Unter Venthas Willkür

Das große Meer ist launisch wie das Wetter. Einmal ist es friedlich und dann wieder die reinste Gefahr. Erfahrene Seemänner befahren es mit ihren großen Schiffen. Alle Reisen sind hier verzeichnet.
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Piraten kapern alle Schiffe, die nicht dunkelelfisch oder verbündete mit sichtbarem Zeichen (Flagge) sind.
Die Mantroner versuchen, gegen die Piraten vorzugehen.
Ein Teil der Amazonen, sowie das dunkle Volk sind Verbündete der Piraten.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Sonntag 10. Juli 2022, 15:38

Madiha hatte Briggs gewarnt, doch von der anderen Seite der Tür war seither kein Ton mehr zu ihr durchgedrungen. Sie wusste nicht, ob er ihre Warnung überhaupt gehört hatte. Und wenn ja, würde er Hilfe holen? Käme er zu spät? Im Moment sah es ganz danach aus, denn die kräftigen Hände des Dunkelelfen drückten immer fester zu. Sie rang bereits um Luft, während sich nun auch der Schmerz von zerquetschten Atemwegen langsam breit machte. Sollte sie das Überleben, würde ein Kette aus blauvioletten Blutergüssen für einige Zeit ihren Hals zieren.
Khasib war immer anders vorgegangen. Natürlich hatte auch er sich eine Freude daraus gemacht, seine Frauen mit phsyischen Strafen davon abzuhalten, jemals wieder auch nur an Ungehorsam zu denken, aber er hatte stets darauf geachtet, dass seine Halunken präzise vorgingen. Natürlich machte Khasib seine Hände nicht schmutzig. Er ließ seine Handlanger die störrischen Sklavinnen züchtigen. Im besten Fall lief es darauf hinaus, dass sie für einen dieser abgerissenen Kerle anstatt für Khasib selbst die Schenkel spreizen mussten. Im schlimmsten Fall geschah genau dies, aber erst nach einer körperlichen Tortur durch Schläge mit Hand, Stock oder Peitsche. Aber immer wurden nur Stellen herausgesucht, die selbst bei einem Schleiertanz von Stoff bedeckt würden. Der Harem sollte makellos aussehen und unberührt. Nach außen wollte Khasib immer den Schein wahren, gut für seine Dutzenden von Frauen zu sorgen. Doch unter den Seidentüchern fanden sich immer Blessuren.
Wenn Corax hingegen so weitermachte wie bisher, würde sich am Boden der Kabine bald Madihas Leiche finden. Das Atmen fiel ihr immer schwerer. Warum schritt die falsche Meeresgöttin nicht ein? Hieß sie es denn gut, dass ihr dunkler Kraken, Vogel, Elf - was auch immer! - einen weiteren Mord beging? Es hatte doch eben noch danach ausgesehen, als missbilligte sie sein Massaker an Bord ebenfalls. Einen Schiffsjungen umzubringen, weil er sie versehentlich verletzt hatte, um sich selbst zu verteidigen, war aber in Ordnung? Warum unternahm nur niemand etwas?!
Tatsächlich amüsierte sich Azura kein bisschen darüber, was Corax gerade mit Madiha anstellte. Sie bekam es nicht einmal richtig mit. Der Schock saß ihr tiefer in den Knochen als der Schnitt in ihrer Handfläche. So sehr, dass sie den Schmerz sogar nur zweitrangig miterlebte und der Anblick ihrer Hand, wie sie sich mit Blut füllte, wesentlich eindrücklicher für sie war. Aber selbst das führte noch zu keiner Reaktion, wenngleich sich eine Ohnmacht langsam anbahnte. Vielleicht hätte Azura sogar das Bewusstsein verloren, wenn die Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes ausgeblieben wäre. Dort aber huschte gleich mehrfach etwas zwischen den Holzritzen hervor und versammelte sich zu dunklen Flecken an der Wand. Ein Blick hinüber verriet ihr, dass die Ratten das schwimmende Schiff wohl verlassen hatten. Ihren Platz nahmen nun mehrere Kakerlaken ein, die hässlicher nicht hätten sein können. Es ließ sich schwer beschreiben, aber irgendwie machten sie einen ... knorrigen Eindruck. Ihre Beine waren nicht krabblerisch dürre Stiele, sondern knotige Auswüchse unterhalb ihres ovalen Chitinkörpers. Sie glänzten schwarz, jedoch nicht wie Edelsteine oder geschwärztes Glas, sondern wie öliges Pech, auf das die Sonne fiel. Sie drohten passiv damit, sich zu verbrennen, sollte man sie berühren. Oder sie würden sich gleichermaßen wie Pech an die Finger des Wagemutigen heften, an ihnen kleben bleiben und ihn überwältigen. Es waren nicht viele Kakerlaken, doch ihre Präsenz wanderte wie ein eisiger Schauer des Unbehagens an Azuras Körper entlang. Er setzte sich in ihrem Herzen fest, um dort alle Glücksgefühle zu verdrängen, dass nur Angst und Ekel zurück blieben. Fast schmeckte sie den rachedurstigen Hass, den Corax in Form von physischer Kraft gerade auf Madiha abgab und für eine kurze Schrecksekunde wollte auch sie jemandem wehtun.
Dann aber brach der Anblick der Kakerlaken selbst sich erneut Bahn. Der Ekel vor diesen Krabbelviechern war größer als ein Hassgefühl, das nicht in ihrem Herzen geboren worden war und so drängte es sich an die Oberfläche, um dort zu explodieren. Ihr Schrei steigerte sich zu einer wuchernden Hysterie heran, die schrill in den Ohren der Anwesenden klingelte. Das hatte allerdings auch sein Gutes: Sie erreichte Corax.
„Bi… bitt…e“, krächzte Madiha ihren kostbaren Atem hervor, als der Griff um ihren Hals sich jäh lockerte. Die Hände zogen sich gänzlich zurück und ihre Sicht verschwamm für einen benommenen Moment, in dem neuer Sauerstoff sich einen Weg in ihre Lungen suchte, um sie vor einem Erstickungstod zu bewahren. Als sie wieder klar sehen konnte, war der mörderische Dunkelelf schon bei seiner selbst titulierten Göttin angekommen. Gerade schob er beide Arme unter ihren Körper, um sie auf selbige zu heben. Wäre er nur stattlicher und in der Seele nicht so verdorben, das Bildnis hätte in jedes Märchen hineingepasst, in dem der strahlende Ritter seine Prinzessin auf Händen zu seinem Pferd trug, um sie anschließend zu seinem Schloss zu bringen, wo er sie in wilder Leidenschaft ... glücklich bis an ihr beider Ende lieben würde, bis sie entweder an einem zu kitschigen Ende oder einem Übermaß körperlicher Freuden verschieden.
"Herrin, was ist los?" Corax hielt Azura an seine Brust gedrückt, schaute auf ihre Hand und suchte dann ihren Blick nach einer Antwort ab. Er erhielt sie, aber nicht direkt von ihr. Sein Gesicht verlor an Farbe. Er versteifte sich und ihm klappte die Kinnlade herunter, als er der keckernden Stimmchen gewahr wurde, die zu ihm sprachen.
"Du hängst mir zu oft an diesem Weib herum. So hübsch ist sie nicht."
"Jaja, deine letzte Herrin war auch keine Schönheit, aber wenigstens grausam. Die hier ist ... langweilig."
"Rette sie nicht, lass sie fallen. Lass sie leiden!"

Corax starrte die Kakerlaken an. Seine Hände begannen zu zittern und beinahe hätte er Azura wirklich fallen gelassen. "NEIN!", brüllte er los, bekam sie beim Nachgreifen im letzten Moment zu fassen und wich bis an die Schrankwand der Kabine zurück. "Ich mag nicht mehr spielen! Haut ab!"
"Ohohoho, wie ernst es ihm ist. Er spricht sogar Gaianya mit uns."
"Lass uns den Spaß, kleiner Vogel. Kreischen kannst du ein anderes Mal."
"Ja, zum Beispiel, nachdem wir mit deiner neuen Herrin gespielt haben."
"Oder kümmere dich weiter um das Balg da hinten. Ja, sie atmet wieder. Sie kann wieder spielen."
"Ohja, lustig. Warum rammen wir ihr nicht den Schiffsanker in ihr Loch und werfen sie über Bord damit?"
"Ohja, lustig, lustig, hohoho!"

"HÖRT AUF!" Corax brüllte die kleinen Kakerlaken an, die wild und keckernd über den Boden wuselten. Dann trat er nach ihnen. Mit Azura auf den Armen stampfte er mehrmals auf den Boden. Dass er dabei einige Federn ließ, fiel ihm gar nicht auf. Schließlich knackte es hörbar und seinem nackten Fuß, gefolgt von einem schleimigen Fleck insektenhafter Körpersekrete.
"Was hat es getan?!"
"Es hat unseren Bruder zerquetscht!"
"Wie kann er es wagen?!"

"Jahaaaa, jetzt leidet ihr! Lasst uns in Ruhe!" Corax kreischte triumphal auf. Aber sein Schrei war mehr ein wütendes Krächzen, als hätte sich erneut eine Krähe auf das Schiff verirrt. Außerdem war es gewaltig genug, dass es Holz sprengte. Nein, es war nicht Corax Schrei. Von draußen hatte man die Tür entriegelt und nun stürmten mehrere Matrosen die Kabine. Zwei von ihnen fielen sofort über den Dunkelelfen her. Azura wurde dabei unsanft in die Schlafnische fallen gelassen, wobei zu einer verletzten Hand sicher noch einige blaue Flecke an Schulter und Armen hinzukämen, denn sie stieß sich an der Rahmenkante der Koje an. Darüber hinaus blieb sie aber unversehrt, ganz im Gegensatz zu Corax. Der wurde gerade zu Boden gerungen, seine Hände und Füße mit Stricken gefesselt, während man ihm einen Säbel an den Hals drückte, dass der kalte Stahl ihn vor zu schnellen Bewegungen warnte.
"Was macht dieser ... was immer er ist in der Kabine?" Das war Jakub Tauwetter. Er drängte sich in den zu engen Raum. Briggs schielte nur an der Hüfte des Ersten Maats vorbei, um die Kabine nicht noch enger zu machen. Er blieb besser draußen. Aber Jakub musste als Redeführer die Situation einschätzen. Die drei Matrosen hielten Corax in Schach. Mit der Klinge am Hals wehrte er sich nicht einmal, grinste aber zu den Männern empor, obgleich er noch immer eine eher fahle Haut besaß, als sei ihm die blanke Angst in alle Glieder gefahren.
Jakub warf ihm einen strengen Blick zu. Dann entdeckte er Madiha und trat an sie heran. Er bot ihr eine kräftige Hand an, um ihr aufzuhelfen. Eine Spur ehrlicher Sorge lag in seinem sonst so strengen Blick. Er vertrieb sie aber schnell zurück in die hinteren Reihen seiner Persönlichkeit. "Alles in Ordnung?", fragte er Madiha und schaute sich um. "Du solltest doch nur auf die Fremde aufpassen. Wo kommt ihr Handlanger her?"
"Sollen wir ihn endlich töten, Käpt'n?" Einer der Männer schaute zu Jakub herüber. Der schien über den Titel nicht erstaunt. Er schüttelte aber den Kopf und befahl: "Fesselt ihn an den Schiffsmast. Ich will erst Antworten, ehe ich eine endgültige Entscheidung treffe. Allerdings glaubte ich, die Antworten von der Frau zu erhalten. Wo steckt sie?"
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 10. Juli 2022, 21:48

Madiha schloss die Augen. Sie ertrug das Bild der roten und hasserfüllten Augen nicht mehr. Mit ihrer letzten Reserve bemühte sie sich gegen das drohende Ende anzukämpfen und musste erkennen, dass sie alles aufgewendet hatte, was sie konnte. Es gab nichts mehr. Sie war zu schwach. Das Wüstenmädchen hatte psychische und physische Gewalt erfahren und überlebt. Sie hatte Folter und ein Todesurteil überlebt. Einen Angriff von dunklen Schergen auf die Schule, die ihre neue Heimat hätte sein können. Sie hatte die Demütigungen überlebt, die ihr der ein oder andere Mitschüler entgegnete und war trotzdem stark geblieben. Und sie hatte die Enttäuschungen überlebt, die ein gebrochenes Herz erdulden musste. Sie war stets aufgestanden, hatte sich den Staub von den viel zu großen Hosen geklopft und die Schultern gestrafft. Das Kinn gereckt und trotzig dem nächsten Unheil entgegengesehen. Doch das hier? Madiha spürte die Luft, die viel zu knapp wurde und wie ihre Eingeweide sich kreischend nach dem so nötigen Stoff sehnten. Ihre Lungen ächzten unter dem fehlenden Atem und zogen sich schmerzend zusammen, während ihr Gehirn die Notabschaltung vorbereitete. Ihre Beine sackten weg, sie wurden nicht mehr gebraucht. Ihre Arme verloren an Kraft, auch sie waren ihres Dienstes enthoben. Ihr Kopf wurde seltsam wattiert und ein Rauschen benebelte ihre Ohren. Alles wurde auf ein Mindestmaß heruntergefahren, damit das Wichtigste erhalten blieb: Das Herz, das Gehirn. Nichts war mehr wichtig und so kämpfte ihr Körper gegen die Behandlung von außen mit drohender Ohnmacht an. Das Mädchen spürte, wie es sich mehr und mehr zurückzog und ins Dunkel fiel, während der Schmerz kaum noch spürbar war. Die Nerven sendeten diese Gräueltat nicht mehr weiter. Ein letztes Aufbäumen war alles, was Madiha noch erreichte und so flehte sie krächzend nach Einhalt. Doch wer hätte dem Hass der dunklen Krähe entgegnen können? Ein Schrei drang schrill, aber komisch verzerrt an ihr Bewusstsein, das sich bereits auf der Schwelle befand. Und plötzlich fiel der Druck ab. Madiha dachte schon, es wäre die gnädige Erlösung. Die Belohnung für ihren Kampf, als sie zu Boden sank und im ersten Moment nicht wusste, wo sie war. Sie atmete nicht. Sie lag auf dem Boden der Kajüte und um sie herum nahmen neue Schrecken ihre Formen an, doch davon ahnte sie in diesen Sekunden nichts. Das sich neben ihr abspielende, düstere Märchen erreichte ihre Sinne nicht. Das Mädchen balancierte wackelig auf der feinen Linie zwischen Sterben und Leben, bis sie plötzlich hustend, prustend und sich schüttelnd Luft holte. Bellend klang ihr Keuchen, deutliche Zeichen ihrer Läsion. Sie holte ein paar Mal viel zu viel Luft und hustete danach wieder erbärmlich. Doch das Leben kehrte in ihren dürren Körper zurück und so auch die Funktionen, die ihr Bewusstsein nach und nach abschaltete.

Madiha kam auf alle Viere und legte zitternd eine Hand an ihren Hals. Die Schmerzen waren noch benebelt, aber sie waren da und mit jedem Atemzug, der ihre Lungen füllte, funktionierte auch ihr Geist wieder. Sie spürte, dass an ihrem Hals die Male gut sichtbar für jedermann sein würden. Ihr Hals zeigte sich empfindlich auf ihre Berührung und die Haut, die zusammengedrückt wurde, brannte. Sobald sie noch mehr Kraft zurückgewonnen hatte und die Augen endlich wieder benutzen konnte, schleppte sich Madiha so weit weg von der Krähe und der Göttin, wie es ihr in dieser beengten Kajüte möglich war. Sie setzte sich mit dem Rücken zur Wand, die Hand an ihrer Kehle und starrte angsterfüllt auf Prinz und Prinzessin. Er hatte sie im Arm und wirkte besorgt, sie indes beinahe panisch. Madiha brauchte einen Moment, um die Szene zu verstehen. Und tat es dennoch nicht wirklich. Ihr Blick fiel auf die schwarze Plage am Boden, als auch der Blutrünstige bereits seinem Wahnsinn noch mehr Tür und Tor öffnete. Er kreischte unverständlich für das Kind und sie konnte nur entsetzt auf ihn starren. Sie verstand überhaupt nichts. Dann hampelte er, in ihren Augen, herum und erst als es widerlich knackte, erkannte Madiha, dass er auf eine der seltsam ekelerregenden Kakerlaken getreten war. Triumphierend waren seine folgenden Worte. Das alles geschah seltsam verzögert und Madiha hatte ohnehin noch mit ihrer neu gewonnenen Lebensenergie zu kämpfen, sodass sie kaum fähig war, auf das Gesehene und sich Abspielende zu reagieren. Bis plötzlich die Tür zur Kammer aufsprang und sie erschrocken beide Arme über ihren Kopf warf, in der Erwartung, gleich dem nächsten Schrecken ausgesetzt zu sein. Erst als sie weder gepackt noch beachtet wurde, tauchte der dunkle Schopf zögerlich unter ihren Armen hervor und sie erkannte den ersten Maat. Erleichterung machte sich plötzlich breit und sie spürte, wie sich in ihrer Kehle ein Kloß des Aufatmens bildete. Endlich. Sie war nicht mehr allein, endlich konnte sie dem Grauen entkommen.
Sie sah, wie die dunkle Krähe gefesselt wurde und hämisch grinste. Ein Schauer jagte über ihren Rücken. Egal wie viel Schreckliches sie erlebt hatte bisher – er übertraf alles und würde sie nie wieder gänzlich loslassen. Gezeichnet durch seinen Hass starrte sie wie in Trance auf das Gerangel, bis sich plötzlich eine Gestalt vor ihr aufbaute. Madiha brauchte zwei Sekunden länger, bis sie den Kopf hob und in das Gesicht von Jakub Tauwetter blickte. Die Sorge in seinen Augen verschwamm bereits wieder, sodass sie das gar nicht wahrnehmen konnte. Ihr Blick rutschte auf seine Hand und seine Frage ließ sie zögern. Nichts war in Ordnung. Gar nichts. Dennoch hob Madiha den Kopf leicht an und in ihrem Mundwinkel zeichnete sich ein äußerst derangiertes Lächeln ab. „Alles…“ – ihre Stimme klang heiser und sie verzog das Gesicht, während der Schmerz langsam nachließ. Sie hustete leise, ehe sie Jakub’s Hand ergriff und wackelig auf die Beine kam. Sie lehnte sich gegen die Wand und strich sich über die nassen Wangen. „Alles in Ordnung.“, versicherte sie leise und schon klangen die weiteren Fragen des Seemannes in ihren Ohren. Madiha löste ihre Finger von ihrem Hals und deutete auf das Bullauge. „Ich… konnte ihn… nicht auf-…halten.“, brachte sie mühsam hervor und ihre Stimme blieb kraftlos. Sie senkte die Augen und atmete ein paar Mal konzentriert ein, wobei ein leichtes Geräusch beim Einatmen an ihren Kampf erinnerte. Sie versuchte sich zu räuspern als würde lediglich der sprichwörtliche Frosch im Hals sitzen. Doch er verschwand nicht. Erst als Jakub nach der Frau verlangte, hob Madiha wieder den Blick. Sie hatte nicht mitbekommen, wie es der Göttin ergangen war. Auch sie suchte die Kajüte ab und fand sie in dem Bett. Allerdings reichte es der Sarmaerin. Sie schob sich näher zur Tür, hinter Jakub und die anderen Matrosen, um ja nicht wieder in die Schusslinie zu geraten. Und um den Anblick auf den Mann am Boden nicht ertragen zu müssen, dessen rote Augen sie noch lange in ihren Träumen heimsuchen und ihr kalten Schweiß bescheren würden.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Donnerstag 14. Juli 2022, 12:57

Es kam mal wieder alles zusammen. Zuerst die ganze Magie, die ihrer beider Körper in seltsame Mischwesen verwandelt und unter Wasser überleben lassen hatte, dann das ganze Chaos und all das Leid auf dem Schiff, bis der Zauber endlich brach. Danach war sie hier, nackt, aufgewacht und hatte innerhalb kürzester Zeit verschiedene Erscheinungsformen ihres Begleiters erleben müssen, um am Ende feststellen zu müssen, dass er gerne Leid und Tod gebracht hatte. Was wiederum in ihrerm Inneren zu einem leisen Sterben von Gefühlen geführt hatte, wenngleich sie sich damit noch am wenigsten befassen konnte.
Und zu guter Letzt war sie nun auch noch von dem Messerchen des Bengels verletzt, blutete und... und musste krabbelnde, ekelhafte Kakerlaken in ihrer unmittelbaren Umgebung ertragen. Dieser letzte Punkt war jedoch zu viel des Guten, denn auch ohne all dem bisher Erlebten hätte sie einen Schreianfall bei deren Anblick gehabt.
Sie mochte die ersten Jahre ihres Lebens auf der Straße verbracht haben, ehe sie dank ihres Stiefvaters und seiner Liebe zu ihrer Mutter wie zu ihr das Leben eines verwöhnten Adelstöchterchens hatte führen können. Aber das hatte sie nicht davor bewahrt, eine fast schon als typisch verschrieene Ansicht zu hegen: Ungeziefer ist grauenhaft!
Also tat sie, was wohl jedes Prinzesschen in ihrer Situation tun würde, wenn sie Angst haben musste, von diesen Mistviechern womöglich noch berührt zu werden. Azura begann zu schreien. Doch nicht nur ein wenig oder nach Hilfe, sondern richtig laut, schrill und ausdauernd. Ihre Stimmbänder würden es ihr nachher zwar definitiv nicht danken, nur konnte sie sich darum gerade nicht kümmern.
Es war beinahe erstaunlich, wie lange sie das aushielt, zwischendurch immer wieder Luft holte und dennoch nicht vor Erschöpfung aufhörte. Im Gegenteil, es schien sogar noch schlimmer zu werden, als sie berührt wurde. Jedoch war es keines dieser ekelhaften Krabbeltiere, die sie so in Panik versetzten und alles andere dadurch überlagerten, sondern zwei männliche, eigentlich vertraute Arme.
Wenngleich es gerade der absolut falsche Moment war. In ihrer Panik konnte sie Freund von Feind nicht unterscheiden. Stattdessen schien sie sich noch um ein paar Töne in die Höhe zu steigern und wehrte sich wie eine Furie gegen den Griff, der sie eigentlich in Sicherheit bringen wollte. Es glich einem regelrechten Wunder, dass sie nicht unsanft auf die Planken zurück polterte.
Seine Worte schafften es nicht bis an ihre Ohren, die ihr von der eigenen Stimme klingelten. So wand sie sich weiter, schlug um sich, ohne zu registieren, ob und was sie dabei traf oder wohin sie ihr Blut verteilte, und schrie sich die Seele aus dem Leib.
Solange, bis selbst ihr die Stimme allmählich versagte, sodass sie immer leise wurde und der Schrei zu einem heiseren Krächzen verkam. Dabei wurde sie zusätzlich zu ihrer eigenen Gegenwehr herum geruckelt und irgendwann war ihr Geist bereit zu erkennen, wer sie hier beschützte und vor diesen Krabblern weghielt.
Aber just in diesem Moment geschah es, der tretende, nackte Fuß erwischte eines der Ungeziefer und es knackte hörbar. Ihr war, als würde die Welt in diesem Atemzug still stehen. Sie wurde zu einer regelrechten Statue, starrte stumm und mit geweiteten Augen hinunter, um diesen scheußlichen Fleck mit den Überresten darin sehen zu müssen.
Und das war... zu viel! Ihr gingen mal wieder die Lichter aus. Wenngleich dieses Mal nicht für lange, denn als kurz darauf die Kabine gestürmt und ihr Retter überrumpelt wurde, landete sie dermaßen unsanft in der Koje, dass sie sich den Kopf dabei stieß. Doch das verlängerte ihre Ohnmacht nicht, sondern holte sie stattdessen aufgrund der Schmerzen in die unschöne Wirklichkeit zurück.
Noch etwas benommen zwar, aber sie war im Prinzip wach. Was nicht bedeutete, dass sie irgendwie hätte eingreifen können. Nein, schon wieder musste sie Qualen ertragen, sodass sie sich wimmernd an die Stelle an ihrem Hinterkopf griff, die sich unnatürlich empfindlich anfühlte und bei der leisesten Berührung eine ware Flut an Pein durch ihren gesamten Körper jagte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. Juli 2022, 08:20

