Neuanfang

Etwa eine halbe Stunde Fußmarsch von der Magierstadt Zyranus entfernt liegt eine bislang noch immer namenlose Siedlung, erbaut aus vereinten Kräften der wenigen zuvor scon ansässigen Bauern, eifriger Zyraner und den Überbleibseln der dunklen Armee, die ursprünglich die Magierstadt unter ihrem dämonischen Heerführer hatte den Garaus machen wollen. Wer hier noch siedelt und sich ein Eigenheim erbaut hat, will Frieden.
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Neuanfang

Beitrag von Erzähler » Sonntag 28. April 2024, 13:11

Kazel kommt von: Schicksals Domäne

Kazel spürte die Schwere seines Körpers viel stärker, als er ihn in Erinnerung hatte. Der Grund auf dem er lag fühlte sich feste und zugleich weich an und jede Regung seines Körpers löste ein feines Rascheln aus. Unterbewusst nahm er den Geruch von Kiefernholz wahr, doch vermischten sich noch andere Düfte mit diesem, die ihm durchaus bekannt waren. Verschiedene Kräuter, die rauchig-würzige Luft eines Kaminfeuers…
Den Weg zurück ins Bewusstsein zu finden war nicht so leicht, wie man hätte meinen können. Sein Kopf schmerzte und ihm war unerträglich warm, während er gleichzeitig fror und zitterte. Er befand sich in einem unruhigen Zustand zwischen Schlaf, Bewusstlosigkeit und kurzen halbwachen Momenten, die dennoch nicht steuer- oder greifbar waren.
Das Verlieren seiner Erinnerungen war leider kein Eingriff, den seine Seele ohne Gegenwehr hinnahm. Kazel hatte hohes Fieber bekommen und war leider noch nicht voll allen Qualen erlöst. Sein Verstand versuchte erfolglos das Verlorene zu erreichen, huschte in Schwärze und Bildlosigkeit hin und her und schenkte ihm kaum erholsame Ruhe. Seine Wangen und die Stirn fühlten sich brennend an und unruhig wälzte er sich von einer Seite auf die Andere. Seine Seele hatte jede Beziehung verloren, zu der sie sich in ihrem jetzigen Zustand flüchten würde. Es war kein schönes Gefühl und erfüllte ihn mit Unruhe und Einsamkeit.
Erst als kühle Finger seine Wange berührten, schien er einen Moment zu erhalten, an den sich seine Seele klammern und orientieren konnte. Er war doch nicht alleine!
„Es wird alles gut…!“, drang eine ruhige und angenehme Stimme durch seinen Dämmerzustand in sein Bewusstsein. Etwas Kühles und Feuchtes berührte seine Stirn und bot seinem schmerzenden Kopf anhaltende Milderung. Kazel würde vielleicht die Augen öffnen, doch war seine Sicht durch das Fieber getrübt, so dass er wenn, nur schemenhaft eine Gestalt bei sich sitzend, erkennen könnte, bevor er wieder in einen Dämmerzustand fallen würde.
Eine zeitlose Weile kehrte so sein Geist immer wieder zu solchen kleinen halbwachen und gleichzeitig ungenauen Momenten zurück. Die Gestalt war jedes Mal weiter an seiner Seite und kümmerte sich scheinbar um seinen Fieberzustand. Einmal würde er einen bittersüßen Geschmack auf der Zunge schmecken können, der zwar nicht angenehm, jedoch ertragbar sein würde. Sowohl Kazels Körper, als auch seine Seele fand immer mehr Ruhe, bis ihm die Gnade eines tiefen und erholsamen Schlafes gewährt wurde.

Das Erste, was der junge Mann bewusst wieder wahrnahm war der gedämpfte Gesang von Vögeln und einigen dumpfen Lauten, als würde jemand außerhalb holzhacken. Kazels Nase würde den Geruch von frisch gebackenem Brot wahrnehmen können, der langsam aber sicher sein Hungergefühl hervorlockte.
Der Schlaf hatte ihm gut getan und das Fieber verjagt. Erstaunlicherweise fühlte sich der Mischlingself sogar erfrischt und leicht im Kopf. Der Schmerz seiner Seele war abgeklungen.
Das Flackern eines Licht- und Schattenspiels der hereinbrechenden Sonne fiel auf seine Augen und ließ die Sicht hinter seinen Lidern rötlich wirken. Langsam kehrten seine Lebensgeister wieder zurück und so auch Denkprozesse, wie nach dem: Wo er war?!
Sollte Kazel versuchen seine Gedanken zu ordnen würde er sich an Teile seines Gesprächs mit Tod und Schicksal zurückerinnern können. Sein Leid war jedoch vergessen! Er wusste lediglich, dass er schweren Herzens seine Erinnerungen an sein bisheriges Leben aufgegeben hatte, um seine Rolle als Tods Geselle wahrlich einzunehmen, zu testen und wie von Schicksal gefordert, das Leben unter Beachtung der Grenzen neu kennenzulernen.
Er wusste, wie angekündigt, wer er war, wie alt er war, was er konnte und was nicht - woher er kam und auch, wenn er keine wirklichen Bilder abzurufen vermochte, kannte er ein paar Details zu seinen Wurzeln. So wusste er beispielsweise, dass er kein gutes Verhältnis zu seiner dunkelelfischen Familie besaß und den Namen abgelegt hatte. Er besaß also keine Bindungen, außer zu Tod und an diesen, waren ihm viele Erinnerungen, wenn auch manche lückenhaft, bewahrt geblieben.
„Schläft das Prinzesschen etwa immer noch?“, drang eine männliche Stimme an seine Ohren, dicht gefolgt von einem dumpfen Klopfen, das ein wenig verspätet wirkte. Aus der anderen Richtung, nicht weit von ihm entfernt erklang ein Seufzen.
„Was willst du hier schon wieder, Tarek?“ Die weibliche Stimme, die nun antwortete, könnte Kazel bekannt vorkommen. Es war dieselbe, die er auch hin und wieder in seinen halbwachen Fiebermomenten gehört hatte. Würde Kazel die Augen öffnen, würde er sich im Raum einer L-förmigen Waldkate wiederfinden. Die Wände bestanden aus soliden und geölten Holzleisten, die quer verlegt waren. Es gab mehrere Fenster, von denen einige Schläge geöffnet waren und vor denen helle Gardinen im Wind tanzten. Die Einrichtung wirkte spärlich – er selbst lag in einem Bett, das sehr einfach und mehr, wie ein Provisorium wirkte. Es existierte ein eingemauerter gekachelter Kamin an der hinteren Hauptwand, doch derzeit knisterte kein Feuer darin. Die ebenfalls steingekachelte Bodenfläche darum wies jedoch Spuren abgebrannten Holzes auf. Zwei Türen ließen vermuten, dass es noch zwei weitere Räume zu entdecken gab, doch in dem größeren Raum, in dem er lag gab es noch ein wenig mehr zu sehen.
Auf der anderen Seite befand sich eine kleine Küche, die ebenfalls noch nicht vollendet wirkte. Ein schmaler Ofen, der für einen kleinen Haushalt genügen würde, verströmte den Geruch nach frischen Brot. Ein kleiner Holzschrank, ein Tisch mit 4 Stühlen und ein Gestell mit einer großen Wasserschale waren das Einzige, was seine blauen Augen weiter entdecken würden. Lediglich die vielen aufgehängten Kräuterbüschel, die auf dem Tisch stehenden Tiegel und Töpfchen und viele Stoffstreifen, die ordentlich aufgerollt und gestapelt in einem Flechtkorb lagen, wiesen auf aktive Arbeiten hin.
Die Küche war durch eine provisorisch erstellte Zwischenwand, bestehend aus einem großen Laken, das an einem gespannten Seil hing, halb vom Rest des Raumes getrennt. Und genau hinter diesem trat nun eine junge Frau in sein Sichtfeld, die zweifelsohne die Besitzerin der weiblichen Stimme war. Kupferrote und in sanfte Locken fallende Haare würden ein recht hübsches Gesicht umrahmen, wären sie nicht zu einem dicken Seitenzopf geflochten, der ihr in etwa bis zum unteren Rippenbogen reichte. Klare, dunkle blaue Augen, in die sich je nach Lichteinfall ein winziger Klecks Grün gemischt zu haben schien, sahen in die Richtung der Eingangstüre, die offenstand und in deren Rahmen offenbar der Besitzer der männlichen Stimme lehnte. Dieser vollführte eine etwas übertriebene Geste mit seinen Händen indem er mit ihnen nach der Stelle griff, unter der sein Herz schlagen müsste.
„Wie kaltherzig! Dabei bin ich extra so früh hergekommen, um nachzusehen, ob du Hilfe mit dem fremden Kerl benötigst!“ Der Blick der Rothaarigen sprach Bände und verbarg nicht, dass sie den Worten des Mannes keinen Glauben schenkte. Ihr Mund verzog sich dennoch ein wenig amüsiert, so dass sich ihre mit Sommersprossen geschmückten Wangen leicht hoben.
„Hier kennen sich beinahe alle nicht gut. Abgesehen davon habe ich dir doch erklärt, dass er mir nicht fremd ist! Außerdem bist du nur hergekommen, um dir wieder ein Frühstück zu ergaunern und Zeit zu schinden“, konterte sie und verschränkte ihre Arme vor der Brust. Sie trug eine einfache weiße, etwas knittrige Bluse mit Vorderknöpfen und einem hellbraunen Rock, in den die Blusenenden gestopft worden waren und der ihre schlanke Taille dadurch betonte.
Der Mann an der Türe gab einen grummelnden Laut von sich. „Hack du mal wochenlang Tag für Tag Holz für die Neubauten! Da würdest du auch versuchen Zeit zu schinden.“ Ein melodisches, etwas unterdrücktes Lachen war zu hören.
„Wir können ja gerne mal tauschen und du kümmerst dich um all die Verletzungen!“ Bei diesem Vorschlag stieß sich der Mann mit Dreitagebart und braunen Haaren vom Rahmen und hob die Hand zum Abschied.
„Auf die Jammerei kann ich verzichten! Aber sieh zu, dass der Siebenschläfer nicht noch eine Nacht dein Bett blockiert! Zu wenig Schlaf lässt selbst hübschere Blumen welken!“
Tarek, der von Kazels Standpunkt aus nur spärlich zu sehen gewesen war, verabschiedete sich und zog die Türe mit einem dumpfen Laut hinter sich zu.
„Wie immer charmant…!“, konnte er die Rothaarige noch leise sagen hören, ehe sie sich eine Schale griff und auf ihn und das Bett zusteuerte.
Würde er vorgeben noch zu schlafen, würde die Unbekannte sich an sein Bett setzen und vorsichtig seine Temperatur erfühlen.
Würde er sich wach zeigen, würde die junge Frau kurz aus Überraschung stehen bleiben. Ihre blauen Augen würden kurz über sein Gesicht tasten, bis diese von einem Lächeln leicht gezogen werden würden.
„Oh du bist wach! Wie schön, wie geht es dir?“ Sie setzte sich wieder in Bewegung und ließ sich vor ihn und dem Bett auf einen Hocker nieder. Neben diesem stand bereits eine Schale mit Wasser indem einige Stoffbahnen schwammen, mit denen sie vermutlich seine Stirn gekühlt hatte.
Für einen kurzen Moment sah sie Kazel schweigend an, musterte sein Gesicht und in ihren Augen konnte man durchaus … verhaltene Neugierde erkennen. Auf ihrer Wange war eine feine Spur aus Mehl zu sehen und auch ihr brauner Rock wies ein paar kleinere weiß-staubige Flecken auf, was sie jedoch nicht zu stören schien. Die zweite Schale, die sie getragen hatte, lag auf ihrem Schoß gebettet und wenn er einen Blick hineinwerfen würde, würde er darin einen Holzlöffel und eine bräunliche Flüssigkeit entdecken können. Damit diese jedoch nicht verschüttet wurde, stellte sie sie neben sich auf den Boden ab.
„Nun…“, begann sie und schien kurz nach dem besten Beginn für ein Gespräch zu überlegen. Dann hielt sie ihm die Hand hin.
„Ich bin Elodi. Und du bist der Geselle … Kazel, richtig? Ich hoffe ich spreche deinen Namen richtig aus!“ Ihre Stimme klang offen und sie schien sich irgendwie zu freuen mit ihm reden zu können.
Optisch betrachtet schien Elodi ein Mensch zu sein und sollte Kazel über dieses Wissen im Leben verfügt haben, könnte er vermuten, dass sie aus Santros käme.
„Ich denke, du wirst wissen wollen, wo du hier bist, nicht wahr? Schicksal erklärte mir die Umstände, deshalb… scheu dich nicht zu fragen. Wenn ich helfen kann… nun ja!“ Sie schien ein wenig unsicher zu sein, wie sie sich an das Thema herantasten sollte. Dann wanderte ihr Blick kurz durch den Raum und sie strich sich in Gedanken eine lose Strähne hinters Ohr.
„Du befindest dich in der neu entstehenden Grasland-Siedlung, nahe Zyranus. Tod brachte dich her… und die letzten zwei Tage ging es dir nicht sehr gut. Du hattest Fieber, aber vorhin war es schon beinahe verschwunden.“ Sie schien eine ruhige Art zu besitzen, auch wenn sich vorhin anhand des Besuchers gezeigt hatte, dass sie auch ganz anders reagieren konnte. Kazel würde sich zusammenreimen können, dass Elodi die Person war, die Schicksal ihm zur Seite stellen wollte. Doch wer war sie, dass sie dafür in Frage kam? Ebenfalls eine Weltenspringerin?
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Re: Neuanfang

Beitrag von Kazel Tenebrée » Mittwoch 8. Mai 2024, 15:07

Vergessen. Fort war so viel, nahezu alles, inklusive ihm selbst. Denn sein halbes Leben - die bessere Hälfte! - zu vergessen, wollte das Unterbewusstsein nicht so einfach zulassen, nur weil der eigene Verstand sich dazu entschied. So wie Kazel selbst zuvor mit seinem eigenen Herzen um eine Entscheidung hatte ringen müssen, da fochten sein Leib und Schicksals Exekutive nun einen Kampf aus. Einer, bei dem das Ende bereits feststand, denn niemand konnte seinem Schicksal entkommen ... oder? Der Mischling schien es geschafft zu haben und doch wieder nicht. Wie war sein Leben doch geprägt gewesen, von Beginn an und in eine beschwerliche Richtung, nur weil seine Mutter sich einen eldorischen Waldelfen ins Bett geholt hatte, um sich ein Kind zeugen zu lassen. Natürlich war Kazel ein Versehen gewesen, aber seine Mutter hatte ihn dennoch austragen wollen. Sie hatte ihn in sein Schicksal zwingen wollen, nicht nur dann. Als man aufgrund der farblichen Veränderung seiner Haut immer deutlicher erkannte, wie mischblütig er doch war, versuchten Mutter und Tante, dass er seinem Schicksal erstmals entging. Sie hatten ihm über Monate hinweg die unreine Haut vom Leib peitschen wollen. Es war ebenso missglückt wie der Versuch, Kazel trotz allem noch als angesehenes Mitglied in die Familie Tenebrée einzugliedern. Vor dem damaligen Oberhaupt verlangte man von ihm, dass er den eldorischen Sklaven - seinen Vater - mit eigener Hand und vor aller Augen um sein Leben brachte. Und jener hatte es nur allzu gern angenommen, in der Hoffnung, seinem Sohn einen besseren Weg ebnen zu können als den eigenen, doch Kazels mentales Nervenkostüm war dadurch mehr als zerrissen. Zunächst hatte er sich nichts anmerken lassen. In derselben Nacht war er jedoch ins Schlafzimmer der Mutter geschlichen, hatte auch ihr Leben ausgehaucht, nur um dann aus seinem Elternhaus und gleich aus Morgeria zu fliehen. Eine beschwerliche Reise durch die Tote Ebene, das Drachengebirge und schließlich in die Stille Ebene hinein war ihm mit Jahren der Einsamkeit, aber auch des Friedens vergönnt geblieben. Doch ebenso wenig wie er das Familienwappen seines Hauses als Hautbild auf seinem inneren Handgelenk nicht hatte entfernen können, war es ihm in all der Zeit und auch danach unmöglich gewesen, das Stigma seines Mischblutes von sich zu nehmen. Beides würde ihm auch jetzt nicht gelingen, doch das Haus Tenebrée war größtenteils vergessen. Indem seine Tante Starle es unter ihrer Herrschaft in ein Edelbordell gewandelt hatte, war der Ruf der einstigen Familie längst nicht mehr jener, unter dem Kazel hatte aufwachsen müssen. Doch weder den Namen seiner Tante noch das Bordell selbst würde man bald noch kennen. Starle Tenebrée blieb ein langes Leben vergönnt - das hatte er Dank Tods Gabe eigenes gesehen. Aber dieses Leben würde sie in Gefangenschaft verbringen und niemals wieder Morgerias Straßen durchqueren, geschweige denn den Namen Tenebrée mit Hurerei in den Schmutz ziehen. Das sollte ohnehin nicht geschehen, denn Kazel und seine Freunde hatten das Bordell an zwei Nachtelfenschwestern übergeben. Es war der Lohn dafür, dass sie Janays Schwester aus den Fängen eines missbräuchlichen Ehemannes gerettet hatten. Sie würden das Bordell fortführen und den Namen Tenebrée vergessen machen.
Kazel selbst hatte ihn schon vergessen, zusammen mit so viel anderem. Sein Körper konnte rebellieren, aber am Ende verlor er. Tenebrée als Name war vergessen, zusammen mit allen anderen. Janay, Nar'Zissus de Quis, Janays Schwester Arina, Kodiak der Bär, Schlange oder so viele weitere Verbündete ... Kazels Erinnerungen wirbelten in einem Fieberwahn umher, der am Ende nur einen löchrigen Käse zurücklassen sollte. Einzig, dass er der Geselle des Gevatters bliebe, sein Lehr- und Schützling, das blieb fest verankert. Ebenso hätte er noch das Wissen um die Vereinbarung mit dem Schicksal, wenngleich auch hier nicht alles in seinem Gedächtnis vorhanden bliebe. Aber er würde wissen, dass er zu seinem alten Leben zurück könnte, wenn er es denn wollte. Oh, in dieser Hinsicht konnte man das Schicksal als genauso perfide bezeichnen wie alle anderen, die bisher so sehr mit Kazels Leben gespielt und ihn wie einen Bauern über das Schachbrett gerückt hatten. Wie sollte er das Bedürfnis verspüren, ein Leben wiederaufzunehmen, an das er sich nunmehr kein bisschen erinnerte? Jedenfalls nicht an die guten Teile.
Er wusste, dass er als Mischlingsblut in ein morgerianisches Adelshaus hineingeboren worden war. Der Name war ausgelöscht. Tenebrée gab es für ihn nicht mehr. Da war nur noch Kazel, so wie er sich Schicksal auch vorgestellt hatte. Aber er wusste, dass er sich nicht im Guten von seiner Familie getrennt hatte, sondern vielmehr fluchtartig aus Morgeria entkommen war. Er würde sich an die Reise durch die Tote Ebene und bis hinein in die Stille Ebene erinnern, denn dort war er keiner Seele begegnet, die sein Herz hätte prägen können. Aber er hatte auf dieser Reise gelernt, in der Wildnis zu überleben und mit der Einsamkeit umzugehen. Diese Fähigkeiten würde er wohl noch brauchen, weshalb ihm die Kenntnisse erhalten blieben. Doch hier endete sein Flickenteppich aus Erinnerungen auch schon wieder. Er wusste nur noch, dass er die Stille Ebene hatte verlassen wollen, weil er eben irgendwann doch nicht mehr mit der Einsamkeit hatte umgehen können. Er wusste, dass seine Seele aus irgendeinem Grund dem Gevatter verschrieben worden war ... weil er schon ein-, wenn nicht gar mehrere Male verstorben war. Doch Tod hatte ihn nicht zum Werkzeug auserkoren, sondern es ihm angeboten und Kazel hatte eingewilligt. Er war freiwillig der Lehrling des Zeitlosen und schien sich zumindest soweit gemacht zu haben, dass er sich nun Geselle schimpfen durfte.
Dieses Wissen begleitete ihn durch heiße Fieberträume, aus denen er nur hin und wieder herausbrechen konnte. Lange genug, um den verschwommenen Schatten roten Haares, das verwaschene Säuseln einer lieblichen Stimme und einen neugierigen Glanz von blauen Seelenspiegeln erkennen zu können, bevor die heißkalte Dunkelheit ihn zurück in ihre Arme zog. Wie lange er im Fieber gefangen war, wusste er nicht. Im Grunde wusste er kaum noch etwas. Aber die Erkenntnis darüber, dass er Erholung in all der Zeit hatte finden können, begleitete sein langsames Erwachen.

