Das neue Heim

Die Gebäude hier zeigen deutlich den Stand eines Bürgers in Morgeria. Niedere leben in heruntergekommen Barracken, Krieger & Söldner in bunkerartigen Unterkünften oder Zelten. Mächtige Familien leben in finsteren Anwesen, die kleinen Schlössern gleichen.
Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Mittwoch 3. August 2022, 20:20

Warum erlebte sie eigentlich ständig Mord und Totschlag, seit sie auf Kazel getroffen war? Wobei... das war vielleicht nicht ganz gerecht, denn solange sie auf keine anderen Dunkelelfen gestoßen waren, hatten sie diese Sorgen nicht gehabt. Sie hatten sogar in der kleinen Höhle... Nun, das war ein Thema, an das zu erinnern jetzt der definitiv ungünstigste Zeitpunkt war.
Jedenfalls ging es schon wieder um Leben oder Tod und sie selbst fand diese kleine, höchst gefährliche Waffe in ihren Fingern, ohne zu wissen, wie sie dahin gekommen war. Dabei wollte Janay eigentlich nichts weiter als ihre Ruhe und endlich etwas weniger Blutvergießen!
Stattdessen zeigte jetzt auch die Tante des Mischlings ihr wahres Gesicht. Na ja, fast, denn die junge Frau hatte das Schlimmste verhindern können durch ihre unerwartete Vision. Vorerst zumindest...
Was aber dazu führte, dass nun Kazel selbst es war, der angriff, verletzt wurde und trotzdem nicht aufgab, als ahne er, dass es sonst sehr schnell für ihn vorbei wäre und sie dieses Mal nicht rettend würde eingreifen können. Im Gegenteil, sie versuchte instinktiv so viel Abstand wie möglich zwischen sich und die beiden anderen zu bringen, während sie die Nadel wie angewachsen vor ihren Bauch hielt, mit der giftigen Spitze von sich weg.
Jeder, der sich auf sie stürzen würde, würde dadurch unweigerlich getroffen werden. Wenn... ja, wenn sie nicht bis zur Wand zurück gewichen und sowieso nicht mehr beachtet worden wäre!
Mit kreisrunden, riesigen Augen starrte sie auf die zwei Kämpfenden und schluckte mehrmals leer, während sie ein Gespräch begannen. Oder besser gesagt, Kazel sprach... und war plötzlich ganz woanders. Janay blinzelte irritiert und begriff nicht, wieso die Aristokratin auf einmal am Boden lag.
Doch das war auch gut so, denn dadurch löste sich ihre eigene Starre ein wenig und sie konnte wahrnehmen, was sich in ihrem Augenwinkel tat. Zuerst wollte sie es als Überreizung abtun und den Blick gar nicht abwenden, aber dann war es, als spüre sie eine weitere, herannahende Gefahr.
Sie drehte den Kopf leicht, instinktiv, um nur ja nicht zu viel Aufmerksamkeit durch die Bewegung auf sich zu lenken. Ihre Augen weiteten sich noch mehr, als sie eine Gestalt zu sehen bekam, die sich zu ihnen gesellte und definitiv nicht freundlich gesinnt war. Die Haushofmeisterin!
Die junge Frau verlor die restliche Farbe in ihrem Gesicht und hatte im ersten Moment Angst vor einer Entdeckung. Ihre Finger umschlossen noch fester die Nadel, dass ihr die Gelenke leicht zu schmerzen begannen. Jedoch, nein, sie wurde nicht gesehen. Stattdessen visierte diese Dunkelelfe... Kazel an! Nein, bloß nicht!
Ihr Blick huschte zu ihm und sie spürte, wie ihr das Herz vor Schreck einen Schlag lang aussetzte. Denn ihr war schlagartig klar, was das sollte. Er war abgelenkt und in seinem Rücken näherte sich die nächste die Gefahr... Dabei hatte Janay die Blutspuren noch nicht einmal bewusst wahrgenommen.
Als es ihr auffiel, war es schon fast zu spät, denn der Abstand wurde immer geringer und es fehlte nicht mehr viel, um eine hinterhältige Attacke ausführen zu können, die bestimmt tödlich enden würde. "Nein...", hauchte sie tonlos und drückte sich von der Wand weg.
Plötzlich legte sich in ihrem Kopf ein Schalter um und sie wiederholte brüllend, wie man es bei einem erfolgrechen Angriff besser nicht tat:"Nein!!!" Damit stürzte sie vor und warf sich regelrecht gegen die Haushofmeisterin. An die Nadel in ihrer Hand, die sie so krampfhaft festhielt, dachte sie gerade nicht, sondern wollte die andere lediglich mit ihrem Schwung aus dem Gleichgewicht bringen, damit er reagieren konnte.
Schließlich hatte er in den letzten Minuten mehrmals gezeigt, dass er schneller sein konnte als ein Blitz. Wie er das machte, wusste sie nicht und es war ihr jetzt gerade auch vollkommen egal. Sie wollte ihm nur helfen!
Auch wenn ihr angst und bange wurde bei der Erkenntnis, dass er alleine gegen zwei Gegnerinnen antreten musste. Ob sie nochmals schreien sollte? Würde das denn was bringen?!
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Sonntag 7. August 2022, 14:33

Bei jedem anderen Kontrahenten wäre Kazel wohl nicht so harsch umgegangen. Er hätte nachgegeben, weil er irgendwo tief im Inneren des jeweils anderen noch einen Funken Ehre sah. Irgendwo, nur nicht bei seiner eigenen Blutsverwandten. Starle besaß nichts Gutes an sich. Nur das Wissen, dass der Tod ihm einen Auftrag erteilt hätte, sie umzubringen, hinderte den Mischling aktuell daran, seinem eigenen Bedürfnis nach dieser Form der Rache nachzugeben. Aber es war schwer und er musste darüber hinaus weitere Körnchen seiner eigenen Lebenszeit aufbringen, um gegen die deutlich erfahrenere Tante Bestand zu haben. Die Gabe des Gevatters rettete ihn davor, dass ihr Schädel ihm die Nase zertrümmerte. Kazel konnte sich rechtzeitig in Sicherheit bringen, indem er die Zeit erneut quälend langsam laufen ließ und einfach Position gegenüber seiner Tante bezog. Sobald die Zeit wieder voranschritt, nahm Starle ihren Angriffsschwung ins Leere mit und krachte so auf den eigentlich schön polierten Tanzboden des Ballsaales. Ihr ungläubiges Starres von so niedriger Position zu ihm empor erfüllte Kazel mit einem Höchstmaß an Genugtuung. Er kostete ein Stück weit die Macht über andere. Er genoss diese Leckerei, ohne eine Gier dafür zu entwickeln. Es ging hier nicht darum, sie ewig zu demütigen und über ihr zu stehen - auch wenn es sich großartig anfühlte! Es ging darum, frei zu sein. Frei von der Altlast der Vergangenheit. Frei von den Tenebrées und jeglichen Verbindungen. So wie Starle sich im Grunde ebenfalls von Kazel lösen wollte - was dieser ja nicht ahnte. Nur Janay hatte es in ihrer Vision gesehen -, so wollte auch er jegliches Band durchtrennen. Allerdings wäre Kazel niemals so weit gegangen, von vornherein ihren Tod mit einzuplanen. Er schloss es nicht gänzlich aus, aber es stand nicht an erster Stelle seiner Prioritätenliste. So musste man ihm wohl doch noch zusprechen, dass er selbst in der verdorbenen Schwester seiner Mutter noch einen Krümel Ehre suchte, indem er ihr ein Gespräch in Aussicht stellte.
Dafür gab er ihr nicht nur Gelegenheit, zu Atem zu kommen. Er griff sie auch nicht erneut an und erst Recht nicht aus einem Hinterhalt heraus, den er mit der Manipulation der Zeit spielend leicht hätte schaffen können. Er bewahrte sich selbst eine Spur Ehre und handelte so gerecht wie es ihm angesichts der eigenen Emotionalität der Szene möglich war.
„Ich... ich habe wirklich nicht geglaubt dich hier zu sehen! Du... du bist echt oder?“
Er nickte ihr mit verengten Augen zu. "Echt und am Leben, wie du siehst. Hattest du dir etwas Anderes erhofft, dass du mich attackierst?"
Sie antwortete. Ob es eine perfekte Lüge oder nicht doch die Wahrheit war, konnte Kazel nicht erkennen. Er hatte zu lange zurückgezogen gelebt, um andere leicht zu analysieren, aber seine eigene Tante war da noch eine Nummer größer. Sie hatte er damals schon nicht einschätzen können. Das machte ihr Gespräch nun schwieriger. Aber Kazel wohnte aufgrund seiner Erfahrungen ein generelles Misstrauen anderen gegenüber inne. Auch hier besaß seine Tante nochmal eine Stufe mehr. Dass er bereit war, mit ihr zu sprechen, war das Maximum an Vertrauen, welches er ihr entgegenbringen konnte. Wenigstens sprach sie, behauptete mit einer List des Sammlers gerechnet und ihn für einen Attentäter selbigen gehalten zu haben. Es klang schlüssig, denn auf morgerianischem Boden wurden aus Andersdenkenden schnell Leichen. Ihre Worte entsprachen dem üblichen Konsens dieser Stadt, so dass Kazel sie nicht anzweifelte. Ebensowenig zweifelte er daran, dass auch sie ihm gegenüber misstrauisch blieb.
„Wie soll ich sicher sein, dass du wirklich der Sohn meiner Schwester bist?! Beweise! Ich brauch einen Beweis! Zeig mir etwas, dass nur mein Blut … mein Kazel wissen kann!“ Ihre Forderung ging in einem leichten Husten unter. Etwas, das nur er wusste und das ihr Beweis wäre? Worte halfen hier nicht. Er musste ihr etwas Deutlicheres liefern. Dass sie ihn damit nur von Keona ablenkte, die sich in seinem Rücken heranschlich, ahnte er aktuell wirklich nicht. Kazel konzentrierte sich auf das Gespräch, vermutete nur seine Tante hier und vertraute auch auf Dry'ol. Er hätte in diesem Fall wohl auch berücksichtigen müssen, dass der Dunkelelf ebenfalls Morgerianer war und man sich somit auf nichts hier verlassen konnte. Nichts außer den Tod ... und jener war Kazels Lehrmeister. Er fühlte sich sicher.
So hob er die Hand, die noch immer die Peitsche seiner Mutter hielt. Er schleuderte das Folterinstrument weit weg, zum Rand des Saales hin. Er brauchte es nicht, um sich gegen Starle zu wehren. Er besaß seine Krallen, seine Zähne, die Zeit. Mit diesen Werkzeugen konnte er ohnehin besser umgehen als mit einer Peitsche. Außerdem wollte er dieses Marterinstrument nicht wirklich benutzen. Es weckte zu viel Dunkles in ihm, ließ die Narben auf seinem Rücken stechen und lenkte ihn von Starle ab. Dass er die Waffe nun fort warf, würde vielleicht sogar dafür sorgen, dass sie sich in falscher Sicherheit wähnte. Dann zog er den Ärmel der Tunika zurück und präsentierte seinen erhobenen Arm so, dass Starle einen guten Blick auf das rechte Handgelenk bekam. Das Hautbild dort war zwar etwas verblasst und von einigen Narben durchzogen - vergebliche Versuche Kazels, sich das Zeichen von der Haut zu schneiden - aber noch immer erkannte man das Tenebrée-Wappen gut. Auf seiner helleren Haut stach es sogar besser hervor als es wohl auf Starles Handgelenk zu sehen wäre.
"Beweis genug?" Schon wollte er erneut zum Sprechen ansetzen. Die Hand senkte sich bereits wieder zurück an seine Seite. Da unterbrach die vertraute Stimme seiner Liebsten ihn, noch bevor er die eigenen Stimmbänder zum Vibrieren hätte bringen können. Mit einem lauten Ruf der Ablehnung erfüllte sie die weiträumige Halle und wären ihre hörbaren Schritte auf dem Tanzboden nicht gewesen, Kazel hätte sich nicht einmal zu ihr umgedreht. Er dachte nämlich, Janay wollte ihn aufhalten. Dass er trotz allen Leids seiner Tante kein Haar krümmte. Dass er nicht so wurde wie sie. Und weil er sich erinnerte wie erschüttert sie im Reich des Gevatters dreingeschaut hatte, als er ihr offenbarte, für das Skelett in Kutte töten zu müssen. Sie hing auch am Leben anderer. So interpretierte Kazel den Aufschrei zunächst als sehnlichste Bitte, die eigene Seele nicht mit einem weiteren Mord in den Abgrund zu stürzen. Aber ihre eiligen Schritte passten nicht dazu. Sie drangen in einem rascher und lauter werdenden Rhythmus in Kazels Ohren. Sie sorgten dafür, dass er sich verwirrt nach Janay umdrehte. Abgelenkt und nicht bereit, mit einer anderen Angreiferin als seiner Tante zu rechnen, würde er wohl nicht einmal mehr die Zeit rechtzeitig anhalten können, um zumindest einer Attacke zu entgehen - ganz gleich, aus welcher Richtung sie auch käme. Diesen einen Schlag, Stich oder was sonst auf ihn zukommen könnte, würde er einstecken müssen. Kazel konnte nur hoffen, dass er nicht tödlicher Natur wäre. Aber hatte Keona sich schon weit genug an ihn heranschleichen können, um auszuholen? Oder kam die Gefahr von der am Boden liegenden Starle? Und wo war Janay in all dem? Obwohl die Zeit weiterlief schien es plötzlich, dass Kazel einfach darauf warten musste, dass sein Gehirn die sich nun ändernde Szene verarbeitet hatte.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Dienstag 9. August 2022, 19:18

Zeit konnte in manchen Situationen wirklich zum kostbarsten Gut der Welt werden und manchmal unendlich langatmig sein. Doch Langeweile war es sicher nicht, dass Kazel und Janay hier ergriff. Es war eher blanke Panik!
"Nein..."
, hauchte Janay tonlos und drückte sich von der Wand weg. Plötzlich legte sich in ihrem Kopf ein Schalter um und sie wiederholte brüllend, wie man es bei einem erfolgreichen Angriff besser nicht tat:
"Nein!!!"
Damit stürzte sie vor und warf sich regelrecht gegen die Haushofmeisterin. An die Nadel in ihrer Hand, dachte sie schon lange nicht mehr. Sie wollte die andere lediglich mit ihrem Schwung aus dem Gleichgewicht bringen, damit Kazel reagieren konnte. Schließlich hatte er in den letzten Minuten mehrmals gezeigt, dass er schneller sein konnte als ein Blitz. Warum also...
Warum war er es nur jetzt nicht???

(zeitgleich)
"Beweis genug?"
Kazel wollte er erneut zum Sprechen ansetzen. Der Blick aus Starles Augen war einfach unersetzbar! Sie erkannte ihn ...und hatte Angst?! Da kauerte sie, wie ein geschlagener Hund am Boden. Seine Hand senkte sich bereits wieder zurück an seine Seite, da unterbrach die vertraute Stimme seiner Liebsten ihn, noch bevor er die eigenen Stimmbänder zum Vibrieren hätte bringen können. Mit einem lauten Ruf der Ablehnung erfüllte sie die weiträumige Halle und wären ihre hörbaren Schritte auf dem Tanzboden nicht gewesen, Kazel hätte sich nicht einmal zu ihr umgedreht. Er dachte im ersten Moment einfach, Janay wollte ihn aufhalten. Aber ihre eiligen Schritte passten nicht zu dem was ihm dabei durch den Kopf ging. Sie drangen in einem rascher und lauter werdenden Rhythmus in Kazels Ohren. Sie sorgten dafür, dass er sich verwirrt nach Janay umdrehte. Abgelenkt und nicht bereit, mit einer anderen Angreiferin als seiner Tante zu rechnen, sah er gerade noch, wie Janay einer weiblichen Gestalt, die sein Gehirn vielleicht später als Keona die Haushofmeisterin der Tante identifizieren würde, in die Seite rannte. Seine Nervenbahnen leiteten das Bild noch weiter, aber waren einfach viel zu geschockt, als dass er in diesem Moment hätte reagieren können. Selbst wenn er es gewollt hätte, er konnte nicht einmal mehr die Zeit rechtzeitig anhalten. Dafür war alles schon viel zu weit voran geschritten und zu nah.
Es war zu spät dieser Attacke zu entgehen. Diesen einen Schlag, Stich oder was sonst auf ihn zukommen könnte, würde er einstecken müssen. Kazel konnte nur hoffen, dass er nicht tödlicher Natur wäre. Während sein Blickfeld sich verengte, rasten seine Gedanken. Kam die Gefahr vielleicht auch aus einer anderen Richtung, von der am Boden liegenden Starle? Und warum war Janay plötzlich mitten in diesem Getümmel aus dünnen Klingen? Obwohl die Zeit weiterlief schien es plötzlich, dass Kazel einfach darauf warten musste, dass sein Gehirn die sich nun gänzlich geänderte Szene verarbeitet hatte. Eben eine Sekunde setzte sein Herz einfach vor Schreck des gesehenen aus, bevor sein Verstand ihm erklären konnte was wirklich geschehen war.