Madiha sah ihr Ende schon gekommen. Innerlich machte sie sich bereit, den Göttern gegenüber zu treten. Vielleicht hätte sie mehr beten sollen. Was jetzt wohl auf die zu kam? Würde sie im Angesicht eines oder mehrerer höherer Wesen als für unzureichend befunden, weil ihr Glaube ein Leben lang nicht ansatzweise stark genug gewesen war? Oder durfte sie einfach in diese stille Schwärze hinabgleiten, fort von den blutigen Augen, deren letzter Blick ihr galt?
Niemand erschien. Keine Gottheit, aber auch nicht der Gevatter, welcher sonst der letzte Weggefährte auf einer Reise in die Ewigkeit darstellte. Er wusste, dass es für ihn hier nichts zu tun gäbe. Also blieb er in seiner Domäne, auf seinem unbequemen, aber hohen Lehnstuhl sitzen, die knochigen Füße ausgestreckt und eine Schale gepufften Mais auf dem Schoß. Er widmete dem Wüstenkind nicht einmal eine Großaufnahme in seinem geheimnisvollen Spiegel. Dort erschien sie nur am Rand, ein winziges Bild in einem viel größeren, welches eine Küche mit allerlei Tierwesen zeigte. Eine Schlange auf zwei Beinen kochte Omelett, während ein riesiger Bär einer Elfe gerade einen Stuhl zurückzog. "Der hat wenigstens noch Manieren", klapperte Tod. Das Grinsen seines blanken Schädels war allgegenwärtig, aber über die bleiche Knochenfläche zog sich eine Aura der Belustigung.
Madiha hingegen fand überhaupt nichts mehr lustig. Im Gegenteil, sie glaubte, nun schwanden auch noch die letzten Emotionen aus ihr, die sie irgendwie lebendig gemacht und an Celcia gebunden hatten. Dann löste sich die Enge. Sie brach auf, entließ die Schwärze ihrer Agonie in einer Gewalt aus Schmerz und dem Drang, das Leben nun doch noch nicht fallen zu lassen.
Sie atmete. Mit jedem neuen Intervall sog sie den Schmerz, aber auch kostbare Luft in ihre Lungen und stieß die verbrauchte wieder aus. Ihr Hals bildete dabei den Knotenpunkt sämtlicher Pein. Sie spürte, wie er sich langsam entfaltete. Die Enge nahm ab, das Brennen blieb. Es pochte zusammen mit ihrem Puls durch ihre Adern, dass sich ihr Hals ganz heiß anfühlte. Aber sie lebte und sie atmete.
Langsam kam sie auch zurück auf ihre Beine. Es war angenehmer, sich aufzurappeln und zitternd an der Kabinenwand zu lehnen als sich auf ihre gewürgte Haut zu konzentrieren. Fast reflexartig fand ihr Blick den Verursacher ihrer Pein. Sie mied es dennoch, Corax in die Augen zu schauen. Der hatte im Augenblick aber auch ganz andere Probleme. Er grinste zwar hämisch zu Matrosen empor, die ihn im Griff hatten und seine Gliedmaßen fesselten, aber es wirkte auf seltsame Weise nicht echt. Es war eine Maske, hinter der er sich verbarg. Madiha kannte diese Fassade. Oft genug hatte sie sie selbst an den Tag legen müssen, wenn Khasib von ihr verlangt hatte, schön zu sein und zu lächeln, während er seine Gäste und Geschäftspartner über ihren Körper rutschen ließ. Hinter diesem selbstsicheren, unnahbaren Blick verbarg sich die Angst und ein Sehnen, dass es bald vorüber sein möge.
Dann wurde der Dunkeelf empor gerissen und aus der Kajüte gezerrt. Als ihn die Erkenntnis traf, von seiner Herrin getrennt zu werden, begann er zu zappeln. "Rührt sie nicht an!", warnte er die gesamte Mannschaft. Ein Nicken von Jakub zu seinen Leuten genügte und schon schlug einer der Matrosen Corax so fest gegen die Schläfe, dass er wohl für Stunden Ruhe gäbe.
Der einstige Erste Maat und nun offenbar Kapitän ging neben Madiha auf ein Knie herunter. Wenig später bot er ihr die Hand an, damit sie aufstehen könnte. Er half ihr. Von Caleb keine Spur. Lebte der Wüstendieb noch oder hatte er sich bereits jenem Schicksal hingeben müssen, das vielleicht auch noch dem bösartigen Elfen bevorstand?
Mit einem schmerzhaften Krächzen brachte Madiha ihre Lüge hervor: "Alles ... Alles in Ordnung." Jakub musterte sie zweifelnd. "Ich ... konnte ihn ... nicht auf- ... halten."
"Ich hatte auch nicht damit gerechnet, dass er hier drin sein würde." Sein Blick folgte Madihas Fingerzeig zum offenen Bullauge. Jakub runzelte daraufhin die Stirn. Das Fenster war viel zu klein, als dass ein gestandener Mann sich hätte hindurch quetschen können. Ein Vogel, beispielsweise eine kleine Krähe, hätte es aber problemlos geschafft. Diese Überlegung stieß Jakub allerdings überhaupt nicht an. Ohnehin schien er sich keine Gedanken darüber zu machen, dass Corax mit Hilfe seiner Magie wieder entkommen oder noch schlimmere Rache üben könnte, sobald er aus seiner Ohnmacht wieder erwachte.
Madiha ergriff Jakubs Hand und rappelte sich an ihr in die Höhe. Der Erste Maat - nun Kapitän - zog sie halb auf die Beine. Anschließend hielt er seinen Arm so, dass sie sich daran stützen oder sich an seine Hüfte flüchten könnte. Jakub würde es kommentarlos zulassen, sie aber auch nicht dazu auffordern, falls sie ihr falsche Mannesbild wahren wollte. Tatsächlich schob sie sich wenige Momente später sogar an Jakub vorbei und gen Tür. Die Matrosen waren bereits mit Corax verschwunden. Der Kapitän schaute Madiha hinterher.
"Geh in die Kombüse. Der neue Smutje soll dir etwas Honig in heißem Wasser auflösen. Trink das und komm dann hierher zurück. Ich werde dich brauchen ... Schiffsjunge." Nach wie vor hob er ihre Identität nicht auf. Sobald Madiha den Raum verlassen hatte, zog Jakub die Tür zu. Von innen ließ sie sich nicht verriegeln, also musste er es dabei belassen. Anschließend näherte er sich der Nische, in der sowohl die Koje untergebracht war als auch Azura. Sie hatte inzwischen das Bewusststein wiedererlangt, wenngleich sie im Gesamten noch zu benommen gewesen war, um bei Corax' Abtransport oder den folgenden Schrecksekunden überhaupt zu reagieren. Nun würde sie aber müssen und keine erneute Ohnmacht könnte sie vor Jakub retten. Er ging nicht brachial mit ihr um, würde sie aber aus neuen Phasen der Bewusstlosigkeit heraus rütteln, notfalls mit einigen flachen Schlägen auf die Wangen. Er riss sich gewaltig zusammen, nicht noch schlimmer ihr gegenüber vorzugehen. Warum er sich zurückhielt, blieb sein Geheimnis. Die Strenge in seinen Augen verriet jedoch, dass er weitaus schrecklicher mit ihr umgehen wollte als er es letztendlich tat.
Sein Griff um Azuras Oberarm war fest. Sie würde sich niemals aus eigener Kraft daraus befreien können. Hätte Corax mit der gleichen Kraft bei Madiha zugedrückt, wäre das Mädchen tot gewesen, ehe sie sich ihres Endes hätte bewusst werden können. So aber musste sich die Adelstochter im Schraubstock des neuen Kapitäns wiederfinden und dieser zeigte sich nicht allzu geduldig.
"Genug der Spiele." Seine Stimme war klar, fest und vor allem beherrscht. Er unterdrückte jeglichen Zorn, verbannte seine Emotionen aber auch nicht. Sie broten ihm kontrollierten Antrieb, die Unterhaltung zu führen. "Du wirst mir jetzt Rede und Antwort stehen. Auf Formalitäten verzichte ich. Dein Freund hat mehr als die halbe Mannschaft, inklusive unseres einstigen Smutjes und des Kapitäns auf dem Gewissen. Und du, Fremde, wirst mir nun genau erklären, was das sollte. Wer seid ihr? Warum habt ihr unser Schiff attackiert? Was wollt ihr von uns und wie lässt sich die Bestie von einem Dunkelelfen da draußen daran hindern, uns erneut in den Untergang zu schleudern. Was - ist - er?"
Selbst Jakub hatte verstanden, dass Corax unter seinesgleichen nicht gewöhnlich war. Wohl aber hatte er gemerkt, dass gerade Azura offensichtlich wenig Entscheidungsgewalt über das Geschehen an Bord gehabt hatte. Sie schien die treibende Kraft für Corax' Motive zu sein. Er hatte sie als Herrin, als Göttin der Meere vorgestellt. Venthazura. Jakub nahm diesen blasphemischen Namen nicht einmal in den Mund. Sein Glaube an die wahre Herrin der Meere, an Ventha, schien dafür zu hoch.

Während sich Azura nun also dem neuen Kapitän Tauwetter stellen musste, ohne ihm langfristig zu entkommen, da er keine weitere Ohnmacht zuließ, konnte Madiha ihre nächsten Schritte wählen. Noch immer waren sie wacklig, aber ihr Hals bereitete größere Schmerzen. Sie hatte nun die Wahl, da Jakub zwar mit ihr rechnete, wohl aber nicht allzu bald. Sie konnte in die Kombüse gehen, die in unmittelbarer Nähe zu Fischauges einstiger Kabine lag oder sie folgte den Matrosen an Deck, um zu schauen, welches Schicksal nun auf den Dunkelelfen wartete ... oder um an ihm Rache zu üben.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 16. Juli 2022, 07:58

Es war das Leben, welches Madiha wählte. Oder erwählte das Leben sie? Wie auch immer man es drehen wollte, das Wüstenkind bekam eine weitere Chance. Eine Chance, es besser zu machen – vielleicht besser zu treffen. Der dunkelhaarige Wildfang brauchte einige Minuten, um sich zu sammeln, bevor so mit Jakub’s Hilfe wieder auf die Beine kam. Die Sorge in seinem Blick blieb ihr verborgen, nicht aber die einladende Geste seinerseits. Sie hätte Schutz bei ihm finden können. Doch Madiha wagte es nicht, sich darauf einzulassen. Zu sehr war sie misstrauisch durch ihr Leben und viel zu durcheinander, aufgrund der Ereignisse der letzten Stunden. So verging die gut gemeinte Geste ungenutzt und der dürre Körper des Mädchen, schob sich in sichere Entfernung zu allem, was ihr in nächster Zeit den Schlaf rauben würde. Madiha blickte auf, als der Dunkelelf von den Matrosen empor gehoben wurde, damit er lief. In seinem Gesicht bröckelte die Arroganz und der Wahnsinn zeigte eine neue Facette: Angst. Madiha stutzte für einige Sekunden, kam ihr dieser Ausdruck so seltsam vertraut vor. Doch der Moment verstrich und als die Matrosen vorbeigingen, wandte sie das Gesicht ab. Einen Moment wurde es still, bis die Stimme von Jakub ihr den Ausweg bot, den sie nötig hatte. Madiha blickte auf und nickte, was sie bereute, doch sie sagte nichts. Viel zu sehr schmerzte ihre Kehle und mit jedem Vibrieren ihrer Stimmbänder, hatte sie das Gefühl, Glasscherben zu essen. Das Mädchen warf trotz ihrer eignen Situation einen zweifelnden Blick auf den ‚neuen‘ Kapitän und die Frau in der Koje. Allerdings ging es sie auch wirklich nichts an, sodass sie dann doch gerne den Raum verließ und sich für einen Moment dem Ganzen entzog. Dass er sie brauchte, ließ sie stutzen, aber der ehemalige Erste Maat würde sicher seine Gründe haben. Nur aufpassen würde sie nicht noch mal. Eher befreite sie das Deck von den Zeugnissen der Gewalt.

Das Mädchen ließ die Kajüte hinter sich und hörte das Schließen der Tür, bevor Jakub’s Stimme gedämpft hindurchsickerte. Kurz lauschte Madiha, konzentrierte sich aber dann auf ihren Weg. Die Kombüse war nun wirklich nicht weit und auch wenn ihre Schritte noch langsam vorangingen, bewältigte sie den Weg. Allerdings fiel mit jedem Schritt auch ihre angestaute Anspannung ab. Das Adrenalin versiegte und die Schmerzen waren mit voller Wucht vorhanden. Das Mädchen spürte einen seltsamen Knoten im Magen, als sie die paar wenigen Meter überwand. Kurz vor der Kombüse blieb sie stehen und lehnte sich gegen die Schiffswand. Offenbar waren die Matrosen mit dem Elf oder den Aufräumarbeiten beschäftigt, denn kaum einer trieb sich bei ihr herum. Aus der Kombüse hörte sie Geräusche, hielt aber dennoch inne und lauschte. Inmitten des geschäftigen Treibens, brauchte die Sarmaerin einige Momente, um die aufkommende Realisierung des ganzen, erlebten zu bekämpfen. Eine Gänsehaut bildete sich fein auf ihren Armen, während sie plötzlich von einer Übelkeit heimgesucht wurde. Madiha fasste sich an den Bauch und legte den Kopf gegen die Wand, um durchzuatmen. Sie bemühte sich inständig nicht jetzt das Erlebte zu verarbeiten, sodass sie nur dastand und atmete. Tief und ruhig. Bis es endlich Wirkung zeigte und sie behutsam ein Auge öffnete. Die Panik ebbte langsam ab, das flaue Gefühl verzog sich wieder. Madiha wartete noch einen Moment, horchte in sich hinein und strich sich die zottelige, gekürzte Mähne aus dem Gesicht. Sie würde vorerst in die Kombüse gehen, um sich eine Linderung für ihren Hals zu holen. Danach musste und wollte sie nach Caleb sehen. Er war nicht bei Jakub gewesen und sie wollte wissen, wie es dem Dieb ergangen war. Brauchte er womöglich Hilfe? Madiha schaffte es erfolgreich -für den Moment- ihre Erinnerungen und die schrecklichen Bilder von Todeskämpfen und Verstümmelungen gepaart mit ihrem eigenem Kampf, zu überlagern. Nur nicht darüber nachdenken, es führte dazu, dass sie sich damit auseinandersetzte und das würde sie sicherlich von den Füßen holen. Sie straffte die schmalen Schultern und schaffte die letzten Schritte zur Kombüsentür. Zaghaft klopfte sie an und wartete, bis sie hereingebeten würde. Was der Smutje jetzt wohl vor hatte? Immerhin war doch sicherlich den meisten der Appetit vergangen. Ein wenig seltsam war es, während sie vor der Tür wartete. In ihren Gedanken erwartete sie noch Fischauge in seinem Zwiebelduft. Obwohl sie wusste, dass er nicht da sein würde. Madiha wandte nur kurz den Kopf, als etwas Lärm von Deck herüberschwappte. Sie musste darüber nachdenken, dass die Matrosen das Rotauge an Deck gebracht hatten. Was wohl nun geschah? Wollte sie das überhaupt wissen? In gewisser Weise schon. Der Mann hatte sie beinahe getötet und dabei so viel Freude aber auch Hass empfunden, dass ihr eiskalt wurde sobald sie darüber nachdachte. Dennoch… ihr fiel neben all den Schrecken auch ein, dass er die Frau offenbar… vergötterte? Ja, das war wohl das rechte Wort dafür. Und wie viel Angst er zeigte, als er diese ekelhaften Viecher anschrie. War das nun nur ein Zeichen seiner geistigen Verfassung? Oder steckte dahinter etwas anderes? Madiha dachte an die Ratten und ihr Verhalten. Stirnrunzelnd kratzte sie sich an der Nase und entschied: Sie würde nach dem Honigwasser sehen wollen, was mit dem Krähenmann nun passierte, um danach zu Jakub zurückzukehren, so wie er es wollte. Und wo steckte eigentlich Caleb? Jetzt aber wandte sie sich der Tür wieder zu und trat ein, sobald sie durfte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 16. Juli 2022, 16:54

Madiha:

Von Fischauges ehemaliger Schlafstatt zu seinem Arbeitsbereich war es überhaupt nicht weit, dennoch spürte Madiha mit jedem Schritt, dass sie die vergangenen Momente nicht unberührt gelassen hatten. Endlich fand ihr Körper sogar einmal Zeit, das Erlebte an Deck zu verarbeiten. Zu ihrem Leidwesen gehörte es dazu, dass sich sämtiche Vitalfunktionen mit negativen Reaktionen meldeten. In ihrem Bauch breitete sich ein flaues Gefühl aus, das man auch von wachsendem Hunger kannte. Zugleich wurde ihr aber schrecklich übel, so dass sie im Moment nicht einen Bissen hätte herunter bekommen können. Im Gegenteil, vermutlich hätte sie einigen Möwen im Umkreis noch eine halb verdaute Mahlzeit über die Reling gespuckt. Ihnen oder Raben. Ob die düsteren Vögel noch immer auf dem Quermast des Schiffes lauerten? Würden sie an Deck fliegen und die Matrosen attackieren, die den wahnsinnigen Dunkelelfen dorthin brachten oder gingen sie sogleich wieder auf ihn los?
Das war nichts, worauf Madiha sich nun konzentrieren konnte oder wollte, obgleich ihr der letzte Blick des einstigen Krakenmannes noch gut im Gedächtnis nachhallte. Er stand so stark im Widerspruch zu seinem Wahnsinn, aber man konnte es nachvollziehen, wenn man wie Madiha seine fast schon krankhafte Obsession für die Herrin der Meere erlebt hatte. Jene Frau oder Göttin oder Fischbraut, die sich nun mit Jakub in der Kajüte befand. Sie übte nicht nur einen ganz speziellen Reiz auf den Dunkelelfen aus, sondern schien auch viel Macht in Form simpler Befehlsgewalt über ihn zu haben. Selbst ein Schrei, so schrill er auch gewesen sein mochte, hatte genügt, um den Mord an der Wüstentochter selbst zu verhindern.
Oh, ihr brannte noch immer der Hals. Es fühlte sich kein bisschen besser an, denn Madiha musste atmen und mit jedem Luftzug, der ihre Stimmbänder und die Kehle durchströmte, schmerzte alles in ihr auf's Neue. Sie musste flach und sehr kontrolliert atmen, um die Schmerzen auf einem erträglichen Maß zu halten. Das fiel bei dem Gefühlschaos aber gar nicht so leicht, das über sie herein brach. Es verschaffte ihr nicht nur eine Gänsehaut. Dieses Mal war sie es, die beinahe einer Ohnmacht erlegen wäre. Ihre Knie zitterten und drohten, unter ihr nachzugeben. Sie spürte ihren Körper bereits Halt suchend gegen die Bordwand sinken, noch ehe sie überhaupt diese Entscheidung bewusst hätte treffen können. Das harte Holz im Rücken spendete ein Gefühl von Sicherheit. Die Blaue Möwe hatte der Attacke der blutroten Wellen trotzen können. Sie fuhr noch und würde Madiha, sowie die verbliebene Mannschaft hoffentlich sicher in den nächsten Hafen bringen. Jakub müsste nun dafür sorgen. Kapitän Tauwetter. Als jener hatte er garantiert auch problemlos über Calebs Schicksal entscheiden können. Wo steckte der Wüstendieb bloß?
Als die tanzenden Sterne, Blitze und schwarzen Punkte vor Madihas Augen endlich nachließen und die Kraft in ihre Beine zurückkehrte, beschloss sie, nach dem Wüstendieb zu suchen. Vielleicht reichte es auch schon, jemanden zu fragen. Das wollte sie in Angriff nehmen, sobald sie in der Kombüse um ein Mittel gegen ihre Halsschmerzen gebeten hätte. Jakub erwartete sie zwar zurück an seiner Seite, aber er hatte keinen Zeitpunkt definiert. Sicherlich drückte er angesichts all des Erlebten ein Auge zu, wenn sein falscher Schiffsjunge nach dem blinden Passagier sehen wollte. Immerhin hatte sich für alle offensichtlich bereits herausgestellt, dass beide einander kannten. Und selbst wenn Jakub sich für eine Strafe entschied, sie konnte wohl kaum schlimmer sein als das, was der Dunkelelf dem Mädchen angetan hatte.
Mit schlurfenden Schritten erreichte Madiha endlich die Tür zur Kombüse. Fischauge hatte sie nie geschlossen gehabt, allein schon um den Zwiebelgestank ein wenig herauswehen zu lassen. Jetzt aber roch man noch überhaupt nichts, wenngleich Madiha jemanden hinter der Tür arbeiten hören konnte. Da hantierte doch irgendeiner der Mannschaft mit Messern auf einem Brett. Wurde Brot geschnitten? Sie roch nichts und konnte die Geräusche nur erahnen. Ihre Spekulationen würden ihr keine Antworten liefern und solange sie sich nicht bemerkbar machte, gäbe es nichts, was ihrem Hals Linderung verschaffen könnte. So klopfte sie schließlich an.
Keine Erwiderung. Nur das Schneiden auf dem Brett endete. Dann folgte das Rascheln von Stoff, ein Seufzen und schließlich schob sich die Tür auf. Erst sah das Mädchen ihren Gegenüber nur durch einen Spalt, dann wurde die Tür so hektisch aufgerissen, dass sie mit der Rückseite gegen ein Regal stieß und für reichlich Lärm sorgte. Darauf konnte sie aber kaum reagieren, denn im nächsten Augenblick durchfuhr ihr Körper der kalte Schauer des Ertapptseins, als sie ihren Namen - ihren richtigen Namen! - in der vertrauten Sprache der Wüste hörte.
"Madiha!"
Kurz darauf hing sie schon in den kräftigen Armen des Wüstendiebes. Caleb schlang beide um sie, drohte fast, sie zu erdrücken und konnte ja nicht ahnen, wie nah dieses Gefühl doch dem Erstickungstod kam, für den der Elf beinahe noch gesorgt hätte. Er hob sie an und zog sie gleichzeitig zu sich in die Kombüse. Wie es ihm gelang, mit einem Fuß die Tür wieder zuzustoßen, ließ sich nicht ergründen. Es war auch nicht wichtig. Caleb wirbelte herum, um sich und Madiha auf den einzigen und etwas zu niedrigen Hocker im Raum zu setzen. Genauer gesagt, landete das Mädchen wie ein Töchterchen auf Vaters Schoß und Caleb drückte sofort ihren Kopf an seine Brust. Wenigstens hielt er die Umarmung nun locker genug, damit keine erneute Panik entstehen konnte.
Mehrere Herzschläge saß er einfach nur so da, sagte nichts und spendete Madiha die Wärme seiner Muskeln. Er trug ein simples Leinenhemd wie alle Matrosen und sein Haar hatte hing ihm bis in die feuchten Augen. Wohin auch immer seine eigentliche Kleidung verschwunden war, konnte Madiha nun nicht wissen. Einzig wusste sie, dass er unverletzt war und noch lebte. Offenbar hatte Jakub ihn nicht über Bord gehen lassen. Das war gut. Es waren bereits zu viele heute diesen Weg gegangen. Selbst wenn Caleb sich auf das Schiff geschlichen hatte, so sah der Erste Maat - nein, der Kapitän jetzt! - wohl ein, dass es nur zu einem weiteren unnötigen Tod führte, wenn er ihn los würde. Die Nahrung nähme aufgrund des Verlusts von so vielen nun auch nicht mehr drastischer ab, weil plötzlich Caleb etwas davon benötigte. Oder der Dunkelelf. Oder die Herrin der Meere. Vorausgesetzt natürlich, Jakub ließ beide am Leben.
"Ich bin so froh, dass du noch lebst", griff Caleb beinahe schon fließend ihren Gedankengang thematisch auf. Er lehnte sich endlich etwas zurück, um sie zu mustern und sofort verfinsterte sich der sonst so verwegene Blick. Seine Hand näherte sich ihrem Hals, berührte sie aber nicht. Er drückte auch nicht zu. Madiha konnte ihm da vertrauen. Trotzdem musste er die Spuren des Angriffs gerade bemerkt haben, denn sein Blick nahm etwas Alarmiertes und Fragendes an. Dabei lagen sicherlich ihr doch all die Fragen auf den Lippen, was denn nun mit ihm passiert war.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 17. Juli 2022, 08:51

Madiha kannte sich mit Schmerzen aus. Sie waren stets Teil ihres Lebens gewesen und nichts Neues. Allerdings hatte man peinlich genau darauf geachtet, dass die Sklavinnen ansehnlich blieben. Das Geschäft musste weiterlaufen und niemand riskierte eine üble Nachrede oder das Platzen eines Handels, nur weil eine der Frauen Blessuren ihrer Züchtung zur Schau trug. Madiha hatte in ihrem Leben zahlreiche blaue Flecke erlitten. Meist wegen Ungehorsam, manchmal, weil es dem einen oder anderen nicht grob genug gehen konnte. Geendet hatte das Martyrium mit den Narben an ihrem Körper und ihrem Gesicht. Mahnmale die sie auf ewig brandmarken würden und die sie nicht würde verstecken können. Khasib hatte diese Strafe angeordnet, um zu verhindern, dass Madiha jemals wieder überhaupt eine andere Gelegenheit hätte, etwas aus ihrem Leben zu machen. Und er ging ohnehin davon aus, dass sie im Sand wie eines seiner Tiere verenden würde. Dass er indes versagte, war natürlich auch ihre Schuld. Das hier war aber anders. Nicht mal der Übergriff auf sie in den Diebesgängen war etwas, was ihr solche Schrecken bereiten konnte. Ihr schnürte es die Kehle zu, wenn sie die Gedanken nicht niederrang. Ihr wurde schlecht und sie hätte sicherlich erbrechen müssen, wenn sie nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergriffen hätte. Nein, sie durfte sich davon nicht so unterkriegen lassen. Das Bekämpfen ihrer aufkommenden Panik ob des Erlebten ließ sich mit Konzentration und Zeit etwas regulieren. Allerdings schwelte es unter der Oberfläche. Um dem Gefühl der Hilflosigkeit nicht die Tür zu öffnen, versuchte sie es bei einer anderen und klopfte an die Kombüse.

Es dauerte einen Moment in dem Madiha hören konnte, wie die Arbeit dahinter eingestellt wurde. Das Mädchen hob den Blick, als sich das Holz beiseite schob. Müde glitt das Graublau hinauf zu dem Gesicht. Doch noch ehe ihre Augen melden konnten, was sie sahen, prallte schon die Tür auf, rumpelte lautstark gegen das Regal und bescherte Madiha einen rasenden Puls, als auch noch ihr Name fiel. Ihr echter Name! In Sendli! Alles ging viel zu schnell für das Mädchen, sodass ihre Reaktionen reichlich verzögert kamen. Während sie noch die lautstarke Bekanntschaft von Tür und Regal verarbeitete, spürte sie eine erneute Enge um sich herum, die ihr gleich die nächste Panik bescherte. Sie hatte das Gefühl erdrückt zu werden. Während das jedoch ein Zeichen von Freude und Erleichterung war, zuckten vor Madiha’s innerem Auge die rotglühenden Rubine auf. Auch wenn es eben gerade erst passiert war, flutete ihr Verstand sie mit den Bildern des Erlebten. Ihre Kehle war mit einem Mal trocken und verwandelte sich in ein Reibeisen. Als besäße sie keinerlei Gewicht, wirbelte man sie herum und plötzlich endete die Enge auf eine Weise, die sie stocksteif dasitzen ließ. Das Wüstenmädchen hatte, sobald ihr das möglich war, eine Hand flach an die Brust des Diebes gelegt und sich mit leichtem Druck dagegengestemmt. Er hielt ihren Kopf in Position, sodass sie sich auch gegen diesen Druck auflehnte. Allerdings nur für Sekundenbruchteile. Es dauerte vielleicht zwei Herzschläge lang, bis das Mädchen die Anspannung im Körper verlor und weich in der Umarmung wurde. Ihre Hand rutschte einen halben Zentimeter hinab und ihre Finger krallten sich in das Leinen. Madiha schloss die Augen, die sich mit Tränen füllten. „Caleb..“, krächzte sie leise und bereute es umgehend.
Allerdings, sah man von der rauen Klangfarbe ihrer Stimme einmal ab, lag so viel Erleichterung in seinem Namen. Madiha schmiegte sich für die wenigen Sekunden, die es dauerte, an ihn und konnte trotzdem ihr aufgewühltes Herz nicht beruhigen. Dabei lag das nicht daran, dass er sie nicht beruhigen konnte auf eine Art. Vielmehr war es seine Wärme, sein Geruch und wie es sich anfühlte, wenn sie ihm nahe war. Seine Worten lösten in Madiha einige Fäden aus dem Knoten der sich gebildet hatte, seit sie dem Tod von der Schippe gesprungen war. Sie rührte sich jedoch nicht, bis er sich bewegte und etwas Abstand zwischen sie brachte. Madiha öffnete ihre nassen Augen und ließ ihren Blick über sein Gesicht wandern. Seine Reaktion auf die Erkenntnis, dass sie noch schlimmer aussehen musste, als sowieso schon, ließ ihren Blick wieder sinken. Er kam mit seiner Hand näher und Madiha kam ihm zuvor. Sie legte ihre eigene wie einen Schild um ihren Hals und sah zur Seite.
Die Fragen in seinen Augen ertrug sie nicht. Für einen Moment haderte Madiha mit sich und wusste nicht so recht, was sie tun sollte und wollte. Sollte sie dem Dieb erzählen? Konnte sie das denn? Alleine der Gedanke auch nur einen Ton in diese Richtung zu sagen, ließ sie schwer schlucken. Nein, Madiha entschied sich für altbewährtes und zwang sich, als sie den Blick wieder in sein Gesicht hob, zu lächeln. Oh, wie oft sie das in ihrem Leben hatte üben können. „Ich … Bin so froh, dass dir…dir nichts passiert ist!“, lenkte sie mit unsicherer Stimme das Thema auf ihn. Sie machte eine Pause. Zum Einen, weil ihre Kehle diese nötig hatte, zum Anderen, weil sie sich noch an ihren Streit erinnerte, die Emotionen dazu waren allerdings wie weggeblasen. Just in dem Moment, als er sie rettete auf diesem Schiff. Wie konnte sie ihm böse sein? Und auch jetzt: Allein seine Anwesenheit reichte, damit sie sich sicher fühlen konnte. Damit sie das Gefühl haben konnte, nicht völlig allein zu sein. Auch wenn sie wusste, dass der Schein oftmals trog. Es würde die nächste Gelegenheit kommen, bei der er sie verließ. Aber bis dahin waren sie gemeinsam dazu verdammt, das Erlebte zu teilen.
Ihr fiel plötzlich auf, dass sie immer noch auf seinem Schoß saß und gleichzeitig, dass seine Nähe und Wärme nicht spurlos an ihr hafteten. Diese Geborgenheit die von ihm ausging war für ein Mädchen wie Madiha gefährlich. Sie konnte das was sie fühlte nicht benennen und schnell verwechseln. Die Unsicherheit mit den Gefühlen umzugehen, ließ sie von seinem Schoß hinuntergleiten.