Er lag auf festem Grund, aber es fühlte sich nicht nach Erde an. Kein Gras kitzelte seine Unterarme. Keine Insekten summten um ihn herum und auch das krabbelnde Geräusch ihrer winzigen Füße über seine Haut blieb aus. Er lag verhältnismäßig weich, ja wirklich komfortabel. Außerdem war eine Decke über ihn ausgebreitet worden. Doch nicht nur jene hielt ihn warm. Er assoziierte das Kaminfeuer allerdings erst als solches, nachdem ihm das leises Knistern und sanfte Knacken bewusst wurde. Verbrennt jemand Nadelholz?, fragte er sich im Stillen, denn den Rauch begleitete auch eine holzige Note in jener Form, wie es nur Kiefern oder Tannen vermochten. Er erinnerte sich, dass er das Aroma von feuchten Wäldern liebte - die Kombination aus nasser Erde und Moosen im Einklang mit der Frische, die vom Regen gesegnete Bäume spendeten. Kazel atmete tief ein, ohne die Augen zu öffnen. Und gerade als er sich in seiner kleinen Welt aus Dunkelheit, Halbschlaf und Frieden Gedanken darüber machen wollte, warum diese Erinnerung ihn im Gegensatz zu vielen anderen erfüllte, unterbrach jemand seine träumerische Stille.
Nein, nicht jemand. Etwas. Vogelgesang! Oh, wie hatte er ihn vermisst ... und doch passte es kaum zu seinen jüngsten Eindrücken, die er nun nicht mehr in der Lage war, einzufangen. Bin ich noch einmal eingeschlafen? Er fühlte sich noch erholter als bei seinem letzten kurzen Moment, den er größtenteils bewusst erlebt hatte. Nun aber wollte er die Augen aufschlagen, denn nicht nur Klänge an seinen Spitzohren lockten ihn dazu. Sonnenlicht - es musste die Sonne sein - streichelte warm sein Gesicht und tanzte vor seinen geschlossenen Lidern. Es färbte die Schwärze mit diesem warmdunklen Rot, das einen neuen Morgen versprach, wenn man sich nur aus Manthalas Reich zurückzog. Hinzu kam der Duft von etwas Neuem, das den übrigen Körper anregte. Gebackenes Brot. Das Aroma war so intensiv, dass Kazel glaubte, die Kruste des Backwerks ebenfalls riechen zu können. Es musste sich um ein crosses Brot handen mit fester Rinde, aber so weichem Kern, dass ihm sprichwörtlich das Wasser im Munde zusammenlief, wenn er nur daran dachte. Er bemerkte nicht einmal, dass ein feines Lächeln seine Mundwinkel kräuselte.
Just in dem Moment, da er ein hungriges Schmatzen nicht mehr unterdrücken konnte, fragte eine ihm gänzlich unbekannte Stimme: "Schläft das Prinzesschen etwa immer noch?" Beinahe könnte man seinen Laut für eine Kuss-Reaktion ob der Worte interpretieren, aber dazu kam sie zu zeitgleich mit jenen. Doch nun wich Hunger der Vorsicht und der Mischling hielt sogar für mehrere Herzschläge den Atem an. Wo befand er sich und wer sprach dort? Er schnappte sogleich einen Namen auf. Tarek, ausgesprochen von einer Stimme, die ihm ebenfalls nicht bekannt, wohl aber vertraut war. Etwas drang zu ihm durch und erinnerte ihn daran, dass er sie schon einmal vernommen hatte. Nein, mehrmals. Sie war es, die ihm gut zugeredet hatte, als hitziges Fieber ihm die Sicht auf mehr versperrt hatte als ein verwaschenes, rotes Meer und zwei tiefblaue Tupfer darin. Er konnte das Bild nicht festigen, vielleicht war es auch nur ein Traum gewesen. Die Stimme aber erkannte Kazel wieder.
Neugier hob seine Lider, doch er musste erst den Kopf in den Raum hinein wenden, um mehr als Decke und Fenster der Kate zu sehen, in der er sich befand. Er erkannte im hinteren Teil eine Küche. Er begutachtete knapp die Einrichtung, entdeckte dabei den Kamin, weitere Türen, einen Vorhang als Raumtrenner, einen Tisch samt Stühlen, einen Schrank und ... offenbar die Hausbewohnerin. Er hatte nicht geträumt, wie er nun feststellte. Da war es, das wallende, rote Meer. Jemand hatte es in Bänder gefangen und zu einem Zopf gezähmt, aber es bestand für Kazel kein Zweifel. Glänzendes Kupfer, das blaue Edelsteine umrahmte. Er sah sie selbstbewusst aufblitzen. Die Frau, der dieser Blick gehörte, ließ sich von diesem Tarek nicht für dumm verkaufen. Sie fiel auf seine theatralischen Geste und auch auf seine Worte nicht herein.
"Wie kaltherzig! Dabei bin ich extra so früh hergekommen, um nachzusehen, ob du Hilfe mit dem fremden Kerl benötigst!" Kazel runzelte die Stirn. War er der fremde Kerl? Seine Annahme wurde von der Reaktion der Frau beiseite gewischt. "Hier kennen sich beinahe alle nicht gut. Abgesehen davon habe ich dir doch erklärt, dass er mir nicht fremd ist!" Nein, dann ging es nicht um ihn. Denn er kannte die Rothaarige nicht. Kazel blieb liegen. Es war ihm unagenehm, dem Gespräch zu lauschen, aber noch weniger wollte er es unterbrechen, indem er zeigte, dass er wach war. So versuchte er, sich nicht darauf zu konzentrieren, bis Tarek sich dazu entschied, das Haus zu verlassen. Doch seine Abschiedsworte ließen Kazel erneut aufmerksamer werden. Ging es etwa doch um ihn?
"Aber sieh zu, dass der Siebenschläfer nicht noch eine Nacht dein Bett blockiert! Zu wenig Schlaf lässt selbst hübschere Blumen welken!" Die Tür fiel ins Schloss. Kazel sah den Moment geeignet, sich langsam aufzurappeln. Er war erholt. Sein Körper hatte reichlich Zeit zum Ausruhen erhalten, aber das lange Liegen hatte die Glieder doch etwas steif werden lassen. Seine Muskeln ziepten kurz, als er sie seit langem wieder selbst aktiv beanspruchte. Es war erträglich, er musste sich nur wieder daran gewöhnen, sie zu nutzen. Während er so also noch damit beschäftigt war, sich zu ordnen und in eine sitzende Position zu gelangen, erreichte die Fremde sein Bett. Sie trug eine Schale und wollte jene offenbar gerade neben seiner Schlafstatt abstellen, als sie sein Erwachen bemerkte und inne hielt. Kazel hockte sich auf und beide schauten einander zunächst nur stumm an. Er betrachtete ihr feines Gesicht, die weich geschwungenen Lippen, die großen blauen Augen... Wie er im Gegensatz wohl aussah? Kazel erinnerte sich an ein Bild seiner selbst, aber er war so zeitverloren, dass er nicht einschätzen konnte, inwieweit es mit seinem real existierenden Jetzt noch vergleichbar wäre. Er wusste, dass er für Elfen eher klein geraten war und auch wenn er durch seine Flucht aus Morgeria und sein Überleben in der Wildnis garantiert ein paar Muskeln antrainiert hatte, würde seine Statur ihn eher drahtig darstellen. Seine Haut war weder eldorisch hell, noch morgerianisch dunkel. Er fand sich irgendwo dazwischen in einem angenehm matten Braunton wie von Mandeln. Er wusste, dass er selbst blaue Augen besaß, wenngleich anders als jene, in die er schaute. Seine konnten von einem tiefen Ozean hin bis zu Regen verhangenem Sturmgrau variieren, je nachdem, wie sehr die Meereswogen seiner Seele im Inneren umher gespült wurden. Im Moment lagen sie ruhig da, vollkommen neutral und glatt. Denn das war er: neutral mit der Situation seines Erwachens. Seine Miene drückte keine Überraschung aus wie jene, in die er schaute.
"Oh, du bist wach! Wie schön, wie geht es dir?" Eine simple Frage, aber Kazel konnte sie dennoch nicht beantworten. Wie ging es ihm? Er horchte in sich hinein. Er fand ... viele Lücken, aber er erkannte sie nicht als solche. Er wusste, es fehlte ein enorm großer Teil seiner Erinnerungen. Er wusste, dass es sein Opfer war, das er schweren Herzens hatte eingehen müssen, um im Dienst von Gevatter Tod stehen und Celcias Gleichgewicht wahren zu können. Schicksal hatte ihm nahezu alles genommen, was er wohl einmal geliebt hatte ... aber auch all sein Leiden. Folglich fühlte er sich im Augenblick...
"Mir geht es gut ... schätze ich." Kazel hüstelte. Sein Hals fühlte sich etwas trocken an, was nicht einmal der Fall sein musste. Aber seine Stimmbänder hatten sich mindestens so lange geschont wie der Rest von ihm. Sie würden eine längere Konversation benötigen, um ihre Arbeit wieder im vertrauten Rahmen aufnehmen zu können. Noch brannten sie ein wenig, als sie sich unter den Worten dehnten und wieder zusammenzogen, aber ein Schluck Wasser würde es sicher richten. Kazels Blick fiel auf die braune Flüssigkeit in der Schale, welche die Fremde nun beiseite stellte.
"Ich ... blockiere dein Bett", griff er Tareks Worte direkt auf, als sie ihm mit einem Mal erneut bewusst wurden. Schon schlug er die Decke beiseite und schob sich aus den Laken an die Kante. Seine nackten Füße kamen auf dem Boden auf, da hielt die Frau ihm eine Hand zum Gruß hin.
"Ich bin Elodi." Kazel zögerte, ergriff die Hand dann mit seiner eigenen, aber nur kurz. Eigentlich hatte er nun keine Zeit zu verlieren ... und dass er das Bett dieser Frau die ganze Zeit belegt zu haben schien, war ihm unangenehm. Er rappelte sich auf. Seine Beine waren nur im ersten Moment weich. Nach einem Schritt Richtung Tür ging es bereits besser. Er musste gehen. Schicksal hatte doch gesagt, sie würde ihm jemanden zur Seite stellen, der ihm helfen sollte. Er musste diese Person finden. "Ich muss ... gehen ... entschuldige ...", murmelte er und tappte los.
"Und du bist der Geselle ..." Er erstarrte. Dann wandte er sein Gesicht um, nahm Elodi langsam in den Fokus. "Kazel, richtig? Ich hoffe, ich spreche deinen Namen richtig aus!" Er nickte nur. Sie kannte den Namen. Sie wusste, dass er der Geselle des Gevatters war. "Du bist die Hilfe, die man mir zur Seite stellen wollte." Bewusst erwähnte er Schicksal noch nicht. Denn es konnte immer noch sein, dass er sich irrte und dann würde Elodi ihn sofort für geisteskrank halten, wenn er davon sprach, höheren Wesenheiten zu dienen, für die Zeit und Raum nur Begriffe waren. Doch das tat sie nicht, im Gegenteil. Sie sorgte dafür, dass er nun die Überraschung in seine Züge einlud, aber auch die Aufmerksamkeit, ihr still zuzuhören.
"Ich denke, du wirst wissen wollen, wo du hier bist, nicht wahr? Schicksal erklärte mir die Umstände, deshalb ... scheu dich nicht zu fragen. Wenn ich helfen kann ... nun ja! Du befindest dich in der neu entstehenden Grasland-Siedlung, nahe Zyranus. Tod brachte dich her ... und die letzten zwei Tage ging es dir nicht sehr gut. Du hattest Fieber, aber vorhin war es schon beinahe verschwunden."
Kazel blinzelte. Wo er Vorsicht walten ließ, sprach sie einfach offen über den Gevatter und Schicksal. "Zwei Tage", griff er die Information auf, die er verarbeiten konnte. Denn weder sagten ihm Zyranus, das Grasland, noch eine darin entstehende Siedlung etwas. Er würde Elodi gewiss auch nicht santronischen Wurzel zuordnen können. Er hatte so wenig bisher von der Welt gesehen und doch so viel. Im Grunde beschränkte sich sein celcianischer Horizont aber auf Morgeria, die Tote Ebene, das östliche Drachengebirge, die Stille Ebene, die Ränder Andunies, Pelgar und ... Kata Mayan, das er besser zu kennen glaubte, als den Rest der Lebendwelt. Er befühlte seine Stirn, allerdings weniger, um die Temperatur zu prüfen. "Mir geht es schon besser, danke. Ich ... jedenfalls gut genug, dass du wieder in deinem Bett schlafen kannst. Ich werde dann wohl gehen und ..." Er stutzte. Dann schnaufte er in amüsierte Hiflosigkeit aus und hob ratlos die Schultern. "Ich weiß gar nicht, was ich jetzt tun soll. Vielleicht wäre es gut, wenn ich mich irgendwo wasche. Hast du...?" Kazels Augen weiteten sich, sie wuchsen zu großen, meerblauen Tellern heran. Röte schoss ihm in die Wangen und bis in beide Ohrspitzen hinein. Er starrte Elodi an, dann an sich herab um zu schauen, ob er überhaupt Kleidung am Leib trug. Aber selbst wenn, löste ihn das nicht vor einer peinlich berührten Frage, auf die er nun dringend eine Antwort brauchte. "D-du ... hast du ... i-ich meine ... du hast nur mein Fieber behandelt, oder?" Sie war schön, ohne Zweifel. Sie sah wirklich wie einer unberührte Blume aus, der man ihren Lebensraum nicht wegnehmen oder sie mit anderweitigen Tatsachen zum Welken bringen wollte. Kazel stellte dabei nicht einmal ihre Unberührtheit in Frage. Ihm behagte nur der Gedanke nicht, dass sie - nahezu eine Fremde - ihn in seiner körperlichen Versehrtheit hätte waschen und anderweitig von körperlichen Ausscheidungen befreien müssen. "Entschuldige!" wedelte er mit einer Hand in ihre Richtung, während er mit der anderen versuchte, sein knallrotes Gesicht zu verstecken. "Ich muss mich erst einmal zurechtfinden." Vor allem musste er herausfinden, was er nun tun sollte. Man hatte ihm die Erinnerungen genommen, ihm Elodi offenbar an die Seite gestellt, aber darüber hinaus war er vollkommen frei von allem, auch von Aufgabe jeglicher Art.
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Re: Neuanfang

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 15. Mai 2024, 22:07

Nachdem dieser Tarek die Haustüre hinter sich zugezogen hatte, dauerte es nicht mehr lange, bis die rothaarige Frau das Erwachen ihres Patienten bemerkte. Sie hielt inne und für einen Moment sahen sie sich stumm an, musterten einander und bildeten sich ihren ersten Würde Kazel stehen würde er feststellen, dass sie in etwa gleich groß waren – er vielleicht ein bis zwei Zentimeter größer. Sie schien keiner elfischen Abstammung zu sein, wenngleich auch sie etwas Zartes an sich hatte. Ihr Lächeln verriet, dass sie eine fröhliche und offene Seite besaß – die allerdings nicht den Funken Neugierde in ihrem blauen Blick erklärte, mit dem sie ihn eindeutig betrachtete.
Dieser ergab für Kazel anfangs noch keinen Sinn. Er wusste ja noch nicht einmal, wie er in ihre Kate, geschweige denn wie er in ihr Bett gekommen war!!! Besonders letzterer Umstand beschwerte dem Mischling ein schlechtes Gewissen. Ihr Bett zu blockieren war nicht seine Absicht gewesen und wenn er die Worte des Mannes Tarek richtig gedeutet hatte, schien er genau dies getan zu haben! Ungewollt… aber dennoch getan!
Die Rothaarige schien dies jedoch keineswegs zu beschäftigen. Sie nahm freudig zur Kenntnis, dass er erwach war und fragte ihn, wie es ihm ging, während sie näherkam und die Schale abstellte, in der sie eine bräunliche Flüssigkeit transportiert hatte.
Kazel, der sich der Situation gegenüber überraschend neutral fühlte, horchte in sich hinein. Wie ging es ihm überhaupt? Gesundheitlich… an und für sich gut, vielleicht ein wenig eingerostet!
„Mir geht es gut ... schätze ich.“, antwortete der Mischling und dabei unerwartet hüstelnd. Offenbar war er auch durstig, denn dein Hals fühlte sich kratzig an und seine Stimme war belegt, als hätte er sie schon länger nicht mehr benutzt.
Die junge Frau griff nach einem Becher, der auf einem kleinen, provisorisch erstellten Beistelltischchen stand. Dieser bestand lediglich aus einem umgedrehten Holzeimer mit Eisenverschlägen und einer runden Holzplatte, die nichts anderes war, als eine große Holzbaumscheibe.
Sie reichte Kazel den Becher, der noch bis zur Hälfte mit Wasser befüllt war.
„Hier, trink einen Schluck.“, forderte sie ihn freundlich auf und wartete ab, ob ihr Patient sie um das Trinkgefäß erleichtert würde. Wieder könnte er ihren Blick auf sich spüren, doch war er weder aufdringlich, noch unruhig. Sie wartete geduldig, dass er bereit war die Unterhaltung weiterzuführen.
Kazel hingegen empfand durchaus eine gewisse Unruhe. Einmal, weil er nicht wusste, wie er hergekommen war und was er als Nächstes tun sollte. Andererseits hingen ihm Tareks Worte nach, dass er offenbar schon etwas länger das Bett der jungen Lady blockierte.
„Ich ... blockiere dein Bett“, meinte er daher schuldbewusst und schlug die Decke beiseite, um aufzustehen. Doch bevor er sich erheben konnte, schob sich eine Hand in sein Sichtfeld.
„Ich bin Elodi.“, stellte sich seine Gastgeberin vor. Kazel besah ihre Hand. Sie besaß schlanke Finger, die ein wenig kürzer waren, als seine eigenen.
Nach kurzem Zögern ergriff er ihre Hand zum Gruß, doch schien er ihr hingegen nicht seinen Namen verraten zu wollen.
Schicksals Worte, dass sie ihm jemanden zur Seite stellen würde, kehrten in sein Gedächtnis zurück und so wandte er sich der Eingangstüre zu.
„Ich muss ... gehen ... entschuldige ...“ murmelte er und machte ein paar Schritte. Elodi hatte ihn beobachtet, schien für einen Moment und von seiner Art ein wenig überrascht zu sein, ehe sich ihre Lippen zu einem feinen und leicht amüsierten Lächeln spannten.
„Und du bist der Geselle! Kazel, richtig? Ich hoffe, ich spreche deinen Namen richtig aus!“ Der Elf blieb in seiner Bewegung stehen und wandte sich langsam um, als ihm klar wurde, dass nur die von Schicksal erwähnte Person seinen Namen und seine Position wissen könnte. War sie es etwa? War diese Elodi…? „Du bist die Hilfe, die man mir zur Seite stellen wollte,“ schloss er ohne Schicksals Namen direkt zu nennen. Obwohl es unnötig war, schien er sich damit wohler zu fühlen noch etwas abzuwarten!
Die junge Frau, die sich ihm halb zugewandt hatte nickte, ehe sie aufstand und zu ihm kam. Sie blieb vor ihm stehen, verschränkte hinter ihrem Rücken die Hände und neigte ihren Kopf in einer nachdenklichen Geste etwas zur Seite. Jetzt, wo sie einander gegenüberstanden bewahrheitete sich der Verdacht, dass sie beinahe gleich groß waren.
„Du siehst überrascht aus! Hast du jemand anderen erwartet?“, fragte sie leicht neckend während das hübsche Paar blauer Augen, aus denen ein gewisser Humor sprach, sein Gesicht betrachtete. Da Elodi ihn allerdings nicht ernsthaft ärgern wollte, klärte sie ihn erst einmal auf, wo er sich befand und wie er hergekommen war.

Für Kazel war die Situation sicher nicht ganz einfach, doch versprach sie doch interessant zu werden. Die junge Frau, die Schicksal ihm zur Seite gestellt hatte, schien zumindest nett und hilfsbereit zu sein. Ob sie sich darüber hinaus noch als nützlich erweisen würde, blieb allerdings abzuwarten.
„Zwei Tage“, murmelte er und griff damit die Information auf, die er gerade erhalten hatte. Dass er mit der Ortsangabe nicht wirklich viel anfangen konnte, schien Elodi nicht zu ahnen. Vermutlich wusste auch sie nicht in allen Einzelzeiten, was er wusste und was nicht. Immerhin waren sie einander zuvor noch nie begegnet. Oder? Kazel würde es wohl nicht wissen, selbst wenn dies der Fall gewesen wäre.
Da er bis vor kurzem ein Fieber bekämpft hatte, befühlte er vorsichtshalber seine Stirn, die sich dann aber glücklicherweise normal warm anfühlte.
„Mir geht es schon besser, danke. Ich ... jedenfalls gut genug, dass du wieder in deinem Bett schlafen kannst. Ich werde dann wohl gehen und ...“ Wieder hörte Elodi ihm geduldig zu. Allerdings schien sie Kazels Bestreben ihr Bett frei zu machen und sie nicht weiter zu stören, ein wenig amüsant zu finden – auch wenn sie versuchte dies nicht offen zu zeigen.
Draußen schien ein schöner Tag zu herrschen, denn die Sonne strahlte durch das geöffnete Fenster und wärmte ihre Haut, wo die Strahlen diese erreichten.
Kazel unterbrach sich allerdings selbst mitten im Satz. Er stutzte und schien dann zu registrieren, dass er gar nicht wusste, was er nun tun sollte.
„Ich weiß gar nicht, was ich jetzt tun soll“, gab er mit einem amüsierten Schnauben zu. Seine Reaktion ließ sie leise lachen und nickend meinte sie: „Das kann ich mir vorstellen! Aber dafür bin ich ja da! Deshalb mach dir erst einmal keine Sorgen. Fühl dich wie zu Hause!“ Auch Elodi schien die Situation fremd zu sein, aber sie gab sich sichtlich Mühe, damit er sich wohlfühlen konnte. Kazel müsste für sich herausfinden, wie er ihre Art empfand, doch vorerst plagte ihn ein ganz anderes Bedürfnis. Zwei Tage lang hatte er mit Fieber das Bett gehütet. Zwar schien er nicht zu stinken, doch würde ein Bad sicher sein Wohlbefinden fördern.
„Vielleicht wäre es gut, wenn ich mich irgendwo wasche. Hast du...?“ Kazels Augen weiteten sich plötzlich, als er auf einen Gedanken stieß. Zwei Tage Fieber – Bettruhe – hieß das etwa…? Ihm schoss die Röte ins Gesicht und er konnte sehen, dass auch Elodi seinen Mienenwandel registrierte. Überrascht und fragend sah sie ihn an und blinzelte kurz.
Kazel sah an sich hinab. Er würde feststellen, dass er seine Hose trug und ein etwas großes beiges Leinenhemd, das ihm fremd sein würde. Seine Schuhe würde er am Fuße des Bettes entdecken können, sollte er seinen Blick nach ihnen auf die Suche schicken.
„D-du ... hast du ... i-ich meine ... du hast nur mein Fieber behandelt, oder?“, fragte er und traute sich nicht weiter ins Detail zu gehen. Der Mischling fände es äußerst unangenehm, wenn sie einen gewissen Pflegegrad hätte überschreiten müssen. Wie war er überhaupt an das neue Hemd gekommen?
Die Rothaarige musterte ihn einen Moment und schien sich zu fragen, worauf er anspielte, bis sie die Erkenntnis traf. Ein verstehender Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht, dann winkte sie lächelnd ab.
„Ich bin eine Feldschwester, mach dir also darüber keine Gedanken!“, versuchte sie ihn zu beruhigen, was im Detail betrachtet seine Sorgenpunkte jedoch nicht zerstreute. Feldschwestern… kümmerten sich immerhin um alle Belange und die Pflege ihrer Patienten! Dennoch erfuhr er darüber schon einmal ein kleines Detail über sie.
In Kazels Augen sah sie vielleicht wie eine unberührte Blume aus, doch schien sie weniger Edelpflänzchen, als Wildblume zu sein, wie sich herausstellen würde.
„Entschuldige!“ wedelte er mit einer Hand in ihre Richtung, während er mit der anderen versuchte, sein knallrotes Gesicht zu verstecken. Ihre Züge hingegen wurden etwas weicher. Sie sagte es zwar nicht, allerdings könnte man ihrer Miene entnehmen, dass sie seine Reaktion niedlich fand.
„Ich muss mich erst einmal zurechtfinden."
Elodi schüttelte beschwichtigend mit dem Kopf. „Du musst dich nicht entschuldigen!", meinte sie ehrlich und ging dann an ihm vorbei zu einer der Türen, die sie öffnete. Kazel würde nun in einen Raum sehen können, in dem ein kleiner, wie auch großer Zuber stand. Der Kleine war ganz offensichtlich für die Wäsche gedacht, denn darin lehnte ein Waschbrett, oder auch Wäscheruffel genannt. Der große Zuber war dagegen für die körperliche Pflege geeignet und enthielt bereits klares Wasser, das allerdings nicht beheizt sein würde. In einer Schale daneben konnte man Seife und Schwamm finden.
An der einen Wand, neben einem weiteren geöffneten Fenster, vor dem die Gardinen im Wind spielten, hing an einer Leine Kazels gewaschenes Hemd, das er ursprünglich angehabt hatte. Daneben trockneten einige Tücher, in die man sich nach einem Bad einwickeln könnte.
„Du kannst dich hier in aller Ruhe waschen. Wenn du warmes Wasser möchtest, müsstest du allerdings ein wenig warten“, erklärte Elodi und trat ein wenig zur Seite, um ihm den Weg nicht zu versperren.
„Einer der Bewohner hier – Tarek, hat mir ein paar Wechselsachen für Männer gebracht. Diese kannst du gerne anziehen. Dein Hemd wird vermutlich noch nicht trocken sein!“ Sie ging zurück zum Bett und hob ein Bündel hoch, das sie ihm dann reichte. Einen Moment schien sie zu zögern, doch dann fand sie noch einmal ihre Sprache, bevor er die Türe hinter sich schließen konnte.
„Lass uns danach in Ruhe reden, in Ordnung? Ehrlich gesagt begegne auch ich zum ersten Mal jemanden wie, … nun ja, der so ähnlich ist, wie ich!“, gab sie leicht verlegen zu. Ihre Neugierde und auch Aufregung Kazel gegenüber hielt sie zwar möglichst kontrolliert zurück, doch konnte man in ihren blauen Augen doch eine Spur dessen erkennen.
„Als Schicksal und Tod dich herbrachten, war ich ziemlich überrascht. Ich musste mir eine Geschichte für die Dorfbewohner einfallen lassen, wie du hier plötzlich aufgetaucht bist. Das und alles Weitere würde ich gerne mit dir besprechen. Du wirst sicher wissen wollen, was die nächste Zeit auf dich zukommen soll!“
Die junge Frau formulierte es nicht so, als würde Kazel einem Zwang ausgesetzt sein. Sie schien ihm die Orientierung erleichtern zu wollen, wenngleich sich der Mischling sicher vorstellen könnte, dass die Situation auch für sie neu war.
Mit einem Lächeln würde sie ihm seine Privatsphäre gönnen und sich um solange mit ihren täglichen kleinen Aufgaben beschäftigen. Darunter würde sicher auch ein Frühstück für Kazel fallen.
Sollte sich Kazel waschen wollen, würde er alles Nötige für ein Bad vorfinden. Wenngleich es wohl wirklich kalt sein würde. Die Vorhänge vor dem Fenster würde man als Sichtschutz zuziehen können, ohne dass der Raum in völlige Dunkelheit getaucht werden würde.
Einen kleinen und nicht besonders hochwertigen Spiegel würde man an einer Seite der Wand befestigt finden. Sollte sich Kazel dort, oder seinen Oberkörper mit seinen Blicken betrachten, würde ihm auffallen, dass seine Feder-Tätowierung verschwunden war. Und mit dieser auch die damit verbundenen Fähigkeiten der Reise-Teleportation.
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Re: Neuanfang

