden Kokon hüllen wollte. Dass er es nicht vollständig tat, lag einfach nur daran, dass ihr Rabe nicht weiter machte oder gar noch stärker übergriffig wurde, sondern sie wieder notdürftig bedeckte. Und dennoch blieb ihr Griff schlaff, als er seine Finger mit ihren verschlang und sich neben sie legte, sie seinen warmen Atem spüren ließ.
Es dauerte seine Zeit, in der sie sich absolut nicht regte, ja, nicht einmal richtig zu atmen schien, bis sie langsam zurück in die Wirklichkeit kehrte. Das begann für sie damit, dass sie nicht länger blicklos in die Höhe starrte, sondern allmählich den schwarzen Himmel über sich wahrnehmen konnte. Als ihr das gelungen war, fingen ihre Finger leicht zu zucken an, da sie spürte, dass sie jemand hielt, und sie das zumindest schwach erwidern wollte.
Schließlich holte sie einmal tief Luft, als kehre erst jetzt der lebensnotwendige Sauerstoff in ihre Lungen zurück, und ihr Kopf drehte sich ein wenig. Nicht zu dem Mann neben ihr, obwohl sie diesen durchaus gerne ansah und dessen Augen vorhin ihr Anker gewesen waren. Nein, die Richtung war entgegen gesetzt und hatte seinen Ursprung in einer instinktiven Handlung.
"Meer...", wisperte sie tonlos und war sich nicht einmal sicher, ob sie es nicht lediglich gedacht hatte, weil sie ihre Stimme nicht recht hören konnte. Sie klang so belegt und kraftlos wie noch nie. Außerdem fühlte sich ihre Kehle wie eine ausgetrocknete Landschaft an und es kratzte bei jedem Schlucken.
Mehrmals musste sie sich daraufhin die spröde gewordenen Lippen lecken, aber sie hatte ein Ziel und das verlor sie erstaunlicherweise nicht aus den Augen. "I... ich... will... Meer se... se... sehen...", krächzte sie weiter und ein äußerst schwacher Abglanz ihres einstigen Durchsetzungswillen zeigte sich darin. Die Magie in ihr spürte schließlich die Nähe der See, jenes Elementes, mit dem sie am besten vertraut war und das schon so oft ihr aufgewühltes Gemüt beruhigt und gefestigt hatte.
Nur von alleine würde sie den Weg aus dem Bett bis hin zu ihrem Ziel nicht schaffen, da brauchte sie definitiv Hilfe. Ob er sie noch einmal tragen würde? Oder würde er wieder durch die Kajüte tigern, vor sich hinknurren und fluchen, um alles um sich herum weiter einzusauen mit dem Blut der Leiche?
Bei dem Gedanken schauderte es sie, doch hielt sie das von ihrem Wunsch nicht ab. Sie wollte die See sehen, das Rauschen hören und das Gefühl bekommen, das sie bei dessen Nähe immer hatte: kraftvolle Ruhe, die sich in ihr ausbreiten konnte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 4. Dezember 2021, 11:08

Ihr Körper, vor allem aber ihr Geist hatten einiges mitmachen müssen, seit Azura zwangsweise auf ihre Abenteuerreise aufgebrochen war. Sie hatte so viel erlebt! Unterbewusst hatte sie dabei aber auch dazugelernt. So erinnerte sie sich indirekt an den Moment ihres Todes. Damals, als diese Dunkelelfe Serpentis Mortis ihr die Haare abgebrannt hatte. Daran wäre sie fast gestorben. Sie wähnte sich schon in einer Nachwelt, die aus einem prunkvollen Ball um sie herum als Zentrum gebildet worden war. Damals hatte sie etwas zurückgeholt. Kaum spürbar, doch nach seiner Entdeckung so präsent, dass sie sich daran zurück ins Leben hatte hangeln können. Gemeint war der dünne, goldene Faden, der von ihrem prinzessinhaften Handgelenk bis in die celcianische Realität geführt und sie an Corax gebunden hatte.
Jetzt suchte ihr Unterbewusstsein nach diesen Informationen. Gemachte Erfahrungen, ob gut oder schlecht, halfen dabei, mit Situationen umzugehen. Der Verstand zog sie als Vergleich heran, um instinktiv zu entscheiden, was der richtige Weg wäre. So fand sich ihre Hand dort, wohin der dieses Mal unsichtbare Faden sie geleitet hatte: an die Wange des Mannes, der sie schon einmal aus einem Jenseits zurückgeholt hatte. Corax war ihre Konstante. Leider erkannte er es nicht sofort, denn auch er war überfordert mit all dem, was sie beide schon durchgemacht hatten. Er suchte sich ein eigenes Ventil. Eines, das nicht Azura war. Ihr krümmte er nach wie vor kein Haar, im Gegenteil. Nachdem er sich abgeregt hatte, kehrte er sogar zu ihrer Zerbrechlichkeit zurück und trug sie behutsam in das geschaffene Bett, das er mit schwarzem Samt und Seide geschmückt hatte. Da lag sie nun, neben ihm. Er hielt ihre Hand, hatte die Augen geschlossen und schenkte ihr einen goldenen Faden, an dem sie sich langsam, aber bedächtig zurück ins Wachsein hangeln konnte.
"Meer ... I... ich ... will ... Meer se...se...sehen."
Bewegung kam in die Laken. Ohne Umschweife raffte Corax sich auf. Seine Finger lösten sich von Azuras. Er glitt aus dem Bett hinaus, suchte einen festen Stand. Er prüfte den Sitz seiner Kleidung und ob noch alle Waffen vorhanden waren. Ein Dolch fehlte. Richtig! Der steckte noch immer in dem Fleischberg, zu dem er Edley Gilles gemacht hatte. Dort würde die Klinge bleiben. Er besaß noch genug Tödlichkeit am Körper und außerdem...
Corax wandte sich wieder dem Bett zu. Er musterte Azura. Er hatte sie eingekleidet. Lediglich der Kapitänsmantel fehlte und ein Knopf ihres Hemdes war noch immer offen. Der Blick genügte aber nicht, um die lieblich geformten Geheimnisse darunter preiszugeben.
Corax beugte sich halb über seine Herrin. Er schob beide Arme unter ihren Leib. Dann wurde sie aus dem Bett gehoben und mit einer fließenden Bewegung so gedreht, dass sie sich bei Bedarf an seinen Schultern festhalten oder ihre Arme um seinen Hals schlingen könnte. Es war jedoch nicht nötig. Corax hatte sie sicher im Griff. Wie auf Wolken schwebend bewegte Azura sich gen Tür, fast lautlos. Erst dort knarrte das Holz etwas. Sie konnte das grimmige Ächzen ihres Trägers hören. Es war nicht leicht, eine Tür zu öffnen, wenn man eine Frau in den Armen trug. Letztendlich gelang es ihm. Tageslicht, aber kein Sonnenschein begrüßte die beiden, als sie das Deck betraten.
Corax fackelte nicht lange. Er rief klar und deutlich: "Herhören! Das Schiff steht ab sofort unter dem Kommando meiner Herrin Azura! Sie hat euren Kapitän für seine verachtenswerten Versuche, sie zu überwältigen und sich zu nehmen, was ihm gefiel, bestraft. Er ist nicht mehr. Wer meinen Worten nicht glaubt, kann sich gern davon überzeugen und schauen, was meine Herrin aus ihm gemacht hat. Sie wird Ähnliches mit jedem tun, der sich ihrem Willen widersetzt und ihr Wille ist es zum einen nach Andunie zu segeln. Zum anderen möchte sie ihre Augen von dem Anblick eures Abschaums von einstigem Kapitän reinwaschen und..."
Das Meer betrachten, hatte Corax noch sagen wollen, doch er wurde durch ähnlich klingende Aufschreie unterbrochen. Die Matrosen, welche sich teilweise schon mit gezogenen Waffen an Deck versammelten, rissen die Klingen nun hoch. Sie deuteten damit aber nicht auf die Eindringlinge, sondern nach links, nach Backbord.
"MEER!", "WELLE!", "ACHTUNG!", riefen sie wild durcheinander. Derweil türmte sich seitlich vom Schiff eine gigantische Wand aus sich überschlangendem Wasser auf. Die Gischt spritzte bereits über die Reling des Schiffes hinweg, fegte in die Gesichter jener, die diese Urgewalt der Natur anstarrten. Das oder eine Laune Venthas. Jedenfalls wuchs eine mächtige Welle bis zum Krähennest des Schiffes empor, legte einen riesigen Schatten über das Deck und brachte das Schiff in eine leichte Schieflage.
Corax schritt aus, um den Halt zu bewahren. Es gelang nur spärlich, so dass Azura etwas durchgerüttelt wurde. Ihr dunkelelfischer Begleiter starrte die Welle an. Dann taumelte er einen Schritt zurück, verlor das Gleichgewicht und stürzte an Deck, wo weitaus seetüchtigere Matrosen noch immer mit beiden Beinen fest auf dem Holz standen.
"Nein!", keuchte Corax. "Nein, nein, nein! Was tust du denn?! Nicht jetzt, nicht so! Sie wollte das Meer sehen, aber ... nicht .... SO!!!!" Die Natur, die Göttin Ventha, seine Schelmenmagie oder was immer es war kannte kein Erbarmen. Mit Eiseskälte stürzte das salzige Nass auf das Deck nieder, riss sämtliche Geschöpfe herunter und spülte sie in seine wartenden Fluten.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Dienstag 14. Dezember 2021, 20:29

Wenn es ihr besser gegangen wäre, hätte sie womöglich auf die Zeichen der Überforderung ihres dunkelelfischen Begleiters achten können. Nicht, dass sie diese tatsächlich berücksichtigt hätte, schließlich war sie es gewohnt, dass alles sich nach ihrem Willen richtete und sie nicht auf andere sehen musste. Doch womöglich hätten ihre zärtlichen Gefühle für ihn auch in dieser Hinsicht eine etwas... positivere Entwicklung bewirken können.
Aber im Moment war sie selbst es, die Hilfe, Zeit und Abstand von der Wirklichkeit brauchte, jemand, der sie hielt und ihr Geborgenheit vermittelte, sodass sie gar nicht in der Lage gewesen wäre, auf andere zu achten. Umso mehr zog sie sich instinktiv zurück, wenn er auf Abstand ging, weil es auch ihm zu viel wurde, und kroch nur langsam aus ihrem Schneckenhaus heraus, sobald er wieder bereit dazu war, sich ihr direkt zu widmen.
Das unnötige Blutbad, das er deswegen anrichtete, nahm sie lediglich am Rande wahr und das war vermutlich auch gut so, denn sonst hätte sich ihr Zustand nur verschlechtert und sie wohl oder übel auch noch ihres letzten Ankers beraubt. So hingegen blieb zumindest er ihr, als er sie hoch hob und in das optisch veränderte Bett zurück trug, in dem sie das Schlimmste aller weiblichen Schicksale hätte erleben sollen, wenn er nicht rechtzeitig eingegriffen hätte. Auch jetzt war sie alles andere als beteiligt daran, als er sie berührte, so, als spüre sie es nicht einmal richtig, so sehr war ihr Geist in Watte getaucht.
Lediglich ein Wunsch schaffte es, sich allmählich aus ihrem tiefsten Inneren hindurch seinen Weg zu bahnen und es bis auf ihre Zunge zu schaffen. Trotzdem waren ihre Laute stockend, als sie diese zu Worten zu formulieren versuchte, ihre Stimme trocken und irgendwie auch spröde. Aber es war verständlich und sorgte dafür, dass Bewegung neben ihr entstand. Sie selbst hätte nicht die Kraft gehabt, sich aufzurichten und in der Kabine nach einem Fenster Ausschau zu halten, das ihr Bedürfnis befriedigen könnte.
Er hingegen wurde aktiv und als er sie hochhob, schlang sie tatsächlich die Arme um seinen Hals. Zeitgleich schmiegte sie sich mit ihrer Wange an seine starke Schulter und senkte ihre Lider, schloss sie jedoch nicht zur Gänze. Dafür atmete sie tief seinen ihm eigenen Duft ein, der ihr so vertraut geworden war in der letzten Zeit, und fühlte sich geborgen. Jetzt noch das Rauschen des Meeres sowie dessen Anblick dazu und sie könnte sich sicherlich relativ rasch endlich von dem Schrecken erholen, um wieder zu ihrem alten Selbst zurück zu finden. Nun ja, zumindest zum Schein, denn etwas in ihrem Inneren hatte sich auf Dauer durchaus verändert. Sie würde schließlich Zeit benötigen, um all das Erlebte endlich einmal verdauen zu können, dann würde es auch ihr auffallen.
Während sie ein weiteres Mal damit begann, vor sich hin zu dämmern, kämpfte er darum, ihr ihren Wunsch zu erfüllen und das Hindernis in Form einer Tür zu überwinden. Als dies geschafft war und er hinauf an Deck trat, schloss sie tatsächlich die Augen und sog tief die salzige Brise in ihre Lungen. Oh ja, das tat gut!
Ein feiner, leiser Seufzer kam ihr über die Lippen, übertönt von seiner plötzlich erklingenden, kräftigen Stimme. Blinzelnd hob sie ihre Lider an und sah etwas verwirrt zu ihm auf, da seine Worte für sie noch nicht recht Sinn ergeben wollten. Allerdings... es war auch nicht wichtig. Er hielt sie fest und sicher, sie fühlte sich geborgen und sie spürte die Kraft des Meeres ganz dicht in ihrer Nähe.
Gerne wäre sie jetzt, mit diesem Wissen, einfach eingeschlafen und hätte so sich jene Pause verschafft, die ihr Geist brauchte. Doch irgendetwas... stimmte nicht. Azura konnte es nicht recht benennen, lediglich spüren und das deutlich genug, dass es ihr Bewusstsein zurück an die Oberfläche holte.
Mit einem Mal riss sie die Augen auf und in genau jenem Moment, in dem die Matrosen zu rufen begannen, sah auch sie instinktiv nach Backbord. Sie fühlte, dass von dort Gefahr drohte, und befreite sich aus seinen Armen, als ahne sie, dass dies gleich notwendig werden würde.
Es gelang ihr nicht zur Gänze, sodass sie mit ihm unsanft auf den Planken landete, als er aufgrund einer Welle das Gleichgewicht verlor. Ein Laut des Erstaunens entrang sich ihrer Kehle und sie rappelte sich in eine halb sitzende, halb liegende Position auf.
Während neben ihr jemand in dieser seltsamen, unverständlichen Sprache herum brabbelte, die sie schon öfter gehört hatte, starrte sie mit weit aufgerissenen Augen auf das Ungetüm an Welle, das sich vor ihnen allen aufbäumte. Obwohl sie wusste, dass sie fliehen sollte, rührte sie sich nicht vom Fleck, als wäre ihr ebenso klar, dass es so oder so keinen Sinn hätte.
Lediglich nach Luft schnappte sie instinktiv, als die Wasserfront auch schon zusammen brach und sie alle mit voller Wucht mit sich riss. Die Kälte presste ihr den Atem aus den Lungen, die sofort zu brennen begannen, und sie verlor sofort komplett die Orientierung.
Das Letzte, was ihr dabei durch den Kopf schoss, war, dass sie vielleicht doch hätte schwimmen lernen sollen. Aber das war in jenen Kreisen, in denen sie hatte verkehren können, verpönt und als unsinnig angesehen gewesen. Und selbst wenn sie es gekonnt hätte... bei dieser Macht des Meeres hätte wohl auch der beste Schwimmer ganz Celcias keine Chance gehabt!
Und ihre Wassermagie? Nein, nicht einmal in geschulter Form hätte sie ihr in diesen Momenten helfen können.
Nun käme also ihr Ende, eines in den nassen Fluten jenes Meeres, das sie so unbedingt noch hatte sehen wollen. Jetzt lernte sie es mit aller Macht kennen. Und dennoch... ihr Herzschlag blieb vorerst erstaunlich ruhig, während der Drang, nach Luft zu ringen, auch wenn keine rund um sie herum vorhanden war, immer stärker wurde.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 29. Dezember 2021, 15:53

Es war gar nicht das erwartete Nass, das anstelle von Luft und Sauerstoff ihre Lungen füllte, was Azura restlos aus ihrer Schläfrigkeit riss. Es war die Kälte. Selbst wenn Lysanthors Sonnenscheibe zur heißesten Jahreszeit am höchsten Punkt des Himmels stand, blieb eines bestehen: Das Meer war kalt. Mit dieser Härte wurde die Adlige nun schlagartig konfrontiert. Der Schatten der Riesenwelle war das Letzte, das ihr Blickfeld einfing, ehe sie über Azura hereinbrach. Dass sie dabei herumgerissen und sofort aus Corax' Armen entlassen wurde, spielte keine Rolle. Ebenso wenig, dass die salzigen Fluten ihren Körper wie ein zerbrechliches Blatt im Wind hin und her stießen. Sie spielten mit ihr und Azura konnte ihnen nichts entgegenbringen. Druck zerrte sie bleiern in die Tiefe, ehe sie von einer neuen Wellenströmung empor geschleudert wurde. Ein kurzer Salto durch die Luft, dann empfing das Meer sie schon wieder mit allem, was es zu bieten hatte. Vordergründig aber war und blieb es die Kälte. Sie konnte gar nicht so schnell empfinden, was mit ihr geschah, da fühlten sich jegliche Extremitäten bereits taub an. Im selben Moment schmerzten sie unsäglich, als würde das reine Nass ihre Haut vom Leib reißen wollen, während jeder einzelne Salztropfen ihr das Fleisch von den Knochen schälte. Und der Himmel über ihr sank in Dunkelheit. Aus dem Blau, das ihr ihren eigenen Namen gegebenen hatte, wurde erst ein sattes Nachtblau, dann schwarz. Schaute sie überhaupt noch gen Himmel oder war es der Grund des Ozeans, dem sie endlich langsam entgegen schwebte, weil sie dem wilden Wellenspiel entkommen war?