Madiha versuchte etwas Abstand zu gewinnen, auch wenn die Kombüse da den schlechtesten Ort für bot. Dennoch wandte sich das Mädchen ab und schaute sich um. Sie sah Fischauge in seiner schrulligen, gutmütigen Art den Raum ausfüllen. Ihr Blick fiel auf Caleb zurück. Er hatte doch um einiges mehr Bewegungsfreiheit. Sie erinnerte sich an das Gefühl seiner Muskeln und wandte den Blick wieder ab. „Was … was ist passiert“- sie hustete kurz und presste sich den Arm gegen den Mund. Der Schmerz brannte lichterloh, sodass sie mit zusammengekniffenen Augen innehielt, bis er halbwegs abgeklungen war. „Was hat Jakub gesagt?“, wollte Madiha dann wissen. Oh sie war eine Meisterin wenn es darum ging, sich von allem Unbequemen abzulenken. Nichts half so sehr den Deckel geschlossen zu halten, wie den Fokus auf anderes zu richten. Und nichts baute mehr Druck auf. Wie sie bei Khasib gesehen hatte, als ihre ungezähmte Magie sein Schlafzimmer versengte. Trotzdem bediente sie sich dieser Art der Verdrängung und wand sich aus der drohenden Nachfrage, die von ihm ausging. Sie tippte kurz gegen das Messer, welches er benutzt hatte. Bilder von blutenden Schönheiten und wahnsinnigen Reaktionen fluteten ihren Geist und sie unterließ es. „Du bist jetzt Koch?“, fragte sie unverfänglich und unwahrscheinlich trivial. Es war so offensichtlich, dass es weitaus bessere Themen gab, weitaus wichtigere… Aber Madiha wagte es einfach nicht, sich darauf einzulassen. Sie wusste, sie würde unter seinem Blick zusammenklappen wie ein schlecht gebautes Kartenhaus.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Montag 18. Juli 2022, 13:15

Sie hatte nicht gewollt, dass dieser Bengel ihretwegen erwürgt wurde. Ja, im Prinzip wollte sie niemandes frühzeitigen Tod! Vielleicht mit der ein oder anderen Ausnahme, über die sie lieber gar nicht erst nachdenken wollte, denn dann müsste sie sich unter anderem mit einem zu einem blutigen Klumpen verunstalteten Leichnam auseinander setzen.
Doch derzeit war sie auch machtlos gegenüber der Gefahr zweier dunkler Hände, die einen schmalen, hellen Hals umschlossen und zudrückten, da sich ihr Blick schon wieder auf einen einzigen Ausschnitt in ihrem Gesichtsfeld verringert hatte. Fassungslos und noch bar jedes bewussten Schmerzes starrte sie auf die blutende Wunde in ihrer Handfläche.
Solange, bis viele krabbelnde, ekelerregende Beine ihre Aufmerksamkeit gewannen und die Schockstarre durchbrachen. Schrill schrie sie sich bei diesem Anblick die Seele regelrecht aus dem Leib, selbst dann noch, als sie beschützend hochgehoben und festgehalten wurde. Zwar wurde ihre Stimme allmählich leiser, jedoch nicht, weil die Panik in ihr abnahm, sondern schlichtweg, weil ihre Stimmbänder überreizt waren. Schließlich verlernten die meisten die gesunde Technik, mit der Säuglinge allen Schmerz der Welt für Stunden hinaus brüllen konnten, ohne heiser zu werden.
Azura hingegen wurde es und als dann auch noch eines der Viecher mit einem ekelerregenden Geräusch zertreten wurde, war es mal wieder vorbei mit ihrem Bewusstsein. Nur dieses Mal blieb sie nicht lange in der seligen Dunkelheit, sondern wurde durch einen schmerzhaften Treffer an ihrem Kopf zurück in die Wirklichkeit katapultiert.
Benommen tastete sie nach der getroffenen Stelle und zuckte wimmernd zusammen, als ihre Finger den Rand der anwachsenden Beule berührten. Dadurch aber war sie mit sich beschäftigt, während in dem Raum ihr Begleiter überwältigt, gefesselt und hinaus geschafft wurde.
Ja, sie bemerkte auch nicht, dass sie kurz darauf allein mit einer Person... einem Mann war. Dieser schob sich jedoch schon bald in ihren Blickwinkel und weckte damit eine unbestimmte Erinnerung an eine andere Situation, die sie tunlichst vermeiden wollte. Dennoch konnte sie nicht verhindern, dass sie leise wimmerte und instinktiv sich nach hinten gegen die Holzplanken der Wand drückte, als könne sie auf diese Weise flüchten.
Was würde er nun mit ihr machen? Das selbe, das ein anderer Kapitän mit ihr vorgehabt hatte?
Plötzlich schnellte seine Hand vor und wie ein geprügelter Hund jaulte sie auf, als sich seine Finger wie ein Schraubstock um ihren Oberarm schlossen, um sie hervor zu zerren. "Ihr tut mir weh!", jammerte sie mit ehrlichen Tränen in den Augen.
Ein paar Mal zappelte sie leicht, allerdings merkte sie rasch, dass sie ihren Kopfschmerzen dadurch mehr Nahrung bot, als dass sie sich aus dem Griff hätte befreien können. Stattdessen musste sie ertragen, dass er sie fest umschlossen hielt und mit einem Blick bedrohte, der sie neuerlich um ihre körperliche Unversehrtheit, soweit noch vorhanden, fürchten ließ. Immerhin presste er sie nicht mit seinem Leib in die Horizontale, doch die Angst davor ließ sie leicht zittern, während sie aus ihrer Position zu ihm hochsehen musste.
"Ich... ich weiß es doch auch nicht!", stieß sie mit schmerzenden Stimmbändern hörbar heiser hervor und schüttelte mit einem deutlichen Schniefen den Kopf. "Wir... wir wollten nur ein Schiff suchen, bevor... bevor er endlich seinen Zauber wieder löst. Ich wollte nach Hause, sonst nichts!" Erneut zog sie die Nase hoch und die ersten Tränen begannen, ihre Wangen hinab zu laufen, ohne, dass sie diese wegwischte.
"Sonst nichts...", wiederholte sie flüsternd, als ihr allmählich bewusst wurde, was dieser Mann vorhin gesagt hatte. Corax hatte die halbe Mannschaft auf dem Gewissen... die halbe... Und wofür? Für sein Vergnügen...?!
Mit einem Mal wurde der jungen Frau grottenschlecht und sie musste würgen, sodass sie sich instinktiv den freien Handrücken gegen die Lippen drückte, während dort die Haut noch immer blutverschmiert war. Kam da eigentlich noch frischer Lebenssaft nach? Zumindest merkte sie inzwischen das Brennen und Pochen der Wunde. Nicht gerade hilfreich darin, ihre Konzentration zu verbessern.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 23. Juli 2022, 23:11

Azura:

Der Mann, der sich so kahlköpfig und mit strengem, stahlgrauem Blick halb über sie beugte, weckte Erinnerungen in Azura, welche ihr Körper bereits damals durch Bewusstlosigkeit versucht hatte, auszuschließen. Nun aber schien die Bedrohung erneut auf sie zuzuhalten und dieses Mal wusste sie instinktiv, dass keine stille Schwärze sie retten würde. Diese nicht und ihr schwarzer Rabe - Liebhaber - Schuft - Ungeheuer - was immer er auch für sie noch bedeutete, auch er rettete sie nicht. Er befand sich nicht länger mit ihr in diesem Raum. Er drohte nicht damit, einem fremden Halbstarken den Hals zuzudrücken. Glücklicherweise wagte der Mann vor ihr das bei ihrem zarten Schwanenhals ebenfalls nicht. Dass er aber ihr Handgelenk packte und dort die Blutzufuhr einfach mit bloßer Kraft abzuklemmen versuchte, bekam Azura schmerzhaft zu spüren. Aus diesem Griff würde sie sich niemals allein befreien können. Vielleicht half es, wenn sie nur fest genug zubiss oder in einem geeigneten Moment die unehrenhaften Tricks einer verzweifelten Frau einsetzte, aber ob sich die inzwischen so nobel eingewöhnte Frau an die Kampfmanöver der Straße erinnerte? Es war so lang her und damals war sie im Grunde noch viel zu jung gewesen, um sich einen gut gezielten Tritt oder ein hochgezogenes Knie hätte einprägen können. Wenigstens vergriff sich der Mann nicht anderweitig an ihr. Er blickte ihr zwar streng entgegen, aber keineswegs lüstern. Tatsächlich hatte sie noch nie so wenig Interesse in den Augen eines Mannes entdeckt. Selbst Corax hatte sie zu Anfangszeiten anders angeschaut - verachtend, überlegen, aber dennoch mit dieser leichten Spur Interesse für ihren wohlgeformten Leib. Dieser Mann hier schien entweder innerlich tot zu sein oder mehr Eunuch als ihr Begleiter.
Kokette Spielchen würden hier vermutlich nicht auf fruchtbaren Boden stoßen. So wies Azura ihn stattdessen mit aller Empörung darauf hin, dass er ihr Schmerzen bereitete. Tatsächlich lockerte sich der Griff seiner Pranke dadurch etwas. Mit einem Kribbeln kündigte sich das Blut an, welches den Weg durch die freigelegten Adern und zurück in ihre Finger fand. Jedoch ließ der Fremde nicht los. Er hatte sie immer noch dominant im Griff.
"Ihr tut mir weh!"
"Und Ihr habt meine halbe Mannschaft auf dem Gewissen"
, entgegnete er. Seine Stimme blieb ruhig, doch hinter der Kraft beherrschte er den tosenden Sturm, der seinen Zorn ausdrückte. Dieser Mann trauerte jedem verlorenen Matrosen nach, würde dadurch aber nicht seine Position vergessen. Die Neue erst Recht nicht. Er war nun Kapitän des Schiffes, wenn Azura den Hinweis überhaupt aufgeschnappt hatte. Natürlich lagen ihm da seine Leute am Herzen. Und Corax hatte viele von ihnen einfach in die Fluten geschleudert, auf denen sie als Meerjungfrau geritten war. Wessen Magie hatte wen zum Mörder gemacht?
Dass auch sie den Verlust bedauerte, drückte Azura weniger durch Worte als vielmehr durch die Tränen aus, die an ihren Wimpern klebten und in ihren Augenwinkeln glänzten. Sie vermochten die Züge des neuen Kapitäns nicht zu erweichen, wohl aber sein Herz. Endlich ließ er ihr Handgelenk los, versperrte ihr aber jeglichen Fluchtweg, als er sich auf der Kante der Koje niederließ, dass Azuras zierlicher Körper mitsamt der Matratze etwas angehoben wurde.
Das Beste war es nun wohl, einfach die Wahrheit zu sagen. Azura teilte ihm unter Tränen ihre eigene Verzweiflung mit. Schließlich hatte nicht nur er viel durchgemacht. Sie war in einer anderen Gestalt durch das Meer gestreift, auf der Suche nach Hilfe. Sie wollte doch nichts weiter als auf ein sicheres Schiff. Eines, auf dem kein Kapitän und keine Mannschaft Gefahr lief, ihren Körper zu schänden. Nicht, dass dies nicht bereits geschehen wäre. Ob sie ihre Vereinigung mit Corax bereute? Das wusste nur sie selbst. Dass er scheinbar aus reinem Vergnügen Leben ausgelöscht hatte, wog schwer auf ihrer Seele. Es drückte ihr die Tränen über die Ränder der Augen, so dass sie erneut eine Flutwelle auf die Welt losließ. Dieses Mal mochte sie kleiner sein und nur das Deck ihrer Wangen überströmen, das machte es aber nicht weniger schrecklich.
"Es war nicht nötig, auch nur einen einzigen Menschen für euer beider Vorhaben zu opfern", brachte der Kapitän unter Aufbringung all seiner Selbstbeherrschung hervor. Dann seufzte er. "Zudem war es eine mehr als dumme Tat, wenn Ihr Euch nun eine Überfahrt an Land erhofft. Ich weiß nicht, ob die verbliebenen Männer ausreichen, das Schiff über Wasser zu halten." Eine Todesbotschaft und es würde ein langsamer Tod werden. "Mit Glück erreichen wird durch Zufall die Küste des östlichen Celcias, allerdings dürften wir noch einige Tage entfernt sein. Wenn aber die Winde nicht mit uns sind - wenn Ventha uns verlassen hat - dann kann ich Euch höchstens anbieten, Euch am Mast aufknüpfen zu lassen. Obwohl mir im Moment noch immer lieber wäre, Euch nackt wie Ihr wart über die Planke zu schicken. Euch und Euren ... was ist er überhaupt? Er hat sich vor unseren Augen aus einem Krakenwesen in einen Vogel verwandelt und jetzt sieht er aus wie einer dieser Bastarde, die Sarma erobert haben. Ich erwarte eine Antwort. Von Euch oder von Eurem Verbündeten und wenn ich es aus einem von euch herausprügeln lassen muss. Das seid Ihr mir und allen Verstorbenen schuldig, bevor Venthas Gewässer uns alle in ihr Reich holen."
Jakub Tauwetter klang nicht verzweifelt. Er sprach tatsächlich sehr rational. Dennoch hatte er die Lage bereits begriffen. Corax hatte zu viele Matrosen über Bord geschleudert. Es waren nicht genug übrig, das Schiff in einen sicheren Hafen zu lenken und nun kam es auf Venthas Gunst allein an, ob sie die Blaue Möwe so lange durch die Wellen treiben ließ, bis alle Nahrungs- und Wasservorräte aufgebraucht wären oder ob sie einen Sturm schickte, der das Schiff und alle Überlebenden zum Meeresboden sandte. Das Glück, irgendein Stück Land zu erreichen, lag so schrecklich fern wie Azura Hoffnung, Andunie jemals wiederzusehen.

Madiha:

"Caleb..."
Der Angesprochene antwortete mit einem Laut, der sowohl Trost als auch das Verstehen über ihre abfallende Anspannung ausdrückte. Seine Arme taten ihr übriges, um Madiha eine Zuflucht nach all den Schrecken zu liefern, die sie bis vor kurzem hatte durchmachen müssen. Die Wärme seiner Muskeln war ein willkommener Schutz, der sich wie ein Mantel über sie legte. Darunter füllte sich ihr eigener Körper mit Erleichterung. Sie wurde ganz weich in der Umarmung, die ihre eigene Enge besaß und doch so sanft war, dass sie sich sicher sein konnte, nicht sterben zu müssen. Caleb würde ihr die Luft nicht abschnüren. Er hatte sie gerettet und jetzt tat er es erneut, auf eine ganz befremdliche und andere Weise. Er kam wirklich nicht aus seiner Haut.
So fühlte es sich selbst nach ihrem Beinahe-Tod durch ein viel zu kräftiges Paar Hände einsam an, als Caleb die Umarmung löste. Sie betrachteten einander gegenseitig mit dem suchenden Blick nach Blessuren oder anderen Formen, die Narben auf der Seele hinterlassen konnten. In beide Augenpaare trat Erleichterung, als sie nichts fanden. Noch hatte Caleb die Male am Hals nicht bemerkt, aber schon nachdem Madiha ihre wenigen, kratzigen Worte hervorgebracht hatte, war es nicht mehr zu leugnen und er sprach sie darauf an, ohne auch nur ein Wort an sie zu richten. Seine Augen! Sie musste nur einen Blick in seine Augen werfen, um zu wissen, dass er genau danach fragte. Natürlich tat er es. So war er, jedenfalls ihr gegenüber. Die einzige, weitere Ausnahme, die der Wüstendieb sich hier genehmigte, mochte noch Dunia sein, aber sie war nicht hier. Sie war in Sarma zurückgeblieben. Die Frage blieb offen, wer von ihnen nun sicherer war.
Angesichts ihrer Würgemale schien Dunia das niemals so vereinbarte Duell gewonnen zu haben. Caleb streckte die Hand nach den dunklen Flecken am Hals des Wüstenkindes aus. Madiha kam ihm zuvor und verbarg die Fingerabdrücke des Dunkelelfen unter ihrer eigenen Hand. Wie heiß sich ihr Hals anfühlte. Selbst wenn sie ihn nur leicht berührte, glaubte sie schon wieder den festen Griff zu spüren. Ihre Kehle wurde dadurch erneut trocken. Bekam sie noch genug Luft? Einmal Durchatmen beantwortete ihr die Frage mit einem Ja, trotzdem lag über allem noch die Beklommenheit des Erlebten.
Das falsche Lächeln, welches sie nun auflegte, war schwerer zu vollbringen als mit ihrem trockenen Hals nun eine Arie zu singen. Sie zwang sich. Es gelang mehr oder weniger. Dass es nicht überzeugte, konnte sie erneut in Calebs Augen sehen, zusammen mit etwas Wissendem. Wie oft lächelte er eigenen Schmerz und Kummer fort? Aus früheren Begegnungen wusste Madiha ja bereits, dass er sehr verschmitzt und geradezu verwegen Grinsen konnte. Wie viele Male davon war es nur eine Maske gewesen? Eine, mit der sie nun ihr eigenes Antlitz zierte?
Aber auch Caleb hatte eine Maske aufgesetzt. Es war jene der Ignoranz. Er ignorierte, dass sie vor kurzem erst noch heftig gestritten hatten. Er ignorierte, dass er Madiha im Stich gelassen hatte. Er wollte gar nicht mehr daran denken und sich erst Recht nicht ausmalen, wenn dieser Moment der letzte zwischen ihnen gewesen wäre. Auch ihm schnürte es gerade die Kehle zu. Er musste sich allerdings nicht zu einem Lächeln zwingen. Es war echt. Auch er war froh, dass Madiha nichts Tötlicheres passiert war. So nickte er nur auf ihre Worte hin, während sie eine Pause einlegte, in der ihr ganzer Hals brannte wie die Wüste Sar.
Aber auch in tieferen Regionen spürte sie eine Hitze. Sie kam von ihrem Schoß, mit dem sie auf seinen Schenkeln hockte. Sofort stief die Hitze bis in ihre Wangen empor. Warum fühlte es sich unangenehm an, gerade auf seinem Schoß zu sitzen und warum weckte sie eine seltsame Sehnsucht, schon nachdem sie diesen Platz der Geborgenheit verließ?
Caleb hinderte sie nicht daran. Sein Blick haftete noch immer an ihrem Hals. Offenbar schätzte er die Schwere ihres Zustandes ein. Dann erhob er sich und schob seinen Leib an ihrem vorbei. Erneut bekam sie seinen Duft zu fassen. Dann aber roch es wunderbar süß. Das Aroma reichte aus, um ihr auch den Geschmack zu vermitteln, obwohl sie noch keinen einzigen Löffel aus dem Honigglas genommen hatte, welches Caleb ihr nun entgegen hielt. Der Löffel steckte darin.
"Ziegenmilch hab ich keine auftreiben können und ich weiß nicht, ob Honig sich in heißem Wasser gut macht. Am besten reibst du dir so deinen Hals damit aus." Er hob die Schultern an. "Ich bin kein Medicus." Jetzt hätten Dunia und Ilmy eine so große Hilfe dargestellt - falls der Dunkelelf sie nicht auch einfach über Bord geschleudert hätte. Es war wohl besser so.
Was ... was ist passiert? Was hat Jakub gesagt?"
Caleb schüttelte den Kopf und deutete fordernd auf das Honigglas. Erst sobald Madiha wenigstens einen Löffel genommen hatte, setzte er sich wieder, bereit ihr zu antworten. Er behielt das Sendli bei. Sich in ihrer beider Muttersprache zu unterhalten, bot eine ganze eigene Stufe von Sicherheit. "Jakub ... das ist Tauwetter, nicht wahr? Er hat mir seinen Vornamen nicht genannt, aber er hat sich zumindest zum neuen Kapitän des Schiffes ernannt. Mit der Zustimmung der gesamten, verbliebenen Mannschaft. Tja und irgendwie muss ich nun den Koch spielen. Wir sind zu wenig Leute, aber er traut mir nicht zu, auf dem Schiff besser auszuhelfen." Calebs Formulierung ließ durchscheinen, dass er mehr hätte tun können als nur zu kochen. "Er will versuchen, uns alle an die Küste zu bringen, selbst die Mörder der Crew. Aber es wird schwierig. Er hatte den Matrosen sogar befohlen, nicht gleich mit den Säbeln auf die Frau und dieses ... dieses Ding loszugehen. Selbst acht Saugnapfarme könnten jetzt das Zünglein an der Waage sein. Madiha ... wenn wir das Schiff nicht gesteuert kriegen..." Caleb beendete den Satz nicht. Der Ernst in seinen Augen tat es. Sie würden sterben, dieses Mal wirklich und deutlich langsamer als es durch das Ungeheuer von Dunkelelfen hätte geschehen können. Das Schiff trieb zwar seinen eigenen Weg durch die Wellen, aber wenn sie nicht in der Lage waren, es Richtung Küste zu lenken, würden sie im Kreis fahren, bis der letzte an Bord sein Leben verlor.
"Aber mach dir keine Sorgen", meinte Caleb plötzlich und da war es, dieses verwegene Lächeln des unbekümmerten Diebes. Er winkte ab, zeigte dann mit beiden Daumen auf sich selbst und grinste auf. "Ich lass nicht zu, dass du stirbst. Das weißt du ja."
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Sonntag 24. Juli 2022, 13:45

Die junge Frau hatte nicht nur mit Kopfschmerzen wegen des Stoßes zu kämpfen, sondern auch mit ihren Erinnerungen, die just in diesem Moment wieder aufstiegen und ihr die Kehle zu zuschnüren drohten. Dabei war es ihr gelungen, ihr letztes Schiffserlebnis so gut zu verdrängen! Zumindest für die letzten Stunden... Tage... oder wie lange genau sie von dem Zauber ihres Begleiters verändert gewesen war.
Dafür war der Griff an ihrem Handgelenk umso deutlicher und schmerzhafter, was sie auch kundtat. Es war eine reine Instinkthandlung und mit dem letzten Rest adeliger Empörung, die im Moment in ihr noch vorhanden war.
Dass er daraufhin tatsächlich zu ihren Gunsten reagierte, indem er sie zwar nicht los ließ, aber der Schraubstock sich ein wenig lockerte, verdutzte sie dermaßen, dass sie im ersten Atemzug auf seine Anschuldigung gar nichts erwiderte. Erst etwas zeitverzögert schüttelte sie entschieden den Kopf. "Das ist nicht wahr!", begehrte sie auf und musste gegen Bilder vor ihrem inneren Auge ankämpfen, wie menschliche Leiber durch die Luft geschleudert wurden.
Nein, das hatte sie nicht gewollt und hätte sie es davor gewusst, hätte sie... ja, was denn? Mit welcher Macht hätte sie dieses Unglück verhindern können?
Bittere Galle stieg ihr in die Kehle, sie senkte den Blick und schüttelte erneut mit einem leisen, verräterischen Schniefen den Kopf. "Das ist nicht wahr...", wiederholte sie sich flüsternd und wollte am liebsten nur noch nach Hause, in ihr Bett und vergessen. Vergessen, was seit diesem vermaledeiten Überfall auf ihre Heimat geschehen war, sogar die Szene in den heißen Quellen, so schön es auch gewesen war. Sofern es ihr Zuhause überhaupt noch gab...
Ehe sie sich mehr Gedanken darüber machen konnte, als gut für sie wäre, lenkte der Mann sie ab, indem er sie unverhofft los ließ. Mit dem leichten Tränenfilm in den Augen sah sie wieder zu ihm auf, ohne zu verstehen, wie sie zu dieser zweifelhaften Freiheit gekommen war. Einen kurzen Augenblick lang befürchtete sie, dass er sich nun ihren Körper als Vergeltung für all das Leid nehmen würde, doch zu ihrer großen Erleichterung irrte sie sich in dieser Hinsicht.
Dennoch konnte sie nicht einfach flüchten, denn noch immer versperrte er ihr den Weg zur Tür. Auch nicht, als er sich zu ihr setzte, sodass sie sich instinktiv kleiner zu machen suchte, um ihn nicht zu berühren, nicht einmal versehentlich. Sie zog die Beine an und umschlang diese mit ihren Armen, wobei sie zu ihrem eigenen Glück eine, wenn auch sehr kratzige, Hose trub, sodass es keine ungebetenen Blicke geben konnte.
Während in ihrem Inneren somit Angst und Trauer und Verzweiflung miteinander rangen, kam schon wieder ein Vorwurf von ihm. Ihr Kopf ruckte herum und ein Hauch ihres alten Kampfeswillen blitzte in ihren feuchten Augen auf. "Und Ihr glaubt, ich hab das gewollt?!", hielt sie anklagend dagegen.
Dann fuhr er auch schon fort und sorgte dafür, dass ihr Widerstand auch schon wieder schwand. Ihr Blick senkte sich auf ihre eigenen Knie und nur kurz zuckte sie bei seiner Drohung, sie erneut nackt sehen zu wollen, wenngleich nicht so wie bei ihrem letzten Schiffserlebnis, zusammen.
Daraufhin seufzte sie beinahe lautlos, schniefte dafür aber umso hörbarer und wischte sich wenig damenhaft mit dem Handrücken die laufende Nase. Leicht hob sie ihre Schultern an und ließ sie kraftlos wieder sinken. "Ihr könnt aufhören, mir dauernd zu drohen, ich bin nicht Euer Feind.", erwiderte sie, ohne ihn anzusehen.
Und ließ dabei ungesagt, was ihr noch auf der Zunge lag, nämlich die Beschwerde, dass sie eine viel bessere Behandlung verdient hätte. Doch angesichts der letzten Ereignisse war auch sie klar genug im Kopf, um sich denken zu können, dass sie derzeit nicht in der richtigen Position für diese Art von Forderung war.
"Ja, er ist ein Dunkelelf und er ist ein Schwarzschelm. Oder wie diese Art von Magie auch genau heißt." Sie seufzte leise und wischte sich rasch, unbewusst die Wangen trocken, obwohl noch einige Tränen nachliefen. "Er leugnet es und hat es nicht unter Kontrolle. Aber..." Sie stockte und spürte, wie sich ihr der Magen verkrampfte. Erneut wurden die Tränen stärker, wenngleich sie dieses Mal dagegen anzukämpfen versuchte.
"Aber ich wollte wirklich nur ein Schiff, um nach Hause zu kommen. Ich weiß nicht, warum er... er so... so..." Azura schluckte den Kloß hinunter, der ihr die Luft und die Stimme im Halse abzuwürgen drohte. "... so gehandelt hat...", krächzte sie schließlich und sah den Mann neben sich einen Moment lang mit all der Verzweiflung und dem Schmerz an, die sie gerade im Griff hatten.
Dann wandte sie sich auch schon wieder ab und wollte ihr Gesicht am liebsten in ihrer selbstgewählten Umarmung verbergen. Wie hatte sie sich nur so täuschen lassen können? Wobei... war wirklich alles nur Lug und Trug gewesen? Nichts Echtes? Nur dazu da, um ihr Herz verwundbar zu machen und dann umso genüsslicher zu quälen?
Sie floh diese erkenntnisreichen Gedanken, um sich selbst zu schützen, indem ihr eine andere Idee kam, die sie auch rasch aussprach, um nicht zu genauer darüber grübeln zu können. "Vielleicht..." Ein leises Schniefen unterbrach sie sofort wieder. Trotzdem setzte sie danach erneut an:"Vielleicht kann... kann meine Wassermagie helfen... Ich meine, sollte Ventha..." Sie zuckte hilflos mit den Schultern und verstummte erneut.
Warum hatte sie überhaupt an diese Möglichkeit gedacht? Jegliches Nutzen ihrer Magie verursachte ihr innere Schmerzen und so gut kontrollieren konnte sie diese ja nun auch nicht. Und dennoch... war es womöglich ihr schlechtes Gewissen? Warum? Sie hatte das Schlimmste zu verhindern versucht, niemanden indes dazu angestiftet! Oder war es reiner Egoismus, da sie eben nicht auf See elendig verhungern und verdursten wollte? Die junge Frau wusste es nicht zu sagen.
Dafür jedoch konnte sie ihre Worte nicht ungehört machen. Nun lag es an diesem Mann, wie er darauf reagierte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 24. Juli 2022, 17:17

Niemand hatte Madiha bisher so in den Arm genommen. Jedenfalls nicht seit sie dazu fähig war sich zu erinnern. Bei ihrer Mutter gab es sicher mal die ein oder andere Zärtlichkeit, aber das war so lange her und Madiha viel zu klein gewesen, als dass sie das noch erinnerte. Danach folgte entweder körperlicher Übergriff oder Züchtigung. Oder einfach nichts, was es auch nicht besser machte. Jetzt in der sanften Umklammerung des Diebes zu sein und sich einfach… sicher fühlen zu dürfen, brachte das Innenleben des Mädchens völlig durcheinander. Madiha fühlte Geborgenheit und Entspannung. Sie wollte ihre Angst loslassen und zeigen, wie sie sich wirklich fühlte. Aber sie konnte es nicht. Zu groß war die Angst davor was passieren würde. Wie sie sich wahrhaftig fühlen würde, sollte sie alles zulassen und dem Schrecken, der sich tief in ihre Seele gebrannt hatte, Tür und Tor öffnen. Und zu groß war die Furcht davor, dass Caleb am nächsten Tag verschwunden wäre. Nein, Madiha musste sich von ihm lösen und er kam ihrem Gedankengang zuvor, als er sie betrachtete. Die Sarmaerin betrachtete sein Gesicht. Noch immer besaß der Dieb Verwegenes, auch wenn er in diesem Moment mehr Erleichterung zeigte. Sie selbst konnte ja auch spüren, dass es ihr die Angst nahm, dass ihm etwas zugestoßen sein könnte. Jakub war so wahnsinnig sauer gewesen und sie hatte schon befürchtet, dass er es ausgerechnet an Caleb auslassen würde. Doch nein, der Dieb wurde nicht über die Planken geschickt. Ihre Erleichterung erhielt einen Dämpfer, als er ihre Male am Hals entdeckte. Madiha’s Miene verschloss sich wieder etwas und sie versuchte seinem Blick die Sicht zu nehmen, als sie ihre Hand zum Schutz um ihren eigenen Hals legte. Das Brennen war übermächtig und zeichnete sich in ihrer angespannten Miene ab. Wie sollte man so etwas vergessen? Die Male würden Tage bleiben, wenn nicht sogar Wochen. Und die Schmerzen? Beim Sprechen, beim Atmen, beim Schlucken – sie waren ununterbrochen vorhanden und Madiha wusste nicht, wie lange sie dem Schrecken entgegentreten konnte. Zu allem Überfluss war es ausgerechnet die Nähe zum einzigen Mann in ihrem Leben der ihr nichts antun wollte, die sie verwirrte. Ihr Körper reagierte auf eine Weise, wie sie sie nicht kannte. Und nicht zu deuten wusste. Ihr Herz pochte mit einem Mal, als seine Augen tausende Fragen aussandten. Das Grünblau seiner Seelenspiegel erreichte sie viel mehr als nur durch den Blick. Sie schluckte. Und bereute. Es lag etwas Erkennendes in seinem Blick, so als verstünde er ihre aufgesetzte Maske. Bediente er eine solche Maske ebenfalls? Madiha ertappte sich dabei, dass es sie interessierte. Dass ihre Gedanken ihre gemeinsame Vergangenheit absuchen, wollten nach Hinweisen. Doch das Mädchen befand sich derzeit nicht in einer Situation, um sich mit Vergangenem aufzuhalten. Die seltsame Hitze in ihrem Körper erhöhte sich, je länger sie dem Blick nicht auswich, weshalb sie mit leicht geröteten Wangen niederblickte und gleichzeitig von seinem Schoß rutschte. Kälte kühlte ihre innere Wärme auf unangenehme Weise ab. Sie wollte zurück, sie wollte die Nähe wiederhaben und doch spürte sie gleichzeitig, dass sie besser Luft bekam, als der Raum zwischen ihnen größer wurde. Madiha trat ein paar wenige Schritte in den Raum zurück, soweit es die Größe der Kombüse zuließ. Nun war sie halbwegs wieder allein mit dem Schrecken des Vergangenen. Seine Nähe war zwar unweigerlich da, aber nicht mehr so, als dass sie sich mit bisher ungekannten Gefühlen beschäftigen musste. Madiha nutzte die Distanz und wollte hören, wie es ihm ergangen war. Seine Antworten blieben aus, stattdessen durchbohrte er sie beinahe mit seinem Blick. Madiha wich ihm aus und suchte einen anderen Punkt, den sie fixieren konnte. Bis er sich plötzlich erhob und die Nähe erneut aufbaute. Ihr Herz pochte mit einem Mal erhöht und als sein vertrauter Geruch in ihre Nase stieg, öffnete sie die Lippen, um mehr Platz für ihren beschleunigten Atem zu lassen. Was war nur los mit ihr?!