Beitrag von Kazel Tenebrée » Montag 20. Mai 2024, 11:53

Elodi und Kazel boten einander durchaus einen gewissen Kontrast. Die junge Frau wirkte nicht nur aufgrund ihrer feurigen Mähne farbenfroh. Sie strahlte etwas Buntes aus, wenngleich sie nicht ansatzweise an eine Naella Federtanz herankäme. Doch an jene erinnerte Kazel sich nicht mehr, ebensowenig wie an Bramo oder weiter entfernte Freunde wie Zissus ... oder seine Liebste, Janay. Umso neutraler konnte er sich Elodi betrachten.
"Du siehst überrascht aus! Hast du jemand Anderen erwartet?"
"Ich weiß es nicht", antwortete er wahrheitsgemäß und zuckte mit den Schultern. Wen hätte er auch schon erwarten sollen? Nur weil zeitlose Entitäten wie Gevatter Tod und das Schicksal höchstpersönlich ihm eine Hilfe versprachen, bedeutete es nicht, dass er Kontakt mit einem weiteren außerordentlichen Wesen erhalten würde. Jemanden wie Kuralla - an die Kazel sich ebenfalls nicht erinnern würde. Aber sie war schon ein absoluter Ausnahmefall gewesen. Celcia würde sie vermissen, aber nicht vergessen. In Andunie gab es nun einen Stein, damit man ihr Gedenken konnte, ohne sich über Details des Vorfalls zu erinnern. Doch der Stein würde der alten Goblindame nicht gerecht, solange man sich bei bloßer Berührung nicht ein Dutzend Krankheiten holte und solange das Bildnis nicht über Meilen hinweg gegen Venthas Seebrise anstinken konnte. Ja, Kuralla stellte wahrlich eine Ausnahme dar, Elodi nicht. Sie wirkte herrlich normal und das konnte man keineswegs negativ auslegen! Kazel musterte sie etwas genauer, wenn auch mit weniger Neugier als es in ihren Augen leuchtete. Ihre Haut war rosig und gesprenkelt von Sommersprossen. Seine eigene wies keine solchen Akzente auf, auch wenn man deutlich erkannte, dass er Mischblut in sich trug. Alles in allem machte Kazel dennoch einen ... dunkleren Eindruck als sein Gegenüber. Haare und Kleidung gingen in einem ähnlichen Farbton einher, hätte er noch seine eigenen Sachen getragen. Als ihm klar wurde, dass er nicht mehr seine schwarze Tunika - woher auch immer sie stammte - an hatte, sondern ein viel zu weites Hemd, drängte sich ihm eine Erkenntnis auf. Elodi musste ihn umgezogen, vielleicht auch gewaschen haben ... überall? Röte schoss Kazel ins Gesicht. Er senkte beschämt den Blick. Außerdem begann er zu stammeln, brachte nur indirekt heraus, weshalb er plötzlich so peinlich berührt schien. Dass Elodi sein Gebaren amüsant, wenn nicht sogar niedlich ansah, bemerkte er nicht. Zum Glück nicht, ansonsten wäre ihm wohl nur noch mehr Blut in den Kopf geschossen. Sie wusste, mit der Situation umzugehen, versuchte gar sie abzumildern: "Ich bin eine Feldschwester, mach dir also darüber keine Gedanken!"
"Feldschwester?" Es wirkte. Abegelenkt richtete Kazel den Blick wieder auf Elodi. Sie aber wandelte an ihm vorbei und öffnete eine der Türen. Der Blick gab einen Raum frei, den man als rustikales Badezimmer bezeichnen konnte. Kazel mochte in seinem früheren Leben im morgerianischen Adel aufgewachsen sein, aber seine Flucht in den östlichen Teil Celcias damals hatte eine seiner Eigenschaften nur schneller und intensiver hervogehoben: Er war genügsam. Niemals hatte er sich etwas auf seinen gebürtigen Stand eingebildet. Ha! Der war ohnehin nicht so vorhanden gewesen bei jemandem mit Mischblut. Inzwischen würde es auch keine Rolle mehr spielen. Kazel Tenebrée, letztes Kind des Hauses Tenebrée, gab es nicht mehr. Er war nur noch Kazel, ohne Erinnerungen an den blauen Anteil Blut in seinen Adern. Sein Wissen beschränkte sich darauf, dass er seine Familie im Zwist verlassen und auch hinter sich gelassen hatte, wie so vieles. Er erwartete nicht, sie jemals wiederzusehen. Ebenso wenig hatte er hinter der hölzernen Tür dieser Kate nun eine Porzellanwanne mit goldenen Füßen und temperiertem Wasser erwartet. Aber ihn überraschte und erleichterte es auch, seine schwarze Tunika an einer Leine hängen zu sehen. Eine sanfte Brise strömte durch das offene Fenster, ließ die Vorhänge leicht tanzen und trocknete den Stoff seiner Kleidung.
"Du kannst dich hier in aller Ruhe waschen. Wenn du warmes Wasser möchtest, müsstest du allerdings ein wenig warten." Kazel winkte ab. "Ich werde dir keine weiteren Umstände bereiten. Der Zuber allein ist großartig. Ich dachte schon, ich kann nun zum nächsten Fluss gehen." Er schmunzelte. Es stand ihm gut.
Elodi überreichte Kazel derweil frische Kleidung und erklärte, von wem sie ihn hatte. Erneut fiel der Name Tarek, den er in seinem Halbschlaf schon aufgegriffen hatte. Kazel konnte ihm nur noch kein Bild zuordnen, lediglich eine Stimme. Er behielt im Hinterkopf, Elodi nach Tarek zu fragen. Aber das konnte er nach dem Bad tun. Mit einem Kopfnicken stimmte er ihrem Vorschlag zu, später zu reden. Er sollte sich erst einmal frisch machen und das tat er. Kazel nahm die Ersatzkleidung entgegen, schloss dann die Tür hinter sich und zog nach kurzem Zögern die Vorhänge zu. So würde seine Tunika zwar länger zum Trocknen brauchen, aber noch mehr Blicke auf seinen Körper wünschte er nicht. Erneut schoss ihm der Gedanke in den Kopf, dass Elodi möglicherweise alles an ihm bereits erkundet haben könnte. Es half nicht, dass sie einer medizinischen Tätigkeit nachging. Sie war ... eine Frau und er ein Mann. Im Grunde und mit Blick auf elfische Mentalität sogar noch eher ein Kind! Ein Pubertierender!
Kazel atmete tief durch und zeigte sich für den Moment sogar froh, ein Bad in kaltem Wasser nehmen zu können. Die Seife wusch nicht nur seine Scham, sondern auch alten Schweiß vom Körper. Er nahm sich Zeit und versuchte auch, sein Haar etwas zu bändigen. Sicherlich fand er irgendwo ein Stück Schnur, ein Stoff- oder Lederbändchen, um sich die schwarze, feuchte Pracht nach der Waschung im Nacken zusammenzubinden. Er strich sich auch am Kiefer entlang. Zwei Tage ... dennoch spross bei ihm nicht ein Haar. Es war das elfische Blut, das ihm eine Rasur ersparte. Trotzdem hätte er gern einen Blick in einen Spiegel geworfen. Tatsächlich entdeckte er einen an der Wand und warf einen Blick auf den Mann darin. Er sah einen Elfen, eindeutig Mischling. Er sah sich selbst, aber seine Hoffnung auf mehr schwand bei dem Anblick. Kazel musterte lediglich sein Abbild, ohne Einzelheiten des Vergangenen von seinem gezeichneten Gesicht ablesen zu können. Er besaß leichte Schatten um die Augen, obwohl er durch das Fieber definitiv genug Schlaf erhalten hatte. Trotzdem schien ihn dieser dunkle, natürliche Schatten fortan zu begleiten. Das Blau seiner Augen stach dadurch nur intensiver hervor und er betrachtete es sich lang. Eine gewisse Schwere lag in seinem Blick, der er keinen Grund zuordnen konnte. Trotzdem war sie abzulesen, aber er fühlte sich eigentlich gut. Überhaupt fiel ihm auf, dass er im Allgemeinen wohl eher ernst aussah. Manche fühlten sich von einem solchen Ausdruck angezogen, manche verschreckte es. Er hingegen sah es als neutral an. Versuchsweise lächelte Kazel vor dem Spiegel und stellte fest, dass ihm auch diese Mimik gefiel. Sein Körper weigerte sich lediglich, grundlos breit vor sich hinzugrinsen, aber er konnte das akzeptieren. Es fiel ihm stattdessen schwerer, die große Lücke in seinem Geist hinzunehmen.
Was ich wohl alles zurückgelassen habe? Er erinnerte sich an Schicksals Worte, dass er alles zurückhaben könnte, würde er es zu stark vermissen. Das bedeutete aber auch, seine Rolle als des Gevatters Geselle aufzugeben. Diese Pflicht war wichtig für Celcias Gleichgewicht, folglich wahr sie Kazel wichtig. Er konnte nicht einschätzen, ob die Erinnerung an seine Vergangenheit das aufwog. Er vermisste ... nichts.
Da es nicht half, über Unwissen zu spekulieren, schüttelte er die Gedanken ab wie die Tropfen nach seinem Bad. Er trocknete sich und zog Tareks Kleidung über, da Elodi Recht behielt. Seine Sachen würden noch brauchen. Sobald er mit dem Bad fertig war, legte er seine Hose in den Bottich mit dem Waschbrett. Nicht, um Elodi still anzuweisen, auch noch seine Hose zu waschen! Das machte er selbst, aber erst später. Jetzt wollte er einige Dinge klären.
In Tareks viel zu weite Sachen gekleidet - die Hose hielt glücklicherweise ein schlichter Gürtel auf richtiger Höhe - öffnete Kazel nach einer Weile wieder die Tür und verließ das Badezimmer. Er kehrte in die Wohnstube zurück. Seine Augen sondierten den Raum auf der Suche nach Elodi. Noch ehe er sie möglicherweise entdecken konnte, fing er ein Gespräch an: "Ist Tarek schlecht auf mich zu sprechen wegen der geliehenen Kleidung, dass er mich Prinzessin nannte?" Kazel bemerkte das für ihn zubereitete Frühstück und sein Magen zog sich vorfreudig zusammen, um auf sich aufmerksam zu machen. Essen, sofort! Etwas Anderes würde sein Körper nun nicht zulassen. Also setzte sich der Mischling vor seine Mahlzeit und begann zu essen. Dazwischen aber sprach er in Abständen weiter. "Wir sind uns also ähnlich? Dann ... bist du Gesellin des Schicksals?" Endlich sprach er ihren Namen aus. Das hatte weniger mit Vertrauen als vielmehr mit der Tatsache zu tun, dass Elodi sie und Tod in einem Atemzug schon erwähnt hatte. Außerdem erinnerte Kazel sich daran, dass sie einen Vorwand erwähnte, um irgendwelchen Dorfbewohnern - vermutlich von dieser Siedlung im Grasland hier - seine Anwesenheit zu erklären. "Was hast du den Dörflern erzählt? Ich bin kein Mensch, wir sind nicht unbedingt verwandt. Ich möchte mich abstimmen, damit es keine Probleme gibt. Und dann ... ich ... weiß immer noch nicht, was jetzt zu tun ist. Soll ich einfach hier sitzen und auf Tod warten?" Auf seinen Meister, nicht auf den Tod an sich. Er hatte nicht vor zu sterben, nachdem Elodi ihn offenbar sehr aufopferungsvoll gepflegt hatte. Aber es musste schon seinen Grund haben, dass er sich nun in ihrer Obhut befand. Sie sollte ihm laut Schicksals Aussage hin helfen, doch wobei? Das Handwerk eines Schnitters lernte er garantiert eher vom Gevatter selbst. Jener hatte ihm schließlich schon einige Dinge gezeigt. Kazel wusste, dass er eine Seele vom Leib des Toten mit seinem Sensendolch getrennt hatte. Er wusste wie es funktionierte und dass er sich vorher die Kutte des Gevatters überstreifen musste, um auf dieses Werkzeug und weitere zugreifen zu können. Dieser Teil seiner Erinnerung war geblieben. Elodi würde ihm folglich kaum etwas über die Lehrzeit zum Sensenmann beibringen. Nun regte sich auch erste Neugierde in Kazel. In welcher Form würde sie ihn an die Hand nehmen und begleiten? Was musste er nun wissen, um den Wünschen anderer gerecht zu werden? Was musste er tun, bis der Gevatter erneut an ihn herantrat? Er hoffte, sie würde ihm diese Fragen beantworten.
Und dann muss ich einen Unterschlupf finden. Ich kann unmöglich weiterhin ihr Bett beanspruchen, geschweige denn ihre Zeit! Denn wenn Kazel eines wusste, dann war es, dass Lebenszeit kostbar war.
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Re: Neuanfang

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 22. Mai 2024, 22:44

Kazel hatte mit seinen Erinnerungen auch alle Lasten und seelische Schmerzen abgegeben. Seine Neutralität war eine Chance, auch wenn man nicht behaupten konnte, dass alle unliebsamen Erfahrungen etwas grundlegend Schlechtes waren. Auch aus Schmerz, Lasten und anderen negativen Gefühlen konnte man lernen – sie waren auch wichtig und gehörten zum Leben dazu!
Derzeit war Kazel einem unbeschriebenen Blatt ähnlich, doch er würde neue Erfahrungen sammeln und dazugewinnen. Seine Neutralität und auch seine besondere Position als Geselle, würden ihm allerdings eine andere Basis bieten. Anders als damals, wo er auf sich gestellt, getrieben und gejagt von schlechten Erfahrungen und Erinnerungen neu anfangen und herausfinden musste, wer er war! Zwar mochte es sich für den Mischling derzeit so anfühlen, als hätte er keinen Platz, an den er gehören würde, doch dem war nicht so! Kazel war Tods Geselle und damit schon zu Teilen ein Wesen der anderen - der ewigen Seite. Einer Seite, zu der er weiter gehören wollte, die er selbst gewählt hatte!
Auch, wenn sich Tod und Schicksal bislang nicht mehr gezeigt hatten ließ man ihn in seinem Zustand nicht alleine. Nun stand er vor der Hilfe, die man ihm zugesagt hatte und betrachtete eine junge Frau, offenbar menschlicher Abstammung. Wer Elodi wirklich war würde er noch herausfinden müssen, doch wirkte es nicht so, als würde sie ihm bereits beim Kennenlernen große Steine in den Weg legen. Sie war offen, wirkte freundlich und ja, irgendwie fröhlich. Ziemlich… normal für einen Lehrling eines höheren Wesens. Doch wer wusste schon, wie Kazel auf sie wirken würde? Vielleicht war auch er in ihren Augen normal! Elfen und auch Mischlinge waren immerhin auch keine Seltenheit auf Celcia. Dennoch funkelte verborgene Neugierde in ihrem blauen Blick, was vermutlich damit zusammenhing, dass sie das erste Mal einem anderen Gesellen begegnete. Wenn er sich an Schicksals Worte erinnern würde, würde die Grenze, die von ihm verlangt wurde, sicher auch für sie gelten. Ob für sie dieselben Regeln gelten würden?
In diesem Moment machte er sich noch keine Gedanken darüber. Kazel beschäftigte es vielmehr, ob sie ihn im Zuge der Pflege gewaschen und umgekleidet hatte. Die Vorstellung behagte ihm nicht so recht. Auch nicht, als sie ihm offenbarte, dass sie solche Tätigkeiten gewöhnt war!
„Feldschwester?“ fragte er nach, woraufhin sie leicht nickte. „Ich gehörte einer Gruppe von Frauen an, die durch das Land reisen und sich der medizinischen Versorgung in Not geratener widmen. Vor fast zwei Jahren trennte ich mich allerdings von ihnen, als mich Schicksal… fand, aufsuchte… was auch immer man dazu sagen möchte!“ Sie hob kurz die Schultern und lächelte in an. Dann erhob sie sich und zeigte ihm den Waschraum. Sein Blick fiel auf seine Tunika, die er ohne Schwierigkeiten als sein Eigentum erkennen konnte. Wie Elodi erwähnt hatte, trocknete sie an einer Leine und schwang sachte, noch beschwert von der Feuchtigkeit, hin und her.
Sie bot ihm auch warmes Wasser an, was er jedoch ablehnte. Sein Argument, dass er ihr nicht noch mehr Umstände bereiten wollte, wischte sie allerdings mit einer winkenden Handbewegung weg.
„Das hätte ich gar nicht erlaubt, so kalt, wie das Wasser noch ist“, meinte sie und schien sich kurz zu fragen, ob Kazel vielleicht auch die Jahreszeit vergessen hatte – oder, ob er aus einem warmen Teil des Landes hergebracht worden war. Weltliche Entfernungen spielten immerhin für die ewigen Entitäten keine Rolle! Innerhalb eines Wimpernschlags konnten sie von Sarma nach Zyranus und wieder zurückreisen, wenn sie wollten. Sie schien nicht zu wissen, woher Kazel gekommen war – vermutete aber wahrscheinlich Kata Mayan.
„Nun gut, das Wasser im Zuber sollte noch nicht zu kalt sein. Vermutlich erfrischt es dich sogar nach dem Fieber!“ Elodi schien pragmatisch veranlagt zu sein, aber sie bemerkte durchaus wohlwollend, dass Kazel zu der rücksichtsvolleren Sorte gehörte. Dennoch schien sie nicht zu wollen, dass er sich bei ihr unwohl fühlte.
Als er schmunzelte schien daher auch von ihr eine kleine Sorge abzufallen. „Du warst bisher einer meiner pflegeleichtesten und genügsamsten Patienten!“, versuchte sie ihn dennoch zu beruhigen, ehe sie ihm seine Ruhe gönnte und sich um ein Frühstück kümmerte.

