Auf eigenen Beinen

Obwohl Sarma eine Wüstenstadt ist, besitzt sie einen florierenden Hafen. Reisende und Händler aus Andunie laufen hier mit ihren Schiffen ein und aus. Selten ist im Hafen nichts los.
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Re: Auf eigenen Beinen

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. April 2022, 03:05

Seine Stimme kündigte ihn an, noch ehe es die schweren Schritte taten. Obgleich Jakub Tauwetter nur ein Paar alte Lederstiefel trug - allerdings mehr als gut verschnürt! - so verursachte er mit jedem Tritt auf den Holzplanken des Schiffes ein so kraftvolles Geräusch als trüge er eine Vollplatte. Es klirrte nicht. Stattdessen hinterließ er das unheilvolle Donnern eines herannahenden Sturmes in Madihas Herzschlägen. Sie passten sich dem Rhythmus seiner Schritte an und doch schlug ihre Pumpe bis zum Hals. Wenn der Erste Maat Caleb entdecken würde, erhielt er gewiss einen Sprung ins eiskalte Nass der See. Bei Madiha hatte er schon nicht lange fackeln wollen. Oh und wenn er nun entdeckte, dass sie gar kein Schiffsjunge war? Glücklicherweise saß die speckige Kappe fest auf ihrem Kopf und verbarg das krause Haar gerade so. Jetzt musste nur noch eine Ablenkung her, damit der verräterische Dieb nicht gefunden würde. Caleb drückte sich seinerseits so dicht er konnte gegen die Bordwand und hinein in die Schatten. Er atmete flach, in kleinen Zügen, damit nicht einmal die Bewegung seines Brustkorbs Aufmerksamkeit erregte. Die Augen hatte er zu Schlitzen verengt. Es reichte gerade noch, um selbst etwas zu sehen und verhinderte zugleich, dass man ihn anhand seiner weißen Augäpfel in der Dunkelheit sah. Viele Sarmaer kaschierten diese Natürlichkeit, indem sie sich ihre Augen mit Kayal umrahmten - auch oder vor allem die Männer. Das hatte nichts mit selbstverliebten Schönheitsidealen zu tun. Es brachte viele Vorteile. Bei einem Wüstensturm verhinderte die Schminke, dass Sandkörner in den Augenwinkeln oder an den Wimpern kleben blieben. Nur die Edelhuren und Konkubinen der Sultane sahen darüber hinaus einen ästhetischen Nutzen. Madiha hatte sich nie geschminkt. Ob aus Pragmatismus oder weil sie nie die Gelegenheit erhalten hatte, blieb dabei ungeklärt. Jetzt war es gut, dass sie ihre Augen nicht noch zusätzlich betonte. Sie hatte ohnehin das Gefühl, dass Jakub Tauwetter mit nur einem Konterblick ihre Tarnung durchschauen könnte. Er schaute immer so streng drein, als analysierte er sie genau. Er wartete nur auf einen Fehler, um sie erneut am Kragen packen und dann zu den Haien über Bord zu werfen. Mit etwas Glück würde sie gefressen ehe die eisige Kälte der Ozeane ihren Körper taub werden ließ, so dass sie keine Gelegenheit zum Überlebenskampf mehr hätte, wenn sie in die Tiefe glitt und langsam ertrank. Ein schauriger Tod, den niemand verdiente. Aber vielleicht war das Glück mit ihr. Sie entschied sich, es an der Wurzel zu packen, indem sie nach ihrem Rucksack packte und die Flucht nach vorn wagte.
Beinahe wäre Madiha direkt gegen Jakub gelaufen. Er stand so plötzlich vor ihr, eine aufragende Wand aus Muskeln und diesem durchdringenden Blick. Die Enden seines Halstuches fielen auf die vom Hemd unverhüllte, unbehaarte Brust und legten sich wie eine breite Blutlinie darauf. Ob Schweiß treibende Arbeit oder die Gischt sein Hemd fleckig gemacht hatte, konnte Madiha nicht für sich beantworten. Sie nahm zwar Jakubs Geruch wahr, doch die leichte Schweißnote darin war nicht unangenehm. Vielmehr besaß sie dieses kernig Männliche, von dem so viele Frauen oftmals schwärmten. Herb und salzig hing Jakubs Aroma kurz in der Luft, ehe er sie mit seiner Stimme und einem erneut strengen Blick aus den eisblauen Augen durchbrach: "Dir ist übel, aber statt dich hinzulegen findest du noch genug Kraft, dein Hab und Gut zu suchen? Hrmmm." Er brummte ein wenig zu grimmig auf. Jakub schöpfte definitiv Verdacht. Seine Augen glitten über Madiha hinweg in die Dunkelheit, aber falls er Caleb wirklich entdeckt hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Stattdessen legte sich sein Fokus wieder auf Madiha. Anschließend folgte seine rechte Pranke, die er seinem mutmaßlichen Schiffsburschen schwer auf die Schulter fallen ließ. "Du kannst es ruhig zugeben", forderte er und gab Madiha Raum für eine Reaktion. Die Welt schien in diesem Moment still zu stehen. Weder das Rauschen der Wellen, noch das Knarren des Schiffes erreichten die Ohren des Mädchens. Nicht einmal ihren eigenen Atem konnte sie vernehmen. Vielleicht hielt sie aber auch die Luft an. Und ihr Herz? Hatte es aufgehört zu schlagen? Dann sprach Jakub erneut: "Bei meiner ersten Seereise ist mir von den Hängematten auch nur noch übler geworden. Man muss sich eben erst einmal daran gewöhnen, dass auf einem Schiff einfach alles schaukelt." Hätte er mehr Freundlichkeit in seine Stimme gelegt, hätten die Worte durchaus etwas Scherzhaftes besessen. So aber bildeten sie den einzig trockenen Fleck im Umkreis von Meilen.
Die Hand des Ersten Maats legte sich enger um Madihas Schulter. Es schmerzte, als er sie kraftvoll drückte und dann mit Bestimmtheit in eine Richtung dirigierte. Dem Mädchen blieb gar nichts Anderes übrig, als der stillen Forderung zu folgen. Jakub schob sie nun vor sich her. Er sagte nichts mehr, was Grund zur Sorge gab. Dieser Mann war so schwer zu durchschauen wie die Tiefe der See und mindestens so gefährlich, weil man durch diese Unberechenbarkeit absolut keinen Eindruck von ihm erhalten konnte. Was würde nun geschehen?
Zunächst einmal konnte Madiha wenigstens für sich verbuchen, dass Caleb wohl doch nicht entdeckt worden war. Der Dieb war nun wieder auf sich allein gestellt. Das Mädchen hatte keine Gelegenheit, sich überhaupt nochmal nach ihm umzusehen, geschweige denn ihm irgendein Zeichen zu geben. Jakub führte sie wieder hinaus aus dem Laderaum, vorbei an der Kombüse. Der Duft von einem stark verzwiebelten Eintopf drang so stechend in die Nase, dass es Tränen in die Augen treiben konnte.
"Heute Nacht können wir mit den Winden der Mannschaft in den Segeln fahren", kommentierte Jakub. Er sollte mehr Schalk in seine Tonlage fügen, damit seine Scherze nicht wie ein grimmiger Vorwurf klangen. Fischauge lugte aus der Kombüse und grinste. Er kannte den Humor des Ersten Maats bereits, fühlte sich keineswegs angegriffen und winkte beiden Vorbeiziehenden mit einem Kochlöffel zu.
"Schüsseln?", fragte er noch, aber Jakub schüttelte im Laufen den Kopf. "Unser Schiffsjunge ist seekrank, der isst lieber erstmal nichts."
"Aye", erwiderte Fischauge und jetzt wirkte er etwas bedrückt. Doch es war zu spät, um weitere Worte mit ihm zu wechseln. Jakub blieb vor der Kabinentür stehen, die nebst der Kombüse noch vorzufinden gewesen war. Mit einem schweren Eisenschlüssel aus seiner Hosentasche öffnete er und schob Madiha ungebremst ins Innere.
Viel gab es in der Kammer nicht zu sehen. Sie war sehr klein und jeder mit Klaustrophobie würde auch bei offener Tür sofort eine erstickende Enge verspüren. Ein halb zugezogener Vorhang verbarg die Koje des Bewohners nur zum Teil. Das Bett in der Nische aber war restlos hergerichtet, wenngleich es lediglich aus einer schlichten Matte, Decke und einem länglichen, viel zu hart erscheinenden Kissen bestand. Keine Samtüberzüge wie in den Herrenhäusern aus Madihas altem Leben. Keine Quasten und Troddel an den Kissen, keine verzierte Bettwäsche. Gegenüber von der Schlafnische fand sich ein Wandschrank oder war es eine Schrankwand? Die gesamte Gegenseite bestand aus Holz mit gut verriegelten Türen. Was immer sich im Inneren befand, nicht einmal ein Sturm würde es hinausschleudern können. Vermutlich fanden sich dort aber nur Kleidungsstücke. Die Doppeltüren machten nicht den Eindruck, dass sich dahinter eine zweite Kammer verbarg. Unterhalb eines runden Fensters, das dringend von einer Salzschicht befreit werden musste, damit man es wieder ordnungsgemäß nutzen könnte, hatte jemand einen quadratischen Tisch und einen Hocker abgestellt. Beides war mit den Bodenplanken vernagelt, ebenso wie die kleine Schatulle auf dem Tisch selbst. Sie besaß Schubfächer, die allesamt durch winzige Holzriegel das Innere daran hinderten bei zu hohem Seegang herauszufallen. Damit endete die Sondierung des Raumes auch schon. Langweilige Schlichtheit und doch besaß die enge Kammer ihren ganz eigenen Charme.
Jakub schob Madiha auf die Nische zu. "Lass deinen Seesack erst einmal neben der Koje auf dem Boden liegen. Ich finde Stauraum im Wandschrank, sobald du schläfst." Er nickte Richtung Bett. "Aye, ruh dich aus. Dein Magen wird es dir danken. In den Laken schaukelt es tatsächlich weniger." Er zögerte, blickte zur Tür und schloss sie dann von innen. "Ich hab noch Arbeit zu erledigen. Du gewöhnst dich schon noch daran in den zwei bis drei Wochen Seefahrt." Er musterte Madiha mit seinem durchdringenden Blick. Eine Spur Nachdenklichkeit lag darin. Dann entschied er: "Du schläfst die Reise über hier. Bei der nächsten Reise kannst du dich dann an den Hängematten versuchen."
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Re: Auf eigenen Beinen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Freitag 29. April 2022, 00:50