Und nun? Ein Atemzug würde ihre Lungen mit Wasser füllen. Dann ertrank sie - allein, umgeben von dem einzigen Element, dem sie bislang mehr vertraut hatte als den Lebenden. Auf das Wasser hatte sie sich immer verlassen können. Es brachte ihr Ruhe, die ihr nicht einmal Corax hatte geben können. Nun zeigte es sein wahres Gesicht. Es würde sie zu sich zurückholen, so wie es sie als Säugling aus der Flüssigkeit der Fruchtblase ihrer Mutter entlassen hatte. Ihr Leben begann mit Wasser und es würde damit enden. Allein. In Schwärze und Kälte.

~~~~~~~~~

Stille herrschte. Tatsächlich hatte Azura in ihrem jungen Leben schon eine Menge Formen von Stille erfahren dürfen und dadurch auch erkannt, dass sie unterschiedlich waren. Die Ruhe, die innerhalb einer Bibliothek oder während des Unterrichts beim Privatlehrer herrschte, war nicht zu vergleichen mit beispielsweise jener, wenn man mitten in der Nacht erwachte und auf nackten Sohlen durch das Haus schlich. Auch unterschied sich diese nachtschlafende Stille von der, wenn man mit einem Glas Wein beim sanften Knistern des Feuers am Kamin saß, eingekuschelt in eine der feinsten Decken, die ihr Vater auf dem Markt hatte erstehen können. Vielleicht zählte Azura aber auch die Stille eines Regentages zu ihren Favoriten, wenn der Himmel dunkel war und man von Ferne ein dumpfes Gewittergrollen wahrnehmen konnte. Dann beobachtete sie die Tropfen, welche gegen ihr Fenster prasselten, nur um dann träge am teuren Glas herab zu rinnen. Und nicht zuletzt gab es da die Stille, welches sie beim Anblick des Meeres vollends einnahm. Dann wurde sie selbst ganz schweigsam, starrte auf die blaue Weite, deren Grenzen zwischen Wasser und Horizon kaum noch auszumachen waren. Sie bedeuteten tiefsten Frieden.
Friedlich war es auch jetzt, außerdem still. Und doch drangen Geräusche an ihre Ohren, die sie langsam aus einer totengleichen Ohnmacht zurück ins Leben riefen. Ein gemächliches Blubbern von irgendwoher vermischte sich mit dem lautlosen Wirbeln eines Schwarms aus schillernden Schuppen, der bei ihrer kleinsten Regung auseinanderstob und sich im Schutz der Masse in die Tiefen davon machte. Tiefstes Blau, fast schwarz, empfing sie. Aber der Grund, auf dem Azura lag, glänzte in einem so sanften Weißgelb, als lägte sie auf pulverisiertem Mattgold. Dazwischen entdeckten ihre Augen kleine Kiesel, Muscheln und sogar irgendein Meerestierchen, das sich soeben darin eingrub. Sie lag auf Sand, fühlte aber schnell, dass er nicht trocken war. Nichts um sie herum besaß diesen Zustand. Im Gegenteil, zusammen mit der von Gräuschen und Klängen gefüllten Stille herrschte Nässe vor. Sie war nicht unangenehm, vielleicht nur ein bisschen frisch. Aber schon strich eine wärmere Strömung über sie hinweg, die Azuras Aufmerksamkeit gefangen nahm und ihren Blick empor richtete.
Von oben, von sehr weit oben, drang Licht bis zum Grund herab, auf dem sie lag. Es suchte sich seinen Weg als gerade Säulen, die nur schwach ihre eigentlich sonnige Farbe besaßen. Stattdessen erhellten sie in verschieden starker Intensität nur das vorherrschende Schwarzblau der Tiefe, so dass es an vielen Stellen heller erschien. Gelegentlich mischte sich sogar ein weicher Grünton hinein. Am Grund trafen die Lichtsäulen dann auf Tang bewachsene Felsen, zwischen denen Aale, Fische und Krebse umher irrten.
Die Erkenntnis drang in Azuras Bewusstsein durch. Der Meeresboden. Aber sie war nicht ertrunken. Sie war nicht tot. Wie aus einem Reflex heraus wollte ihr Körper atmen und sie versuchte, ihre Lungen mit Luft zu füllen, auch wenn es irrational war. Denn am Meeresgrund existierte keine ... oh wie gut es tat, durchzuatmen! Auch wenn es sich seltsam anders anfühlte. Irgendwie nutzte sie weder Mund, noch Nase, um den Sauerstoff in ihre Lungen zu bekommen. Sie atmete auch keine Luft, sondern Wasser und ein kühles Einströmen dessen verspürte sie knapp unterhalb ihrer Rippenbögen. Sollte Azura sich diese Stelle anschauen oder sie gar berühren, würde sie auf jeder Seite ihrer Rippen die drei seltsamen Schlitze erkennen, die an Lamellen erinnerten. Sie sogen das Wasser in ihren Körper, filterten den notwendigen Sauerstoff heraus und gaben den Rest wieder an ihre Umgebung ab. Kiemen! Sie besaß Kiemen!
Und sollte Azura weiter an sich herabschauen, würde sie erkennen, dass eine noch weitaus größere Veränderung stattgefunden hatte. Ihre Hüften endeten nicht in den stets sorgsam enthaarten und gepflegten Beinen oder ihren kleinen Füßen, sondern in einem gewaltigen Fischschwanz, der etwa zwei Drittel ihres Körpers ausmachte. Zusammen mit ihren Locken bewegte er sich gemächlich in den lauen Strömungen, die vorherrschten. Die launische Ventha hatte ihr die Form einer Meeresgestalt geschenkt, anstelle sie durch das Meer umzubringen! Sie konnte unter Wasser sehen, atmen und fühlte sich ... irgendwie wohl. Wie ein Fisch im Wasser eben. Und ebenso wie jener trug sie außer Haut und Schuppen keine Kleidung mehr am Körper.

Mod-Hinweis: Ich habe bewusst darauf verzichtet, dein meerjungfräuliches Äußeres zu beschreiben, denn die Optik überlasse ich dir. In deinem nächsten Post darfst du vollauf auf Form, Farbe und Zierde eingehen. Gern kannst du dir auch Schuppen oder Finnen an anderen Körperstellen (z.B. Ohren, Unterarme etc.) andichten. Aber bitte keinen Muschel-BH ;)
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Dienstag 4. Januar 2022, 12:10

Noch nie hatte sie solch eine allumfassende Kälte verspürt, die allein schon dazu angetan war, ihr die verbliebene Luft aus den Lungen zu pressen. Es machte sie schlagartig wach und zugleich vermittelte es ihr eine Ruhe, die sie nicht begreifen konnte. Ihr war, als wäre nun alles vorbei und sie wisse darum, sodass sich eine Gegenwehr gar nicht erst lohnen würde. Als wenn sie das Ende bereits sehen könnte und ihr klar wäre, dass es für sie schmerzfreier wäre, wenn sie sich einfach dorthin treiben lassen würde.
Zugleich hätte sie ohnehin keine Chance gegen die Naturgewalt der See gehabt, die mit ihr zu spielen schien, indem sie hin und her geschleudert wurde wie eine Puppe. Einmal kam sie dabei auch lang genug an die Oberfläche, um instinktiv nach Luft zu schnappen, wobei sie dies wohl zum letzten Mal in ihrem Leben tun würde.
Danach gab es nichts weiter als Stille, Nässe und Kälte. Die Welt um sie herum wurde dunkler und irgendwann begannen ihr die Sinne zu schwinden. Der letzte Gedanke, den sie noch zu fassen bekam, drehte sich um ihren Begleiter und dessen Körperwärme, ehe es um sie herum vollkommen finster wurde. Allerletzte Luftblasen entkamen ihren sich öffnenden Lippen, während ihr Leib reglos immer tiefer sank.

Wie viel Zeit vergangen war, konnte sie nicht feststellen, denn hier, nahe des Grunds des Meeres, gab es absolut keinen Anhaltspunkt, an dem sie sich hätte orientieren können, als sie die Augen wieder aufschlug. Instinktiv öffnete sie ihren Mund weit und rang nach Luft. Doch statt dieser schwappte nur eine Ladung salziges Nass hinein. Und dennoch hatte sie nicht das Gefühl, gleich ersticken und ertrinken zu müssen, sondern trotz allem mit lebensnotwendigem Sauerstoff versorgt zu werden.
Verwirrt blinzelte sie und schloss ihre Lippen wieder. Aufgrund ihrer Umgebung wurde sie das Wasser zwar nicht los, hatte aber auch kein schlechtes Gefühl dabei, diese Menge kurzerhand zu schlucken. Blinzelnd sah sie sich um und begriff erst einmal gar nichts.
Es war nicht sonderlich hell um sie herum und trotzdem hatte sie erstaunlicherweise keine sonderlich großen Probleme damit, ihr näheres Umfeld zu sehen. Auch war die Stille um sie herum nicht vollkommen, wurde immer wieder von leisen Geräuschen durchbrochen, ohne wirklich störend zu sein. Hinzu kam die Kälte, die sie noch immer umgab und dennoch nicht länger wie mit unzähligen Nadeln in ihre Haut stach, sondern viel eher wie immer sich anfühlte. Umso intensiver fühlte sich jener warme Strom an, der sie erfasste und ihre Aufmerksamkeit auf sich lenkte. Obwohl sie es nur spüren, aber bei weitem nicht verstehen konnte, folgte ihr Blick der Wärme und richtete sich allmählich in die Höhe.
Weit, weit über ihr wurde die Umgebung heller. Irgendetwas in ihr sagte ihr, sie solle dort hinauf und könne dann richtig Luft holen, wenngleich ihr Körper diesen Impuls nicht länger zu benötigen schien. Warum, das verstand sie nicht. Aber es reichte aus, um ihr bewusst zu machen, dass sie noch immer auf einem unbekannten Untergrund lag und es Zeit wurde, ihre Kräfte zu sammeln und sich aufzurappeln.
Das war gar nicht so einfach, denn als sie ihre Hände abstützte, gab der Boden, der sich als feinkörnig herausstellte, ein wenig nach und sie sank leicht ein. Verwirrt blinzelte sie einen Moment lang und starrte auf ihre Linke, ehe sie sich darüber klar wurde und sich dennoch in eine zumindest sitzende Position hochdrücken konnte.
Auch hätte sie sicherlich versucht, aufzustehen, wenn in diesem Moment nicht ein Fisch direkt vor ihre Nase an ihr vorbei geschwommen wäre. Eines seiner Augen starrte sie dabei direkt an, ehe er sich abwandte und gemächlich das Weite suchte, als wäre es vollkommen normal, sie zu sehen.
Und als wäre das noch nicht wunderlich genug, gab es noch eine Regung in ihrem Augenwinkel, die ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein Fetzen Stoff sank gerade in Richtung Boden, der ihr irgendwie bekann vorkam. Instinktiv griff sie danach und zog das Stück an sich heran, befühlte es und konnte die Erinnerung dennoch nicht völlig greifen. Dabei wollte sie endgültig aufstehen und sich ein wenig bewegen, als könne sie dadurch auch ihre Gedanken in die richtigen Bahnen lenken.
Das Problem war nur... sie bekam ihre Beine nicht auseinander! Verständnislos blinzelnd sah sie an sich selbst herab und begiff noch viel weniger, was ihren Augen da geboten wurde. Denn von der Hüfte abwärts sah ihr Körper komplett anders aus, als sie es gewohnt war. Blau-grün schimmernde Schuppen bedeckten sie und schillerten mal stärker grünlich, mal mehr bläulich, je nachdem, wie der Winkel des Lichteinfalls war. Auch konnte sie keine Füße mehr erkennen, sondern diese neue Hülle endete in zwei durchscheinend, grünlichen Flossen, wie sie Fische für gewöhnlich hatten.
Damit nicht genug, endeten die Schuppen nicht an ihrer Hüfte, sondern zogen sich, wie in einem Wellenmuster, ihren Oberkörper hinauf bis zu ihren Schultern. Dazwischen leuchtete noch ihre gewohnte, blasse, menschliche Haut, ohne, dass sie sich einer Blöße hätte schämen müssen. Jedes Mal, wenn sie instinktiv einatmete und sich ihr Brustkorb weitete, zeigten sich an den Seiten ihrer Rippen mehrere dunkle Linien, durch die kühles, sauerstoffreiches Wasser eingesogen wurde.
An den Armen selbst hatte sie keine Schuppen, zumindest konnte sie keine erkennen, lediglich solch durchscheinende Flossen sprossen nun aus ihren Ellbogen, kleiner als unten bei ihrem Fischschwanz, jedoch nicht zu leugnen.
Das verstand sie absolut nicht und so saß sie, bis auf ihre Haare, die sich im Wasser sacht bewegten, regungslos auf dem Meeresboden und starrte sich an, als würde sie sich zum ersten Mal in ihrem Leben sehen. Was in dieser Form auch wahrlich zutraf!
Was war hier nur geschehen? Träumte sie etwa?! Oder war sie tot und befand sich in einem Reich, wie sie es sich niemals hätte ausmalen können?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 9. Januar 2022, 11:33

Es war bizarr, wie sich alles doch so gewohnt und zugleich befremdlich anfühlen konnte. Azura fühlte sich wie in einem einzigen Widerspruch gefangen, als sie langsam damit begann, sich ihrer Umgebung bewusst zu werden. Der Sand unter ihren Fingern war ihr vertraut. Ebenso die Tatsache, dass er nachgab, wenn sie sich darauf abstützte und dann feine Sandwirbel an das Meereswasser abgab. Zugleich erlebte sie hier etwas Neues. Neu genug, um ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Gleichermaßen verhielt es sich mit ihrer Atmung. Sie funktionierte und niemals dachte man darüber nach, solange einem nicht die Luft ausging. Sie wusste um die kühle Strömung, die sich durch ihre Kiemen bewegte, wenn sie den Brustkorb zum Luftholen ein wenig anspannte. Gleichzeitig weckte es aber in ihr das Bedürfnis, lieber Mund und Nase zu verwenden. An der Oberfläche konnte sie das, wenn sie wollte...
Die Oberfläche. Ihr Blick glitt automatisch empor, in hellere Gefilde. Ihre Augen hatten kein Problem damit, sich dem reinen Salzwasser auszusetzen. Selbst ihre Haaren schienen im seichten Spiel der Strömungen nur umso voller und schöner zu wirken. Zwei vorwitzige Fische schwommen hindurch, als sei es leicht gewellter, rotblonder Tang. Sie spielten für einen Moment damit, ehe sie wieder ihrer Wege zogen. Am Meeresgrund bewegten sich hier und da Seesterne über den Grund. Ein krebsartiges Wesen mit langen Fühlern lugte unter einer Gruppe aus Meereskieseln hervor. In der Ferne erkannte sie einen größeren Schatten, der sich nur schwach von den dunklen Nuancen der Gewässer abhob.
Korallen waren nur wenige zu sehen, aber sie erinnerten an astartige Gewinde mit unnatürlichen, jedoch schönen Farben. Keine Blätter zierten sie, aber zwischen den roten und violetten Knoten ihrer Zweige schmiegten sich topfartige Gebilde in allerlei schönen Farben. Gelb und Blau waren sie, teilweise mit roten oder orange farbenen Sprenkeln. Manche schienen gesshlossen, aber jene, die ihren oberen Abschnitt geöffnet hatten, besaßen eine Art Haarschopf aus armdicken Strähnen, die an Zungen oder besonders fleischige Blätter erinnerten. Fische schwammen hindurch. Wasserblasen entstiegen ihnen. Man konnte so viel Schönes hier am Meeresgrund entdecken!
Azura selbst zählte auch dazu, wie sie nun feststellen musste. Sie war ein Teil dieser Welt. Sie besaß einen langen Fischschwanz, der in zwei grünlichen Flossen endete und bei jeder Bewegung die Schuppen in einer Mischung aus Blau und Grün schillern ließ. Kurz blitzte in ihrer Erinnerung ein Bild von einem Tanzball auf und sie selbst, mit Beinen, in einem blauen Paillettenkleid. Diese Erinnerung ... vertraut und befremdlich zugleich.
Sacht bewegte Azura ihren Unterleib, denn Beine besaß sie keine mehr. Trotzdem schien sie instinktiv zu wissen, wie sie die Flossen tanzen lassen musste, damit das Wasser darunter ihr genug Auftrieb verschaffte, um sich bei Bedarf durch die Tiefen der Meereswelten zu stoßen. Solange sie ihren Fischschwanz aber nicht aktiv zum Schwimmen einsetzte, schwebten die halb durchsichtigen Flossen grünen Schleiern gleich hinter ihr her. Wiederholt erschien ein Bild vor ihrem inneren Auge. Es zeigte einen Tanzball, sie im Pailetten-Schuppenkleid mit einer durchsichtigen Schleppe über den Schultern und einem Schleier vor dem Gesicht, damit kein Unwürdiger ihr bezauberndes Antlitz erblicken könnte. Zugleich betonte dieser Schleier ihre Augen, ließ sie hervorstechen wie ... wie ...