Das Honigglas war ihre Rettung. Es lenkte sie wieder auf die ganz wesentlichen Dinge. Linderung für ihren Hals! Madiha blickte auf das Glas und neigte sich etwas vor, um daran zu riechen. Honig war nur selten etwas für die Sklaven, aber gekostet hatte sie ihn schon mal. Trotzdem wollte sie wissen, was Jakub Tauwetter gesagt hatte doch der Dieb blieb hart in seiner Entscheidung. Brav entnahm das Wüstenkind den Löffel und wartete einen Moment, bis der Honig zähflüssig ins Glas zurückgelaufen war. Eilig schob sie den Löffel in den Mund und lutschte daran. Sein Geständnis, kein Medicus zu sein oder überhaupt zu wissen, wie man ihrem Hals Linderung verschaffen könnte, kommentierte sie mit einem ehrlichen Lächeln. „Schon gut“, tat sie das ab und verteilte den Honig so gut es ging im Mund. Es war wirklich furchtbar süß und Madiha wusste nicht Recht, ob sie den Geschmack in ihrer jetzigen Situation als lecker beschreiben würde. Es kam nach all der Bitterkeit zu einem heftigen Kontrast, aber sie aß brav weiter. Dass Caleb in Sendli sprach, verschaffte Madiha eine weitere Entspannung. Es fühlte sich heimisch an. Normal, während alles andere nicht normal war. Sie sprach ohnehin lieber Sendli und benutzt Celcianisch nur, weil sie musste. Nachdem sie seiner Aufforderung nachgekommen war, beantwortete er ihr endlich ihre Fragen. Still hörte sie zu, nickte ab und zu aber nur minimal, denn jede Bewegung extra tat ihr weh. Mehr als einen Löffel Honig, wollte Madiha allerdings nicht und so legte sie den Löffel auf die kleine Arbeitsfläche neben sich. Sie hatte das Gesicht abgewandt, als er seine Offenbarung machte. Madiha hielt inne und wandte sich ihm wieder zu. Besorgt suchte sie in seinem Gesicht nach einem Ansatz einer Lösung, doch alles was sie sehen konnte war, dass er durch seine Ernsthaftigkeit ausdrückte, was sein Mund nicht schaffte. Madiha lief es kalt den Rücken hinunter.
Die Schrecken hörten nicht auf. Sorge bahnte sich ihren Weg durch das entstellte Gesicht des Mädchens. Caleb jedoch enttäuschte Madiha nicht. Er setzte seine typische Miene auf und lächelte sie verwegen an. Madiha spürte die Hitze in ihre Wangen zurückkehren und brach den Blickkontakt ab. Sein Zugeständnis ließ sie unsicher lächeln. Es war zweimal verdammt knapp gewesen in der kurzen Zeit auf dem Schiff. Doch dann hob sie den Kopf und meinte ehrlich: „Und ich - … lasse dich nicht- … sterben.“ Auch wenn sie nur ein halbverhungertes Kind in seinen Augen sein musste, hatte sie bereits bewiesen, dass sie zäh war. Ob das reichte, würde sich zeigen müssen. Gleichzeitig waren ihre Worte ein stummes Zugeständnis, dass der Streit als nichtig erklärt wurde. Dass sie ihm verzieh, dass er sie im Stich gelassen hatte. Aber auch, dass sie eine erneute Hoffnung hegte, dass er es nicht bei der nächsten Gelegenheit wieder tun würde. Was sollte sie tun? Sie war auf so vielen Ebenen an ihn gebunden und sie war vor allem so leicht, um den Finger zu wickeln. Wie ein ausgehungerter Bettler, dem man eine heiße Suppe versprach. Madiha hungerte nach Zuwendung und Caleb war sich vermutlich nicht mal bewusst, was seine Gestik, seine Worte und sein Handeln bei ihr imstande war auszulösen. Dennoch straffte das gebeutelte Mädchen die schmalen Schultern und reckte etwas das Kinn. Trotz ihrer Müdigkeit, ihrer angeschlagenen Verfassung und der fehlenden Zeit, die Dinge zu verarbeiten, konzentrierte sie sich auf das Wesentliche. „Wie… schaffen wir das trotzdem? Was.. können.. wir tun?“, wollte sie wissen und unterdrückte ein Husten, um sich größere Schmerzen zu ersparen, als das Reden sowieso schon bereitete.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Montag 25. Juli 2022, 14:46

Azura:
Azura wiederholte bereits zum zweiten Mal, dass der neue Kapitän sich irrte. Irren musste! Sie wollte niemandes Tod und hatte deshalb auch niemanden der Mannschaft auf dem Gewissen. Sie hatte keinen von ihnen umbringen wollen. Aber wie stand es um Corax? Die Erinnerung an seine Worte brannten sich ihr ins Herz und hinterließen gezackte Narben, dass sie dem Grinsen ähnelten, welches er bei seiner Aussage aufgesetzt hatte. Es hatte ihm Spaß gemacht. "Weil es unglaublich viel Spaß gemacht hat. All das Leid, all der Schrecken." Seine Stimme, die durch ihren Kopf geisterte, bereitete ihr eine Gänsehaut. Unbehagen schlich sich wie Gift durch ihre Adern und bis zu ihrem Herzen, wo sie Zweifel, eine Spur Zorn aber auch diesen Unglauben hinterließ. Sie konnte sich doch nicht in ihm getäuscht haben! War sie denn so naiv, es nicht erkannt zu haben, dass er als Dunkelelf und mehr noch als Grauschelm nichts als Kummer und Leid brachte? Sie hätte auf Méllyn hören sollen. Die andere Schelmin hatte ihr doch früh genug prophezeit, dass ihr Weg nicht leicht würde. Steinig und zwar von jener Sorte, die spitze oder scharfe Kanten hatten, damit sich ihre unerfahrene Seele nicht nur nachhaltig daran aufriss, sondern auch all ihre Unschuld zurückließ. Jetzt blutete ihr Herz so sehr, dass sie schon glaubte, Flecken davon auf dem Kabinenboden zu sehen. Doch halt, das war wirklich Blut! Was hatte Corax dem Jungen nur angetan und wo steckte jener?
"Und Ihr glaubt, ich hab das gewollt?", fragte sie aus dem Sumpf der Verzweiflung hinaus zu dem Mann, der dort am Ufer stand und ihr beim Versinken zuschaute. Tatsächlich stand Jakub nicht. Er hatte sich zu ihr gesetzt und ihr so den Weg aus der Koje versperrt. Er musterte sie. Seine Augen waren so streng, so durchdringend, als könnte er direkt in ihre Seele schauen und doch sah er nicht, wie sehr ihr das alles selbst zusetzte. Wenigstens war er trotz seines Äußeren nicht so verbohrt, dass er überhaupt keine Empathie für sie aufbringen konnte. Er hörte schließlich zu und das, ohne sich vorab ein Urteil gebildet zu haben - zumindest nicht bei ihr. Corax hatte offenbar jede Gunst des Kapitäns verloren, so wie er von ihm sprach, ihn einen Bastard nannte.
Obgleich etwas in Azua zerbrochen sein mochte, so vergingen Gefühle nicht von jetzt auf gleich. Das war ja das Schreckliche mit der Liebe. Sie hinterließ viel zu lange Kummer und Elend, wenn etwas an ihrer Oberfläche kratzte. Corax' Worte hatten viele Risse hinterlassen und Azura wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob sie noch einmal zu kitten wären. Alles, was sie wusste, war, dass sie nach Hause wollte. Nichts weiter. Sie sehnte sich in ihr altes Leben zurück, wäre vielleicht sogar bereit gewesen, gar das davor auf den Straßen Andunies zu wählen. Nur ihr jetziges Schicksal wünschte sie sich mit so viel Verzweiflung hinfort, dass ihr Tränenfluss nicht versiegen wollte. Und trotzdem glomm tief in ihrem Inneren noch immer ein Funken Glut, ein winziger Rest, der sie Corax verteidigen ließ.
"Ja, er ist ein Dunkelelf und er ist ein Schwarzschelm. Oder wie diese Art von Magie auch genau heißt. Er leugnet es und hat es nicht unter Kontrolle, aber ... Aber ich wollte wirklich nur ein Schiff, um nach Hause zu kommen. Ich weiß nicht, warum er ... er so ... so ... so gehandelt hat..." Nun brach es auch ihr heraus. Ihre Stimme versagte, dafür fluteten ihre Tränen mit der Kraft mehrerer Wasserfälle über die Klippen ihrer unteren Augenlider. Ihr Bedauern entsprang der unglaublichen Enttäuschung und der Verzweiflung, der Angst, sich in dem Mann geirrt zu haben, der ihr zwischen all dem Leid doch so wundersame Erfahrungen geschenkt hatte. Der sanft und liebevoll, aber auch leidenschaftlich sein konnte. Der ... nur mit ihr gespielt hatte? Aber wozu? Nur, um sich an ihrem Leid zu laben?
Wäre Azura weniger emotional, hätte sie den kleinen Widerspruch darin vielleicht mit der nötigen Rationalität erkennen und deuten können. Corax mochte viel zu oft brutal, eiskalt und sadistisch vorgehen. Er neckte sie, das stimmte. Aber nicht einmal hatte er versucht, ihr wahrlich Leid anzutun, weder physisch noch psychisch. Under Gelegenheiten hatte es viele gegeben! Stattdessen hatte er sich weder an ihr vergriffen, als sie damals auf dem anderen Schiff eingeschlafen war, noch hatte er sie allein in Nogrot zurückgelassen. Im Gegenteil. Obwohl auch er verletzt gewesen war, hatte er sie durch die Straßen der Zwergenstadt geschleppt, um einen Heiler zu finden. Er hatte sie unaufgefordert angekleidet und sie jedes Mal vor Gefahren verteidigt, ohne dass sie ihn dazu hätte auffordern oder bitten müssen. Und er hatte auf Kapitän Gilles' Schiff nicht gewollt, dass sie das Ergebnis seiner Rache an dem lüsternen Mann hatte ansehen müssen. Stattdessen war es doch Corax selbst gewesen, der in jeder Situation, in der sie beide öffentlich auftraten, in den Hintergrund getreten und sie als die hoch gepriesene Herrin gerühmt hatte. Er hatte immer versucht, den nötigen Respekt ihr gegenüber bei anderen einzuholen. Er hatte sie eine Göttin genannt.
Auch Jakub erkannte, dass Azura für den Dunkelelfen von anderer Bedeutung war. "Ihr hättet es verhindern können. Er hört auf Euch ... das hoffe ich zumindest. Andernfalls werde ich ihn so schnell es geht beseitigen lassen, selbst wenn uns dann ein Mann mehr auf dem Schiff fehlen sollte. Wenn er am Leben bleibt und vollkommen unkontrollierbar ist, sehe ich in ihm eine größere Gefahr als die Weite der See." Jakub hörte nicht auf, Azura zu mustern. Es lag jedoch keinerlei Begehren darin, vielmehr Nachdenklichkeit. Abschätzend flog sein Blick über ihre Gestalt, bis sich eine tiefe Falte zwischen seinen Brauen bildete. "Ihr seht mit nich danach aus, als ob Ihr anpacken könnt und zu arbeiten wisst. Was stelle ich also mit Euch an, dir Ihr offenbar nicht für all die Schrecken verantwortlich sein wollt." Nach wie vor glaubte er ihr nicht vollends, aber wer konnte es ihm verübeln. Er hatte Azura in halber Fischform auf einer Flutwelle aus Blut reiten gesehen. Diese Bilder bekam nicht einmal ein so einschüchternder Mann wie Tauwetter problemlos aus dem Kopf.
Azura sah keine andere Möglichkeit, als ihren Nutzen für den Kapitän zu präsentieren. Glücklicherweise hatte Corax ihr Gemüt noch nicht weit genug verdorben, dass sie sich dem Mann anbieten wollte. Das mochte aber auch am kürzlichen Erlebnis mit Kapitän Gilles liegen. Stattdessen erwähnte sie ihre Wassermagie und dass sie vielleicht auf diese Weise einen Weg fände, um auf dem Schiff auszuhelfen. Ihr Gegenüber hob beide Brauen an. "Also beherrscht auch Ihr eine Form von Magie. Dann seid Ihr für diese Flutwelle verantwortlich?", hakte Jakub nach. Schließlich aber winkte er ab und endlich erhob er sich auch. Ja, er bot Azura sogar einen Arm an - nicht aus Höflichkeit, sondern weil er sah, wie sehr die Situation sie auch körperlich belastete. "Wenn Ihr wirklich helfen wollt, dann begleitet Ihr mich nun an Deck und beweist, dass dieser ... Schelm? Euer Begleiter! Zeigt mir, dass Ihr ihn unter Kontrolle habt und er sich Euren Befehlen fügt. Andernfalls könnt Ihr zusehen, wie Seemänner der Göttin Ventha ein Friedensangebot machen."
Er gab Azura keinerlei Gelegenheit, seine Einladung abzulehnen. Es handelte sich ohnehin um keine. Jakub mochte vorher noch kein Kapitän gewesen sein, doch er wusste zu befehligen und die Rolle des Anführers einzunehmen. Er duldete keine Widerrede. Angesichts seiner Strenge wollte man diese auch nicht geben. Azura konnte lediglich entscheiden, ob sie an seinem Arm mit an Deck ging oder aber von ihm die wenigen, schmalen Stufen nach oben geschubst würde.
Auf halbem Weg schickte Tauwetter noch einen Ruf Richtung Kombüse: "SCHIFFSJUNGE! An Deck, Marsch Marsch! Du kannst später mit dem Smutje noch lange genug plaudern, wenn wir alle arbeiten!" Der Bursche hatte Corax' Würgeangriff also überlebt und schien sogar in der Lage zu sein, selbstständig an Deck zu kommen. Sobald er hinter Azura und Tauwetter auf der Bildfläche erschien, würde auch er sehen, was die verbliebene Mannschaft inzwischen erreicht hatte.

Madiha:
Der Honig tat gut. Die Süße darin brannte zwar mehr als dass sie schmeckte, aber sie legte sich auch zähflüssig auf Gaumen und Hals, so dass sie einen schützenden Film bildete, der wenige Minuten später den Schmerz sogar etwas linderte. Ein kühles Glas Ziegenmilch hätte nun wohl noch mehr geholfen, aber Caleb hatte bereits erwähnt, dass sie nicht über diesen Luxus verfügten.
Madiha genügt vorerst ein Löffel. Sie sollte das Honigglas aber besser nicht allzu weit von sich wegstellen. Die Schmerzen würden noch eine ganze Weile anhalten, vor allem, wenn sie viel sprach. Nun war es wichtig, ihren Hals zu schonen und ihm alle Zuwendung zu schenken, damit das Leid gelindert wurde. Zuwendung, wie Caleb es durch seine Nähe ihrer Seele geschenkt hatte. Bei der Erinnerung an seinen Schoß spürte das Wüstenmädchen die Kälte an ihren eigenen Beinen und die Sehnsucht im Herzen. Vielleicht auch mehr, doch ließ sie sich ihre Konzentration davon nun nicht zerstreuen. Sie lebte noch, Caleb ebenso und der Streit zwischen ihnen schien tatsächlich vergessen. Das war das Beste, was sie aus der Situation mitnehmen konnte. Jetzt mussten sie beide nach vorn und in die Zukunft blicken - wenn es denn eine gab, denn die Worte des Diebes ließen es zu Recht bezweifeln. Die Blaue Möwe hatte zu viele Männer verloren, wie es schien. Eine Weiterreise, bevorzugt in einen sicheren Hafen, würde beschwerlich, wenn nicht sogar unmöglich werden. Die Aussichten standen schlecht. Trotzdem schaffte Caleb es, das Mädchen nicht nur zum sanften Erröten, sondern auch zum Lächeln zu bringen. Nach wie vor sicherte er ihr zu, sie zu beschützen und sprach sich für einen positiven Ausgang des Ganzen aus. Für nicht weniger würde er kämpfen.
„Und ich - … lasse dich nicht- … sterben.“
"Das weiß ich", erwiderte er sanft. "Das hast du im Labyrinth der Wüstendiebe schon nicht getan. Danke." Er streckte die Hand nach ihr aus, um ihr das Haar zu wuscheln. Stattdessen aber berührte er es am Ende doch nur sacht und ließ die nun so kurzen Strähnen durch seine Finger gleiten. "Gefällt mir", murmelte er mehr zu sich selbst. Dann erhob er sich. Er wirkte mehr als zuversichtlich. Wenn er es aber nicht ernst meinte, sondern nun auch eine Maske trug, wie hielt er diese Fassade aufrecht? Wie konnte er nach außen hin so mutig auftreten?
Madiha wollte unbedingt wissen, was sie denn nun tun könnten. Caleb hob die Schultern und wandte sich ihr erneut zu. "Also, mich hat man zum Smutje - das heißt Koch - abkommandiert. Ich schätze, ich werde genau das tun. Kochen." Er grinste auf. Es mochte nach einer absolut simplen, wenn nicht gar seltsamen Aufgabe klingen angesichts der Tatsache, dass sie alle kurz zuvor noch in einem Meer aus Blut gewatet waren. Aber seine Pflicht war wichtig. Ohne Nahrung würde jeder an Bord kraftlos bleiben, wenn nicht gar verhungern. Calebs Position bot die Grundlage, damit andere sie aus der Notlage holen konnten. Er trug seinen Teil dazu bei, vorausgesetzt sein Essen wäre genießbar. Wenigstens schien er nicht neunzig Prozent der Mahlzeit aus Zwiebeln herzustellen. Noch nicht! Man wusste nie, wie lange die Vorräte noch hielten.
"Was wirst du tun?"
"SCHIFFSJUNGE! An Deck, Marsch Marsch! Du kannst später mit dem Smutje noch lange genug plaudern, wenn wir alle arbeiten!", drang plötzlich die kernige Stimme von Jakub Tauwetter durch den Rumpf. Caleb zuckte sogar zusammen. Dann spähte er zur Tür. "Hat unser Schiffs...junge denn auch einen Namen?" Deshalb hatte er Madiha ständig bei ihrem richtigen Namen genannt. Er kannte keinen, mit dem sie sich tarnte. Überhaupt wusste das wohl niemand, da alle sie bisher nur Bursche oder Junge gerufen hatten. Es wurde Zeit, dass Madiha entweder kreativ wurde oder ehrlich. Machte es denn jetzt noch einen Unterschied, ob sie als Junge oder Mädchen aushalf? Jede Hand wurde gebraucht. Deshalb rief der Kapitän auch bereits wieder nach ihr. Sie musste an Deck.

An Deck (Azura und Madiha):
Viele Überlebende gab es tatsächlich nicht mehr auf der Blauen Möwe. Jakub Tauwetter hatte übertrieben, als er behauptete, die halbe Mannschaft sei dem Meer zum Opfer gefallen. Es mussten weitaus mehr gewesen sein, denn hier stand vielleicht noch gut ein halbes Dutzend an Bord. Nicht alle wandten sich dem neuen Kapitän zu, als dieser an Deck kam. Das Schiff musste halbwegs auf Kurs gehalten werden und die meisten waren mit dieser Aufgabe beschäftigt.
Briggs, der vor Fischauges Kabine Wache gehalten und letztendlich auch Kapitän Tauwetter zu Hilfe geholt hatte, stand auf dem erhöhten Heckbereich jetzt neben dem Ruderer. Er trug eine Karte unter die Achsel geklemmt und studierte gerade durch einen Sextant hindurch die Umgebung, um sich einen Überblick zu verschaffen. Briggs nahm demnach die Rolle des Navigators ein. Seine Kenntnisse mussten ausreichen, das Schiff auf den richtigen Kurs zu bringen. Der Rest der Mannschaft würde es dann auch auf diesem Kurs halten müssen.
Zwei Seeleute saßen oben auf dem Quermast und lösten die Knoten des aufgerollten Segels. Man hatte noch nicht vor, mit dem Wind zu fahren, aber der Stoff musste nach der Katastrophe dringend begutachtet und notfalls auch geflickt werden. Interessanter war jedoch, was sich unten am Mast abspielte. Die Männer, die Corax fortgeschleppt hatten, mussten ihn dort vertäut haben. Dabei waren sie sehr großzügig mit den Seilen umgegangen. Fast sein ganzer Oberkörper wurde durch Stricke am Holz des Mastes festgehalten. Er konnte sich kaum mehr rühren. Um seinen blutenden Zehenstumpf hatte man sich ebenfalls gekümmert, wenngleich nicht mit der Sorgfalt eines ausgebildeten Heilkundigen oder der Fürsroge einer Mutter. Behelfsmäßig war die Blutung mit einigen Fetzen Leinen gestoppt und verbunden worden, dass den gesamten Fuß nun eine Bandage zierte. Aber Corax konnte ihn noch bewegen, ebenso den gesunden Bruder. Er trat mit beiden gelangweilt aus, denn viel mehr blieb ihm kaum übrig. Wenigstens war er bei Bewusstsein.
Als sein Blick auf Kapitän Tauwetter traf, grinste er spöttisch, obgleich ihn bereits ein dunkles Veilchen am linken Auge zierte und Blut von seinem Mundwinkel herunter ein trocknendes Rinnsal bildete. Dann jedoch fanden die Rubine Azura und hefteten sich an sie. Corax musterte seine Begleiterin wachsam, suchte offenbar nahc Verletzungen und wirkte mit einem mal ehrlich besorgt. Dieser kurze Moment ehrlicher Offenheit schwand rasch, als er bewusst seine steinerne Miene aufsetzte, vielleicht um sich nicht angreifbar zu machen. Oder aber er wappnete sich für das, was kommen sollte. Ihm schien bewusst, dass Azura mit seiner Tat ganz und gar nicht zufrieden gewesen war.
Kapitän Tauwetter führte die Adlige nun auch direkt auf ihn zu. Er hatte ihr ja bereits mitgeteilt, was er wünschte und sehen wollte: Wenn Azura ihn nicht kontrollieren konnte, wäre Corax' Leben edngültig verwirkt.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 25. Juli 2022, 21:34

Es war vermutlich nicht verwunderlich, dass sich Madiha plötzlich nach der Zuwendung sehnte, die Caleb bereitwillig gab. Ohne zu ahnen, was er damit bei Madiha auslöste und ohne, dass das Mädchen wusste, wie ihm geschah. Niemand hatte sie bisher auf diese Art behandelt und ihr waren die folgenden Reaktionen mehr als fremd. Nie gab es derart in ihrer dominierten Welt und wenn man sie danach gefragt hätte, hätte sie nichts darauf antworten können. Madiha durchlebte binnen kürzester Zeit eine Veränderung ihrer Sicht auf Caleb, auf ihr Leben und auf die Verbindung, die sie teilten. Und das alles, ohne einen Hauch von Ahnung was das zu bedeuten hatten. Nichtsdestotrotz reagierte sie und spürte die Hitze in sich aufsteigen, bis sie sich in ihren geröteten Wangen zeigte. Das besserte sich auch nicht, als sich der Dieb vorwagte und ihre kurzen Haare berührte. Seine Finger glitten kurz durch ihre Strähnen und Madiha schluckte trocken … und schmerzhaft. Sein Murmeln trieb ein schüchternes Lächeln auf ihre Lippen, ehe er sich erhob und seine Zuversichtlichkeit zur Schau trug. Madiha kratzte sich kurz an der Nase, bevor sie ihre Strähnen wieder zurückstrich. Das Honigglas stand neben ihr und dem abgelegten Löffel auf der kleinen Arbeitsplatte. Sie musste ihn unweigerlich wieder ansehen. Er schien sich dazu zu entscheiden, sich keine Sorgen zu machen, sondern zuversichtlich voranzugehen. Die nachfolgenden Worte waren eine Spur kecker als die Ernsthaftigkeit vor Sekunden. Madiha beobachtete den Dieb genau und erkannte langsam sein altbekanntes Verhaltensmuster. Ihr war es recht. In ihr war so viel Grauen angesammelt und sie hatte wahrlich angst davor, was geschehen würde, wenn dieses Grauen an die Oberfläche stieg. Caleb bot da eine willkommene Ablenkung und vor allem zeigte er ihr, dass man sich auch gegen dieses Grauen entscheiden konnte. Kurz huschte ein trauriger Schatten über das junge Gesicht. „Ja, der… Smutje… Fischauge hieß er…, er…“ sie zögerte und sah den Koch vor ihrem geistigen Auge in den Fluten verschwinden, während der Krakenmann lachte. „Er hats nicht geschafft…“, krächzte Madiha leise und presste kurz die Lippen aufeinander. Sie erinnerte sich an den Ausdruck von Jakub, als er ihr die Kabine des einstigen Koches zuwies. „Ich glaube, … er war… Jakub’s … Freund.“, murmelte sie, ohne danach gefragt worden zu sein. Das war eben ein Vorteil, wenn man wie sie jahrelang gelernt hatte, im Hintergrund stillzustehen. Man bekam äußerst viel mit und ihr fielen vielleicht hin und wieder Dinge auf, die sonst übergangen wurden, weil anderes wichtiger war.