Während die schweren Schritte Jakub’s den Takt ihres Herzens bestimmten, malte sich Madiha so einige Szenarien aus, wie er sie mit Caleb erwischte. Und diese Gedanken führten das Mädchen unweigerlich zum Ausgang dieser Entdeckung. Madiha sah kein Land für sich, sollte Jakub herausfinden wer und was sie war und vor allem, dass sie einem Dieb gerade die Hand über den Kopf hielt. Das Mädchen schaffte es gerade noch so, dass sie die müffelnde Kappe auf ihre lange Mähne presste und vor seinen Augen verbarg, dass sie jemand vollkommen anderes war. Schon stand der erste Maat wie ein aus dem Boden geschossener Baum vor ihr, sodass sie zurückprallte, als wäre sie gegen ihn gelaufen. Sie hielt den Atem an, während ihre Augen unweigerlich am fleckigen Hemd hängen blieben. Sie war so nah und wagte es einfach nicht, den Kopf zu heben, sodass sie mit dieser Aussicht Vorlieb nehmen musste. Die Sarmaerin brauchte Sekunden, um sich wieder rühren zu können. In ihren Ohren rauschte es, ihr Herz pumpte definitiv zu schnell, sie spürte einen Kopfschmerz aufkommen. Dann rebellierte ihre Lunge, sodass sie leicht die Lippen öffnete, um den dringend benötigten Sauerstoff einfließen zu lassen.
Hierbei fiel ihr der eigene Geruch von Jakub auf. Seltsamer Weise hatte sie nicht das Bedürfnis sich erbrechen zu wollen, denn wenn sie es Recht überlegte, roch er nicht mal unangenehm. Lediglich seine Präsenz drückte auf ihr Gemüt und zwang ihre Beine in eine wackelige Haltung. Als seine Stimme erklang, stachen seine Worte wie messerscharfe Klingen in sie und plötzlich wurde Madiha seltsam ruhig. Das Rauschen ebbte ab, wurde abgelöst durch ein penetrantes Klingeln in ihren Ohren. Langsam hob sie den Kopf, um Jakub bei seiner misstrauischen Feststellung anzusehen. Hatte er sie nun entlarvt? Dann landete seine Pranke auf ihrer Schulter und entlockte ihr ein leises Ächzen. Sie sammelte sich schnell wieder und versuchte gegen das Gewicht zu arbeiten. Ihren Blick behielt sie bei, alles andere wäre wohl nur alarmierender gewesen. Es folgte etwas, was Madiha nicht einschätzen konnte. "Du kannst es ruhig zugeben" – rumms. Ihr Herz setzte aus, nicht nur einen Wimpernschlag, sondern gefühlte Ewigkeiten. Ihr graublauer Blick suchte in seinem Ausdruck den Funken der Erkenntnis. Das Aufflammen von Zorn, weil er Bescheid wusste. Ihre Lippen wurden trocken und sie versuchte sie mit ihrer Zunge zu befeuchten – vergebens. Sie fand gerade so viel Antrieb, dass sie etwas hustete, als er weitersprach. "Bei meiner ersten Seereise ist mir von den Hängematten auch nur noch übler geworden. Man muss sich eben erst einmal daran gewöhnen, dass auf einem Schiff einfach alles schaukelt." Sie entließ ihren gestauten Atem und spürte, wie ihr die Beine bleiern wurden. Jakubs Hand krallte sich unangenehm in ihre Schulter und sie verzog minimal das Gesicht. Schwitzte sie eigentlich? Sie hatte das Gefühl, dass sich ihr Schweiß mit dem undefinierten Gemisch auf der Mütze mischte. Ob der Vorbesitzer in eben solchen Situationen gewesen war? Ihre Gedanken halfen ihr derzeit nicht wirklich, denn sie trieben ab, wie ein verirrtes Strandgut auf der offenen See. Ja, so fühlte sie sich, nur dass sie nicht gelassen auf der Oberfläche trieb, sondern vielmehr strampelte, um sich nur irgendwie möglich über Wasser zu halten.