Wie der Schatten, der nun mit wachsender Geschwindigkeit auf sie zuhielt. Was immer es war, es hatte ihre Bewegungen bemerkt und sah in ihr nun wohl eine Beute, denn es schnellte zielstrebig in ihre Richtung. Dabei wuchs der Schatten nicht nur in alle Richtungen, es bildeten sich sogar Formen heraus. Azura erkannte viele, um sich schlingernde Enden, die das Etwas über den Meeresboden transportierten oder aber mit ähnlichem Schwung das Wasser beiseite trieben wie sie es mit ihrer Fischflosse würde tun können. Sie schlängelten sich zahllos, drehten sich um sich selbst oder gaben ein sanftes Ploppen mit reichlich Luftblasen von sich, wenn sie kurz an einem Felsen andockten, nur um sich anschließend erneut mit Schwung zu lösen. Es bestand kein Zweifel, was da auf sie zukam. Acht gewaltige schwarze Arme, mit grauen Saugnäpfen. Ein riesiger Oktopus hatte sie entdeckt. Er bewegte sich voran, richtete dabei seinen humanoiden Oberkörper etwas weiter nach vorn und streckte die menschlichen Arme nach ihr aus.
Da meldete sich Azuras Bildung. Als andunische Adlige hatte sie in ihrem Privatunterricht natürlich auch Themen wie Seefahrt und Meeresbiologie abgehandelt, mal mit mehr, mal mit weniger Interesse. Aber sie wusste, dass die klassichen Meerestiere nicht mit einem humanoiden Körper gesegnet worden waren. Einzig die Aquaden bildeten eine Ausnahme, aber von ihnen hatte sie erst unter Kapitän Gilles erfahren. War das hier einer von diesen froschartigen Fischlöpfen? Würde er sie gleich angreifen, verschlingen? Sein blutroter Blick richtete sich auf sie, leuchtete wie die verzeinzelten Rubinschuppen, die seinen ansonsten, geschmeidigen schwarzen Körper sprenkelten.
Das Wesen öffnete seinen Mund. Azura erkannte eine Reihe gespitzter Zähne ... wie die ihren, wie sie mit einem sanften Streichen ihrer Zunge über die Zahnreihen feststellen würde. Das Wesen stieß einige Luftblasen aus, ehe es ihre Arme mit den seinen - den menschlichen - packte. Derweil schlingerten die acht Tentakelarme um ihren Leib. Einige umschlangen bereits ihren Fischschwanz, dann sie, hielten sie und drückten sie enger in die Umarmung des Meereswesens, das mit vertrauter Stimme ihr Ohr erreichte.
"Da bist du ja. Ich hab den halben Ozean nach dir abgesucht, Herrin."
Corax besaß seine ursprüngliche Hautfarbe, überzogen mit vereinzelten roten Schuppen. Sie schillerten ähnlich seiner Rubinaugen. Die Spitzohren waren nun weiter ausgeprägt, ähnelten Fächern aus verstärkten Hautlappen, zwischen denen sich eine dünne, graue Hautmembran gebildet hatte, so dass seine Ohren längeren Versionen der Finnen ähnelten, die Azura an den Unterarmen trug. Er besaß kein Haar mehr. Stattdessen trug er einen Schopf aus tangähnlichen, schwarzen Tentakeln auf dem Kopf. Sie bewegten sich aber eigen im Wasser. Er schien sie nicht so kontrollieren zu können wie die meterlangen Saugnapfarme oder -beine, die er für eine Ganzkörperumarmung bei Azura nutzte. Er drückte sie eng an sich, fühlte sich warm und eher geschmeidig denn glitschig an. Aber er roch leicht fischig, wie sie selbst. Und er war nackt wie sie selbst. Zumindest ihrer beider Oberkörper, nach unten hin trugen sie schließlich nun Fischartiges.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Montag 14. Februar 2022, 21:42

Was auch immer hier gerade vor sich ging... sie konnte es nicht recht begreifen. Es hatte sich etwas geändert, sogar sie selbst hatte sich verändert und dennoch wusste sie nicht, warum und wie. Aber wen könnte sie fragen? Wo befand sie sich überhaupt?! Irgendwie im Wasser und dennoch konnte sie atmen, ertrank dabei nicht. Außerdem fühlte sie, dass das Nass kühl war, aber ihr wurde nicht kalt dadurch.
Es war fast so, als... ja, als fühle sie sich endlich wohl und vollständig, obwohl das eigentlich Unsinn war. Schließlich war sie ein Mensch und lediglich durch ihre magische Veranlagung hatte sie sich stets dem Wasser verbunden gefühlt. Zumindest, solange sie es nicht übertrieb und sich dabei selbst schadete. Erst in der Zwergenstadt bei den heißen Quellen hatte sie ja bewiesen, dass sie bei zu starker Magie vor Schwäche in Ohnmacht sank.
Und jetzt? Warum also lebte sie noch und hatte nicht das Gefühl, als würde in ihrem Inneren ihre Lebensflamme gelöscht werden? Setzte sie gerade unbewusst eigentlich ihre Magie ein, ohne es zu übertreiben? Nein, auch wenn sie in sich hinein lauschte, empfand sie es nicht so, als wenn sie aktiv an diesem neuen Zustand etwas beigetragen hätte, das sie hätte zusetzen können.
Dennoch... als sie einen Blick für ihr Aussehen entwickelte nach all ihren bisherigen Gedanken, musste sie feststellen, dass sie nicht mehr die menschliche, andunische Adelstochter war, als die sie sich selbst bislang wahrgenommen hatte. Stattdessen hatte sich vor allem ihr Unterleib in einer Art und Weise verändert, die sie sprachlos machte.
Wie war das möglich? Was... war sie geworden?! Und... warum...? War das wieder umkehrbar? Oder würde sie für den Rest ihres Lebens so... bleiben müssen? Ein äußerst beängstigender Gedanke, der sie schwer schlucken ließ.
Zeitgleich eröffnete sich ihrem Blick eine Welt der Schönheit, die ihr den Atem stocken lassen konnte, wenn sie sich nicht so verwirrt gefühlt hätte. Schon immer hatten die Wellen sie fasziniert, das Spiel der Farben und deren Vielfalt. Doch in eine derartige Tiefe mit all ihrer Pracht hätte sie niemals sehen können.
Nun hingegen bot sich ihr nicht nur diese unerwartete Möglichkeit, sondern ihr war auch, als hätte sich ihre Sehkraft verändert, nahm sie Nuancen wahr, die sie nie für denkbar gehalten hätte. Das betraf nicht nur die Verschiedenartigkeit der Fische, auch die Schattierungen des Lichts von der Oberfläche bis hin zum Meeresgrund und dessen Bewohner. Hätte sie mehr Zeit gehabt und bereits Antworten erhalten, hätte sie sich sicherlich in der Bewunderung dieser für sie neuen Welt verlieren können.
So hingegen spürte sie eine gewisse Unruhe, die sie zum Handeln, zum Suchen drängte. Zeitgleich blitzten Bilder vor ihrem geistige Auge auf, die sie in verschiedenen Kleidern zeigten, zu ähnlichen Anlässen und sich dennoch nicht greifen ließen. Gerade wollte sie sich darauf konzentrieren, um es besser begreifen zu können, als eine Bewegung sie davon abhielt, da sie zu ablenkend war, um sie zu ignorieren. Sie war stärker als diejenigen in ihrer übrigen Umgebung und wie, als würde es sich um einen Magneten handeln, würde ihre Aufmerksamkeit davon angezogen, noch ehe sie sich darüber klar werden konnte.
Zuerst waren die Form und der Ursprung nicht wirklich auszumachen. Ja, sie kniff sogar ihre Augen ein wenig zusammen, als könne sie es so besser erkennen. Ganz besonders, um rechtzeitig die Flucht zu ergreifen, sollte es sich um drohendes Unheil handeln.
Das gelang ihr nicht wirklich und als es soweit war, war sie derart perplex von dieser seltsamen, körperlichen Mischung, dass sie ohnehin nicht fähig war, sich zu rühren. Solange, bis menschliche Hände nach ihren Armen griffen und sie instinktiv leicht zusammen zuckte, ehe sie sich versteifte. Lediglich ihr Fischschwanz bewegte sich minimal, damit sie sich selbst aufrecht halten konnte und nicht abhängig von seinem Halt wurde. Ihre Augen hatten sich leicht geweitet und wie als Äquivalent zu ihrer früheren Atmung arbeiteten ihre Kiemen rascher, was sich an den kleinen Luftblasen zeigte, die verstärkt von ihrer Seite aus aufstiegen.
Erst die vertraute Stimme ließ sie blinzeln und dämpfte ihre aufsteigende Angst ein wenig, denn sie weckte Erinnerungen und das Gefühl von Kennen. Trotzdem begriff sie die Wandlung dieser Person nicht, noch weniger als ihre eigene, sodass sie mehrmals ihren Blick an ihm auf- und abgleiten lassen musste. Ohne danach mehr zu verstehen.
Immerhin reichte es aus, dass sie sich nicht sträubte oder in Panik verfiel, als die Arme voller Saugnäpfe sich um sie schlossen und fest an den warmen, zum Teil noch männlichen Körper drückten. Zwar wurde sie nicht weich oder schmiegte sich an ihn, allerdings ließ sie es zu und blieb einige Momente so, ehe sie sich langsam wieder zu befreien versuchte. Nicht vehement oder hektiv, jedoch auch nicht schwächlich, als würde sie das nur anstandshalber tun.
"Was...", kam es ihr über die Lippen und klang genauso seltsam wie seine Worte zuvor. Gedämpft und dennoch klar, obwohl es eigentlich unmöglich sein müsste, sich an diesem Ort zu unterhalten. Andererseits... auch ihrer beider Aussehen war eigentlich vollkommen unmöglich... hätte sie gedacht.
Schließlich entwand sie sich seiner Umarmung, blieb aber nahe genug, um nicht den Eindruck zu erwecken, vor ihm fliehen zu wollen. Ihr Blick indes suchte den seinen, dessen Röte vertraut und anziehend geblieben war. "Was... geht hier vor sich? Was ist passiert? Wo sind wir?", kam es ihr anfangs langsam, mit jedem Wort aber immer schneller und drängender über die Lippen.
Womit sie wieder in einer Situation waren, wie schon so häufig, seit sie einander begegnet waren: Azura verstand die Welt um sich herum nicht und wollte von ihm Antworten darauf, als ob es selbstverständlich wäre, dass er dieses Wissen besaß.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 20. Februar 2022, 08:26

Schon einmal hatte Azura einen Blick auf das farbenfrohe Paradies werfen können, das sich in den Tiefen des Meeres befand. Ein verborgenes Reich voller Wunder, die sich kein noch so erfahrener Fischer vorstellen könnte, kein Seemann oder Kapitän einer ganzen Flotte. Nein, keiner von ihnen kannte die Zauberwelt der Ozeane, weil keiner von ihnen jemals so tief in das Element eingetaucht war wie Azura nun. Auch ihr eröffnete sich eine vollkommen neue Welt. Damals noch durch das Bullauge im Zwergenschiff gesehen befand sie sich nun selbst inmitten all dieser Wunder. Sie konnte die vorherrschenden Strömungen spüren, wie sie sanft ihre teils geschuppte Haut streichelten und ihre Schwanzflossen zum erzittern brachten. Sie schmeckte und roch die salzigen Nuancen ihrer Umgebung und es existierte kein Unterschied zu einem Leben an Land. Wenn sie in der Zeit des Erwachens zwischen den erblühenden Apfelplantagen flaniert war, um ihren neuesten Hut und die Rüschen ihres Kleides dem einfachen Volk zu präsentieren, da hatte sie bei jedem Atemzug die feine Süße der Blüten auf gleiche Weise wahrnehmen können.
Trotzdem stellte ihre aktuelle Situationen sie vor Herausforderungen. Allen voran konnte sie die Lage nicht begreifen. Wie war es geschehen, dass sie problemlos in einer Unterwasserwelt überdauern konnte? Warum ertrank sie nicht? Warum hatte sie sich in ein halbes Fischgeschöpf verwandelt? Und wo war das Schiff, das sie hätte nach Andunie bringen sollen? Wo war...?
Zunächst hatte Azura Schwierigkeiten, ihn zu erkennen. Kein Wunder, sah er doch wie sie selbst ganz anders aus als die Erinnerungen an ihn. Er besaß niemals zuvor so viele ... Arme? Beine? Ein Wald aus Saugnäpfen und schlingernden Tentakeln tanzte um ihren Leib, schuf einen Vorhang, vor dem der eigentliche Kern des ganzen nun auftrat. Fast erschien es ihr, dass sein Oberkörper, sein Gesicht und nicht zuletzt diese edelsteinartig glitzernden Augen gerade jetzt von einem Lichtstrahl erfasst wurden, der sich einen Weg zu ihnen beiden auf den Meeresgrund suchte. Er holte das Vertraute aus dieser doch unheimlich anmutenden Gestalt aus Schwärze und unzählichen Armen - Beinen? - hervor.
Die Stimme, die sie überraschenderweise beinahe ganz normal in der Tiefe hören konnte, beruhigte Azura. Er klang ein wenig dumpf, wie durch dicken Stoff hindurch, aber sie kannte den Klang. Sie wusste, welche Emotionen er in ihr wecken konnte, wenn er mit diesem Klang und einer Spur Erregung ihren Namen raunte. Erneut tauchte Azura in ein Meer ein, dieses Mal eines der Geborgenheit. Vielleicht lag es aber auch daran, dass der Besitzer dieser Stimme sie nach und nach mit seinen schwarzen Tentakeln in Empfang nahm und ihren Leib umschlang. Dabei klebten sich die Saugnäpfe nicht an ihrer Schuppenflosse fest, sondern wanderten mit zarter Vibration, einem Kirbbeln gleich, an ihr entlang.
Und einer platzenden Luftblase gleich drang die Erinnerung an seinen Namen sofort zu ihr durch. Corax. Obgleich er anders ausschaute, wie sie selbst, war er es doch immer noch. Langsam und dennoch bestimmt löste sie sich aus der zehnfachen Umarmung. Corax zog seine Tentakeln zurück, behielt die Hände aber in den ihren. Aufmerksam schaute er sie an.
"Was ... geht hier vor sich? Was ist passiert? Wo sind wir hier?"
Nun war es an dem halbelfischen Oktopus, zu blinzeln. Wenigstens besaß er die Lider dazu. Überhaupt war all sein Elfisches sowohl am Oberkörper als auch im Gesicht geblieben, sah man einmal von den vereinzelten, wie Rubinsplitter schimmernden Schuppen auf seiner Haut und der Reihe spitzer Zähne ab.
"Ich verstehe nicht", entgegnete er. "Was meinst du? Wirkst du deshalb so verwirrt?" Das grinste er, löste sich ganz und verschränkte in einer besserwisserischen Haltung die Arme vor der Brust. "Du hast dich also verschwommen. Ja, das ahnte ich schon, als ich dich nicht finden konnte. Abenteuerlustig mit einer Spur Risiko, das machte dich ja schon immer aus, Herrin." Er zog die Brauen mürrisch zusammen. "Aber mir machst du damit nur unnötige Arbeit. An eine dieser seltsamen Eisenketten sollte ich dich binden, damit du mir nicht mehr verloren gehst. Du weißt schon, diese dicken kalten Metallketten mit den Haken daran ... damit die Oberflächenwale aus Holz nicht von der Strömung mitgerissen werden." Er wartete eine Weile ab, dass Azura seine Beschreibung verstand. Dann stöhnte er auf. "Ich spreche von Schiffen. Oh, was ist nur mit dir los, Herrin? Bist du in einen Strudel geraten, der deinen Kopf durcheinander gebracht hat?"
Noch einmal ließ er ihr Gelegenheit, die Worte etwas sacken zu lassen. Dann verdrehte Corax die Augen und stöhnte erneut auf, so dass ein kleiner Schwall Luftblasen seinen Körper umtanzte. "Also gut, ich bringe dich noch einmal auf den aktuellen Stand. Dein Kopf scheint ja plötzlich an der Oberfläche zu sein - was dir im Übrigen nicht gut tut, das weißt du. Da gibt es ... so ... viel ... Luft!" Er spuckte voll Abscheu. Das Meer besaß nun einen kleinen schwebenden Klecks seines Speichels.
"Nagut, ganz von vorn: Du bist Azura, eines der besonderen Meereswesen. Denn weder du noch ich sind Aquaden, obwohl wir bei ihnen leben könnten. Du bevorzugst es jedoch, frei zu sein und bist somit nicht nur meine Herrin, sondern auch die Herrin der Ozeane." Dass nur Corax allein ihr den Titel gab, war deutlich heraus zu hören. Von irgendeiner offiziellen Seite gab es darauf wohl nicht den geringsten Anspruch. "Jeden Tag suchst du auf's Neue das Abenteuer und ich habe reichlich Ärger damit, dich aus Gefahren herauszuhalten. Vor einigen Tagen gerieten wir deinetwegen in einen Sturm, der zwar mehr an der Oberfläche stattfand, letztendlich aber die Strömungen in Wallung gebracht und dich fortgerissen hat. Natürlich nur, weil du wieder einmal nicht still sitzen konntest und alles aus nächster Nähe sehen musstest. Wenigstens verschaffte es mir einen besonderen ... Ausnahmeleckerbissen." Er grinste erneut auf, während sich vor Azuras geistigem Auge andere Bilder abspielten. Je mehr Corax sprach, desto deutlicher drang Kapitän Gilles, ihre Fahrt auf seinem Schiff und die riesige Welle zurück in ihr Gedächtnis, die alle Menschen an Bord erfasst und in die Tiefe gerissen hatte. Corax hingegen erwähnte nichts davon mit auch nur einem Wort. Warum erinnerte nur sie sich daran?!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Mittwoch 2. März 2022, 21:03

Eine Erinnerung blitzte vor ihrem inneren Auge auf, die Sicht aus einem kleinen, runden Fenster, ständig schwankende Planken unter den Füßen... und ein warmer Körper in ihrem Rücken, dessen Geruch ihr in die Nase stieg. Wohltuend und anregend, sie auf eine Art und Weise reizend, die sie zuvor noch nie erlebt hatte.