(immernoch zeitgleich)
Sie wollte ihm nur helfen! Entschlossen ihren Liebsten zu retten war sie laut rufend auf Keona los gerannt. Was war geschehen? Die vermeintlich 'heimliche' Angreiferin in Kazels Rücken hatte sich natürlich zu ihr umgedreht, aber nicht gänzlich, also knallte Janay ungebremst in ihre Seite. Kazel drehte sich seinerseits um 90 Grad und sah Janays von Angst und auch Zorn verzerrtes Gesicht direkt über Keonas linke Schulter. Hatte er schon wieder die Zeit angehalten? Nein... sie lief weiter. Die beiden Frauen waren nur erstarrt. Aber etwas stimmte nicht! Janays Blick veränderte sich. Rollten ihre Augen nach hinten? Nein, das nicht... aber sie waren weiß. Gänzlich weiß, wie blinder Nebel in den rote Schlieren aus Blut hinein wuchsen und für Kazels Sinne eine Sanduhr bildeten...
...
Warm...
feucht...
fließend...
Etwas floss ihren Bauch hinab... die Leiste... den Oberschenkel...
Janay sah in Keonas starren Augen, die sie ohne jede Emotion anstarrten. Vielleicht war ein wenig Überraschung in diesem Blick, aber keinerlei Reue über die Tat! Janay spürte den Schmerz noch nicht, aber er würde kommen und er würde nicht nur ihren Leib zerreißen, sondern auch vielleicht auch ihre Seele. Denn als ihr Kopf schwer und ungewöhnlich kraftlos nach vorne sackte, da sah sie auf den Griff in ihrem Unterleib, den die gut ausgebildete Kriegerin wie einen Brateinspieß in ihr versenkt hatte. Verwirrt und den Albtraum noch nicht begreifend sah sie Keona wieder an. Warum war ihr Kopf so schwer. Janay fühlte sich müde. Schlafen war eine gute Option. Das hier musste doch ein Traum sein oder?! Der Boden hier wäre hart, aber das war ihr egal. Sie wollte sich hinlegen, oder? Warum sah Keona sie jetzt so entsetzt an? Ihre Pupillen wurden immer größer, bis die Iris komplett verschwand und nur noch riesige runde schwarze Löcher sie anstarrten. Die gefangene Seele dahinter hämmerte mit den Fäusten gegen die Seelenspiegel, unfähig sich aus dem sterbenden Körper zu befreien. Keona griff im letzten Zucken nach vorne und hielt sich an der schwer verletzten Frau vor sich fest und starrte nun ihrerseits an sich hinab. Janays Blick folgte und erkannte ein winziges spitzes Ding, dass im Unterarm, nahe des Ellenbogens in der Gegnerin steckte, dort wo Janay und sie sich gegenseitig hielten. Dann sackte die Frau zusammen und riss sie mit sich.
...
Oder nicht? Janay sah Keona vor sich. Sie hatte die Klingen in Kazels Rücken erhoben. Janay hatte laut gerufen und stürmte in ihre Seite. Sie hatte ihn retten wollen! Keona würde sterben und …sie selbst würde mit einem Sai im Bauch zusammen brechen... im Unterbauch... eine Klinge würde ihren Albtraum erneut herauf beschwören. Abermals würde sie ein Kind verlieren... als sie Keona angriff...
Kazel...oder das Kind... Kazel...oder das Kind...Kazel.............. aber die Entscheidung war ja schon gefallen!
Die schlimmste aller Befürchtungen hatte sich in ihrem Kopf gezeigt, die eine werdende Mutter haben konnte, die SIE haben konnte... denn schon einmal hatte sie ein Leben verloren! Würde sie den Verlust eines zweiten verkraften? Vielleicht würde sie danach nie wieder Kinder bekommen können? Das dunkle klebrige Gefühl der nackten Angst kroch ihr die Kehle hinauf und riss sie zurück in die Wirklichkeit. Nein, sie konnte nicht die Zeit anhalten, aber sie konnte sehen, was eine nächste wahrscheinliche Folge ihrer Tat sein könnte. Nur hatte sie noch Zeit zu handeln? Nicht wirklich. Sie hatte Kazel das Leben gerettet und vielleicht noch viel mehr... seine Seele. Diesen Platz hatte Keona nun Platz eingenommen. Aber der Preis, den sie dafür zahlen musste, war unendlich viel höher!

(einen entscheidenden Herzschlag später)
Die einzige Wahl die sie noch hatte war das Auftreffen der Klinge im Winkel ein wenig zu verändern, in dem sie sich in ihrem Angriff fallen ließ. Vielleicht bedeutete dies auch für sie selbst, dass sie sich dann schlimmer verletzte, sie war keine Ärztin oder Heilerin, die so etwas wissen könnte, aber dann traf die Klinge vielleicht nicht ihren Nachwuchs. Sie konnte selbst entscheiden, wo sie am Rumpf getroffen wurde: tiefer Unterbauch, oder ...höher.

(der selbe Herzschlag später)
Kazel hatte sich zu Janays lautem Schrei und den Schritten umgedreht, hatte sie in die Kriegerin hinein laufen sehen und das Weiß in ihren Augen erkannt. Sie standen, hockten geduckt oder saßen alle in einer Linie. Von Starle am Boden ausgehen, dann er vor ihr stehend, jetzt seitlich gedreht nach hinten blickend, dann Keona hinter ihm eben noch geduckt halb zu Janay gedreht ebenfalls nach hinten blickend, bis zu Janay die 'Nein'-schreiend in sie hinein gerannt war.
...
Dann sackte Keona auch schon mit Janay zusammen in die Knie. Die zweite noch auf ihn gerichtete Waffe der Haushofmeisterin fiel mit einem klingenden Geräusch zu Boden und das Gebrabbel seiner Tante war ebenfalls erstorben. Bein nächsten Herzschlag würde der Schmerz das Gehirn seiner Liebsten erreichen. Bein nächsten Herzschlag konnte Starle aber auch ihn wieder erreichen. Dieser Kampf war noch lange nicht zu Ende.
Bild

Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Mittwoch 10. August 2022, 14:29

Sie hatte eigentlich an das Gute, an die Ehrlichkeit dieser Dunkelelfe glauben und Kazel mit dem Treffen etwas Gutes tun wollen. Dabei war sie so vollkommen blind gewesen, ja, regelrecht naiv, wie sich allzu schnell gezeigt hatte. Nicht in Wirklichkeit, denn diese hatte sie zu ihrer beider Vorteil im letzten Moment beeinflussen können.
Und dennoch saß der Schrecken in ihrem Inneren tief, sodass sie danach vorerst nicht mehr in der Lage war, helfend an der Seite ihres Liebsten einzugreifen. Stattdessen presste sie sich mit dem Rücken zur Wand, die Nadel wie angewachsen mit der giftigen Seite von sich weg weisend, während sie mit großen, runden Augen verfolgte, was sich zwischen den beiden Familienmitgliedern tat.
Im Moment hatte Kazel, dank ihr, die Oberhand, anstatt eine willenlose Hülle von Starles Gnaden zu sein. Nur... wie lange noch? Wann würde die Situation kippen?
Ganz so, als ob Janay es geahnt hätte, denn nicht vor, sondern neben ihr tat sich etwas, das ihr das Herz einen Moment lang vor Schreck stehen bleiben ließ. Unbeobachtet konnte sie zusehen, wie sich die Haushofmeisterin hereinschlich und sich mit ihren furchtbar wirkenden Waffen in seinem Rücken langsam näherte. Nichts verriet sie, kein Laut, kein Blick ihrer Herrin.
Das war genug für die junge Frau, sie spürte nur allzu deutlich die Gefahr und musste eingreifen. Einerseits, um dem Mann, der ihr das Herz gestohlen hatte, erneut helfen zu können... hoffentlich! Aber andererseits auch um ihres eigenen Heils willen. Denn sie hatte in ihrer kurzen, unerwarteten Vision auch zu hören bekommen, was geschehen würde, sobald die Aristokration triumphieren würde. Und das war nicht sonderlich erstrebenswert!
Also folgte sie ihrem Instinkt und der zeigte, dass sie so einiges sein mochte... aber eben keine Kämpferin. Auch wenn in Erzählungen gerne dramatisiert und ausgeführt wurde, wie ein angreifender Held allein mit seinem Gebrüll schon den halben Sieg errang, die Wirklichkeit sah anders. Komplett anders!
Denn, während sie noch mit dem Schrei auf den Lippen heranstürmte, überwältigte sie ihre neu erwachte Gabe von neuem. Ohne Worte dafür finden zu können, war ihr schlagartig bewusst, wie das Ergebnis ihre Attacke aussehen würde, sofern sie innerhalb eines hastigen Atemzuges nichts ändern würde. Der Laut erstarb, ihre Kehle schnürte sich zu und ihr Magen verkrampfte sich.
Doch während ihr Geist noch damit beschäftigt war zu erfassen, welches Unglück ihr drohte, war ihr Körper bereits jetzt mit allen Fasern auf den Schutz des ungeborenen Lebens eingestellt. Viel konnte sie, durch den eigenen Schwung, nicht mehr ausrichten, allerdings gelang ihr im letzten Moment immerhin noch eine leichte Drehung ihres Leibes. Auf diese Weise wurde sie dennoch getroffen, vielleicht sogar tiefer, als es andernfalls gewesen wäre. Jedoch nicht frontal in ihren Bauch, sondern seitlicher, welche Organe dort auch immer sitzen und somit verletzt worden sein mochten.
Ob es reichen würde, um ihr größtes Unglück zu vermeiden? Schwer zu sagen, denn die Wunde könnte mit Leichtigkeit zu ihrem Tod führen... mal wieder. Und damit wäre sicherlich auch das Ende ihres Krünels besiegelt. Aber eben nicht sofort, nicht so, wie sie es gesehen hatte, sodass ihr Herz hektisch weiter pumpte und jede Faser in ihr nach der leisen Hoffnung schrie, dass sie das Schlimmste noch hatte verhindern können. Während all das viel zu schnell ablief, als dass sie etwas anderes dabei hätte sein können als stumm.
Was sie hingegen nicht schaffte, war, auf den Beinen zu bleiben. Ihr eigener Schwung, die leichte Drehung und der Zusammenprall mit der anderen Dunkelelfe sorgten dafür, dass sie das Gleichgewicht verlor. Instinktiv griff sie nach der erstbesten Möglichkeit, die ihr vermeintlich Halt bieten konnte, nämlich nach dem Arm der anderen.
Doch würde sie diese dadurch nicht ebenfalls mitziehen? Und was war mit der giftigen Nadel? Krampfhaft hielten ihre Finger sie umschlossen, aber sie hatte weder Blick, noch Gedanken dafür, ob sie trotz allem die Waffe unbeabsichtigt eingesetzt hatte.
Spürte sie eigentlich schon die Schmerzen oder andere... Gefühle aufgrund der tiefen Wunde? Nein, eigentlich nicht. Noch war alles vollkommen unwirklich und irgendwie wie... taub.
Wo genau war sie eigentlich getroffen worden? Wie tief hatte die Klinge eindringen können? Und... wie schnell wäre es für sie tödlich?
Als sie den Boden erreichte, kam auch der Schmerz, der mit sofortiger Wirkung ihren gesamten Körper in ein wahres Höllenfeuer zu verwandeln schien. Sämtliche Nervenbahnen schrien vor Qual, während vor ihren Augen Lichtpunkte aufblitzten und ihr Gesichtsfeld immer stärker für sich einnahmen, sodass sie nicht mehr wahrnehmen konnte, was um sie herum weiter geschah.
Schrie sie eigentlich vor Pein oder war sie verstummt? Nicht einmal das konnte sie noch feststellen, denn in ihren Ohren rauschte es derart laut, als befände sie sich direkt in einer Flutwelle. Hilflos lag sie somit da und war nicht länger fähig dazu, ihrem Liebsten zu helfen.
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Freitag 19. August 2022, 00:59

Da hatte er bis eben noch vor seiner Tante damit geprahlt, durch den Raum springen zu können - nie würde er ihr offenbaren, dass es eigentlich die Manipulation der Zeit war - und schon machte das Schicksal ihm einen Strich durch die Rechnung. Wäre Janay nicht gewesen, hätte Keona ihm wohl eine tödliche Wunde zugefügt. Selbst für das Verlangsamen von Zeit brauchte man nun einmal selbige, um den Moment zu erfassen, ab wann man diese unsagbar kostbare Gabe einsetzte. Kazel hatte diesen Moment verpasst. Sein Kopf verarbeitete noch das Bild, das sich ihm bot. Er brauchte mehr als einen blitzschnellen Augenblick, um zu verstehen, dass die Haushofmeisterin überhaupt anwesend war. Oh, er hätte es ahnen können! Sie hatte Starle schon begleitet, als er noch im Körper des Sammlers gesteckt hatte. Dass die Blutsverwandte nicht erneut allein gekommen war, hätte er wissen können! Vielleicht wäre es Kazel sogar in den Sinn gekommen, wenn er nicht mit seinen Energierserven zu kämpfen hätte. Mit Schlaf war man nicht nur reaktionsschneller, sondern bedachte Situationen auch mit deutlich mehr Klarheit. So aber blieb ihm als Reaktion zunächst nur, die Szene mit anzusehen, die drohte, sich ihm in die Netzhaut zu brennen.
Janay stürzte sich auf Keona, die sich soeben ihr zudrehte, so wie Kazel sich den beiden zugewandt hatte. Im Gegensatz zu ihm sah sich Keona nun aber mit dem ganzen Gewicht seiner Geliebten konfrontiert, als sie ungebremst in die Seite der Dunkelelfe hinein preschte. Die Szene war dennoch seltsam. Es lag nicht daran, dass beide Frauen nicht umstürzten, obwohl man es hätte erwarten können. Vielmehr war ihre gänzliche Starre dafür verantwortlich. Fast schon hatte der Mischling den Eindruck, die Zeit doch angehalten zu haben. Da er aber nicht das sanfte Gewicht und kühle Glas seiner eigenen Lebensuhr in der Handinnenfläche fühlte, konnte es noch nicht geschehen sein. Die einzige Ausnahme bildete das Erscheinen seines Lehrers, Gevatter Tod. Kazel schaute sich nicht nach dem Gerippe um. Dafür blieb noch keine Zeit. Nach wie vor musste er das Bild vor sich erst einmal verarbeiten.
Langsam drang die Erkenntnis durch seine Hirnwindungen, dass etwas nicht stimmte, auch unabhängig von einer möglichen Zeitmanipulation. Kazel starrte in die weit aufgerissenen Augen seiner Liebsten. Sie hatten jegliche Farbe verloren, aber als milchig konnte man sie dennoch nicht bezeichnen. So beschrieb man nur die Augen von Erblindeten. Bei Janay wirkte es aber vielmehr so, als sähe sie vollkommen klar. Er konnte ja nicht ahnen, dass diese Annahme so nah an der Wahrheit lag. Aktuell zeigte sich, dass auch Janay mit einer Gabe gesegnet war. Außenstehende bekamen aber bis auf die Veränderung ihrer Augen keine Einzelheiten mit. Niemand ahnte, dass sie im Geiste bereits grausige Zukunftszenen durchlebte und sich entscheiden musste, welches Leben sie durch eine noch zustechende Klinge würde verschonen müssen: ihr eigenes oder das ihres heranwachsenden Kindes in ihrem Leib.
Als Kazel die blutrote Form einer Sanduhr in Janays Blick erkannte und auch diese Information endlich in sich aufgenommen hatte, war der Moment zum Handeln schon wieder vorbei. Mit einem dumpfen Geräusch sackten die beiden Frauen zu Boden. Das alles hatte nur einen Herzschlag lang gedauert, aber er wusste, wie kostbar dieses Quäntchen Zeit gewesen wäre, um etwas zu unternehmen. Nun war es zu spät. Er konnte nur noch jetzt agieren, Schlimmeres zu verhindern suchen. So rief Kazel sich instinktiv die eigene, wunderschöne Sanduhr in die Hand. Erneut wollte er die Zeit auf Kosten seiner eigenen Vergänglichkeit anhalten. Das Klirren der fallengelassenen Sai-Gabel hörte er noch nicht. Sie war auf dem Weg, den Boden zu erreichen, aber es würde mehrere Herzschläge andauern - so viel wie Kazel bereit war, zu zahlen. Jetzt konnte er die Situation endlich erfassen. Auch mit dem Wissen, dass er Sandkörner der Lebens verschwendete, nahm er sich etwas Zeit, um durchzuatmen und all die Informationen noch einmal halbwegs durchzugehen. Er blickte von den für ihn erstarrten Kämpfenden über die Schulter zu Starle Tenebrée zurück. Auch er stand vor einer Entscheidung: Verhindern, dass die Angreiferinnen sie überwältigten oder Janay aus der Gefahrenzone bringen? Kazel schüttelte den Kopf, dass im Stillstand der Zeit die Luft ein wenig flimmerte. Nein, es blieben weitere Optionen und eine davon hatte Keona für sich selbst besiegelt, als sie es wagte, mit ihrer Waffe auf seine Liebste loszugehen.
Kazel hatte Zeit. Er entschied es so. Er hatte sich elf kostbare Minuten genommen, um 40 Reihen mit jeweils zehn Frauen von ihrem Schicksal zu erlösen. Dann konnte er sich auch ebenso viel Zeit nehmen, um Janay in Ruhe zu retten und die Gefahr endlich zu bannen. Notfalls würde er mehr investieren, wenn es nicht reichte. Er würde jedes Sandkorn aufbrauchen, wenn es sein musste. Und er verließ die Position des Henkers.
Kazel wusste, dass es nicht an ihm war, hier eine Entscheidung zu treffen, aber war dem wirklich so? Entschieden nicht täglich Menschen, Elfen, Zwerge oder sogar Tiere darüber, ob ihre Beute, ein Halunke in einer Gasse, ein Hunger leidendes Kind oder ein namenloser Feind sein Leben verwirkt hatte? Jeder wurde einmal zum Richter, hob sich über das Leben eines anderen hinweg und kehrte in eine, dieses Mal voreingenommene Henkerrolle zurück. Taten führten zu Konsquenzen und Keonas Tat würde ihr Tod bedeuten.
Kazel ging nicht blind vor. Er sah bereits, dass sie Janay verletzt hatte und das brachte sein Inneres Fass der Zurückhaltung zum Überlaufen. Lieber stellte er sich dem Zorn seines Meisters als diese Frau für ihr Verbrechen weiter atmen zu lassen. Er löste sich aus dem Stillstand, marschierte direkt zu Keona und Janay herüber. So gut es ihm möglich war, löste er seine Geliebte aus dem Knäuel. Ob die Klinge stecken blieb? Er hoffte es, würde es aber möglicherweise gar nicht verhindern können, dass sie den Leib verließ. Er musste Janay etwas zurückziehen und sicher am Boden absetzen. Er brauchte Platz. Rücksichtslos, aber von einer Kälte getrieben, die ihn erschreckend ruhig handeln ließ, packte Kazel Keona an den Haaren und zerrte sie ein Stück mit sich. Er drückte sie auf den Rücken, setzte sich mit den Knien auf ihrem Brustkorb ab und ballte dann seine Rechte zur Faust. Die Adlerkrallen blitzten nicht, denn kein Licht konnte auf Stillstand reagieren, um auf der scharfen Oberfläche zu reflektieren. Und dann waren sie von Blut überströmt, als Kazel sie einmal quer über den Hals der Haushofmeisterin zog. Er ging nicht unnötig brutal vor, was ihn von seinem früheren Selbst unterschied. Damals wäre er einfach blind und voller Zorn auf Keona losgegangen und hätte sie unter blanker Wut zerrissen. Jetzt tötete er sie nur. Schnell, mit den ihn gegebenen Werkzeugen, aber ohne Gnade. Sie würde ihm nicht entkommen. Ganz im Gegensatz zu seiner Tante. Zwar wollte er auch ihr Lebenslicht schwinden sehen, aber noch hatte er Fragen an sie. Das sicherte ihr etwas Zeit. Jetzt aber, da selbige schon erstarrt war, konnte er sich auch in Ruhe um sie kümmern. So würde kein weiterer Hinterhalt gelegt werden können.
In Ermangelung eines guten Fesselseiles suchte Kazel sich die nächstbeste Vorhangkordel. Sie würde reichen, um seine Tante zunächst ordentlich zu verschnüren. Außerdem wollte er sie dieses Mal nach versteckten Klingen durchsuchen. Er gab eigenes Lebenszeit auf, um sogar in ihren Stiefeln nachzuschauen. Er wollte keinen weiteren Fehler begehen. Dass ihn das alles mehr Zeit als sonst kostete, war seiner Müdigkeit geschuldet, aber er ging es ohne Nachzudenken ein. Erst sobald die Tante gut gefesselt wäre und somit hoffentlich keine Gefahr mehr darstellte, kehrte Kazel an Janays Seite zurück. Er kniete sich zu ihr und ... stand wieder auf.
Sie hatte sich mit Keona im Kampf befunden. Wenn ich die Zeit nun weiterlaufen lasse, wird sie mich noch angreifen, ehe sie mich erkennt. Er blieb somit einen Moment auf Abstand. Erst dann ließ er sein Stundenglas wieder verschwinden, um Teil des Flusses zu werden, den man allgemein als Leben bezeichnete. Die Zeit strömte wieder, umschloss ihn und nahm ihn in sich auf wie ein kleines Blatt, das von einem wilden Fluss mitgerissen wurde. Jetzt würde er abwarten müssen, was geschah. Keona war tot, soviel stand fest. Seine Tante war gefesselt und würde vermutlich erst einmal verwirrt sein, aber Kazel opferte seinen Triumpfmoment, ihr gegenüber zu stehen. Er war lieber an Janays Seite. Wie schwer war die Verletzung? Wo war sie getroffen worden und wen konnte er nun zu Hilfe holen?
"Dry'ol!" Sein Ruf durchbrach die Zeit und hallte durch den Tanzsaal. Aber würde der brachiale Diener auftauchen? Bei Janays deutlich lauteren Schreien hatte er schon nicht reagiert. Kazel wollte sie jedoch nicht sofort allein lassen, schon gar nicht mit Starle. Ihr traute er inzwischen zu, selbst jetzt noch einen Weg zu finden, sie beide zu hintergehen. Er musste wachsam bleiben. Schlafen könnte er später ... sein Körper weinte.
Bild

