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von Erzähler » Sonntag 3. März 2013, 16:01
Die heiße Suppe spendete der vom Regen und der langen Wanderung erschöpften Halbelfe Löffel für Löffel mehr Kraft, füllte ihren Magen und sättigte sie mehr, als man es bei einer einfachen Kräutersuppe für möglich hielt. Natürlich vermisste sie als Jägerin den Geschmack von Fleisch - auch wenn es nur ein paar Streifen waren - doch die elfische Küche kannte offensichtlich auch einige köstliche Gerichte, die ganz ohne den ihr so gewohnten Geschmack auskamen. Trotzdem... zur Vegetarierin würde sie bestimmt nicht werden. Hier liefen doch genug Elfen mit Bögen herum und an den Lagerfeuern hatte sie an manchen Spieß gesehen - irgendwo würde sich bestimmt ein Stück Braten auftreiben lassen.
Die rothaarige Elfe quittierte Sya's Versprechen mit einem warmen Lächeln. "Das ehrt dich. Und auch, wenn es bei manchen nicht den Anschein hat, sind wir dir sehr dankbar dafür Tsyalia. Wir... sind keine Hilfe von Außenstehenden gewöhnt. Bisher haben wir unsere Probleme immer untereinander gelöst. Doch jetzt... jetzt ist alles anders. Wir brauchen wirklich jede Hilfe, die uns angeboten werden kann..." Bitternis stahl sich in das so hübsche Gesicht der Elfe. Es grub nicht so tiefe Falten wie bei Feoden, vielmehr nahm das helle Glitzern in den Augen Mayleas, dass Sya so sehr in den Bann zog ab, bis es beinahe erlosch. Dann funkelte es jedoch wieder auf als sie hinzufügte. "Ich bin aber froh, dass sie von dir kommt. Schließlich ist das hier irgendwie auch deine Heimat. Ist es nicht so?" Dann schwieg sie wieder für eine Weile.
Maylea kraulte das Puschel - das Eon-Junges wie sie und Feoden es genannt hatten - belustigt hinter den Ohren während dieses weiterhin mit scheinbar immensen Appetit die Brühe verschlang. Entweder schien es von der Suppe abgelenkt zu sein oder die Streicheleinheiten der Elfe schienen ihm zu gefallen. So sehr, das ein leises -wegen der Flüssigkeit in seiner Kehle - leicht glucksendes Schnurren ertönte. "Eons sind meist scheu und meiden Menschen und Elfen. Ihr Fell ist leider bei vielen Händlern gefragt... kannst du dir vorstellen, dass sich manche Adelige in Jorsa und Grandessa Schals und Schärpen daraus machen wollen? Aus diesem lieben kleinen Kerlchen?" Die Entrüstung in ihrer Stimme wahr nicht zu überhören. "Nur Jungtiere suchen ab und zu die Nähe von Zweibeinern. Unbeabsichtigt oder weil sie es nicht besser wissen. Meistens haben sie ihr Muttertier verloren und haben sich dann verirrt, sodass sie nicht mehr in den Bau zurückfinden..." Der Schweif des Katzenwesens schwang wohlig hin und her und strich ab und zu an Sya's Arm. "Wenn wir auf eines stoßen versuchen wir sie wieder zurückzubringen, was aber leider nicht immer gelingt. Dann nehmen wir sie mit ins Dorf und geben sie unseren Kindern. Für ein heranwachsendes Leben ist es wichtig möglichst früh zu lernen was es heißt, Verantwortung zu übernehmen." Die Elfe lächelte und ließ von dem Puschel ab, sah ihm aber noch weiterhin beim Fressen zu. "Sie wachsen einem ziemlich schnell ins Herz und wenn sie einen einmal akzeptiert haben, bleiben sie bis an ihr Lebensende bei einem." Sie sah Tsyalia in die Augen. "Ich sehe, dass es auch bei euch beiden so ist. Kümmere dich gut um das kleine Ding und du kannst dir keinen besseren Freund wünschen." Maylea zwinkerte und schüttete dem Puschel noch einen weiteren Löffel in die Schüssel vor ihm. "Mach dir keine Sorge wegen dem Essen, Eons sind nicht besonders wählerisch. Unser Exemplar hier ist noch sehr jung, weshalb es bei den meisten Dingen noch sehr wählerisch ist." Sie lachte " Aber du siehst ja, wie schnell es gehen kann. Lass es einfach so viel wie möglich probieren, du siehst wie es darauf reagiert. An sich sind sie ja Fleischfresser, aber anfangs würde ich ihn eher flüssig ernähren... vielleicht ab und zu auch ein paar Beeren und Wurzeln... wie er eben darauf anspricht. Warte einmal..." Die hübsche Elfe erhob sich und ging zu ihrer Tasche im Zelteck, die sie öffnete und etwas darin herumkramte. Kurz darauf beförderte sie eine hölzerne Flasche zum Vorschein, die vorne eine Art Noppe mit einem kleinen Loch hatte. Sie streckte sie der Elfe hin. "Da ist Milch drin, eines unserer Tiere hat gerade Junge geworfen. Gib ihm immer ein bisschen davon, damit es sich nicht zu schnell umgewöhnen muss. Schließlich soll es ja groß und stark werden..." Die Elfe zwinkerte "Obwohl sie doch so süß sind, wenn sie noch klein sind..." Zumindest was das Puschel betraf, schien Tsyalia in der Elfe eine verwandte Seele gefunden zu haben. "Schon einmal über einen Namen für IHN nachgedacht?" Maylea schien zu wissen, dass sich die Halbelfe da etwas unsicher gewesen war. Auch kein Wunder, ein solches Wesen war ihr zuvor nie untergekommen. Zumindest jetzt hatte sie Klarheit.