Plötzlich aber blinzelte Madiha und der vage Schleier der Trauer war verflogen. „Kannst du… kochen?“, hakte sie neugierig nach und musterte den Dieb zweifelnd. Es mochte eine Unterstellung sein, aber sie konnte sich nicht so recht vorstellen, dass Caleb viel Zeit damit verbracht hatte, zu kochen. Geschweige denn für eine ganze … halbe … Mannschaft. Sie zuckte gerade die Schultern, auf seine Gegenfrage hin und wollte antworten, als die harsche Stimme des Kapitäns zu ihnen durch das Holz drang. Ebenso wie Caleb, zuckte Madiha kurz zusammen. Wie viel Zeit hatte sie vertrödelt? Jakub hatte sie wieder zurückerwartet… Hatte sie ihn verärgert? Das Mädchen spürte einen beschleunigten Herzschlag, als sie sich hastig zum Dieb umwandte. Seine Frage ließ Madiha tatsächlich ratlos zurück. Stutzig sank ihr Blick zur Seite, ein deutliches Zeichen dafür, dass sie überlegen musste. „Nein… ich… alle sagen… Junge oder… Bursche… Jakub weiß es aber.“, kratzte ihre Stimme und sie schnaufte kurz, weil die Schmerzen unerträglich waren und die Erinnerung an ihr Auffliegen mehr als präsent wirkte. Doch sie biss die Zähne zusammen und sah mit einem plötzlich müden Ausdruck zu Caleb zurück. „Vielleicht… muss ich… nicht mehr… der Junge… sein… ansonsten... vielleicht… Malik?“, schloss sie und spürte, dass es Zeit wurde, die Stimme zu schonen. Noch einmal atmete sie bewusst tief durch, versuchte dem Brennen in ihrer Kehle Herr zu werden. Bevor sie die Kombüse verließ, griff sie erneut nach dem Löffel und nahm noch einen davon in den Mund, bevor sie zur Tür ging. Madiha wandte den Blick über ihre Schulter zurück und lächelte ehrlich. Dann verschwand ihr dünner Leib hinter der Kombüsentür.
Das Wüstenkind sah zu, Jakub nicht noch länger warten zu lassen. Sie eilte dem einstigen Ersten Maat hinterher und sah erstaunt, dass die Frau ebenfalls das Zimmer verlassen durfte. Madiha hielt etwas Abstand und sagte nichts weiter. Ihre Kehle dankte es ihr und sie wollte nicht schon wieder die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie zog es dann doch lieber vor, sich wieder ganz ihrer anerzogenen Stellung zu verhalten. Das Mädchen trat nach Jakub und der Göttin an Deck. Der Wind empfing ihre kurzen Haare und ließ sie tanzen. Allerdings rebellierte ihre geschundene Haut massiv, sodass sie kurz eine Hand an ihren Hals legte, um ihn zu schützen. Madiha zuppelte sich mit der anderen die wilden Strähnen aus den Augen und blinzelte ins Licht. Es dauerte einen Moment, dann erkannte sie, dass wirklich viele der Männer fehlten. Sie wandte sich einmal um sich selbst und ließ den Blick schweifen. Briggs fiel ihr auf, wie er gerade durch ein seltsames Ding starrte. Madiha wusste davon nichts und beobachtete ihn für einige Sekunden, während sie blind dem Kapitän und seiner Gefangenen nachlief. Allerdings fehlten so einige bekannte Gesichter und Madiha wurde flau im Magen. Der Krankenmann hatte viele Leben gefordert… Das Mädchen wäre beinahe gegen Jakub geprallt, als jener mit der Anderen plötzlich stehen blieb. Nur knapp gelang es ihr, nicht in ihn hineinzurasseln und als sie vor sich die Wand aus Tauwetter hatte, schob sie ihren dunkelhaarigen Kopf an ihm vorbei, um einen Blick auf das zu erhaschen, was dort wartete. Die Erkenntnis traf sie heftig. Die roten Augen glommen süffisant zu Tauwetter empor und Madiha versteckte sich regelrecht hinter dem Muskelberg. Nur nicht auffallen. Der kurze Blick hatte genügt, um ihr nur all zu bildhaft vor Augen zu führen, was der Mann am Mast alles angerichtet hatte. Und welch Wahnsinn in ihm wohnte. Ihr rieselte es eiskalt über den Rücken bei der Erinnerung. Jetzt war er augenscheinlich gefesselt, doch.. reichte das? Würde das etwa die Lage beherrschen? Sie zweifelte daran, wenn sie darüber nachdachte, wie er wahnsinnig irgendwelche Kakerlaken angeschrien hatte. Und die Ratten... die ihn drangsalierten und die Krähen... Madiha rauchte der Kopf. Es war zu viel. Inzwischen hatte sie ihren Hals wieder freigegeben und die hässlichen Male ließen sie noch ramponierter erscheinen, als sowieso schon. Unsicher, was sie nun tun sollte oder welche Aufgabe man ihr zuwies, schlang Madiha die Arme um den schmalen Körper und wartete als stumme und nervöse Zuschauerin ab, was nun passieren sollte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Mittwoch 27. Juli 2022, 10:14

Wieso glaubte dieser Kerl nur ständig, dass sie so brutal und blutrünstig wäre, dass sie auch nur einen einzigen Todesfall gutheißen könnte, der in den letzten Stunden geschehen war?! Sie war eine andunische Adelstochter, ihre Interessen hatten bis vor wenigen Wochen ihrem Aussehen, ihrer Garderobe und ihrem möglichen zukünftigen Ehemann gegolten, nichts sonst! Gut, vielleicht noch dem ein oder anderem standesgemäßen Zeitvertreib, doch niemals, nicht einmal in ihren Träumen, hätte sie gewollt, dass irgendjemand wegen ihr sterben würde! Und durch ihre Hand erst recht nicht!!!
Dennoch schien dieser Mann dermaßen davon überzeugt zu sein, dass ihr vor Verzweiflung die Tränen kamen und sie ihre eloquente Zunge vermissen musste. Wobei sie letzteres eher dem Umstand zuschreiben wollte, dass ihr Kopf viel zu sehr schmerzte, um wiklich sich konzentrieren zu können. Sonst würde sie sich definitiv noch mehr Sorgen über ihre Verfassung machen müssen. Als ob sie nicht schon genug zu verdauen hätte!
Allen voran seine grauenhafte Aussage mit dem widerlichen Ginsen vorhin... Es schüttelte sie leicht und sie musste gegen ein leises, aufsteigendes Grauen diesbezüglich ankämpfen, das einen Moment lang ihre vollste Konzentration erforderte. Trotzdem fiel es ihr schwer, sich wirklich zu fangen. Es war nur ein schwacher Abglanz ihrs sonstigen Temperaments, das sich an die Oberfläche kämpfen konnte, als sie minimal gegen die Vorwürfe rebellierte.
Um danach erst recht wieder in ihrem Leid und... Liebeskummer tränenreich zu versinken. Bis der nächste Vorwurf kam. Schniefend sah sie auf und wischte sich wieder undamenhaft die Nase mit dem Handrücken. In ihren Augen funkelte es, eine Mischung aus Tränen und hochkochender Empörung. "Dann hättet Ihr ihn eben nicht in eurem unseligen Netz gefangen, sondern ihn gleich wieder zurück ins Wasser gelassen, so hättet Ihr es auch verhindern können!", schoss sie zurück und spürte selbst, wie bei all ihrer Qual sich die Wut immer deutlicher meldete.
Den gesamten Verlauf dieses Gesprächs musste sie sich anhören, dass sie die Schuld trug. Und von wem? Einem Mann, der vom Stand her gewiss deutlich unter ihr stand. Unerhört! Immerhin schaffte er es dadurch, obwohl er das vermutlich nicht wollen würde, sie vor dem abgrundtiefen Loch aus Schmerz zu bewahren, in das sie seit dem Geständnis ihres Begleiters permanent zu fallen drohte. Und nun hatte er sie soweit über den Rand zurück geholt, dass in ihrem Inneren noch anderes als Trauer und Leid Platz sowie Gehör finden konnte. Beinahe hätte es sogar dazu geführt, dass sie ihre Arme trotzig vor der Brust verschränkt hätte. Doch soweit war sie dann trotz allem noch nicht.
Leicht schüttelte sie den Kopf und stieß hörbar die Luft aus ihren Lungen. "Und wenn nicht? Wenn er das macht, was eine eigenständige Person tut, nämlich selbst Entscheidungen zu treffen? Dann ermordet ihr ihn einfach. Und ich? Was wird dann aus mir? Wollt Ihr mich dann genauso ersäufen oder mich davor noch zerstören, um ja alles auszuschöpfen, was Männer wie Ihr mit hilflosen Frauen tut?!" Eigentlich hatte sie es nicht derart scharf formulieren wollen, aber mit jedem Wort wuchs ihre Empörung gemeinsam mit der Angst, nichts gegen das drohende Unheil ausrichten zu können.
Denn was konnte sie wirklich dagegen tun, wenn Corax nicht auf sie hören würde? Was sollte sie ohne ihn machen, wenn er der noch immer vorhandenen Übermacht unterliegen würde? Sie hatte nicht gewollt, dass er tötete. Doch genauso wenig wollte sie, dass er umgebacht wurde!
Bei seinen folgenden, abfälligen Worten war es nun wahrlich zu viel des Guten. Azura drückte ihren Rücken durch und nahm in ihrer sitzenden Position eine vornehme Haltung ein, soweit ihr das möglich war. Sogar den herablassenden Blick bemühte sie, nachdem er sie dermaßen gekränkt hatte soeben. Nicht nur, dass er sie wie ein lästiges Insekt behandelte, das man notgedrungen zu dulden hatte, um ein anderes in Schach zu halten, weil es sich mit dem Ersten nicht anlegen wollte, nein, jetzt beleidigte er sie auch noch!
"Ich habe es nicht nötig zu arbeiten!", schoss sie ihm mit all ihrer aristokratischen Arroganz entgegen, zu der sie fähig war. Ja, allmählich fand die junge Frau endlich wieder zu ihrem alten Wesen zurück. Nur... ob das wirklich von Vorteil für sie wäre, stand auf einem anderen Blatt geschrieben.
Dann allerdings verrauchte ihre Wut auch schon wieder und sie sank ein wenig in sich zusammen, als sie das einzige anbot, was ein Grund sein könnte, sie nicht zurück in die Fluten zu werfen. Woraufhin sie prompt missverstanden wurde. Nun ja... zum Teil, denn irgendwie war sie für die Welle verantwortlich gewesen... oder? Sie konnte es nur nicht kontrollieren, das war ihr Problem. Das jedoch zu sagen... würde den Sinn ihres Angebots zunichte machen, weshalb sie es vorzog, dazu zu schweigen, als der Mann ohnehin schon abwinkte.
Schließlich erhob er sich und bot ihr an, ihr beim Aufstehen behilflich zu sein. Einen Moment lang zögerte sie und warf ihm einen verweinten, zugleich aber auch gekränkten Blick zu. "Und wenn nicht, werft Ihr mich gleich hinterher oder wie?", stichelte sie herausfordernd und schnaubte leise, ehe sie die Hand doch noch ergriff.
Sobald sie allerdings auf den Beinen wäre, würde sie die starken Finger hastig wieder loslassen, als hätte sie sich verbrannt. Immerhin standen sie noch immer auf verschiedenen Seiten... so mehr oder weniger.
Was nur zu ihrem Leidwesen nicht bedeutete, dass er sie in Ruhe ließ, sondern sie regelrecht zu schubsen begann. "Hört auf damit, ich kann alleine gehen!", beschwerte sie sich und warf ihm einen beleidigt-arroganten Blick zu.
So aufrecht wie möglich versuchte sie, den kurzen Weg bis an Deck zu nehmen, und all ihren Adel trotz dieser erbärmlichen, kratzenden Kleidung zu demonstrieren. Vielleicht würde ihr das zumindest ein bisschen Respekt verschaffen... In ihrem alten Leben hätte das zumindest gewirkt, wie es jetzt hingegen wäre... Nun, das blieb abzuwarten. Trotzdem versuchte sie es, aus Hilflosigkeit, da sie sonst nicht wusste, was sie tun sollte.
Schließlich gelangte sie an Deck und fühlte sich im ersten Moment von dem Tageslicht geblendet, ehe sie allmählich Details ausmachen konnte. Wobei es sie recht wenig interessierte, wie viele von der Mannschaft tatsächlich noch übrig waren und was sie gerade taten. Ihr Blick suchte als erstes nach ihrem Begleiter, den sie wie ein Paket verschnürt und angebunden hatten.
Es tat ihr in der Seele weh, ihn so sehen zu müssen, auch wenn sie zugleich wusste, dass diese Vorsichtsmaßnahme notwendig gewesen war. Er war unberechenbar und wie es schien, auch zu so viel mehr fähig, als sie wahrhaben wollte. Genauso wie sie lieber noch etwas Zeit zum Überlegen gehabt hätte, ehe sie ihm gegenüber trat, aber das wurde ihr nicht gewährt.
Stattdessen wurde sie direkt zu ihm geführt, ob mit oder ohne ihrem Willen. Erst knapp vor ihm befreite sie sich aus dem Griff und suchte seinen Blick. Mit einer Mischung aus Trauer, Enttäuschung und Sorge sah sie ihn an und überwand ihre innere Scheu, um dicht an ihn heran zu treten. Ja, mehr noch, sie schaffte es, ihre Hand zu heben und sie ihm vorsichtig auf die Wange zu legen.
"Tut es sehr weh?", fragte sie leise und ehrlich, ohne eine Verletzung direkt zu meinen. Vielleicht dachte sie auch an die Fesselung, die sicherlich nicht angenehm sein konnte. Wirklich greifen konnte sie gerade ihre eigenen Gedanken nicht, jedoch wollte sie ihm auch helfen, seine Situation zu verbessen. Sie konnte eben nicht sofort aus ihrer Haut heraus und ihre romantischen Gefühle für ihn vergessen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 28. Juli 2022, 17:22

Madiha:
"Kannst du ... kochen?"
"Wenn es dafür sorgt, dass der neue Kapitän mich nicht über Bord wirft, dann kann ich kochen!"
Caleb lachte leicht auf. Er wirkte nicht angespannt. Wahrscheinlich beherrschte er tatsächlich genug Handgriffe, um eine Mahlzeit nicht gleich zu ruinieren. Das unterschied ihn vom durchschnittlichen Sarmaer, der sonst nur seine Frau - oder gleich mehrere - kochen ließ. Im Haushalt rührte ein Sultan und sei er noch so klein keinen Finger. Überhaupt hatte Madiha niemals Männer in Khasibs Küche gesehen, von einigen Wachen abgesehen, die sich eines der Mädchen als Lohn für irgendwelche Arbeit aussuchen durften. Nicht einmal Khasibs Eunuchen waren jemals im Bereich seines Palastes gewesen, in dem gekocht oder die Wäsche gewaschen wurde. Das war Arbeit der Frauen - eine Sache, die nicht überall in Sarma funktionierte. Die Feuerhexe Cassandra beispielsweise würde sich nicht dazu herablassen, einen Ofen zu befeuern, obwohl gerade sie mit ihren Fähigkeiten am besten dafür geeignet schien. Sie stellte eine Ausnahme her wie es Caleb hier nun tat, aber man musste bei ihm ja auch berücksichtigen, dass er kein gebürtiger Sarmaer war. Wie gut der Dieb allerdings wirklich das Kochen beherrschte, würde Madiha erst bei der nächsten Mahlzeit herausfinden können. Sie wurde an Deck gerufen und so hatte sie keine Zeit mehr, länger zu verweilen.

Azura:
Die Stimmung zwischen Azura und Jakub Tauwetter war angespannt. Beide machten es einander nicht leicht. Der neue Kapitän der Blauen Möwe misstraute selbst ihr noch. Man konnte es ihm angesichts der verlorenen Mannschaft kaum verübeln, aber ebenso ließ sich für Azuras Lage Verständnis aufbringen, wenn man die Hintergründe kannte. Beide Seiten gaben nicht nach und so griff Jakub ein, indem er die Schöne vor sich her schubste, damit sie an Deck könnte. Dort sollte sie ihren Begleiter unter Kontrolle bringen. Jakub hatte sehr wohl nämlich mitbekommen, wie der Dunkelelf an ihren Lippen hing. Er sah mehr als Azura es bislang tat. Sie ahnte nicht, welche Macht Corax ihr geschenkt hatte.
"Und wenn nicht? Wenn er das macht, was eine eigenständige Person tut, nämlich selbst Entscheidungen zu treffen? Dann ermordet ihr ihn einfach. Und ich? Was wird dann aus mir? Wollt Ihr mich dann genauso ersäufen oder mich davor noch zerstören, um ja alles auszuschöpfen, was Männer wie Ihr mit hilflosen Frauen tut?!"
"Wenn er sich weigert, werde ich mit allen Mitteln verhindern, dass er noch mehr meiner Männer umbringt." Jakubs Augen verengten sich. Es war eine ruhige, aber eine klare Drohung. Solange Corax sich jedoch ruhig verhielt, würde es wenigstens eine Art Waffenstillstand auf dem Schiff geben. Das wäre noch das Beste, was ihm und Azura zuteil werden könnte. Immerhin bestand dann die Möglichkeit, doch noch nach Andunie oder zumindest wieder an Land zu gelangen. "Und glaubt mir, Euch werde ich sicherlich nicht anrühren." Seine Worte waren neutral gewählt, hinterließen dennoch Freiraum zur Interpretation. Wie Azura sie deutete, würde Jakub wohl nicht erfahren. Es kümmerte ihn offensichtlich auch nicht. Er hatte eindeutig kein sexuelles Interesse an ihr, aus welchen Gründen auch immer. Damit stand er immerhin eine Stufe höher als Kapitän Gilles. Er würde sich nicht an Azura vergehen. Auf der anderen Seite half bei ihm dann auch keine Form des Kokettierens, um ihren Willen durchzusetzen. So versuchte es die junge Frau mit ihrer zweiten Waffe: adeligem Trotz.
"Ich habe es nicht nötig zu arbeiten!"
"Und ich habe es nicht nötig, Faulpelze durchzufüttern, geschweige denn sie an Bord zu lassen", erwiderte Jakub. Da kannte er nichts. Schon als Erster Maat hatte er streng dafür gesorgt, dass jeder seine Aufgabe besaß und diese auch mit fleißiger Hand ausführte. Im Gegenzug durften die Matrosen auf Gerechtigkeit hoffen, wenn es ein Problem gab und mit Jakub sogar auf Augenhöhe sprechen. Nach Azuras Aussage würde sie sich dieses Privileg erst noch verdienen müssen. Zunächst hieß es aber dafür zu sorgen, dass ihr Begleiter nicht wieder zum Kraken wurde und noch die übrige Mannschaft vom Meer verschlingen ließ. Jakub ging jetzt auch nicht mehr allzu höflich mit ihr um. Er stieß Azura regelrecht zur Tür heraus und kommentierte ihre Empörung nur noch mit einem: "Wollt Ihr Eure Planke selbst anbringen?" Dann aber erreichten sie schon die Stufen, die sie nach oben und auch zu Corax führen würden.

Madiha und Azura:
Eilig folgte das Kind der Wüste dem Ruf des neuen Kapitäns. Bis sie an Deck kam, hatte sie noch Zeit zu grübeln, warum er so laut gebrüllt hatte. Mochte sie etwas ausgefressen haben? Die Antwort lautete Nein und sie schoss just in dem Moment durch ihren Kopf, in dem sie beinahe mit Jakub und der mutmaßlichen Göttin zusammengeprallt wäre. Beide standen nicht in Madihas Fokus. Der blutige Blick des an den Mast gefesselten Dunkelelfen aber umso mehr. Er schaute nicht einmal sie direkt an, dennoch reichte es aus, ihr sofort Unbehagen zu bereiten. Fast aus Reflex schien ihr Hals sich auf's Neue zusammenzuziehen, so dass sie sich bewusst auf das Atmen konzentrieren musste, um nicht zu japsen. Der Honig half nur bedingt. Sie hätte das Glas einfach mitnehmen sollen. Jetzt schmerzten die Stellen, die von außen sichtlich als seine Handabdrücke zu erkennen waren. So gefesselt könnte er jedoch nichts ausrichten ... oder? Schon mehrmals hatte sie gesehen, wie er sich einfach verwandelt hatte. Was hinderte ihn daran, nun wieder zu einem Vögelchen zu werden, um der Fesselung zu entkommen? Jakub musste das doch berücksichtigen. Er war nicht blind. Auch er hatte gesehen, wie aus dem Krakenmann ein Dunkelelf und dann eine kleine Krähe geworden war. Trotzdem ließ er kein Wort darüber verlauten. Stattdessen schubste er die rotgelockte Begleitung in Richtung ihres Freundes und ruckte mit dem Kinn in einer stummen Aufforderung vor. Seine Handhabe mit ihr führte dazu, dass der Elf ihm einen besonders finsteren Blick schenkte. "Wage es nicht", zischte er, wurde dann aber von der Frau, die er so anhimmelte, abgelenkt.
Azura befreite sich aus Jakubs Griff, so dass die Hand des Kapitäns deutlich sanfter auf Madihas Schulter landen konnte. Er blickte knapp zu ihr herunter, fragend. Dann nickte er in Richtung ihres Halses. Ohne ein Wort darüber zu verlieren, wollte er eindeutig wissen, wie gut sich der neue Smutje um sie gekümmert hatte. Dann erst widmete er sich wieder dem seltsamen Paar auf seinen Brettern.
Azura musste sich zu Corax niederknien, um seine Wange zu berühren. Man hatte ihn im Sitzen an den Mast gebunden, vielleicht aus Gnade, damit er seinen Zehenstumpf nicht belasten musste. Er erwiderte ihren Blick, aber nur kurz. Dann kniff er beide Augen zusammen und sah zu Boden. Sie musste seine Wange in ihre Richtung drehen, damit er dem stillen Wunsch erneut folgte und sie wiederholt ansah.
"Tut es sehr weh?"
Ein düsteres Grinsen huschte über seine Züge. "Als könnte Schmerz mit etwas..." Er beendete den Satz nicht. Er ertrug es nicht. Man erkannte deutlich, wie die Fassade bröckelte. Das Grinsen erstarb, versuchte noch einmal neu zu entstehen, aber Corax gelang es nicht. Er blinzelte mehrmals, ganz so, als wollte er Tränen zurückhalten. Nichts befeuchtete seine Augenwinkeln, aber sein Blick war schmerzlich und plötzlich nickte er, wisperte: "Mhm ... es tut weh..." Er unterdrückte ein Aufschluchzen, verwandelte es in einen Vorwurf, den er Azura dann aber doch nur halbherzig an den Kopf warf: "Warum musst du mich auch so ansehen? Warum bist du enttäuscht? Ich hab mir solche Mühe gegeben! Warum hat es dir nicht gefallen? Warum bist du so anders? Warum ... hast du mir das nicht vorher gesagt ... dann hätte ich nicht ..." Er presste die Lippen aufeinander, als ihm bewusst wurde, dass noch andere die Szenerie beobachteten. Wütend blökte er ihnen entgegen: "Haut ab! Vor allem du!" Sein Blick richtete sich mit wachsendem Zorn auf den Kapitän. Nur flüchtig streifte er Madiha, doch jene stand irgendwie nicht mehr auf seiner Todesliste. Ja, sie war für den Dunkelelfen so gut wie nicht mehr existent. Er atmete durch, wandte seine Augen wieder Azura zu. "Fickt er dich jetzt? Hast du Spaß dabei?" Der Zorn hinter seinen Worten war Fassade. Was immer ihn störte, dahinter verbarg sich Unsicherheit, denn deutlich leiser setzte er nach: "Gehör ich noch dir?"

Und vom Rande des Geschehens beobachteten mehrere kleine Pelzknäule die Szene. Sie steckten die Köpfchen zusammen, richteten sich auf die Hinterbeine auf und quiekten leise vor sich her.
"Vielleicht gefällt sir mir doch."
"Jaja, ein enttäuschter Blick hat genügt."
"Wie er leidet ... könnt ihr es auch schmecken? Es ist fast noch besser als wenn er der Auslöser ist."
"Ich kann es riechen. Es duftet. Am liebsten möchte ich mitspielen."
"Nein! Beobachten wir, was hieraus wird. Es gibt noch so viele Spielzeuge hier."
"Ja, das Jungenmädchen ... es hat Angst. Ohhh, süße Angst."

Die schwarzen Ratten quiekten gemeinsam auf und stoben dann in verschiedene Richtungen über Deck davon.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Samstag 30. Juli 2022, 10:18

Dieser Mann mochte hier das Sagen haben und sicherlich auch wissen, was er tat. Dennoch hatte er etwas an sich, das sie reizte und ihr altes Wesen allmählich wieder an die Oberfläche zu holen vermochte. Vielleicht nicht unbedingt die beste Situation, um sich an ihren Stand zu erinnern, doch sie konnte nicht anders. Zu grauenhaft war das Erlebte gewesen und sie weigerte sich, sich ihren Anteil daran einzugestehen, geschweige denn, von jemand anderes an den Kopf geworfen zu bekommen.
Als er dann auch noch damit begann, sie zu schubsen, war es für sie endgültig vorbei. Diese Art des Übergriffs duldete sie nicht und niemand hatte das Recht dazu! Trotzdem konnte sie sich im Moment lediglich mit Worten verteidigen.
Seine Antwort, diese Drohung, ließ sie schlucken und ein wenig blass werden. Denn, auch wenn ihr Herz mit dem Abschied zu dem Dunkelelfen schon begonnen hatte, wollte sie ihn auf keinen Fall in den Tod schicken. Nur... wie sollte sie das verhindern? Sie hatte ja nicht einmal das Unglück auf diesem Schiff unterbinden können, obwohl er ihr bereits so vieles versprochen und sie an eine positive Änderung geglaubt hatte! Was also sollte... was konnte sie tun?!
Während es noch in ihrem Kopf diesbezüglich arbeitete, erklang eine weitere Bemerkung in ihrem Rücken, die dafür sorgte, dass sie ihre Haltung noch mehr straffte. Mit adeligem Hochmut warf sie dem Kapitän einen Blick über die Schulter zu. "Das will ich Euch auch geraten haben!", bekräftigte sie ihre Haltung, ganz so, als ob sie die Macht dazu hätte, ihm irgendwie gefährlich zu werden, sollte er ihr doch zunahe treten wollen. Zugleich war sie innerlich für den Moment erleichtert, vorerst keine Übergriffigkeiten befürchten zu müssen. Sofern er die Wahrheit gesagt hatte...
Allerdings gab es noch einen Punkt, der ihren Missmut schürte. Und bei der Erwiderung goss er auch noch Öl ins Feuer. "Pah! Als ob ich in meinem Leben jemals faul gewesen wäre!", echauffierte sie sich und verwehrte sich gegen diese weit verbreitete Ansicht, der Adel wäre faul.
Sie musste nicht für das Geld ihres Stiefvaters arbeiten und dafür, ein bequemes Leben geführt zu haben, das schon. Dafür aber hatte sie den ganzen Tag durchaus viel zu tun gehabt, sie hatte sich um ihr Aussehen kümmern müssen, um ihre Garderobe, teilweise der Jagd frönen müssen. Und die Bälle am Abend erst, die oft bis spät in die Nacht dauern konnten und an denen sie seit kurzem hatte teilnehmen dürfen! Als ob das nicht anstrengend und kräfteraubend gewesen wäre! Nicht zu vergessen, die nachmittäglichen Teekränzchen und anderen geselligen Treffen, die oftmals Nerven kosten konnten. Niemand sollte ihr also unterstellen, sie wäre faul!
Wie, um ihre Ansicht zu bestrafen, versetzte er ihr einen Stoß in den Rücken, dass sie stolperte und sich das Schienbein knapp über dem Knöchel an einer Stufenkante anstieß. "Au! Ihr seid ein ungehobelter Klotz!", beschwerte sie sich mit Schmerztränen in den Augen, als sie ihr Gleichgewicht wieder gefunden hatte.
Danach erreichten sie das Deck und sie musste erkennen, wie man mit ihrem Begleiter umgegangen war. Sofort war ihre Umgebung vergessen und sie ging freiwillig zu dem verschnürten Dunkelelfen. Ehrliche Sorge stand deutlich in ihr Gesicht geschrieben, als sie sich vor ihn hinkniete und sanft seine Wange berührte.
So konnte sie auch seine Mimik beobachten, wie sie zuerst eine Maske zu zeigen versuchten und am Ende doch ehrlich wurde. Zärtlich streichelte ihr Daumen über seine dunkle Haut. Auch dann noch, nachdem er nach seinem Geständnis mit Vorwürfen kam.
Solange, bis er behauptete, sie und der Kapitän... Ihr Gesichtsausdruck wurde traurig und sie zog sich ein wenig von ihm zurück, ließ ihre beiden Hände auf ihre Oberschenkel sinken. Langsam deutete sie ein Kopfschütteln an. "So denkst du also von mir? Für so eine hältst du mich?", stellte sie betrübt ihre Gegenfragen und schüttelte erneut, diesmal kräftiger den Kopf.
"Du gehörst niemandem, nur dir selbst.", erklärte sie und wusste, dass sie ihn darum irgendwann einmal noch gehörig beneiden würde. Denn sobald sie wieder in ihrer Welt wäre, hätte sie als Frau den geringeren Wert und weniger Freiheiten als er. Man würde sie kaum als eigenständige Person bewerten und wenn doch, dann hätte sie einen harten Weg hinter sich. Aber auch so schien sie mehr Ware zu sein, einfach, weil sie eine Frau war.
Leise seufzte sie und versuchte, diese Gedanken zu verdrängen und sich auf ihren Begleiter zu konzentrieren. "Warum macht es dir Spaß, zu töten?", wisperte sie kaum hörbar und nur für ihn bestimmt. Eigentlich hatte sie das nicht sagen, nicht an der Erinneung rühren wollen. Und doch entschlüpften ihr die Worte schneller, als sie es verhindern konnte.
Erneut entkam ihr ein Seufzen und bedauernd sah sie ihn an. "Ich bin dir dankbar, das weißt du. Du hast mich beschützt und du hast uns mit deiner Magie vor dem Ertrinken bewahrt. Aber das, was du hier getan hast..." Sie schluckte schwer.
Wieso klang das hier in ihren Ohren gerade wie der Beginn eines Abschieds? Und wieso machte sie das so unendlich traurig...?
"Es war so... so... sinnlos...", hauchte sie schließlich und sah ihn beinahe flehentlich an, dass sie sich irrte. Dass alles nur ein schlimmer Alptraum gewesen war, aus dem sie gleich erwachte und sich wieder mit ihm gepflegt würde streiten können, um die Hitze ihrer Gemüter mit der Hitze ihrer Leiber würde austauschen können.
Ihr hatte er nie mit Feude ernsthaft weh getan und selbst vergriffen hatte er sich nicht an ihr, sondern ihr Einverständnis erreicht. Oh, wie gerne wäre sie jetzt wieder in dem Becken mit dem heißen Wasser mit ihm, ohne all dem, was sie seitdem erlebt hatten!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Sonntag 31. Juli 2022, 01:04