Wenn Jakub sie nicht festgehalten hätte, wäre sie vermutlich bei den nächsten Schritten einfach der Länge nach hingeschlagen. So jedoch dirigierte er sie wie eine Puppe mühelos nach seinem Willen und Madiha folgte ihm, ohne Aussicht auf eigene Initiative. Offenbar hatte der erste Maat den Dieb nicht entdeckt, doch was hätte sie auch tun können? Madiha war selbst ausgeliefert und hatte nicht mal eine Sekunde Zeit darüber nachzudenken, was aus Caleb wurde. Sie folgte dem schmerzhaften Griff des Seemanns und nach der lähmenden Angst, sprudelten plötzlich ihre Gedanken wild durcheinander. Ihr Atem beschleunigte sich abermals etwas, denn sie konnte fühlen, wie sich ihre Anspannung erneut aufbaute. War das jetzt ihr Gang zu den Planken? Würde Caleb sich zu erkennen geben, wenn sie nun der Tod durch Ertrinken ereilte? Würde er für sie seine Tarnung aufgeben? Zweifel. Berechtigte Zweifel keimten in ihr, doch der beißende Geruch von Zwiebelsuppe klärte diese Gedanken wieder. Madiha zwang sich nicht darüber nachzudenken. Sie hatte es dem Dieb noch vor wenigen Augenblicken unmissverständlich gesagt: Er brauchte sie nicht ständig zu retten. Und diesem Grundsatz wollte sie folgen. Die Worte Jakub’s entgingen ihr ein wenig in ihrer eigenen Gedankenwelt, doch plötzlich drang der Sinn in ihren Verstand und sie musste tatsächlich plötzlich schmunzeln. Madiha befand sich in einer seltsamen Situation und ihr Körper machte was er wollte und ihre Emotionen reagierten unangemessen. Trotzdem empfand sie es als witzig, was ihr aber wieder verging, als sie an Fischauge vorbeigingen und ihren Weg ins Ungewisse fortsetzten. Alles aus dem Mund des Hünen klang wie eine unheilvolle Drohung, als zeichnete er einen Weg, der ihr unausweichliches Ende bedeutete.
Madiha verlor die Belustigung über seinen brummigen Witz und Blässe kehrte zurück in ihr Gesicht. Der Moment an der Tür, ließ sie dann aber doch stutzen. Er führte sie ja gar nicht weiter hinauf an Deck. Was er wohl vor hatte? Kurz darauf, übertrat sie die Schwelle zu einem kleinen Raum. Als würden ihre Augen dankbar die Ablenkung ihrer Gedanken übernehmen, huschten sie in der Kammer umher. Sie fielen als aller erstes auf die Nische und das hergerichtete Bett. Ihr fiel die Ordnung darin auf, während sie allerdings keine der kitschigen Schmuckstücke vermisste, die sie sonst so kannte. Die Schlichtheit gefiel ihr irgendwie. Das Fenster bot einen leicht verhangenen Ausblick und sie erinnerte sich, als ob sie es vergessen hätte, wo sie sich eigentlich befand. Rings um sie herum nur das offene Meer. Kam die Beklemmung jetzt daher oder lag das an der Tatsache, dass Jakub soeben gerade die Tür geschlossen hatte?
Madiha trat einen Schritt beiseite und stieß mit ihrem Rucksack gegen die Bettnische. Sie zuckte zurück, prallte dann aber gegen die Tischkante. Das Mädchen blieb stehen, als wären ihr gerade Wurzeln gewachsen und sie beobachtete Jakubs Bewegungen. Seine Worte ließen sie aufhorchen. Sie sollte… sie sollte hier?! Ihr Blick glitt zum Bett. Unsicherheit konnte sie nicht verbergen, als sie den Blick zurück zu Jakub schweifen ließ. Das war auf so vielen Ebenen ein Problem und Madiha wusste überhaupt nicht damit umzugehen. Würde er denn hierbleiben? Offenbar, sonst hätte er die Tür nicht geschlossen. Sie krallte ihre Finger in den Riemen ihres Rucksackes. Sie hatte bisher noch gar nicht hineingesehen, fiel ihr am Rande auf. Dann kehrte ihre zum Zerreißen gespannte Aufmerksamkeit zu Jakub zurück. „Wo..?“, weiter kam sie nicht. Madiha räusperte sich und senkte den Blick. „Das…“, sie stockte und versuchte krampfhaft die Kehle zu befeuchten, „…ist nicht nötig, ich… ich kann in den Hängematten schlafen, ich bin sicher, dass sich die Übelkeit bald geben wird, wirklich, es macht mir nichts aus, ich meine, wo schläfst du denn, du ... also ich will da wirklich keine Umstände bereiten!“, stotterte sie und plapperte mit einem Mal ohne Pause. Als hätte sich ein Knoten gelöst. Leider schaffte sie es gar nicht die ganze Zeit über die Stimme so tief klingen zu lassen, wie sie es bereits getan hatte. Auch wenn sie nicht in ihrer normalen Stimme sprach.
Erneut glitt ein unsicherer Blick zum Bett. „Ich will“- ein Husten dann sprach sie wieder etwas tiefer. „Ich will keinen Ärger machen.“, beteuerte sie und es war auf so vielen Ebenen wahr, dass sie inständig hoffte, die zwei bis drei Wochen Seefahrt würden einfach schon vorbei sein. Sie wollte keinen Ärger, sie wollte lediglich weg aus Sarma, wollte sich neu positionieren, sehen wozu sie nütze wäre. Madiha hielt immer noch krampfhaft ihren Rucksackriemen fest und rührte sich nicht. Ihr kam die Kammer wahnsinnig eng vor, während Jakub den einzigen Ausweg mit seiner Gestalt blockierte. Er musste kaum vortreten, um sie zu packen. Dann hob sie langsam den Blick und sah den ersten Maat an. Würde er sie gehen lassen? Wollte er denn hier bleiben, solange sie schlief? Madiha konnte sich das nicht wirklich vorstellen. Und was war mit ihren Sachen? Was hatte Dunia ihr wohl eingepackt? Wäre etwas darin, was sie verraten würde? Madiha hatte in all der Zeit im Harem von Khasib gelernt, ihre wahren Gedanken und Gefühle zu verbergen. Doch die Situation verlangte ihr viel ab und so ließ sich ihre Unsicherheit nach wie vor nicht gänzlich wegsperren. Und dann, ganz leise in ihrem Hinterkopf tauchte in ihr die Frage auf, ob Jakub Tauwetter nicht längst wusste, dass sie nicht die war, für die sie sich ausgab…
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Re: Auf eigenen Beinen