Es kam ihr vor wie ein anderes Leben, als sie um ihre Haarpracht trauerte, gekettet war an diese Person, diesen... Mann und definitiv im Trockenen gewesen war, auf den eigenen, beiden Beinen stehend. Die sie nun definitiv nicht besaß, sondern einen Fischschwanz, der sich instinktiv in einem gemächlichen Tempo bewegte, um sie an Ort und Stelle zu halten.
In einer Umgebung, die ihr vertraut und fremd zugleich war. Warum? Hatte sie dieses Leben an Land, das sie eindeutig besessen hatte, nur geträumt? War sie schlichtweg aufgewacht und musste erst wieder die Realität als solche erkennen lernen? Oder war es umgekehrt? Träumte sie gerade und hielt das nur solange für wirklich, bis sie wieder aufwachen würde?
Aber... es fühlte sich einfach echt an, was hier gerade um sie herum geschah und was sie zu sehen bekam. Nein, da steckte irgendetwas anderes dahinter und dem musste sie auf den Grund gehen. Also theoretisch... so bald wie möglich, weil... weil... Ja, weil sie wieder an die Oberfläche wollte. Da gab es schließlich noch ihre Mutter und ihren Stiefvater, die sie hatte suchen wollen.
Und ihr altes Leben, das sie zurück wollte. Obwohl letzteres noch schwieriger als das andere werden würde nach all der Zerstörung, die in Andunie stattgefunden hatte. Die sie aus ihrem bisherigen, verwöhnten Dasein gerissen und an einen Mann gekettet hatten, der sie auf mehrere Varianten in den Wahnsinn zu treiben verstand. Der ebenfalls von der mächtigen Welle mitgerissen worden war...
Noch bevor sie klar genug denken und sich Sorgen um ihn machen konnte, tauchte dieses seltsame Wesen in ihrem näheren Umfeld auf und kam auf sie zu. Es dauerte etwas, bis ihre Sinne ausreichend Ähnlichkeiten wahrnehmen konnten, um ihr die Angst und den Fluchtimpuls sowie die Verwirrung soweit zu nehmen, dass sie ihm ein wenig Vertrautheit zuschreiben konnte.
Genau rechtzeitig, als sich so viele Arme um sie schlangen und in ihrem Griff hielten, sanft und keineswegs so, als wolle er sie gleich verschlingen. Trotzdem wollte sie auf diese Weise nicht zu lange verharren, denn er war derjenige, dem sie ihre Fragen stellen konnte, wollte und auch musste, die ihr immer stärker auf der Seele brannten.
Also löste sie sich behutsam von ihm und musste sich darum bemühen, ihn nicht ständig zu mustern wie einen Fremden, sondern ihm in die Augen zu sehen, die als eines der wenigen noch so waren wie in ihrer Erinnerung... oder ihren Träumen, das konnte sie schließlich noch immer nicht sagen. Nur war seine Antwort nicht gerade... hilfreich. Als wolle sie seine Annahme noch verstärken, blinzelte sie verwirrt und suchte nach den richtigen Worten, um zu verdeutlichen, dass hier etwas nicht stimmte... nicht stimmen konnte.
Doch schon grinste er und löste seine Hände endgültig von den ihren, sodass ihre Arme langsam sanken, was nichts mit der seichten Strömung hier unten zu tun hatte. Indes hatte er die Gelegenheit, weiter zu sprechen und sie damit noch mehr zu irritieren. Ihre Augenbrauen hoben sich leicht an und sie blinzelte mehrmals, denn diese Vertrautheit zwischen ihnen war ihr bekannt und zugleich auch nicht.
Denn sie war irgendwie... anders, fand sie. Er musste auf sie aufpassen? Seit wann das? Schließlich war er es lange Zeit über gewesen, der ihr das Leben schwer gemacht hatte, sonst nichts! Und mit Ketten wollte sie derzeit lieber nichts zu tun haben, solange sie keine wertvollen, schön gearbeiteten Geschmeide für ihren Hals waren. Das Bild einer goldenen, dünnen und unlösbaren Fesselung tauchte vor ihrem inneren Augen auf, allerdings verdrängte sie es rasch, um sich auf ihr Gegenüber konzentrieren zu können.
Langsam schüttelte sie dabei den Kopf, als ob ihr das helfen würde. Was Corax scheinbar falsch verstand, denn er stöhnte auf, als wäre sie schwer von Begriff. Um im nächsten Moment abrupt wieder aufzusehen und einen skeptischen Gesichtsausdruck zu bekommen. "Mit mir?", hakte sie ungläubig nach und bewirkte damit, dass er die Augen verdrehte und erneut aufstöhnte.
Danach sprach er weiter und sorgte dafür, dass sie sich noch verwirrter fühlte, als sie es ohnehin schon war. Langsam bewegte sie ihren Kopf von einer Seite zur anderen, wiederholte es und wurde dabei immer energischer. "Nein...", wisperte sie und ballte die Hände zu Fäusten, um sie sofort wieder zu öffnen.
Ihr Blick wanderte zur Seite und ihre Schwanzflosse paddelte eine Spur stärker, denn Unruhe und Unsicherheit stiegen in ihr auf. Hier stimmte etwas nicht und zwar gewaltig!
"Nein, nein, nein!", kam es überzeugter über ihre Lippen und nun hielt sie es nicht mehr aus, schwamm leicht zur einen Seite und wieder zurück, das fischige Pendant zu einem Auf-und-Ab-Laufen auf zwei Beinen. "Das kann nicht sein, das ist nicht so!", murmelte sie vor sich hin und musste sich erst einmal selbst sortieren.
"Wir sind keine Meereswesen, wir sind... na ja, du bist einer der Dunklen und ich ein Mensch. Wir wollten nach Hause, nach Andunie, mit dem Schiff und dann... dann..." Grauenvolle Bilder drohten in ihr hochzusteigen und sie zu lähmen, denn daran wollte sie gewiss nicht erneut denken. Im nächsten Atemzug jedoch hatte sie die Kraft gefunden, diese Episode rasch wieder zu verdrängen, sodass sie ihre Fassung nicht verlor und sich davon lähmen ließ. "Dann war da noch diese riesige Welle, die uns mitgerissen hat. Und jetzt... sind wir hier, sehen aus wie... wie..."
Sie hielt inne, seufzte leise, sah ihn kurz an und schüttelte den Kopf, um ihre Wanderung wieder aufzunehmen. "Na ja, so eben. Warum? Was ist passiert?"
Erneut hörte sie auf zu schwimmen und wandte sich ihm zu. Dieses Mal ging ihr Blick direkt in seine Augen. "Ist das wieder deine Magie? Hast du das gemacht? Sag es mir!", verlangte sie und merkte dabei, wie sich ihre Kehle verengte. Angst drohte in ihr hochzusteigen, denn ein Gedanke formte sich in ihrem Kopf, der es ihr eiskalt den Rücken herunterieseln ließ.
War das ihr Ende? Hatte er ein letztes Mal seine Magie eingesetzt, um ihnen beiden das Ertrinken erträglicher zu machen? Erlebte sie gerade viel mehr Zeit, als in der Wirklichkeit verstrich, während ihre Lunge brannte und nach Sauerstoff, nach echtem, realen Sauerstoff schrie und sie dennoch nicht diesem Impuls nachgeben durfte?!
Sie kam dicht an ihn heran und sah ihm flehend in die Augen. "Bitte, sag mir, was hier vor sich geht!", flüsterte sie bettelnd und legte die Hände auf die Schuppen an seinem Oberkörper. Hätte er Kleidung getragen, hätte sie sich gern daran festgeklammert, um daran Halt finden zu können. Doch so musste sie sich mit dieser Art der Berührung begnügen, zwangsläufig.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 4. April 2022, 17:24

Irgendetwas stimmte hier ganz und gar nicht, da war Azura sich sicher. Corax bestätigte es mit seinen mehr als verwirrenden Worten und vielmehr dadurch, dass er nicht einen Moment auf das Erlebte einging. Als wäre jede einzelne Minute ihres Lebens jenseits des Dasein als halbes Fischwesen nur ein Traum ging er überhaupt nicht darauf ein. Für ihn war Azura die Herrin der Ozeane - seine Herrin - und er offenbar ihr vielarmiger Beschützer. Sie konnte es nicht unterlassen, ihn bei jeder Gelegenheit zu mustern und musste sich zeitweise zwingen, ihm in die Augen zu schauen. Immer wieder blinzelte sie dabei. Eine Fähigkeit, die ebenso wie das problemfreide, unverschwommene Sehen unterhalb der Wasseroberfläche so gar nicht möglich sein sollte. Und auch das allein verdeutlichte ihr, dass hier irgendetwas faul war.
Azura hatte allerdings inzwischen einige Erinnerungen mit Corax gesammelt. Sie hatte Mellyn Kicherklang kennen gelernt und durch sie von seinen grauschelmischen Fähigkeiten erfahren. Ob hier erneut Magie zum Einsatz gekommen war?
Außerdem benahm Corax sich irgendwie anders. Nach wie vor nannte er sie seine Herrin, aber er wirkte argloser, in seinen Worten eher kindlich. Wohin war das mürrische, ewig genervte Dominanzverhalten hin, mit dem er sie manchmal einfach am Handgelenk gepackt und mitgerissen hatte? Seine jetzige Strafpredigt klang wie die überaus furchtbar schreckliche Bestrafung eines Kindes, das dem Geschwisterchen statt zwei Süßigkeiten nur noch eine abgab, um zu zeigen, dass es richtig arg böse mit ihm war.
Normalerweise hätte Azura sich nun sogar einen Spaß daraus gemacht, ihn für seine harmlose Predigt ihrerseits zu schelten. Es wäre das übliche Hin und Her zwischen beiden geworden, an dem sie durchaus Begeisterung fand. Es war das Pfeffer zwischen ihren Gefühlen, das eine süße Mahlzeit wie Zuneigung erst wirklich perfektionierte. Aber auch Azura konnte nicht ganz sein, wie sie es von sich gewohnt war. Unbehagen erfüllte sie, schritt wie eine langsam wirkendes Gift voran, das sich erst in ihre Blutbahn schlich und dann auf einen Schlag den gesamten Körper lahm legte. Genau so erfasste sie die Sorge. Es musste Magie sein. Sie hatte ihr bisheriges Leben, das schon durch den Überfall auf Andunie so abrupt verändert worden war, nicht geträumt. Sie hatte sich all die Zeit mit Corax - die Flucht, das Aneinanderketten, die Zeit in Nogrot - nicht eingebildet. Somit waren sie auf dem Schiff gewesen, auf dem Kapitän Gilles sein jähes Ende gefunden hatte. Doch nicht nur er: Was war mit ihr und ihrem widerlichen Schuft wirklich geschehen? Beinahe spürte Azura die Kälte der Welle, die sich vor ihrem geistigen Auge Bahn brach und noch einmal auftürmte wie in jenem letzten Moment, da sie nach Luft schnappte, bevor alles hinfort gespült worden war.
Dass sie jetzt noch lebte, konnte nur mit Magie zusammenhängen. Und auch, dass sie sich so dermaßen verändert hatte, ließ auf den Einsatz arkaner Kräfte schließen. Der einzige in ihrem Umfeld mit solchen Kräften war Corax. Sie selbst kam nicht in Frage, obgleich in ihr gerade die Wassermagie schlummerte. Aber sie konnte unmöglich das Äußere eines Menschen und eines Dunkelelfen verändern! Aber das stimmte auch nicht. Wäre es nur ihr Aussehen, so hätten Corax und sie einfach nach Luft geschnappt und wären letztendlich in den Tiefen des Meeres ertrunken, doch er schwamm gemächlich vor ihr, bewegte hin und wieder einen der vielen Beintentakel, während sie ganz reflexartig ihre Fischflossen bewegte, um unter Wasser die Balance zu halten. Auch, dass sie es verstand wie Oberflächenbewohner das Atmen, musste durch Magie erzeugt worden sein. Besaß Corax denn so viel Macht? Vielleicht handelte es sich, genau wie bei der goldenen Kette auch wieder nur um eine viel zu echt wirkende Illusion. Und wenn diese endete...

Die aufkeimende Furcht, ertrinken zu müssen, falls der Zauber plötzlich endete, ließ sie handeln. Sie musste Corax klar machen, was hier passierte. Sie musste ihm irgendwie auf den Zahn fühlen und herausfinden, warum er sich nicht an sein altes Leben zu erinnern schien. Sie musste es auflösen ... ohne den Zauber dabei aufzulösen. Doch im ersten Moment dachte sie über diese Konsequenz nicht nach. Zu groß war die innere Angst, dass sie gerade im Reellen ertrank und der Dunkelelf nur eine liebliche Illusion über ihr Dahinscheiden gelegt hatte. So warf sie ihm die Wahrheit in Form einer knappen Zusammenfassung an den Kopf, dass nicht nur seine rubinartigen Schuppen vor Überraschung aufblitzten.
"Was ... redest du denn da?" Es klang zu aufrichtig verwirrt, um gespielt zu sein. Er verstand es wirklich nicht, was sie erzählte! "Bist du etwa bis nach Andunie getaucht? Aber ... dort sollten wir nicht hin. Es ist gefährlich! Dort gibt es diese bebeinten Leute. Sie laufen auf totem Holz und werfen Speere nach uns. Sie fangen und mit Netzen, sollten sie uns erwischen. Du ... du warst nicht wirklich bei den Menschen, oder?" Er grinste schief auf in verzweifelter Hoffnung, sie würde ihren Scherz nun auflösen.
Stattdessen brach sich ihre Furcht nun Bahn und scheuchte ihn an seine Brust. Sie konnte die warme, dunkle Haut fühlen, aber auch die winzigen Schuppen, die wie glatte Pailletten an ihm hingen. Sie glänzten, hinterließen eine sanfte Kühle wie feinst verarbeitetes Metall.
"Ist das wieder deine Magie? Hast du das gemacht? Sag es mir!", forderte sie ihn auf und spürte, wie sich ihre Kehle zusammenzog. Was passierte, wenn er die Magie nun bejahte und sie brach? Wie schon beim Kettchen, als er es endlich einsah und die goldenen Glieder geborsten waren. Würde es ihre Schuppen zerreißen, sie in die tödliche Kälte des Meeresbodens reißen? "Bitte, sag mir, was hier vor sich geht!"
Wieder schlang Corax mit fließender Sanftheit seine acht Tentakel um ihren Leib. Er streichelte ihre Flosse, den schuppigen Unterkörper und versuchte so, Azura zu beruhgen. Seine Arme legten sich um ihren Körper. Wie warm er doch war, obwohl sie sich vermutlich am tiefsten Grund des Ozeans befanden. Auch wenn dort die Schönheit der Tiefe sie mit bunten Korallen, glitzernden Fischen, tanzenden Luftblasen und einlullenden Strömungen Willkommen hieß, so drang doch kein wärmendes Feuer, kein Sonnenschein bis hier herunter. Diese schöne Welt war kalt, wie hinter Eis gebannt. Und doch ... er hielt sie so warm, so geborgen und weich.
Besorgt raunte er ihr zu, während er mit einer Hand das wellige Haar im Wasser tanzen ließ: "Bist du in die giftig brennenden Fäden einer Qualle geraten? Du weißt doch, dass ich keinerlei Magie beherrsche. Du bist die Herrin der See. Du bist es, die die Wellen auftürmen und sich brechen lassen kann. Du verursachst Stürme und reißt Schiffe in die Tiefe. Und ich ergötze mich an dem Anblick der sterbenden Beinlinge, welche dich in ihrer unsäglichen Dummheit Ventha rufen." Er ließ sich nicht von ihrer Blöße ablenken, aber auch zu keinem Kuss hinreißen. Corax schaute sie voller Sorge an. "Nochmal: Ich beherrsche keinerlei Magie. Aber ich mache mir Sorgen um deinen Zustand. Vielleicht sollten wir doch die Aquaden aufsuchen und dich heilen lassen. Und wenn du so sehr auf Magie aus bist, weißt du ja, dass sie so manches Artefakt der Trockenwelt von oben besitzen. Vielleicht muntert dich das etwas auf."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 10. April 2022, 10:51

Es war seltsam, absolut seltsam. Etwas in ihr war felsenfest davon überzeugt, dass sie das hier gerade nicht wirklich erlebte, dass sie einen Traum oder Vision oder sonstige Art von Illusion vor Augen hatte und nicht darüber phantasierte, was sie für ihre Erinnerungen hielt.
Und trotzdem benahm er, ihr widerlicher Schuft, sich so, als wisse er von nichts. So, als hätten sie beide schon immer diese Gestalten besessen und hätten die Tiefe des Meeres ihre Heimat genannt. Nach dem, was sie als letztes Bild von der Oberwelt in ihrem Geist mitgenommen hatte, wäre es sicherlich keine schlechte Idee, es dabei beruhen zu lassen und diese Art von Leben auszukosten, solange es anhalten würde. Gänzlich unwohl fühlte sie sich schließlich nicht in ihrer neuen Form!
Dennoch... sie konnte ihre Zunge nicht im Zaum halten, sie musste dem einfach auf den Grund gehen, daran führte für sie gerade kein Weg vorbei. Auch, wenn das womöglich alles zerstören und sie allzu bald nach Luft ringend bewusst mitbekommen müsste, wie sie elendiglich ertrank. Also stellte sie ihre Fragen, formulierte ihre Forderungen und wollte nichts mehr als Antworten, die ihr weiterhelfen würden.