Wenn Madiha ehrlich hätte sein dürfen, dann wäre sie am liebsten bei Caleb in der Kombüse geblieben. Der Dieb gab ihr eine Sicherheit, die sie erst vor kurzem erkannt hatte. Noch vor geraumer Zeit hatte sie es allein versuchen wollen. Sie hatte ihn verstoßen, ihn für seine Feigheit sogar gehasst. Sie war so verletzt gewesen, dass er versucht hatte sie bei Dunia zu lassen, wie ein unliebsames Gepäckstück. Doch das war Vergangenheit. Caleb war es doch, der ihr das Gefühl gab, nicht gänzlich allein auf der Welt zu sein. Ob er sich dessen nun bewusst war oder nicht. Jetzt stand das Mädchen allerdings hinter Jakub Tauwetter und versuchte sich so gut es ging hinter ihm zu verstecken. Die Augen des Dunklen hatten ausgereicht, um Madiha erneut die Luft zu rauben. Ihre Kehle war so trocken und mit jedem feinen Luftzug, der sich hochquälte, brannte ihr Innerstes wie heiße Glut. Der Honig konnte ihr da nur mäßig helfen und verweilte nicht lang genug, als dass er nachhaltig ihre Wunden behandeln könnte. Sie würde sich, sobald Jakub sie ließ, etwas anderes ausdenken müssen. Jetzt aber galt die Aufmerksamkeit der Schönen und dem Monster. Madiha erinnerte sich für Sekunden an eine Geschichte, über ein Monstrum, das nur durch die Herzlichkeit der Schönen besänftigt werden konnte. Irgendwie passend, doch Jakub riss das Mädchen aus den Gedanken. Madiha blickte in das Gesicht des neuen Kapitäns. Seine Pranke ruhte sanft auf ihrer Schulter, was sie durchaus registrierte. Fragend waren die graublauen Augen der Wüstentochter, doch sein Blick enthielt alles, was sie wissen musste. Etwas in ihr löste sich und formte sich zu einer Sympathieblase für den Mann. Bisher war er äußerst fair zu ihr gewesen und wenn sie sich nicht täuschte, lag in seinem Blick ehrliches Interesse an ihrem Befinden. Dennoch verzog Madiha etwas schief den Mund und hob die dürren Schultern an. Sie beantwortete seine stumme Frage mit einer eher unbestimmten Geste, denn helfen war hier sicher das falsche Wort. Dass ihr aber der Besuch in der Kombüse gutgetan hatte, dessen durfte sich Jakub sicher sein, denn sie schenkte ihm ein halbwegs ehrliches Lächeln. Als sich der Kapitän abwandte und sich dem Pärchen widmete, trat Madiha erneut in den Hintergrund.
Der Umgang der beiden miteinander war fast schon herzerweichend, wenn das Mädchen etwas romantischer veranlagt gewesen wäre. Allerdings war in ihrer Welt jegliche Romantik nicht existent, sodass sie die Szene eher argwöhnisch betrachtete. Zum einen wollte sie gewiss keine Aufmerksamkeit erreichen, zum anderen verstand sie nicht jedes Wort, welches die beiden tuschelten. Also verlor Madiha ein wenig das Interesse und ihre Augen begannen zu wandern. Immer mal wieder blickte sie in die Gesichter der anderen Matrosen. Die meisten von ihnen hatten einen Schmerz inne, den Madiha gut nachvollziehen konnte. Sie spürte eine seltsame Verbindung zwischen sich und den Männern, obwohl sie kaum Zeit hier verbracht hatte. Selbst als Schiffsjunge war sie nur kurz aktiv gewesen. Ob man ihr jetzt noch die Scharade abkaufte? Sie legte nicht mehr großen Wert darauf, allerdings spielte sie Jakub’s Spiel weiter und verriet sich nicht. Ihre Stimme macht es ihr derzeit ohnehin beinahe unmöglich zu sprechen, weshalb sie darauf nicht zu achten brauchte.

Langsam kletterte Madiha’s Blicke weiter und sie wandte sich ein wenig hinter Tauwetter zur Seite. Inzwischen hatte sie den Fokus nicht mehr auf der Rothaarigen und ihren gefesselten Begleiter. Viel mehr blieb ihr Blick an einem Knäul pelziger Zuschauer hängen. Madiha beobachtete die Nager und runzelte die Stirn. Sie war bereits mit Ratten vertraut, denn sie begleiteten sie ihr halbes Leben. Allerdings konnte sie sich nicht daran erinnern, dass sie sich so verhielten, wie sie es an Bord dieses Schiffes taten. Das Wüstenkind folgte dem Blick der Ratten, die scheinbar ebenso interessiert zusahen, wie all die anderen Umstehenden. Madiha fand den Fokus auf der Göttin und ihrem Boten. Gerade als er sich echauffierte und sie anfuhr, was sie trieb, hörte Madiha wieder zu. Sie zuckte sogar minimal bei der Wahl der harschen Worte. Sie kannte diese Behandlung nur zu gut. Sie waren Ware und wer es wollte, nahm sich einfach einen Anteil. Die Stimmen wurden wieder leiser und auch sonst schritt niemand ein. Also wandte sie abermals den Schopf, um noch mal nach den Nagetieren zu sehen. Noch immer hockten sie da und sie spürte, wie eine kalte und klamme Gänsehaut über ihren Körper kroch. Die Angst war allgegenwärtig, seit der Krakenmann gewütet hatte. Davor war sie angespannt gewesen, doch was der Dunkelelf ausgelöst hatte, würde sie noch lange nicht verarbeiten können. Madiha schluckte und sah die Viecher auseinander stoben. Stirnrunzelnd sah sie sie verschwinden und wandte nur langsam den Kopf zurück. Sollte sie Jakub etwas davon sagen? Er würde sie für verrückt erklären. Durfte sie überhaupt sprechen? Oder hatte er sie hergeholt, damit sie im Falle des Falls wieder würde parat stehen können, um jemanden zu bewachen? Nein, das würde sie dieses Mal nicht. Er sollte ihr andere Aufgaben geben. Caleb sagte, sie wären zu wenige. Madiha konnte anpacken – jedenfalls war sie bereit dazu. Dennoch… die Sache mit den Tieren war ihr suspekt. Sie fühlte eine undefinierbare Beklemmung in sich und das dumpfe Gefühl, dass hier irgendetwas faul war. Sollte sie den Elfen fragen? Er würde ihr gewiss sagen können, was es auf sich hatte mit den Krähen. Den Ratten. Den Kakerlaken.
Madiha schob ihre Nase noch mal hinter Jakub hervor. Danach trat sie an die Seite des Kapitäns und musterte den Gefangenen einen Moment. Ihr Herz klopfte plötzlich stark und ihre Kehle schnürte sich wieder zu. Tentakel und blutrote Rubine blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Ihr Atem beschleunigte sich und sie schluckte trocken. Sie hatte das Gefühl, dass die erdrückende Last seines Tuns sie zu Boden reißen wollte. Dann griff sie instinktiv nach Jakubs Arm. Um sich zu erinnern, dass der Schrecken vorerst gebannt war. Und sich zu halten, damit die Knie nicht nachgaben. Und, um seine Aufmerksamkeit zu erhaschen. Sie wandte sich ihm leicht benommen zu, Schweiß stand ihr auf der Stirn. Doch sie schaffte es, das ohnmächtige Gefühl wegzudrücken. Vielleicht drückte sie auch etwas fester Jakub’s Arm. Doch sie reckte sich dem Größeren ein wenig entgegen und krächzte: „Frag ihn… nach den Krähen. – Nach den… Ratten… und Kakerlaken“. Sie machte eine schmerzerfüllte Pause. Madiha wusste nicht, wieso sie ausgerechnet Jakub davon erzählte. Eigentlich wollte sie es selbst machen, doch beim Anblick des Dunklen, entglitt ihr der Mut zwischen den Fingern und Jakub hatte doch sicher mitbekommen, wie sich der Mann einfach so verwandelte und attackiert wurde von den Krähen auf dem Mast. Vielleicht wurde er hellhörig - oder ärgerlich. Je nach dem.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Dienstag 2. August 2022, 15:00

Azuras Bestürzung über den Zustand ihres Begleiters, aber auch noch dem Nachhall der Ereignisse an Deck war es wohl geschuldet, dass sie Corax' Verhaltensweise nicht ganz analysieren konnte. Nun, sie war auch als Adelige aufgewachsen und nicht etwas als Forscherin des Geistes. Andernfalls hätte sie aus seinen Reaktionen keine Vorwürfe herausgelesen, sondern die Unsicherheit, die er zu kaschieren versuchte. Seine verletzenden Worte über ein mögliches Verhältnis mit dem streng dreinschauenden Kapitän fußten nicht auf einer ehrlichen Annahme, sondern sollten bei Azura das Gegenteil hervorrufen. Dementierung und eine Beteuerung, wem sie ihr Herz wirklich schenkte. Sie nahm es falsch auf und warf nun ihrerseits mit verletzenden Worten um sich, aus Selbstschutz. Intelligente Lebewesen verhielten sich so: widersprüchlich zu ihren umschreibenden Eigenschaften.
"So denkst du also von mir? Für so eine hältst du mich?"
Corax' Augen engten sich minimal, vermutlich nahm nicht einmal Azura es war, da sich sie zurückzog. Ihr fehlender Daumen auf seiner Wange hinterließ eine sehnsüchtige Kälte. Corax senkte den Kopf, biss sich allerdings auf die Unterlippe. Was sollte er nun antworten, wie reagieren? Er war versucht, einen üblichen Konter zu geben, obwohl er wusste, dass diese niemals zielführend waren. Da folgte ein Satz aus dem Mund seiner Angebeteten, der ihn starr wieder aufschauen ließ. Die Farbe wich aus seinem Gesicht. Die Kinnlade klappte ihm herunter und seine Augen weiteten sich in einer Mischung aus Ungläubigkeit, Entsetzen und ... Angst.
"Du gehörst niemandem, nur dir selbst."
"W-was? A-aber ... das kannst du doch nicht ... Nein! Ich gehöre dir! Nein, nein, nein!" Er steigerte sich so sehr in diese Aussage hinein, dass seine Stimme sich gleich mehrfach überschlug. Außerdem nahm sie seltsame Klänge an, als er teils unbekannte Laute von sich gab: "Nein, nein, nein, nein, nein!" Das Letzte war ein rabenhaftes Krächzen, aber seine Kräfte schienen erschöpft zu sein wie er selbst. Eine Verwandlung fand nicht mehr statt. Stattdessen wand sich Corax in seinen Fesseln, riss den Kopf in ablehnender Panik hin und her und wiederholte die Worte, bis ihm eine einzelne Träne entkam und über die gestreichelte Wange lief. Ihm, dem Mann, der zuvor noch so viele Matrosen eiskalt in die See geschleudert hatte, ohne auch nur mit einem Muskel zu zucken.
Bei den Umstehenden weckte er keine Sympathien. Die Überlebenden blickten mit Abscheu und Verachtung auf ihn herab und selbst dunkle Wolken zogen auf, dass die Schatten auf dem Deck irgendwie Farbe zu schlucken schienen. Alles wirkte wie durch grau gefärbte Brillengläser gesehen, als Corax schließlich Kopf und Schultern hängen ließ und verstummte.
"Warum macht es dir Spaß zu töten?"
Nichts. Azura erhielt weder eine Reaktion von ihm, noch eine Antwort. Er schwieg.
"Ich bin dir dankbar, das weißt du."
Nichts. Wusste er es oder war es ihm gleich? Corax hielt den Kopf gesenkt, als wäre das Leben aus ihm gewichen.
"Es war so ... so ... sinnlos..."
Sein Körper zog sich zusammen. Er wurde noch etwas kleiner, als duckte er sich unter Schelte hinweg, aber er sagte nichts mehr. Er sah sie nicht mehr an.

Am Rande dieser Szenerie schüttelten mehrere Matrosen die Köpfe. Zwei wandten sich sogar mit abwinkender Geste ab. Sie hatten genug gesehen und gehört. Es war Zeit, nach vorn zu schauen und das Schiff in einen sicheren Hafen zu bringen. Außerdem riefen die aufgezogenen, grauen Wolken stumm nach Vorbereitungen, falls zu allem Überfluss noch Regen oder Sturm einsetzen sollten.
Die Männer wussten, was zu tun war. So war keine Order durch den Kapitän nötig. Dieser stand noch immer nahe des Mastes, die Hand auf Madihas Schulter gelegt. Er betrachtete die Situation und räusperte sich schon leise, um sie nun aufzulösen. Es war genug. Auch er hatte genug gesehen. Jetzt würde ein Urteil fallen.
Ehe Jakub allerdings zur Tat schreiten konnte, schob Madiha ihren Kopf an ihm vorbei. Der Rest des Körpers folgte, bis sie neben ihm stand. Ihre Hand schnellte hoch und verfing sich am Arm des Mannes. Sie griff beherzt zu, dass er die Brauen zusammenzog. Wenigstens war er so für einen Moment davon abgelenkt, eine Entscheidung zu verkünden, die möglicherweise für mindestens einen der Fremden auf dem Schiff endgültig gewesen wäre. Madiha hatte zum Glück eine bessere Idee. Sie wandte sich an ihren Kapitän. Dieser hatte zunächst Schwierigkeiten, ihre Bitte genau zu verstehen. Zu krächzig und schwach kam die Stimme aus ihrer Kehle. Jakub beugte sich etwas tiefer, um die Worte aufzufangen. Eine weitere Falte bildete sich auf seiner Stirn. Sie schob die andere einfach in den Hintergrund, weil sie viel länger war und die gebildete Hautschlucht in tiefe Dunkelheit tauchte.
"Ratten? Krähen und ... Kakerlaken? Was meinst du, Junge?" Ein Blick in die verbliebene Matrosenrunde bestätigte, was sich in Jakubs Gesicht zeigte. Nicht alle konnten Madiha gehört haben, doch diejenigen, die eng genug um ihren neuen Käpt'n und den vermeintlichen Schiffsjungen standen, blickten sichtlich verwirrt aus der Wäsche. Einer fragte sogar: "Haben wir Kakerlaken an Bord?"
"Dann sollten wir die Vorräte sichern", erwiderte der Kamerad an seiner Seite. Ohne weitere Aufforderung machten die beiden sich auf den Weg. Nun waren lediglich noch zwei Matrosen im Kreis der Umstehenden. Sie warfen einander fragende Blicke zu, während Jakub seinerseits Madiha nach wie vor konfus anschaute.
"Warum sollte ich das tun?", hakte er nach, wartete einen Herzschlag lang, ehe er seufzte und die Stimme in Corax' Richtung erhob. "Was hat es mit den Krähen und Ratten auf sich? Oder den Kakerlaken? Antworte, Krakenelf!" Und Corax reagierte. Er hob den Kopf an. Seine Augen waren gerötet, aber nur die zuvor einzeln vergossene Träne hatte sein Gesicht befeuchtet. Er erwiderte Tauwetters Blick nur knapp. Dann wanderten seine Augen weiter. Blutrote Rubine, die ihren Glanz verloren hatten, richteten sich direkt auf Madiha. Sie besaßen nicht mehr die Kraft, sie einzuschüchtern. Im Grunde erinnerten sie an vergessene Schätze, umhüllt von Staub. Nur ein winziges Glimmen stahl sich in die Seelenspiegel hinein. Es reichte nicht aus, damit Corax die Frage stellte, die bei anderen gerade umher ging.

"Woher weiß sie das?"
"Wer?"
"Das Jungenmädchen! Es weiß von uns. Krähen, Ratten, Kakerlaken ..."
"Nein, nein, das darf sie nicht wissen. Wir haben doch...!"
"Anscheinend haben wir sie vergessen."
"Jajaja, weil wir dachten, er erledigt sie. Aber er hat sein Spiel ja abgebrochen."
"Dummes Kind. Wir sollten ihn strafen, jaja!"
"Nein ... wir sollten ... mit ihr spielen..."


"Wie auch immer. Da du nichts mehr zu sagen hast und ich selbst jetzt noch eine Gefahr in dir sehe ... und deine Begleiterin sich weigert, mit anzupacken, habe ich weder für dich - Elf - eine Verwendung noch für sie." Jakubs Brust hob und senkte sich, als er nachdenklich ausatmete. Sein Blick wanderte über die Runde und hinüber zur Reling. "Ich weiß, wir sind zu knapp besetzt, um hilfreiche Hände von Bord zu schicken, aber..."
Einer der Matrosen salutierte mehr lässig als zackig, aber immerhin loyal. "Aye, Käpt'n, ich hole eine Planke und Nägel. Gib uns eine halbe Stunde." Jakub verzog das Gesicht. Die Entscheidung gefiel ihm nicht, aber was sollte er tun? "Ich kann unsere verbliebenen Vorräte nicht an jene verbrauchen, die nicht bereit sind, ihren Beitrag zu leisten ... oder durchfüttern, wer mutwillig tötet. Meine Entscheidung ist gefallen - das heißt, falls niemand begründete Einwände erhebt."
Er sah in die Gesichter der verbliebenen Matrosen. Diese zuckten mit den Schultern. Dann schaute er zu Corax selbst. Jener senkte zwar den Kopf nicht mehr, aber er schaute nur noch Madiha an. Jakubs Blick streifte Azura, ehe auch er zu Madiha blickte. Eine halbe Stunde blieb ihr Zeit, Informationen zu sammeln oder aber sie stellte sich verteidigend auf die Seite einer Frau, deren treuer Leibwächter, Diener oder was immer er war vor kurzem versucht hatte, sie umzubringen.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 2. August 2022, 22:18

Unsicher blickte Madiha in die Gesichter derjenigen, die sie nun fragend musterten. Für einen Moment zweifelte sie an ihrer Tat, doch dann schüttelte sie die abgeschnittenen Zotteln. Nein, sie hatte das seltsame Verhalten der Tiere beobachten können. Erst die Krähen, die auf den Verwandelten einpickten. Dann die Ratten am Bullauge, die plötzlich da waren und sich um ihn scharten. Madiha hatte nicht von viel eine Ahnung, aber Ratten verhielten sich doch nicht so… seltsam? Das Mädchen ließ Jakub’s Arm wieder los und nickte bestimmt, bevor der Kapitän schwer seufzte. Sie hatte wohl Glück, dass es derzeit das Dringlichste war, die Lage der beiden Fremden zu klären. Mit angehaltenem Atem beobachtete Madiha, wie sich etwas in dem Elfen regte. Gespannt wartete sie darauf, dass er antworten würde, doch alles was sie als Reaktion bekam war ein Blick. Sie wollte noch zusammenzucken, allerdings bemerkte sie die Glanzlosigkeit darin. Madiha atmete aus. Auf der Haut ihrer Kehle konnte sie die Finger des Krakenmannes deutlich spüren. Doch etwas war anders. Der Schrecken saß nach wie vor tief und würde eine Weile deutliche Spuren hinterlassen. Allerdings schien das Gespräch mit seiner Göttin alles andere als gut gelaufen zu sein. Er wirkte auf das Wüstenkind… zerstört. Das war es wohl, was es am besten beschrieb. Der Elf wirkte nicht, als hätte er Freude. Gut, er war gefesselt und verletzt, aber es schien beinahe so, als wollte er hier auch seine Situation nicht mehr verbessern. Als wäre es ihm egal. Die beiden Rubine starrten sie direkt an, über seine Lippen glitt jedoch kein Wort. Etwas nervös, beleckte sie sich die Lippen, denn es konnte mitunter unheimlich wirken, wenn jemand einen so anstarrte. Doch sie wich dieses Mal nicht zurück. Sie blieb bei ihrer Entscheidung, über das Thema reden zu wollen. Doch Jakub’s Geduld war wahrlich endlich. Der neue Kapitän brummte mit tiefer und fester Stimme sein Urteil und verkündete das Strafmaß. Madiha blinzelte. Hatte Caleb nicht gesagt, sie bräuchten jeden Mann und jede Hand? Sicher… offenbar wollte keiner der beiden wahrlich helfen, doch wollten sie nicht alle einfach nur an Land? Madiha runzelte die Stirn und sah zwischen dem Elf und der Rothaarigen hin und her. Dabei bemerkte sie auch, dass der Gefangene sie unentwegt ansah. Unheimlich. Als die Matrosen mit der Order ihres Kapitäns loseilten, sah Madiha ihnen nach. „Was? Nein...“, krächzte sie mehr zu sich selbst als zu irgendwen. Sie wandte sich wieder Jakub zu. Dieser schien zwar nicht wirklich zufrieden mit seiner Entscheidung, doch was wusste sie schon darüber, wie sich jemand fühlen mochte? Dennoch registrierte sie den Ausdruck des Mannes neben sich. Es dauerte einen Moment, dann ruhten nicht nur rote Rubine auf ihr, sondern auch Jakub’s Blick. Sie fühlte sich klein. Madiha beleckte sich die trockenen Lippen. Etwas Honigsüße klebte noch daran und erinnerte sie an Caleb. Sie richtete kurz ihren Blick auf die Tür zum unteren Deck.

Madiha schien nachzudenken und nicht ganz sicher zu sein, was sie angerichtet hatte. Der Elf hatte nicht geantwortet, weiter hatte sie allerdings nicht gedacht. Sie war davon ausgegangen, dass er schon antworten würde – gerade in seiner Lage. Allerdings hatte sie offenbar sein Interesse geweckt, denn das was die Worte der Schönen nicht vermochten, konnte ihre Frage erreichen. Ein entschlossener Ausdruck legte sich auf die vernarbten Züge des Mädchens. Madiha wandte sich mit kurzem Blick an Jakub, dann atmete sie tief durch, als bräuchte sie das zum Starten und wandte sich schließlich dem Pärchen zu. Noch einmal zögerte sie, schritt dann aber unbeirrt voran. Ein gutes Stück näher, aber in für sie gerade noch akzeptablen Abstand, blieb das als Junge getarnte Mädchen stehen. Das Graublau ihrer Augen ruhte für einen Moment stoisch auf der Rothaarigen, bis sie sich direkt an den Gefesselten wandte. „Ich hab‘ es … gesehen.“, krächzte sie heiser los, sollte aber aufgrund der Nähe verstanden werden. „Die… Vögel... auf dem Mast. Erst… hab‘ ich mir …. Nichts dabei gedacht…“, sie holte Luft, unterdrückte ein aufkommendes Husten und machte eine Pause. Schwer hob und senkte sich ihr Brustkorb, bevor sie weitersprach. „Doch dann… die Ratten – am Bullauge…Sie... waren da… bevor … du reinkamst. Und … später… noch mal.“, erzählte sie weiter. „Und…“, die Erinnerung kochte bereits hoch und sie stockte. „Und… als du… mich… - da waren die Kakerlaken…. Du… du hast zu ihnen gesprochen…“, keuchte sie und fasste sich schmerzgeplagt an ihre Kehle. Madiha verzog das Gesicht und hustete gequält in ihren Handrücken. Es dauerte einen Moment, bis sie wieder zu Atem gekommen war. Dabei richtete sie ihre Augen auf die Frau. „Was geht… hier vor?“, wollte sie von ihr wissen, da sie annahm, dass sie diese Beobachtungen auch gemacht hatte. Zumindest die Vögel musste sie erinnern, immerhin hat sie sie davon abgehalten, mehr kaputt zu machen als ein paar Federn. Doch schlussendlich richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Mann am Mast. „Wieso?“, schob sie hinterher und musterte sein Gesicht. Die Angst war da. Madiha spürte sie deutlich in ihren Eingeweiden. Ihr Bauch rumorte unzufrieden und ein flaues Gefühl machte sich breit. Immer wieder sah sie die schrecklichen Bilder, doch sie blieb mutig stehen und verlangte allein durch ihre Anwesenheit nach einer Antwort. Sie wusste was sie gesehen hatte. Und ihr ließ das keine Ruhe, denn das waren zu viele Zufälle. Und Ratten versammelten sich nicht einfach so und starrten durch ein Fenster. Oder etwa doch?! Nur kurz huschte unsicher ein Blick zu Jakub, ob er noch da war. Nur für den Fall. Dann fiel ihr Blick auf die Matrosen, die sich um das Brett zu ihrer beider Tod bemühten. Madiha beobachtete sie einige Sekunden, bevor sie die beiden Fremden wieder ansah. Dass er sie so unheimlich musterte, nachdem sie die Tiere ansprach, hatte ihr zu Denken gegeben. Irgendetwas war da. Und es kitzelte ihre Neugierde und auch ihre Wurzeln. Madiha kannte es, wenn man schweigend dastand und in den Augen etwas zerbrach, was einmal wertvoll gewesen war. Und überrascht von sich selbst, angespannt und flach atmend, fügte sie etwas an, was ihr in den Sinn kam: „Es gibt… ein Sprichwort… bei uns…: ‚Indem sie schweigen…. Rufen sie laut…‘“, keuchte sie und erwiderte dieses Mal standhaft den roten Blick. Was war es, was ihn schweigen ließ, selbst im Angesicht des Todes?
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Freitag 5. August 2022, 12:06