Beitrag von Erzähler » Freitag 6. Mai 2022, 11:42

Jakubs beinahe schon stoische Art machte es mehr als schwer, ihn zu lesen. Hatte er Madiha nun entlarvt oder nicht? Hatte er Caleb bemerkt? Im Kopf des Mädchens schuf sie alle möglichen Szenarien, während sie dem Ersten Maat durch den Schiffsrumpf folgte. Alle endeten mit ihrer Entdeckung und darauf folgte ein Sprung von einer wackligen Planke in Hai verseuchte, eisige Gewässer. Aber es war ihr Kopf, der ihre Angst schürte. Jakub zeigte kein Anzeichen des Erkennens. Er gab sich bei so mancher Frage misstrauisch oder beäugte sie durchdringener als sonst mit diesem tief strengen Blick, doch ein Wort über ihre wahre Identität verlor er nicht. Außerdem suchte er nicht nach Caleb, was folglich wohl heißen musste, dass der Dieb noch einmal entkommen war - vorerst. Denn von einem Schiff kam er nur herunter, wenn es im Hafen vor Anker lag oder wenn er das Ende bevorzugte, das Madiha sich bereits als ihr eigenes Schicksal ausmalte. Es würde gewiss noch interessant werden in den nächsten zwei Wochen, vorausgesetzt Caleb hatte mit seiner zeitlichen Aussage Recht. Eine Woche, wenn Ventha es gut mit ihnen meinte, aber davon bekam Madiha erst einmal nichts mit. Jakub brachte sie nämlich nicht wie von ihr zunächst angenommen an Deck, sondern führte sie in seine eigene Kabine. Dem Mädchen, das nie wirklich etwas eigenes besessen hatte, gefiel es hier recht gut. Eng und schlicht, aber dadurch nicht erdrückend. Ein Gefühl der Beklemmung entwickelte sich erst, nachdem Jakub selbst eingetreten war und die Kabinentür hinter sich geschlossen hatte. Nun war Madiha allein mit ihm. Nun könnte er die Maske ablegen, die er als Erster Maat auf dem Schiff zu tragen hatte. Nun könnte er sie damit konfrontieren, dass er längst über sie Bescheid wusste und über Caleb, der vielleicht bereits von einigen Matrosen in Gewahrsam genommen worden war!
In Madihas Kopf wirbelten die Gedanken umher und lenkten kurz von der Enge des Raumes ab. So stolperte sie nicht nur von einer Ecke in die andere, sondern stieß sich dabei auch noch an der Tischkante. Jakub beäugte es sehr lange. Er sagte nichts. Er nickte lediglich, als sie einen Platz für ihren Rucksack vorschlug, woraufhin Madiha ihn auch dort ablegte. Schließlich sollte sie vorerst hier bleiben, in seiner Kammer. Die Beklemmung nahm zu bei der unbeantworteten und unausgesprochenen Frage, ob er denn auch hier bleiben würde.
Der Rucksack hörte sich beim Ablegen so schwer an, wie sich Madiha Herz fühlte. Es folgte ein Brummen, das nicht von ihrem Hab und Gut stammte. "Später verfrachte ich ihn in eines der Schrankfächer", meinte Jakub. Er klopfte gegen eine der in der Wand befindlichen Türen, um zu zeigen, wo der Rucksack unterkommen sollte. "Bei zu hohem Seegang fliegt er uns sonst noch um die Ohren." Auf ihren Vorschlag, dass sie doch in den Hängematten schlafen könnte, ging er nicht ein. Das bedeutete demnach ein Nein. Madiha würde hier bleiben. Hier ... bei ihm? Ihr schnürte es langsam die Kehle zu. So versuchte sie es weiter, argumentierte dass er dann ja keinen Schlafplatz besäße und dass sie keinen Ärger bereiten wollte.
Darauf ließ Jakub sich auf der Bettkante seiner Koje nieder. Er klopfte mit der flachen Hand neben sich auf das Laken. Es war keine Bitte, sich zu setzen. Er erwartete als Erster Maat, dass man ihm Folge leistete. Entgegen dieser harschen Forderung kamen seine Worte beinahe väterlich sanft über die streng verzogenen Lippen: "Ich will auch nicht, dass du Ärger machst. Deshalb schläfst du hier, Bursche. Und ich? Hrm..." Wieder brummte er auf, dieses Mal nachdenklich, aber es klang nicht vollkommen echt. Er sah sich um, dann erneut zu Madiha. Er blickte direkt in ihre Seele hinein, so dass das Bedürfnis wuchs, eine noch größere Kappe zu besitzen, unter der man sich verkriechen konnte. Aber nicht einmal die derzeitige Mütze half. Jakub streckte seine Pranke aus, doch statt den speckigen Stoff zu fassen, legte er die Finger um Madihas Kieferpartie. Seine Haut fühlte sich schwielig an. Aus direkter Nähe erkannte das Mädchen einige Narben an den Fingern und am Handgelenk. Keine, die auf Selbstverletzungen hingewiesen hätten. Das waren Trophäen eines harten Lebens auf See.
Alles an Jakub Tauwetter wirkte so ... hart und streng. Seine Statur, sein Blick. Letztendlich aber kamen seine, wenngleich eher kargen Worte doch viel freundlicher aus ihm heraus als man annehmen würde. Und auch sein Griff um Madihas Kinn fühlte sich nicht harsch an. Khasib war weitaus gröber mit ihr umgesprungen. Trotzdem schien Jakub ein Mann zu sein, der es gewohnt war, dass man seinem Willen folgte. Widerstand duldete er nicht. So drehte er Madihas Kopf beiseite. Was betrachtete er sich? Die Weichheit ihres Gesichts? Ahnte er doch etwas?
"Woher hast du diese Narben?", fragte er nach. Irgendwie klang es nicht allzu sehr nach Interesse. Vielmehr schien er Zeit überbrücken oder irgendein Thema suchen zu wollen, über das er sich mit Madiha unterhalten wollte. Doch tatsächlich suchte Jakub nur Ablenkung. Er wollte, dass sie einen Moment unaufmerksam war und als er glaubte, sein Ziel erreicht zu haben, löste sich die Pranke sofort von ihrem Gesicht. Er nahm sie jedoch nicht zurück. Sie suchte sich einen neuen Platz. Etwas zaghaft und dennoch bestimmt, denn er war sich seines Vorhabens sehr bewusst, legte er seine riesige Hand auf Madiha Schenkel ab. Würde er zudrücken, könnte er ihr mit Sicherheit den Knochen brechen!
"Die Koje ist sehr groß." Jakub räusperte sich. Das Zögern hielt auch hier nur kurz an. "Wir finden beide darin Platz." Bei diesen Worten schob er seine Finger um ihren Schenkel herum und zwischen Madihas Beine. Er langte ihr genau in den Schritt und plötzlich stockte er. Jakub packte noch etwas fester zu. "Was?!", entkam es ihm in voller Überraschung. Im nächsten Moment sprang er von der Koje auf. Sein Kopf war puterrot angelaufen, bis in die Ohrspitzen. Zorn war nicht der Grund. Der Mann war ... beschämt!
"D-du bist ein ... z-zieh das aus. Sofort!" Eine kurze Pause entstand. Dann wedelte Jakub mit der Pranke, die eben noch Madihas allerheiligstes Zentrum umfasst hatte. "Nicht die H-Hose. Die Mütze! Na los ... Bursche?" Endlich beruhigte er sich etwas. Die Schamesröte ließ jedoch nur bedingt nach. "Du bist kein Junge. Das macht es jetzt sehr unangenehm..." Als wäre sein Versuch, bei dem eigenen Schiffsburschen übergriffig zu werden, nicht minder schrecklich!
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Re: Auf eigenen Beinen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Dienstag 10. Mai 2022, 00:21

In wie vielen Situationen hatte Madiha in ihrem jungen Leben bereits gesteckt, die ihr Unbehagen und Hilflosigkeit bescherten? Sie hatte aufgehört zählen. Als Sklavin in Sarma zu enden war ungefähr so, als würde man seine Seele verlieren. Nichts gehörte einem, nicht einmal die eigene Würde. Madiha war Meisterin darin sich in ausweglosen Augenblicken wiederzufinden und hatte eine gewisse Übung darin, diese auch zu erkennen. Das hier war so eine Situation. Klein und dürr stand das maskierte Mädchen in der kleinen Kajüte und hielt sich so krampfhaft an ihrem Rucksack fest, dass man den Eindruck gewinnen konnte, sie würde ohne diesen Halt auf der Stelle umkippen. Ihr Atem ging flach, weil sie es nicht wagte tiefer Luft zu holen als nötig. Jakub Tauwetter blockierte mit seiner Gestalt den einzigen Fluchtweg und hob damit die Auslieferung, in der sie sich seit sie auf dem Schiff angekommen war, wähnte, auf ein neues Level. Die kleine Sarmaerin mied seinen Blick und erfasste das Offensichtliche: Wenn Jakub nicht im Stehen schlafen wollte, dann würden sie die Koje miteinander teilen müssen. Wie stellte er sich das vor? Und wie sollte sie dabei ihre Maskerade aufrechterhalten? Madiha schickte ein Stoßgebet zu wem auch immer, sie hatte das mal bei einer älteren Sklavin gesehen, die sehr religiös war. Vielleicht hörte ihr ja jemand dazu und erbarmte sich, sodass sich diese ganze krampfige Quälerei auflöste.