Benutzeravatar
Gevatter Tod
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 39
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:41
Lebensenergie:

Re: Das neue Heim

Beitrag von Gevatter Tod » Dienstag 23. August 2022, 15:43

Seine Gäste waren gegangen. Er saß allein vor der wässrigen Leinwand des Lebens, dass er hier beobachtete. Wie immer waren es die Entscheidungen der Sterblichen, die ihn zum Handeln zwangen. Auf jede Tat folgte eine Reaktion. Diese wahr voraus zu sehen gewesen, also hatte er sich schon halb erhoben, als sein Geselle erneut die Zeit anhielt und seinen neu erworbenen Lebenssand für ein anderes Leben opferte. Er sollte ihm wohl mal die Risiken und Nebenwirkungen des neuen Sandes erklären... doch dann zögerte er. Der Tod tippte sich nachdenklich an die untere Zahnreihe, wo sonst wohl eine Lippe gewesen wäre. Ein leises Klacken untermalte den grausigen Moment eines Aufblitzens in seinen Augen. Wenn der Tod eine Idee hatte, war sie meist von düsterstem, schwärzesten, finstersten Humor durchsetzt, den meist nur ER als witzig empfand. Aber dieses mal war es noch nicht mal sein Humor, den ihn antrieb. War er eben noch im Begriff gewesen aufzustehen um seinem Schüler zu helfen, so lehnte er sich nun zurück und tippte mit eben jenem eben schon erwähnten knöchernen Finger auf die Armlehne seines Throns - nun Thron war übertrieben. Heute glich seine Sitzgelegenheit eher einem dürren Klappstuhl, der von zwei dünnen Bahnen Schicksalsgewebe zusammen gehalten wurde, in denen er wie in einer Schlaufe saß. Auf der Rückenlehne stand in knochenweißen Lettern:
**Tod**
und Tod betrachtete seinen Gesellen der sich gerade an der Regie des Lebens versuchte:
„Na mal sehen, wie er sich macht.“
Sein Schüler hatte gelernt die Zeit zu manipulieren, hatte sich bewiesen, war zum Gesellen geworden und hatte sich gerade selbst von Henker zum Richter befördert. Ob Keonas Zeit gekommen war oder nicht, hatte er sich nicht angesehen. Auch bei all den Opfern der jüngst zurück liegenden Taten, hatte Kazel sich nicht die Sanduhren angesehen, doch bei den von Sademos manipulierten Seelen, da war davon auszugehen gewesen, dass sie abgelaufen waren. Es fehlten nur noch wenige auf des Gevatters Liste... Aber jetzt?... Vielleicht tat er es weil, er es einfach noch nicht wusste, dass dies besser war, bevor man einen Lebensfaden fälschlich durchschnitt? Aber Tod war ein guter Lehrmeister, dafür hielt er sich wenigstens. Er wollte Kazel durch Fehler lernen lassen, denn dann würde er sie nicht vergessen und bestimmt nicht wiederholen. Also ließ er seinen Gesellen die Regeln der geschenkten Zeit selbst erforschen.
Kazel hatte nur Augen für seine Liebste. Sogar Tod verstand diesen Drang. Leben war kostbar und sollte immer gerettet werden, sofern möglich, aber an jedem Ende stand nun mal ER. Da konnte nicht einmal die Macht der Liebe etwas gegen tun. Er war unausweichlich und er war ein Teil des Lebens. Sie gehörten im Kreislauf zusammen: Werden und Vergehen. Ein Kind wurde geboren, begann sein Leben, durfte seine Zeit frei gestalten und beendete es wieder bei ihm. Kazel tanzte gerade auf dem schmalen Grad zwischen dem gerechten Ende eines Lebens und seinem eigenen Rachedurst. Seine Tante ließ er am Leben, da er sie noch befragen wollte, doch die hinterhältige Assassine durfte nicht weiter leben, obwohl sie sich wirklich 'gut' angestellt hatte. Hatte sie nicht eigentlich nur Befehle befolgt? Des weiteren... Die Manipulation der Zeit, die ihm geschenkt worden war, hatte einen Preis und dieser stand noch aus.
„Ich sehe mir das noch eine Weile an... mal sehen, ob er selbst drauf kommt...“
Gelassen schlug er die knöchernen Knie übereinander und lehnte sich zurück.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Dienstag 23. August 2022, 15:45

Wer wünschte sich das nicht. Einfach mal die Pause-Taste im Leben drücken, einmal durchatmen, um dann die Situation in Ruhe betrachten zu können. Kazel hatte dieses Geschenk erhalten, wo jeder andere zu einer schnellen und oft übereilten oder nur auf Instinkten beruhenden Reaktion gezwungen wurde. Und er nutzte dieses Geschenk auch weise. Er atmete einmal tief durch und sortierte seine Gedanken.
Kazel ging nicht blind vor. Er sah bereits, dass Keona Janay verletzt hatte und das brachte sein Inneres Fass der Zurückhaltung zum Überlaufen. Auch wenn er Zeit hatte, so tobte ein emotionaler Sturm in ihm. Der Anblick der Haushofmeisterin im Moment ihrer Tat war kaum zu ertragen. Lieber stellte er sich dem Zorn seines Meisters als diese Frau für ihr Verbrechen weiter atmen zu lassen. Er löste sich aus dem Stillstand, marschierte direkt zu Keona und Janay herüber. So gut es ihm möglich war, löste er seine Geliebte aus dem Knäuel. Die Klinge blieb stecken, als er kurz entschlossen Keonas Finger vom Griff brach, denn das war die einzige Möglichkeit, es gegen den Druck der Muskeln und auch der Zeit zu tun. Dann zog er Janay etwas zurück um sie sicher am Boden abzusetzen. Dann war Keona dran! Rücksichtslos, aber von einer Kälte getrieben, die ihn erschreckend ruhig handeln ließ, packte Kazel sie an den Haaren und zerrte Keona ein Stück mit sich um Platz zu schaffen. Er drückte sie auf den Rücken, setzte sich mit den Knien auf ihrem Brustkorb ab und ballte dann seine Rechte zur Faust. Und dann waren sie von Blut benetzt, als Kazel sie einmal quer über den Hals der Haushofmeisterin zog. Dünne Linien zeugten von der Tat, aber noch sprudelte kein Blut hervor. Schnell, mit den ihn gegebenen Werkzeugen, aber ohne Gnade hatte er sie unter dem Einfluss der still stehenden Zeit getötet. Dann wandte er sich zu seiner Tante. Zwar wollte er auch ihr Lebenslicht schwinden sehen, aber noch hatte er Fragen an sie. Das sicherte ihr etwas Zeit. Jetzt aber, da selbige schon erstarrt war, konnte er sich auch in Ruhe um sie kümmern. So würde kein weiterer Hinterhalt gelegt werden können. Schnell holte er sich die nächstbeste Vorhangkordel. Sie würde reichen, um seine Tante zunächst ordentlich zu verschnüren. Zuvor suchte er nach versteckten Klingen, sogar in ihren Stiefeln und wurde öfter fündig als vielleicht geahnt. Diese Frau war ein wandelndes Nadelkissen! Er fand Haarnadeln mit kleinen von Gift gesättigten Schutzhüllen in ihren Haaren, als Verschlüsse getarnte Verstecke in den Ketten um ihren Körper, weitere im Saum ihres Kleides, in den Stiefeln und sogar eine in der linken Wagentasche in ihrem Mund. Seine Tante hatte anscheinend viel Zeit und Mühe dafür aufgewendet sich auf eine Konfrontation mit einem Feind einzustellen, den sie unbedingt ausschalten wollte. Nur ob dies Sademos oder wirklich ER sein sollte, das war Kazel nicht klar. Bei so viel Gift, da war es nur zu logisch, dass sie auch ein Gegengift dabei haben müsste, also suchte er noch gründlicher. Eine winzige mit Leder umwickelte Viole steckte in der Hautfalte unter ihrer linken Brust. Sie dort zu berühren würde etwas Überwindung kosten, so denn er wollte. Aber er wollte keinen weiteren Fehler begehen, also war er gründlich. Erst als die Tante gut gefesselt wäre und somit hoffentlich keine Gefahr mehr darstellte, kehrte Kazel an Janays Seite zurück. Er kniete sich zu ihr und ... stand wieder auf.
Sie hatte sich mit Keona im Kampf befunden. Wenn ich die Zeit nun weiterlaufen lasse, wird sie mich noch angreifen, ehe sie mich erkennt.
Eine naheliegende Erkenntnis, also blieb er einen Moment auf Abstand. Erst dann ließ er sein Stundenglas wieder verschwinden, um Teil des Flusses zu werden, den man allgemein als Leben bezeichnete. Die Zeit strömte wieder, umschloss ihn und nahm ihn in sich auf wie ein kleines Blatt, das von einem wilden Fluss mitgerissen wurde. Sein Blick ging in diesem Moment zu Keona. Sie war tot, soviel stand fest, nur ihr Körper sackte noch ein bisschen in sich zusammen, ihre Hände zuckten zu ihrer Kehle, aber da gab es keine Hilfe mehr zu erwarten. Ihr Gurgeln untermalte sehr passend das Anlaufen der Zeit und das Eintauchen in seinen Fluss und die Geburt der sprudelnden purpurnen Quelle, die ihr Ende einläutete. Kazels Blick wanderte.
Seine Tante war gefesselt. Kazel war an Janays Seite. Wie schwer die Verletzung war, hatte er gleich zu beginn seines Zeitstopps sehen können, doch erst als sie sich wieder im Fluss befanden wurde ihm das Ausmaß bewusst. Die spitze Klinge des Sais war tief in Janays Leib eingedrungen. Der Handgriff lugte an ihrer Seite unterhalb ihres linken Rippenbogens hervor und wenn er in seiner Lebenszeit von irgendjemand über die Anatomie gelernt hatte, dann konnte er vermuten, dass Teile von Janays Gedärmen perforiert sein könnten, sobald er die Klinge heraus zog. Aber schlimmer war der Winkel und die Länge der Klinge, die nach oben gerichtet eine ihrer Nieren ziemlich sicher getroffen hatte. Die Gebärmutter war durch die seitliche Attacke verschont geblieben, aber dafür hatte es die Mutter schwer erwischt.
Wen konnte er nun zu Hilfe holen?
"Dry'ol!"
Sein Ruf durchbrach die Zeit und hallte durch den Tanzsaal. Aber würde der brachiale Diener auftauchen? Es blieb einen Moment lang merkwürdig still. Bei Janays deutlich lauteren Schreien hatte er schon nicht reagiert, aber nun näherten sich eilige Schritte auf dem Flur. Kazel wollte seine Liebste auf keinen Fall allein lassen, schon gar nicht mit Starle. Ihr traute er inzwischen zu, selbst jetzt noch einen Weg zu finden, sie beide zu hintergehen. Er musste wachsam bleiben. Schlafen könnte er später ... sein Körper weinte.

Tränen der Schmerzen liefen ohne ihr Wissen aus Janays Augen. Genauso wie blutige Tränen ganz langsam aus ihrer Seite sicherten und den Tanzboden wie rubinrote Tautropfen benetzten. Wäre das Bild nicht so traurig und dramatisch, es wäre wunderschön gewesen. Der Schmerz ließ den in sie gebohrten Stahl glühen, als hätte man ihr einen brennenden Pfahl in den Leib gerammt. Ihre Züge waren weich geworden, denn ihr Körper konzentrierte sich darauf zu überleben und stellte jegliche unnötigen Aktionen ein. Das Brennen war kaum auszuhalten und Ohnmacht lauerte in jeder Ecke ihres Bewusstseins, wohin sie sich auch wandte und doch war ihr Verstand dabei so wach wie noch nie. Es gab nichts, was sie nicht mitbekam, nichts was sie weg drücken konnte, nichts was sie ignorieren durfte, denn das hier konnte ihr Ende sein. Einen kurzen Moment hatte sie noch. Einen Augenblick, in dem sie Kazels Gesicht über sich sah. Janay kannte sich inzwischen mit dem Sterben an sich 'fast' so gut aus, wie ihr Liebster, doch irgendetwas stimmte dieses mal nicht. Etwas war anders. Der Schmerz war schlimmer den je und er brannte ihr seinen Stempel in die Seele. … was... was wenn die Klinge Keonas auch vergi... Eine erneute Welle aus weißer Glut fraß sich ihre Wirbelsäule hinauf. Schreien wäre eine echt gute Antwort auf diese Empfindung gewesen, wenn da nicht das tiefe Leid in Kazels Augen gewesen wäre und die Nutzlosigkeit eines Schreis. Was passierte hier? Warum wurde ihr nicht kalt? Es fühlte sich eher an, als brenne sie. Wo war der Gevatter? Warum kam er nicht um sie zu holen? Bedeutete das, dass sie noch lebte? Oder …
Janay spürte es!
Nein!
DAS durfte nicht sein!
NICHT NOCH EINMAL!
Sie fühlte, wie ihre Seele sich von ihrem Körper trennen wollte, die der allumfassende Schmerz wie eine zähe brennende Masse sie aus ihrem Körper drängte und sie gleichermaßen an ihn band.
Sie hing fest!
Janay fühlte wie sich ihr Geist von ihrem Körper entfernen wollte, aber nicht konnte. Sie klebte an diesem Körper wie Toilettenpapier an einem schwitzigen Männerarsch. Oder wollte sie doch einfach nur leben? Das Gift... nein... sie hatte doch Keona damit erwischt, oder? Sie musste einfach hinsehen und sah sie! Janays Kopf sackte zur Seite. MIST! Keona stand neben ihrem Körper und sah fassungslos auf sich selbst hinunter. Sie sah sich selbst beim Sterben zu und dann wandte sie ihren Kopf Janay zu. Hass lag in ihren Augen! So viel Hass! Oh ja, dieser Geist würde sie verfolgen, denn Janay hatte Keona zu diesem Dasein verflucht! Die Nadel in ihrem Arm, war stiller Zeuge.
Doch Janay hatte noch ein klein wenig zu viel Leben in sich um sich schon als Geist gegen sie wehren zu können. Sie klebte am diesem winzigen Bruchteil ihres Lebenslichts und hing zwischen den Welten fest. Noch nicht ganz Geist, aber auch unfähig ganz zu leben. Der Schmerz ließ immer wieder ihre Sicht verschwimmen und dann tauchte Keona an ihrer Seite auf. An ihrem durchsichtigen Erscheinungsbild hingen klebrige schwarze Tropfen, schleimige Fäden, die sie zu ihrem Körper zurück ziehen wollten, aber der Hass trieb sie immer näher auf Janay zu. Keona wollte nach Kazels Hand greifen um den Stahl aus ihrem Körper zu ziehen, damit sie elendig verblutete! Janay sollte auch sterben! Sie sah ihre Lippen, wie sie das Wort formten, aber hörte es nicht. **stirb!**
Aber Janay starb noch nicht. Sie musste sich wehren!

Schnelle Schritte kamen an der Haupttür zum Ballsaal an und stießen sie auf. Vranyk kam herein, wirbelte herum und erfasste die Situation mit einem Blick. Keuchend und schlitternd kam er kurz darauf an Kazels Seite an, zerfasterte damit das Bild der halb durchsichtigen Assasine und beugte sich halb über Janay:
„Wie? ...egal... Ich hol einen Heiler...!“
Trotzdem sah er sich einen Moment lang zögern um.
„Wo ist Dry'ol?...“
Dann drehte er sich schon um um Hilfe zu holen...
In diesem Moment sprach Starle:
„Ich kann sie retten.“
...