Kazel konnte sich Zeit mit dem Bad lassen, denn Elodi würde ihn nicht stören. Viel Zeit sich zu sammeln hatte er immerhin noch nicht gehabt, seitdem er aufgewacht war.
Während er sich entkleidete ließ der Mischling seine Gedanken wandern und suchte nach irgendwelchen Erinnerungsfetzen. Doch er musste erkennen, dass er sich wirklich nur an grundlegende Dinge erinnern konnte. Es war merkwürdig und erleichternd zugleich. Kazel wusste, dass er etwas zurückgelassen hatte, doch empfand er keinen Schmerz, weil er sich nicht an das Was oder das Wen erinnern konnte.
Das kühle Wasser fühlte sich auf seiner Haut, die sich vor einigen Stunden noch heiß und beklemmend angefühlt hatte, wundervoll an. Tatsächlich war der Waschraum nur mit dem Nötigsten ausgestattet und weit entfernt vom Begriff luxuriös, doch war alles da, was er benötigen würde. Auch ein Kamm lag auf einem kleinen Tuch unterhalb des Spiegels bereit. Selbst ein Rasiermesser und zwei Scheren, mit denen eindeutig Haare geschnitten wurden, konnte man finden. Vermutlich gehörten sie zu der Ausstattung einer Feldschwester mit dazu, auch wenn solche Gegenstände in jeden guten Haushalt gehörten.
Im Wasser kehrten seine Gedanken kurz zu Elodi zurück. Ihn ließ der Gedanke nicht los, dass sie vermutlich mehr von seinem Körper gesehen hatte, als ihm angenehm war. Prüde war er nicht, aber schon ein wenig schüchtern. Zumindest konnte er nicht anders empfinden. Er war immerhin ein junger Mann und sie… eine nicht unansehnliche Frau. Zwar gehörten sie nicht derselben Rasse an, so dass sich Alter und Reife trotz ähnlicher Zahlen unterscheiden könnten, doch selbst dann würde die Spanne nicht zu weit auseinanderdriften. Kazel könnte sich nicht daran erinnern, ob er bereits mit jemandem intim geworden war, denn solche Erinnerungen wären an diese Person/en gebunden. Ob Elodi ihn berührt hatte? Vermutlich, denn die Chance, dass sie ihn gewaschen hatte war groß!
Die junge Frau schien sich dabei nichts zu denken, was sicher mit ihren beruflichen Erfahrungen zu tun hatte. Eine Feldschwester hatte sicher schon sehr viel gesehen und hätte Kazel von dem Überfall auf Zyranus gewusst, hätte er vermuten können, dass sie bei dieser Schlacht anwesend gewesen war – wenn auch mehr am Rand des Geschehens.
So oder so machte ihn die Vorstellung ein wenig … nervös!
Nach dem Bad betrachtete sich Kazel in dem Spiegel, der bereits recht alt und nicht gerade hochwertig wirkte. Dennoch erfüllte er seinen Zweck, wenngleich auch ein paar Trübungen an den Rändern das Gesamtbild beeinträchtigte.
Das erste Mal nach dem Ablegen seiner Erinnerungen betrachtete sich der Mischling im Spiegel. Das Abbild zeigte ihm einen jungen Mann, der einerseits wusste wer er war, doch gleichzeitig es auch noch herausfinden musste. Es war schlichtweg merkwürdig. Doch löste der Anblick kein Unbehagen aus. Kazel könnte sich durchaus mit sich zufrieden fühlen. Er sah keineswegs schlecht aus und entdeckte selbst, dass sein Lächeln, wenn er es denn zeigte, zu bestechen verstand. Seine Augen waren von einem intensiven Blau, das an die seiner Gastgeberin erinnern könnte, doch gleichzeitig waren sie auch hier im Ton ein wenig dunkler. Optisch standen Kazel und Elodi im Gegensatz.
Kazel sah, dass er ein Mischling war, doch das Leid, das er durch diesen Umstand erlebt hatte, war größtenteils vergessen. Er wusste zwar, dass Mischlinge es teilweise nicht leicht auf Celcia hatten, noch weniger in Morgeria – und dass auch er mit Vorurteilen und Schmerz ausgesetzt worden war – die Narben auf seinem Rücken sprachen immerhin eine eindeutige Sprache und waren nicht verschwunden. Doch empfand er nicht mehr dieselbe Last und den Schmerz, wie früher. Als hätte er mit diesem Kapitel abschließen können.
Er würde den Kazel, dem er nun im Spiegel in die Augen blickte, selbst neu kennenlernen müssen!
Nachdem er sich angekleidet hatte und in etwas großen Sachen zurück zu Elodi kehrte, erhielt er sofort die Aufmerksamkeit zurück, die sie ihm zuvor geschenkt hatte. Noch immer war sie nicht aufdringlich, schenkte ihm lediglich ein Lächeln, als er aus der Waschkammer trat, denn sie war noch mit den letzten Handgriffen für das Frühstück beschäftigt. Dennoch begann er bereits ein Gespräch:
„Ist Tarek schlecht auf mich zu sprechen wegen der geliehenen Kleidung, dass er mich Prinzessin nannte?“, fragte er, woraufhin sie kurz innehielt und stutzte. Dann schien sie zu verstehen, dass er zu diesem Zeitpunkt, an dem die Bemerkung bereits gefallen war, schon wach gewesen sein musste.
„Nein, mach dir da keine Gedanken. Auch nicht, dass er dir irgendwelche Spitznamen gibt. Das tut Tarek bei jedem, denn er gibt sich nicht die Mühe sich Namen zu merken.“, erklärte sie und schüttelte, offenbar bei dem Gedanken an Tarek kurz mit dem Kopf.
„Er ist kein schlechter Kerl, aber etwas anstrengend. Geh‘ auf seine Provokationen am besten gar nicht ein und ignorier so ein Verhalten. Mich hat er auch über 2 Wochen mit irgendwelchen Namen geärgert, aber als ich anfing den Spieß umzudrehen und es ihm gleichtat, hat er sich meinen Namen dann doch irgendwann gemerkt“, erzählte sie schmunzelnd und sah vom Zerkleinern von Schnittlauchstängeln auf, die sie in eine Pfanne streute.
Auf dem kleinen Tisch war ein wenig Ordnung gebracht worden, sollte er sich diesen betrachten. Eingedeckt mit Tellern aus einfacher Keramik konnte Kazel bereits einen kleinen Flechtkorb mit frisch aufgeschnittenem Brot erkennen, dessen Duft den Raum erfüllte. In einer weißbemalten und mit kleinen blauen Blümchen verzierten Schale lagen ein paar Äpfel, daneben lag ein Holzbrett auf dem sich geräucherte Wurst, etwas Käse und sogar ein paar Tomaten befanden, die vermutlich vom Markt in Zyranus stammten. Denn hier würden diese wohl derzeit kaum ohne magischen Einfluss wachsen.
Elodi, deren Wange und Kleidung noch immer leichte Spuren von Mehlstaub trugen, trat mit einer Pfanne an den Tisch und häufte auf beide Teller eine Portion Rührei – wobei seine Portion deutlich größer ausfiel. Der kleingehackte Schnittlauch blitzte dabei frisch durch die noch dampfende Masse.
„Bedien dich! Nur keine falsche Scheu“, lud sie ihn ein, als er sich an den Tisch setzte. Sie selbst nahm ihm gegenüber Platz und lächelte zufrieden, als sie sah, dass er sich nicht zurückhielt.
„Wir sind uns also ähnlich? Dann ... bist du Gesellin des Schicksals?“, fragte er dennoch zwischen den Bissen. Die Rothaarige griff nach einer Brotscheibe und schaufelte ein wenig des Rühreis als Belag darauf.
„Genau, seit fast zwei Jahren lerne ich von ihr“, gab sie zu und lächelte leicht, froh darüber, dass sich ein flüssiges Gespräch zu entwickeln schien.
„Ich muss gestehen, dass ich überrascht war zu hören, dass Tod einen Gesellen besitzt! Die paar Male, in denen ich ihm begegnet bin, war er stets alleine und nicht besonders gesprächig!“ Sie beugte sich zu einem Krug, der mit Wasser gefüllt war und schenkte Kazel, wie auch sich selbst ein wenig Wasser in die bereitstehenden Becher ein. Kurz schien Elodi in einer Erinnerung gefangen zu sein, denn ihre Schultern zuckten unter einem kleinen stummen Lachen.
„Ich hoffe du nimmst es mir nicht übel – ich war doch ganz schön erleichtert, dass du nicht nur aus Knochen bestehst!“ In Elodis Augen blitzte ein gewisser Schalk. Sie schien die Stimmung weiter heiter halten zu wollen – vielleicht auch, um herauszufinden, wie er so war.
„Als ich dem Gevatter das erste Mal begegnete erschrak ich dermaßen, dass ich glaubte, er könne mich direkt mitnehmen! Man bekommt im Leben ja doch ein recht düsteren Bild vom Tod aufgezeigt. Zum Glück hat sich dieses nicht bewahrheitet!“ Sie betrachtete Kazel kurz, ehe sie einen Bissen von ihrem Brot nahm. Als dieser runtergeschluckt war nahm sie noch einmal den Faden des Gesprächs auf.
„Wie lange bist du schon sein Geselle?“, fragte sie und hoffte, dass ihre Annahme, dass er sich daran erinnern würde, richtig war.
Das Frühstück verlief recht gemütlich und sie schienen ein wenig Zeit zu haben, sich kennenzulernen. Kazel bekam die Gelegenheit seinen Magen zu füllen und ein paar der Fragen loszuwerden, die sich ihm bereits stellten.
„Was hast du den Dörflern erzählt? Ich bin kein Mensch, wir sind nicht unbedingt verwandt. Ich möchte mich abstimmen, damit es keine Probleme gibt. Und dann ... ich ... weiß immer noch nicht, was jetzt zu tun ist. Soll ich einfach hier sitzen und auf Tod warten?“, fragte Kazel nach einer Weile und wurde vermutlich dadurch eine wichtige Frage los. Die junge Frau ihm gegenüber begegnete den Fragen offen gegenüber und schien froh zu sein, dass er sich bereits einen Weg zu suchen begann, wie er hier anfangen oder allgemein weitermachen könnte.
„Ich erzählte ihnen, dass du der beste Freund meines verstorbenen älteren Bruders warst und du mich seither begleitest, weil wir beide keine andere Familie besitzen.“, erklärte sie und sah ihn daraufhin etwas aufmerksamer an. „Ich hoffe… es ist dir nicht zu unangenehm, dass ich uns eine geschwisterähnliche und mehrjährige Beziehung angedichtet habe. Das würde erklären, dass wir beide hier wohnen und immer wieder zusammen zu sehen sind. Ich dachte, dass es dir helfen würde. Die anderen Männer werden dir dadurch nicht vollkommen misstrauisch gegenübertreten.“ Weiterhin schien sie auf jede seiner Reaktionen zu achten, kam dann aber auf den Gedanken, dass ihm noch Kontext zum völligen Verständnis fehlen würde.
„Das Dorf, in dem wir uns befinden entsteht gerade ganz neu und ist noch im Aufbau. Ich weiß nicht, ob du dich erinnern kannst, oder ob du davon etwas weißt, aber die Stadt Zyranus wurde von einer gemeinsamen Armee aus dunklen Völkern und grandessarischen Soldaten bestehen, belagert und angegriffen. Angeführt worden waren diese von einem Dämon … Asmodeus?“ Sie sah Kazel fragend an, ob der Name ihm etwas sagen würde, ehe sie fortfuhr.
„Nun… ich will jetzt nicht genauer ins Detail gehen. Asmodeus wurde besieht und die Armee zerschlagen. Einige Männer von dieser, aber auch ein paar Zyraner und Bauern der Umgebung beschlossen dann allerdings aus dem Unglück eine Chance für einen Neuanfang entstehen zu lassen. Sie schlossen sich mit den Vorhaben friedlich beisammen zu leben zusammen und dieses Dorf – die Graslandsiedlung zu erbauen. Ich kam mit einigen anderen Feldschwestern aus Santros her, um die Verletzten der Schlacht zu versorgen. Nachdem die Belagerung aufgegeben worden war, zogen die meisten Feldschwestern weiter. Ich blieb, um den Aufbau zu unterstützen und mich um die Verletzten, die sich diesem Projekt anschlossen, zu kümmern.“ Nun wusste Kazel vermutlich, warum er hierhergebracht worden war. Die Erwähnung der Schlacht war kurz ausgefallen, doch glaubte sie ihn mit mehr Details zu verwirren und schlussendlich sollte er erst einmal nur wissen, wieso er überhaupt hier war.
„Schicksal und Tod beschlossen wohl, dass dies auch für dich ein geeigneter Ort für einen Neuanfang wäre. Soweit ich das richtig verstanden habe, sollst du jetzt erst einmal ankommen und dich neu zurechtfinden. Wir unterstützen den Aufbau und die Dorfbewohner. Tod wird sich mit dir sicher noch in Verbindung setzen…“ Wie, als hätte der Gevatter die beiden verborgen beobachtet, erklang plötzlich dessen Stimme in Kazels Kopf.
Als würde ich dich hier ohne weitere Erklärungen zurücklassen! Du weißt doch hoffentlich noch, wie du mich erreichen kannst? Die Stimme des Gevatters klang wie immer monoton, doch waren die Worte so gewählt, dass man einen gespielten Vorwurf heraushören konnte.
Elodi hatte noch weitergesprochen, doch schien sie dann bemerkt zu haben, dass Kazel mit seiner Aufmerksamkeit und seinen Gedanken nicht mehr bei ihr war. Anders als andere, schien sie jedoch nicht sofort von einer unhöflichen Behandlung auszugehen. Vielleicht konnte sie Schicksal ja auf dieselbe Weise hören, wie Kazel seinen Meister.
Ich bin froh, dass es dir besser geht! gab der Gevatter nach einem kurzen Moment Stille zu, jedoch nicht ohne hinzuzufügen: Auch, wenn ich mir keine Sorgen, um ein weiteres Ableben deinerseits, machen musste. Als Verwalter der Lebenszeit wusste Tod immerhin wann ein Leben in Gefahr war.
Elodi beäugte Kazel noch kurz, ehe sie sich auf ihr Frühstück konzentrierte. Vermutlich vermutete sie, dass sie gedanklich nicht länger mit dem Mischling alleine war. Je nachdem, was Kazel nun sagte oder fragte, würde Tod auf diese Fragen eingehen, aber er würde ihm auch so erklären, was nun von ihm erwartet wurde.
Schicksals Gesellin hat es ja bereits erwähnt. Bleib vorerst mit ihr in diesem Dorf und unterstütz die Arbeiten, lerne das Leben neu kennen, aber behalte im Auge, dass du eine emotionale Grenze zu den Sterblichen wahrst. Deine und Elodis Arbeit wird sich in Zukunft sicher teilweise vermischen… oder überschneiden. Sie wird es dir genauer erklären können, wenn es soweit ist!, erklärte der Gevatter ihm gedanklich und ließ erneut eine kurze Pause eintreten, so dass es schon so wirkte, als wäre er wieder fort.
Die Geschehnisse in diesem Dorf und der Umgebung werde ich nach ein paar Tagen dir überlassen. Das bedeutet auch das Überführen der Seelen von Verstorbenen! Es treiben sich noch einige verirrte Seelen herum, die ihren Tod nicht akzeptieren können. Aber nimm dir dennoch Zeit dich hier erst einmal zurechtzufinden. Schicksal und ich haben beschlossen, dass du mit Elodi vorerst zusammenarbeiten und lernen sollst. Damit hast du jemanden an deiner Seite, mit dem du dich stets austauschen kannst. Außer natürlich, dir missfällt dieses Vorhaben!? Der blaue Blick von Elodi hob sich kurz und sie sah Kazel mit einem kleinen Lächeln abwartend an.
„Tod?“, fragte sie stumm und nur mit der Formung ihrer Lippen.
Ich denke, dass ihr euch gut unterstützen könnt. Und zu deinem Glück scheint sie ihrer Meisterin in Sachen Bissigkeit nicht zu ähneln oder nachzueifern!, kommentierte er trocken, doch irgendwie auch mit einem stummen, selbstironsichen Homor.
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Re: Neuanfang

Beitrag von Kazel Tenebrée » Freitag 24. Mai 2024, 21:47

Man sollte meinen, dass jemand in Kazels Position ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl vermissen könnte. Schließlich hatte er nicht nur nahe alle Erinnerungen und Verbindungen zu seinem früheren Leben aufgegeben, sondern fand sich zudem in einem ihm gänzlich fremden Gebiet und ohne eine Aufgabe, die ihn nun antreiben würde. Natürlich gab es noch immer Gevatter Tod, die Erinnerung an ihn und seine Pflichten als dessen Lehrling, aber derzeit hielt sich alles Tote fern von ihm. Sein Meister käme noch früh genug auf ihn zu. Bis dahin konnte Kazel sich erst einmal zurecht finden. Tatsächlich fühlte er sich aber lange nicht so verloren wie in den meisten Teilen seines vorherigen Lebens. Nie hatte er einen Platz als den seinen angesehen, niemals ein Gefühl von Heimat und Sicherheit besessen. Ihm mussten erst der Gevatter mit seiner beruhigenden Todeskälte begegnen und Janay, an deren Seite er auf liebevolle Weise eine Heimat fand. Janay wer? Kazel würde sich nicht an sie erinnern, selbst wenn sie schön und schwanger vor ihm stünde. Da war nichts mehr. Den Tod aber hatte er nicht vergessen. Das zarte Band zwischen Lehrling und Meister bestand fort. Es spendete ihm Sicherheit und doch ... auch ohne den Schnitter in seinem Rücken fühlte er sich derzeit nicht allein. Elodi war hier und sie zeigte sich sehr eifrig darin ihn ankommen zu lassen. Es war aber nicht einmal das, welches ihm ein Gefühl gab, ein legitimer Teil Celcias zu sein. Es war die Tatsache seiner durch Gedächtnisverlust erhaltenen Neutralität. So dachte Kazel nicht einmal daran, dass er als Mischling nicht überall gern gesehen wäre. Er dachte nicht daran, dass Dunkelelfen ihn ob seines unreinen Blutes als minderwertig verbuchten, während die eldorischen Elfen, zu denen er väterlicherseits gehörte, ihn mieden, gerade weil ein Teil von ihm so dunkel war. Es kam ihm nicht einmal in den Sinn, somit schufen sich auch keine Zweifel, ob man ihn stets aus der Gesellschaft ausschließen können wollte. Hier half Elodi dann doch ein wenig mit. Ihre offene, neugierige Art unterstütze Kazel in der Sicherheit, Willkommen zu sein. Außerdem war da noch mehr. Sie waren sich ... ähnlich, wie sie sagte. Also gehörte er doch zu jemandem. Zu ihr? Nein, zu ihrer kleinen Gemeinschaft als Gehilfen zeitloser Entitäten, um das celcianische Gleichgewicht zu wahren. Für Kazel als Geselle des Todes stand seine Aufgabe fest. Er musste dafür sorgen, dass Leben und Tod einander die Waage hielten. Elodi aber war...
Kazel dachte über ihre Worte nach, während er das Bad nahm. Schicksal hatte sie gefunden, während sie mit einer Gruppe medizinisch versierter Frauen das Land bereiste, um Hilfe zu leisten. Die Gedanken huschten eine Weile durch den Kopf des Mischlings, auch als er sich selbst im Spiegel betrachtete. Dann aber lenkte ihn sein eigener Anblick etwas ab. Kazel stellte fest, dass ihm seine Haare zu lang waren für seinen persönlichen Geschmack und das ließ ihn stutzen. Er erinnerte sich nicht an die Zeit, als sie die Möglichkeit hatten, ihn bis knapp zu den Schultern zu reichen, doch er wusste sehr genau, dass er sie bevorzugt kürzer trug. Bis maximal zu den Ohrläppchen, das war schon immer seine Frisur gewesen. Seltsam, dass ich genau so etwas noch im Kopf habe.
Zwar entdeckte er neben Kämmen und Bürsten auch Scheren, entschied sich jedoch dagegen, sie zu nutzen. Zumindest nicht jetzt, denn er wollte Elodi auch nicht warten lassen. Ergäbe sich im Laufe des Tages die Gelegenheit, seine Mähne etwas zu stutzen, würde er es tun. Vielleicht auch am Morgen bei der nächsten Wäsche. Jetzt hielt er sich nur damit auf, kleine Knoten aus dem Schwarz zu bürsten und es anchließend eben mit einem Band zu einem kurzen Zopf im Nacken zu bündeln. Das musste ausreichen. Gebadet, frisch gemacht und ein wenig herausgeputzt, soweit es die Optionen zuließen, kehrte er wenig später in die Wohnstube zurück und nahm zusammen mit der Menschenfrau eine Mahlzeit ein. Sie hatte reichtlich aufgetischt, dass es Kazel schon einem Festmahl gleichkam. Er war hungrig, aber so viel könnte er auf einen Schlag gar nicht vertilgen, ohne Magenschmerzen zu bekommen. Außerdem war es ihm irgendwie unangenehm, ihre Vorräte derart anzuzapfen. Zögerlich angelte er nach einem Stück Brot. Elodi musste es aufgefallen sein, denn sie forderte ihn dast schon auf, nicht so bescheiden zu sein!
"Bedien dich! Nur keine falsche Scheu."
"Du machst dir viel zu viel Arbeit, aber ... Danke", murmelte er. Dann griff er jedoch beherzter nach einem der Äpfel, auch wenn er ihn nicht sofort aß. Zum Rührei passte er ja nicht direkt. Kazel legte ihn sich nur bereit. Er sollte ein Nachtisch sein und irgendwie freute er sich am meisten darauf. Etwas kitzelte in seiner nicht mehr vorhandenen Erinnerung. Er konnte es nicht greifen, denn es war ihm nicht mehr zugänglich, aber irgendwie wusste er, dass er den Apfel mögen würde. Wahrscheinlich liebte er ihn sogar, wäre er aus einer der andunischen Plantagen, denn die Stadt war nicht grundlos für den besten Apfelwein bekannt. Die Qualität ihrer Früchte gab es kein zweites Mal. Jener hier würde Kazel wohl ordentlich schmecken, aber nicht die Liebe und erst Recht nicht das Nostalgische hervorrufen an eine Zeit, in der er sich heimlich aus der Stillen Ebene bis an den Rand der Höfe geschlichen und dort Äpfel gestohlen hatte. Sie waren die beste Beute, der er auch über das nötige Überlebensmaß hinaus nicht immer widerstehen konnte. Dass es sich hier nun nicht um einen andunischen Apfel handelte, enttäuschte ihn gewiss nicht. Allein, dass Elodi ihn anbot, war schon Grund genug zur Freude. Sie bemühte sich redlich um Kazel und er schätzte es wert, wenngleich auch nicht offen ausgesprochen. Sie würde zwischen den Zeilen lesen, vor allem aber seine Mimik studieren müssen. Wann immer Kazel einen Bissen nahm, stahl sich ein Lächeln in seine Mundwinkel. Bei dem Brot schloss er sogar genüsslich die Augen, schnupperte vor dem zweiten Happen davon noch einmal an der Kruste und drohte, selbst einen kleinen Mehlfleck auf die Nasenspitze zu bekommen. Im letzten Moment aber schob er sich das Stück lieber in den Mund.
Als sein erster Hunger gestillt war, blieb Zeit für einen Austausch. Elodi war hier um zu helfen, das galt auch bei der Beantwortung von Fragen und sie zeigte sich ihm gegenüber sehr offen. Vielleicht weil sie einander ähnlich waren, bedachte man ihre Werdegänge.
"Ich muss gestehen, dass ich überrascht war zu hören, dass Tod einen Gesellen besitzt! Die paar Male, in denen ich ihm begegnet bin, war er stets allein und nicht besonders gesprächig!"
"Eigentlich redet er ganz gern", entgegnete Kazel. "Ich verstehe seinen schwarzen Humor nicht immer, aber er versucht stets, mich damit irgendwie zu amüsieren. Ich ..." Er senkte die Stimme, als könnte es helfen. Kazel wusste, dass Tod seine Gedanken wahrnehmen und ihm im Geiste sogar antworten konnte, aber ob er ihn jederzeit auch so hörte, war ihm nicht bekannt. Er wollte nichts riskieren und doch erschien es ihm wichtig, Elodi ein wenig von seinem Meister zu erzählen. Der Tod stand bei so vielen in einem schlechten Licht. Kazel sah ihn nicht so. Für ihn war er bereits jetzt mehr als ein Lehrmeister. Er war ... ein Freund, vielleicht auch die Vaterfigur, die er im echten Leben nie besessen hatte, doch das könnte er selbst nicht einordnen. "Ich glaube, Tod ist sehr einsam. Wenn man die Ewigkeit damit verbringt, alles um sich herum sterben zu sehen oder tot aufzufinden ..." Er hob die Schultern an. "Ich versuche, nicht nur ein guter Lehrling zu sein, sondern auch Gesellschaft."
"Ich hoffe, du nimmst es mir nicht übel - ich war doch ganz schön erleichtert, dass du nicht nur aus Knochen bestehst!"
"Tod meinte, nachdem ich selbst gestorben bin, werde ich mich mit der Zeit ebenso in ein Ske..." Kazel brach ab. Seine Augen wurden tellergroß und mit der Erkenntnis schoss ihm auch erneut die Röte ins Gesicht. Sie ging so weit, dass sie sogar seine Ohrspitzen erreichte. Nein, er bestand nicht nur aus Knochen. Da war auch Fleisch an ihm, jede Menge und ... überall. Sie hat alles von mir ... gesehen!
"Sch-schön, dass dir mein Knochen ... m-mein Fleisch! Äh ... schön, dass ich ... dir ... gefalle... uff!
Er riss den Kopf herum, schaute voller Scham seitlich von ihr fort und musterte den schmalen Schlitz unterhalb einer der Türen, durch die gerade irgendein kleines Insekt gekrochen kam, um schnell in den Schatten zu verschwinden. Gern hätte Kazel mit diesem Tierchen nun getauscht. Elodi versuchte, die Situation durch Ablenkung zu retten, also stelle sie die unverfängliche Frage, wie lange Kazel schon in den Diensten des Seelenernters stand. Das half. Kazel kehrte in seine Ausgangsposition zurück und war nur noch ein wenig rot um die Nase. "Ich weiß es gar nicht. Ich kann ... es schwer greifen." Kazel berührte seine Stirn. "Es gibt so viele Lücken. Aber er hat mir gezeigt, wie ich durch Zeit und Raum springen kann und ich hab meine eigene Sense, um Seelen von den toten Leibern zu schneiden. Nun ... eigentlich ist es ein Dolch. Ich komme damit besser zurecht." Kazels Mundwinkel hob sich. Er war tief dankbar dafür, dass Tod nicht versuchte, ihn in seine eigene Form zu pressen. Er gab ihm das Notwendige für die Erfüllung seiner Aufgaben mit auf den Weg und ließ Kazel ansonsten den Freiraum, eigene Methoden zu nutzen. Deshalb war er der Geselle mit dem Sensendolch. Ob die celcianische Gesellschaft sich an einen Schlitzer auch gewöhnen könnte, anstelle eines Schnitters?
Der Moment der peinlichen Berührtheit schwand immer mehr. An seine Stelle trat ein gemeinsames Frühstück unter gegenseitigem Beschnuppern, auch wenn Kazel bislang nicht allzu viele Fragen zu Elodi selbst stellte. Bislang! Er hielt sich zurück, bis er selbst genug aufgetaut war, um auch derart persönliche Dinge erfahren zu wollen. Das wäre schließlich auch wichtig, wenn er Elodis Geschichte glaubwürdig nach außen tragen wollte. Denn für alle anderen war er der beste Freund des verstorbenen großen Bruders und inzwischen in diese Rolle bei ihr eingetreten. Sie waren einander vertraut. Allein aus diesem Grund half es, Elodi genauer zu kennen, obwohl Kazel auch seine Amnesie vorschieben könnte, ohne verdächtig zu wirken. Letztendlich war er nun aber auch interessierter an seinem Gegenüber, warum sie also nicht besser kennen lernen?
"Ich hoffe ... es ist dir nicht zu unangenehm, dass ich uns eine geschwisterähnliche und mehrjährige Beziehung angedichtet habe. Das würde erklären, dass wir beide hier wohnen und immer wieder zusammen zu sehen sind. Ich dachte, dass es dir helfen würde. Die anderen Männer werden dir dadurch nicht vollkommen misstrauisch gegenübertreten."
"Andere Männer?", wiederholte Kazel und drohte, schon wieder rot zu werden. "Ich habe kein Interesse an dir! Also ... ich ... hab noch gar nicht in die Richtung gedacht! Ich meine ... äh ..." Er schüttelte leicht den Kopf. "Wir wohnen zusammen? Dann brauche ich ein eigenes Bett. Ich kann deines unmöglich die ganze Zeit in Beschlag nehmen. Ich ... werde das nicht tun! Ich kann auf dem Boden schlafen, bis ich mir ... hm ... vielleicht kann ich mir selbst ein Bett bauen." Er betrachtete seine Hände, ob ihm Schwielen daran auffielen. Seine Erinnerung gab nichts darüber preis, ob er sich je an einer handwerklichen Tätigkeit versucht hatte. Seine Hände verrieten es aber auch nicht. Sie waren nicht so zwar wie die einer Adligen, die niemals auch nur einen Finger selbst rührte. Ihm fehlten hier - im Gegensatz zu seinem Rücken - aber auch Narben wie von Schweiß treibender Arbeit. Dafür fiel ihm eine Tätowierung an seinem rechten, inneren Handgelenk auf. Ein Sichelmond auf rundem Grund, durchkreuzt von mehreren missglückten Versuchen, das Bild aus der Haut zu kratzen. Er erkannte das Wappen der Tenebrées nicht, denn das Haus gab es nicht mehr. Es wurde aus der Geschichte geschrieben, so wie man seine ganze Existenz aus seinem Kopf gelöscht hatte. Trotzdem musterte Kazel das Bild eine Weile, ehe seine Aufmerksamkeit zu Elodi zurückkehrte. Auf diese Weise erfuhr Kazel von der Siedlung des Graslandes, in der auch er sich aktuell befand. Es hatte eine Belagerung gegeben, gegen Zyranus. Soldaten der dunklen Völker und jene aus Grandessa hatten sich verbündet, um unter dem Befehl eines Dämonen die Stadt dem Erdboden gleich zu machen. Zu all dem konnte Kazel nur mit dem Kopf schütteln.
"Ich war nie im Grasland. Zyranus sagt mir genauso wenig wie Dämonen namens Asmodeus oder Santros. Offenbar habe ich kaum etwas von Celcia gesehen. Ich kenne Morgeria, die Stille Ebene. Ich ... weiß, dass ich nach Pelgar wollte ... aber nicht mehr, warum. Ich weiß nicht, was dort geschehen ist. Für mich ist dieses Dorf genauso ungewohnt wie vermutlich alles andere." Aber er verzweifelte nicht daran. Warum auch? Er hatte sich für diesen Zustand entschieden, zum Wohle Celcias. Weil es wichtig war, dass der Gevatter Unterstützung durch einen Gesellen wie ihn erhielt. Weil es wichtiger als sein ansonsten einfaches Leben war. War es denn einfach gewesen? Er wusste es nicht. Schicksal hatte ihm alle Erinnerungen genommen, damit aber auch den Schmerz, es vermissen zu wollen. Er war vollkommen neutral.
Außerdem war er satt. Kazel schob den geleerten Teller beiseite, betrachtete den unangerührten Apfel. Er griff danach, drehte ihn in der Hand. Den würde er später essen, so viel stand fest. Derweil spekulierte Elodi, warum gerade die frisch entstehende Graslandsiedlung der perfekte Ort für einen Neuanfang wäre und prompt meldete sich sein Meister zu Wort. Nun, eher zu Gedanke, denn Kazel hörte die vertraute Stimme in seinem Kopf und glaubte, mit ihr auch eine gewisse Totenstille zu spüren, die alle anderen Geräusche um ihn herum dämpfte. Dadurch wirkte er für Außenstehende immer ein wenig tagträumerisch oder in seinem Fall dunkel grüblerisch, denn Kazel fehlte diese Fröhlichkeit, die seine mangelnde Aufmerksamkeit romantisierte. Er wirkte immer ein wenig dunkel, so wie der Tod.
Du weiß doch hoffentlich noch, wie du mich erreichen kannst?
Ja, daran erinnere ich mich. Es tut gut, dich zu hören. Er lächelte seicht, auch wenn Tod es im Gegensatz zu Elodi nicht sehen mochte, falls er er Kazel nicht wieder einmal durch seinen Wasserspiegel beobachtete.
Ich bin froh, dass es dir besser geht!
Ging es mir vorher denn so schlecht? Oh nein, sag es mir nicht. Das gehört wohl zu meinem alten Leben und ich sollte nicht zurückblicken ... um professionell zu sein. Kazel bemerkte eine Bewegung im Augenwinkel. Elodi formte stumm eine Frage mit ihren Lippen. Sie wollte wissen, ob er sich mit dem Gevatter unterhielt. Kazel nickte nur knapp und musste sich dann schon wieder auf jenen konzentrieren. Der Gevatter erklärte ihm, wie es nun weiterging. Er sollte hier bleiben und das Dorf, zusammen mit Elodi, unterstützen. Es würden früh genug Aufgaben auf ihn zukommen. Bis dahin könnte er sich in diesen Neuanfang einfinden; in sein neues Leben.
Schicksal und ich haben beschlossen, dass du mit Elodi vorerst zusammenarbeiten und lernen sollst. Damit hast du jemanden an deiner Seite, mit dem du dich stets austauschen kannst. Außer natürlich, dir missfällt dieses Vorhaben!? Ich denke, dass ihr euch gut unterstützen könnt. Und zu deinem Glück scheint sie ihrer Meisterin in Sachen Bissigkeit nicht zu ähneln oder nachzueifern!
Kazel gluckste. Dann nickte er Elodi etwas intensiver zu, weil er schon wieder vergessen hatte, dass er ihr bereits seine unaufmerksame Haltung signalisiert hatte. "Deine Lehrerin - Schicksal", fragte er schließlich, als er glaubte, Tods Präsenz zöge sich aus seinem Kopf zurück. "Ist die wirklich so bissig? Und ... nun, ich weiß, wie ich dem Gevatter diene und helfe, aber was macht man als Gesellin des Schicksals? Was sind deine Pflichten?" Endlich zeigte er etwas Neugier auch für die Person hinter Elodi. Er konnte sich schwer vorstellen, was man als Schicksal alles in die Wege leiten musste außer ... dem Schicksal. Bedeutete es, dass Elodi wusste, was auf die Sterblichen zukam? Musste sie eingreifen oder eben gerade nicht, damit sich Schicksal erfüllten? "Erklär mir bitte, wie es bei dir funktioniert und anschließend, wo ich hier an Holz und Werkzeug herankomme. Ein Bett zu bauen dürfte nicht allzu schwierig sein, oder?" Sein Blick huschte noch einmal zu Elodis Schlafstatt herüber, in der er die letzten zwei Tage und Nächte verbracht haben musste. Wäre es groß genug auch für zwei? "Wir können ja schlecht nebeneinander darin liegen...", murmelte er nachdenklich vor sich her.
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Re: Neuanfang