Die junge Frau war es gewohnt, dass man ihren Gemütszuständen vollste Aufmerksamkeit schenkte und sofort auf jede neue Nuance entsprechend reagierte. Umgekehrt hingegen... nein, so etwas hatte sie noch nie notwendig gehabt und trotz ihrer Gefühle für ihn, war sie weiterhin nicht in der Lage zu erkennen, was tatsächlich hinter seiner Fassade zu lesen gewesen wäre.
Sie konnte eben nicht von heute auf morgen derart empathisch werden und sich darauf einstellen. Mit mehr Zeit zusammen, ohne großem Drama oder viel Schmerz, hätte sie sich womöglich in diese Richtung entwickeln können. Doch so? Nein, in der Hinsicht waren ihr die Götter nicht gewogen genug, um ihr den entsprechenden Schubser zu geben.
Deswegen auch kränkten sie diese Worte und entlockten ihr nicht die wahrscheinlich notwendige Ablehnung dieser Behauptung. Stattdessen verletzte er sie ehrlich und sie zog sich von ihm zurück, während sie mit hörbarer Enttäuschung ihre Gegenfragen stellte.
Damit allerdings nicht genug, war es ihr ein Bedürfnis, etwas klar zu stellen. Wobei sich bei dieser Gelegenheit zeigte, dass sie tatsächlich sich entwickelt hatte und das ausnahmsweise einmal in die positive Richtung. Denn sie wollte verdeutlichen, dass er kein Besitztum war. Gerade sie, die Adelige aus Andunie!
Zwar hatte sie in einer Gesellschaft gelebt, in der es nicht per se Sklaven gegeben hatte, auch wenn die ein oder andere befreundete Familie sich mit dieser Art Besitz gebrüstet hatte. Darauf hatte ihr Stiefvater geachtet. Trotzdem war sie von Dienern umgeben aufgewachsen, die dafür da gewesen waren, ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen, und es hatte durchaus Zeiten gegeben, in denen sie den Unterschied zwischen ihnen und richtigen Sklaven nicht hatte erkennen wollen.
Jetzt hingegen... Nein, ihr Begleiter war eine eigenständige Person mit eigenen Gefühlen und Gedanken, nicht ihr Eigentum. Das war es, was sie ihm klar machen wollte, ohne zu ahnen, dass sie dabei genauso ungeschickt wie schon so oft vorging.
Seine Reaktion indes... stieß sie vor den Kopf und ließ sie etwas ratlos zurück. Verständnislos sah sie ihn an. "Du bist kein Gegenstand oder... Haustier.", wandte sie ein und musste darauf bauen, dass er ihr überhaupt noch zuhörte. Den Eindruck, dass dies berechtigt war, hatte sie bedauerlicherweise nicht, fand aber auch nicht die Kraft, stärker darauf zu drängen.
Stattdessen gab es etwas anderes, das ihr viel drängender auf der Zunge lag. Nachdem sie sich bei seinem Ausdruck auch noch erschrecken musste. Nur... eine Antwort darauf bekam sie nicht, was den Riss in ihrem Herzen noch größer werden ließ. Traurig sah sie ihn an und begann langsam den Kopf leicht zu schütteln.
Schließlich seufzte sie, nachdem ihr klar wurde, dass sie wohl nicht so schnell etwas zu hören bekommen würde. Dennoch wollte sie es versuchen und eine Antwort hervor locken, öffnete den Mund und holte Luft, als in ihrem Rücken die Stimme des Kapitäns ertönte.
Kurz zuckte der Erinnerungsfetzen der zertretenen Kakerlake vor ihr geistiges Auge und ließ sie blass um die Nase werden. Dann allerdings sah sie sich um und wollte sich vergewissern, dass keines dieser Viecher in der Nähe wäre.
Sie hatte noch nicht das gesamte Deck mit ihren Blicken abgesucht, als der Mann fortfuhr und einer der Matrosen sofort darauf ansprang. Azuras Augen weiteten sich, als ihr klar wurde, was das bedeutete, ehe sie sich zu schmalen Schlitzen formten und sie den Kapitän direkt anfunkelte. "Also seid auch Ihr nichts weiter als ein Mörder!", zischte sie angriffslustig und würde mit allem dafür sorgen, was ihr zur Verfügung stünde, dass weder ihr, noch ihrem Begleiter ein Leid geschehen würde. Nicht, dass sie viel ausrichten könnte, das war ihr klar und hinderte sie dennoch nicht daran, es zumindest zu versuchen.
"Seid versichert, mein Vater wird das herausfinden und dann betet zu allen Göttern, dass er Euch nie findet!", fauchte sie weiter und hätte sicherlich noch so einiges von sich gegeben, wenn nicht der Schiffsjunge sich gerührt hätte.
Er kam langsam näher und die junge Frau sah zu ihr hoch. Was käme jetzt? Eine weitere Attacke? Grund dazu hätte dieser Bengel schließlich und so, wie die Mannschaft sich ihnen gegenüber verhielt, wäre alles andere unwahrscheinlich.
Als wäre seine größere Nähe Grund genug, sie daran zu erinnern, war ihr, als würde ihre Hand wieder stärker zu pochen beginnen. Das Blut war inzwischen versiegt und dennoch würde der Schnitt üble Folgen für sie haben können, sollte sie nicht sorgfältig versorgt werden. Wobei... wenn sie in einer halben Stunde über die Planke gehen müsste, hätte sie weitaus andere Sorgen... Aber auch ihre Magie meldete sich wieder und verursachte ihr einen Hauch von Beklemmung in der Brust.
Doch anstatt eines verbalen Angriffs kamen andere Worte aus seinem Mund. Es war etwas mühsam, diese zu verstehen, weil sie leise und krächzend waren, allerdings wurde es immer besser. Nicht, dass sie den Sinn dahinter wirklich verstehen konnte.
Daraufhin wurde sie direkt angesehen und schüttelte bei der Frage den Kopf, um zugleich ratlos die Schultern zu heben. "Ich weiß es nicht.", gestand sie ehrlich, da alles andere keinen Sinn hätte.
Trotzdem wandte sie den Blick ihrem Begleiter zu, von dem sie annahm, dass er Bescheid wusste. "Deine Magie?", fragte sie auch direkt und hoffte, dass er wenigstens jetzt den Mund aufmachen würde.
Da folgte noch, unerwartet, eine Aussage des Bengels, die sie zu ihm zurück sehen ließ. Die Augenbraue angehoben, verstand sie den Zusammenhang gerade nicht. Wahrscheinlich, weil ihre eigene Zeit auf der Straße viel zu lange her war, um sich daran zu erinnern, wie es sich am unteren Ende der Hierarchie anfühlte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 6. August 2022, 17:09

Es war nicht das erste Mal, dass Corax davon gesprochen hatte, ihr - Azura - zu gehören. Anfangs klang es fast schon romantisch, so als schenkte er sein Herz und seine Seele ihr allein. Doch es waren auch Anmerkungen gefallen, die beinahe einen vorwurfsvollen Unterton besessen hatten. Dass sie ihn nun nutzen konnte wie ein Werkzeug. Schon damals hätte Azura klar sein sollen, dass er sich selbst offenbar genau so gesehen hatte: als ihr Eigentum. Warum er indessen so entsetzt und emotional gebrochen darauf reagierte, dass sie ihm das Gegenteil klar machen wollte, indem sie dementierte, er sei ihr, ließ sie ratlos zurück.
Noch einmal wiederholte sie es im Versuch, eine bessere Formulierung zu finden, damit er nur verstand. Doch auch auf den Hinweis hin, er sei weder Gegenstand noch Haustier, ließ der Dunkelelf den Kopf hängen und unterdrückte ein Zittern seiner Schultern. Er weinte nicht. Er vergoss auch keine weitere Träne mehr, aber er wirkte blass und schrecklich mutlos. So sehr, dass er nicht einmal aufbegehrte, als Kapitän Tauwetter das Urteil über ihn und auch Azura fällte. Eine halbe Stunde sollten sie beide noch bekommen, dann müssten sie von Bord gehen, über die Planke.
"Also seid auch Ihr nichts weiter als ein Mörder!"
Jakub engte die Augen ein wenig, behielt jedoch seine kantige Haltung bei. Er ließ sich nicht so leicht aus der Reserve locken. Mit einem Rucken seines Kinns zeigte er zum Mast. "Höchstens der Mörder eines Mörders. Eines einzigen, der über ein halbes Dutzend Unschuldiger auf dem Gewissen hat." Und Jakub schien bereit zu sein, sich mit diesem Stigma zu zeichnen. Nicht vollends willentlich. Seine Miene verriet, dass er keinen anderen Weg sah. Er musste rational bleiben und pragmatisch denken. Die Vorräte würden nicht ewig halten. Zwar hatten sie durch den Verlust eines Großteils der Mannschaft nun mehr als genug für jeden einzelnen, aber sie mussten das Schiff auch mit weniger Manneskraft an ein Ziel bringen. Irgendein Ziel, das weiter fort sein konnte als ihr Proviant überhaupt reichen mochte. Er war nicht bereit ein Risiko für jene einzugehen, die schon bewiesen hatten, über Leichen zu gehen - ohne Reue oder ein Wort der Entschuldigung. Ebenso wenig war er bereit, den Stand einer Adligen anzuerkennen und sie mit dem nötigen Komfort sicher in einen Hafen zu bringen. Er sah Azura vielmehr als Last für den Rest der Crew an, die darüber hinaus offensichtlich keinen Finger rühren wollte. Man konnte beide Seiten verstehen und doch war Tauwetters Urteil hart.
Zu hart auch für Madihas Geschmack. Obgleich sie den Tod einiger Matrosen und darunter sogar Fischauge gesehen hatte und obwohl ihr Mörder auch sie selbst hatte erwürgen wollen, fühlte sie etwas Anderes als den Wunsch nach Vergeltung. Sie erkannte sogar gewohnte Muster im Verhalten des Dunkelelfen, die Azura aufgrund ihres Standes überhaupt nicht sehen konnte. Selbst mit der nötigen Empathie fiel es schwer, sich in das Leben einer Person hinein zu versetzen, die sich als das Eigentum einer anderen sah. Madiha hingegen konnte das. Bis vor einiger Zeit hatte sie selbst diese Position bekleidet. Die Frage blieb, ob sie ahnte, warum Corax die Worte seiner Göttin und Herrin so vernichteten. Während das Mädchen aber noch grübelte, wurde Azura zur geifernden Furie - zumindest auf verbaler Ebene.
"Seid versichert, mein Vater wird das herausfinden und dann betet zu allen Göttern, dass er Euch nie findet!"
"Und wer ist Euer Vater?" Jakub blieb ein Felsen. Er verschränkte lediglich die Hände hinter dem Rücken, kam etwas dichter an den Mast getreten, zusammen mit Madiha. Bis die Planke angebracht wäre, blieb noch Zeit, in der er weiterhin mit den Verurteilten sprechen konnte. Vielleicht überzeugten sie ihn ja noch im letzten Moment von seiner Entscheidung abzusehen. Immerhin hatte er eingeräumt, dass jemand Einspruch erheben könnte.
Madiha erhob die Stimme, aber nicht, um sich sofort für Azura oder Corax auszusprechen. Sie wollte von Letzterem lediglich erfahren, was es mit den Ratten, den Krähen und den Kakerlaken auf sich hatte. Auch Azura erinnerte sich an die Tiere - zumindest an jene, die sie erblickt und teilweise auch bekämpft hatte. Alle anderen an Bord zeigten eher verwirrte Gesichter. Auch die Frage des Kapitäns an Corax kam ihm eher mit Überraschung über die Lippen, aber sie entlockte dem Elfen eine Reaktion. Keine Antwort auf die Frage, doch ein Starren auf Madiha. Es war durchdringend, ungläubig und fragend. Es war mehr als Azura von ihm bekommen hatte. So war es an Madiha, nach diesem einen Strohhalm zu greifen. Langsam näherte sie sich dem Gefesselten. Sie berichtete davon, die Krähen gesehen zu haben, aber auch die Ratten in ihrem unnatürlichen Verhalten. Und die Kakerlaken, bei deren bloßer Erwähnung Azura schon wieder ein Schauer des Unbehagens den Rücken hinab lief. Dass ausgerechnet zwei dieser Biester in der Nähe und im Schutz eines im Schatten stehenden Fasses hockten, um die Szene zu beobachten, ahnte sie nicht. Zum Glück, sonst hätte sie mit ihrem Aufschrei vielleicht einen nicht magischen Riesenkraken auf den den Plan gerufen. Oder erneute Wellen. Oder Schlimmeres. Irgendwie fühlte sie ihre arkanen Kräfte in sich auf's Neue ... brodeln? Ganz so, als würden sie ungewollt erhitzt. Madiha hingegen konnte ihr Unbehagen nicht auf die eigene Magie münzen. Vielleicht hielt sie es für Aufregung, weil sie sich nun mit ihrem Beinahe-Mörder direkt unterhielt. Mehr oder weniger, denn noch immer antwortete er nicht, aber sein Blick lag weiterhin auf ihr. Sie ertrug ihn nur, weil bis auf ein aufmerksames Glimmen in den Rubinen jene Edelsteine gesplittert schienen. Kein Glanz lag mehr darin, kein Feuer und kein Lebenswille. Sie kannte diesen Blick nur zu gut von all den zerstörten Sklavinnen, mit denen sie hatte leben müssen.
Jetzt half ihr diese Erfahrung, weiter zu sprechen. Sie musste zwar langsam jedes Wort überlegt wählen, denn es kratzte schmerzhaft dabei in ihrem Hals, aber sie endete nicht. Und jeder Umstehende schenkte ihr die nötige Zeit. Selbst Jakub schwieg und beobachtete nur, obwohl er als Kapitän jederzeit das Gespräch unterbinden konnte.
"Was geht ... hier vor?", richtete das als Junge getarnte Wüstenkind erstmals ihre Frage an Azura. Doch diese hatte auch nur eine Gegenfrage, die sie an Corax weiterleitete. "Deine Magie?" Endlich gewann sie seine Aufmerksamkeit wieder. Er ließ den Blick zwar nicht von Madiha ab, aber er schüttelte den Kopf. Und er antwortete ihnen: "Nicht meine. Nicht direkt." Er presste die Lippen aufeinander, war drauf und dran, noch mehr zu sagen, aber Madihas hauchdünne Frage nach seinen Gründen schwappte über ihn hinweg, dass er erbebte. Da brach auch der Blickkontakt ab. Corax ließ erneut den Kopf hängen.
"Es gibt… ein Sprichwort… bei uns…: 'Indem sie schweigen…. Rufen sie laut…'"
"Was für ein bescheuertes und zugleich wahres Sprichwort..." Seine Stimme klang belegt. "Wieso ich all die Seefahrer zerrissen oder dem Meer übergeben habe, fragst du?"
Jakob straffte seine Haltung. Auch er lauschte nun mit aller Aufmerksamkeit. Er gab lediglich mit einem Wink zu Seite ein Signal an die Plankenbauer, ihre Arbeit noch nicht zu beginnen. Jetzt durfte kein Lärm das leise Geständnis des Dunkelelfen unterbrechen. Er wollte ganz genau hören, was dieser zu sagen hatte. Und er musste sehr konzentriert hin hören, denn Corax sprach leise. Seine Stimme klang schon fast so kratzig wie Madihas. Er klang, als kämpfte er mit den Tränen, aber er vergoss keine weiteren. Nur sein Herz war schwer.
"Weil ich den nötigen Respekt für meine Herrin einholen wollte, so wie ich es immer getan habe. Tun musste. So wurde es immer von mir erwartet. Ich ... sie ist eben anders. So schrecklich anders. So wunderbar anders, dass ich kotzen möchte!" Seine Augen wanderten, voll Schmerz und dennoch Sehnsucht zu Azura. "Ich..." Er stockte, starrte sie plötzlich an und dann würgte er tatsächlich. Er gab röchelnde Geräusche von sich. Glücklicherweise hatte er lange nichts gegessen, so dass sich nichts vor ihm entleeren konnte. Als er bemerkte, dass absolut nichts aus ihm herauszuholen war, kniff er die Augen zusammen, reckte den Kopf nach hinten und stieß einen verzweifelten wie zugleich wütenden Schrei in den Himmel. Ein Laut, den sonst nur der schwarze Vogel ausstoßen konnte, um den Tod zu rufen, ging man nach ein paar alten Bauernweisheiten.
"Er klingt wie ein Rabe", sprach es einer der Matrosen überrascht die Wahrheit aus. Er klang danach, aber er sah nicht danach aus. Kein schwarzes Federkleid wuchs ihm, ebenso wenig wie ein Schnabel. Dieses Mal verwandelte er sich nicht, sondern ließ nur wieder den Kopf nach vorn hängen. "Ich will nicht mehr spielen!"
Irgendwo kicherte es, aber es klang zu fiepsig, um von den gestandenen Seemännern zu kommen. Jakub brummte: "Recht hat er. Genug der Spielereien. Aber ich habe eines heraus gehört. Er hat auf Erwartung durch den unausgesprochenen Befehl seiner ... Herrin hin gehandelt. Du bist also nur ihr Werkzeug, Elf."
"Nicht mehr. Du hast es doch selbst gehört, du verdammter Bastard!", keifte Corax dem Kapitän entgegen. Rebellion kam nicht auf. Es war reine Verzweiflung über sein Schicksal. "Ich gehöre nicht mehr ihr. Nie wieder werde ich einen ihrer Befehle befolgen können!" Corax begann in seiner Fesselung zu zappeln. Er bäumte sich auf und drückte sich gegen die Seile, als wollte er sie sprengen. Weniger, um eine weitere Freiheit zu erhalten, von der er offenbar genauso wenig hielt wie von der, die Azura ihm gab, sondern mehr, um es enden zu lassen. Es war gut, dass man ihn an den Mast gebunden hatte. Andernfalls wäre er als unverzauberte Krähe über die Reling gesprungen und hätte feststellen müssen, dass er keine Kraft mehr besaß, um davon zu fliegen.
Während der Dunkelelf aber noch so energisch und verzweifelt versuchte, loszukommen, da blieb einer ganz ruhig. Er hatte die ganze Zeit lang schon die Ruhe bewahrt. Hinter seiner kahlen Stirn arbeitete es. Er hatte aufmerksam zugehört und verarbeitete nun die Informationen. Und er war zu einer Erkenntnis gelangt. "Elf!", rief er Corax an. "Du befolgst demnach die Befehle der Herrin, der du gehörst? Oder ... des Herren?"
Corax unterbrach seine sinnlosen Befreiungsversuche. Aus dem Augenwinkel heraus schaute er zu Jakub auf. Seine Miene wurde grimmiger, doch er nickte langsam. Dass er auch nur zu gern mal Azuras Order missachtet hatte, darüber schwieg er. Misstrauen kam in ihm auf, vielmehr aber eine Vorahnung. Sie bestätigte sich, als Jakub die Stimme fest und klar erhob: "Da deine Herrin dich verstoßen hat, biete ich dir an, dein neuer Herr zu werden. Du wirst mir Folge leisten, bleibst aber an Bord." Sein Blick huschte kurz zu Azura. "Und Ihr ebenfalls, sofern ihr Euch einbringen wollt. Dann dürft Ihr meinetwegen auch die Kapitänskajüte haben. Sie steht leer." Jakub bevorzugte offenbar immer noch seine kleine, enge Kammer des Ersten Maats. Ob aus Gewohnheit oder Respekt gegenüber serinem verstorbenen Kapitän, verriet er nicht. Stattdessen schob er Madiha dichter an Azura heran. "Mein Schiffsjunge wird an Eure Seite gestellt. Achtung! Er ist niemandes Diener und entscheidet selbst, ob er Euch einen Gefallen erweisen wird oder nicht. Aber er wird in Eurer Nähe bleiben und mir alle Dummheiten berichten, die Ihr aushecken könntet. Haben wir uns verstanden?" Noch einmal blickte Jakub Tauwetter auf beide herab. "Dann möchte ich nun endlich die Namen der einstigen Herrin und meines neuen ... Eigentums erfahren."
"Rabenschrey! Rabenschrey!", erklang chorales Gefiepse aus diversen Verstecken und irgendwo klackerte es auch, als würden winzige Insektenfüße über Holz schaben. "Sag es! Sie haben gefragt!"
"Sie nennen mich Rabenschrey - das heißt Corax auf Celcianisch."
Jakub nickte dem Dunkelelfen zu. "Corax also. Tötest du an Bord auch nur noch eine Spinne, Corax, werde ich dir nur noch den Befehl geben, dir eine Klinge ins eigene Herz zu rammen. Es ist dir verboten, Gewalt jeglicher Art anzuwenden. Haben wir uns verstanden?"
"Ja..." Er ließ zwar noch immer den Kopf hängen, aber er hörte sich auf bizarre Weise erleichtert an, vor allem, als er tief ausatmete und das Fiepsen in der Umgebung in Missgunst verstummte.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Samstag 6. August 2022, 23:18

Es war grotesk. Schlicht und ergreifend. Während die Umstehenden und offenbar auch die Frau direkt vor ihm nicht verstanden, was in dem Mann am Mast vor sich ging, hatte ausgerechnet Madiha das Gefühl ganz genau zu wissen, was er empfand. Sie sah es in dem gebrochenen Blick, dem Schmerz im glanzlosen Schimmer der Rubine. Das Mädchen traf es wie ein Schlag. Wie viele Mädchen hatte sie daran zerbrechen gesehen, als Sklavinnen nichts weiter wert zu sein als das Wohlwollen ihrer Herren? Verdammt, sie hatte es selbst erlebt. Nur war sie bisher nicht daran zerbrochen. Als die Diebe sich ihrer bemächtigen wollten, als Tribut für die Rettung von Caleb, da hatte auch ihr Lebensglanz in den Spiegeln ihrer Seele gelitten. Da drohte sie auch zu einer von ihnen zu werden. Lediglich den Umständen verdankte sie es, dass es nicht bis zum Äußersten gekommen war. Trotzdem war ihr Leben nicht seit langem frei und selbstbestimmt. Und sie kannte sehr gut, was er zeigte. Eben jene Erkenntnis brachte sie auch näher an den Gefangenen heran. Sie musste ihn einfach fragen, musste wissen, was das alles bedeutete. Sie hatte nicht mal im Ansatz eine Erklärung für sich ergründen können, dass sich Tiere seltsam verhielten, Männer zu wahren Monstern verwandelten und sich die Natur auftürmte zu todbringenden Wellen. Sie wusste nichts über Magie und Magiearten, nichts über andere Knechtschaften, als jene derer sie selbst ausgesetzt gewesen war. Aber seine Seele war gegeißelt, sie sah es. Und als seine Herrin ihn von jeglicher Zugehörigkeit freisprach, verlor er seinen Mut. Wenn jemand ständig in Knechtschaft lebte und nichts anderes als das kennenlernte, dann konnte das Lossagen sicher zu einem Loch führen, in welches man fiel. Und aus dem man nicht so einfach emporsteigen konnte, denn ein Leben unter einem Herrn machte aus starken Geistern leere Hüllen. Kein eigener Wille. Keine Entscheidung, die man treffen durfte. Nichts wurde dem Zufall überlassen, Ungehorsam mit körperlicher Züchtigung gestraft und seelischer Grausamkeit ausgetrieben.
Madiha schauderte bei seinem Blick. Er erinnerte sie an ihr Leben, das nicht so weit entfernt war, als dass sie sich nicht erinnern würde, schlimmer noch: Nachempfand. Bei ihr war es dennoch etwas anders verlaufen. Nachdem ihr Herr sie zum Tode im Sand verurteilt hatte und sie überlebte, war sie nicht zerbrochen. Im Gegenteil, sie hatte sich zurück ins Leben gekämpft und war aufgestanden. Und jetzt lernte sie mit jeder neuen Situation, dass sie für sich selbst zu sorgen hatte. Caleb war es, der sie ernst genug genommen hatte. Dunia und Ilmy befeuerten ihre Daseinsberechtigung und ihren Wunsch nach etwas anderem. Nach einer Zukunft. Und um diese Zukunft leben zu können, musste sie verstehen, dass sie mehr war als irgendjemand im Hintergrund. Sie war für die erste Reihe nicht zu mangelhaft oder gar Abschaum. Sie hatte durchaus ihren Platz und Jakub Tauwetter räumte dem Sklavenmädchen aus Sarma diesen Platz ein. Mehr noch, durch sein fehlendes Einschreiten, gebot er jedem anderen an Deck der zuhörte, ihr die Zeit zu geben, die sie brauchte. Und Madiha nutzte diese. Sie hatte beobachtet, dass es nicht mit rechten Dingen zugehen konnte. Und sie fragte den Mann am Mast direkt danach. Das Unbehagen in ihrem Innern versuchte sie zu ignorieren, jetzt war nicht die Zeit, um ängstlich oder aufgewühlt zu sein! Das Mädchen beobachtete ihn und hielt ihren Blick mutig auf sein Gesicht gerichtet. Seine Antwort auf die Frage seiner Herrin, quittierte Madiha mit dem Runzeln ihrer Stirn. Trotzdem sprach sie unbeirrt weiter und endete mit einem Sprichwort, das sie aus ihrer Heimat und den Armenvierteln oder Harem kannte. Seine Reaktion ließ sie einen halben Schritt zurücktreten. Sie fühlte sich trotz seiner Fesselung angespannt und angreifbar. Verletzlich. Ihr Hals pochte unangenehm durch die vielen Worte. Trotzdem hob Madiha den Blick, als er ihr eine Gegenfrage stellte. Wollte sie es genau wissen? Im Grunde hatte sie danach nicht gefragt. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass es für diese Art der Grausamkeit eine wirkliche Erklärung geben konnte. Doch sie folgte – irgendwie.