Es gab gleich mehrere Probleme:
Sicher das kleinste für Kazel und Janay: Dry'ol blieb offensichtlich verschwunden.
Eines war offensichtlich und steckte in Janays Körper. Die Klinge hatte sie tödlich verletzt


, aber verhinderte auch, dass sie verblutete. Zog man sie einfach so heraus, wäre es schnell vorbei mit ihr.
Das andere Problem war das Gift, dass sich in ihren Blutbahnen verbreitet hatte und Seele und Körper zusammen kleben ließ. Wenn Janay starb, dann würde sie abermals ein Geist werden und einen immerwährenden Kampf gegen Keona kämpfen müssen, der gerade ihr ganz persönlicher Rachegeist wurde.
Zur Behebung des ersten Problems, brauchte es einen fähigen Heiler, oder ...ein Wunder....oder beides.
Zur Behebung des anderen ...ein Gegengift.
Versagte auch nur eines von beiden, so half vielleicht nur noch Nekromantie, wollte man wenigstens die Frucht des Leibes retten. Janay hatte schon einmal die „Vorstellung eines untot wandelnden Brutkastens“ durchlebt. Aber viel realer... schon einmal hatte sie Kazel als Geist begleitet!
Das fatale war, dass sich hier gerade Janays Schicksalsfaden aufdröselte und sich noch einige andere unterschiedliche Wege abspalteten. Alles war so verworren!
Je nach dem wie schnell und gut man jetzt handelte, so könnte Janay vielleicht überleben, oder auch vielleicht als Geist an einen Körper gebunden weiter bestehen, wenn dieser mit nerkomantischer Magie „versorgt“ werden würde. Sie wäre dann nur ein klein bisschen tot. Untot – eben jene Energieform, die dem wahren Tod gegenüberstand und die er so verachtete. Janay wusste um diese Möglichkeiten, denn sie hatte in ihrer Voraussicht erfahren, dass Starle über diese Macht verfügte und mit dem Gift andere zu ihrem Opfer und zu willigen Dienern machte. Janay? Eine Marionette an magischen Fäden? - Willenlos? - Was für eine Horror-Vorstellung! Aber würden sie es in Betracht ziehen, um ihr Kind zu retten? Und ausgerechnet Starle bot ihnen nun diese Lösung an?
Und was war mit Kazel? Konnte er sie überhaupt noch einmal retten? Das ausgerechnet der Geselle des Todes nun dies in der Hand hatte... Aber hatte er es wirklich in der Hand? Er wusste doch von vielen dieser Details noch nicht. Janays Rumpf ließ sich zwar nicht mehr bewegen, aber sonst war sie erschreckend wach und lebendig. Arme und Geist waren voll funktionsfähig. Alles Abwärts des oberen Rückens schien dagegen in Flammen zu stehen.
Was sollte sie also nun tun?
Was sollte sie ihm sagen, damit er ihr helfen konnte?
Warum kam Tod nicht vorbei und breitete seine lindernde Kälte über ihr aus?
Hatte sie es einmal zu viel übertrieben? Das Schicksalsgewebe war für Janay schon so oft um-gewebt worden. War es gerecht, dass sie 'schon wieder' gerettet wurde, wo andere einfach sterben würden? War es gerecht, dass der Mann der sie liebte, seine eigene Lebenszeit ihr so oft geschenkt hatte und damit sein eigenes Leben aufbrauchte? Wann würde er dafür gehen müssen? Wie waren die Regeln des Lebens?
Würden sie sich am Sandstrand der Zeit noch einmal wiedersehen, wenn sie jetzt starb?
Würde sie noch einmal mit ihm dort sitzen können – vielleicht auf einer Picknick-decke, der sanften Brandung des Styx lauschend? Ihr verwundeter Leib gab ihr wirklich seltsame Ideen ein. Nicht alles davon war logisch, aber wann war das Leben das schon mal?!
Janay hatte noch Zeit, sofern niemand an der Waffe in ihrem Körper rührte. Auch wenn ihr Zustand kritisch war, so war sie gerade recht stabil – auch wenn der Schmerz zum 'aus der Haut fahren' war.
Eben hatte ihr gemeinsames Schicksal recht entspannt gewirkt und sie hatten die Pause genossen, die nach Sademos Ableben eingetreten war. Doch diese Frist war anscheinend verstrichen und schon wurden sie mit neuen Problemen überschüttet, wo die anderen noch nicht mal abgearbeitet waren. So viel stand auf der Agenda... und nie hatte man genug Zeit...

Janay... hatte sie noch Zeit? Kazel kannte seine Sanduhr und wusste wie er nach ihr sah... konnte er das auch bei Janay? Konnte er sie retten, oder waren ihre Sandkörner schon alle gefallen? Konnte er seine Magie auch bei ihr anwenden? Vielleicht kam es nur auf einen Versuch an. Das Chaos, dass eine kleine Tat auslösen konnte, drohte ihn vielleicht schon wieder zu erdrücken, doch es gab immer einen Weg, daran musste er glauben. Er war einst ein Überlebenskünstler gewesen... Jetzt hatte sich diese Bezeichnung um einige Bedeutungen mehr erweitert. Bisher hatte er auch nur „Leben“ ausgelöscht, dass bereits ins Reich der Toten gehörte. Er kämpfte die ganze Zeit um sein und Janays Überleben... für ihr Leben! Blieb die Frage, brauchte er Hilfe und zu wem würde er beten, um um beispielsweise ein klein bisschen Ruhe zu bitten? Und zu wem Janay?
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Mittwoch 24. August 2022, 11:50

Gevatter Tod mochte von sich und seinen Lehrmethoden überzeugt sein, aber wieviel hatte er Kazel wirklich beigebracht? Der Mischling war mehr oder minder unfreiwillig in die Rolle des Lehrlings gerutscht. Zwar hatte er nun eine Beförderung erhalten, aber im Grunde war er die ganze Zeit über eher durch diese Herausforderung hindurch gestolpert. Das Einzige, was ihm gelang, war das Töten. Ob man dieses Talent auf sein dunkelelfisches Erbe münzen konnte? Eher nicht. Man sagte diesem Elfenschlag zwar nach, besonders schnell und effektiv Leben zu nehmen, aber letztendlich war es genauso ein Klischee wie die Geschichten über stets schöne Elfen. Niemand hatte wohl zuvor Hochelfen gesehen - die trugen Bärte, als Frauen! Dass Kazel allerdings töten konnte, bewies er ein um's andere Mal aufs Neue. Dass sein jüngstes Opfer sich nun mit schmierigen Fäden aus Echo und Erinnerung an ein Leben vom verstorbenen Körper löste, um Jagd auf seine Liebste zu machen, ahnte er nicht. Alles, was er sah, war Janays Verletzung. Der Anblick bereitete ihm mehr als Sorge. Nicht nur, weil sie getroffen worden war, sondern weil neben ihr auch noch das ungeborene Leben in Gefahr sein könnte. Kazel kannte sich in anatomischen Dingen zu wenig aus, um einschätzen zu können, ob er nun drauf und dran war, Janay oder auch sein Kind - seine Kinder! - zu verlieren. Wie viele Male noch ließ der Gevatter sich erweichen, ihr Leben zu verlängern? Er konnte dieses Spiel nicht ewig abhalten, ja nicht einmal seine eigenen Reisen ins Totenreich wurden noch begrüßt. Der Tod wollte seine Ruhe. Kazel sollte lieber nicht sterben und nun lag Janay wieder einmal hier und verblutete. Halt! Nein! Noch war es nicht soweit. Sie verlor zwar Blut, aber solange die Klinge noch steckte, würde sie länger durchalten können.
Kazel kniete sich an ihre Seite. Am liebsten hätte er sie auf den Schoß gezogen, sie gehalten, aber er wagte kaum, sie zu berühren. Er wollte den Schaden nicht verschlimmern oder ihr größeren Schmerz bereiten. So rief er nach Dry'ol mit einer leisen Vorahnung einer unheilvollen Nachricht, weil der grobe Elf sich nicht blicken ließ. Derweil umschloss er Janays Finger mit seinen. So viel gestand er sich zu. Er wollte ihr Halt geben, suchte ihn gleichzeitig aber auch genau dort. Was sollte er jetzt tun? Auf seinen Lehrmeister warten? Es verhindern? Wenn Janay an der Schwelle zum Tod stand, nagte es immer an Kazels Nerven und auch ohne seine schlaflose Nacht ließ es sein Denken zäh werden.
Es dauerte einen Moment, bis der Gedanke durchsickerte, dass Keonas Waffe vergiftet sein könnte. So viele Klingen wie er bei seiner Tante gefunden hatte - inklusive eines mutmaßlichen Gegengiftes - ließen darauf schließen, dass die offensichtliche Assassinin von Haushofmeisterin nicht ohne ausgestattet worden war.
"Janay", hauchte er ihren Namen und umklammerte ihre Finger noch fester. Schritte ließen ihn aufschauen. Sie kamen lediglich von einer anderen Richtung als er sie erwartet hätte und im ersten Moment spannte Kazel sich an, bereit wieder auf sein Stundenglas zurückzugreifen, sollte er einen weiteren Angriff verhindern müssen. Niemals zuvor lag so viel dankbare Erleichterung auf seinen Zügen, Vranyk zu sehen ... aber auch so viel Kummer. Dass der Dunkelelf erst einmal nach seinem Bruder fragte, hielt Kazel ihm nicht vor. Er hätte wohl ähnlich gehandelt. Leider wusste er die Antwort auch nicht und konnte nur mit dem Kopf schütteln. Vielleicht war das auch schon Antwort genug.
"Beeil dich", rief er ihm nach. Vranyk erfasste die Situation glücklicherweise schnell. Schon beugte der Mischling sich wieder über Janay. Sanft berührte er ihre Wange. "Hilfe kommt. Halte durch."
Im nächsten Moment gefror ihm das Blut in den Adern. Eine Stimme in seinem Rücken ritt wie ein Vorbote auf ein Schlachtfeld und seine Armee aus Hass wetzte die Klingen. "Ich kann sie retten."
"HALT DEINE FALDOR VERSUCHTE FRESSE!" Kazel fuhr nicht einmal zu ihr herum. Er würdigte sie keines Blickes, aber seine Stimme explodierte und ließ all den Hass auf Starle Tenebrée los, der sich im Lauf der Jahre schon auf sie, seine Mutter und die ganze Familie angestaut hatte. Nie zuvor hatte er so laut aufbegehrt. Selbst den Mord an der eigenen Mutter Preia Tenebrée hatte er leise und für sich begangen. Jetzt aber war keine Zeit mehr, leise zu sein. Und keine Zeit, einzuknicken. Selbst wenn sie etwas tun könnte, Kazel würde das Schicksal seiner Liebsten nicht in die Hände einer Frau geben, die eben noch ihre Meuchlerin heimlich auf ihn losgeschickt hatte. Eine Frau, die so viele Waffen mit sich führte, obwohl es um ein Gespräch mit dem Sammler ging. Eine Frau, die nicht eingegriffen hatte, als er - Kazel - über Monate gefoltert worden war.
Mit aller Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte, drückte Kazel Janays Hand als Zeichen, sie nicht allein zu lassen. Dennoch stand er auf. Seine Knie knackten. Sein Rücken schmerzte, aber vielleicht bildete er es sich nur ein. Starles Stimme hatte mit peinigendem Echo einen Schlag auf jede seiner Narben gesetzt. Hölzern stakte Kazel zu ihr herüber. Da sie gefesselt war, wagte er sich sogar auf kurze Distanz an sie heran.
"Du hast jegliches Vertrauen verspielt ... Tante. Das Einzige, worauf du noch in Bezug auf mich vertrauen kannst, ist die Tatsache, dass ich dein Leben beenden werde." Die Frage war, ob er sich noch zurückhielt, um Antworten von ihr zu erhalten oder ob ihre Dreistigkeit, Hilfe anzubieten, das Fass nicht zum Überlaufen gebracht hatte. Wenn er nur wüsste, ob ihre Zeit geko...
Kazel stutzte. Kann ich es wissen, so wie .. bei mir?
Der Tod war wirklich kein guter Lehrmeister, wenn es darum ging, Informationen zu vermitteln. Natürlich galt es als eigene Methode, Schüler manchmal ins kalte Wasser zu werfen, doch in den meisten Fällen suchte man sich nicht gleich einen reißenden Strom, dessen Grund unerreichbar war und verbot dem Gworfenen ein Rettungsseil, obgleich man wusste, dass er nicht schwimmen konnte. Kazel hielt sich die ganze Zeit nur über Wasser, weil er sich auf gut Glück an Treibgut festklammerte. Jetzt aber schien er endlich einen Stein im reißenden Wasser gefunden zu haben.
Starle war es nun, zu der er sich niederkniete. Er musste sie sogar auf die Seite rollen, um an ihr gefesseltes Handgelenk zu kommen. Reichte es aus, es zu sehen? Musste er es berühren? Er versuchte einfach, ihre Sanduhr hervorzurufen. Er musste sehen, wieviel Körnchen ihr noch blieben. Wären es keine Hand voll mehr, wusste er, dass es hier und jetzt und ohne Antworten mit ihr enden würde. Dann war es richtig, den Henker zu spielen. Ansonsten würde er sich gedulden müssen, aber dann konnte er ihr immer noch einen Schlag gegen den Kopf verpassen, damit sie endlich still wäre. Oh, Keonas Anriff hatte viel bei ihm ausgelöst. Dass man ihn als Ziel sah, hatte er erwartet. Dass er aus dem Hinterhalt attackiert würde, damit hätte er rechnen können und es wohl akzeptiert. Aber Janay zu verletzen ... das würde das Oberhaupt des Hauses Tenebrée ebenso wenig überleben wie jene, die sie ausgesandt hatte. Vermutlich könnte nur der Tod selbst Kazel noch von dieser Entscheidung abhalten.
Möglich wäre aber auch, dass es gar nicht nötig war. Wenn ihre Sanduhr sich zeigte und nur noch wenig Lebenszeit besaß, würde Kazel nicht fackeln, auch seiner Tante die Kehle aufzuschlitzen. Ohne Vorwarnung, ohne große Abschiedsworte. Nichts würde er ihr mitgeben außer dem Ende. Er wollte an die Seite seiner Liebsten zurück und alle Zeit nutzen, die ihr jetzt noch blieb.
Wenn das bei Starle klappt, dann .. sollte ich Janays Uhr ansehen? Kazel wusste nicht, ob er die möglich bittere Wahrheit darin überhaupt sehen wollte.
Bild

Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Freitag 26. August 2022, 10:17

Es tat weh, es tat so unsagbar weh und war dennoch ganz anders als alles, was sie bislang erlebt hatte. Einen Moment lang zuckte noch der Gedanke durch ihr Gehirn, ob sie es geschafft und ihr Krümelchen beschützt hatte. Aber dann umhüllte sie der Schmerz in seiner absoluten Vollkommenheit, dass sie außer diesem kaum noch etwas wahrnehmen oder bewusst begreifen konnte. Ja, nicht einmal den Umstand, dass sie in dem einen Moment stand und im gefühlt nächsten plötzlich lag.
Stattdessen war ihr, als würde ihr gesamter Leib in Flammen stehen, ausgehend von jener Stelle, an der sie verletzt worden war. Was war da schon noch wichtig? Während ihre Augen sich mit Tränen füllten, wollte sie sich winden, um das Leid irgendwie etwas erträglicher für sich machen zu können, doch ihre Gliedmaßen gehorchten ihr nicht länger. Und selbst wenn sie es getan hätten... Vor dieser Qual gab es schlicht und ergreifend kein Entkommen.
Hatte sie es also geschafft und das heranwachsende Leben in sich geschützt? Zu welchem Preis? Würden sie jetzt beide vergehen müssen? War es das wirklich wert gewesen, lieber selbst zu sterben, als mit dem Wissen und der Schuld weiter machen zu müssen, dass sie erneut ein Kind verloren hätte?
Ein Schluchzen wollte sich in ihrer Kehle bilden, schaffte es allerdings nicht zu mehr, als ihr dort ein beklemmendes Gefühl zu hinterlassen. Ja, diese Entscheidung war richtig gewesen, auch wenn sie diese ohnehin nicht hätte rückgängig machen können. Oh, wenn dieses Feuer nur endlich nachlassen und aufhören würde, sie zu malträtieren!
War das eigentlich Kazel in ihrem Blickfeld? Sie konnte es nicht richtig erkennen, viel zu verschwommen war ihre Sicht und ihr war auch schwindelig, obwohl sie sich auf festem Boden befand. Oder etwa nicht? Ihr kam es fast schon so vor, als befände sie sich auf einem Schiff, das gemütlich vor sich herschaukelte.
War das eigentlich schon der nahende Tod? War es möglich, dass es sich dieses Mal so gänzlich anders anfühlte zu sterben? Irgendwie bewusster, langsamer... und ganz besonders schmerzhaft! Lauerte das unheimliche Gerippe in irgendeiner Ecke schon auf sie? Gäbe es wieder eine Botschaft als Grund, sie zurück ins Leben zu schicken? Oder wäre es dieses Mal... endgültig?
Griff die alles beendende Kälte schon nach ihr? Ihr Leib schien in Flammen zu stehen und doch... ganz allmählich schien Ruhe in ihrem Bewusstsein einzukehren, Ruhe und... Eiseskälte, die sie plötzlich erfasste. Nicht zu vergleichen mit jenem Frost, der kam, wenn Tod auftauchte und einen mit sich nahm. Nein, eine eisige Kälte der Angst durchflutete sie und ließ ihre Seele frieren, während ihr Körper brannte. Denn ein weiterer Geist erschien, löste sich aus der physischen Hülle und... fixierte sie mit einem Blick, der jegliche Farbe aus ihrem Gesicht vertrieben hätte, hätte sie dort noch welche besessen.
Vorbei war ihr Versuch, Kazel erkennen und ihm womöglich noch etwas sagen zu wollen. Vorbei das Warten auf das Ende der Qual, während ihr die Tränen unaufhörlich kamen. Vorbei war es auch mit der verschwommenen Sicht... nun ja, nicht ganz. Es war weiterhin alles undeutlich für ihren Blick, bis eben jenes schemenhafte Wesen, das ihr eine Todesangst bescherte, ganz so, als ob sie nicht schon genug Leid gerade ertragen müsste, während sie langsam starb!
Warum verspürte sie eigentlich den Drang, sich aufzusetzen und, wie aus einer Truhe, einfach aus ihrem Leib herauszusteigen? Und wieso tat sie es nicht einfach, gab dieser Empfindung nicht nach, sondern fühlte sich wie eine Fliege, die sich in einem klebrigen Spinnennetz verfangen hatte? Egal, völlig egal, denn dieser Blick vom Geist der Haushofmeisterin war derart entsetzlich, dass sogar ein Keuchen aus ihrer körperlichen Kehle entfliehen konnte.
Sie selbst hingegen starrte der anderen entgegen... und wollte nichts wie weg von hier! Während ihr Körper um jedes Fünkchen Leben rang, das noch darin steckte, wollte ihre Seele vor aufsteigender Panik lauthals schreien. Und doch... kein weiterer Ton kam über ihre Lippen, dazu reichte ihre Kraft nicht mehr.
Plötzlich verschwamm ihre Sicht auf den rachedurstigen Geist und ein anderes Gesicht tauchte in ihrem Blickfeld auf. Ein Mann... Dunkelelf... Kannte sie ihn? Ja, das schon, nur... sie kam gerade nicht drauf. War auch nicht so wichtig, sondern...
"Ka... Ka...zel... hi... hilf... sieh..." Hatte sie das tatsächlich sagen können? War ihre Stimme kräftig genug dafür? Und würde er... es auch sehen? Sie richtig verstehen?
Janay sammelte all ihre verbliebenen Kräfte zu einer Verzweiflungstat, die hoffentlich auch bemerkt werden würde. Langsam... unendlich langsam und mühselig hob sich ihr rechter Arm ganz wenig an, um mit einem zitternden Finger in Richtung des Rachegeists zu deuten, während sich vor Anstrengung Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Nicht lange, womöglich nur ein oder zwei viel zu rasch vergehende Herzschläge lang, dann fiel ihr Arm plumpsend wieder auf den Boden.
Wenig später hatte sie das Gefühl, als wäre der einzige, wohlige Wärmepol, der ihr noch verblieben war, als ihr Liebster neben ihr gekniet und ihre Hand gehalten hatte, plötzlich weg, als hätte er sie verlassen. Da ihr Kopf zur Seite gefallen war und in Richtung der Leiche starrte, konnte sie nicht sehen, wohin er ging.
Warum? Warum ließ er sie allein? Liefen ihre Tränen nun noch stärker?
Doch sie konnte hören, seine Stimme, in der Nähe und doch irgendwie fern... Den Sinn seiner Worte hingegen konnte sie nicht verarbeiten, dazu war ihr Geist viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Allen voran mit der Angst vor diesem Ungeheuer, das sie vermutlich bis in den letzten Winkel des Totenreichs verfolgen würde, wenn es niemand aufhielt!
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Freitag 26. August 2022, 17:44

Kazels Nerven waren auch ohne seine schlaflose Nacht zäh wie kalt gewordener Teer. Es dauerte einen Moment, bis der Gedanke durchsickerte, dass Keonas Waffe vergiftet sein könnte. So viele Klingen wie er bei seiner Tante gefunden hatte - inklusive eines mutmaßlichen Gegengiftes - ließen darauf schließen, dass die offensichtliche Assassinin von Haushofmeisterin nicht ohne ausgestattet worden war.
"Janay"
, hauchte er ihren Namen und umklammerte ihre Finger noch fester. Schritte ließen ihn aufschauen. Vranyk zu sehen war pure Erleichterung. Leider wusste er auch nicht wo sein Bruder war, aber er bot Hilfe an.
"Beeil dich"
, rief er ihm nach. Vranyk erfasste die Situation glücklicherweise schnell. Schon beugte der Mischling sich wieder über Janay. Sanft berührte er ihre Wange.
"Hilfe kommt. Halte durch."
Im nächsten Moment gefror ihm das Blut in den Adern. Eine Stimme in seinem Rücken ritt wie ein Vorbote auf ein Schlachtfeld und seine Armee aus Hass wetzte die Klingen.
"Ich kann sie retten."
"HALT DEINE FALDOR VERSUCHTE FRESSE!"