Beitrag von Erzähler » Freitag 7. Juni 2024, 22:48

Das Abgeben seiner Erinnerungen war für Kazel eine Qual gewesen, doch nun, wo er sich nicht mehr an die Personen und das Geschehene seiner Vergangenheit erinnern konnte, plagte ihn nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Er wusste, dass er es für Celcia getan hatte – für Tod, der ihm Vaterfigur und Freund zugleich geworden war. Wie sollte er sein Handeln also in Frage stellen? Seine Gedanken waren neutral und dadurch rein. Seine Existenz war nicht länger die eines normalen Sterblichen – er würde einer der Wächter des Gleichgewichts allen Seins und Lebens werden. Seine Handlungen galten also einem übergeordneten Zweck!
Kazel erhielt in der Kate bei Elodi alle Zeit, die er benötigte, um sich an seinen neuen Zustand zu gewöhnen. Das Bad half ihm sich ein wenig wohler zu fühlen, denn in seinem Fieberzustand hatte er doch ganz ordentlich geschwitzt und die Kleidung an seinem Körper hatte sich an seiner Haut klamm angefühlt.
Während sich der Mischling im Zuber wusch, konnte er seinen Gedanken nachhängen. Bisher war ihm noch nicht klar, was er als Nächstes tun sollte, doch er vermutete, dass er es schon bald herausfinden würde. Immerhin war da Elodi, die … ähnlich war, wie er selbst? Wie könnte sie ihm wohl helfen? Ihm fiel auf, dass er keine Vorstellung davon hatte, welche Aufgaben Schicksals Gesellin oblagen.

Ein Segen seiner verlorenen Erinnerungen war auch, dass er sich selbst noch einmal vorurteilsfreier im Spiegel betrachten konnte. Zwar erkannte und wusste er, dass er ein Mischling war – auch wusste er, dass er es dadurch in der Vergangenheit nicht immer leicht gehabt hatte – doch spürte er nicht länger die Einsamkeit, das Verzweifeln und die Wut darüber, dass er nirgendwo hin zu gehören schien. Sein Platz war… nun auf einer anderen Ebene, wo die Reinheit seines Blutes keine Bedeutung hatte.
Dennoch würde er neu lernen müssen, wie er sich als Weltenspringer zu verhalten hatte. Er stand gewissermaßen schon wieder zwischen zwei Stühlen. Sein irdisches Leben war im Grunde nicht vorbei und doch gehörte er mit einem Bein schon nicht mehr dazu. Das andere Bein stand bereits auf der anderen Seite, der er sich verschrieben zu haben schien. Es waren zwei Seiten derselben Welt, in denen er sich bewegen würde. Keine voneinander getrennt und doch nicht verbunden. Verloren fühlen musste er sich deshalb jedoch nicht, denn dieses Mal war noch jemand, abgesehen von Tod an seiner Seite, der ihm Fragen beantworten könnte. Hinter der Holztüre wartete diese Elodi auf ihn, die ihm zumindest darin ähnlich war, dass sie ebenso eine Gesellin einer höheren Entität war, wie er selbst.

Nachdem er sich neu angekleidet hatte, trat Kazel hinaus und nahm zusammen mit der jungen Frau Platz am gedeckten Frühstückstisch. Sie schien sich Mühe gegeben zu haben, denn auf dem Tisch stand eine größere Auswahl, wie sie für ein normales Frühstück einfacher Leute üblich gewesen wäre.
Doch, obwohl er ihr keine weiteren Mühen bereiten wollte, schien sie dies gar nicht als zusätzliche Arbeit anzusehen. Seinen Einwurf winkte sie zumindest mit einem sorglosen Lächeln ab.
„Habe ich gern gemacht. Nach zwei Tagen Brühe solltest du nun etwas Ordentliches in den Magen bekommen!“, sagte sie, wobei ihr noch etwas einzufallen schien.
„Ach ja, dort drüben steht eine Schale mit einem Kräutersud. Den solltest du nachher noch trinken.“ Es war dieselbe Schale, mit der Elodi an sein Bett getreten war, als er sich ihr wach präsentiert hatte. Scheinbar hatte sie vorgehabt ihm die bräunliche Flüssigkeit einzuflößen, wäre er nicht bereits wieder bei Bewusstsein gewesen.
Während sie aßen fiel ihr Blick natürlich immer wieder auf sein Gesicht. Wirklich beobachten tat sie ihn nicht – nicht mehr, als er es tun würde – aber es war vermutlich nur natürlich, dass sie einander abzuschätzen versuchten. So entdeckte sie zumindest das kleine Lächeln in seinen Mundwinkeln, als er an dem Brot roch, was ihr die Bestätigung und Freude gab, dass es ihm zu schmecken schien.

Die Atmosphäre blieb gemütlich und auch, wenn kleine Pausen entstanden, in denen sie nicht miteinander sprachen, schienen sie nicht unangenehm zu werden. Für, im Grunde Fremde, die hier miteinander frühstückten, verlief alles unerwartet natürlich und gut. Zumindest Elodi schien diese positive Stimmung dazu zu verleiten, sich ihm etwas mehr anzuvertrauen und so begann eine Unterhaltung, bei der sich beide Stück für Stück vorantasten konnten.
„Eigentlich redet er ganz gern. Ich verstehe seinen schwarzen Humor nicht immer, aber er versucht stets, mich damit irgendwie zu amüsieren. Ich ... ich glaube, Tod ist sehr einsam. Wenn man die Ewigkeit damit verbringt, alles um sich herum sterben zu sehen oder tot aufzufinden ...“, erklärte Kazel, als Elodi ihre Überraschung äußerte, dass sich Tod einen Gesellen gesucht hatte. „Ich versuche, nicht nur ein guter Lehrling zu sein, sondern auch Gesellschaft.“ Die rothaarige junge Frau hatte ihm aufmerksam zugehört und lächelte nun warm.
„Es ist wirklich keine leichte Aufgabe.“, pflichtete sie ihm bei und legte ihre Unterarme auf dem Tisch ab, um sich etwas gemütlicher abzustützen. Zuvor hatte sie ihren Teller etwas näher zur Tischmitte geschoben, da sie ebenfalls aufgegessen hatte. Ihre blauen Augen ruhten auf seinem Gesicht.
„Du hast wirklich ein gutes Herz!“, äußerte sie, als ehrlich empfundenes Kompliment, was man auch ihrem Lächeln ablesen konnte.
„Schicksal erzählte mir einmal, dass Tod der Mitfühlendste von ihnen sei, was ihn für seine Position zwar qualifiziert, aber auch eine Bürde darstellt. Du könntest recht haben, dass er einsam ist.“ Ihr Lächeln verblasse ein wenig und sie wirkte für einen Moment in sich gekehrt. „… das Gefühl habe ich auch bei ihr…“, murmelte sie leise, ehe sie leicht mit dem Kopf schüttelte und mit ihrer Aufmerksamkeit zu ihm zurückkehrte.
Es waren kleine Schritte zum Kennenlernen! Aber sie waren gut und wichtig. Allerdings schien dies nicht zu garantieren, dass keine Missverständnisse aufkamen!
Nachdem sie sich ihm anvertraute, dass sie froh darüber war, dass er einen lebendigen Körper aus Fleisch und Blut besaß, spürte Kazel erneut Verlegenheit in sich aufsteigen. Hieß das, dass sie seine Haut, ergo seinen Körper gesehen hatte? Ganz...? Jedes noch so private Fleckchen?
Elodi konnte beobachten, wie sich sein blauer Blick weitete. Im ersten Moment trat erneut ein fragender Ausdruck auf ihr Gesicht, ehe sie zu begreifen schien. Und wieder einmal brachte der Mischling sie dazu ihre aufkeimende, amüsierte Reaktion niederzukämpfen.
„Sch-schön, dass dir mein Knochen ... m-mein Fleisch! Äh ... schön, dass ich ... dir ... gefalle... uff!“, hörte sie seine gestotterten, leisen Worte. Er sah zur Seite und sie blinzelte mehrfach, weil sie stark darum bemüht war, ein Lachen zu unterdrücken. Kazel war in ihren Augen gerade einfach … zu niedlich. So niedlich, dass sie ihn am liebsten etwas gepiesackt hätte, doch dafür war es vermutlich noch etwas zu früh…!?
„Du hast eine wirklich schöne Anatomie!“ Nein, so ganz konnte sie es wohl doch nicht sein lassen! Ihr lag durchaus noch mehr auf der Zunge, aber sie wollte ihn nicht in zu große Verlegenheit stürzen. Daher entschied sie sich das Thema zu ändern und Kazel zu fragen, wie lange er schon Geselle Tods war.
„Ich weiß es gar nicht. Ich kann ... es schwer greifen. Es gibt so viele Lücken. Aber er hat mir gezeigt, wie ich durch Zeit und Raum springen kann und ich hab meine eigene Sense, um Seelen von den toten Leibern zu schneiden. Nun ... eigentlich ist es ein Dolch. Ich komme damit besser zurecht.“ Elodi nickte und reagierte dadurch vermutlich anders, als es Nicht- Eingeweihte täten. Wie wohl ihre Einstellungen zum Tod waren? Manch einer würde sich in der Gesellschaft eines Todergebenen wohl nicht wohl fühlen.
„Ein Dolch erscheint mir auch ein wenig praktischer in der Handhabung.“, merkte sie lächelnd an und griff sich dann selbst einen der Äpfel, von dem sie einmal abbiss.
Nun wollte Kazel etwas mehr von ihr wissen und sie erklärte ihm bereitwillig, was sie den Dorfbewohnern in Bezug auf ihn erzählt hatte. Ohne zu ahnen, dass sich ein erneutes Missverständnis anbahnte:
„Andere Männer?“, wiederholte Kazel und schien aufzumerken. „Ich habe kein Interesse an dir! Also ... ich ... hab noch gar nicht in die Richtung gedacht! Ich meine ... äh ...“ Nun war es Elodi, die ihn einen Moment verwirrt ansah. Wie sollte sie diese Worte bitte verstehen? Glaubte er, dass sie mit mehreren Männern etwas angefangen hatte?
„Ähm…“, begann sie wenig einfallsreich, doch schienen ihr direkt die nächsten Worte ausgegangen zu sein. Außerdem, wieso erwähnte er in diesem Bezug sich und sein… fehlendes Interesse an ihr?
„Nun... ich meinte das etwas anders!“, begann sie und bemühte sich um Aufklärung. „Das Dorf ist neu entstanden und besteht aus… ich sage mal einer gemischten Bevölkerung! Die Meisten der Männer hier gehörten der dunklen Armee an, die vor Zyranus zerschlagen wurde. Darunter finden sich Dunkelelfen, Grandessaner und auch zwei Orks! Sie suchen hier einen Neuanfang und haben sich mit ein paar Zyranern und Bauernfamilien der Umgebung zusammengetan, um dieses Dorf zu bauen. Sie wollen die Geschehnisse hinter sich lassen und vor allem ohne völker- und rassenspezifische Vorurteile friedlich leben. Das bedeutet allerdings nicht, dass sie Fremden nicht ohne Misstrauen begegnen. Es hat sich hier eine kleine Gemeinschaft gebildet, die sich zumindest grob kennt und miteinander arbeitet. Dich hingegen kennt hier noch niemand! Deshalb habe ich mir eine Verbindung zwischen uns beiden ausgedacht. Denn mich kennen und akzeptieren sie als eine Art Heilerin!“ Sie musterte sein Gesicht und hoffte, dass er sie nicht für ein leichtes Frauenzimmer hielt.
„Mich… rührt hier niemand an! Reisende Feldschwestern genießen allgemein einen besonderen Schutz im Land, denn wir helfen jedem, egal welcher Seite derjenige angehört! Es passieren allgemein nur sehr selten Übergriffe. Die Männer hier sind froh, dass ich geblieben bin und eine medizinische Grundversorgung gewährleiste. Mittlerweile… bin ich auch nicht mehr die einzige Frau...“ Die letzten Worte kamen auch ihr ein wenig verhalten über die Lippen und eine leichte Röte färbte ihre Wangen. Kazels Worte schienen sie doch ein wenig verunsichert zu haben, auch weil er sich selbst erwähnt hatte.
Einen Moment schien sich zwischen ihnen Stille auszubreiten, doch dann räusperte sich die junge Frau kurz und lächelte die Situation fort. Sie war der Meinung das Missverständnis ausgeräumt zu haben und wollte auch die missverständlichen Worte des anderen nicht absichtlich persönlich nehmen.

Nachdem dies geklärt war, blieben allerdings noch eine ganze Reihe weiterer Fragen offen, die es zu stellen galt. Kazel musste sich an Elodis Geschichte halten und das bedeutete, dass sie einander besser kennenlernen mussten und wohl auch zusammen hier wohnen blieben.
„Wir wohnen zusammen?“, fragte er dennoch noch einmal nach und sie nickte. Dieses Mal wieder ohne zu erröten. Ihr schien es nichts auszumachen ihr Häuschen mit ihm zu teilen. Kazel hingegen wusste, rum er sich in diesem Fall, als erstes kümmern wollte:
„Dann brauche ich ein eigenes Bett. Ich kann deines unmöglich die ganze Zeit in Beschlag nehmen. Ich ... werde das nicht tun! Ich kann auf dem Boden schlafen, bis ich mir ... hm ... vielleicht kann ich mir selbst ein Bett bauen.“ Sie stützte ihr Kinn auf eine Handfläche ab und lächelte ihn an. Nun zeigte sich wieder seine niedliche Seite!
„Mir macht es auch nichts aus auf dem Boden zu schlafen!“, warf sie ein, doch ahnte sie bereits, dass er dies nicht mehr zulassen würde.
„Du machst dir zu viele Gedanken…!“, beteuerte sie noch einmal, ließ ihn aber dann über seine Bettbaupläne nachdenken. Wenn ihm das wichtig wäre, würde sie ihn nicht daran hindern.