Leider musste man wohl deutlich mehr dafür tun, um bei den Göttern Gehör zu finden, denn Jakub bewegte sich nicht aus dem Raum heraus sondern setzte sich dichter zu ihr, auf die Bettkante. Madiha wagte es nicht sich zu bewegen, also verringerte sich der Abstand zwischen ihnen. Alles an ihm ließ bei Madiha die Alarmglocken schellen. Sie kannte das. Sie wusste um dieses zaghafte Vorgeplänkel, bevor der Übergriff stattfand. Ihre Jahre in Knechtschaft hatten sie dafür sensibel gemacht und ihre schlimmste Befürchtung wurde plötzlich eiskalte Realität. Jakub ging noch einen Schritt weiter und umfasste ihr Kinn. Widerwillig ließ sie es zu, dass er sich ihr Gesicht näher betrachtete, auch wenn ihr eher zum Weglaufen zumute war. Seine Frage zielte nicht darauf ab, sein Wissen zu mehren. Auch das gehörte zu den Unsicheren dazu, wenn sie sich nicht recht vorwagten, wie es zum Beispiel Khasib getan hatte. Er war damit vertraut übergriffig und vergewaltigend zu agieren. Jakub offenbar nicht. Das Mädchen spürte in der Brust das Herz klopfen, während sie die Antwort um die Herkunft ihrer Narben schuldig blieb. Viel zu trocken war ihr Mund, als dass sie hätte schnell antworten können. Madiha vermisste das Gewicht ihres Rucksackes mit einem Mal. Wo hatte sie ihn noch abgestellt? Ihre Gedanken versuchten zu flüchten, damit sie nicht darüber sinnieren mussten, was gleich als nächstes passierte. Und als hätte Jakub Tauwetter ihre Gedanken gehört, glitt seine Hand von ihrem Kinn. Der schwielige Abdruck war noch immer für sie spürbar, als er seine Hand um ihren Schenkel legte. Madiha zuckte kurz. Trotz all der schlechten Erfahrung, dem täglichen ausgeliefert-Sein, war es nie reine Routine geworden. Und auch ihr Herz war bei weitem nicht so abgestumpft wie sie es gerne gehabt hätte, denn seine Geste ließ sie innerlich laut aufschreien vor Schmerz. Kein körperlicher Schmerz, obwohl sie ahnte, dass er dazu absolut in der Lage war, sondern seelischer. Madiha war erschüttert, dass sie erneut in der Situation war. Dass es offenbar keine andere Möglichkeit gab für sie, sich vorzuarbeiten auf ihrem Weg. Sie resignierte und der letzte Funken Glanz erlosch in ihrem Blick. Sie hatte kapituliert, als Jakub seine Hand etwas löste und ihr in den Schritt packte.

Sie zuckte auf, dann zuckte er und sie abermals. Überrascht und verwirrt gleichermaßen starrte sie den ersten Maat an als dieser seine Hand zurückzog und plötzlich deutlich verlegener aufwartete, als sie es hätte sein können. Noch nicht verstehend, was soeben passiert war, blinzelte sie den stammelnden Mann verständnislos an und wich einen halben Schritt vor ihm zurück, als er sich erhob. Die Forderung ließen sie fragend zurück, bis er präzisierte und sie allmählich verstand. Jakub Tauwetter hatte bis eben nicht geahnt, dass sie ein Mädchen war. Madiha fühlte in diesem Moment des Verstehens plötzlich Stolz, weil sie ihre Sache wohl ganz gut gemacht hatte, doch das bröckelte mit der Erkenntnis zusammen, dass sie sich beide in einer viel unwirklicheren Situation befanden. Sie hätte sich sein Schweigen gegenüber der Mannschaft und die Überfahrt mit sexuellen Gefälligkeiten erkaufen können. Jetzt aber war sie nicht nur aufgeflogen, sie kannte offenbar auch ein Geheimnis, dass es Jakub nur noch mehr erleichtern dürfte, sie über Bord zu werfen. Madiha wich abermals zurück und presste ihren dünnen Leib gegen die harte Schiffswand. Zittrig hob sie langsam die Hände und streifte sich quälend langsam die Kappe vom Kopf. Das schwarze Haar, wild und ungezähmt, fiel ihr über das Gesicht, sodass sie es mit der Handfläche wegstreichen musste. Betreten sah sie zu Boden. Was sollte sie nun tun? In ihr keimte plötzlich etwas auf, was sie nicht vermutet hätte: Da war etwas Dunkles was leise flüsterte. Es zischte aus ihrem Selbsterhaltungstrieb heraus, sie solle das Wissen, welches sie soeben um Jakubs Neigung erlangt hatte, gewinnbringend einsetzen. Ihre Erfahrung in solchen Dingen suggerierte ihr, dass Jakub diese Neigung lieber verborgen halten wollte. Dafür war er zu zögerlich gewesen. Er hatte sie nicht einfach bestiegen, wie es die Adeligen taten, wenn ihnen danach war. Nein, er war vorsichtig auch wenn er es gewohnt war, dass man ihm Folge leistete. Madihas Blick flackerte kurz dunkel auf, als sie ihn betrachtete. Sie könnte ihn erpressen, ihm einen Handel vorschlagen. Grimmig freute sich das Dunkle in ihr darauf, sein dämliches Gesicht zu sehen, doch die Realität hielt mit wehenden Fahnen Einzug. Sollte sie Jakub jetzt den Rapier an die Kehle halten, würde er sie wohl mühelos ausschalten. Sie durfte bei all dem was sie eben erfahren hatte nicht vergessen: Er hatte das Sagen, er war ihr körperlich um Längen überlegen, ihm würde man im Zweifel glauben oder es sogar billigen, was er da in seiner Kajüte trieb. Also kehrte Madiha zurück zu dem was sie am besten konnte und dem sie vielleicht nie entwachsen würde: Sie war unterwürfig. Nervös nestelte sie an ihrer Kappe und fand keine Worte. Erst eine kleine Welle gab ihr einen Schubser in dergestalt, dass sie etwas Halt verlor und einen Schritt vortrat. „Ich.. wollte nur, ich.. ich wollte nur weg aus Sarma. Bitte, ich wollte dich nicht zum Narren halten, ich brauchte dringend eine Überfahrt.. ich wollte arbeiten, ich hab doch kein Geld.“, stotterte sie und gab sich keine Mühe mehr, tiefer zu sprechen. Madiha sah Jakub ins Gesicht und versuchte zu ergründen, ob die Schamesröte langsam dem Zorn Platz machte. Instinktiv sah sich Madiha um, als suchte sie einen Gegenstand, mit dem sie sich verteidigen könnte. Andererseits… vielleicht war das auch nur der erste Schreck seinerseits und nach einigen Sekunden, wäre es ihm völlig egal, ob er einen Jungen oder ein Mädchen in seine Koje zerrte. Und sie? Würde sie darauf eingehen, wenn das bedeutete, dass sie die sichere Überfahrt erhalten könnte? Die bittere Wahrheit in ihr war: Ja, das würde sie. Denn nichts anderes besaß sie und nichts anderes hatte sie gelernt.
In ihr schwelte der Glaube, dass sie noch so manches Opfer bringen musste, bevor sie sich endlich weitetentwickelte. Madiha war verzweifelt und gefangen zwischen dem Fliehen aus ihrem alten Leben und der Tatsache, dass sie nicht wusste wie sie sich auch ohne sexuelle Gefälligkeiten helfen konnte. Sie wollte zwar weg davon, aber wurde auch immer wieder damit konfrontiert. Also handelte sie ihrer Erfahrung entsprechend und kam die minimale Distanz auf Jakub zu. Sie blickte zu ihm auf und legte dann ihre Hand auf seinen Schritt. "Ich bin bereit dafür anders zu bezahlen...", krächzte sie und merkte wie sich alles in ihr dagegen sträubte. Doch das verzweifelte Mädchen sah ansonsten für sich im wahrsten Sinne des Wortes kein Land in dieser Situation.
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Re: Auf eigenen Beinen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 17. Mai 2022, 12:50