Seine Reaktion allerdings ließ sie schwanken. Er klang so... aufrichtig, so ehrlich, so davon überzeugt, dass es nicht anders für ihn sein konnte, wie er es glaubte. Ob sie sich womöglich doch irrte? Hatte sie nur geträumt...? Aber... nein, da waren viel zu viele Details, viel zu viele Bilder aus der Vergangenheit für einen einzigen Traum, ganz gleich, wie lange er gewesen sein mochte! Oder...?
Ihre Unsicherheit wurde stärker und mischte sich mit dem restlichen Gefühlschaos in ihrem Inneren, sodass sie letzten Endes keinen anderen Ausweg wusste, als sich dorthin zu flüchten, wo sie Halt zu finden glaubte. In seine Umarmung, die in der letzten Zeit immer da gewesen war, ganz gleich, welche Bilder in ihrem Kopf nun der Realität entsprechen mochten.
Dort befand sie sich auch, an seinem warmen, lebendigen Körper, als ihre Forderung über ihre Lippen kam. "Ich gehöre doch zu den Menschen...", murmelte sie schließlich noch an seiner Brust und verbarg ihr Gesicht dort, um nicht sehen zu müssen, was ihre Worte anrichten würden.
Wäre es nun vorbei? Würde er jetzt alles auflösen und sie würde mitbekommen, wie die See sie mit aller Macht in den Tod ziehen würde? Ein lautloses Schluchzen ließ ihren Kehlkopf hüpfen, während sie sich eine Spur fester an ihn klammerte.
Nein, nichts dergleichen geschah. Stattdessen... erwiderte er ihren Griff, schien sie überall zugleich zu berühren und verursachte dabei bei ihr einen wohligen Schauer, auch wenn er in ihrer Situation vollkommen deplatziert war. Jedoch weckte es weitere Erinnerungen an Momente in heißem, dampfendem Wasser, die so verboten und auch erwünscht gewesen waren, dass es jetzt noch ihr Herz zum Rasen bringen konnte. Ja, nicht nur das, ihre Finger drückten sich fester in sein Fleisch und ihre Flosse bewegte sich eine Spur schneller.
Er hatte Dinge mit ihr angestellt, die einfach nur unglaublich gewesen waren, so intensiv und unvergleichlich, dass sie das immer und immer wieder erleben wollte. Allerdings... in ihrer jetzigen Gestalt wäre das unmöglich, davon war sie überzeugt. Ein weiterer Grund also, dass sie herausfinden wollte, was er mit ihr angestellt hatte und wie sie die eigentliche Wirklichkeit überleben sollten.
Indes sprach er erneut mit ihr und die Stimme, die an ihr Ohr drang, ließ sie ein weiteres Mal erschauern. Und noch einmal bei dem Sinn seiner Worte. Bis er einen Namen aussprach, der sie zusammen fahren ließ. Ihr Kopf ruckte nach oben, ihre Augen weiteten sich. "Ventha...?!", hauchte sie und konnte kaum glauben, was er soeben gesagt hatte.
Sie? Die Göttin des Windes und des Meeres?! In deren Tempel sie gewesen war, der sie Opfer dargebracht hatte??? Gut, jetzt drehte er vollkommen durch!
Schon öffnete sie den Mund und wollte ihm vehement widersprechen, als er fortfuhr. Das Bild eines abgeschlagenen Kopfes blitzte vor ihrem inneren Auge auf und es schauderte sie ein weiteres Mal, wenngleich diesmal nicht wirklich angenehm. Nur... sie war jetzt kein Mensch mehr und hier kam sie offensichtlich nicht weiter. Was auch immer er getan hatte, er glaubte felsenfest daran, dass echt war, wie sie gerade aussahen und dass sie an den Grund des Meeres gehörten. Sie brauchte jemanden, der seinen Zauber brach und sie beide rettete, so, wie die Elfe es in der Zwergenstadt getan hatte.
Also schluckte sie und rang noch etwas mit sich, ob ihre Idee wirklich das Wahre wäre. Nur... eine andere hatte sie nicht, um ihre vertrackte Situation auflösen zu können. Langsam senkte sie ihren Blick und noch langsamer begann sie zu nicken. "Ja... vielleicht ist das das Richtige...", murmelte sie und starrte gegen seinen bloßen, derzeit schuppigen Oberkörper.
Vollkommen überzeugt war sie nicht, aber jetzt war es raus. Irgendwie würden sie das schon überleben... hoffte sie!
Obwohl es nicht notwendig war, atmete sie tief durch, bewegte ihren Brustkorb, wie sie es früher in ihrer Erinnerung getan hatte, und nickte noch einmal, entschlossener. Auch löste sie sich von ihm und suchte seinen Blick. "Ja, komm, lass uns zu ihnen..." Kurz zögerte sie, um die richtige Formulierung zu finden. "... schwimmen."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 21. April 2022, 13:44

Vielleicht war es gut so, dass Corax derzeit felsenfest davon überzeugt war, ein Wesen der Meere zu sein. Wenn er für diese Illusion verantwortlich war, musste er sie aufrecht halten, solange er und Azura sich am Meeresboden aufhielten. Ihn nun von der eigentlichen Wirklichkeit zu überzeugen, könnte den Zauber sprengen, so wie er damals die Glieder des goldenen Kettchens hatte bersten lassen, als er endlich Zweifel bekam, ob die wundersame Magie nicht doch den Ursprung in ihm hatte. Jetzt wäre es besser, es zunächst dabei beruhen zu lassen. Vielleicht fand sich eine Möglichkeit, an Land zu gelangen. Dann könnte Azura ihren widerlichen Schuft immer noch davon überzeugen, dass das alles hier nur eine Ausgeburt seiner magisch durchzogenen Fantasie war. Oder war sie es, die sich irrte? Die Unsicherheit wuchs mit der Aufrichtigkeit in seinen Worten. Er klang mehr als überzeugt, dass er schon immer ein vielarmiges Geschöpf mit pechschwarzer, glatter Haut und rubinhaft funkelnden Schuppen gewesen war. Warum nur erinnerte er sich nicht an all die Bilder, die Azura im Kopf umher schwirrten und sie schmerzlich daran erinnerten, dass sie wohl würde ertrinken müssen, sobald der Traum zerplatzte?
Sie schob das Thema zunächst beiseite. Es beunruhigte und verwirrte sie. Es fiel ihr immer schwerer, für sich selbst die Wahrheit zu erkennen. Was war Realität und was magische Illusion? Oder am Ende betrog sie sich vollkommen selbst, war schon immer eine Fischfrau gewesen und hatte nur einen sehr langen, sehr intensiven Traum gehabt. Einen von Welten, die sie als Fischwesen gar nicht kennen dürfte! Ein Traum, der ganze Lebensspannen beinhaltete, von einer Kindheit auf der Straße, über ein wohlbehütetes Leben als adliges Töchterchen bis hin zu einer abenteuerlichen Reise mit einem Dunkelelfen, der sie nicht nur im Sturm, sondern auch in den heißen Quellen Nogrots erobert hatte. Um sich nicht im Chaos ihrer eigenen Gefühle und Bilder zu verlieren, suchte sie Halt bei eben jenem Mann - Krakenwesen! -, von dem sie so intensiv prickelnde Erinnerungsbilder aus einer anderen Welt besaß.
Corax hielt sie bedingungslos. Er fühlte sich angenehm glatt an, selbst dort, wo seine Haut mit den Schuppen überzogen war. Außerdem strahlte er er anziehende Wärme aus. Die Strömungen der Tiefsee waren trügerisch. Die Kälte machte Azura interessanterweise nur wenig aus, aber sie konnte schon allein mit den zarten Finnen an ihren Ellenbogen ergründen, ob eine vorbei ziehende Strömung kaltes Wasser vom Grund mit sich brachte oder von der Oberflächensonne erwärmte Anteile. Diese liebkosten ihre Flosse, lockten mit dem Bedürfnis nach mehr. Ihr fielen Geschichten ein von zauberhaften Meeresprinzessinnen, die ebenso wie sie zum Teil aus Tiefenkreaturen bestanden. Diese Schönheiten kamen manchmal an die Oberfläche, ließen sich auf Felsen nieder und sonnten sich. Oder sie sangen mit zauberhafter Stimme, um Seefahrer zu sich in die Gewässer zu locken. Ja, da gab es Gerüchte, dass die Meerschönheiten die Männer verspeisten, denn sie waren im Grunde nur skrupellose Jägerinnen. Doch hatten sie und ihre Freundinnen nicht geschwärmt und getuschelt, dass auf die Seefahrer am Meeresgrund ganze Paläste aus Muscheln und Korallen warteten, in denen sie ihre Seejungfrauen verführten und wildfeuchte Abenteuer erlebten?
Wer waren diese Freundinnen, mit denen sie darüber gekichert hatte? Woher stammten die schaurigen Geschichten? Von ihrer Mutter? Aber wo steckte sie?
"Ich gehöre doch zu den Menschen...", murmelte Azura. Doch selbst leise Worte blieben dem Meer nicht verborgen. Corax war allein durch die aufsteigenden Luftbläschen darauf aufmerksam geworden. Er entließ nun selbst einige davon durch seinen Mund und die Kiemen, als er in das kühle Wasser hinein seufzte. "Was fasziniert dich nur so an ihnen? Sie würden uns jagen, fangen und vielleicht sogar verspeisen. Du magst zum Teil aussehen wie sie, aber das heißt nicht, dass du auch Teil von ihnen sein musst!" Er verzog die Miene zu einer trotzigen Grimasse. "Bleib doch lieber bei mir", forderte er und hätte er Füße statt Tentakeln besessen, hätte er nun wohl auf den sandigen Grund aufgestampft.
Stattdessen aber zog er Azura enger an sich, hielt sie dicht, aber nicht grob. Mit der Nasenspitze fuhr er durch ihr Haar, das hypnotisch in den Strömungen umher tanzte. Dieses Mal war es an ihm, kleine Luftbläschen als Gemurmel gen Oberfläche zu schicken: "Ich gehöre doch dir und nur du bist meine Herrin. Du musst bei mir bleiben."
Stille trat ein. Sie konnte am Meeresgrund so unendlich weit sein. Obgleich niemals vollkommene Ruhe herrschte, denn irgendwo schob irgendein Krebslein immer sein Muschelhaus aus dem Sand. Irgendwo schoben Muränen und andere Fischartige Korallen mit ihren Körpern beiseite oder Anemonen zogen sich schreckhaft zusammen und entließen dadurch ganze Wirbel an Blubberblasen. In den Tiefen des Ozeans aber war das alles nur als dumpfes Gluckern zu vernehmen und eher durch die Veränderung des Wassers zu spüren, denn wirklich zu hören. So fühlte sich auch jetzt alles eher still und dumpf an. Corax' Worte hingen wie alter Tang in der Schwebe. Dann stieß er wiederholt etwas kugelförmige Atemluft in das Wasser hinein, als er erneut seufzte. Seine Tentakel lösten sich langsam von Azura, entließen sie aber nicht ganz. Irgendwo schon er sie immer zu berühren und sei es nur mit dem kleinsten Saugnapf an der Spitze ihrer Schwanzflosse.
"Vielleicht erholst du dich ja an deinem Lieblingsplatz besser. Na schön ... dir zuliebe, auch wenn ich den Ort nicht so mag." Er nahm sie sanft an der Hand, um sie nicht wieder zu verlieren. Dann stieß er sich mit den kräftigsten seiner Saugnapf bewährten Arme vom Meeresgrund an und nahm Azura im Schwung mit sich. Er winkelte die Tentakel in rhythmischen Bewegungen an und stieß dann ins Wasser hinein, um voran zu schwimmen. Dabei durchbrach sein Oberkörper fast schon pfeilartig die feuchte Barriere. Er schwamm perfekt, aber definitiv anders als Azura es tat. Sie musste feststellen, dass sie gar nicht darüber nachzudenken brauchte, wie sie es anstellte. Ihr Körper reagierte instinktiv. So wie ihre Kiemen den kostbaren Sauerstoff von allein aus dem Wasser filterten und in ihre Lungen beförderten, so beherrschte sie auch das Vorankommen durch die See mittels ihrer Flossen. Es war ein Leichtes, mit Corax Schritt zu halten. In Sachen Geschwindigkeit nahmen sie einander nichts. Seine Bewegungen erinnerten allerdings mehr an ein Stoßen, um sich nach vorn zu bringen, wohingegen Azuras welliges Schwimmen fließend und somit deutlich eleganter wirkte. Corax stellte kraftvolles Schwimmen zur Schau und seine Bewegungen erinnerten erneut an Traumbilder und Erinnerungen eines Gefühls, als er mit ähnlicher Intensität in ihren eigenen Leib vorgedrungen war.
Er ließ sich davon beflügeln. So sehr, dass er irgendwann doch Azuras Hand los ließ und strudelartig um sie herum schwamm, um ihr einen Tunnel aus Luftblassen zu erschaffen. Überall um sie herum stiegen die Blasen auf. Sie kitzelten ihre Haut, streichelten sie zugleich aber auch und dazwischen blitzte immer wieder Corax' schwarzroter Körper auf. Plötzlich vernahm sie ein neues Geräusch. Zunächst befremdlich erfüllte es ihre Ohren dann aber mit einem sehr angenehmen Klang. Eigentlich keckerten Delfine so, wenn sie miteinander sprachen, aber Corax hörte sich offenbar ähnlich an, wenn er lachte und das tat er. Ausgelassen quietschte und tschirpte er, während er seine Wirbelbahnen immer wieder um Azura herum zog. Er umtanzte sie, berührte dabei manchmal neckisch ihren Körper mit seinen Tentakeln und schwang sich anschließend wieder nach vorn. Sein Jauchzen erfüllte die See.
"Macht das nicht Spaß? Oh, diese Freiheit!" Er gab sich vollkommen der Freude hin. So hatte Azura ihn wohl noch nicht erlebt. Irgendwann wurde sein Schwimmen aber friedlicher. Gemächlich trieb er voran, während die Umgebung sich kaum veränderte. Die Lichtstrahlen der Oberfläche nahmen zu, obgleich er und Azura nicht nach oben schwammen. Vermutlich war der Meeresspiegel hier nur einfach etwas höher gelegen. Aus Korallenwäldern wuchsen zunehmend mehr Felsen hervor. Muschel verziert und mit kleinen Büscheln aus wabernden Tiefseealgen boten sie zahlreichen Unterwasserbewohnern ein Zuhause. Manche bewegten sich in Schwärmen aus regenbogenbunten Schuppen voran. Andere lugten nur aus kleinen Nischen zwischen den Felsen hervor. Corax hingegen hielt auf eine besonders große Nische zu. Vor Azura tat sich eine halbe Felswand auf. Sicherlich könnten sie diese umschwimmen, auch nach oben hin, wenngleich ein Teil davon fast wie ein Kamin sich zur Oberfläche empor streckte. Aber ihr oktopusartiger Gefährte hielt auf das schwarze Loch inmitten dieser Felsauftürmung zu. Eine Höhle erwartete sie. Wer nicht wartete, war Corax. Er ging wohl davon aus, dass Azura ihm einfach folgen würde. So verschwand er rasch in der Schwärze der unterirdischen Wasserkammer.

Azura blieb nichts Anderes übrig als ihm zu folgen, wenn sie nicht erneut verlorengehen wollte. Doch es lohnte sich. Sie erwartete keine finstere Höhle mit unheimlicher Dunkelheit. Von dem natürlichen Gesteinskamin, der niemals ein Abzug für Rauch sein würde, drang Luft in die Unterwasserhöhle. Diese hielt sich dort, so dass Azura inmitten des Meeres un umgeben von Stein ein weiter Raum erwartete, bei dem sie tatsächlich aus dem Wasser heraus tauchen konnte. Eine Unterwassergrotte begrüßte sie mit tanzenden Reflektionen der Oberfläche auf glattkantigem Gestein. Blau, silber, violett und grau schimmerte ihre Umgebung. Auch hier hatten sich unzählige Muscheln an den Gesteinsformationen festgeklebt, so dass sie wie Ranken an ihnen empor wuchsen. Von der Felsendecke hingen vereinzelte Tangranken wie dickblättrige Haare bis ins Wasser hinein. Teilweise veräselten sie sich auch zu roten und violetten Korallen. Seesterne wanderten über den sandigen Grund, auf den man problemlos schauen konnte, so klar war das Wasser hier. Die Luft, die durch den Schacht aus Naturgestein bis in die Grotte gelangte, besaß eine angenehme Wärme. Doch das eigentlich Wundersame an diesem Naturschauspiel waren die Schätze, die sowohl Corax als auch Azura hier erwarteten. Wer immer diese Grotte als ihr Versteck auserkoren hatte, war wohl Jahre damit beschäftigt gewesen, hier Dinge zu horten. Dinge aus einer anderen Welt.