Während sie ihm noch ein paar Details zum Dorf erklärte, meldete sich Tod in Kazels Gedanken zu Wort! Die Erleichterung, die Kazel empfand, als er die Stimme seines Meisters hörte, war groß! Endlich bekam er neuen Anweisungen und einen Ausblick, wie seine nächste Zeit wohl verlaufen würde. Vielleicht würde er nun etwas besser zur Ruhe finden, obwohl es verständlich war, dass der Mischling bisher etwas rastlos nach einer Aufgabe gesucht hatte.
Elodi wartete geduldig ab, bis sich die beiden besprochen hatten. Ihren Apfel hatte sie in der Zeit aufgegessen und nippte nun leicht von ihrem Wasserglas. Als Kazel auf eine Bemerkung seines Meisters gluckste, richtete sich ihr blaues Augenpaar wieder auf ihn. Und ohne es selbst zu bemerken, schien sie sein Lächeln anzustecken.
Nach kurzer Aufklärung schien Tod bereits wieder verschwunden zu sein. Er war kein Wesen vieler oder langer Worte und wähnte seinen Gesellen in guten Händen. Noch dazu ließen seine Worte erahnen, dass er Kazel von nun an mehr Aufgaben übertragen würde, die dieser selbstständig erledigen sollte. Und das schien ein großer Vertrauensbeweis zu sein!
„Deine Lehrerin – Schicksal. Ist die wirklich so bissig?“, fragte Kazel die junge Frau vor sich, die eine solche Bemerkung offenbar nicht erwartet hatte. Dennoch zeigte sich ein kleines Schmunzeln auf ihren Lippen.
„Hat Tod das behauptet?“, fragte sie amüsiert und begann zu glucksen, wie er zuvor. Dann wog sie allerdings mit dem Kopf leicht hin und her.
„Ich würde es so formulieren: Sie ist eine starke Persönlichkeit!“, umschrieb sie geschickt, jedoch nicht ganz eindeutig. Immerhin konnte dies … alles bedeuten!
Tod schien sich für den Moment wirklich verabschiedet zu haben, denn er wollte seinen Gesellen nicht in die Zwickmühle bringen ihm und auch Elodi gleichzeitig zuzuhören. Vielleicht würde sie deutlicher werden, wenn er mehr Fragen stellte:
„Und ... nun, ich weiß, wie ich dem Gevatter diene und helfe, aber was macht man als Gesellin des Schicksals? Was sind deine Pflichten? Erklär mir bitte, wie es bei dir funktioniert und anschließend, wo ich hier an Holz und Werkzeug herankomme. Ein Bett zu bauen dürfte nicht allzu schwierig sein, oder?“ Sein Blick huschte zu ihrem Bett, das durchaus Platz für zwei Leute bot. „Wir können ja schlecht nebeneinander darin liegen...“, murmelte er nachdenklich und bot der jungen Frau dadurch eine Vorlage, die sie einfach nicht ignorieren konnte!
„Können wir schon! Als Kindheitsfreund meines Bruders wären wir zusammen aufgewachsen und da würde es nicht unbedingt merkwürdig sein, wenn wir in einem Bett schlafen!“, sinnierte sie und sah dabei ebenfalls nachdenklich zur Schlafstätte. Dann wanderte ihr Blick wieder zu ihm und in ihrem Blau blitzte der Schalk.
„Ich würde auch nicht über dich herfallen - Versprochen!“
Elodi wartete seine Reaktion ab und würde ihn gegebenenfalls beruhigen, sollte er wieder in Verlegenheit verfallen. Danach würde sie beginnen seine Fragen zu beantworten.
„Nun… meine Aufgaben sind ein wenig anders.“, begann sie und schien selbst nicht ganz zu wissen, wie sie anfangen sollte. Ihr Blick wurde nachdenklich, dann schob sie ihren Stuhl etwas zurück und erhob sich.
„Weißt du was? Lass uns danach spazieren gehen! Die Sonne scheint heute endlich wieder und es wäre schade die Zeit nur drinnen zu verbringen!“, schlug sie ihm vor und begann dann den Tisch abzudecken. Da die Küche klein war, konnten sie ihre Unterhaltung dennoch ohne Probleme fortführen. Sie schien lediglich die übriggebliebenen Lebensmittel zurück in die Lagerung bringen zu wollen.
„Es ist gar nicht so einfach einen Anfang zu finden. Normal rede ich ja mit niemandem darüber!“, begann sie etwas verlegen lächelnd, während sie die Teller in die Waschschüssel legte, in der sich bereits Wasser befand.
„Du kannst die Lebenszeit einer Seele sehen, nicht wahr?“, fragte sie und kam zurück zum Tisch, wo sie sich wieder setzte. „Bei mir ist es ein wenig anders. Jede Seele besitzt einen Schicksals- oder auch Lebensfaden und eine Seelenwaage. Ich kann diese sehen!“, erklärte sie und kratzte sich in einer nachdenklichen Geste die Wange, da es ihr schwer fiel ihre Arbeit begreiflich zu erklären.
„Ich glaube die Seelenwaage ist am einfachsten erklärt. Sie wertet die Entscheidungen und Handlungen einer Seele und neigt sich dementsprechend in eine Richtung – gut oder schlecht. Ich kann so erkennen, für welche Seite sich eine Seele am häufigsten entschlossen hat.“, erklärte sie und symbolisierte die Waagschalen kurz mit ihren Händen, um es anschaulicher zu machen.
„Ich kann allerdings auch genauer hinsehen. Dafür muss ich den Lebensfaden einer Seele betrachten. Das zu erklären ist allerdings nicht so einfach. Ich versuche es… einfach zu halten, in Ordnung?“ Sie suchte kurz seinen Blick und lächelte leicht.
„Nun…die Lebens- oder Schicksalsfäden aller Seelen laufen im Grunde in einem großen Bild zusammen und weben so den Verlauf unserer Welt. Du kannst es dir vielleicht wie ein großes Webtuch oder einen Teppich vorstellen. Jeder Faden steht dafür für ein Leben – eine Seele.
Der Schicksalsfaden einer Seele besteht selbst noch einmal aus vielen dünneren. Diese verflechten sich durch die Entscheidungen, die diese Seele trifft und dokumentieren so… das individuelle Leben. Wenn sich zwei Seelen begegnen verflechten wiederum diese … und so… geht es weiter.“ Es hörte sich schon in ihren Ohren kompliziert an. Aber sie wusste nicht, wie sie es anders beschreiben sollte und hoffte einfach, dass sich Kazel grob alles vorstellen konnte.
„Die Fäden verflechten sich, laufen zusammen, sie nehmen Form an, sie verdrehen und verfilzen sich, reißen oder trennen sich und verweben sich neu. Wenn ich diese Fäden berühre, kann ich genauer in das Leben einer Seele sehen. Allerdings ist es für mich noch schwer und ich brauche einige Zeit. Schicksal selbst weiß sofort alles…!“ Elodi zog aus der Tasche ihres Rockes ein noch nicht ganz fertig geknüpftes, rundes Armband. Sie legte es vor Kazel auf den Tisch und schien dadurch einen Vergleich mit einem Lebensfaden herstellen zu wollen.
„Schicksal und ich können aber auch in das Leben einer Seele eingreifen. Wir müssen sogar, um das Gleichgewicht zu wahren. So kommt es mitunter zu Vorfällen, die der Volksmund häufig als Schicksalsschläge bezeichnet. Beispielsweise kommt es vor, dass sich das Schicksal einer Seele durch die Begegnung mit einer anderen verändert. Das kann mitunter sogar die Lebenszeit beeinflussen…!“ Das Leben war wirklich nicht einfach und das bewies sich nun durch ihren Erklärungsversuch. Sie musterte Kazels Gesicht und sah ihn entschuldigend an, da sie selbst meinte, es nicht gut zu erklären.
„Schicksal hat zum Beispiel einige kleinere Fäden in deinem Lebensfaden gekappt, so dass du an diese Lebensabschnitte oder Personen all deine Erinnerungen verlierst. Das hat sie mir… zumindest erzählt! Ich bin nicht in der Lage deine Seelenwaage oder deinen Lebensfaden zu sehen!“ Diese Offenbarung wäre vermutlich für Kazel interessant. Und vermutlich würde Kazel seinerseits ihr Stundenglas mit der Lebenszeit nicht einsehen können.
„Ganz schön kompliziert, was? Vielleicht wird es dir mit der Zeit und wenn wir zusammen arbeiten einleuchtender!“ Elodi lächelte leicht und streckte sich dann.
„Ich würde gerne mehr über dich erfahren, Kazel! Zumindest das, was du mir sagen kannst. Wir sollten uns auch ein wenig austauschen. Ich bin mir sicher, dass dich ein paar der Bewohner – vor allem die Mädchen ausfragen werden und unsere Erzählungen sollten sich nicht zu stark unterscheiden!“ Sie stand auf, ging um den Tisch herum zu ihm und hielt ihm die Hand entgegen.
„Lass uns draußen weitersprechen. Wir könnten zu dem kleinen See gehen! Und wenn wir uns besprochen haben zeige ich dir das Dorf. In Ordnung?“
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Re: Neuanfang

Beitrag von Kazel Tenebrée » Sonntag 9. Juni 2024, 13:52

Für jemanden wie Kazel mochte es unwissentlich der größte Segen Celcias sein, dass der Verlust seiner Erinnerungen ein fehlendes schlechtes Gewissen zur Folge hatte. Denn nichts brachte ihn häufiger zum Zweifeln, vor allem an sich selbst. Nichts lenkte und beeinflusste ihn mehr als der bloße Gedanke daran, nicht aktiv geworden zu sein, wo er hätte mit Hand anlegen können oder nichts gesagt zu haben, wo ein einziges Wort vieles hätte bewirken können. Vielleicht war es natürlich für jemanden wie ihn. Wenn man sich stets als unliebsame Randerscheinung aus Sicht anderer hatte sehen und sich niemals etwas oder jemandem zugehörig fühlen können, dann brachte jede noch so kleine Entscheidung, die sich als falsch einstufte, die eigenen Reserven ins Wanken. Dann drohte einzustürzen, was doch so dringend halten musste - für andere! Nicht für sich selbst. Ungewollte Mischlinge wie Kazel waren immer minderwertig angesehen worden, bis sie es von sich selbst ganz unbewusst taten, weil es zu ihrem Naturell geworden war. Sie schoben sich in den Hintergrund, stellten ihre eigenen Bedürfnisse in die Schatten, in denen andere sie nicht einmal sehen wollten. Es war ihnen lediglich dann gestattet, lauthals in den Vordergrund zu preschen, wenn sie als Kanonenfutter eingesetzt werden sollten. Ein solches Leben war mehr als ungesund für die eigene Psyche, aber Kazel hatte es endlich hinter sich lassen können. Auch wenn er im Grunde kurz zuvor mit Janay auf bestem Wege war, aus eigener Kraft diesem kalten Grab zu entkommen. Jetzt durfte er jedoch gänzlich von vorn beginnen, ohne Schatten auf der eigenen Seele. Die wenigen Verbindungen, die ihm noch blieben - Schicksal, seine Pflichten gegenüber Celcia selbst, Gevatter Tod und dessen Lehre - hatte er offenbar freiwillig gewählt. Sie bestärkten ihn, anstatt ihn zu belasten. Gleiches galt bereits auch für Elodi, denn die Menschin entpuppte sich als wesentlich extrovertierter als Kazel selbst. Vor allem aber war sie hilfsbereit, beantwortete ihm zahlreiche Fragen und versuchte, ihm ein Wegweiser auf seinen neuen Pfaden zu sein.
Und dazwischen konnte er den Alltag genießen, für den in seinem alten Leben kaum Gelegenheit geblieben war. Sicher, irgendwann würden die Schatten Celcias auch über diesen Moment seines neuen Lebens hereinbrechen. Irgendwann würde er sich einmischen müssen, aber für den Augenblick konnte er durchatmen, um seiner Seele ein wenig Frieden zukommen zu lassen. Elodi gab sich reichlich Mühe, diesen Zustand aufrecht zu erhalten. Sie bescherte Kazel nicht nur ein vielfältiges Mahl, sondern achtete auf weiterhin auf seine Gesundheit. So wies sie mit ausgestrecktem Finger zu der Schale, die sie zuvor noch neben seiner Schlafstatt abgestellt hatte. Darin befand sich ein Kräutersud, den er unbedingt noch einnehmen sollte. Er nickte und verließ kurz den Tisch, um besagte Schale zu holen, damit sie nicht vergessen wurde. Dennoch geriet sie rasch in den Hintergrund, als Kazel sich mit Elodi über die aktuelle Lage vor Ort, den Ort selbst, seine Rolle darin und seine künftigen Herausforderungen etwas austauschte.
"Es ist wahrlich keine leichte Aufgabe", stimmte Elodi im Laufe ihres Gespräch zu. Kazel nutzte den Moment, um den Kräutersud herunterzuspülen. Der schmeckte ihm nicht halb so gut wie das frisch gebackene Brot oder das sonnengereifte Obst, aber er wusste, dass es seinen Körper stärken würde, also rang er sich dazu durch. Elodi betrachtete ihn dabei. "Du hast wirklich ein gutes Herz!"
Kazel verschluckte sich beinahe am letzten Rest des Suds. Er hustete kurz, stellte die Schale ab und spähte in das hellere Augenpaar. In seinem eigenen lagen ... Zweifel ... und Überraschung. "Achja?", fragte er nur. Sein Blick wanderte zurück zu der Schale. Nur noch wenige Tropfen bildeten am Boden der Keramik einen flüssigen, kreisförmigen Rand. Er hielt den Blick darauf gerichtet und doch sah er durch das Bildnis hindurch. Vielmehr horchte Kazel in sich hinein. Er konnte dort allerdings nichts finden, weder eine Bestätigung von Elodis Worten noch etwas, das sie als Lüge hätten enttarnen können. Tatsächlich ... wusste er es nicht. So hob er den Kopf wieder an, lächelte ein wenig hilflos, geradezu unsicher, aber dennoch fröhlich. "Ich bin doch nur ich", meinte er. Dessen konnte er sich wenigstens sicher sein, denn es gab nichts, das seine Persönlichkeit aktuell beflecken oder beeinflussen könnte. Denn es gab nichts zu erinnern. Alles, was ihn bis zu diesem Punkt gebracht und ihn geprägt hatte, war nun fort. Elodi erlebte Kazel quasi in seiner reinsten Form. Sie war recht unschuldig und wie sie hatte feststellen dürfen von Genügsamkeit, schüchterner Bescheidenheit und dem Wunsch nach Harmonie geprägt. Der Gevatter hatte sich einen guten Lehrling gesucht, so wie Schicksal es schon bemerkt hatte. Kazel selbst war sich dessen überhaupt nicht bewusst. Damit lockte er Elodi geradezu, auf seine verlegene Ader einzugehen. Sie hätte ihn gern geneckt, wollte ihn zugleich aber nicht verschrecken. Immerhin kannten die beiden einander noch gar nicht lange. Trotzdem ließ sie sich ein wenig hinreißen.
"Du hast eine wirklich schöne Anatomie!"
Jetzt hustete er wirklich, aber dieses Mal, weil er sich sogar beim Atmen verschluckte. Seine Wangen glühten, dass es bis in die spitzen Ohren reichte. Nervös rieb er sich die Hände, knetete die Finger und faltete sie immer wieder ineinander. Flüchtige Blicke suchten den ihren, fanden ihn und wichen ihm wieder aus. Kazel war furchtbar heiß. Zugleich fühlte es sich nicht allzu unangenehm an. Er mochte wie ein Erwachsener aussehen, letztendlich war Kazel aber aus elfischer Sicht - Mischling hin oder her, denn es galt für beide Seiten seines Blutes - noch ein Jugendlicher und die Hormone jagten sich gerade gegenseitig durch den Körper. Außerdem schien er Komplimente ganz gern zu hören, sofern sie aufrichtig waren - fast so, als hätte er selten die Gelegenheit erhalten, sie zu genießen. Er badete still eine Weile in seiner Verlegenheit, bis ihm auffiel, dass er die Anmerkung entweder erwidern oder sich dafür bedanken sollte. Gab es einen Grund, auch Elodis Anatomie zu loben? Kazel richtete erneut den Blick auf sie. Dieses Mal musterte er sie mit einem analytischen Glimmen im Meerblau seiner Augen. Er betrachtete ihr Gesicht. Die vielen, kleinen Sommersprossen wirkten wie Sterne an einem rosigen Himmel. Ihr Haar schimmerte in einem warmen Kupfer, das sich wunderbar ins Gesamtbild prägte. Am meisten zog ihn jedoch Elodis Blick in den Bann. Ihre Augen erinnerten Kazel an klare Bergseen, ohne dass er hätte beantworten können, ob er jemals an einem gewesen wäre. Letztendlich gefielen sie ihm jedoch, gerade weil sie so klar waren. Das machte sie aufrichtig. Er glaubte nicht, dass Elodi ihn jemals anlügen würde. Nicht, wenn ihre Augen so rein waren!
Als ihm auffiel, wie lange er sie schon anstarrte, räusperte Kazel sich. "Du bist auch richtig schön." Dann starrte er erneut, aber bevor die Röte ihn wieder einmal einnehmen konnte, stellte er richtig, kein Interesse an ihr zu haben. Jedenfalls noch nicht, falls es sich überhaupt je ergeben würde. Er hatte einfach noch nicht darüber nachgedacht, was nachvollziehbar war. Er lernte Elodi gerade erst kennen und zählte selbst nicht zur Sorte Mann, die sofort eine Beziehung in Erwägung zog, ganz gleich, wie gut sie ihm gefallen könnte. Das war zu oberflächlich. Kazel brauchte da mehr Tiefgang. Er musste vertrauen können und das würde für jede Frau ein gutes Stück Arbeit werden. So offen und niedlich er war, ließ er doch nicht jeden in seine Seele blicken, nicht dorthin, wo die Geheimnisse lagen. Geheimnisse, die ihm selbst nun verborgen waren.
Trotzdem missverstand Elodi ihn ein wenig, aber auch das war nachvollziehbar. Er hatte mehr gestammelt als sich wahrlich erklärt. Aber jetzt war sie daran, eine Umschreibung abzugeben. So berichtete sie Kazel nicht nur, dass sie andere Männer ebenfalls nicht auf diese Weise sah, sondern sich auf die Vielfältigkeit bezog, die diese Siedlung ausmachte. Sie hatte sich gerade erst gegründet und war so frisch, dass sie kaum mehr einen richtigen Namen besaß. Die Grasland-Siedlung, wenig kreativ, aber doch aussagekräftig. Sie wurde von dunklen Völkern, Grandessarern und Zyranern geschaffen, die alle dem Krieg entkommen und lieber miteinander leben wollten als sich gegenseitig zu attackieren.
"Das bedeutet allerdings nicht, dass sie Fremden nicht ohne Misstrauen begegnen. Es hat sich eine kleine Gemeinschaft gebildet, die sich zumindest grob kennt und miteinander arbeitet. Dich hingegen kennt hier noch niemand." Er nickte und verstand. Er war ein Fremder. "Ich muss selbst erst einmal herausfinden, wer ich ... eigentlich sein will", stellte er fest. Gewisse Charakterzüge schienen den Gedächtnisverlust überstanden zu haben. Jene, in denen Elodi ein gutes Herz erkannte. Kazel musste zwangsläufig erneut schmunzeln. Ein gutes Herz, ein guter Elf. Das wollte er sein. Es war ein guter Anfang, um sein neues Ich zu gestalten. Doch was könnte er darüber hinaus noch werden? "Es ist wohl besser, ich erzähle nicht offen, dass ich des Gevatters Lehrling bin. Das ... würde niemand glauben." Wahrscheinlich hielt Elodi es mit Schicksal genauso. Sie hatte sich aber auch für Kazel bereits eine kleine Geschichte ausgedacht, um seine Anwesenheit, vor allem aber den Umhang mit ihm zu rechtfertigen. Aber auch mit dem Hintergrund, dass er der beste Freund eines verstorbenen großen Bruders wäre, um den sie sich nun kümmerte, weil er unter Gedächtnisverlust litt, konnte er ihr unmöglich weiterhin ihre Schlafstatt rauben. Kazel war schon drauf und dran, Pläne für einen Bettbau zu schmieden.
"Mir macht es auch nichts aus, auf dem Boden zu schlafen!" Er starrte sie an, dieses Mal nicht verlegen, sondern entgeistert. Und dann trat eine Entschlossenheit in seinen Blick, der das ruhige Blau dunkler wirken ließ. "Aber mir", entgegnete er fest.
"Du machst dir zu viele Gedanken...!"
Kazel schüttelte den Kopf. "Nein, nur die richtigen. Ich lasse dich nicht auf dem harten Boden schlafen, wenn du ein Bett hast. Mit einer Decke und etwas für den Kopf komme ich schon eine Weile aus, bis ich ... herausgefunden habe, wie man sich selbst ein Bett baut." Seine Pläne würde er nicht allzu bald durchführen, denn jetzt meldete Tod sich zu Wort. Wie üblich mischte er sich einfach in Kazels Gedankengänge ein. Er hörte ihn in seinem Kopf, spürte aber nicht die beruhigende Kühle seiner Präsenz. Gevatter Tod war nicht in der Nähe, aber er hatte ein Auge auf seinen Gesellen - immer. Er lauschte dessen Gesprächen, fing dessen Gedanken auf und warf Antworten ein, wenn er der Meinung war, dass sein Schützling sie hören musste. Das Gespräch mit Elodi wurde kurzzeitig unterbrochen. Im Gegensatz zu nicht Eingeweihten verstand sie jedoch schnell und hielt sich zurück, bis Kazel sein stummes Zwiegespräch mit dessen Meister geklärt hatte.
Dadurch geriet der eigentliche Austausch beider Lehrlinge ein wenig in den Hintergrund. Plötzlich waren Tod und Schicksal im Fokus. Letztere vor allem, weil Kazels Meister eine Bemerkung zu ihrer Bissigkeit hinterlassen hatte, über die beide Lebenden sich nun doch etwas amüsierten.
"Hat Tod das behauptet?", hakte Elodi amüsiert nach. Auch sie begann nun zu Glucksen, was Kazel sogar zum Auflachen brachte. Es klang angenehm, als hätte sich ein selten gesehener Vogel aus seinem Versteck gewagt, um rasch durch die Wälder zu fliegen. Nur wenige würden ihn bemerken, noch weniger ihn sehen, aber bei allen blieb dieser kleine Zwitscherling sicher im Gedächtnis.
"Verpetz ihn nicht, sonst bekomme ich Ärger", scherzte der Mischling heiter, bis Elodi erklärte: "Sie hat eine starke Persönlichkeit!" Da wurde er ganz ruhig, musterte sie erneut und endlich konnte er ihr Kompliment von vorhin erwidern - vollkommen frei und somit ehrlich. "Wie du", meinte er nur. Aber es stimmte. Elodi war stark. Sie wusste, was sie wollte und es kümmert sie auch nicht, was andere dazu sagten. Deshalb schlug sie Kazel vor, den Bettbau zu lassen. Ihre eigene Schlafstatt war groß genug für sie beide und die ausgedachte Hintergrundgeschichte ließe es nicht seltsam wirken, wenn sie nebeneinander schliefen.
"Ich würde auch nicht über dich herfallen - Versprochen!"
Kazel hatte gar keine Wahl. Er gab sich geschlagen und nickte zögernd. "I-in Ordnung", meinte er. Im Geiste aber beschloss er, Elodi stets den Rücken zuzukehren, bevor sie einschliefen. Nicht, dass noch ... Unfälle geschahen. Denn bereits jetzt musste er feststellen, dass die bloße Vorstellung, neben ihr unter einer Decke zu liegen, ihm eine Gänsehaut bescherte. Eine, die mit Wonne verbunden war, wohlgemerkt. Seine Hormone sprudelten über und die ignorierten, ob und inwieweit er Elodi eigentlich aufgrund ihrer Persönlichkeit mochte. Er war ein junger Mann und sie eine Frau. Das genügte, damit sein Körper ihm Signale gab, die in der Natur eigentlich dazu dienten, Artensterben zu verhindern. So weit war sein Kopf aber definitiv nicht, wenn er überhaupt jemals wieder an Nachwuchs denken würde. Dass er tatsächlich schon für den Fortlauf seiner Blutlinie gesorgt hatte, war für ihn ebenso wenig länger eine Erinnerung wie alles andere seiner Vergangenheit. Das aber war gut so. Andernfalls würde er es vermutlich derart bedauern, dass er all seine Pflichten noch in den Wind schlug, um seine Kinder und ihre Mutter kennen zu lernen und ihnen allen ein guter Vater zu sein. Denn ja, sein Herz war zu gut, um das zu ignorieren.
Auch Elodi konnte er nun nicht weiter ignorieren, indem er seinen Gedanken nachhing - auch nicht, wenn sie sich grundlegend um die Menschin drehten. Aber Kazel hatte sie zu ihrer Rolle an Schicksals Seite gefragt und nun beantwortete sie ihm das. Es wäre unhöflich, gerade jetzt halbherzig zuzuhören. So richtete er seine Aufmerksamkeit wieder auf sie. Doch jetzt war es Elodi, die etwas zögerte. Sie verschob die Antwort, denn zunächst einmal musste aufgeräumt werden. Da man beides gut miteinander kombinieren konnte, ging Kazel ihr sofort zur Hand. Elodi räumte den Tisch ab und er machte sich daran, das Geschirr zu waschen. Erst beim Wegräumen der getrockneten Teller brauchte er erneut ihre Hilfe. Sie gaben ein gutes Team ab, doch das bemerkte Kazel gar nicht, denn er lauschte aufmerksam ihren Ausführungen, die Elodi nun bereit hielt.
Sie versuchte, es ihm so verständlich wie möglich zu machen. Daher ging sie zunächst auch auf Kazels Fähigkeiten ein, die er sogleich abnickte. "Ja, ich kann die Lebenszeit anderer sehen", bestätigte er. "Aber nicht meine eigene und wohl auch nicht die von Nahestehenden. Ich erinnere mich, dass Tod mir erklärte, dass ich meine Entscheidungen nicht dadurch beeinflussen lassen soll." Er hob seinen linken Arm an, dass er sein inneres Handgelenk anschauen konnte. "Meine eigene Lebenszeit kann ich auch nicht sehen, aber ... das ist auch nicht mehr wichtig, oder?" Seine Augen suchten Elodis. Nein, jetzt war es nicht mehr wichtig. Er hatte kein Leben mehr, an dem er hängen könnte. Die verbliebene Zeit war dazu da, das Leben noch zu genießen. Er durfte sich nur nicht zu sehr binden ... Sein Blick ruhte auf der Gesellin des Schicksals.
"Ich finde das mit den Schicksalsfäden gar nicht so kompliziert", meinte Kazel. Dann hob er die Schultern an und schmunzelte schief. "Ich schätze, wir beide sind wohl lose Fäden in diesem Gewebe - irgendwie mit drin, aber befreit von allen anderen." Er fragte nicht danach, ob sie seinen Faden sehen oder erkennen konnte, was ihn zu dem gemacht hatte, der er war. Welche Farbe dieser Faden besaß, beispielsweise. Kazel ahnte schon, dass Elodi ihre Fähigkeiten ebenso wenig auf sich selbst und Nahestehende anwenden konnte wie es bei ihm der Fall war. Es galt ihrem eigenen Schutz und so unterdrückte er die Neugier. Als Elodi jedoch ein selbst geknüpftes Band hervorholte und vor ihm auf dem Tisch ausbreitete, um ihre Aufgabe bildlich darzustellen, war die Verlockung zu groß.
"Sag mal ... weißt du, ob du in mein Schicksal eingegriffen hast?" Er hob sofort die Hände und wedelte beschwichtigend. "Keine Details. Ich soll schließlich gar nichts über das Vorher erfahren, sofern du überhaupt etwas weißt, aber ... ich frage mich, ob ich im Gleichgewicht war."
"Ich würde gern mehr über dich erfahren, Kazel!" Er sah auf. "Zumindest das, was du mir sagen kannst." Er schnaufte amüsiert. "Ich habe das Gefühl, du weißt mehr über mich als ich selbst. Ich habe dir alles gesagt. Da ... hm, nein, warte." Er konzentrierte sich, überlegte, woran er sich erinnerte. "Ich bin ein Mischblut ... Dunkelelf und ... Waldelf. Ich weiß nicht, welche Sorte Wald genau." Das war aber auch nicht mehr wichtig. "Ich glaube, ich hatte es deshalb nicht leicht. Ich ... erinnere mich nicht an meine Familie. Nur an das, was ich nicht hatte - Fürsorge, Liebe, Zuneigung. Ich trage Narben auf meinem Rücken, die aus dieser Zeit stammen, aber ich weiß keine Details. Zum Glück schmerzen sie nicht." Wenn Elodi ihn wirklich gänzlich gesehen hatte, dann war ihr das weiße Blitzgewitter nicht fremd, das seinen gesamten Rücken zierte. Die vernarbte Haut hatte aber bereits Einfluss von außen erfahren. Andere Mächte hatten in der Vergangenheit schon dafür gesorgt, dass Kazel weder unter einem tauben Rücken, noch unter Schmerzen litt. Es sah lediglich noch erschreckend aus. Ein Kenner könnte die vielen Striemen sicher als Ergebnis einer mit der Peitsche durchgeführten Folter entziffern. Mehr noch. Man hatte ihn strafen, aber nicht töten wollen. Alles andere hielt die Vergangenheit gut gehütet verborgen. "Darüber hinaus ... hm ... ich bin von zu Hause fort, einige Zeit gereist und habe Jahre in der Stillen Ebene verbracht. Allein. Vielleicht erinnere ich mich an diesen Teil meiner Vergangenheit noch am besten." Kazel blickte zum Fenster hinaus. Er befand sich im Grasland, das er nicht kannte, aber der Name allein versprach grüne und saftige Wiesen mit zahlreichen Blumen, Insekten und einem blauen Himmel darüber. Die Stille Ebene war ein so friedlicher Ort gewesen. Damals hatte er auch kein Bett besessen, sondern im Gras geschlafen und sich nur in den kälteren Jahreszeiten einen Unterschlupf gesucht. "Und ich habe Äpfel gestohlen..." Daran erinnerte er sich. "Bin wohl doch kein so gutes Herz, sondern ein Schwerverbrecher", grinste er auf, stahl sich in diesem Moment auch noch den letzten Apfel aus dem Korb. Er biss jedoch nicht hinein, sondern drehte ihn nur in der Hand, ehe er ihn in eine Hosentasche steckte.
"Du wolltest mit mir spazieren gehen", erinnerte er Elodi und stand auf. Es tat gut, die Beine zu strecken und sie sich etwas zu vertreten würde sich noch besser anfühlen.
"Wir sollten uns auch ein wenig austauschen. Ich bin sicher, dass dich ein paar der Bewohner - vor allem die Mädchen - ausfragen werden und unsere Erzählungen sollten sich nicht zu stark unterscheiden!"
"Warum ausgerechnet die Mädchen?" Kazel blinzelte. Er verstand es mit aller unschuldigen Aufrichtigkeit nicht, obwohl doch gerade bei ihm sämtliche Hormone durchgingen, wenn Elodi ihn erneut neckte. Er ahnte nicht, welche Wirkung er allein mit seiner Optik auf andere haben konnte, denn auch wenn er sich im Spiegel gesehen hatte, war seine eigene Sicht auf sich selbst eine andere.
"Lass uns draußen weitersprechen. Wir könnten zu dem kleinen See gehen! Und wenn wir uns besprochen haben, zeige ich dir das Dorf. In Ordung?"
"Ja, sehr gern. Ich weiß nicht, ob ich jemals einen See gesehen habe. Lass uns dorthin." Er war gespannt darauf, ob seine Annahme bezüglich ihrer hellen Augen mit der Realität übereinstimmte. Da bemerkte er Elodis Hand. Sie streckte sie ihm entgegen und das schon eine ganze Weile. Es war eine Einladung. Kazel blickte darauf herab. In seinem Geist formte sich erneut das Bild, das er geschaffen hatte, als sie von ihrer Position als Schicksals Gesellin gesprochen hatte. Ein Wandteppich, in dem jeder einzelne Faden eine Seele darstellte und wann immer er sich mit einem anderen Faden verflocht, entstand eine Verbindung. Kazel streckte seine eigene Hand aus. Seine Finger griffen langsam nach Elodis, legten sich um sie und verflochten sich mit den ihren. Ihre Haut fühlte sich warm an. Seine hingegen besaß eine seichte Kühle, nicht unangenehm und doch schwang etwas darin mit; etwas Endliches. Das gehörte wohl dazu, wenn man Geselle von Gevatter Tod war.
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Re: Neuanfang