Dass ein Mann wie Jakub Tauwetter sich so leicht aus der Reserve locken ließ, war schwer zu glauben. Vor allem, wenn man bedachte, was es dafür brauchte. Nur ein Mädchen, mit dem er nicht gerechnet hatte. Dabei war Madiha schon mehr als einmal das Herz stehengeblieben, weil sie überzeugt gewesen war, er hätte sie bereits entlarvt. Doch der Erste Maat der Blauen Möwe schien sie einfach nur für seine eigenen Vorlieben sondiert zu haben. Er hatte sie die ganze Zeit im Visier gehabt, allerdings den Blick auf mögliche Gegenwehr gegenüber seinem Begehren gehalten. Würde er den mutmaßlichen Schiffsjungen überwältigen und unter sich zwingen können, ohne dass er gleich das ganze Schiff zusammenschrie? Würde er danach den Mund halten oder müsste er seine Beute anschließend über Bord gehen lassen. Unfälle passierten auf Schiffen. Dass er es mit einem Mädchen zu tun hatte, welches nur einen unauffälligen Weg raus aus Sarma suchte, war ihm überhaupt nicht in den Sinn gekommen. Entsprechend zeigte sich nun Jakubs Reaktion. Bis zu den Ohrmuscheln war er rot angelaufen, die Augen starr aufgerissen, so dass die Pupillen wie winzige, schwarze Inseln in seinem Meer aus gefrorenem Eiswasser. Dieses kalte Blau stach nun noch stärker aus seinem kantigen Gesicht hervor. Er rührte sich nicht, hatte den Schock noch nicht verdaut, so dass er Madiha auf diese Weise Gelegenheit gab zu handeln.
Die Kajütentür war nicht abgeschlossen worden, Sie besaß überhaupt kein Schloss, lediglich einen Riegel und jenen hätte sie mit Leichtigkeit beiseite schieben können. Ein perfekter Fluchtweg und der beste Zeitpunkt, ihm zu folgen. Doch Madiha machte sich nichts vor. Wo sollte sie hin? Die einzige Möglichkeit bliebe, einen Sprung ins Meer zu wagen und dann hätte sie Jakub nun auch sofort ein Messer reichen und sich in die Klinge werfen können. Das würde immerhin schneller und weniger qualvoll enden. Nichts war schlimmer als in eiskaltem Salzwasser verzweifelt um sein Leben zu schwimmen, während erst die Gliedmaßen taub wurden und dann die Kraft nachließ. Man ging unter, musste miterleben wie man langsam aber sicher ertrank. Die Luft wurde durch Meerwasser ersetzt und all diese letzten Momente blieb der Verstand hellwach. Nicht einmal ein Feuertod auf dem Scheiterhaufen war so grausam.
Aber Madiha dachte im Moment weder an tödliche Foltermethoden, noch an eine Flucht. Obwohl Letzteres nicht ganz richtig war. Das Mädchen hatte nur selten die Sicherheit gesucht, indem sie die Distanz zwischen sich und ihrem Problem vergrößerte. Im Gegenteil. Madiha besaß ein inneres Feuer, das sie antrieb, die Flucht nach vorn zu suchen. Dem Tod mit trotzigen Augen und einer gehörigen Portion Wagemut entgegen zu treten passte besser in ihre Verhaltensmuster. So wagte sie es auch dieses Mal.
Mit nur zwei Schritten war sie an Jakub heran. Der Erste Maat hatte sich nicht einen Zentimeter weit bewegt. Er starrte atemlos auf die Gestalt vor ihm - auf das Mädchen! - herab. Dieses junge Ding, bei dem sich volle Brüste trotz allem erst noch ordentlich ausbilden mussten. Dieser dürre Hüpfer, von dem er wenigstens etwas Greifbares im Schritt erwartet hatte, nicht jedoch einen weichen Schoß, in dem er versinken könnte! Er hatte eine Hand voll Männlichkeit unterhalb eines stolzen Mastes erwartet, der sie ihm vielleicht sogar entgegengestreckt hätte wie eine lüsterne Galionsfigur. Oder wie sein eigenes bestes Stück, auf das Madiha nun in ihrer Flucht nach vorn die Hand ablegte. Sie fühlte, wie bereit Jakub für seinen Schiffsjungen gewesen war. Er hätte sich nicht die Zeit genommen, ihn auf sein Schicksal vorzubereiten. So fühlte es sich jedenfalls nicht an. Ihre Hand konnte kaum die geballte Manneskraft umfassen, die er ihr bot. Jeden unerfahrenen Burschen hätte er damit bei seinem ersten Stoß schmerzhaft zerrissen und vielleicht würde auch sie hart mit einem so großen Ruder zu kämpfen haben. Erfreut über die physische Zuwendung zuckte es unter Madihas Hand einmal auf, dass sich Jakubs Hosenstoff bis an seine Grenzen spannte. Der Körper wollte sie!
Der Erste Maat erwachte durch das nun auch ausgesprochene Angebot endlich aus seiner Starre. Nicht nur sein Fleisch zuckte, sondern auch der Rest, der daran hing. Dann schnellte seine Rechte nach vorn. Er umfasste Madihas Handgelenk, so wie sie seine männlichen Vorzüge ergriffen hatte. Der Unterschied war, dass Jakub nur zudrückt müsste, um ihr das Gelenk zu brechen, aber das tat er nicht. Sein Griff fühlte sich dennoch eng und schraubstockartig an. Außerdem lag eine Kraft dahinter, derer sich Madiha nicht erwehren konnte. Mit einem kräftigen Schwung schleuderte er ihre Hand von sich, so dass es sie schon halb von den Füßen riss. Ohne es zu wollen taumelte sie.
Der Körper war willig. Der Verstand hingegen nicht.
"Nein." Eine simple Antwort, weder geflüstert noch gebrüllt. Klar und deutlich erfüllte sie den Raum und hing schwerer in der Luft als es jeder Zauberspruch könnte. Eine einfache Aussage wurde zu einem Machtwort. Jakubs Röte hatte sich gelegt. Seine Erregung verging allerdings nicht so schnell und so schob er fast schon beschämt die Hand vor den Schritt, mit der er Madiha von sich getrennt hatte. "Wir haben beide ein Geheimnis", knirschte er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor. "Und wird eines gelüftet, wird das andere nicht unentdeckt bleiben. Deshalb halte wir beide einfach die Schnauze, bis die Blaue Möwe in Andunie anlegt. Dann verlässt du das Schiff und wir sehen einander niemals wieder. Wir vergessen einander, kennen uns nicht mehr und erinnern uns auch niemals wieder an diesen Augenblick. Hast du das verstanden ... Schiffsjunge?!" Er ließ Madiha zwar die Wahl, doch ihre Antwort stand bereits vorher fest. Er würde nichts Anderes als Zustimmung dulden. So war es für Jakub ohnehin eher eine rhetorische Frage und er fügte an: "Ich hatte mit einer angenehmeren Nacht gerechnet, aber ich halte es dennoch für das Beste, du bleibst vorerst hier drin. Spiel weiterhin die seekranke Landratte, damit niemand Verdacht schöpft. Wir werden die Koje schichtweise wechseln, wobei es mir lieber wäre, du schläfst tagsüber, damit..."
Ein lautes Rufen vom Deck her unterbrach Jakub in seinem Redefluss. Er schaute zur Tür hin. So richtig verstanden, was genau los war, hatten weder er noch Madiha. Doch dem ersten Ruf folgten weitere und das Gebrüll der Männer wurde plötzlich groß. Vor der Kabine waren eilige Schritte zu hören und der Gestank von Zwiebeleintopf und Schweiß drang durch die Ritzen. "Wenn selbst Fischauge nach oben stürmt, muss etwas passiert sein", murmelte Jakub. Dann richtete er sich die Hose, doch der Tumult hatte sein Sehnsucht ebenfalls nicht abschwächen können. Ein Fluch entwich seiner Kehle. Dann scheuchte er Madiha mit einem Wink zur Tür. "Zieh deine Mütze ordentlich über und geh nachsch... nein, warte!"
Er wandte sich um, öffnete eine der vielen Schranktüren, die die Rückwand seiner kleinen Kammer bildeten. Etwas blitzte im diffusen Licht der Kabine auf. Als Jakub sich erneut Madiha zuwandte, hielt er ein kleines, dadurch aber nicht minder scharfes Messer in der Hand. In der Klinge konnte das Mädchen ihr eigenes Gesicht erkennen, als Jakub das Messer anhob. Er hatte offensichtlich eine andere Entscheidung getroffen.
"So kann es nicht weitergehen", knurrte er. Dann fuhr die Hand mit dem Messer nach vorn. Ihr linker Bruder schnellte ebenfalls auf Madiha zu. "Entscheide dich, welchen Weg du gehen willst. Knoten oder abschneiden." Jakub streckte ihr die Klinge in einer Hand, mit dem Griff nach vorn entgegen. In der anderen bot er ihr ein Haarband an. Welche Wahl auch immer da Mädchen vor ihm träfe, danach würde ihre Mähne sie nicht mehr so schnell verraten können.
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Re: Auf eigenen Beinen