In Madiha regte sich etwas bei seinen Worten. Es war … Mitleid. Sie hatte die Schrecken nicht vergessen, die er angerichtet hatte, das würde sie nie. Sie würde seine Hände weiterhin auf sich spüren, wie sie ihr die Kehle zu zerquetschen drohten. Doch darüber hinaus sah sie in ihm jemanden, der sich selbst aufgegeben hatte und sich nach nichts mehr sehnte, außer des Wohlwollen seiner Herrin. Madiha’s Blick glitt zu der Rothaarigen. Wie sie das alles aufnehmen mochte? Erkannte sie, was es ihm bedeutet hatte, ihr zu gehören? Dass nicht jeder die Freiheit anstrebt, die man für sich selbst wünschte? Madiha hatte Mädchen gesehen, die daran zerbrochen waren, dass sie verstoßen wurden. Freigekauft wurden. Die bettelnd auf den Türschwellen saßen, weil sie unbedingt zurück in Diensten wollten. Weil sie nichts anderes kannten. Auch ihr fiel dieses neue Leben schwer. Sie brauchte kaum lange zu suchen: Noch vor wenigen Stunden hatte sie versucht ihre Überfahrt mit ihrem Körper zu bezahlen. Freiwillig, weil sie es nicht besser kannte. Ihr war nur der Umstand zu Hilfe gekommen, dass Jakub auf Männer stand. Nichts weiter. Sie war kaum anders als die Mädchen und auch als er… Der plötzliche Schrei riss sie aus ihren Gedanken und sie zuckte erschrocken zurück. Sie erwartete beinahe schon eine erneute Verwandlung, einen erneuten Schrecken, doch er blieb aus.
Nur ein Häufchen Elend, gefesselt an einen Mast. Das Kichern, welches den Schrei begleitete, war aber etwas, was ihr kalt in den Nacken fasste. Abgelenkt von dem Rabenschrei, nahm sie das Kichern allerdings nicht vordergründig, sondern nur als Reaktion ihres Körpers wahr, sodass sie auch nicht nach dem Ursprung suchte. Plötzlich erhob der neue Kapitän das Wort. Madiha trat einen Schritt beiseite und ließ ihm Platz. Seine Worte weckten den geschundenen Mann am Mast und er begann zu zappeln. Erschrocken wich Madiha weiter zurück. Die Angst war ihr immer noch ein treuer Begleiter und würde es wohl auch weiterhin sein, wenn sich diese skurrile Situation nicht bald erklären würde. Jakub war es allerdings, der verstand, was dem Rabenmann die Flügel stutzte. Ihr klappte der Mund etwas auf, als sich Tauwetter plötzlich als neuen Herrn etablierte. Madiha blinzelte. Wie… wie war das möglich? Einfach so? Das akzeptierte der dunkelhaarige Elf? Wie…? Das Mädchen verstand längst nicht alles und offenbar hatte sie die Lage noch nicht annähernd so durchschaut, wie es nun Jakub tat. Doch als sie endlich wieder die Aufmerksamkeit auf seine Worte lenkte, hörte sie etwas, was ihr ganz und gar nicht gefiel. Schon wurde sie zu der Rothaarigen geschoben und ihr Unbehagen nahm sofort größere Ausmaße an. „Was ich?!“, entglitt ihr empört, bevor er weitersprechen konnte. Er erklärte Madiha zur freien Person, doch sie verstand nicht, wieso ausgerechnet sie der Schönen helfen sollte. Madiha wollte das nicht. Sie wollte nicht schon wieder mit dieser Person allein sein und sie wollte nicht für die Starrköpfigkeit der anderen geradestehen müssen! Ihre Miene verschloss sich augenblicklich und Jakub erntete einen bitterbösen Blick. Einzig ihre Abmachung war es, die dem Wüstenkind die Zunge schwer werden ließ. Mit verschränkten Armen sah sie auf die am Boden sitzende Frau herab und zeigte deutlich, dass sie keine Lust darauf hatte, diesen Posten zu übernehmen. Auch Jakubs gut gemeinte Worte und Anweisungen halfen ihr nicht. Denn im Grunde war sie dennoch nur jemand, der auf Zuruf zu agieren hatte. Ob es nun als Befehl oder Bitte formuliert wäre, war völlig einerlei. Nach einer gefühlten Ewigkeit aber, überwand sich Madiha und öffnete ihre ablehnende Haltung. Sie streckte ihre Hand aus, damit sich die andere daran festhalten und aufstehen konnte. Was allerdings blieb, war ein seltsames Gefühl, welches ihr innewohnte und sie nicht ergründen konnte, woher es kam.
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Azura » Dienstag 9. August 2022, 14:20

Sie verstand es nicht. Ihr selbst war kaum etwas so wichtig wie ihre eigene Freiheit und ihr freier Wille. Außerdem hatte sie gedacht, sie wären einander beide aufgrund der Gefühle verbunden und dass er sich deswegen als ihr Sklave angesehen hatte. Nicht aber, dass er das so wörtlich nehmen könnte. Nein, es war ihr fremd, wie er sich gerade benahm und empfand.
Noch einmal versuchte sie es, ihm zu erklären, doch wie es schien, stieß sie auf taube Ohren. Nicht ganz so taub hingegen war sie in Bezug auf das, was dieser verfluchte Kapitän in die Wege leitete. Auf ihn konnte sie ihre Emotionen daraufhin projizieren, in Form von Wut, als er einfach so beschloss, weil es ihm nicht schnell genug ging, sie beide zurück ins Meer zu stoßen.
Bei seiner Erwiderung schnaubte sie verächtlich. "Was einen Mord natürlich edelmütig macht, nicht wahr?", fragte sie mit triefendem Sarkasmus in der Stimme und begriff ihren Begleiter noch weniger, da er nicht einmal zu versuchen schien, sich zu wehren.
Warum musste sie das jetzt eigentlich tun?! Auch sie war schließlich noch entsetzt darüber, zu was er fähig gewesen war. Als ob sie auch nur ein einziges Leben hätte beendet sehen wollen! Aber nein... er war still in ihrem Rücken.
Dass diese Entscheidung indes mit Notwendigkeit verbunden war... das war ihr weder bewusst, noch hätte sie das akzeptieren wollen. Es war und blieb nun einmal, wie es war, sie kam aus einer vollkommen anderen Lebenswelt mit anderen Spielregeln, auch wenn diese mitunter viel grausamer sein mochten als der Tod in den Fluten.
Umso überraschender kam der Einwand des Schiffsjungen, dem sie den brennenden Schnitt in ihrer Handfläche zu verdanken hatte. Was für sie das Fass zum Überlaufen zu bringen schien, denn sie sah sich selbst ebenfalls bedroht und kam mit dem einzigen stichhaltigen Argument, das sie besaß, zumindest in ihren Augen: ihre Herkunft.
Die abweisende Reaktion ließ sie ihre Haltung instinktiv straffen, sodass sie so hoheitsvoll wie möglich wirkte. Sofern das in ihrer unterlegenen Position überhaupt notwendig war... Mit leicht vorgerecktem Kinn und festem Blick tönte sie so gewichtig, wie sie nur konnte:"Alycide van Ikari, Vizevorsteher der Tuchhändler und Vorsteher der Warenkontrolleure von Andunie, um nur seine bedeutendsten Titel zu nennen!" So, nun war es raus und sie erwartete definitiv, dass sich dieser Kerl beeindruckt davon zeigte.
Was sie hingegen täte, wenn nicht, außer sich zu empören, das wusste sie nicht. Nein, falsch, sie wollte es nicht einmal wissen!
Wenig später verrauchte ihr adeliges Gebaren wieder, als der Bursche die Aufmerksamkeit auf sich lenkte und etwas ansprach, auf das sie gar nicht geachtet hatte, solange es sich hatte ignorieren lassen. Entsprechend fiel ihre eigene Reaktion aus. Was dann allerdings folgte... Nun, immerhin erhielt sie eine Antwort, zwar nicht sie direkt, schließlich sah er sie immer noch nicht an. Jedoch auf ihre Frage gab es passende Worte.
Um daraufhin von solchen gefolgt zu werden, die sie unwillkürlich erschauern ließen. Zugleich wurde auch ihr ein wenig übel, obwohl nicht so wie ihm. Auf der einen Seite war sie beinahe schon geschmeichelt von seiner Bemerkung, jedoch fiel diese gleichzeitig dermaßen beleidigend aus, dass sie beide Augenbrauen anhob und leise ein protestierendes "Hey!" von sich gab.
Solange, bis er endlich zu ihr sah und sie die leidende Sehnsucht darin entdeckte, ohne dass sie wirklich begriff, was es ihm auf einmal so schwer machte. Schon wollte sie die Hand heben und wieder auf seine Wange legen, als er zu würgen begann. Nein, da hielt sie sich lieber zurück. Allerdings kam sie nicht mehr dazu, diese Geste nachzuholen, als er seinen Schrei ausstieß, der ihr in den Ohren gellte, sodass sie sich diese instinktiv zuhielt.
Erst, als sie sicher sein konnte, dass er fertig war damit, ließ sie ihre Hände langsam wieder sinken, begleitet von einem leisen Seufzen. Sein Kopf hing nach vorne und sein Gemurmel konnte sie kaum hören, so sehr klingelte es noch bei ihr. Dennoch verstand sie ihn zum Glück, doch bevor sie etwas darauf sagen und erneut seine Aufmerksamkeit versuchen könnte, auf sich zu lenken, kam ihr der Kapitän zuvor. Auf eine Weise, die die Empörung in ihr wieder aufkochen ließ.
Böse funkelte sie ihn an. "Ich habe ihm gar nichts befohlen und erst recht hätte ich ihm so etwas niemals angeschafft!", verteidigte sie sich sofort, ohne, dass er es direkt ausgesprochen hätte.
Schon keifte auch ihr Begleiter wieder los, sodass sie zu ihm zurück sah. "Als ob du je auf mich gehört hättest, wenn du es nicht wolltest.", murmelte sie in sich hinein und schüttelte leicht den Kopf.
"Ich will mit ihm alleine reden... unter vier Augen!", verlangte sie plötzlich und bewusst im allgemeinen Celcianisch, da sie sich daran erinnerte, dass es ihrem Begleiter nicht möglich war, alles zu verstehen, wenn sie garmisch verwendete. Oder zumindest hatte er ihr das so vermittelt. Sie wollte endlich mit ihm reden, ihm klar machen, dass er das gerade ordentlich missverstand. Er hatte und würde niemals wie ein Gegenstand ihr gehören! Was sie miteinander verbunden hatte, war etwas ganz anderes gewesen. Zumindest von ihrer Seite aus...
Doch es kam nicht mehr dazu, dass ihr Wunsch erfüllt wurde, da der Kapitän nun einen anderen Faden zu spinnen begann. Immer ungläubiger wurde ihr Blick während des folgenden Gesprächsverlaufs. Dass es kurz auch um sie ging, plätscherte an ihr vorbei, so sehr wurde sie von dieser Entwicklung überrumpelt.
Nein, nicht nur das. Ihr war, als würde sich der Riss in ihrem Herzen schlagartig vergrößern und zu einem regelrechten Sprung werden, so bereitwillig, wie ihr bisheriger Begleiter sie beiseite zu schieben schien.
Langsam wanderte ihr Blick, den sie unbewusst starrend auf den Kapitän gerichtet hatte, zu dem Dunkelelfen zurück, der irgendwie... erleichtert wirkte? Das war es also gewesen? So hatte er das Ganze gesehen? Ein Zwang? Keine Gefühle von seiner Seite, die sie endlich erwidert hatte, sodass es zu ihrer Vereinigung gekommen war?
Ihre Miene wurde zuerst blass, ihre Augen glänzten einen Moment lang verräterisch. Dann allerdings ging ein Ruck durch sie und sie verschloss instinktiv jegliches Gefühl in ihr, das sie zu Tränen hätte rühren wollen. Ihr Gesichtsausdruck wurde kühl und distanziert, so aristokratisch, wie sie nur konnte, um ja niemandem einen Hinweis mehr darauf zu geben, wie sehr ihr gerade das Herz gebrochen wurde.
"Ich verstehe.", zischte sie leise in seine Richtung und erhob sich. Mit ihrem zurückgekehrten... oder besser gesagt, demonstrativ gezeigten Stolz ignorierte sie die dargebotene Hand des Burschen dabei.
Kerzengerade hielt sie sich und warf nur einen kurzen Blick über das Deck, um die Kapitänskajüte ausfindig machen zu können. Dann stolzierte sie, soweit der Wellengang es zuließ und so, als trüge sie eine elegante Robe und nicht dieses kratzende Ding am Leib, mit hocherhobenem Haupt dorthin und würde darin kommentarlos verschwinden, wenn sie niemand aufhielt.
Keiner, absolut keiner sollte mitbekommen, wie viel Kraft es sie gerade kostete, sich aufrecht zu halten und auch nur ein kleines Glied ihres Körpers zu rühren. Sie musste jetzt allein sein und hoffte inständig, dass sie die Tür hinter sich würde abschließen können. Verfluchte Mannsbilder!
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Erzähler » Samstag 13. August 2022, 13:19

Man sollte meinen, dass sich kein Lebewesen freiwillig in die Sklaverei begeben wollte. Jeder wünschte sich doch die Freiheit, über sein eigenes Handeln entscheiden zu dürfen. Jeder würde für diese Freiheit kämpfen und sich verbissen wehren, sollte man sie ihm nehmen wollen. So hielt es die Gesellschaft, aber Sklaven waren nie ein Teil davon, der seine Meinung kundgeben durfte. Hier ernstand das Problem. Die Vorstellung davon, dass ein Sklave erst gebrochen werden musste, um seinen Willen zu verlieren, war genauso falsch wie die Annahme, dass er sich stets nach Freiheit sehnte. Es existierten auch in die Sklavschaft Geborene. Sie kannten kein anderen Leben und vermissten es folglich auch nicht. Sie waren es gewohnt, keine Entscheidung treffen und keine Meinung haben zu dürfen. Sie lebten sich so sehr in diesen Zustand des niederen Lebewesens hinein, dass plötzlich geschenkte Freiheit Stress bedeutete. Allein die Möglichkeiten, die ihnen dann bevorstanden, überforderten sie. Freiheit ... machte Angst. Wer aber niemals mit diesem Gedankengut aufgewachsen war, konnte es nicht nachvollziehen und so blieb Madiha mit ihrer Erkenntnis über Corax allein. Dass ausgerechnet sie ihn nun in einem anderen Licht sah, war bemerkenswert. Ob es aber etwas an ihrer Haltung zu dem Elfen ändern würde, der nicht nur einen Teil der Crew auf dem Gewissen hatte, sondern auch versucht hatte, sie zu erwürgen, würde sich erst noch zeigen. Was sie jedoch sah, war ein aus der Sklavschaft seiner Herrin befreiter und somit verstoßener Mann, allein in einer Welt, die ihm zu Füßen lag und ihn zu verschlingen drohte. Natürlich griff er instinktiv dankend nach jedem Strohhalm, um dieser überwältigenden Freiheit zu entkommen. Selbst wenn es hieß, sich in Jakubs Hände zu begeben. Auch Madiha stand gewissermaßen in seinem Dienst. Sie war nicht seine Sklavin, hatte sich aber zu einer Art Knechtschaft als Schiffsjunge bereit erklärt und folgte demnach seiner Order. Im Gegenzug würde Jakub sie nicht über Bord werfen, wie er es bis eben noch mit Corax und seiner Herrin vorgehabt hatte. Dem neuen Kapitän der Blauen Möwe schien über die Möglichkeit eines anderen Urteils ebenfalls ein stein vom Herzen zu fallen. Seine inneren Konflikte bekam niemand mit, weil Jakub sie nicht nach außen trug. Das hieß aber nicht, dass er sie nicht besaß. Kapitän zu sein brachte auch Verantwortung mit sich und dass nicht alle Matrosen mit seiner neuen Entscheidung einverstanden waren, sah man in den teils grimmigen Gesichtern. Sie hatten Kameraden und Freunde verloren - durch einen Mann, der nun für ihren Kapitän ebenso arbeiten würde. Das mussten einige von ihnen erst einmal verdauen. Aber auch für das Wüstenkind gab es eine Nachricht, mit der sie plötzlich zu kämpfen hatte. Jakub teilte sie doch tatsächlich der rothaarigen Fremden zu, die sich nach wie vor divenhaft benahm. Ihren Worten nach galt sie sogar als eine besonders hochrangige Person. Vermutlich war ihre Unversehrtheit mehr wert als das gesamte Schiff, inklusive der Leben aller darauf Befindlichen! Und Jakub ignorierte es einfach!
"Alycide van Ikari, Vizevorsteher der Tuchhändler und Vorsteher der Warenkontrolleure von Andunie, um nur seine bedeutendsten Titel zu nennen!"
"Ich bezweifle, dass Alycide van Ikari noch immer den Pflichten nachgehen kann, die diese Titel mit sich bringen", erwiderte er schließlich, während er die Arme nun vor der Brust verschränkte. Dieser Mann ließ sich von keiner Adligen einschüchtern. Außerdem hielt er auch mit schlechten Nachrichten nicht hinter dem Berg. Jakub ging lieber direkt vor, was manche gern einmal als Kaltherzigkeit interpretierten. Dass er nicht vollkommen emotionslos in seinen Alltag schaute, wusste zumindest Madiha. Ihr gegenüber hatte er sich sogar mehr als einmal zuvorkommend verhalten - auf seine eigene Art und Weise zwar, aber sie war weder im eiskalten Meer gelandet, noch hatte er sich ihres Körpers bemächtigt. "Falls Ihr es noch nicht wisst, Andunie wurde von den dunklen Völkern eingenommen, ebenso wie die Wüstenstadt Sarma." Jakub antwortete Azura auf Celcianisch. Er mutmaßte wohl, dass sein falscher Schiffsjunge Garmisch nicht unbedingt verstand. Die übrige Mannschaft schien nämlich nicht einmal überrascht zu sein. Warum auch? Sie waren im Auftrag einiger Dunkelelfen von Sarma aus losgesegelt und ihr Ziel war von Beginn an die Handelstadt Andunie gewesen. Dass Azura den Angriff auf ihre Heimat mehr oder weniger miterlebt hatte, konnte Jakub nicht wissen. "Mit Glück darf Euer Alycide van Ikari als Knecht für Dunkelelfen dienen - wie wir. Und damit ist für mich diese Sache erledigt." Azura verlor hier, denn Jakub würde nicht um die Gunst einer Adligen buhlen, deren Wort in einer vom Feind regierten Stadt möglicherweise kaum noch Gewicht besa0. Er arbeitete zwangsläufig für diesen Feind, um sich und seine Männer am Leben zu halten. Entsprechend richtete er seine Entscheidungen so aus, den Dunklen nicht in die Quere zu kommen.
Azura musste sich geschlagen geben. Ohnehin gab es keine Möglichkeit zur Diskussion mehr, denn Corax rückte endlich mit ein paar Antworten heraus. Worte, die ihr Blut erneut zum Gefrieren brachten. Ob es nun die Informationen zu seinen mörderischen Pflichten waren, denen er bei ehemaligen Herrinnen eindeutig hatte nachgehen müssen oder ob es der Fakt zu sein schien, dass Corax sie sofort gegen einen neuen Herren austauschte, wusste nur sie selbst. Beides erschütterte sie und ließ einen Schmerz in ihrer Brust zurück, den sie nicht kannte. Liebeskummer war nichts, mit dem sich eine Azura van Ikari jemals hatte auseinandersetzen müssen. Nur eines war ihr sofort bewusst: Derlei Inimitäten besprach man unter vier Augen. So verlangte sie vom Kapitän, dem sie mehr Respekt entgegenbrachte als umgekehrt, um diesen Moment für sich und ihren Begleiter.
Jakub betrachtete das Mündel, das er sich nun selbst aufgebürdet hatte. Corax reagierte nicht. Er behielt den Kopf gesenkt und wartete darauf, dass man ihn entweder vom Mast band, dort sitzen ließ oder dass sein neuer Herr ihm Befehle erteilte. "Ich schicke ihn später zu Euch." Es war kein Angebot. Mehr würde Azura nicht herausschlagen können. Ohnehin sollte sie nun erst einmal in die Kabine des Kapitäns und ihr wachsender Herzschmerz lenkte sie beinahe automatisch dorthin. Sie brauchte nun einen Augenblick für sich allein. Schon ließ sie alle zurück, um mit dem kaschierten Stolz einer Hochgeborenen die Bühne des Decks zu verlassen. Enttäuschung, Zorn und Kummer waren ihr Gefolge. Madiha sollte die Vierte im Bunde sein. Es passte ihr ganz und gar nicht, dass Jakub sie Azura hinterher schickte, zumal die Adlige sich gerade in die Kabine begab und herausfand, dass man sie von innen abschließen könnte. Leider fehlte ihr der Schlüssel und wenn sie die Tür nicht verbarrikadieren wollte, würde sie unverschlossen bleiben. Einen einfachen Riegel gab es für die gehobene Pforte nicht.
Den Schlüssel dazu besaß Jakub. Er löste ihn gerade von seinem Hals, trug er ihn doch an einer Lederschnur darum, bislang ungesehen. Nun reichte er das glänzende Ding an Madiha weiter. Als er sich für die Übergabe zu ihr herab neigte, raunte er ihr mit gesenkter Stimme zu: "Vielleicht beruhigt sich ihr Gemüt, wenn sie eine Freundin an Bord gewinnen kann - ob es dir nun ernst damit wäre oder nicht." Durch die Blume hindurch gewährte Jakub ihr also die Erlaubnis, sich Azura zu offenbaren. Das war vielleicht keine schlechte Strategie. Unter Frauen konnten ganz eigene Bande geknüpft werden und auch Liebeskummer ließ sich leichter verarbeiten, vorausgesetzt natürlich sie würde Madiha vertrauen. "Außerdem brauche ich Auge und Ohr auf ihr. Sie war seine Herrin ... nicht mächtig genug für die Schreckenstat, wohl aber für deren Order. Ich lasse sie unter keinen Umständen mit ihrem einstigen Diener allein sprechen. Sie könnte ihn manipulieren und Rache nehmen wollen. Lass dich nicht von ihr abwimmeln. Ich schicke Corax nachher zu euch beiden. Falls der blinde Passagier von deinem Freund bis dahin wirklich eine Mahlzeit zubereitet hat, bringt er euch etwas. Geh jetzt. Ich hab mich um einen Sklaven zu kümmern." Jakub richtete sich wieder auf und wandte sich dem Mast zu. Höchstpersönlich begann er damit, die Taue zu lösen, die Corax gefesselt hielten.
Madiha war nun frei, Azura zur Kabine zu folgen. Falls die andunische Adelstochter sich darin bereits umgesehen hatte, würde sie feststellen, dass der verstorbene Kapitän der Blauen Möwe bei weitem nicht in dem Prunk lebte, den Kapitän Gilles in seiner Kajüte gehortet hatte. Hier war es aufgeräumt und viel zu schlicht, wie auf dem gesamten Schiff. In einer Glasvitrine, deren Türen gleich mehrfach durch Riegel gesichert waren, türmten sich Schriftrollen. Der deckenhohe Schrank daneben war geschlossen. Seine Geheimnisse bewahrte er, solange kein Neugieriger die Doppeltüren öffnete. Ansonsten fand sich statt eines gewaltigen Schreibtisches wie bei Gilles' Kabine hier nur ein schlichter, rechteckiger Holztisch, der von zwei an den Boden genagelten Bänken gesäumt wurde. Karten, ein Tintenfass und Metall-, sowie Holzbecher waren angesichts von Corax' Flutwelle vom Tisch gerollt. Das Tintenfass hatte den Aufprall nicht überlebt. Ein großer Fleck des schwarzblauen Inhalts trocknete bereits auf dem Holz. Und auch eine Flasche - vermutlich Rum - hatte es zerschlagen. Von den Scherben waren nur noch die großen Anteile zu sehen. Die kleineren mussten beim Wellengang an den Rand des Raumes oder unter die Vitrine gerutscht sein.
Ein Lehnstuhl vor den Heckfenstern, eine schwere Truhe und ein ebenfalls am Boden durch Nägel gesichertes Bett mit dunkelroten Vorhängen komplettierten das Bild. Interessanterweise waren die Bettlaken nicht mehr an ihrem Platz. An einen Balken und zu einem langen Seil geknotet hingen sie aus einem der offenen Fenster hinaus. Der einstige Kapitän war nicht durch die Welle über Bord geschleudert worden. Er hatte sich aus dem Staub gemacht!
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Madiha Al'Sarma
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Re: Unter Venthas Willkür

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Montag 15. August 2022, 00:19

Sich in einer Welt zurechtzufinden, die nicht seiner eigenen entsprach, war mehr als schwierig. Madiha kannte das. Corax kannte das. Und auch die Rothaarige schien derzeit nicht unbedingt in einem ihr bekannten Gewässer zu fahren. Selbst Jakub hatte plötzlich eine neue Position inne, die ihm schwierige Entscheidungen abverlangte. Umso schneller schien sich diese letzte Entscheidung auch zu ändern. Der mordende Krakenmann würde fortan also unter Jakub Tauwetter dienen? Madiha blieb nichts anderes, als verblüfft zu blinzeln. Die missmutigen Blicke einiger Mitglieder der verbliebenen Mannschaft, bekam sie gar nicht mit. Sie hielt diese Idee für äußerst gewagt, allerdings musste sie auch einsehen, dass Corax derzeit eher harmlos wirkte. So harmlos ein Mörder eben erscheinen konnte. Seine gebrochene Haltung wirkte seltsam vertraut und das löste in ihr eine verstehende Erkenntnis aus, die sie selbst erlebt und mitangesehen hatte. Doch darüber hinaus hegte sie kein ausreichendes Mitleid für den Mann, als dass sie ihm vergessen könnte, dass er für ihre Schmerzen am Hals verantwortlich war. Zu sehr sah sie die hasserfüllten Augen, spürte den Druck gegen ihren Kehlkopf, der unter der Heftigkeit brechen wollte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken, bis die Rothaarige in einer Sprache sprach, die sie nicht verstehen konnte. Ihre Augen ruhten auf ihr und die Haltung der am Boden sitzenden verriet Madiha dennoch einiges. Jakub war es, der in Celcianisch weitersprach und Madiha legte ihren Blick auf ihn. Seine Worte ergaben für sie keinen wirklichen Sinn, doch er war noch gar nicht fertig mit seiner Ansage. Andunie? War das nicht Caleb’s Heimat? Und Ilmy… sie kam auch von dort, wenn sie sich richtig erinnerte. Madiha wurde flau in der Magengegend. Die Information, die der Kapitän mitteilte, erschütterten zumindest das Wüstenkind. Sie wusste gar nicht wieso, denn sie hatte den Angriff auf Sarma in Teilen erlebt. Doch irgendwie war ihr bisher nicht wirklich bewusst geworden, dass nicht nur Sarma betroffen war. Himmel, woher auch? Madiha hatte bis vor kurzen nicht mehr von anderen Städten und Orten gehört als ihre Freier aus fernen Gegenden ihr in fremden Sprachen erzählt hatten. Madiha wusste überhaupt nichts von Geografie oder dem, was sich im gesamten Land – auf der gesamten Welt – abspielte. Ihr Kosmos war unsagbar klein und trotzdem berührte es sie, als Jakub davon sprach. Ob Caleb darüber Bescheid wusste? Und Sarma… Es waren gemischte Gefühle, die Madiha bei der Nachricht über den Fall ereilten. Zum einen war sie erleichtert, aus der Drecksstadt entkommen zu sein. Aber Sarma war auch ihr zu Hause. Es war ihre Heimat, ihre Wurzeln und zu wissen, dass diese Heimat nun ebenso nicht mehr existierte, wie ihr gesamtes bisherige Leben… Madiha schluckte trocken und schlug für einen Moment die Augen nieder. Würden Dunia und Ilmy sicher sein können? Madiha’s Blick ging auf das offene Meer hinaus. Nicht, dass sie sich hätte orientieren können und vermutlich sah sie in die falsche Richtung, doch das machte nichts. Es war wie ein stummer Abschied, den sie nur für sich machte. Würde sie Sarma je wiedersehen? Wollte sie das denn? Die Frage blieb unbeantwortet, als Jakub Madiha plötzlich zum Aufpasser-Dienst einteilte.

Sofort war sie mit ihrer Aufmerksamkeit wieder bei ihm und konnte nicht glauben, dass er das tat. Das letzte Mal, als sie auf die Adelige aufpassen sollte, wäre sie fast gestorben! Dementsprechend missmutig fiel ihre Reaktion aus. Stur und steif sah sie auf die andere hinab, bis sie sich doch ein Herz fasste und ihr die Hand entgegenstreckte. Allerdings hatte die Schöne keinen Bedarf an ihrer Hilfe, sodass sie ihre Hand ausschlug und sich aufrappelte. Angespannt machte Madiha ihr Platz, als sie ihr nachsah und durchaus dafür Anerkennung aufbrachte, wie akkurat sie doch bei Wellengang und in einen Kartoffelsack gekleidet laufen konnte. Jakub trat näher zu ihr, sodass das Mädchen ihren Kopf wandte, um ihn anzusehen. Sie betrachtete den Schlüssel in seiner Hand und hob den Blick, als er ihr zuraunte. Seine Worte machten sie nachdenklich und sie musterte erst ihn, dann warf sie einen Blick zurück zur Tür, hinter der sie verschwunden war. „Freunde…“, wiederholte Madiha zweifelnd und blinzelte kurz. Sie und Freundschaften schließen? Wie denn? Madiha war sicherlich nicht die richtige Wahl dafür, doch verstand sie was Jakub ihr damit sagen wollte. „Ich verspreche gar nichts…“, meinte sie mürrisch, griff aber den Schlüssel und wollte ihn Jakub abnehmen. Als er auf Caleb zu sprechen kam, sah sie betreten zu Boden. „Ich wusste nicht, dass er… Er…“, sie stockte und zuckte die Schultern. Spielte das denn noch eine Rolle? Sie waren alle gemeinsam hier gefangen und mussten zusehen, wie das Schiff zum Hafen kam. Und da war es unwichtig, wie Caleb an Bord gelangte, ob sie davon gewusst hatte oder nicht und in welcher Verbindung sie zueinanderstanden. Trotzdem hatte Madiha das irrige Gefühl, sich bei Jakub entschuldigen zu müssen. „Wir wollten nie Ärger machen. Wir wollten nur aus Sarma weg.“, murmelte sie krächzend in seine Richtung und hängte sich den Schlüssen nun selbst um den Hals. Madiha sah noch kurz, wie Jakub sich daran machte, Corax vom Mast zu befreien. Sobald die erste Fessel fiel, war das allerdings der Moment, wo Madiha lieber das Weite suchte. Sie wollte nicht in der Nähe des Dunkelelfen sein, wenn er erstmal frei wäre. Also folgte Madiha der stolzen Frau und eilte unter Deck. Hier gewöhnten sich ihre Augen vorerst an die Dunkelheit und den Schlüssel versteckte sie, ebenso wie Jakub, unter ihrem viel zu großem Hemd. Erst dann öffnete sie, nach leisem Klopfen, die Tür zur Kajüte des Kapitäns und trat ein. Ihr Blick fiel auf die Einrichtung, die sie nicht sonderlich beachtete. Sie hatte keine Ahnung wie solche Kajüten auszusehen hatten oder nicht, sodass ihr auch nicht die vielleicht kargere Ausstattung aufgefallen wäre. Doch was ihr auffiel, war das Laken. Es spannte sich vom Bett bis zum Fenster. Erstaunt öffnete Madiha den Mund und blinzelte überraschte. Sie vergaß, dass sie die Fremde hofieren sollte und trat zum Fenster. „Wo… wohin… ist er… denn… verschwunden?“, krächzte sie erneut und hustete schmerzhaft. Madiha versuchte einen Blick aus dem Fenster zu erhaschen und sah das Meer. „Ist er… geschwommen?“, fragte sie halbernst und drehte sich zu der anderen im Raum um. Es war zwar ehrliche Überraschung, die da aus ihr sprach, aber auch Unwissen, wohin jemand von einem Schiff fliehen würde.
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