In kleinen und größeren Nischen hatte sich eine Menge Tand angesammelt. Schmuck aus Gold und Silber brachten die Grotte zusätzlich zum Strahlen. Die vielen Ketten, Armbänder, Ringe, Ohrringe und anderes Geschmeide waren mit zahlreichen Edelsteinen besetzt. Dazwischen fanden sich auch Perlen, allerdings ohne ihre Hersteller, die Muscheln. Sie waren verarbeitet worden, so dass man sie um Hals oder Handgelenk tragen könnte. Irgendwo lehnte ein Schwert zwischen den Felsen. Die Klinge war rostig, aber Parierstange und Griff zeigten sich noch immer als gewundene Seeschlange mit ausgebreiteten Schwingen und Juwelen als Augen. Kleine Berge aus golden schimmernden, flachen Münzscheiben türmten sich wie eine winzige Stadt zwischen den Felsbrocken auf, waren mit lupenreinen Diamanten und geschliffenen Figuren aus verschiedensten Edelsteinen verziert. Eine Statuette aus reinstem Smaragd zeigte einen edlen Soldaten. Er stand stramm, auf zwei Beinen, eine Lanze wachsam in den Händen. Leider fehlte der Figur der Kopf. Die Bruchstelle glitzterte. Aber auch Stein konnte faszinieren, wenn er entsprechend bearbeitet war. Glanzstück der Schatzhöhle war nämlich ken Juwel, sondern das Ergebnis hoch qualifizierter Bildhauerkunst. Fast noch intakt erhob sich von einem zentralen Felsen der Grotte die Statue einer wunderschönen Frau. Ihre steinernen Locken hingen als still stehender Wirbel in der Luft. Ihr Lachen besaß einen feinen Riss, doch zeugte immer noch von Lebendigkeit. Ebenso wie die himmeblauen Edelsteine, die man zu ihren Augen gemacht hatte. Sie trug ein steinernes, knappes Rüschenröckchen, das wie im Schwung erstarrt zu sein schien. So erhielt man aber den besten Blick auf ihre langen, wohlgeformten Beine, von denen sich eines zum Tanz auf die Zehenspitzen gerichtet hatte. Das andere Bein hielt die Figur in einer eleganten Kurve angewinkelt, während ihre Arme über dem Kopf gestreckt an den Händen wieder zusammenführten. Die Ballett-Tänzerin im Zentrum der Grotte schimmerte von den Wellenbewegungen und Reflektionen der vielen Schätze, dass sie fast lebendig wirkte. Man wartete nur darauf, dass sie sich drehte und feengleich über der Wasseroberfläche entlang sprang. Doch nichts davon geschah. Sie war erstarrt und nur ein meisterliches Werk einer Traumwelt, von der ein Wesen wie Azura ebenso weit entfernt schien wie von ihren Erinnerungsbildern.

Corax schob sich aus dem Wasser auf einen der Felsen. Er rückte behutsam ein Kästchen aus schimmerndem Gold und mit eingefasstem Topas beiseite, um genug Platz für seine Tentakeln zu haben. Dann beobachtete er Azura. "Geht es dir nun besser? In deiner geheimen Grotte der Menschendinge fühlst du dich doch immer am wohlsten." Er selbst mochte es hier offenbar nicht allzu sehr, duldete aber, dass seine Herrin dieses zauberhafte Versteck brauchte. "Das letzte Mal haben wir wieder nur ganz viele von diesen flachen Goldscheiben mitbringen können. Willst du erneut auf Schatzsuche gehen? Es gab einen Sturm an der Oberfläche, das heißt, dass wir viel Treibgut der Beinlinge finden könnten ... und viel von ihrer Fracht. Oder wir ziehen zu den Aquaden weiter, wenn du wirklich jemanden brauchst, der dich untersucht."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Mittwoch 27. April 2022, 15:09

Eigentlich war es ihr bewusst, dass es regelrecht selbstmörderisch wäre, die von ihrem Begleiter erschaffene Illusion zu zerstören. Dennoch nagte es an ihr und sie konnte es nicht völlig auf sich beruhen lassen. Erst recht nicht, weil sie eigentlich davon überzeugt war, dass ihr momentanes Aussehen nicht... normal war.
Doch sein Verhalten nährte in ihr Zweifel und Unsicherheit, denn er wirkte erstaunlich aufrichtig und absolut von der Wirklichkeit ihres Unterwasserdaseins überzeugt. Nur... das war er von dem Kettchen und dem Umstand, dass er keine magische Begabung hätte, auch gewesen... Und jetzt? Was sollte sie jetzt tun?
Es einfach dabei bewenden zu lassen und ein neues Leben zu beginnen, kam für sie nicht infrage. So schön ihre Umgebung auch war und so wohl sie sich auch in diesem Element fühlte... sie spürte, dass dies nicht alles für sie sein konnte. Vor allem, weil sie nach Andunie zurück und ihre Eltern suchen wollte. Aber wie...?
Ihr Gefühlschaos wurde durch ihr Vorhaben nicht gerade weniger. Somit tat sie letzten Endes das, von dem sie sich wenigstens ein bisschen etwas wie Schutz und Halt versprach, sie flüchtete in seine Arme. Auch wenn sie sich darin wohl fühlte, obwohl sie wusste, dass sie das eigentlich sollte. Warum eigentlich? Hatte er nicht eben erst glaubhaft versichert, er würde sie verehren und sie beschützen? Aus welchem Grund war sie dann der Überzeugung, dass er ihre Nähe und Berührung im Prinzip nicht verdiente? Dass er ein widerlicher Schuft wäre, der sie mit seinem Verhalten nur zu leicht provozieren und aus der Haut fahren lassen konnte?
Sie blinzelte und verbarg ihr Gesicht umso mehr an seiner Brust, weil ihre Unsicherheit noch mehr wuchs. Waren diese Bilder und Empfindungen von einem Mann, der sie auf so viele Weisen zu reizen verstand, nur Einbildung gewesen? Oder war seine Rolle als ihr Beschützer diejenige, die nicht real war? Zumindest nicht außerhalb ihrer derzeitigen Situation?!
Die gemurmelten Worte drangen über ihre Lippen, ohne, dass sie es wirklich wollte. Trotzdem hörte er sie und antwortete darauf, brachte sie ihrerseits zum Seufzen, dass verschieden große Luftbläschen aufstiegen, sich teilweise verflüchtigten und teilweise in ihrem Haar verfingen. "Ich sag doch gar nicht, dass wir uns trennen...", nuschelte sie in dem Bedürfnis, ihn zu beruhigen.
Ganz so, als wäre es eine noch viel schlechtere Idee, ihn abzuweisen, als wenn sie die Illusion ihrer momentanen Existenz zerstören würde. Wieso blitzten Bilder von Nadel und Faden bei diesem Gedanken vor ihrem geistigen Auge auf?
Schweigen machte sich zwischen ihnen breit, während dem sie ihren Überlegungen nachhing und sie endlich ein wenig zu sortieren versuchte. Allein, es wollte ihr nicht recht gelingen.
Bis sich etwas tat, das sie durch Wasserbewegungen spüren konnte. Er lockerte seine Umarmung ein wenig und sie sah instinktiv auf.
Noch während sie zu begreifen versuchte, was er meinen könnte, griff er schon nach ihr. Sie ließ sich von ihm führen, verwirrt und neugierig zugleich.
Was mochte das für ein Ort sein? Würde es womöglich an die Oberfläche gehen?! Hoffentlich, denn dann könnte sie erneut auf ihn einwirken, um der Wahrheit auf den Grund gehen zu können!
Auch wenn es sie irritierte, wie selbstverständlich sie gerade mitschwamm. So sehr sogar, dass sie einen Moment lang aus dem Takt geriet, weil sie sich über ihre Bewegungen bewusst wurde und sich dadurch kurzfristig blockierte. Doch erstaunlicherweise fand sie zurück in den Rhythmus und musste sich nicht einfach von ihm durchs Wasser ziehen lassen.
Es fühlte sich gut an und irgendwie auch entspannend, wie sie so durch das Nass glitt und unbewusst zur Schau stellte, dass sie auch in dieser Form definitiv die Elegantere von ihnen beiden war. Während er seine Kraft demonstrierte, die ihr einen feinen Schauer über den Rücken jagte, weil es sie schon wieder an anderes erinnern wollte.
Bevor es allerdings soweit kommen konnte, ließ er sie los und begann, sie zu umwirbeln, sodass sie durch einen Tunnel aus Luftbläschen schwimmen konnte. Diese waren nicht nur hübsch, sondern konnten sie auch durchaus kitzeln, wenn sie an ihren Flossenenden zerplatzten. Und es wurden immer mehr, bis sie gar nicht mehr anders konnte, als zu kichern zu beginnen.
Schließlich wurde daraus ein Lachen und auch sie fing an, sich zu drehen und kleine Figürchen zu schwimmen, ganz so, als wolle sie tanzen und hätte dieses Spiel mit ihm schon häufiger betrieben. Sie ließ sich einfach von seinem Schalk anstecken und versuchte obendrein, seine Bemühungen zu erwidern. Denn natürlich spürte sie es jedes Mal beinahe schon verboten intensiv, wenn mehr als Bläschen sie erwischten und so haschte sie auch nach seinen Tentakeln oder sonstigen Körperteilen, um ihn zu umfassen oder zu streicheln.
Erneut blitzten Bilder der Erinnerung vor ihrem geistigen Auge auf und sorgten dafür, dass ihr Herz noch schneller klopfte. Sie damit jedoch auch aus dem Freudentaumel riss und zurück in die Unsicherheit stieß. Indes wurde er allerdings von sich aus ruhiger, sodass es nicht gar so auffiel, dass sie nicht mehr mitmachte, sondern wieder in ihre Gedanken versank.
So nahm sie auch die Veränderung ihrer Umgebung kaum wahr, bis er auf einmal direkt vor ihren Augen verschwand. Es wirkte, als hätte ein Felsen ihn regelrecht verschluckt und das ließ sie innehalten.
Es dauerte ein paar Sekunden, dann begriff sie allmählich. "Hey!", entkam ihr die Beschwerde darüber, dass er nicht auf sie gewartet hatte, dann folgte sie ihm. Denn so leicht sollte er ihr nicht davon kommen.
Schon legte sie sich Worte zurecht, um ihn daraufhin zu weisen, dass er sie nicht einfach so zurück lassen konnte, als die neue Umgebung ihr die Sprache verschlug. Sie hatte es gar nicht bewusst getan, da durchstieß ihr Kopf bereits die Grenze und anstatt Wasser umgab sie plötzlich Luft. Das Haar klebte nass an ihrem Kopf und konnte nur unterhalb ihrer Schultern noch schweben. Vereinzelte Tropfen lösten sich aus ihrer Pracht und liefen ihr Gesicht entlang. Wenngleich sie es nicht merkte, denn der Anblick, der sich ihr bot, war absolut fesselnd.
Ganz so, als würde sie diesen Schatz zum ersten Mal in ihrem Leben sehen! Nun ja... vielleicht war dem auch so. Vollkommen sicher war sie sich in dieser Hinsicht ja noch immer nicht. Es glänzte und glitzerte überall. Aber das war es letzten Endes nicht, was ihren Blick zu fesseln wusste. Nein, es war die Statue einer knapp bekleideten Tänzerin, die sie völlig für sich einnahm.
Langsam, ihre Umgebung einige Momente lang vergessend, schwamm sie so nahe wie möglich heran und hob allmählich ihren Arm, zögerte allerdings, mit ihren Fingerspitzen tatsächlich das Material zu berühren. Ihre Augen tasteten den menschlichen Körper ab und blieben schließlich an den Beinen hängen.
Sehnsucht stieg in ihr auf und wurde derart stark, dass es ihr sogar die Tränen in die Augen trieb. Es war wunderschön im Wasser, schwimmend fühlte sie sich pudelwohl, was sie nie vermutet hätte. Und dennoch...
Seine Stimme rauschte an ihr vorbei und brachte ihn trotzdem zurück in ihr Bewusstsein. Noch völlig mitgenommen von diesem neuen Gefühl in all seiner Heftigkeit, sah sie ihn leidend an. "Ich will wieder nach Hause...", flüsterte sie gequält in jener Sprache, die sie von klein auf gelernt hatte... und die nichts mit dem Meereswesen zu tun hatte, als das sie gerade erschien.
Sie wollte heim, zurück nach Andunie, in ihr altes, mitunter langweiliges Dasein als verwöhntes, adeliges Töchterchen, zurück... zurück zu ihren Eltern, ganz egal, ob ihr Stiefvater sie gezeugt hatte oder nicht. Einfach nur... zurück, zurück und wieder lebensfremd und unschuldig Kind sein, für das es völlig selbstverständlich war, alles zu bekommen, was es wollte...
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 5. Mai 2022, 08:59

Corax schien sich nicht nur mit seinem Schicksal abgefunden zu haben, er genoss es sichtlich, die Tiefen des Meeres zu durchschwimmen. Seine Tentakel zuckten in rhythmischen Bewegungen, als hätte er nie etwas Anderes besessen. Und er wirkte bei seinem Luftblasentunnel, den er für Azura schuf, mehr als ungezwungen. Freiheit sprudelte aus seinem Handeln, seinen Bewegungen und seinem Lachen. Er lachte wie ein Kind, das das größte Abenteuer erlebte. Aber er kehrte dabei stets an Azuras Seite zurück, berührte sie zaghaft. Es war unschuldig und meist nicht mehr als das sanfte Streichen eines Saugnapfes über ihre schillernde Schuppenhaut, doch den Kontakt suchte er ganz bewusst. Ihm schien das neue Leben unter Wasser zu gefallen. Aber auch Azura musste zugeben, dass diese Welt in ihrem liebsten Element durchaus schön war. Ganz anders, aber gerade das weckte die Fasziantion. All die bunten Fischschwärme, die winzigen Krebse, Muscheln und Seesterne am Meeresgrund, das Farbenspiel von allen Blaufacetten der Tiefe, welches in der Ferne immer dunkler wurde. Die Meerespflanzen, die sich gemächlich in den Strömungen wiegten, becircten mit einer hypnotischen Note. Und doch! Azura vermisste Andunie, vor allem aber ihre Eltern. Die Sehnsucht nach ihnen und ihrem alten Leben als verwöhnte Adelstochter, der es an nichts mangelte, das alles fehlte ihr sehr.
Man konnte nun Überlegungen anstellen, warum Corax nicht eine Sekunde seiner einstigen Wirklichkeit zu vermissen schien. Was sie bisher über ihn erfahren hatte, lud nicht dazu ein, sich danach zu sehnen. Was hatte er jenseits der Gewässer schon? Seine Herrin hatte ihn nicht nur verstoßen, sondern zusammen mit der halb verbrannten Azura damals zum Sterben auf einem Leichenberg liegen lassen. Und alles, was ihm geblieben war, begleitete ihn. Anfangs gezwungen, weil sie durch das goldene Kettchen miteinander verbunden gewesen waren und jetzt irgendwie freiwillig. Weil auch Azura niemanden hatte, jedenfalls nicht hier. Doch in Andunie, da würde sie hoffentlich ihre Eltern finden und vielleicht gab es dann auch für alles eine Lösung. Vielleicht konnte Corax sich dann von diesem Leben lossagen und...
Es war besser, den Zauber noch nicht zu lösen, sofern er von ihm kam. Er besaß offenbar keine Erinnerung an das Vergangene. Er lebte nicht nur im Hier und Jetzt, er glaubte auch daran. Würde Azura ihm vor Augen führen, dass es nur ein Traum war, könnte die Seifenblase zerplatzen und dann ertranken sie beide im Meer. Vermutlich sahen die Tiefen nicht einmal so schön aus, wie Corax sie ihr nun präsentierte. Hatte auch er ihre geheime Grotte erschaffen? Wenn ja, so wusste er, was ihr gefiel. Und er wusste, ihre Sehnsucht nur noch mehr zu schüren.
Der Anblick der steinernen Tänzerin war bezaubernd und traurig zugleich. Ihre schönen Beine weckten nicht einmal im Ansatz den Wunsch, ein Leben an der Oberfläche fortzuführen, aber ihr Anblick allein genügte Azura, um zurück an Land zu wollen. Was nützten ihr schon all die Schätze, wenn sie sie allein am Meeresboden genießen musste? Nun, ganz allein war sie nicht, aber Corax könnte das Loch in ihrem Herzen nicht ausfüllen. Nicht, wenn er bereits einen anderen Platz dort einnahm. Er konnte schließlich nicht überall sein. Dennoch wollte er es offenbar, denn schon bei der kleinsten Anmerkung, dass sie die Menschen vermisste und eigentlich nicht hierher gehörte, zeigte er sich ... eifersüchtig? Besitzergreifend? In jedem Fall fürchtete er, von ihr verlassen zu werden und erinnerte einmal mehr an ein trotziges Kind, das nicht vollkommen rational dachte ob er unheilvollen Vorahnung. Glücklicherweise gelang es ihr, ihn mit nur wenigen, genuschelten Worten zu beruhigen. Sie brachte Corax sogar zum Lächeln. "Lass mich einfach nicht allein, ja?" Eine Bitte, die nicht aufrichtiger hätte sein können. So viel Sorge um ihren Verlust lag darin, dass es unheimlich war. Zugleich weckte es Bilder von Nadel und Faden in Azuras Erinnerungen, wenn auch nur kurz. Sie verblassten schnell angesichts ihrer Sehnsucht, die bei einem flüchtigen Blick zur Tänzerin wieder aufstieg. Das steinerne Gesicht war beinahe noch eben. Nur an der Wange hatte irgendetwas das Material getroffen und ihr einen bröckeligen Schmiss verpasst. Trotz allem war sie schön, grazil wie ein Schwan. Das hockgesteckte, steinerne Haar verriet, wie schön sie erst wäre, würde sie das pluderartige Tütü gegen ein formelles Ballkleid eintauschen, das Haar lockig und offen tragen, während man sie an behandschuhten Fingern durch den Ballsaal führte. Sie würde stolz den Galanen präsentiert, die Interesse an ihr und einer Verbindung ihrer Adelsbäume besäßen. Man würde sie hofieren, kokettieren und anhimmeln, während sie im Glanz all der bewundernden Blicke baden könnte. Es wäre eine andere Form des Tanzes, deren Ende ein weißes, prachtvolles Kleid mit sich brächte, zusammen mit einem Gelöbnis gegenüber des Mannes, den sie sich auserkoren hätte. Sie würde an seiner Seite groß werden, strahlen und all ihre schönsten Tugenden an ihre Kinder weitergeben. Sie würde...
"Ich will wieder nach Hause..."