Kazel fuhr nicht einmal zu ihr herum, aber es reichte für ein kleines Maß an Genugtuung, dass er ein erschrecktes Keuchen und leises Rascheln von Seide auf dem Boden hörte, als seine Tante versuchte von ihm fort zu wollen. So gut verschnürt war das sicher nicht leicht. Aber angenehmer Weise tat sie ihm den Gefallen und schwieg erst einmal, aber allein ihr Schnaufen hatte schon etwas nerviges an sich. Er würdigte sie keines Blickes. Nie zuvor hatte er so laut aufbegehrt. Selbst den Mord an der eigenen Mutter Preia Tenebrée hatte er leise und für sich begangen. Jetzt aber war keine Zeit mehr, leise zu sein. Und keine Zeit, einzuknicken. Selbst wenn sie etwas tun könnte, Kazel würde das Schicksal seiner Liebsten nicht in die Hände einer Frau geben, die eben noch ihre Meuchlerin heimlich auf ihn losgeschickt hatte. Eine Frau, die so viele Waffen mit sich führte, obwohl es um ein Gespräch mit dem Sammler ging. Eine Frau, die nicht eingegriffen hatte, als er - Kazel - über Monate gefoltert worden war. Sie hatte jedes Vertrauen verspielt – nein, nie besessen! Mit aller Selbstbeherrschung, die er aufbringen konnte, drückte Kazel Janays Hand als Zeichen, sie nicht allein zu lassen. Dennoch stand er auf. Hölzern stakste Kazel zu ihr herüber. Da sie gefesselt war, wagte er sich sogar auf kurze Distanz an sie heran.
"Du hast jegliches Vertrauen verspielt ... Tante. Das Einzige, worauf du noch in Bezug auf mich vertrauen kannst, ist die Tatsache, dass ich dein Leben beenden werde."
Starles Pupillen weiteten sich, als sie bei diesen Worten in sein Gesicht sah. Ja, das war der Blick, den seine Seele hatte sehen wollen. Seine Tante hatte Angst. Zum ersten Mal in ihrem Leben hatte diese Frau Angst und das schien sie ganz schön zu beuteln. Sie versuchte sogar noch weiter von ihm weg zu rutschen. Was für ein unsinniger Versucht! Die Frage war, ob Kazel sich noch zurückhielt, um Antworten von ihr zu erhalten oder ob ihre Dreistigkeit, Hilfe anzubieten, das Fass nicht schon zum Überlaufen gebracht hatte. Wenn er nur wüsste, ob ihre Zeit geko...
Kazel stutzte.
Kann ich es wissen, so wie .. bei mir?
Der Tod war wirklich kein guter Lehrmeister, wenn es darum ging, Informationen zu vermitteln, selbst wenn er sich selbst dafür hielt... was sooo unglaublich falsch war! Natürlich galt es als eine anerkannte Methode, Schüler manchmal ins kalte Wasser zu werfen, doch in den meisten Fällen suchte man sich nicht gleich einen reißenden Strom, dessen Grund unerreichbar war und verbot dem Geworfenen ein Rettungsseil, obgleich man wusste, dass er nicht schwimmen konnte. Tods Lehrmethoden waren halt wie er selbst: oft tödlich. Kazel hielt sich die ganze Zeit nur über Wasser, weil er sich auf gut Glück an Treibgut wie Hoffnung und Liebe festklammerte. Jetzt aber schien er endlich einen Stein im reißenden Wasser gefunden zu haben. Seine Gedanken waren über etwas gestolpert, dass ihm vertraut vor kam. Es kam wohl auf einen Versuch an.
Starle war es nun, zu der er sich niederkniete. Er musste sie sogar auf die Seite rollen, um an ihr gefesseltes Handgelenk zu kommen. Eigentlich wollte er sie nicht anfassen, aber überwand sich. Er versuchte einfach, ihre Sanduhr hervorzurufen. Er musste sehen, wie viel Körnchen ihr noch blieben und da war sie! Schlicht und zeitloser Schönheit wie alle Sanduhren, die Kazel schon bei seinem Meister gesehen hatte, lag sie in ihrer Handfläche, als er diese berührt und so wie bei sich selbst leicht überstreckt hatte. Eine kleine Bewegung, als öffnete man den Raum zwischen den Ballen und betrachte den Puls des Lebens. Da war sie.
Leider noch erstaunlich gut gefüllt.
Mist!
Ein wenig Frustration löste den Schlag gegen den Kopf der verhassten Tante aus, damit sie endlich still war. Noch ein bisschen härter und sie wäre für immer still gewesen, was wirklich nicht schade um sie wäre. Aber Kazel war nun mal kein Mörder, auch wenn er sich selbst oft schon so in Gedanken betitelt hatte. Er war gut und er war hier nicht Richter, sondern Henker. Trotzdem war die Grenze gerade zum Greifen nah und es fehlte nicht viel sie zu überschreiten. Oh, Keonas Angriff hatte viel bei ihm ausgelöst. Dass man ihn als Ziel sah, hatte er erwartet. Dass er aus dem Hinterhalt attackiert würde, damit hätte er rechnen können und es wohl akzeptiert. Aber Janay zu verletzen ... das würde das Oberhaupt des Hauses Tenebrée ebenso wenig überleben wie jene, die sie ausgesandt hatte. Vermutlich könnte nur der Tod selbst Kazel noch von dieser Entscheidung abhalten, so wie der Blick auf die Sanduhr seiner Tante es gerade getan hatte... oder zumindest verschoben hatte.
Doch jetzt wollte er an die Seite seiner Liebsten zurück und alle Zeit nutzen, die ihr jetzt noch blieb.
Es hat bei Starle geklappt, dann .. sollte ich Janays Uhr ansehen?
Kazel wusste nicht, ob er die möglich bittere Wahrheit darin überhaupt sehen wollte, also zögerte er. Würde er es ertragen ihren Todeszeitpunkt zu kennen? War das richtig, bei der Frau die er liebte?

Janay starrte der anderen entgegen... und wollte nichts wie weg von hier! Während ihr Körper um jedes Fünkchen Leben rang, das noch darin steckte, wollte ihre Seele vor aufsteigender Panik lauthals schreien. Und doch... kein weiterer Ton kam über ihre Lippen, dazu reichte ihre Kraft nicht mehr. Der abgrundtiefe Hass in diesen geisterhaften Augen schnitt ihr wie tausend Rasierklingen in die Seelenspiegel. Ihre Augen sahen diesen Geist, der ganz allein für sie bestimmt war. Dieser Hass würde ihre Augäpfel spalten und sie blutige Tränen weinen lassen. Dieser Hass würde ihr die Haut in feien Streifen vom Gesicht schälen, wie eine Klinge die Schale eines reifen Apfels. Dieser Hass hatte nichts natürliches, keine Intelligenz, nur noch Gefühl. Keona war gefangen in ihrem Rachedurst und so schlimm das auch war, fast könnte sie einem leid tun. Ihre Seele war verdammt worden... durch einen kleinen Stich aus Janay Hand.
Plötzlich verschwamm ihre Sicht auf den rachedurstigen Geist und ein anderes Gesicht tauchte in ihrem Blickfeld auf. Ein Mann... Dunkelelf... Kannte sie ihn? Ja, das schon, nur... sie kam gerade nicht drauf. War auch nicht so wichtig, sondern...
"Ka... Ka...zel... hi... hilf... sieh..."
Janay sammelte all ihre verbliebenen Kräfte zu einer Verzweiflungstat. Langsam... unendlich langsam und mühselig hob sich ihr rechter Arm ganz wenig an, um mit einem zitternden Finger in Richtung des Rachegeistes zu deuten, während sich vor Anstrengung Schweißperlen auf ihrer Stirn bildeten. Nicht lange, womöglich nur ein oder zwei viel zu rasch vergehende Herzschläge lang, dann fiel ihr Arm wieder zu Boden.

Kazel war zurück an Janays Seite und erlebte die Verzweiflung seiner Liebe. Doch was tat sie da? Janay deutete auf den Leichnam der verreckten Haushofmeisterin Keona. Warum war ihr Antlitz nur dabei so vor Angst verzerrt? Wo vor fürchtete sich Janay so sehr. Er folgte ihrem Hinweis, aber da war nichts für ihn bestimmtes zu sehen. Es war eher ein Gefühl, dass sich vage seiner bemächtigte. Als Geselle des Todes war es eher das Empfinden, dass hier etwas... fehlte! So war Keonas Seele hin? War verbarg sich hier vor ihm? Ob Tod sich so fühlte, wenn Nekromantie im Spiel war? Es fühlte sich an, als schuldete dieser Körper ihm etwas. Etwas, das nicht beglichen worden war, ein Ziehen, dass man nicht greifen konnte. Es war falsch!
Dann wurde die Tür zum Ballsaal erneut aufgestoßen und Kuralla trat herein. Anscheinend hatte sie irgendwie Wind davon bekommen, dass etwas hier gehörig schief gegangen war. Sie wackelte auf die beiden zu und blieb dann aber plötzlich stehen.
„Ach du SCHEISSE!“
Sie starrte auf einen unbestimmten Punkt neben Keona. An ihrem Blickwinkel konnte Kazel erkennen, dass sie nicht Keona meinte, sondern etwas, das eigentlich nicht da war.
„Also wenn ich DIE auch noch fressen soll, dann hab ich aber was gut bei euch!“
Dann kam schon der nächste herein gestürmt. Dieses Mal war es einer der übrig gebliebenen Diener, die wohl Sademos auch ohne Beeinflussung gedient hatten. Er sah sich hektisch um:
„Was ist denn hier... Wo ist der Herr? Was macht ihr da? HhhEEEeeee...“
Kuralla hatte ihn am Hosenbein gepackt, bevor er weiter auf Kazel zu laufen konnte und rülpste. Effektiv, denn der Mann ging in die Knie und wurde ohnmächtig. Kurz konnte einem der Gedanke kommen, ob ihr Gestank vielleicht auch Tote erwecken konnte? Nein, da war sich Kazel sicher. Das lag nicht in ihrer Macht. Kuralla wandte sich wieder den beiden zu und behielt anscheinend dabei etwas anderes im Auge.

Janay hatte das Gefühl, als wäre der einzige, wohlige Wärmepol, der ihr noch verblieben war, als ihr Liebster neben ihr gekniet und ihre Hand gehalten hatte, plötzlich weg, als hätte er sie verlassen. Da ihr Kopf zur Seite gefallen war und in Richtung der Leiche starrte, konnte sie nicht sehen, wohin er ging. Doch sie konnte hören, da waren Stimmen. Die Worte hingegen konnte sie nicht verarbeiten, dazu war ihr Geist viel zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt. Allen voran mit der Angst vor diesem Ungeheuer, das sie vermutlich bis in den letzten Winkel des Totenreichs verfolgen würde, wenn es niemand aufhielt! Und genau da trat etwas zwischen sie und den Anblick des Rachegeistes. Leider war es fast genauso schlimm, aber irgendwie auch vertraut. Irrwitziger Weise nahm Janay dieses Mal nicht mal den Gestank der kleinen Frau wahr - dafür um so deutlicher ihr zerknautschtes Lächeln, was im Gegensatz zu Keonas Anblick dem eines Engels glich. Die Goblinoma hatte Mitleid mit ihr.
„He, Süße. Bist du noch da?“
Wollte.... konnte sie noch Antworten? Eher nicht und vor allem nicht so schnell.
„Da hast du ja was angerichtet. So eine wütende Seele hab ich schon lange nicht mehr gesehen!“
Kuralla schaute kurz hinter sich, wobei ihr weiß schimmliger Haardutt lustig wippte. Dann sah sie wieder Janay an und ihre Augen bekamen einen warmen Glanz. Mochte sie die schnippische Elfe an Kazels Seite etwa? Oder hatte sie nur Hunger?
„Ich sorge mal dafür, dass sie verschwindet.“
, sprach sie, zwinkerte und drehte Janay den Rücken zu. Die grob gehäkelten Maschen ihres Schultertuchs waren das einzige was sie noch sah.

Kazel beobachtete das seltsame Verhalten der Alten. Dann wandte sie sich ab und ging erst in die Hocke. Folgend ging Kuralla auf alle vier Extremitäten runter und öffnete weit den Mund. Dann begann sie lautstark zu hecheln und japsen, bis sie sich verschluckte und heftig hustete. Bröckchen verteilend hielt sie sich den Bauch und beruhigte sich nur langsam. Schwer atmend rollte sie sich auf den Rücken und präsentierte ihren dicken aufgeblähten Bauch.
„Puuuhhhh... jetzt krieg ich aber nix mehr rein! Oh... ohoooo.... Ihr solltet schnell hier raus. Ich muss pupsen!“
Sie kniff die Arschbacken zusammen, und auch die Lippen aufeinander. Kazel musste wohl oder übel Janay bewegen, was ihr haraxische Schmerzen bereiten dürfte. Aber hier im Ballsaal war sie mehr in Gefahr, als in jedem anderen Raum des Anwesens. Und eine geschlossene Tür zwischen sich und die alte bringen, war sicher auch eine gute Idee. Kaum hatte er den Gang erreicht, da donnerte Kuralla auch schon los. Die Tür zu tretend, verwandelte sich der Ballsaal binnen Sekunden hinter ihnen auch schon in atomares Sperrgebiet. Jedes Molekül wurde vergiftet...
Ups...
Hatten er vielleicht doch Starle vergessen? Oder hatte er sie mit gezerrt? Könnte sie so einen derartigen Giftgasangriff überleben? In der Ferne kam Vranyk mit einer Frau um die Ecke gebogen, die er hektisch am Arm hinter sich her zog. Sie hatte eine Tasche dabei und ein weiterer unbekannter Gast lief hinter ihnen.
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Sonntag 28. August 2022, 07:39