Beitrag von Madiha Al'Sarma » Donnerstag 26. Mai 2022, 22:21

Hätte Madiha Eltern gehabt, die ihr so einige wichtige Dinge mit auf den Weg gegeben hätten, so wäre sie sicherlich besser in der Lage gewesen, die richtigeren Entscheidungen zu treffen. Sie hätte sich vielleicht gegen Calebs Rettung entschieden und wäre der erneuten Demütigung entkommen und hätte sich den Schmerz der Zurückweisung durch den Dieb erspart. Sie wäre vielleicht bei Dunia geblieben, so wie Ilmy und hätte dort einen Sinn erfüllen können. Und sie hätte vielleicht in diesem Moment nicht die Wand mit dem Kopf eingerannt, sondern hätte erkannt, dass Jakub zwar massig den Raum ausfüllte, sie aber hätte das Weite suchen können. Doch Madiha dachte erstaunlich wenig an Flucht, auch wenn ihr Denken all die Jahre in Sklaverei davon bestimmt gewesen war. Wieso erklärte ihr auch niemand, wie das Leben funktionierte? Sie liefen doch nicht alle so kopflos wie sie durch die Gegend oder etwa doch? Nun, wie auch immer die Antwort auf diese Frage ausfallen würde, just in diesem Moment tat Madiha wieder einen entschiedenen Schritt in die falsche Richtung. Sie berührte Jakub Tauwetter auf eine Weise, wie viele Männer es bevorzugten und sie ging nicht eine Sekunde davon aus, dass er sich davon befreien könnte. Denn sie spürte, wie er sich ihr entgegen reckte und das kurze Zucken ließ sie trocken schlucken. Ob je eine Frau daran Gefallen fand? Madiha ertappte sich just in diesem grotesken Moment dabei, dass sie sich ernsthaft fragte, ob das jemals freiwillig passierte. Sie war zwar nicht doof, sie wusste ja, dass Frauen und Männer aus Liebe zueinander finden konnten, aber… in ihrer Welt hatte sie niemals Freiwilligkeit kennengelernt und so stellte sich ihr die Frage tatsächlich auf einmal. Und Liebe kannte sie ohnehin nicht. Viele sprachen von körperlicher Liebe, aber in den Ohren des Wüstenkindes klang das wie blanker Hohn. So stand sie also da, die Hand an Jakub’s bestem Stück und in einer Sekunde gefangen, die kaum enden wollte. Bis er endlich aus seiner Starre erwachte und ihre Hand packte. Es war unangenehm und nun war sie es, die zuckte.
Madiha erwartete pflichtbewusst das nun folgende, ging sie doch davon aus, dass er sie nun in die Koje schleuderte und über sie herfiel. Doch sie hatte sich gehörig getäuscht. Die unerwartete Heftigkeit ließ sie die ohnehin stark desolate Standhaftigkeit verlieren und sie prallte abermals gegen den kleinen Tisch, an dem sie sich erstmal festhalten musste. Angespannt hob sie den Blick und seine einfache Ablehnung schnürte ihr die Kehle zu. Im ersten Moment dachte sie, er würde sie nun doch endgültig zu Fischfutter verarbeiten, bis er jedoch einen Handel vorschlug, dem sie lediglich zustimmen musste. Ihre Ohren rauschten. Sie konnte kaum fassen, dass Jakub Tauwetter die Möglichkeit – und er wollte diese Möglichkeit definitiv, das hatte sie spüren können – ablehnte und sie sogar noch deckte. Zumindest auf andere Weise. Ihre Augen füllten sich, ohne dass sie es hätte unterbinden können, mit Tränen. Sie schwappten zwar nicht über, aber ihr Stand das Wasser darin, als sie heiser ein „Einverstanden“, krächzte. Langsam richtete sie sich aus ihrer kleinlauten Position wieder auf und blinzelte einige Male, um sich zu fangen. Sie konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich würde nach Andunie segeln dürfen, ohne dass sie dafür auf eine Weise benutzt wurde, die für sie die einzige Möglichkeit schien, überhaupt zu bezahlen. Madiha brauchte einen Moment, während Jakub bereits das weitere Vorgehen ankündigte und sie kaum folgen konnte. Sie war gefangen in diesem Moment der Ablehnung, der in ihr so vieles auslöste. Er hatte sie gewollt – und doch hatte er nein gesagt. Erneut erntete Jakub einen unsicheren und fragenden Blick. Oder war das jetzt nur ein Machtgehabe? Unsicherheit in ihr. Dann wieder Hoffnung, denn er schien zusätzlich zu dem Fakt, sie ebenso zu wollen wie ihre Maskerade, peinlich berührt zu sein. Und Madiha war nur noch verwirrt, sodass von ihrer Seite kaum etwas Verbales zu erwarten gewesen wäre. Erst als der Tumult an Deck größer wurde und offenbar Jakub’s Aufmerksamkeit auf sich zog, erwachte Madiha aus ihrer Starre und blinzelte. Sie wischte sich kurz unterhalb der Nase entlang, ehe sie sich endlich wieder bewegte. Seinem Gefuchtel folgte sie prompt, sodass sie zurückschreckte, als er sie wieder aufhielt. Fragend hob sie den Blick, gerade dabei sich die Kappe auf den Kopf setzen zu wollen. Während Jakub kramte, lauschte Madiha abermals den Gerufe an Deck und sie runzelte die Stirn. Was wohl vor sich gehen mochte? Sie hatte ja keine Ahnung, weshalb es überhaupt solch ein Durcheinander hätte geben können an Bord eines Schiffes. Als sie mit ihrer Aufmerksamkeit zurückkehrt und Jakub mit einem Mal und für sie völlig unerwartet ein Messer in der Hand hielt, zuckte Madiha erkennbar zurück und duckte sich etwas, um ihm den Angriff zu erschweren – wie sie glaubte. Erst nach und nach fiel ihr auf, dass sie die Lage falsch eingeschätzt hatte, und ihr stieg etwas die Röte in die Wangen. Sich räuspernd wartete sie seinen Plan ab und ließ die hellen Augen zwischen Messer und Zopfband hin und her wandern. Wenn sie das Band wählte, konnte sie ihre Haare zumindest behalten. Allerdings würde das Abschneiden dazu führen, dass sie vielleicht einmal nicht ständig Gefahr lief, von allen bedrängt zu werden, die meinten, es mit ihr tun zu können. Madiha war unschlüssig, wollte Jakub allerdings auch nicht zu sehr reizen. Sie ergriff kurzerhand das Messer und schnitt, ohne noch weiter darüber nachzudenken, ihre lange Mähne bis knapp auf Höhe des Kinns ab. Schwarzes Pech rieselte zu Boden und bedeckte die Planken des Schiffes. Madiha’s Blick war fest und doch vermied sie es ihrer Haarpracht nachzusehen. Was sollte es? Sie war ohnehin niemand, der sich das Haar drapierte und in ewig langen Prozessen pflegte. Sie war immer ganz zufrieden damit gewesen, langes Haar zu besitzen und das Kompliment von Dunia, am Tag ihrer Prüfung, hatte ihr Wärme geschenkt. Allerdings waren die langen Haare auch ein Zeichen von Weiblichkeit. Und das hatte ihr seid sie denken konnte, immer nur Unglück gebracht. Sie wirkte jetzt auch nicht gänzlich wie ein etwas feminin geratener Junge, allerdings ergriff sie auch das Band in seiner anderen Hand und knotete den Restbestand ihrer Haare hinten zu einem Zopf zusammen. Sie straffte die Schultern und schluckte ihren Kloß hinunter. So würde sie gewiss als Junge durchgehen können, auch wenn aufgrund der fehlenden Haare ihre Narben deutlicher hervorkamen und der Zopf ihr etwas Strenges verlieh. Sie fühlte sich auch nicht gänzlich wohl in ihrer Haut, doch wann hatte sie das jemals getan? Madiha tat, was sie dachte tun zu müssen, um einfach weiterzukommen und zu überleben. Also nickte sie dem ersten Maat zum Zeichen, dass sie bereit wäre, zu und würde seine Anweisung ausführen.
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Re: Auf eigenen Beinen