Beitrag von Erzähler » Samstag 15. Juni 2024, 10:53

Vermutlich würde Kazel das Leben mit all seinen Höhen und Tiefen erneut kennenlernen. Ein Leben besaß so viele verschiedene Gefühle und vermutlich würde er jedes von ihnen neu entdecken. Ob sich sein Charakter dabei neu, oder in eine andere Richtung entwickeln würde, blieb vermutlich abzuwarten. Dieser Neuanfang hatte ihm eine neue Ausgangslage geschenkt, bei der er nicht alleine sein würde und das war für den jungen Mischlingselfen ein beruhigendes Gefühl.
Das Kennenlernen unseres Helden mit Elodi verlief ruhig und harmonisch, ähnlich wie das Wasser in einem kühlen Bachlauf vor sich hinplätscherte. Obwohl sie Fremde füreinander waren schienen sie doch in gewisser Weise nicht fremd füreinander zu sein. Etwas verband sie und das wussten sie beide von Beginn an. Es mochte lediglich die berufliche Position sein, die sehr ähnlich und besonders war, doch eben das stellte einen Unterschied zu normalen ersten Treffen dar. Sie tasteten sich im Wissen aneinander heran, dass sie in Zukunft Zeit miteinander verbringen würden.
Kazel konnte sich unbefangen auf die ganze Situation einlassen. Er musste nicht rätseln, kein Argwohn kam auf, wie es vielleicht bei einer anderen Fremden aufgekommen wäre, denn er besaß die Sicherheit und das Wort der Entitäten Tod und Schicksal, dass die junge Frau - Elodi ihm beistehen würde.
So zögerte er auch nicht, stand auf und nahm sich die Schale mit dem Kräutersud, den sie nur ein paar Momente zuvor erwähnt hatte. Er trank die Flüssigkeit im Wissen, dass sie seinem Körper guttun würde. Elodi beobachtete ihn dabei und erwähnte, gedanklich noch bei ihrem Gespräch, dass Kazel ein gutes Herz zu haben schien.
Diese Aussage kam plötzlich und so überraschend, dass der Mischling beim letzten Schluck vermutlich falsch atmete und sich so verschluckte. Hustend stellte er die Schale ab und sah ihr verwundert in die Augen.
„Achja?“, fragte er – nicht über ihre Aussage verwundert, sondern fragend und in sich selbst nach einer Bestätigung ihrer Worte forschend. Besaß er ein gutes Herz? Ohne Erinnerungen war dies für ihn selbst schwer zu beurteilen.
„Ich bin doch nur ich“, meinte er mit verlegener Unsicherheit und dennoch einem Lächeln auf den Lippen. Elodi schien einen Moment über seine Wortwahl nachzudenken. Doch dann nickte sie lächelnd und ihr Blick dabei war aussagekräftig – als würde sie nicht einen Moment an ihrer Feststellung zweifeln.
„Du magst dich nicht erinnern und ich kenne dich noch nicht, aber weiß ich doch, dass Tod und auch Schicksal dich andernfalls niemals als geeignet ansehen würden. Aber davon einmal abgesehen… muss man dir nur in die Augen sehen, um zu erkennen, dass du ein gutes Herz hast. Deine Worte haben es mir nur noch einmal bestätigt!“ Lag es an seinem derzeit reinen und quasi unbeschriebenen Zustand, in dem er sich befand, dass sie so dachte, oder lag in ihren Worten vielleicht noch mehr verborgen? Das blieb wohl noch herauszufinden. Deutlich wurde auf jeden Fall, dass Elodi eine ziemlich direkte Art zu haben schien. Sie sprach aus, was sie dachte und empfand – zumindest momentan. Gleichzeitig wirkte es aber nicht so, als würde sie sich über ihre Worte keine Gedanken machen.

Auf Kazels Gesicht spiegelte sich eine leichte Verlegenheit wieder, denn ihre Worte klangen nicht das erste Mal, wie ein verborgenes Kompliment. Und als sie ihm dann auch noch neckend mitteilte, dass sie seine Anatomie schön fand, was zwischen den Zeilen doch bedeuten musste, dass ihr gefiel, was sie sah – also er – stieg ihm die Hitze sichtbar ins Gesicht und sein Atem stolperte erneut, so dass er sich selbst daran verschluckte.
Elodis wacher Blick hatte auf ihm gelegen und als sie seine Reaktion beobachtete entschlüpfte ihren Lippen nun doch ein kleines, aber dennoch melodisches Lachen, in dem sich der Klang einer unverfälschten Herzlichkeit befand. Wäre ein stummer Beobachter anwesend, würde dieser ohne Umschweife erkennen können, dass sie seine Reaktion niedlich fand.
Ihr Lachen verklang jedoch schnell wieder, denn sie wollte ihm nicht das Gefühl geben, dass sie ihn auslachte, denn dem war ganz und gar nicht so.
„Manchmal reizen die Kräuter den Hals…!“, bot sie ihm die Möglichkeit einer Ausrede und schob, in einer unterstützenden Geste, den Wasserkrug ein Stückchen näher in seine Richtung. Einen Moment lang fanden und trennten sich immer wieder ihre Blicke. Um ihm scheinbar nicht das Gefühl zu geben, dass sie jede seiner Regungen beobachtete, wandte sie ihren Blick dann aber zum Fenster, wo noch immer die Gardinen im Wind spielten und sich mit dem Sonnenlicht verfingen. Eine feine Briese kam so in das Innere des Häuschens und reichte soweit, dass sie über die Wangen der jungen Frau streichelte.
Dieser Moment bot Kazel wiederum die Möglichkeit ihre Optik ein wenig intensiver in Augenschein zu nehmen. Er war ein junger Mann und als Elf quasi noch in der Pubertät. Es war also kein Wunder, dass er einen Gedanken weiter, auch Elodis Weiblichkeit erkannte und nun betrachtete. Sollte er auf eines ihrer Komplimente reagieren – vielleicht etwas erwidern? Das wäre doch nur höflich, doch einfach nur etwas daher zusagen und es nicht zu meinen, das kam ihm auch nicht in den Sinn.
Sein Blick wanderte also über ihr Gesicht, entdeckte die vielen kleinen Sommersprossen. Ihr langes rotes Haar rebellierte offenbar auf charmante Weise gegen den Versuch es in einem Seitenzopf geflochten zu bändigen, so dass sich kleinere Strähnen zu lösen versuchten.
Als sie vom Fenster wieder zurück zu ihm sah, trafen sich ihre Blicke, die beide Blau, jedoch von unterschiedlichen Farbnuancen waren. Sein gedanklicher Vergleich mit einem klaren Bergsee war vielleicht gar nicht mal so abwegig. Elodi besaß tatsächlich einen klaren und offenen Blick, der einem das Gefühl gab, dass man ein Stück weit in ihre Seele blicken konnte. Gleichzeitig kam das Empfinden auf, als würde sie ebenfalls in die Seele ihres Gegenübers sehen und darin lesen können.
Einige Momente verstrichen, ohne, dass einer von ihnen etwas sagte. Sie saßen nur da und sahen sich an, tasteten sich lediglich mit ihren Blicken weiter bei ihrem Kennenlernen vor.
Irgendwann jedoch räusperte sich Kazel und meinte: „Du bist auch richtig schön.“ Und dieses Mal war er es, der den Blickkontakt aufrecht erhielt.
Nun war es Elodi, die für einen Augenblick überrascht aussah. Ihre Lippen öffneten sich einen Spalt im Ansinnen, etwas zu erwidern, doch kein Ton verließ ihren Mund. Dann konnte Kazel beobachten, wie sich ihre Wangen sanft röteten und wie sich ihr Blick verlegen zur Seite richtete.
„Danke…!“, antwortete sie leise und ein wenig verzögert bildete sich ein kleines, verborgenes Lächeln in ihren Mundwinkeln, dass darauf schließen ließ, dass sie sich von seinen Worten geschmeichelt fühlte. Ob sie es nicht gewohnt war Komplimente zu erhalten?
So oder so, vielleicht war es ihr Anblick, oder es war ihre Bemerkung über die anderen Männer, die ihn dazu drängten, dass er einem Missverständnis entgegenwirkte, indem er direkt im Anschluss daran klarstellte, dass er noch kein Interesse an ihr hatte. Doch eben diese Worte und die stumme Implikation, dass er keine Konkurrenz darstellte, bewirkten ein Missverständnis.
In Gedanken konnte Kazel ein Seufzen hören, das ganz eindeutig von Tod kam.
Nun sammelst du also auf ein Neues Erfahrungen mit Frauen...!, hörte Kazel den trockenen Klang der Stimme des Gevatters, der ihm indirekt dadurch verriet, dass er eben solche schon gesammelt zu haben schien. Doch war es vermutlich Zeitverschwendung ihn darauf anzusprechen – er würde seinem Schüler sicher nichts darüber erzählen.
Elodi hob auf Kazels Worte nur wieder den Blick und nickte nach ein paar Sekunden. Der Zauber der Verlegenheit, der kurz auf ihnen beiden gelegen hatte war verflogen, jedoch ohne die Stimmung vollständig zu ruinieren. Es fiel den beiden nicht schwer die Missverständnisse, die natürlich aufkamen auszuräumen und so begannen sie über ihren gemeinsamen Aufenthalt im Graslanddorf zu sprechen.
„Ich muss selbst erst einmal herausfinden, wer ich ... eigentlich sein will“, offenbarte Kazel seiner neugefundenen Kameradin, woraufhin sie ihm aufmunternd zulächelte.
„Mit etwas Zeit wirst du das herausfinden, mach dir da keine Sorgen und setz dich vor allem nicht unter zeitlichen Druck! Du hast doch eben selbst gesagt: du bist du - und das hat sich auch nicht geändert, als du deine Erinnerungen abgegeben hast. Ich weiß zwar nicht genau wieso, aber es war deine Entscheidung und machen uns nicht diese zu dem, der wir sind und weiter werden?“
Elodi sah ihn an, als sie ihm diese Frage stellte, doch sah man in ihren Augen, dass sie von dieser Aussage selbst überzeugt war. Als Schicksals Gesellin wusste sie um die Bedeutung und Kraft von Entscheidungen und sie zielte es ganz eindeutig darauf ab ihm Mut zuzusprechen.
Ob Kazel dies ähnlich sehen konnte, würde sich noch herausstellen. Seine neutrale Einstellung musste erst einmal wieder das Werten lernen und nur so würde er herausfinden können, was er für seine Zukunft wollte und wer er im Laufe der Zeit werden würde. Er war Tods Geselle – er besaß eine Identität. Doch diese war bisher nur ein Begriff – ein Begriff, den er mit seinem, sich neu bildenden Charakter bilden, prägen und gestalten würde.
„Es ist wohl besser, ich erzähle nicht offen, dass ich des Gevatters Lehrling bin. Das ... würde niemand glauben.“ Sie nickte und gab einen amüsierten Laut von sich, als sie sich ein solches Szenario vorstellte.
„Da hast du recht, aber ich glaube, wäre es andersherum, würden wir es auch nicht so einfach glauben!“ Ihr Blick wurde etwas ernster und sie stützte die Arme auf dem Tisch ab, um es etwas gemütlicher zu haben – gleichzeitig beugte sie sich ihm dabei ein wenig näher zu.
„Diese Seite von uns muss ein Geheimnis bleiben. Sterbliche würden das nicht verstehen und es könnte sein, dass dieses Wissen in den falschen Händen für ein Ungleichgewicht und Unruhen sorgt. Es gibt noch zu viele andere Kräfte auf dieser Welt, die sich immer wieder in das Leben – die Schicksale einmischen. Allein die Götter tun das immer wieder.“ Ihr Blick lag forschend auf seinem Gesicht – wusste Kazel darüber etwas? Besaß er dahingehend noch Erinnerungen?
„Es kann auch für uns gefährlich sein…! Nur, weil wir Gesellen sind bedeutet das nicht, dass wir unantastbar sind. Und damit meine ich nicht die Unversehrtheit unseres Körpers, aber ich denke das weißt du, oder?“
Mit einem Mal war die Stimmung ernster geworden. Aber das schien dem Thema auch angemessen zu sein. Es war wichtig, dass sie über alles sprachen – herausfanden, was sie wussten und erkannten, wo vielleicht Unterschiede oder Fragen im Raum standen.
Dennoch schien Elodi niemand zu sein, der überdramatisierte. Nach ein paar Momenten sprach sie erneut aus, was ihr offenbar auf der Seele lag: „Über all das mit niemandem sprechen zu können ist nicht immer einfach, weil wir als Teil beider Seiten irgendwie in der Mitte stehen. Aber …ich glaube von nun an wird es einfacher! Wir beide dürfen darüber miteinander reden!“ In ihrem Lächeln konnte man Erleichterung erkennen. Sie schien wirklich froh darüber zu sein jemanden wie Kazel kennengelernt zu haben. Doch konnte bei dieser Bemerkung die Vermutung aufkommen, dass sich auch Elodi… einsam gefühlt hatte.
So offen sie sich gab, wurde doch klar, dass sie sich ihrer Rolle bewusst war und sich offenbar auch an Schicksals geforderte Ordnung halten musste und es tat.