Er spürte förmlich die sanfte Wellenbewegung der Luft in seinem Nacken, als seine verschnürte Tante vor dem Wutausbruch zusammenzuckte. Es hätte ihm Genugtuung sein sollen, aber Kazel fühlte nichts dabei. Es war nicht wichtig. Ebensowenig, wie sie wichtig war. Für ihn zählte wie schon so oft aktuell nur Janay. Zu jener kniete er sich hin, hielt ihre Hand und zögerte. Sollte er sich auch ihre Sanduhr betrachten? Was er bei Starle gesehen hatte, war ihm übel aufgestoßen. Ihre Lebenszeit besaß noch so viele Körnchen. So viele, wohingegen andere Wesen, die in Kazels Augen mehr Wert besaßen, vermutlich mit einem oder zwei Krümelchen zu kämpfen hatten. Was war mit all den namenlosen Frauen in Sademos Kellern, mit dem fiebrigen Elfenjungen? Starle Tenebrée hingegen... ihm wurde speiübel, wenn er nur daran dachte, wie viel Zeit sie noch besaß. Es war nicht gerecht! Er sollte Gerechtigkeit üben und ihr diese Zeit nehmen. Er sollte...
Nein. Wenn ich über ihre Zeit entscheide, bin ich nicht besser als Sademos. Selbst, wenn ich sie nicht in einen Kristall einschließe. Ein Schauder durchfuhr seinen Leib. Der Gedanke war ihm und seine persönlichen Rache zuwider. Wie sehr er sich wünschte, Starles Leben aushauchen zu können. Er hatte ihr es sogar angedroht, nein, er hatte es ihr versichert. Er würde sie töten, allerdings nicht hier und nicht jetzt. Dazu musste er sich wahrlich zwingen und das tat Kazel, indem er den Blick nicht auf sie richtete. Würde er Starle nun entgegenschauen, könnte er sich nicht länger zügeln. Jede Faser in ihm schrie danach, auch ihr ein blutrotes Lächeln quer über den Hals zu schenken. Die Wärme zwischen seinen Fingern hielt ihn davon ab. Janays Hand war so klein und weich! Aber die Wärme darin schwand.
Ich muss nachsehen ... oder?
Sein Daumen rutschte über ihr Handgelenk. Er könnte die Uhr bereits rufen. Es ginge ganz schnell. Er bräuchte ja nur einen kleinen Blick riskieren. Wahrscheinlich hätte Kazel der Versuchung nachgegeben, hätte Janay in diesem Moment nicht mit letzter Kraft die andere Hand erhoben und ihren Finger in Richtung Keona gehalten. Ihr Liebster blinzelte alarmiert, schaute auf die Haushofmeisterin und sah ... nichts. Sie rührte sich nicht. Er hatte ganze Arbeit geleistet. Sie war tot.
"Ganz ruhig, sie kann uns nichts mehr antun. Halte durch, bis Vranyk wieder da ist, ja? Hilfe kommt. Bitte, bleib bei mir." Sanft redete er auf Janay ein und beruhigte so doch nur sich selbst. Das Herz pochte Kazel bis zum Hals, dass er es als harten Kloß darin spürte. Er fürchtete sich davor, dass der Gevatter dieses Mal kein Auge mehr zudrücken könnte. Was sollte er tun? Es blieb ihm wohl nichts, als entweder auf den Lehrmeister oder Vranyks Rückkehr zu warten. Er selbst sah sich nicht imstande, die Klinge zu ziehen. Alles, was er tun konnte, war es, den Verlockungen im Raum zu widerstehen: Sowohl Janays Sanduhr nicht anzuschauen als auch Starle nicht umzubringen.
Noch nicht. Ich darf nicht vergessen, dass auch die Uhr des Sammlers nicht leer gewesen war und dennoch fand er letzte Nacht sein Ende. Bei dieser Erkenntnis zuckte Kazels Blick zu seiner Tante zurück. Auch seine Finger zuckten. Seine Beine brachten sich in Position. Er spannte die Muskeln an, wollte aufstehen. Da trabte der letzte Reiter der Apokalypse in den Ballsaal! Pestilenz hieß er und kam in Gestalt von Goblin-Großmutter Kuralla. Er hatte an Macht gewonnen und zwar so sehr, dass die anderen Reiter geflohen oder vergangen waren. Hungersnot, Krieg, nicht einmal Tod ließ sich blicken. Niemand wollte den Ausdünstungen und dem Anblick der Alten ausgesetzt sein ... und sie betrat die Bühne als Retterin in der Not.
"Nein ... Nein, Kuralla. Deine Urinpaste hat bei mir schon nocht geholfen. Du solltest Janay ni-"
"Ach, du SCHEISSE! Also, wenn ich DIE auch noch fressen soll, dann hab ich aber was gut bei euch!"
"Du sollst Janay nicht ... Moment! Wen fressen?" Erneut blickte Kazel über die Schulter zurück. Wollte die Goblinfrau etwa seine Tante vertilgen? Da konnte man sich fragen, für wen es das größere Übel wäre, aber Kuralla zeigte in eine gänzlich andere Richtung. Sie deutete zu Keonas Leichnam hin.
Kazel zog die Brauen zusammen. Er verstand nicht. Ein Diener, der sich in den Raum wagte, wurde erstes Opfer der apokalyptischen Inkarnation. Möglich, dass der verspeiste Dämonenwurm noch als unverdaute Luft in Kurallas Magen rumorte und sich nun aus ihrem fauligen Mund Bahn brach. Vielleicht hatte der Diener aber auch die Weite zwischen den gammligen Zähnen zuerst gesehen und besaß das Glück, ohnmächtig zu werden, bevor die Dämpfe des Aufstoßers ihn erreichten. Selbst Kazel glaubte für einen Moment, den Rülpser ... schmecken zu können. Er würgte. So bekam er nur am Rande mit, dass Kuralla sich mit den Geistern unterhielt. Er konnte Keona ohnehin nicht sehen und hätte folglich auch das nicht verstanden. Bis Kazel sich wieder eingekriegt hatte, war die stinkende Vettel schon mitten in ihren Vorbereitungen für was auch immer sie tun wollte. Verwirrt starrte der Mischling auf die Alte, wie sie sich auf alle Viere niederließ und den Mund wie ein Fisch öffnete, der an Land mit dem Leben rang. Schon begann sie zu hecheln und zu japsen.
"A-alles in Ordnung?" Instinktiv legte Kazel den Arm um den Leib seiner Liebsten. Er schob sich sogar vor sie, als Kuralla mit geblähtem Bauch auf den Rücken rollte. War das ein Abzess an ihrem Bauch, ihr Nabel oder doch nur eine schrumpelige Rosine? Und was wuchs dort aus ihrer...? Kazel riss den Blick von allem los, das sich nicht in sein Gedächtnis brennen sollte. Er hatte in den letzten Tagen genug Traumata für mehrere Leben erfahren. Kurallas Körperbehaarung oder Auswüchse aller Art sollten nicht noch hinzukommen. So stand er auf, als die Schreckensnachricht ihn erreichte.
"Ich muss pupsen!"
"Raus hier!" Er rief es nicht wirklich jemandem zu. Es konnte ohnehin niemand hören, der in der Lage gewesen wäre, eigenständig zu fliehen. Das sah Kazel schnell ein, aber er würde niemanden in der drohenden Luftverschmutzung den Erstickungstod sterben lassen. Nicht einmal...
So schnell er konnte eilte er zu Starle, packte das lose Ende der Vorhangkordel und wickelte es sich ums Handgelenk. Die Tante war schwer, verlangsamte ihn, aber er zog sie über den Boden hinter sich her. Sollte sie zetern und schimpfen. Er ließ sich den Mord an ihr nicht nehmen, auch nicht durch Kurallas Flatulenzen. Jetzt hieß es dennoch schnell zu sein. Zwei weitere Seelen mussten gerettet werden.
Eigentlich drei. Sein Blick fiel zu dem Durchgang, der in die Abstellkammer jenseits des Saales lag. "Dry'ol!", rief Kazel nochmal mit der dunklen Vorahnung, dass niemand erscheinen würde. Es blieb ihm keine Zeit mehr, dort nachzusehen. Nicht einmal, wenn er sie verlangsamte. Aber Kazel nutzte noch einmal Krümelchen seiner Uhr, um auch eine der unschuldigsten Seelen hier zu retten. Wie er es schaffte, sich den ohnmächtigen Diener und auch noch Janay unter die Arme zu klemmen, daran würde er sich nicht mehr erinnern? Hatte er die Zeit angehalten und war mehrmals in den Saal zurückgekehrt, um sie alle nach und nach herauszuholen? Oh, in seinem Kopf bewegte sich nur der Gedanke, sie alle schnellstmöglich vor der Dunstwolke der totalen Vernichtung zu bewahren. Und erst als er selbst im Stillstand glaubte, ein dünnes Rinnsal grüner Giftgas-Partikel in zäher Langsamkeit aus dem Stoff von Kurallas Unterhose hervorgepresst zu sehen, stürmte Kazel mit einem gewagten Sprung hinaus und hüpfte zurück in den Zeitenlauf. Er kam schmerzlich auf, taumelte und spürte, wie irgendeine pyhsikalische Komponente dafür sorgte, dass die Türen hinter ihm zufielen. Vielleicht sorgte Kurallas hinterer Eingang vor der großen Explosion nochmal für einen Unterdruck. Kazel war kein Wissenschaftler, aber heilfroh, dass zwischen ihm und den Todesdämpfen wenigstens eine Barriere aus Holz war. Er erkannte dennoch den grünlichen Streifen gasiger Masse, der den Spalt zwischen beiden Türflügeln ausfüllte wie eine tödliche Spachtelmasse.
Unter einem Ächzen sank er zwischen Starle, dem ohnmächtigen Diener und Janay zu Boden. Frü Keona hatte es nicht gereicht. Dry'ol schien vorher schon nicht entkommen zu sein. Er presste die Lippen aufeinader. Wie sollte er das Vranyk erklären? Als hätte er ihn durch sein Denken herbeigerufen, tauchte dieser mit einem mutmaßlichen Heiler und einem weiteren Fremden im Gang auf.
"Schnell! Sie brauchen Hilfe!" Er deutete von Janay zu dem Diener. Letzterer würde schon wieder und war nun das kleinere Problem. Aber Janay hatte auch durch seine Rettungsaktion gelitten. Hoffentlich war die Klinge weder herausgerutscht noch tiefer in ihre Organe vorgedrungen. Kazel lief es eiskalt den Rücken herunter. Ohne hinzusehen langte er dennoch nach den Vorhangfesseln der Tante. "Du gehörst mir", zischte er eiskalt. Und wenn er würde ewig warten müssen, bis das letzte Krümelchen Sand ihre Uhr herab fiel, er würde es sein, der ihre Seele dem Gevatter übergab.
Bild

Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Sonntag 28. August 2022, 13:48

Der Schmerz war ein seltsames Gefühl. Nicht so sehr, weil es brannte, als befände sie sich persönlich in einem haraxischen Kochtopf, am Ende ihrer Garzeit. Aber er... veränderte sich nicht, weder wurde er stärker, noch ebbte er ab, er war irgendwie einfach... da. Anders ließ es sich nicht beschreiben, auch wenn sie mit jedem weiteren Atemzug das Gefühl hatte, der nächste wäre der letzte. Auf diese Weise ließ sich kaum etwas tun, außer auf Hilfe zu warten... oder endlich zu sterben.
Doch es kam anders und es kam vor allem schlimmer. Denn von dem Körper der Haushofmeisterin stieg deren Geist empor und allein der Blick dieser hasserfüllten Person reichte aus, um ihr unter all dem Schmerz heiß und kalt werden zu lassen. Ihr Herz raste scheinbar noch schneller als ohnehin schon und sie bot alles an Kraft auf, was noch in ihr steckte, um ihren Liebsten darauf hinzuweisen.
Dass er diesen Geist nicht sehen konnte... jagte ihr nur noch mehr Angst ein, denn es zeigte ihr, dass sie ihrem Grauen hilflos ausgeliefert wäre. Voller Verzweiflung und Panik starrte sie in dessen Richtung und erwartete die eine allerletzte Aktion, die sie ins Grab bringen würde vor Schreck.
Ob sich Juduka damals sich ähnlich gefühlt hatte, als Janay diese Art Rachegeist gewesen war, wenngleich weder derart mächtig, noch derart abgrundtief böse? Inwieweit konnte die junge Frau sich überhaupt an diese Daseinsform erinnern, die sie schon einmal eingenommen hatte? War es nicht vielmehr ein schlechter Traum gewesen, ein Alp, den sie für eine Erinnerung halten könnte?
Ihre Gedanken waren irgendwie seltsam klar und zugleich auch umfassend getrübt, sodass die Grenzen zwischen real und fantastisch verschwammen. Es war ganz so, als befände sie sich in beiden Welten zeitgleich, mit dem einen Bein da, mit dem anderen dort und als könne sie sich nicht entscheiden, wohin sie sich wenden sollte. Oder konnte...
Mit einem Mal änderte sich jedoch etwas in der gesamten Szenerie. Janay konnte es weder sehen, noch sich in die Richtung wenden, aus der dieser neue Faktor kam. Fast schon kam es einer Gnade der Götter gleich, dass sie im Angesicht ihres wohl diesmal endgültigen Todes nicht mehr dazu fähig war, ihre Riechzellen zu verwenden, denn dann hätte sie garantiert noch den allerletzten Blutstropfen in ihrem Gesicht verloren, um endgültig einer Leiche zu gleichen. Wenn... ja, wenn da nicht ihre riesigen, von Panik erfüllten Augen gewesen wären, die weiterhin auf den toten Körper der Dunkelelfe starrten.
Zugleich hatte diese Erscheinung allerdings auch den zweifelhaften Vorteil, ihren Geist zurück an die Wirklichkeit zu binden. Sofort wusste sie, um wen es sich handelte, noch bevor diese wandelnde Trockenfrucht in ihr Sichtfeld kam.
Es dauerte seine Zeit und währenddessen drangen Worte an ihre Ohren, deren Zusammenhang ihr fehlte, denn sie konnte nicht ahnen, dass es ausgerechnet die Alte war, die ihren persönlichen Alptraum ebenfalls sehen konnte. Und fressen wollte...
Schließlich war es soweit, die Hutzelige kam heran und... schenkte ihr ein Lächeln? War das die richtige Deutung für diese neuen Falten inmitten all der... Falten?!
Sie sprach zu ihr direkt und Janay verspürte das Bedürfnis, ihr zu antworten. Nur... ihr fehlte die Kraft zu Lippenbewegungen. Was sie allerdings konnte, war, ihren Blick dazu zu zwingen, den Fokus zu ändern. Es war nicht viel, aber einen Moment lang sah sie zu der Alten hoch, als hoffentlich erkennbares Zeichen, dass sie diese gehört hatte.
Ja, sie war noch da, ja, sie wollte leben! Jedoch wollte sie auch vor diesem geisterhaften Grauen fliehen, wenn sie es nur gekonnt hätte!
So ganz begriff sie nicht, was ihr danach gesagt wurde, und irgendwann konnte sie überhaupt nur noch eine Rückansicht wahrnehmen. Irgendwie schwammen ihr die Sinne bei den seltsamen Lauten, die darauf folgten, ganz so, als... als würde dieser Sog auch ihre eigene Seele betreffen.
Wurde ihr gerade schwarz vor Augen? Wegen dem Runzelgesicht und was auch immer sie da tat? Oder weil ihr Körper bewegt und der Schmerz dadurch neu entfacht wurde? Janay wusste es nicht zu sagen, aber auf jeden Fall fehlte ihr einiges an Zeit, in der ihr Mund zu einem stummen Schrei reinster Qual geöffnet war.
Denn als sie wieder klar sehen konnte, befand sie sich an einem anderen Ort. Wie war sie hierher gekommen? Brannte sie eigentlich, so, wie sich ihr ganzer Leib anfühlte? Es gab also doch eine Steigerung des Schmerzes, wie wunderbar! Wieso nur musste sie derart viel leiden? Waren das noch Tränen, die ihr die Sicht trübten, oder nur noch deren salzige Ablagerungen, nachdem der Rest längst verdampft wäre?
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Montag 5. September 2022, 19:57

Kuralla hätte regelrecht niedlich klingen können, wie ein Kind, das erklärte, was ihm gleich peinliches passieren würde:
"Ich muss pupsen!"
"Raus hier!"

Doch das war sie nicht und 'niedlich' war etwas, dass auf absolut NICHTS an oder in ihr zutraf! Kazel reagierte nur noch auf die gepresste Warnung. Lange konnte sie es wohl nicht mehr halten. Er rief es nicht wirklich jemandem zu. Es war mehr die Dringlichkeit die da aus ihm sprach. Es konnte ohnehin niemand hören, der in der Lage gewesen wäre, eigenständig zu fliehen. So schnell er konnte eilte er zu Starle, packte das lose Ende der Vorhangkordel und wickelte es sich ums Handgelenk. Die Tante war schwer, verlangsamte ihn, aber er zog sie über den Boden hinter sich her. Sie zappelte ein wenig unelegant, aber blieb ansonsten recht ruhig, sah man von einigen leisen Schnaufern ab. Jetzt hieß es dennoch schnell zu sein. Zwei weitere Seelen mussten noch gerettet werden.
Eigentlich drei.
Sein Blick fiel zu dem Durchgang, der in die Abstellkammer jenseits des Saales lag. Die Tür dort hin war nur einen sehr kleinen Spalt breit geöffnet. Von dort musste Keona sich angeschlichen haben. Dort hatte der Foltermeister auf sein Zeichen warten sollen.
"Dry'ol!"
Keine Antwort. Die Tür ging nach innen auf und würde sich durch die Druckwelle schließen. Er konnte auch noch dort nachsehen, wenn das Gas sich wider verzogen hatte. Wie Kazel es am Ende schaffte, den ohnmächtigen Diener und auch noch Janay aus der Gefahrenzone zu bringen, daran erinnerte er sich nicht einmal. Letztlich stürmte er, als die Zeit ablief und ein leises Zischen schon zu hören war, mit einem gewagten Sprung hinaus. Die Tür war zu. Es donnerte!
Er erkannte den grünlichen Streifen gasiger Masse, der den Spalt zwischen beiden Türflügeln ausfüllte wie eine tödliche Spachtelmasse. Dann war es still. Zumindest kurz, denn aus der anderen Richtung eilte bereits Hilfe herbei. Der eine Moment des Grauens war vorüber, ein anderer setzte wieder ein. Janay abermals so schwer verletzt zu sehen, war nicht leicht zu ertragen. Wie häufig hatte der Tod jetzt eigentlich schon Kazel zu liebe, bei dieser tollpatschigen Elfe ein Auge zu gedrückt? Hatte jemand mitgezählt?
"Schnell! Sie brauchen Hilfe!"
Er deutete von Janay zu dem Diener. Letzterer würde schon wieder und war nun das kleinere Problem. Aber Janay hatte auch durch seine Rettungsaktion zusätzlich gelitten. Sie atmete nur sehr flach, als wagte sie nicht tiefer Luft zu holen. Hoffentlich war die Klinge weder herausgerutscht noch tiefer in ihre Organe vorgedrungen. Kazel lief es eiskalt den Rücken herunter. Ohne hinzusehen langte er dennoch nach den Vorhangfesseln der Tante. Sein Stress brauchte ein Ventil:
"Du gehörst mir"
, zischte er eiskalt. Und wenn er würde ewig warten müssen, bis das letzte Krümelchen Sand ihre Uhr herab fiel, er würde es sein, der ihre Seele dem Gevatter übergab. Diese Frau hatte viel zu lange seinem Leid zugesehen. Die Ohnmacht Janays Schicksalsfaden nicht kontrollieren zu können, ließ ihn seine Wut auf die Tante lenken. Wenigstens hier konnte er bestimmen, wie ihr Leben weiter verlief. Vielleicht formte sein Unterbewusstsein auch schon die ein oder andere Idee dazu?

Seid sie in Morgeria angekommen waren stolperte Janay von einem Fiasko ins nächste. Diese Stadt brachte ihr wahrlich kein Glück! Begonnen hatte es mit einem kleinen unbedachten Ritzer in der Kanalisation und enden sollte es anscheinend in einem hochadeligen Anwesen mit einer vergifteten Klinge im Leib. Aber wenigstens würde sie nicht ihr Nachleben in einem Immerwährenden Kampf mit Keona verbringen. Der Rachegeist war verschwunden, aber leider nicht ihr Gift. Das fraß sich immernoch brennend durch ihre Adern, wie kleine glühende Rasierklingen die sich spiralförmig langsam auf ihr Herz zu bewegten. Ihr Mund war zu einem stummen Schrei reinster Qual geöffnet, aber sie konnte kaum noch atmen. Flach hechelnd lag sie auf dichtem Seidenteppich. Wenigstens würde ihr Leichentuch was her machen...
Denn als sie wieder klar sehen konnte, befand sie sich an einem anderen Ort und war umgeben von Leuten... Wie war sie hierher gekommen? Brannte sie eigentlich, so, wie sich ihr ganzer Leib anfühlte? Es gab also doch eine Steigerung des Schmerzes, wie wunderbar! Wieso nur musste sie derart viel leiden? Waren das noch Tränen, die ihr die Sicht trübten, oder nur noch deren salzige Ablagerungen, nachdem der Rest längst verdampft war? Jemand männliches fragte:
„Was ist geschehen?!“
und Kazel rezitierte die Geschehnisse der letzten Minuten. Zwischendurch drang eine sanfte weibliche Stimme an ihr Ohr:
„Sie darf nicht mehr bewegt werden! Sperrt diesen Flur ab! Ich brauche...Gib mir meinen Koffer... ...das lange Messer.“
Die Lücken zwischen den Worten wurden größer und Janay verstand den Inhalt schon lange nicht mehr. Dann wurde ihr ein Tuch auf Nase und Mund gelegt und etwas darauf getröpfelt. Es roch sogar recht angenehm süßlich... ein bisschen wie frisch geschnittene Blumen oder Gras...
Dann holte Janay endlich eine gnädige Ohnmacht ein!