"Und was deine Wunde angeht..." Maylea nahm die leeren Schüsseln von Tsyalia und dem Eon-Männchen - nicht ohne ihm noch einmal über den kleinen Kopf zu streicheln - und stellte sie neben das Feuer zu einer weiteren, vermutlich von ihr benutzten. "...da wird sich Vaendrik darum kümmern. Ihm haben wir auch die köstliche Suppe zu verdanken, dem Guten. Wenn es um Kräuter, Salben und Tinkturen geht ist er einfach der beste..." Die Elfe sah noch einmal auf ihre Wunde und nickte dann, scheinbar um sich selbst zu vergewissern dass es sich nicht um etwas ernstes, sondern nur um einen größeren Kratzer handelte. "Das kriegt er im Nu wieder hin. Tut mir Leid, dass ich das nicht früher bemerkt habe" Sie wirkte zerknirscht. "Feo hätte mir ja auch etwas sagen können. Aber er war vermutlich wieder in Gedanken wo anders..."
Die Elfe in Grün wollte bereits wieder den Mund öffnen und Tsyalia vermutlich in die Pläne der Elfen einweihen. Schließlich war die junge Jägerin nun ein Teil davon, eine Mitstreiterin gegen die Dunkelelfen und Verbündete im Kampf. Vielleicht wollte Maylea Sya ja einem Trupp Elfen zuteilen, die gegen Morgeria, die Stadt der Dunkelelfen marschiere sollten. Doch Nein, das war ein kindischer Gedanke. Trotzdem lag da eine gewisse Anspannung in der Luft. Sie war wegen einem Abenteuer aufgebrochen - und nun lag es direkt vor ihr. Wie es sich zeigen und wie es verlaufen würde war noch ungewiss. Doch es begann, hier und in diesem Moment.
Aber ihr Gegenüber merkte, dass ihr eine Frage auf der Seele brannte. Natürlich wusste sie welche es war. Deshalb schwieg sie, wartete darauf, dass die Jägerin sie stellen würde. Sie spürte, dass es keinen Sinn hatte vorher mit etwas anderem zu beginnen bevor diese Sache geklärt wäre, auf die eine oder andere Art und Weise.
"Natürlich hast du ein Anrecht darauf. Ich verstehe dich Tsyalia... voll und ganz, sei dir da sicher. Aber dein Vater... hat er dir nie über seine Zeit im Neldoreth erzählt? Hat er nie etwas erwähnt was vor dir und deiner Mutter war?" Die Elfe sah sie mitleidig an und es war deutlich zu erkennen, dass sie ihr gerne geholfen hätte. "Nur wenige hier entschließen sich, ihrer Heimat den Rücken zuzukehren. Die Verbindung zum Wald und unter den Elfen ist sehr stark, stärker als bei den Menschen und allen anderen Rassen. Dennoch kommt es vor, dass sich manche aufmachen die Welt hinter den Bäumen zu erkunden. Und einige bleiben dort, gründen Familien, lernen ein Handwerk..." Maylea sah in Tsyalias Augen. "Dein Vater ging nicht deswegen. Ich kannte Tael gut, schon als er ein Kind war. Mich würde es nicht wundern wenn er heute noch genau so abenteuerlustig ist wie damals, als ich auf ihn aufgepasst habe und er von mir Geschichten über die große, weite Welt hören wollte. Wahrscheinlich hat er auf seinen Reisen auch das erlebt, wovon er schon damals geträumt hatte. Doch deswegen ging er nicht..." Die Elfe schüttelte leicht den Kopf und hob eine Hand. "Bitte. Frag mich nicht weiter. Als dein Vater ging, wandte er sich ein letztes Mal an den Rat der Familien. Zu dieser Zeit waren es zwölf Elfen, ich war eine davon. Er hat uns seine Gründe genannt und uns gebeten ihm einen letzten Wunsch zu erfüllen, seine letzte Bitte als Neldoreth-Elf, sagte er." Mayleas Augen blickten gedankenverloren in die Sya's. "Als er ging, wusste nur der Rat davon. Es war sein Wille, dass seine Abreise im geheimen geschah. Der Rat stimmte zu und versprach, dass kein Wort über die Sitzung jener Nacht und die letzte Bitte Tael Laszetaseu's erwähnt werden sollte." Sie atmete schwer. "Selbst heute noch, mehrere Jahrzehnte nach der Nacht in dem dein Vater aufbrach, wissen die Elfen des Neldoreth nichts darüber. Natürlich, nach wie vor kursieren Vermutungen und Gerüchte zischen den Elfen... viele davon gehen sogar in die richtige Richtung und entsprechen doch nicht ganz der Wahrheit." Die Elfe schwieg für einen Moment, dann suchte sie wieder Tsyalias Blick. "Ich kann dir nicht sagen warum dein Vater ging, genau so wenig was in jener Nacht im Rat beschlossen wurde. Mein Versprechen an Tael gilt noch immer und obwohl du seine Tochter bist, kann ich keine Ausnahme machen und es einfach brechen." Sie sah zu Boden, bedauern lag in ihrem Blick. "Verzeih mir Tsyalia. Aber ich kann dir nicht helfen..."