Sie sprachen weiter und Kazel erfuhr ein wenig mehr über die Verbindung, die sie sich für ihn zu ihr ausgedacht hatte. Darüber kamen sie auf das Bettproblem zu sprechen und der Elf stellte klar, dass er die Rothaarige nicht auf dem Boden schlafen lassen würde.
„Du machst dir zu viele Gedanken...!“, erwähnte sie, woraufhin er direkt mit dem Kopf schüttelte und konterte:
„Nein, nur die Richtigen. Ich lasse dich nicht auf dem harten Boden schlafen, wenn du ein Bett hast. Mit einer Decke und etwas für den Kopf komme ich schon eine Weile aus, bis ich ... herausgefunden habe, wie man sich selbst ein Bett baut.“ Seine Pläne dahingehend standen fest – seine Entschlusskraft und sein Selbstbewusstsein zeigten sich in diesem Moment. Diese konnte Elodi klar erkennen und so hob sie nur leicht die Schultern und ließ das Thema vorerst im Raum stehen.
Als sie über Schicksal und Tod sprachen wurde die Stimmung wieder heiterer. Beide schienen ein gutes Verhältnis zu ihren Lehrmeistern zu haben, stellten aber fest, dass die beiden Entitäten immer mal wieder in kleine Auseinandersetzungen gerieten. Das lag ganz offenbar daran, dass sich ihre Arbeitsbereiche immer wieder mal überschnitten.
Als Kazel nach Elodis amüsierter Nachfrage, ob Tod behauptet hätte, dass Schicksal bissig sei, auflachte, lag ihr Blick auf seinem Gesicht. Da sie einander nicht kannten ahnte sie nicht, dass dieser Anblick nicht selbstverständlich oder alltäglich für ihn war.
Als die Gesellin die Bissigkeit ihrer Lehrmeisterin mit den Worten einer starken Persönlichkeit umschrieb, überraschte Kazel sie erneut, als er ihr wieder ein Kompliment machte.
„Wie du“, meinte er ehrlich. Dieses Mal schien sie jedoch in sich hineinzuhorchen um herauszufinden, ob sie sich ebenfalls so betrachtete. Ihr Lächeln, das sie danach zeigte, wirkte allerdings nicht so, als hätte sie eine Antwort gefunden. Sie winkte leicht ab und schüttelte sachte mit dem Kopf.
„Ich weiß nicht.“, meinte sie, ehe sie lachte, weil sie die Parallele zur vorherigen Situation erkannte. Die junge Frau nutzte diesen Moment und die ihr zugeschriebene Eigenschaft jedoch aus, indem sie ihm vorschlug, dass er den Bettenbau sein zu lassen, da ihr Bett breit genug war, so dass auch zwei Personen darin Platz fänden. Sie schien darin kein Problem zu sehen, dass sie sich dieses teilten und nach kurzen Zögern willigte auch Kazel ein.
„I-in Ordnung!“ Wusste sie, dass sie Kazel in eine gewisse Verlegenheit brachte? Er war immerhin ein junger Mann – sie eine junge Frau … und sein Körper, der aufgrund seines elfischen Alters voller pubertärer Hormone steckte, würde ihm sicher zeigen, dass sein Kopf und ein anderer Körperteil nicht immer … derselben Meinung sein würden! Worauf hatte er sich da nur eingelassen…?! Ihr Blick ließ nicht darauf schließen, dass sie Hintergedanken hatte. Dachte sie vielleicht gar nicht soweit und war unschuldiger, als man denken mochte?


Wieder wechselten sie das Thema und auf Kazels Nachfragen erklärte Elodi ihm, was ihre Aufgaben und Fähigkeiten als Schicksals Gesellin waren. Sie versuchte, es ihm so verständlich wie möglich zu machen und er schien ihr folgen zu können. Ihre Fähigkeiten waren unterschiedlich, doch manche ähnelten einander, wie das Sehen der Lebenszeit und der Seelenwaage oder den Schicksalsfäden.
„Meine eigene Lebenszeit kann ich auch nicht sehen, aber ... das ist auch nicht mehr wichtig, oder?“ Ihre Blicke fanden sich bei dieser Frage, doch dachte Elodi wieder einen Moment nach, bevor sie antwortete.
„Vermutlich nicht…! Wenn unser irdisches Leben endet und wir unsere Position auf der anderen Seite fest einnehmen, werden wir in der Lage sein unser Erscheinungsbild zu ändern, wie wir es wollen. Zumindest hat mir das Schicksal erzählt.“ Wieder legte sich ein Schmunzeln auf ihre Lippen und der Schalk funkelte in ihrem blauen Blick. „Du kannst dir dann also aussuchen, ob du ein Skelett sein möchtest, oder ob du … der hübsche Kerl bleiben möchtest, der du bist!“ Offenbar fand sie Gefallen daran ihn ein wenig zu necken, obwohl man nicht den Eindruck gewinnen konnte, dass sie nicht meinte, was sie sagte.
„Aber… im Grunde hat die Lebenszeit für dich kaum noch eine Bedeutung. Sie rinnt zwar dahin, aber… steht dennoch bereits still!“ Zu dieser Erkenntnis war Kazel vermutlich auch gekommen, oder würde es in nächster Zeit tun. Er selbst hatte schon mehr als einmal sein Leben von Tod zurückerhalten. Für den Gesellen des Gevatters war das vermutlich… nichts Ungewöhnliches. Doch war Elodis Lebenszeit ebenfalls verändert worden?
„Ich finde das mit den Schicksalsfäden gar nicht so kompliziert“, begann er nach einem Moment wieder und schmunzelte, als er das von ihr Gesagte in einem anderen Konzept wiederfand: „Ich schätze, wir beide sind wohl lose Fäden in diesem Gewebe - irgendwie mit drin, aber befreit von allen anderen.“ Auf diese Aussage hin sah sie auf und lächelte – ruhig und zustimmend.
Eigentlich hätte er nun die Gelegenheit sie viel intensiver über ihre Aufgaben auszufragen, doch er hielt sich zurück. Nichts drängte sie… sie besaßen im Grunde Zeit über ihren natürlichen Tod hinaus, um alles herauszufinden. Doch es gab eine Kleinigkeit – ein Gedanke, der ihn nicht loslassen wollte und von dem er glaubte, dass die Antwort einen Unterschied machen würde, ob er sie wusste, oder nicht.
„Sag mal ... weißt du, ob du in mein Schicksal eingegriffen hast?“, fragte er und hob augenblicklich die Hände in einer beschwichtigenden Geste. Vielleicht war er gerade dabei eine Grenze zu überschreiten und doch… er wollte es wissen!
„Keine Details. Ich soll schließlich gar nichts über das Vorher erfahren, sofern du überhaupt etwas weißt, aber ... ich frage mich, ob ich im Gleichgewicht war.“ Elodi sah Kazel einen Moment schweigend an und ihr Blick wurde sanfter, bis sich ein entschuldigender Ausdruck auf ihr Blau legte.
„Es tut mir leid, aber ich weiß nichts über dein Leben und die Erinnerungen, die du aufgegeben hast. Auch habe ich nicht in dein Schicksal eingegriffen“, klärte sie ihn auf. Die Frage nahm sie nicht böse oder als unpassend auf. Sie schien Verständnis dafür zu haben, dass er das wissen wollte.
„Als Tod und Schicksal dich herbrachten, sah ich dich das erste Mal und erfuhr auch erst da, wer du bist. Du kannst dir vielleicht denken, wie überrascht ich war!“ Zu Kazels Bedauern wusste auch Elodi nicht mehr als er, über das, was er vergessen hatte.
„Ich kann deine Seelenwaage und deinen Schicksalsfaden auch nicht sehen. Ich… muss zugeben, dass ich es versucht habe, als du schliefst. Ich war neugierig…! Aber mit der Entscheidung, dass wir zusammenarbeiten, verknüpften sich unsere Schicksale und deshalb kann ich sie nicht sehen. So, wie du vermutlich nicht meine Lebenszeit sehen kannst…“, erklärte sie weiter. Sie strich sich in einer nachdenklichen Geste eine Strähne aus der Sicht hinters Ohr und wandte den Blick zur Schlafstatt, auf der Kazel gelegen hatte.
„Ich würde gern mehr über dich erfahren, Kazel!“, gestand sie und sah zurück zu ihm, so dass sich ihre Blicke wieder trafen. Diese Aussage überraschte und amüsierte ihn zur gleichen Zeit. Was sollte er ihr erzählen, was sie nicht schon wusste, oder sehen konnte? Doch als er seine Gedanken durchsuchte fand er doch ein paar Punkte, die für sie neu sein müssten und danach verließen die Worte von ganz allein seinen Mund.
„Ich bin ein Mischblut ... Dunkelelf und ... Waldelf. Ich weiß nicht, welche Sorte Wald genau. Ich glaube, ich hatte es deshalb nicht leicht. Ich ... erinnere mich nicht an meine Familie. Nur an das, was ich nicht hatte - Fürsorge, Liebe, Zuneigung. Ich trage Narben auf meinem Rücken, die aus dieser Zeit stammen, aber ich weiß keine Details. Zum Glück schmerzen sie nicht.“ In Elodis Blick fand sich eine gewisse Bestürzung über das, was er ihr gerade anvertraut hatte. Es war weniger die Tatsache über die Narben, als sein Wissen, dass er niemals Fürsorge, Liebe und Zuneigung erfahren hatte. Seine körperlichen Wunden hatte sie vermutlich schon gesehen und sich ihre Gedanken dazu gemacht.
Sie hatte sich im Sitz wieder leicht aufgerichtet und ihre Hände knibbelten unter dem Tisch leicht aneinander. Das Gehörte schien etwas in ihr zu Bewegen und auszulösen. Wahrscheinlich wusste sie, um das schwere Los, das Mischlinge – besonders dunkelelfischen Blutes besaßen. Sie hatten es nicht leicht – gerieten immer wieder in Situationen der Anfeindung. Und in seinem Fall… schien er weit Schlimmeres durchgemacht zu haben.
„Darüber hinaus ... hm ... ich bin von zu Hause fort, einige Zeit gereist und habe Jahre in der Stillen Ebene verbracht. Allein. Vielleicht erinnere ich mich an diesen Teil meiner Vergangenheit noch am besten." Still saß die junge Frau bei ihm und hörte ihm zu. Sie unterbrach ihn nicht, stellte keine Zwischenfragen oder äußerte eine Bemerkung, aus Sorge, dass sie den Moment des Anvertrauens dadurch zerstören könnte. Kazel war gerade mit sich und seiner Vergangenheit beschäftigt, an die er sich größtenteils nicht erinnern konnte. War dies nun ein Segen?
„Und ich habe Äpfel gestohlen...“ Bei dieser Aussage blinzelte sie doch etwas verwundert, denn damit hatte sie ganz offenbar nicht gerechnet. „Bin wohl doch kein so gutes Herz, sondern ein Schwerverbrecher!“ Sein Grinsen und die Geste, wie er den Apfel aus dem Korb stibitzte, brachten den angespannten Faden der Stimmung zum Reißen und so lockerte sich auch Elodis Miene. Sie erwiderte das Grinsen und schüttelte leicht mit dem Kopf. Offenbar hatte sie sich Sorgen gemacht, doch gerade sah es danach aus, als würde er mit allem klarkommen.
„So schnell bekommt man also einen Apfeldieb ins Heim gesetzt!“, scherzte sie und als er sie daran erinnerte, dass sie spazieren gehen wollten, erhob auch sie sich.
„Wir sollten uns auch ein wenig austauschen. Ich bin sicher, dass dich ein paar der Bewohner - vor allem die Mädchen - ausfragen werden und unsere Erzählungen sollten sich nicht zu stark unterscheiden!“ Ihre Aussage ließ Kazel stutzen und er schien nicht zu verstehen, worauf sie hinauswollte.
„Warum ausgerechnet die Mädchen?“ Der Blick der jungen Frau lag nachdenklich auf ihm. Dann ging sie auf ihn zu und blieb vor ihm stehen und betrachtete ihn ein wenig skeptisch.
„Na, weil…“, begann sie, ehe sie noch einmal stutzte und sich unterbrach und so etwas wie: Scheinbar hast du auch das vergessen...!, murmelte. Noch einmal betrachtete sie ihn, ehe sie resignierte und schief lächelte:
„Du bist ein gutaussehender Fremder, über den sie kaum etwas wissen. Die einen werden alles daran setzen, um dich näher kennenzulernen. Andere wiederum, werden dich deshalb argwöhnisch und vielleicht ein wenig missfallend betrachten. Das… hast du doch sicher schon erlebt?“, fragte sie und legte ein wenig den Kopf zur Seite. Doch dann beschloss sie, das Gespräch nach draußen zu verlagern. Manchmal war es das Beste, wenn man Erfahrungen sammelte, als wenn man etwas nur erklärt bekam. So machte sie den Vorschlag zum See zu gehen und anschließend, wenn sie alles besprochen hatten, das Dorf zu erkunden.
„Ja, sehr gern. Ich weiß nicht, ob ich jemals einen See gesehen habe. Lass uns dorthin.“ Die Aussicht die Kate zu verlassen hellte die Stimmung noch einmal auf. Kazel würde quasi damit den ersten Schritt in sein neues Leben tätigen und ihr mit all seiner Vielfältigkeit begegnen.
Elodi lächelte zustimmend und hielt ihm dann plötzlich ihre Hand entgegen. Der junge Mann bemerkte diese Geste und als er sie ergriff und ihre Finger sich verflochten, fühlte es sich so an, als würde dadurch ihre Verbindung sichtbar werden. Wie es wohl aussah? Wie verwoben und umschlungen sich wohl gerade ihre Schicksalsfäden?
„Der See wird dir gefallen!“, merkte sie an und reichte ihm mit einer Hand einen dunklen Umhang, den Tod für ihn dagelassen hatte. Sie selbst warf sich einen grünen über die Schulter, wofür sie kurz seine Hand los ließ, doch bevor sie hinausgingen, griff sie wieder nach seiner Hand und führte ihn hinaus aus dem kleinen Häuschen.

Man konnte sofort erkennen, dass sich das Dorf noch mitten im Aufbau befand. Es gab noch keine gepflasterten Straßen oder angelegten Wege, sondern lediglich Trampelpfade und Flächen, die durch das häufige Begehen kaum, bis gar keine Vegetation mehr zuließen.
Neben Elodis Kate waren schon ein paar andere Häuschen entstanden und umrahmten eine Art entstehenden Dorfplatz, auf dem sich noch einige andere Bewohner tummelten. Alle schienen einer Arbeit nachzugehen und die Luft war besonders von Klopf-, Hämmer, und Sägegeräuschen erfüllt. Es existierten bereits einige fertige Katen oder Häuschen, bei manchen erkannte man schon ein Grundgerüst.
In der Mitte des runden Platzes, der sicher einmal das Kernstück des Dorfes einnehmen würde, befand sich ein großer Brunnen, den die Bewohner sicher mit als Erstes ausgehoben hatten. Viele gefällte und bearbeitete Baumstämme lagen aufgestapelt an einer Seite des Platzes und würden sicher für den Häuserbau herhalten.
Die üppige Graslandschaft war überall dort zu sehen, wo die Füße sie nicht niedertrampelten. Auf der Seite von Elodis Kate befand sich ein kleines Waldstück, auf die sie nun zusteuerte und ihn somit mit sich zog, nachdem er sich einen kleinen Rundumblick gegönnt hatte.
„Lass uns gehen, bevor uns jemand entdeckt und aufhält!“, erklärte sie und führte ihn quasi hinter ihr Haus. Schon nach ein paar Metern wurde das Gras immer höher, das selbst zu dieser frühen Jahreszeit ein erstaunlich üppiges Grün besaß. Doch war gut zu erkennen, dass sie sich auf einen Trampelpfad zum kleinen Waldstück befanden.
An Kazels feine Elfenohren drang schon bald der Klang von plätscherndem Wasser und sie kamen zu einem kleinen Bachlauf, der seinen Weg durch das Wäldchen schlängelte.
Wie bereits zuvor erkannt erstreckte sich über sie ein fast wolkenfreier, blauer Himmel. Die Sonne brachte mit ihren Strahlen eine angenehme Wärme, die das noch kühle Klima erträglich machte. Elodis Haar bekam im Sonnenlicht einen hübschen Schimmer und die kupferne Farbe gewann noch einmal ein wenig an Leuchtkraft.
Der Waldboden war mehr von Moos, als von Gräsern bedeckt, doch begannen bereits die ersten Frühblüher farbige Teppiche zu bilden. Gelbe Winterlinge und Schneeglöckchen kündigten den nahenden Frühling an.
„Ich habe den Dorfbewohnern gegenüber nicht erwähnt, dass du dein Gedächtnis verloren hast“, begann sie nach einer Weile und sah zu ihm, als der Weg es zuließ, dass sie nebeneinander gehen konnten.
„Da dich niemand kennt, dachte ich, dass das nicht nötig sei. Mir fiel aber auch kein Grund ein, wie du andernfalls zu mir ins Grasland gefunden hättest. Deshalb erzählte ich, dass du mir gefolgt bist, als du erfuhrst, dass ich vorerst nicht nach Santros zurückkehre und im Grasland bleibe.“ Auf ihrer Miene lag ein ruhiger Ausdruck. Sie schien die Atmosphäre zu genießen und atmete einmal tief und selig die frische Luft ein.
Sie führte ihn weiter zum Bach, der an einer Stelle recht schmal war, so dass sie mit etwas Schwung darüber springen konnten. Die junge Frau zögerte dabei nicht einen Moment. Sie schien unstetes Gelände und Wanderungen gewohnt zu sein und zeigte, was vielleicht längst vermutete wurde, dass sie kein edles Stadtblümchen war.
„Am besten… erzähle ich dir ein wenig über mich. Damit es dir nicht zu schwer fällt vorzugeben, dass wir einander lange kennen!“ Die kühle Luft färbte ihre Wangen langsam ein wenig rötlich, doch wirkte es nicht so, als würde sie frieren. Ihre Hand lag warm in der seinen.
„Wo am besten anfangen…? Also, meine Mutter starb offenbar bei meiner Geburt und mein Vater … war ein General, der die meiste Zeit auf See verbrachte. Soweit ich weiß kam er während eines Unwetters um, als sein Schiff kenterte. Da war ich ungefähr 4 Jahre alt. Deshalb erinnere ich mich auch kaum an ihn.“ Elodi bewies eine eigenartige Offenheit Kazel gegenüber. Sie sah ihn zwar nicht direkt an, während sie erzählte, da sie auf den Weg achtete, doch schien es ihr nichts auszumachen, wenn er mehr und auch persönliche Dinge über sie erfuhr.
„Die einzige Familie, die ich jemals hatte war mein Bruder Kion und da er nur zwei Jahre älter war, als ich gab es also niemanden, der sich um uns kümmern konnte. Wir wuchsen daher im Waisenhaus von Santros auf.“ Ihr Ausdruck wurde ein wenig nostalgisch, als sie weitersprach. „Er war der typische große Bruder, der immer seine kleine Schwester beschützen wollte. Aber in diesem Punkt war ich für ihn wohl eine bittere Enttäuschung.“ Kazel konnte aus dieser Bemerkung entnehmen, dass sie offenbar schon immer gewusst hatte, wie sie auf sich aufpassen musste.
„Je älter Kion und ich älter wurden, je mehr arbeiteten wir im Waisenhaus mit. Es ging uns gut dort und die anderen Kinder waren für uns wie jüngere Geschwister, um die wir uns kümmerten. Doch…“ Unbewusst verstärkte sie ein wenig den Griff um seine Hand und in ihren Blick mischte sich ein bedrückter Schatten.
„…als ich 14 Jahre alt war änderte sich alles. Ich … wachte eines Nachts wegen eines Alptraums auf, in dem ich Kion tot in einer Seitengasse fand und in der das Waisenhaus in Flammen aufging. Weil der Traum so realistisch war, ging ich zu seinem Zimmer, doch er war nicht dort. Ich suchte alles ab, doch als ich ihn nicht finden konnte, bekam ich Angst und lief hinaus, um ihn in der Stadt zu suchen.“ Ihre Schritte verlangsamten sich kurz und ihr Blick verriet, dass sie in ihren Erinnerungen versunken war.
„Mein Alptraum wurde Realität…! Ich fand Kion in derselben Gasse, von der ich geträumt hatte… abgestochen und verblutend. Ich … konnte nichts mehr tun, nicht einmal Hilfe holen. Er starb in meinen Armen, kurz nachdem ich bei ihm ankam.“ Nun blieb sie endgültig stehen. Elodi war eine starke junge Frau, die aussprach, was sie zu sagen hatte, doch dieser Teil ihrer Vergangenheit schien sie nicht ganz so einfach in Worte fassen zu können.
„In dieser Nacht verlor ich alles. Und ich verstand, dass ich nicht nur geträumt hatte. Als ich zum Waisenhaus zurückkehrte stand das Gebäude in Flammen. Niemand… überlebte – außer mir.“ Die letzten Worte kamen nur noch leise und beinahe entschuldigend über ihre Lippen. Und dann hob sie langsam den Blick, um in Kazels blaue Augen zu sehen. Eine Weile lang schwieg sie, sah ihn einfach nur an, bis sie wieder die Kraft gesammelt hatte ein Lächeln aufzusetzen.
„Der Traum… war eine Voraussicht, was ich damals allerdings nicht verstand. Ich weiß nicht wieso, aber seit dieser Nacht kommt es vor, dass ich manchmal Ausschnitte aus der Zukunft sehen kann. Manchmal auch welche, die in der Vergangenheit liegen. Ich kann diese Fähigkeit allerdings kaum kontrollieren. Aber ich denke, dass Schicksal mich unteranderem deshalb zu ihrem Lehrling machte. Auch, wenn das erst ein paar Jahre später der Fall war.“ Kazel erfuhr wirklich nicht wenig und es war fraglich, ob solch eine Offenheit, die Elodi ihm gegenüber bewies noch angenehm war. Andererseits schien es wichtig zu sein, dass sie einander kannten.
„Hier im Dorf… weiß das alles niemand. Sie wissen nur, dass ich aus Santros stamme und eine Feldschwester bin. Und da ich ihnen erzählte, dass du als bester Freund meines Bruders ein Jugendfreund und für mich wie Familie bist, dachte ich, dass du wissen solltest, wie mein Leben wirklich verlaufen ist. Tut mir leid, wenn das alles viel und dir unangenehm ist.“ In ihrem Blick lag wieder eine Entschuldigung, doch dieses Mal war diese an ihn gerichtet.
„Ich dachte… wir könnten ihnen erzählen, dass du ebenfalls im Waisenhaus gelebt hast.“
Als sie langsam weitergingen öffnete sich irgendwann der Wald und sie betraten eine große Lichtung in der mittig der See, eingebettet von grünen Gräsern, Sträuchern und Schilfrohr, vor ihnen lag. Der See war nicht riesig, aber groß genug, dass man eine ganze Weile brauchen würde, um ihn zu umrunden.
Elodi schien langsam die erdrückenden Gefühle der Vergangenheit abgeschüttelt zu haben und lächelte, als sie auf den See blickte. „Wunderschön, nicht wahr?“, fragte sie und deutete auf das schimmernde Wasser, in dem sich der blaue Himmel reflektierte. Das Wasser war unglaublich klar, so dass man die beigeweißen, feinen Kieselsteinchen und darüber einige Fische sehen konnte, die über den Grund huschten. Das Besondere an diesem See waren aber vermutlich die Pflanzen. Auf fast der gesamten Oberfläche schwammen blaue und weiße Blütenkugeln, die in sich selbst aus hunderten kleineren Blüten bestanden, die von der Form an spitzzulaufende Kleeblätter erinnerten. Jede dieser Blütenkugeln war um ein paar Zentimeter größer, als ein Apfel und schwammen wie zierliche Bälle, auf der sich sanft wiegenden Oberfläche. Zur Mitte des Sees wurde die Anzahl immer geringer, so dass die Blüten einem breiten Rahmen glichen.
Nach einem Moment, in dem sich Kazel ganz der Wirkung des Anblicks hingeben konnte, drückte Elodi sanft seine Hand.
„Wir können uns dort hinten auf den kleinen Felsen setzen, oder möchtest du noch ein wenig gehen?“, fragte sie und würde sich dabei ganz nach ihm richten. Sie könnten sich nun ihre gemeinsame Vergangenheit ausdenken, oder auch über anderes Reden. Vielleicht hatte er Fragen, denn man ihm zugestehen, dass er viel zu hören und verarbeiten bekommen hatte.
Elodi hatte ihn in einen sehr privaten Teil ihrer Vergangenheit blicken lassen und es wirkte nicht so, als würde sie diese jedem auf die Nase binden. So offen sie wirkte, sie konnte Dinge für sich behalten.
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