Kazel hingegen wünschte sich vielleicht sogar ohnmächtig zu werden. Das hier mitanzusehen war gewiss nichts für schwache Nerven. Vranyk hielt ihn am Arm von Janay und den beiden Fremden fern. Seine Finger waren wie Schraubstöcke und verankerten Kazel in sich selbst. Vielleicht war das sogar gut so. Er war derjenige mit den klaren Kopf, der schnell ein paar Wächter an den Enden des Flurs Stellung beziehen ließ. Diese schauten zwar etwas irritiert und sicher würde getuschelt werden, aber dann war Ruhe. Weiße Tücher wurden auf dem teuren Teppich ausgebreitet und Janay so wenig wie möglich bewegt. Der Mann, der sich schnell als eine Art Assistent herausstellte, stabilisierte ihren Körper mit allem was er gerade zu greifen bekam. So lehnte bald ihr Rumpf seitlich an einer Rückenlehne eines umgekippten Sessels. Ebenfalls abgedeckt glich der Flur schnell einer 'kindlichen' Räuberhöhle, wenn junge Erben eines Adelshauses mit dem Mobiliar ihre eigenen Abenteuer aufbauten. Doch das hier war kein spielerisches Abenteuer. Das hier war tödlicher Ernst und das schlimmste war: Kazel konnte nichts tun!
Während der Assistent das Gegenmittel in eine gläserne Spritze aufzog, tastete die Heilerin vorsichtig nach dem Verlauf des Stahls durch Janays Körper. Dabei sah sie noch einmal hoch zu Kazel und fragte:
„Hat sie irgendwelche Nachtelfen in der Familie? Gibt es Fälle von magischer Inkompatibilität? Gibt es jemanden der für eine Aderpresse zur Verfügung stehen würde? Geschwister vielleicht? Eltern sind nur zu 50% geeignet und ich habe keine Zeit das Labor abzuwarten.“
Ihre für diese Gegend sehr ungewöhnlich braunen Augen...
Moment, hatte er diese junge Frau nicht schon mal gesehen?
Kazel fiel nicht partu nicht ein, wo das gewesen sein könnte. Der Assistent setzte die Spritze. Janays leises Keuchen in diesem Moment lenkte zu sehr ab. Anscheinen hatte die Frau zeitgleich die Stelle in jenem geliebten Körper gefunden, wo das größte Problem wohnte. Selbst mit der eingeatmeten Narkosemittel wollte Janays Körper sich winden, wurde aber von dem starken Mann fest gehalten.
„Shhhh...“
Die Frau nickte vor sich hin sinnend und betrachtete die Klinge. An ihren Assistenten gewandt sprach sie schnell und leise:
„Sobald sie raus ist muss ich schneiden um Platz zu haben. Die Spitze sitzt so tief, dort kommt meine Magie nicht hin. Ich muss dem Kanal mit der Hand folgen. Du musst sie gut fest halten. Sie wird viel Blut verlieren, aber wenn sie stark ist, kann sie es schaffen.“
Der letzte Satz war definitiv an Kazel gerichtet, auch wenn sie ihn nicht mehr ansah.
„Wenn sie das nicht aushalten, gehen sie lieber. Sie sind ihr Partner? Sie müssen entscheiden. Das Gift ist zum stillstand gekommen, aber eine effektive Heilbehandlung kann erst starten, wenn die Wunde versorgt ist. Soll ich beginnen oder gibt es noch etwas das ich wissen muss?“
Ja, es gab eine Schwester.
Janay war schwanger.
Konnte sich Kazel erinnern, wann sie das letzte mal etwas gegessen oder getrunken hatte?
Die letzten Tage waren eine Tortur gewesen und voller Stress. Nicht die beste Voraussetzung für eine schwer verletzte Schwangere.



(Ausflug an einen anderen Ort irgendwo in Morgeria)
„Heeedaaa!“
Arina stolperte und wäre fast vor den Wagen gefallen, wenn von hinten sie nicht eine starke Hand gehalten hätte. In letzter Zeit passierten ihr einfach ungewöhnlich viele Unfälle. Gestern war sie beim Sticken an dem neuen Kissenbezug fast aus dem Fenster gefallen. Das gepolsterte Sitzbrett musste sich gelöst haben und war einfach weg gerutscht, als sie hatte aufstehen wollen. Seid dem dieser käufliche Heiler ausgeplaudert hatte, dass sie keine Kinder bekommen konnten, schienen sich diese Art von Unfällen zu häufen. Vielleicht lag es auch an dem kürzlichen Tritt in den Bauch... Sie erinnerte sich nicht mehr, was an den Kopfschmerzen liegen mochte. In letzter Zeit war so viel geschehen. Alles ging schief. Arinas ganzes Leben war aus den Fugen geraten. Ihr noch recht frisch angetauter Gatte hatte sich wohl auf baldigen Nachwuchs festgelegt und sah sie seid der schlechten Nachricht an, als sei sie an allem Schuld was ihm je schlechtes widerfahren war. Vielleicht war es auch ihre Schuld. Die Abende nach den Feiern mit seinen Freunden waren besonders schlimm. Aber - Wer brauchte schon Kinder! So gern wäre sie zu ihrer Mutter gelaufen um sich ein wenig Trost zu holen, doch diese Arme würden sie nie wieder halten. Genau sowenig würde sie ihre Vater je wieder ansehen. Nur noch ihr Bruder Vaclav gehörte zu jenem Teil der Familie, die sie noch ab und an zu sehen bekam. Sollte sie einfach weg laufen?
„Aufwachen, Göre!“
Die Stimme riss sie fast genauso heftig zurück wie die dunkelbraune Hand es getan hatte. Dann sah sie zu einem Gesicht, dass man bei Elfen selten erblickte. Der Mann war ja BÄRTIG! Das gekräuselte schwarze Kinnhaar hing ihm fast bis zur Gürtelschnalle. Jeglicher Mode zum Trotz war es diesem Kerl wohl vollkommen egal, wie er wirkte. Und er war groß! Breit! Fast wie ein Ork? Ein Mischling? Dunkelrote Augen bohrten sich funkelnd wie Granatsplitter in ihre.
„Pass auf wo du hin gehst!“
Donnerte er noch immer aufgebracht und er ließ sie stehen. ...ihr Held mit dem Rauschebart. Sie sah ihm noch einen Moment hinterher und bemerkte dabei, dass er eine Schmiede betrat – was irgendwie passend war, trug er doch einen Hammer am Gürtel und war sonst nur in Lederhose und Schürze gekleidet. Der Nackte Rücken glänzte im Fackelschein, als er durch den Eingang schritt hinter dem es rot glühte. Die Schultern waren so breit, die Arme wie Beine und seine Hände... könnten den Hals ihres Gatten wie ein Streichholz brechen. Sie spitze ihre Ohren als sie noch einmal gedämpft seine Stimme hörte:
„LEG DAS SOFORT HIN!“
Dann wurde sich dort drinnen gestritten. Schnell ging sie weiter. Noch ein paar Ecken, dann wäre sie in Sicherheit bei ihrem Bruder. Oder? Seit dem Marktplatz fühlte sie sich irgendwie unwohl...

((ooc: Janay sag mir mal bescheid, ob du ein Treffen mit Schwesterherz wollen würdest. Will da nix aufdrängen. Falls nicht, bleibt das hier ein einmaliges Intermezzo. Du kannst für deinen Char auch gern an dieser Stelle den ein oder anderen Traum für mich 'inspirierend' in deine Ohnmacht einbauen. ;) ))
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Mittwoch 7. September 2022, 01:16

Sie waren einer der wohl größten Gefahren Morgerias gerade so entkommen: Kurallas Todesdämpfe strömten zwar dünn durch die Ritzen der Ballsaal-Tür, aber sie verflüchtigten sich glücklicherweise im langen Korridor davor. Alles, was innerhalb des Ballsaales noch gelebt haben mochte - ob winzige Motte über Schmutztierchen auf Kurallas Haut oder gar Bakterien - es war nun für immer ausgelöscht. Nichts konnte dieser biologischen Gasbombe entkommen.
So fiel das Adrenalin langsam auch von Kazel ab. Er spürte die Müdigkeit, die seine Glieder befiel und auch seine Tante an seinem Arm schwerer machte, obgleich er gerade nur die Vorhangkordel hielt. Dabei war die Gefahr noch nicht gebannt. Janay schwebte immer noch zwischen Leben und Tod. Es war nicht das erste Mal, aber im Unterschied zu den Pfeilen, die ihren Leib damals durchlöchert hatten, war sie nun von einer Klinge durch die Meuchlerin seiner Tante verletzt worden. Kazel wollte sofort wieder zu seiner Liebsten, aber schon beim ersten Schritt drohte er, zusammenzusacken. Vranyk packte und hielt ihn. Außerdem hielt er ihn auf. Der dunkelelfische Diener und Leibwächter ahnte, dass die herbeigerufenen Heilkundigen nun Platz brauchten. Kazel würde nur stören. Alles, was sie von ihm wissen wollten, waren Informationen zu Janay. Alles, was er ihnen mitteilen könnte, würde ihr Überleben sichern. Aber der Mischling war dazu nicht in der Lage. Seine Emotionen, von der hinterhältigen Attacke seiner Blutsverwandten bereits in wildes Chaos gestürzt, wirbelten durch seinen Kopf, dass er kaum noch einen klaren Gedanken fassen konnte. Kurz kam ihm lediglich die Idee, die Zeit anzuhalten, damit er wiederholt durchatmen könnte. Er verwarf dieses Vorhaben schnell. So wie er sich aktuell fühlte, würde er im Stillstand einschlafen, um neue Kraft zu tanken und wer weiß, wieviel seines Lebens verloren wäre, wenn er mehrere Stunden Schlaf einforderte. Nein, er musste sich eingestehen, seine Kräfte ausgeschöpft zu haben. In Vranyks Griff ließen seine Beine nach. Er sank zu Boden, so dass sein Diener ihn entweder loslassen oder mit zum Grund gleiten musste. Kazel klammerte sich nur noch an die Vorhangkordel wie an ein Rettungsseil. Dabei wäre er der Letzte, der seine Tante retten wollte - nun, kein zweites Mal. Er hatte sie vor Kurallas Pestilenzwolke nur bewahrt, damit er es war, der sich ihr widmen könnte. Doch auch das musste warten. Sein Kopf dröhnte. Die Stimmen verschwammen zusammen mit der Szenerie vor ihm. Alles rauschte in seinen Ohren. Er berührte seine Stirn, kniff sich in die Nasenwurzel. Kazel erkannte, dass er irgendetwas gefragt worden war, konnte sich aber nicht einmal mehr darauf konzentrieren. Adrenalin war ein wundersamer Antrieb. Es war in der Lage, den Körper noch einmal Handlungen vollbringen zu lassen, für die entweder die physische oder die mentale Kraft längst fehlten. Geschichten existierten, in denen Mütter übermenschliche Kräfte entwickelten und ganze Kutschen umwarfen, um das Kind darunter zu befreien und das ohne selbst ein Ork oder Troll zu sein. Aber sobald der Körper registrierte, dass er allein nicht länger in Lebensgefahr schwebte, fiel der Adrenalinpegel und mit ihm kehrte ein Übermaß an Erschöpfung zurück. Dadurch, dass Kazel die Nacht zuvor kein Auge hatte zutun können, forderte sein Körper nun den Tribut. Das Schlimme war, dass es auf Janays Kosten gehen könnte. Wenn er sich jetzt nicht zusammenriss, könnte sie sterben - schon wieder, vielleicht endgültig. Was hatte man ihn nur gefragt?!
Zähflüssig sickerte eine Information zu seinen Gehirnwindungen durch. Nachtelfen? Kazel wusste, dass Janay wie er selbst gemischtes Blut in ihren Adern führte, aber er hatte sie nie gefragt, was nicht dunkelelfisch an ihr war. So konnte er nur den Kopf schütteln. "Ich weiß es nicht", brabbelte er, längst nicht mehr gewahr, ob man ihm überhaupt zuhörte. Er klammerte sich an Vranyk. "Was ...?", erkundigte er sich bei ihm. Was hatte man ihn noch gefragt. Vranyk schien zunächst nicht zu verstehen, aber Kazels sorgenvoller Blick sorgte vielleicht dafür, dass er die Fragen nochmal wiederholte. Nach einer Weile drangen diese aber so oder so zum Verstand des Mischlings durch. Es dauerte einfach nur seine Zeit. Zeit, die Janay möglicherweise nicht mehr besaß.
Kazel erkannte den Körper seiner liebsten als gräulich verschwommenen Fleck. Die beiden Heiler waren nicht mehr als Schatten. Ihre Stimmen schwebten dumpf im Raum. Er hatte immer mehr Schwierigkeiten, bei Bewusstsein zu bleiben. Schwankte er? Aber er saß doch und Vranyk hielt ihn. Ich glaube, dein Bruder ist tot... Das dachte Kazel. Seine Lippen konnten nur ein sinnfreies Geblubber formen. "Janay...", brabbelte er dann irgendwann, während er Zunge und Zähne sortierte. Hoffentlich befürchtete niemand, Kurallas Dämpfe hätten ihn doch noch erreicht und gar vergiftet.
Gift. "Gift!", brachte er seine letzten Kraftreserven hervor, um es einfach so in den Korridor zu blöken. "Vielleicht ... Gift ..." Er fummelte an sich herum. Irgendwo war doch die Phiole, die er Tante Starle entwendet hatte. Er hörte, wie sie zu Boden rollte, konnte aber nicht sagen, ob er sie dabei nicht auch noch zerbrochen hatte. Er keuchte auf.
Wach bleiben ... für Janay ... rette sie... Mit allem, was Kazel aufbringen konnte, schwang er zur Seite, um dann so fest wie möglich gegen Vranyk zu knallen. Der Dunkelelf musste es für einen rebellischen Befreiungsversuch halten, aber das war es nicht. Kazel versuchte, sich selbst Schmerz zuzufügen. Schmerzen waren kein so guter Antrieb wie ein ordentlicher Adrenalinschub, aber sie besaßen ebenfalls die Fähigkeiten, für einen klaren Verstand zu sorgen und sei es nur für Augenblicke. Irgendwie hatte er Erfolg. Ob er sich dabei verletzt hatte, wusste Kazel nicht. Er konnte den Schmerz nicht einmal lokalisieren. Alles schmerzte. Seine Augen brannten. Er wollte schlafen. Er hatte nicht mehr viel Zeit. Was hatten sie ihn gefragt?
Denk nach ... Was weiß ich über Janay?
"Sie is' so schön..." Das half nicht weiter, aber es war das Erste, was er mit seiner Liebsten verband. Das Zweitwichtigste folge allerdings überraschend schnell. "Wir kriegen zwei Kinder... in ihr drin ... hab sie ... gebumst..." Oh, das hätte Kazel gewiss niemals so bei klarem Verstand formuliert. Sein Mund verselbstständigte sich. Er dachte längst nicht mehr darüber nach, sondern gab alle Informationen von sich, die er über Janay nun abrufen konnte. Irgendetwas würde schon helfen. Er musste sich beeilen. Es fiel ihm immer schwerer, deutlich zu sprechen.
"Sie is'n Mischl... 'n .. Mischerling ... Mischen... und ich finde ... sie ... Arina ... Arina heißt sie ... die Sch... die Schwe... ich liebe sie so sehr ... meine Dschannei ... stirb nich' ... das Schkellett haut misch nur widder. Ge...ge ... fetter Tod. Rättäää sie...urgh." Zu spät. Irgendwann ging eben nichts mehr und wo es bislang Janay war, die sich ab und an in eine Ohnmacht flüchtete, war es nun Kazel, der schlapp machte. Es reichte wohl nicht, um seinen Lehrmeister mal wieder auf die knöchernen Nerven zu gehen, aber vielleicht erbarmte sich ja Manthala und ließ sich im Traum mit ihm auf einen Handel ein. Janay musste doch zu retten sein. Nur dieses Mal nicht von ihm.
Bild

Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Mittwoch 7. September 2022, 10:35

Ihr Körper stand weiterhin in Flammen und in ihrem Geist herrschte nur noch diese Empfindung vor. Nichts, sie konnte absolut nichts machen dagegen, nicht einmal schreien. Wenigstens war diese grauenhafte Erscheinung weg, die sie allein durch Blicke hatte vernichten wollen. Doch das änderte nichts an ihrem Zustand.
Auch bekam sie nicht mehr alles mit, was in ihrer Umgebung oder gar mit ihr geschah, sodass sie sich in dem einen Moment noch in dem Saal und im anderen an einem vollkommen anderen Ort befand. Während ihr Verstand noch versuchte, diesem Umstand irgendeinen Sinn zu geben, erschienen über ihr neue, fremde Gesichter. Wurden Worte gesprochen, die sie nicht länger verstehen konnte.
Und dann war da dieses Tuch, das ihr über Mund und Nase gelegt wurde und ihr im ersten Augenblick den Atem zu nehmen drohte. Panik wollte in ihr hochsteigen, denn sie wollte nicht auch noch ersticken müssen! Doch ehe es soweit war, gesellte sich ein süßlicher Geruch hinzu und bevor sie sich dessen bewusst werden konnte, schwanden ihr schon die Sinne. Die Welt um sie herum wurde schwarz...