Es platschte, als Corax all seine Fangarme und dann auch den Körper zurück ins Wasser gleiten ließ. Mit geschickten Bewegungen war er neben Azura. Er nahm sie nicht in den Arm, er küsste sie nicht. Er schwamm einfach auf gleicher Höhe neben ihr und doch spürte sie Geborgenheit aufgrund seiner Nähe. Schließlich fand die Spitze eines Tentakels doch ihre Flosse. Er strich an den Schuppen entlang, ehe sich die Saugnäpfe nach und nach um ihren Unterleib schlangen. Mit zwei oder gar drei Tentakeln hielt er sie nun doch endlich fest, so dass sie sich zwangsläufig entweder bei ihm oder der Tänzerinnenstatue anlehnen müsste, um nicht unterzugehen. Denn schwimmen konnte sie so gerade nicht.
"Was war das für eine Sprache?", fragte Corax. "Hast du das von der Oberfläche gehört? Es klang", - er zog die Brauen zusammen - "traurig. Ich möchte nicht, dass du traurig bist." Sein Blick wanderte über ihr Antlitzt. Oh, er besaß nach wie vor die schönsten Edelsteine, die es in der Grotte zu finden gab!
"Also müssen wir wohl doch deinem Wunsch folgen. Einverstanden", seufzte er, ließ ihren Körper wieder los. Er ließ sich auf dem Rücken durch die Grotte treiben, den Blick zu der länglichen Öffnung, die von irgendwoher Licht einfallen ließ und die gesamte Höhle in ein blaugrünes und violettes Farbenspiel tauchte. "Vielleicht kann ich eines dieser fahrenden Holzgefährte für dich finden. Ein Schiff. Würde dich das glücklich machen?" Es bräuchte wohl nur ein Nicken von ihr, dass Corax handelte und sie an die Oberfläche brächte.
Ein Schiff. Mit Glück eines, deren Kapitän sie nicht schänden wollte. Eines mit treuen, herzensguten Seefahrern an Bord. Eines, das nach Andunie fuhr.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Montag 16. Mai 2022, 09:08

Wenn es nicht dieses bohrende Gefühl in ihr gegeben hätte, dass hier etwas nicht stimmte, hätte sie diese Reise durch die Tiefe viel mehr genießen können. Zwar gelang es ihr auch so, für einen kurzen Moment alles um sich herum zu vergessen, doch viel zu schnell war es wieder vorbei. Da half es ihr nicht einmal, dass er so unbeschwert und frei wie ein Kind wirkte, wenngleich sie es ihm gönnte. Denn in dieser anderen Welt hatte er solche Augenblicke nur sehr selten erleben dürfen, wenn überhaupt. Und trotzdem... Azura konnte einfach nicht aus ihrer Haut und ihre Empfindungen auf Dauer ignorieren.
Nun indes führte er sie in eine Höhle, woher auch immer er wissen mochte, dass es sie gab. Zweifel kehrten in ihr Denken zurück. Wieso kannte er einen solch wunderschönen Ort, dass er sogar zielstrebig dort hingeschwommen war? War dieses andere Leben, das sie bislang für die Wirklichkeit gehalten hatte, tatsächlich ihr echtes gewesen? Aber wieso war dann ihre Sehnsucht nach dieser alten Existenz so stark, fühlte sich die Erinnerung derart echt an?
So sehr sogar, dass sie beim Anblick der steinernen Tänzerin davon regelrecht überschwemmt zu werden glaubte. Und als hätte sie für sich selbst dieses Beweises bedurft, wechselte sie problemlos und instinktiv in ihre Muttersprache, um auszudrücken, was sie gerade am meisten bewegte.
Sogar Tränen traten ihr dabei in die Augen. Als jedoch ein Platschen ertönte, wischte sie sich hastig diese verräterische Spur ihrer Gefühlswallung weg, in dem Versuch, es vor ihm zu verbergen.
Im nächsten Atemzug war er bei ihr, berührte sie anfangs nicht und spendete ihr dennoch seine Wärme, sodass sie sich nicht mehr so vollkommen verloren fühlte. Und dann kamen seine Tentakel, streiften sie und begannen immer stärker, sich an ihr festzusaugen.
Obwohl seine Nähe wenige Momente zuvor angenehm und tröstend zu werden versprochen hatte, empfand sie es nun als einengend, wie er sich so um sie schlang, vor allem, weil sie dadurch unterzugehen drohte, wenn sie nirgends sonst Halt suchte. Instinktiv wollte sie deswegen ein wenig Abstand von ihm und lehnte sich an die Statue, nicht an seinen warmen Oberkörper.
Auch wich sie kurzfristig seinem Blick aus und hatte erneut den Gedanken an Nadel und Faden, der sie leicht schaudern ließ, ohne auf den gesamten Hintergrund dessen zurückgreifen zu können. Es war wie eine Blockade in ihrem Gehirn, wie so oft, wenn man sich ganz bewusst an etwas zu erinnern versuchte, es aber gerade deswegen nicht zu fassen bekam.
Bei seinen Worte schlang sie die Arme um ihren bloßen Oberkörper und zögerte, ihm direkt zu antworten. Ganz so, als ahne sie, dass es ihm nicht gefallen würde und es ihrer Gesundheit nicht sonderlich zuträglich wäre, ihn zu verärgern.
Erst, als er seinen Griff von ihr wieder löste, atmete sie lautlos auf und sah zu ihm. Sein Vorschlag hörte sich gut an und doch... verspürte sie Unsicherheit. Unwillkürlich senkte sie ihren Blick auf ihre eigene, derzeitige Erscheinung und schluckte leicht.
Gerne wäre sie wieder an Land oder auf den Planken eines Schiffes, auf dem sie nicht einer Bedrohung ausgesetzt wäre. Nur... in ihrer jetzigen Gestalt? Schon einmal war sie auf einen Mann hereingefallen, weil sie davon ausgegangen war, dass ihre Stellung sie vor Unheil bewahren würde. Wie würde es nun enden? Wäre sie in der Lage, eine drohende Gefahr zu erkennen und neuerlichem Leid nicht sehenden Auges entgegen zu schwimmen?
Oder wäre es besser, zu diesen... Aquaden zu schwimmen? Nur... was wusste sie von denen, außer, dass Corax sie vorgeschlagen hatte? Würde sie dort willkommen geheißen oder wenigstens in Frieden eine Lösung finden gelassen oder wäre ihre Anwesenheit auch dort riskant?
Mit dem Unterschied, dass sie von dort wahrscheinlich noch viel schwerer würde flüchten können, in einer Welt, in der sie sich im Prinzip nicht auskannte. An Land... nein, ihre Orientierung war dort keineswegs besser, aber... aber sie war noch immer viel zu naiv, als dass sie die Auswege dort wirklich realistisch als gleichwertig wie bei den Aquaden einschätzen könnte.
Also nickte sie schließlich. "Ja, ein Schiff...", murmelte sie, schloss kurz die Augen und atmete noch einmal tief durch. Mit etwas festerer Stimme fuhr sie fort:"Ja, ein Schiff klingt gut." Somit war es wohl klar, wohin ihre nächste Reise gehen würde. Und hoffentlich nicht im falschen Moment seine Illusion zerstören würde...
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Dienstag 17. Mai 2022, 13:35

Das Bild von Nadel und Faden wollte Azura nicht verlassen. Immer wieder blitzte es in ihrer Erinnerung auf, obgleich sie es noch nicht wieder zuordnen konnte. Überhaupt fiel es ihr schwer, sich für eine Realität zu entscheiden. Welche davon war echt gewesen? Die Schönere mochte aktuell auf jeden Fall die Unterwasserwelt sein. Selbst ohne die geheimnisvolle Grotte oder gar all das wohlige Wasser um sie herum und ihre neue Gestalt versprühte ihre aktuelle Welt einen ganz eigenen Charme. Er entsprang ihrem Begleiter. Corax gab sich der Situation mit so viel Freiheit hin. Er ließ sich vollends darauf ein, zweifelte nicht eine Sekunde daran, jemals ein anderes Leben geführt zu haben und er genoss sein Dasein sichtlich. Ein Dasein als halbes Fischwesen mit mehr Tentakel und Saugnäpfen als es den Anschein hatte. Sie schlangen sich um Azura und langsam wurde ihr diese Form der Nähe zu eng. Zumal sie und er in diesen Körpern doch nicht ... was noch gleich? Auch hier war die Erinnerung nur ein dunkler Schatten in ihrem Geist. Würde sie sich intensiver darauf konzentrieren, würde sie die Bilder zu den wohligen Schauern entdecken, die ihr der Gedanke an diesen intimen Moment zwischen ihnen bereits verschaffte. Er weckte nicht nur irgendein Kribbeln in ihrem Bauch, sondern auch ein Gefühl von Sehnsucht. Doch jenes mischte sich mit Traurigkeit, vor allem nach dem Anblick der steinernen Tänzerin.
Sie konnte gerade so die Tränen unterdrücken, nicht aber die Leere in ihrem Inneren. So sehr ihr dieses Leben auch gefallen könnte, sie brauchte die Menschen. Sie musste ihresgleichen sehen, sprechen und unter ihnen wandeln. Auf Beinen! Selbst Corax sah, wie sehr sie unter diesem unbekannten Verlust litt. So schlug er ihr vor, entweder die Aquaden aufzusuchen und sich dort von ihrer seltsamen Melancholie heilen zu lassen oder aber den Weg der Menschen zu schwimmen, nämlich auf eines ihrer Schiffe zu. Azura entschied sich für Letzteres. Corax zeigte eine deutlich weniger genervte Reaktion als Azura es insgeheim angenommen hätte. Er seufzte zwar, aber bei weitem nicht so tief und dann warf er sogar die Hand in einer abschüttelnden Geste hinter sich.
"Sei es drum! Schiffe mag ich zwar auch nicht, aber die blöden Froschköpfe noch weniger. Ich kann es nicht leiden, wenn sie dir hinterherquaken und plötzlich Witze vom Laichen machen. Widerlich, bah!" Er schüttelte sich nun ganz und richtete sämtliche Tentakel im Wasser auf, dass sie wie acht, von Saugnäpfen geschmückte Köpfe von Seeschlangen aus dem Wasser heraus schauten. Als sein Oberkörper durch diese Position langsam versank, tauchte er seine zusätzlichen Fischarme wieder unter.
"Ich hoffe, wir finden schnell eines dieser Wassergefährte. Nachts zu schwimmen ist immer sp dunkel und die Strömungen kühlen ab." Er hob einen Finger an. "Wir werden ruhen, wenn das Meer schwarz wird." Diesse Forderung stellte er dafür, dass er Azura Wunsch erfüllen wollte. Die Frage blieb nun nur noch, wo sie ein Schiff finden könnten.

Mehrere Tage waren die beiden wohl unterwegs. So ganz genau ließ sich die Zeit unter Wasser nicht bestimmen. Azura und Corax wussten lediglich, ob es jenseits der Wellen Tag oder Nacht sein musste. Sie fühlten es an den Gezeitenströmen, aber sahen es auch. Denn nachts drang kein Licht mehr bis tief zum Meeresboden durch, so dass aus einem schillernden Blau der Tiefe gänzliches Schwarz wurde. Nur hin und wieder begegneten sie einigen Fischen mit dem besonderen Talent, die Umgebung zu erhellen. Keines dieser Meereswesen ließ sich als sonderlich schön bezeichnen. Ein seltsamer Fisch mit einer Lichtquelle am Ende einer angelrutenartigen Verlängerung an seinem Kopf besaß so widerliche scharfe Zähne und große Augen, dass er mehr an ein Monster erinnerte. Mit einem Fisch hatte er nur noch die Flossen gemein. Sie sahen aber auch Zitteraale, denen sie sich auf Corax' Geheiß nicht zu sehr näherten. Diese Biester konnten ihr Licht nämlich als schmerzliche Schläge ins Wasser übertragen. So töteten sie ihre Beute. Bei einem einzelnen Aal wäre es für Azura oder Corax nur ein Schmerzmoment, aber nicht einmal gefährlich. Eine ganze Gruppe dieser sich windenden Schlangenwesen jedoch konnte selbst für sie ein Risiko darstellen. Das Meer bot aber noch andere Gefahren. Interessanterweise zählte Corax eine Sippe Haie nicht dazu. Er schwamm zwar nicht direkt zu ihnen hin, aber beobachtete sie aus der Ferne und machte sich später über ihre seltsam geformten Köpfe lustig.
Wenn das Wasser finster wurde, ruhten sie beide dicht nebeneinander im Sand auf dem Meeresboden. Corax legte dabei mehr als einmal seine Tentakel schützend über Azuras Leib. Zu mehr kam es jedoch nicht. Er streichelte sie weder sanft, noch küsste er sie und ihre Erinnerungen an ein anderes Leben wurden auch nicht aufgefrischt durch ... was auch immer. Dafür jagte ihr Begleiter jedes Mal vor ihrem nächsten Aufbruch nach einigen Leckerbissen. Krebse und andere kleine Schalentiere schmeckten ihnen besonders gut, sofern sie diese zu knacken bekamen. Korallen waren da eher holzig und zäh. Algen boten eine zwar etwas glitschige, aber geschmacklich gute Alternative. Das Meer war reichhaltig für jene Wesen, die weiter oben in der Nahrungskette standen. Dazu zählten nun auch Azura und Corax. Aber ganz oben befand sich...

"Dort! Siehst du den Schatten?" Ihr Begleiter musste nicht gen Wasseroberfläche zeigen. Azura hatte den dunklen Fleck im Wasser auch so schon bemerkt. Der bauchige Rumpf des Schiffes lag tief in den Wellen. Muscheln und allerlei andere Dinge klebten an den Außenwänden, hielten sich am Holz fest und verzierten so die Unterseite des menschlichen Wassergefährts. Vom Schiff hing eine nicht enden wollende Kette aus schweren, dicken Eisengliedern bis zum Grund herab. Dort endeten die schwarzen Kettenstücke in einem Anker, der größer noch als Corax war. Er lag schwer auf dem Sand und wurde gerade von einem Einsiedlerkrebs inspiziert. Der Anker hinderte das Schiff an einer Weiterreise, aber es befand sich in keinem Hafen, sondern mitten auf dem Meer. Warum hielt man dort an?
Die Antwort kam schneller als sie Azura und Corax lieb war. Letzterer war mit einem warnenden Deut näher an das Schiff heran geschwommen. Er wollte die Lage auskundschaften und hatte dennoch zu spät auf die Gefahrenquelle geschaut. Grund war Azura, zu der er immer wieder zurücksah. Jetzt wurde es Corax zum Verhängnis, als gewaltiges Netze ausgeworfen wurden und sich mit einer quälenden Langsamkeit, dennoch erfolgreich, über ihn legten. Die eng vermaschten Seile drückten den Tentakelleib zu Boden, wo er sich an den beschwerenden Metallstücken an jedem Ende eines Netzes verfing. Noch ehe Azura Corax überhaupt erreichen konnte, hatte er sich so dich in den Maschen verheddert, dass sie einen scharfen Gegenstand brauchen würde, um ihn zu befreien.
"Schnell! Such einen spitzen Stein und schnei mich hier heraus!", rief Corax noch, der mit bloßen Händen nichts gegen das Netz unternehmen konnte. Gerade, als er versuchte, mit seinen spitzen Zähnen die Hanfseile zu durchbeißen, da riss es das Fangnetz wieder empor. Nicht nur er war Opfer des Auswurfs. Viele Fischschwärme, die arglos durch die Maschen geschwommen waren, wurden nun zusammen mit ihnen und Corax aus dem Meer gezogen. "Bleib zurück!", brüllte er Azura noch zu, ehe Dutzende Luftblasen ihm die Sicht nahmen und er langsam aus den Untiefen gerissen wurde.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Mittwoch 25. Mai 2022, 10:11

Eigentlich hätte sie allen Grund gehabt, sich wohl zu fühlen. Sie war in ihrem Element, hatte einen aufmerksamen Begleiter bei sich und musste sich keinen Normen beugen, die sie mitunter einengen könnten. Und dennoch ließ sie das Gefühl, dass hier etwas nicht stimmte, schlichtweg nicht los.
Im Gegenteil, je länger sie sich an diesem Ort aufhielt, desto stärker wurde die Sehnsucht nach dem, was sie für ihre richtige, reale Erinnerungen hielt. Vor allem, als sie die Statue der Tänzerin zu sehen bekam.
Plötzlich war er an ihrer Seite, doch der anfängliche Trost durch seine Nähe wurde alsbald zu einer einengenden Umarmung, die in ihr den Wunsch nach Ausbruch schürte. Wenigstens ließ er sie rasch wieder los und machte ihr Vorschläge, die sie sich durch den Kopf gehen lassen konnte.
Ihre Entscheidung fiel und er akzeptierte sie. Allerdings mit einer Aussage, die sie stutzen ließ. "Wie...?", entkam es ihr und deutlich war ihr anzumerken, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
Und noch deutlicher sah man es, als ihr aufging, was laichen bedeutete. Ihre Wangen färbten sich schlagartig knallrot, brannten regelrecht und wäre sie damit im Wasser gewesen, wäre es nicht unwahrscheinlich gewesen, dass Dampf aufstieg. Damit nicht genug, begannen ihre Augen gefährlich und angriffslustig zu funkeln.
"Diese ekelhaften Kröten! Widerlich! Wenn ich die in die Finger kriege, werden sie froh sein, überhaupt noch ihren Beitrag zum Laichen leisten zu können!", fauchte sie aufgebracht, wodurch sich ihr Brustkorb rascher hob und senkte. Dadurch schillerten ihre Schuppen auffällig, die sich ihren Oberkörper in mehreren dünner werdenden Wellen von der Hüfte hinaufschlängelten, und waren wie gemacht dafür, den Blick auf ihren Vorbau zu lenken.