Beitrag von Erzähler » Montag 30. Mai 2022, 10:30

Das Messer war nicht dazu gedacht, dass sie es Jakub erleichterte und sich nun selbst die Kehle aufschlitzte. Obwohl der grimmige Maat kein Wort darüber verlauten ließ, war doch klar, was er Madiha hier anbot. Spätestens, wenn man das Haarband sah. Sie sollte sich entscheiden, ob sie ihre Mähne kürzte oder zu einem Knoten band, den sie unter der Kappe verstecken könnte. Tatsächlich entschied sich das Mädchen dafür, beides anzuwenden. Beherzt griff sie nach der Klinge, was ihr einen zufriedenen Blick seitens Jakub spendierte.
Ein Großteil ihrer Haare fiel in teils filzigen Würsten zu Boden und bedeckte ihre Füße. Da lagen sie, all die Jahre in Knechtschaft, Hunger und Missbrauch. Madiha hatte sie einfach abgeschnitten, als wechselte sie nun auch optisch sichtbar in ein neues Leben. Manchmal half ein solch symbolischer Akt besser, die eigene Entscheidung zu verstehen als es die Tat an sich konnte. Vielleicht nahm sie nun erst richtig zur Kenntnis, dass sie nicht länger Sklavin unter einem Herren war, für den sie ihre Beine öffnen musste und auch keine Magie an einer Schule erlernen müsste, was niemals in ihrem Sinn gelegen hatte. Sie würde ebenso wenig Helferin für eine Medizinerin sein, so sehr sie Dunia insgeheim auch ins Herz geschlossen hatte. Und sie würde ihren eigenen Weg gehen - ohne Caleb, obgleich er sich mit ihr auf demselben Schiff versteckte. Sobald sie in Andunie angekommen wäre, würde sie ...
Tumult von außerhalb riss sie aus ihren Gedanken. Auch Jakub schaute gen Tür, an der soeben Fischauge vorbei stolperte. Wenn es selbst den Smutje an Deck zog, musste dort etwas Wichtiges geschehen. Ob man Caleb entdeckt und nach oben gezerrt hatte? Würde er gleich über die Planken geschickt werden? Spätestens, wenn Jakub Tauwetter ihn erwischte, wäre das Schicksal für den Halunken besiegelt. Der Erste Maat warf Madiha einen forschen Blick zu und nickte in Richtung der speckigen Kappe. Auch wenn ihr Haar nun nur noch schulterlang war, wäre es besser, sie trug weiterhin die Mütze in der Öffenltichkeit. Die Narben verliehen ihr zwar etwas maskulineres, dennoch erkannte man bei genauerem Hinsehen darunter noch immer das Gesicht eine jungen Mädchens und nicht das eines schmächtigen Burschen. Läge ihr Antlitz allerdings weiterhin im Schatten der Krempe, wäre sie etwas besser geschützt. Dass sie ihr Haar zusätzlich mit dem Band zu einem Zopf bündelte, half noch mehr. Es war nämlich kein damenhafter Zopf und auch kein Dutt, wie ihn die alten Matronen aus Khasibs Haushalt unter ihren Kopftüchern trugen. Vielmehr verlieh ihr das neue Äußere etwas Rebellisches. Ein junger Bursche, der Abenteuer erleben wollte und sein Haar zum Kriegerzopf trug wie es die unreifen Knappen in den Diensten elder Ritter gern taten ... bis sie einsehen mussten, dass ein Zopf allein noch keinen Helfen ausmachte. Für Madiha würde es reichen. Die Tarnung war perfekt, ebenso die Vereinbarung mit Jakub. Aber vielleicht mussten er und sie noch einmal darüber sprechen, sobald es ruhiger auf dem Schiff geworden wäre. Nun hieß es erst einmal nachzusehen, was die ganze Mannschaft denn so in Aufruhr versetzte. Und da ihr Jakub nicht befohlen hatte, zurückzubleiben, lockte es auch Madiha in seinem Windschatten hinauf an Deck. Was sie dort zu sehen bekäme, damit hätte sie allerdings nicht gerechnet.

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