Nicht, dass sie dort bloß gewesen wäre und es verstecken müsste, schließlich bedeckten die Schuppen jene dunklen, empfindlichen Stellen, aber die Form an sich war nicht gänzlich verborgen, sondern vielmehr nachgezeichnet. Und außerhalb der blau-grünen Wellen war weiterhin ihre helle Haut geblieben. Somit wirkten ihre Brüste sogar so, als wären sie bekleidet und würden lediglich darauf warten, dass die Schuppen beiseite geschoben würden, von kundigen Fingern, die dadurch... Was? Was sollten sie dort tun? Und wieso hatte sie das Gefühl, als wenn es mit ihrem Begleiter zu tun hatte, was sie da erfahren wollte?
Doch nicht jetzt, nicht in dieser Gefühlslage, denn sie war wahrlich aufgebracht über derart geschmacklose Andeutungen. Denn sie glaubte Corax, obwohl sie es selbst noch nicht mitbekommen hatte. Oder hatte es diese Momente nie gegeben, weil es gar nicht der Realität entsprochen hatte?
So schnell, wie die Flamme in ihr hochgeschossen war, sackte sie wieder in sich zusammen. Trotzdem brauchte sie noch kurz, bis sie sich schüttelte und ihrem Begleiter folgte.
Seine Forderung gefiel ihr zwar nicht, weil es dadurch nur unnötig länger dauern würde, jedoch war sie letztlich damit einverstanden. Etwas anderes blieb ihr ja auch nicht übrig.
Also ließ sie sich von ihm führen, umsorgen und die Unterwasserwelt zeigen, als wenn er tatsächlich schon immer hier gelebt hätte und sich auskennen würde. Zugleich fühlte sie sich beschützt und konnte sich ganz auf ihre Beobachtungen konzentrieren.
Nur nachts, da schlief sie eher unruhig, träumte seltsame Dinge und die Erholung blieb teilweise aus. Trotzdem wollte sie am Morgen weiter und behielt die Bilder lieber für sich, weil sie nicht wirklich sagen konnte, wie er darauf reagieren würde. Sofern sie sich überhaupt an mehr als an Empfindungen, die in ihr nach dem Aufwachen nachhallten, erinnern konnte.
Wie viele Tage es so ging, wusste sie nicht zu sagen. Aber allmählich zehrte dieses ewige Schwimmen an ihren Nerven. Deswegen auch atmete sie erleichtert auf, als sie endlich etwas fanden, das die Monotonie des Meeresgrundes durchbrach. Auch sie entdeckte den Schatten und beeilte sich, aufzuholen, da sie sich ein wenig hatte zurück fallen lassen, um sich umzusehen und etwas auszuruhen.
Trotzdem blieb sie nicht an seiner Seite, sondern ließ ihm den Vortritt, wie er es von ihr verlangte. Es war reiner Zufall, dass sie genau zur rechten Zeit in die richtige Richtung blickte. Doch als sie den Mund für eine Warnung öffnete, war sie dann doch einen Tick zu spät dran.
"Nein!", keuchte sie, als sich das Netz um ihren Begleiter legte, und schwamm hastig näher. Allerdings war sie nicht schnell genug, schon hatte er sich viel zu stark verheddert.
"Jetzt halt mal still!", schimpfte sie mit ihm, obwohl es längst zu spät dafür war. Dennoch griff sie nach dem Material, zog und zerrte, versuchte zu entwirren und scheiterte kläglich.
Kurz hielt sie inne bei seiner Anweisung und musste blinzeln, ehe sie verstand, sich abwandte und rasch zum Grund schwamm, um nach einem Stein zu suchen. Das Problem war nur, durch die viele Bewegung war der Schlamm derart aufgewirbelt, dass sie kaum noch etwas sehen konnte. Und das, obwohl die Zeit derart drängte!
Denn schon wurde das gefüllte Netz in die Höhe gezogen, um den Fang nicht entkommen zu lassen. Azura bemerkte es anfangs nicht. Erst sein Schrei ließ sie innehalten und zurück sehen. Ihre Augen weiteten sich und sie gab ihre Suche abrupt auf.
Stattdessen schwamm sie hinterher, griff nach den Seilen und zog daran in dem unsinnigen Versuch, etwas an dem Aufwärtsweg ändern zu können. Solange, bis ihre Hände sich wund anfühlten und zu brennen begannen, sodass sie instinktiv los ließ.
Das war der Moment, in dem das obere Ende des Netzes die Wasseroberfläche durchbrach. Sie hatte es gar nicht bewusst wahrgenommen, denn ihre Umgebung war um einiges heller geworden. Umso größer war ihr Schrecken. Somit konnte sie nichts mehr ausrichten, es sei denn...
Rasch schwamm sie zum Rumpf des Schiffes und warf einen Blick auf dessen Belag. Wirklich prüfen konnte sie es zwar nicht oder besonders wählerisch sein, aber es wäre zumindest ein Versuch wert.
So schwamm die junge Frau heran und griff nach einer Muschelschale, die ihr vielversprechend erschien. Hektisch zog und zerrte sie daran und stellte lediglich fest, dass deren Ränder wahrlich scharf sein konnten, denn sie schnitt sich in den Finger.
Mit einem Schmerzenslaut zuckte sie zurück und steckte sich die Wunde kurz in den Mund, um die ärgste Blutung zu stoppen. Dabei suchte sie mit Blicken nach einem leichter lösbaren Stück. Dieses fand sie auch und diesmal hatte sie mehr Glück. Trotzdem zog sie sich noch eine Schramme zu und verletzte sich auch an einem Fingernagel, aber schließlich kehrte sie mit ihrer Beute zurück. Gerade noch rechtzeitig, denn das Netz wurde unerbittlich in die Höhe gezogen.
"Hier! Ich verschaffe dir Zeit!", rief sie ihm zu, wartete noch, ob er die Muschel griff und schwamm dann etwas voraus, um dort aufzutauchen.
Einen Moment lang zögerte sie und spürte, wie die Angst nach ihr greifen wollte. Aber dann gab sie sich einen Ruck und holte Luft. "He!", rief sie und winkte, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. "He, ihr da! Ja, ihr!" Sobald sich das erste Augenpaar auf sie richten würde, würde sie noch eifriger mit den Armen wedeln.
"Haltet ein! Ihr habt da was im Netz, das nicht essbar ist! Glaubt mir, er ist nicht genießbar, er würde euch nur im Magen liegen! Lasst ihn lieber gleich wieder aus dem Netz, erspart euch jede Menge Ärger!" Na, ob das die richtige Methode wäre? Oder hatte es Corax bereits geschafft und das Hanf durchgeschnitten?!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 30. Mai 2022, 10:30

Die Hanfseile, welche das Fangnetz bildeten, waren nicht nur sehr reißfest, sondern entpuppten sich auch als nützlich für jeden Fischer gegenüber seiner Beute. Im Wasser dröselte das Material nicht auf, aber es besaß die seltsame Eigenschaft, sich an den feinen Schuppen der Fische und anderen Unterwassertieren festzusetzen. Winzigste Fasern der Seile hakten sich an den scharfkantigen Schuppenrändern ein, blieben zwischen ihnen stecken und fesselten jegliche Beute je mehr sie sich zwischen den Maschen wand. Und es handelte sich um eng gestrickte Maschen. Da passte kaum der Arm hindurch, so dass Corax nicht einmal nach Azura greifen und sie von der Falle wegstoßen konnte. Seine Tentakel fanden einen Weg hindurch, aber sie zappelten unwillkürlich und in Panik. Außerdem pressten die nebst Corax gefangenen Fische ebenso gegen das flexible Gitter ihres Käfigs. Sie hatten Angst, wollten nicht als Futter für jene auf dem Schiff enden und versuchten, zu flüchten. Nur die kleinsten von ihnen entkamen vereinzelt. Hektisch schwärmten sie um Azura umher, wirbelten Luftblasen auf und raubten ihr durch das Blitzen ihrer eigenen Schuppenkleider für einen kurzen Moment die Sicht. Sie konnte sich nur auf Corax' Befehl verlassen. Ein Stein, scharf genug um die Seile zu kappen! Das musste her. Also löste sie sich von dem Fangnetz - was auch ihr ob ihres Schuppenkörpers nicht ganz leicht fiel - und suchte den Meeresgrund ab. Inzwischen wurde der volle Beutel an Fischfängen bereits wieder gen Oberfläche gezogen. Azura stand unter Zeitdruck und ihre Sicht verbesserte sich nicht. Gen Grund wandelten sich Luftblasen in aufgewirbelten Sand und Schlamm. Blind tastete sie über den Meeresboden. Sie erfühlte Muscheln, erschreckte einen kleinen Krebs, der ihr über alle Probleme hinaus auch noch in den Finger zwickte. Dann hörte sie Corax' Schrei, als das Netz die schützenden Gewässer verließ. Es war zu spät, mit einem Stein zu retten. Eilig schwamm sie hinterher, bis sie ganz nah am Rumpf des Seegefährts war.
Das Holz kam ihr seltsam vertraut vor. Sie kannte die Machart. Obgleich sie sich nie groß dafür interessiert hatte, so war es ihr doch im Gedächtnis geblieben, wenn ihr Vater sie gelegentlich zum Hafen mitgenommen hatte, wo er mit Kapitänen und Kontorvorstehern sprach. Da hatte das Töchterchen reichlich Gelegenheit gehabt, sich die Schiffe anzusehen, die die reiche Fracht aus ganz Celcia nach Andunie brachten. Und die Seemänner erst! Rau, aber muskulös, meist oberkörperfrei. Genug Anschauungsmaterial, um später im Kreis der Freundinnen und Gleichaltrigen darüber zu kichern und sich Geschichten auszudenken, wie ein so starker, tätowierter Seebär ihnen wohl den Hof machen würde. Gleichzeitig blitzten jüngere Bilder durch Azuras Geist, von einem solchen Seebären, der sich sogar über sie gebeugt und sie halb entblättert hatte, um sich ihren Körper als Preis für ... wofür? Das war nicht wichtig, nicht jetzt. Sie musste Corax zu Hilfe eilen!
Ihre Versuche, das Seil zu zerreißen oder durch Gegenkraft aufzuhalten, blieben natürlich erfolglos. Alles, was sie bewirkte, waren brennende Striemen an ihren Handinnenflächen, wenn das Hanf unnachgiebig weiter empor gezogen wurde und ihr einfach durch die Finger glitt. Sie brauchte ein Werkzeug. Also wandte die Meeresfrau sich erneut dem Rumpf zu. Eher instinktiv griff Azura nach einer der Muscheln, die den Schiffsrumpf bedeckten wie es einst unzählige Pailetten und Perlen auf dem Stoff ihres Ballkleides getan hatten. Erst nach einigen Versuchen gelang es ihr, die Schale zu lösen. Mit einem schwunghaften Schlag ihrer Schwanzflosse beförderte sie sich wieder ans Netz und zu Corax. Im letzten Moment gelang es ihr, ihm die Muschel zu überreichen. Dann musste sie schon zusehen, wie er sich über ihren Kopf hinweg erhob, die wie Aale zappelnden Tentakel zwischen den Maschen des Netzes.
Azura hielt nicht still. Sie wusste, sie würde nach wie vor etwas unternehmen müssen. Also wagte sie es und durchbrach die Wasseroberfläche. Das Sonnenlicht fand seinen Weg sofort auf ihre nassen Haare, die Haut und die Schuppen. Letztere brachten die Strahlen binnen Augenblicken zum Schillern, so dass die junge Frau wie ein Kristall zwischen den Schaumkronen der See tanzte. Die salzige Brise blies ihr kalt ins Gesicht. Das Rauschen der Wellen, welche sich am Schiff brachen, fand ebenfalls einen Weg in ihre Ohren, aber die größte Erfahrung, mit der sie nun zu kämpfen hatte, war ihre Atmung. Die Kiemen schlossen sich, eine Folge ihrer Körperinstinkte. Stattdessen war Azura nun gezwungen, ihre Lungen über Nase und Mund mit frischem Sauerstoff zu füllen. Spätestens, wenn sie feststellte, dass ihre Kiemen ihr den Dienst versagten und sie japste, würde es ganz von selbst gehen.
Dieser Moment reichte aus, um sie orientierungslos werden zu lassen. Ihre Augen suchten nach Hilfe und fanden sie in den schattigen Bewegungen an der Reling des Schiffes. Menschen näherten sich, um das gewaltige Netz einzuholen. Einige riefen bereits lauthals, weil sie Corax pechschwarze Tentakel zwischen den Fischen entdeckt hatten. Außerdem schien er mit der Muschel einen Riss in die Seile geschnitten zu haben, denn etwas vom Fang prasselte schon als fischiger Regen auf die Matrosen nieder. Jemand zog einen länglichen Gegenstand, der fast wie Schuppen in der Sonne aufblitzte. Silbern. Ein Säbel.
Azura rief nach den Männern, um auf sich aufmerksam zu machen.

Madiha kommt von Auf eigenen Beinen

"Was ist das? Das ist doch kein Fisch!"
"Seht euch mal die Tentakel an!"
"Ich glaube, wir hab'n 'n Tintenfisch in'e Fänge bekommen, Männer!"

Die Matrosen versammelten sich an der Backbord-Seite des Deckes, wo ein aufgestellter Holzkran gerade das Netz einholte. Mit dem Fang hatten sie sich für die weitere Reise wappnen wollen, damit die wichtigeren Vorräte an Deck nicht sofort ausgingen. Auf See streckte man alles mit Fisch und wenn der Fang ausblieb, verhalf man sich mit Trockenkeksen. Er hielt sich bei Kräften, aber war verhasst unter Seefahrern, denn selbst Schuhsohlen besaßen mehr Geschmack. So freute man sich natürlich allgemein, wenn etwas Gutes ins Netz ging. Mit einem Kraken hatten die Seefahrer allerdings nicht gerechnet, erst Recht nicht mit einem so großen ... mit schwarzen, aber menschlichen Armen und einem männlichen Oberkörper, der sich vehement gegen die Seile des Fangnetzes warf und mit einer scharfen Muschel darauf einschnitt. Erste kleine Fische fielen durch das gerissene Loch an Deck, sprangen hilflos umher und japsten um ihr Leben. Sie wurden ignoriert. Einer der Matrosen bereute es, als er auf einen der Fische trat, ausrutschte und mit einem lauten Wutschrei auf den Planken landete. Es herrschte bereits jetzt Tumult an Deck der Blauen Möwe, denn so ganz wusste man nicht, was man mit dem halb menschlichen Tentakelwesen anstellen sollte. Es war offenbar männlich und es schnitt sich seinen Weg in die Freiheit. Bald würde es wie die Fische auf das Deck fallen und dann musste man sich zwangsläufig mit ihm befassen. Die ersten Seefahrer zogen ihre Säbel.
Da drangen plötzlich Rufe von jenseits des Schiffes zu ihnen empor. Zwei Männer schauten über die Reling. Ein dritter zeigte mit blanken Finger auf das, was zwischen den Wellen schwamm.
"Da ist'ne Frau im Wasser!", rief er, nicht ohne einen gierigen Unterton in seine Stimme zu bringen. Von unten drangen Azuras Rufe an Deck:"Haltet ein! Ihr habt da was im Netz, das nicht essbar ist! Glaubt mir, er ist nicht genießbar, er würde euch nur im Magen liegen! Lasst ihn lieber gleich wieder aus dem Netz, erspart euch jede Menge Ärger!"
"Wie hübsch!", grunzte einer der Matrosen. Ein weiterer befestigte soeben einen ledrigen Rettungsring an einem Seil. Momente später wurde er ins Wasser geworfen und kam dicht neben Azura auf den Wellen auf. Er ging nur beim Auftreffen kurz unter. Ihre Forderungen ignorierten die einsamen Männer bislang. Sie winkten ihr stattdessen auffordernd zu und brüllten, sie solle sich mit ihren zarten Händen am Leder festhalten. Man würde sie schon an Deck bringen.
"Lasst sie in Ruhe!", keifte es derweil aus dem Netz und plötzlich löste Corax seinen massigen Leib aus den Maschen und klatschte mit allen acht schwarzen Saugnapf-Armen an Deck. Just in diesem Moment erreichte der Erste Maat Jakub Tauwetter das Deck, dicht gefolgt von Madiha, die ihre zu einem Kriegerzopf gebundenen, frisch gekürzten Haare unter einer Kappe verbarg, um weiterhin den Eindruck zu erwecken, sie sei der spontan angeheuerte Schiffsjunge.
Erste Matrosen umrundeten das schwarze Oktopuswesen mit den blutroten Schuppen und gleichfarbigen Augen. Der Oberkörper war der eines Mannes, aber er endete in einem von blutroten Saugnäpfen verzierten Krakenleib. Das Wesen warf die Muschel, mit der es sich in die Freiheit geschnitten hatte, zielgerichtet auf einen der Matrosen. Er traf ihn ins Auge. Der Mann brüllte auf, während ihm bereits Blut das Gesicht herab lief.
"Auf ihn!", brüllten die Seefahrer, um sich auf Corax zu stürzen. Dieser hob warnend die Tentakel, machte sich größer und dann schossen mehrere Spritzer Tinte aus seinem Unterleib heraus, um das von Fischen übersäte Deck noch glitschiger zu machen.
"Haltet das Ding da in Schach!", bellte Jakub erste Befehle. Dabei schlug er Madiha auf die Schulter und schob sie gen Reling. "Die faulen da starren nur auf die See. Bring mir einen Säbel ... Bursche!", forderte er das getarnte Mädchen auf. Er hatte hier eindeutig die Führung übernommen. Vom Kapitän war weit und breit nichts zu sehen. Nur der feiste einäugige Smutje wappnete sich, als er die Kochmütze in den Schutz eines offenen Fasses warf und sein Küchenmesser zückte.
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