Da! Da war er wieder! Dieser gellende, herzzerreißende Schrei, der sie schon die ganze Nacht über wach hielt. Und obwohl sie wusste, dass bald der nächste folgen würde, noch gellender, noch herzzerreißender, zuckte sie immer wieder aufs Neue zusammen und klammerte sich fester an ihre Schwester.
Wie alt war sie? Vier... fünf Jahre vielleicht? Womöglich ein Jahr älter... oder eher jünger...? Sie wusste es nicht mehr genau, dazu lag diese grauenhafte Nacht zu lang schon zurück. Und trotzdem wusste sie noch, wie sehr sich diese Schreie in ihr Innerstes eingebrannt hatten.
"Darum will ich nie Kinder haben!", murmelte Arina in eine der kürzer werdenden Stillen hinein und zog die Jüngere enger an sich, um sie zu schützen.
Janay hingegen schniefte leise, sie war so unsäglich müde, dass sie kaum die Augen offen halten konnte. Trotzdem konnte sie nicht einschlafen. Also blinzelte sie angestrengt und sah hoch in das schmale Gesicht der anderen.
Deren Hautfarbe war der ihren relativ ähnlich, da kamen sie beide nach ihrer Mutter, nur nicht ganz so extrem blass. Auf diese Weise konnte man rasch, auch ohne die Züge miteinander zu vergleichen, erkennen, dass sie miteinander verwandt sein mussten.
Bei den Haaren hingegen war lediglich die Frisur recht ähnlich, beide trugen ihre Pracht eher kurz geschnitten, weil das praktischer war, vor allem am Badetag. Denn da verknoteten sie weniger stark und waren obendrein auch schneller wieder trocken, was besonders in den kälteren Jahreszeiten ein guter Selbstschutz vor Erkältungen war. Und Arina war sowieso fast dauernd erkältet! Die Farbe indes war komplett anders. Während Janays Haare hell waren, verschiedene Grautöne aufwiesen, da besaß ihre ältere Schwester eine rabenschwarze, glänzende Pracht, bei der lediglich direktes Sonnenlicht die Blautöne zum Vorschein bringen konnte. Ein Umstand, den sie als Säugling oft stundenlang hatte staunend betrachten können.
Jetzt dagegen, in der Dunkelheit der Nacht, konnte sie die Züge der anderen nur erahnen, während draußen schon wieder dieser Schrei erklang. Arina hielt ihre Lider über den dunkelblauen, fast schwarz wirkenden Augen geschlossen, ganz so, als wolle sie trotz allem endlich schlafen.
"Warum?", fragte die Jüngere ahnungslos und begriff den Zusammenhang zu den Schreien nicht so ohne weiteres.
Ihre Schwester seufzte tief und wartete ab, bis es wieder still wurde, ehe sie flüsternd erwiderte:"Weil es einen zerreißt da unten. Weil es weh tut. Und weil... weil es umbringt." Das hatte sie zumindest auf der Gasse gestern tuscheln gehört, denn die Nachbarin lag nun schon den dritten Tag in Folge in den Wehen und das Kind wollte und wollte einfach nicht kommen.
"Warum?", hakte Janay weiter nach und verstand den Zusammenhang noch immer nicht. Denn sie war nicht draußen gewesen, sie wusste nicht, dass diese gequälte Seele gerade versuchte zu gebären und nicht einfach nur von jemandem gefoltert wurde.
"Schlaf jetzt!", fuhr Arina sie plötzlich an und schüttelte sich, als hätte sie etwas ganz Ekeliges gesehen oder berührt. "Morgen ist Waschtag, auch für dich, du Dreckspatz!", fügte sie, schon wieder ein wenig sanfter, an.
"Bäh!", entkam es der Jüngeren. Sie mochte ihren Schmutz auf der Haut und hasste es zu baden! Vor allem, wenn sie auch noch Haare waschen musste!
Das wusste ihre Schwester und sie wusste auch, weswegen sie das gesagt hatte, zur Ablenkung und um die Fragen abzuwürgen. Das gelang auch, denn nach dem nächsten quälenden Schrei erfolgte ein heiseres Krächzen anderer Tonart. Also war es drüben geschafft, endlich!
Und kaum, dass nicht mehr alle paar Atemzüge dieser Lärm ertönte, war Janay auch schon im Reich der Träume. Während Arina sich noch länger mit ihren Gedanken quälte...

Ein oder zwei Jahre später, an einem sonnigen, warmen Nachmittag kamen die beiden Schwestern gerade aus dem kleinen Hinterhof zurück, kichernd und voller Schlamm. Vor allem Janay sah aus wie ein wandelndes Lehmmännchen, so dreckig war sie geworden. Später müssten sie zwar den Fußboden wieder sauber machen, am besten, bevor ihre Eltern etwas davon mitbekommen würden, aber das war es ihnen beiden wert gewesen!
Gerade wollten sie in die Küche und dort nachsehen, ob sich etwas heimlich stibitzen lassen würde, um den schon wachsenden Hunger zu besänftigen, als ein Scheppern sie innehalten ließ. Arina, schon immer die Beschützendere, bedeutete ihrer kleinen Schwester, zurück zu bleiben. Dass diese nicht hörte... na ja, das war ja nichts Neues.
Trotzdem war die Größere die Erste, die einen Blick hinein warf und aufatmen konnte. Es war nur ihr Bruder, Vaclav, der so einen Heidenlärm verursachte! "Den Saustall erklärst aber dann du!", warf Arina ihm zur Begrüßung vor, obwohl sie als die Jüngere und obendrein als Mädchen in der Hierarchie unter ihm stand und eigentlich nicht so mit ihm reden durfte.
Doch die drei Kinder hatten ihre eigenen Regeln und Rangordnung gefunden, sodass, solange sie unter sich waren, eben Arina das Sagen hatte. Ganz so, wie es einer zukünftigen Hausfrau anstand. Wenngleich das nicht bedeutete, dass jeder und immer auf sie hörte.
Der Junge, drei Jahre älter als sie, fuhr herum, ein schmutziges Tuch auf die blutige Nase gepresst. Seine Haut war die Dunkelste von ihnen drei, ganz so, als hätte das Erbgut ihrer Eltern sie nicht vorwarnen wollen, dass ihren Kindern das Mischlingsblut anzusehen sein sollte, je jünger, desto stärker. Seine im Moment zerzausten Haare, die ihm bis knapp unter die Schulterblätter reichten, waren hingegen von derselben Farbe wie Janays, während seine Augen das dunkle Blau von Arina aufwiesen.
Derzeit sah er ziemlich lädiert aus und fixierte die Schwestern mit einem finsteren Blick, der sie eigentlich vertreiben sollte. Blöd nur für ihn, dass sie mit ihm aufwuchsen und sich auf diese Weise eben schon längst nicht mehr beeindrucken ließen. "Halt die Klappe und mach dich lieber nützlich! Wo find ich eine Schüssel mit Wasser?", schnauzte er zurück.
Arina runzelte die Stirn, trat allerdings näher. "Wozu brauchst du...?", begann sie und konnte nun, da ihr nichts mehr die Sicht verstellte, den Schaden selbst bemerken. Seufzend schüttelte sie den Kopf und wandte sich ab, um das Geforderte tatsächlich zu holen.
Janay hingegen trippelte ebenfalls heran und starrte zu ihm, der sie schon jetzt um eine ganze Haupteslänge überragte, hoch. "Hast du dich geprügelt? Wann darf ich mich endlich mal prügeln?", plapperte sie los.
Vaclav grinste sie unter dem Tuch breit an und entblößte dabei sein, bislang noch vollständiges, Gebiss. "Gar nicht, du Käfer. Du bist ein Mädchen!", beschied er sie und sorgte dafür, dass sie schmollend die Unterlippe vorschob.
"Setz ihr ja keine Flausen in den Kopf, davon hat sie sowieso schon genug!", schalt Arina sofort und stellte die Schale ab, um nach dem schmutzigen Lappen in seinen Fingern zu greifen.
Als sie ihn weggezogen hatte und den Schaden sah, sog sie scharf die Luft ein und schüttelte zugleich den Kopf. "Wenn Mutter oder Vater dich so sehen, bist du geliefert.", kommentierte sie.
Vaclav bleckte die Zähne, dass er einem Raubtier ähnelte. "Aber das war's wert!"
Arina verdrehte die Augen und machte sich daran, behutsam das Blut abzutupfen, das noch leicht nachtröpfelte. Die Jüngste hingegen kam noch näher und beäugte neugierig den Schaden. "Ist sie kaputt?", fragte sie in kindlicher Unschuld, soweit es die in Morgeria überhaupt geben konnte.
"Sieht aus, als hätte Faldor mal wieder dem Dummen geholfen und den Bruch verhindert.", murrte die Schwester.
"Tut das sehr weh? Anfassen, will anfassen!", kam es von Janay und sie hüpfte auf und ab, mit ausgestreckter Hand, dass sie tatsächlich kurz dagegen stippte, mehr Zufall, denn Treffsicherheit.
Vaclav jaulte auf wie ein getretener Hund, ehe er knurrte. "Hau ab, du kleine Kröte, oder du kriegst auch was auf die Na... au! Nicht so grob!"
Die Mittlere machte ein unschuldiges Gesicht, während die Kleinste quietschend und Dreck verteilend durch die Küche lief, da es für sie mehr ein Spiel war.
Arina sah ihr kurz hinterher und seufzte tief beim Auswringen ihres Tuchs. "Großartig gemacht, wirklich! Putzen wirst du nachher hier, wenn ich sie in den Zuber stecke.", murrte sie und wusste sowieso schon, dass alles an ihr hängen bleiben würde, weil sonst sie alle drei dran wären. Oder eher die Mädchen, da sich ihr Bruder oftmals geschickt herauszureden und vor jeglicher Hausarbeit zu drücken verstand.
"Ich schlage vor, derjenige, der die Kröte fängt, muss nicht putzen!", hielt er grinsend dagegen, sodass sie die Augen verdrehte. Weder würde er es schaffen, den Wirbelwind von Schwester zu erwischen, noch würde er wirklich sauber machen.
Trotzdem nahm sie die Herausforderung an und sollte am Ende Recht behalten. Wie gut, dass die gemeinsamen Eltern an diesem Tag erst spät am Abend zurück kamen, wodurch es keine Spuren mehr gab... abgesehen von der dunkellila und geschwollenen Nase des einzigen Sohnes.


Allmählich tauchte ihr Geist aus den Bildern der Vergangenheit auf und kehrte zurück in die alles umfassende Schwärze. Wo war sie? Wer war sie? Was war passiert?
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 7. September 2022, 18:55

Während Janay, vielleicht motiviert durch die Erwähnung eines Namens, in ferne Welten der kindlichen Erinnerung abdriftete und und die Pfade ihrer Vergangenheit beschritt, da bot sich für Kazel ein ganz und gar anders Bild. Zumindest kurz, denn auch bei ihm gingen irgendwann einmal die Lichter aus. Er versuchte noch die Fragen zu beantworten:
"Sie is' so schön..."
Das war nicht hilfreich, aber es war das Erste, was er mit seiner Liebsten verband. Vranyk sah Kazel besorgt an. Der Helfer an seiner Seite, spürte mehr und mehr das Gewicht an seiner Seite und hatte sich mit ihm zu Boden gleiten lassen. Das Zweitwichtigste, was Kazel noch zu sagen hatte, folge allerdings überraschend schnell:
"Wir kriegen zwei Kinder... in ihr drin ... hab sie ... gebumst..."
Oh, das hätte Kazel gewiss niemals so bei klarem Verstand formuliert. Sein Mund verselbstständigte sich. Es fiel ihm immer schwerer, deutlich zu sprechen und wenn es eine andere Situation als eben diese Lebensbedrohliche gewesen, so hätte vielleicht jemand geschmunzelt. Die Heilerin schaut nur kurz zu ihm und wirkte besorgt. Sie wechselte mit ihrem Assistenten Blicke.
"Sie is'n Mischl... 'n .. Mischerling ...“
„WAS für ein Mischling?! Kann ich sie mit Lichtmagie heilen, oder wird sie daran sterben?!?“
„... Mischen... und ich finde ... sie ... Arina ... Arina heißt sie ... die Sch... die Schwe... ich liebe sie so sehr.“
Vranyk musterte Kazel verwirrt. Er liebte Arina? Kazel driftete schon zu weit weg.
„... meine Dschannei.“
Ah, er nickte. Die Heilerin grummelte. Keine Wut, eher ein Laut der Verzweiflung. Sie hatte zu wenig Informationen.
„Ich kann nicht anderes tun... gib mir das Messer!“
Das tat der Mann an ihrer Seite und die Klinge blitze einmal bedeutungsschwer im Licht des Flurs auf. Damit war der lange Gang von einem zum nächsten Augenblick zu einem Operationssaal umfunktioniert. Blut sickerte in Tücher und darunter liegende Teppiche. Viel Blut! Zu viel...?!
„... stirb nich' ... das Schkellett haut misch nur widder.“
Abermals fragende Blicke, außer von der Heilerin die sich nun ganz auf ihre Patientin fokussierte. Das Sai steckte noch und sie schnitt an der Klinge entlang um sich zutritt zu Janays Innenleben zu verschaffen. Ihre Hand leuchtete ihr den Weg und schien die zertrennten Gewebeflächen zu kauteresieren, wo sie auf sie traf. Es zischte und roch merkwürdig.
„... Ge...ge ... fetter Tod. Rättäää sie...urgh."
Zu spät. Irgendwann ging eben nichts mehr und wo es bislang Janay war, die sich ab und an in eine Ohnmacht flüchtete, war es nun Kazel, der schlapp machte. Die leicht bis stark verwirrten Blicke auf seine scheinbar zusammenhanglosen Worte erreichten ihn schon nicht mehr. Selige Schwärze war Manthalas Lohn für sein viel zu langes Durchhalten.
Sie hatten zusammen sooooooooooooooooo...
...
...
...oooooooooooooo viel erlebt! Einen Roman könnte man damit füllen der gewiss über 500 Seiten fassen würde. Mehr noch! Ganze Bände könnte man über ihre Abenteuer schreiben. Und wo Janays Geist unter der Schlafdroge aufblühte, da segnete Manthala Kazel mit Stille, ganz so wie er sie erst letzte Nacht zuvor darum gebeten hatte. Sie schenkte ihm ihre gnädige Ohnmacht, tiefen und traumlosen Schlaf. Eine Pause vom Dasein, wie nur sie es konnte … ohne dass er gleich wieder starb. Wie herrlich doch ihre Welt sein konnte. Schwarzer Samt den sie für ihn zwischen den Sternen ausbreitete.
SCHLAF!
Schlaf!
schlaf.

Zeit verging.

Viel Zeit.

Er rieselte nun mal weiter, verengte sich auf seinem Weg durch das Stundenglas und fiel dann zurück zu seinesgleichen, verband sich von einzelnem Korn wieder zur Bezeichnung, die man Sand nannte. Herzschläge vergingen, der Puls pumpte das Blut an ähnlichen Engstellen durch den Körper. Klappen in Venen und Herz verhinderten einen Rückfluss, so dass die Zeit nicht rückwärts laufen konnte... das Blut... der Sand...
Wer konnte es nicht verstehen, wenn man sich nach schlimmen Ereignissen manchmal fragte:
**Wenn ich an einen bestimmten Punkt in meinem Leben zurück reisen könnte um etwas anders zu machen, Wann wäre das?''
Und wer könnte das besser empfinden als der Geselle des Todes, der die Macht der Zeit schon gekostet hatte. Aber eines war nun mal in Stein gehauen. Zeit verlief nun mal nur in eine Richtung. Was geschehen war, konnte man nicht ungeschehen machen. ...oder?
Stimmte das so?
Halt. Hatte der Gevatter nicht bei Janays erstem Tod einmal so ganz 'nebenbei' erwähnt, das Zeit alle Wunden heilen könnte? Waren ihre Verletzungen nicht spurlos verschwunden, nachdem der Tod sie von ihr genommen hatte? Warum tat er es also nicht noch einmal? Warum konnte Kazel diese Macht nicht einsetzen? Wäre doch alles so leicht, so...

(Hintergrund)
(in anderem Tab öffnen)

„Nu werd mal nicht gierig.“
Eiskalt gesprochene Worte des immer-toten Schädels, hohl und stets grinsend gesprochen.
Kazel hörte ihn zwischen seinen eigenen Herzschlägen hindurch ihm zu wispern.
„Meinst du, ich würde einem Anfänger diese Macht an die Hand geben? Mach die Augen auf!“
Kazel riss die Augen auf und blickte in das fahle Antlitz des Todes. ER schwebte über ihm, wie in Flüssigkeit getaucht, als schwimme er in der Luft und seine Kutte floss durch die weiter laufende Zeit. Dass es so war, erkannte Kazel an dem schlafenden Mann, der gleichmäßig atmend neben seinem Bett saß... Sademos Bett, in seinem Schlafzimmer. Das Gesicht kam ihm entfernt bekannt vor, aber er konnte es noch nicht einordnen. Sein Meister war da und forderte seine ganze Aufmerksamkeit.
„Hast du also endlich heraus gefunden, dass du die Sanduhren VORHER anschauen solltest.“
Er griente ein wenig verächtlich. Tod hatte nicht die beste Laune.
„Du solltest nicht vergessen, dass du kein Mörder bist. Und.. jaaaaa...“
Er zog den Laut mit einem argen Echo in die Länge.
„...aaaa, ich bin stolz auf dich, dass du deine Tante am Leben gelassen hast.“
Der Gevatter lächelte! Gruselig! Er verschränkte die Arme vor der Brust und sah zufrieden aus.
„Ich hatte schon befürchtet, du würdest im Eifer des Gefechts zu einer Kurzschlusshandlung neigen. Aber nein, ich bin sehr beeindruckt. Du hast dich selbst diszipliniert. Es ist schließlich nicht unsere Aufgabe zu richten.Wir geleiten nur die Seelen hinaus aus dem Leben. Wir sind keine Götter!“
Er sprach das sogar mit etwas wie Erleichterung aus, als wenn göttliches Dasein etwas unangenehmes führ ihn wäre. Dabei sah er Kazel an und sprach gleich weiter:
„Richten ist deren Gebiet. Sie wiegen die Seelen und entscheiden, ob sie in ihr Reich eingehen oder ...fallen gelassen werden.“
Eine Anspielung auf den Harax? Tod war heute anscheinend in Plauderlaune. Im Takt von Kazels schlagendem Herzen wippte er langsam hin und her, als genoss er den 'Tanz' seines Gesellen.
„Wenn du also in Zukunft für mich verlorene Seelen einfängst, dann schau besser auf die Uhr, wie spät es ist. Ein kleiner Tipp: Untote haben keinen Sand mehr und bewegen sich nur noch durch die Zeit ihres Nekromanten. Du kannst dir sicher denken, dass mir das gewaltig stinkt. Apropo...“
Tod spähte in eine unbestimmte Ecke des Raumes.
„Diese Omi... pass auf, dass sie sich nichts tut. Ich mag sie wirklich nicht bei mir haben! Nicht mal kurz, auch wenn der Urgeist schon ein Auge auf sie geworfen hat.“
Kuralla wollte wohl kaum jemand in seiner Nähe haben.
„Du fragst dich sicher, wer sie ist... oder was? Hehehe... Ein bisschen Zwergtroll, ein bisschen Goblin und noch ein... Ach, der Rest ist nicht wichtig. Viel wichtiger wird dir sein, zu wissen, dass Janay leben wird...“
Leider bekam der Gevatter dabei einen merkwürdig schattigen Gesichtsausdruck. Grundsätzlich war das doch eine gute Nachricht, oder? Warum schaute er so angespannt zur Seite. Er blickte dabei keinen bestimmten Punkt an, aber etwas verschwieg er wohl. Trotzdem war Janay am Leben und das lud Kazel schon mal eine Last von den Schultern. Dann fiel ihm noch etwas wichtiges ein:
„Ach.. eine Sache! Du solltest mit deiner neuen Sanduhr vorsichtiger umgehen als mit deiner Alten. Diese ...“
Er ergriff Kazels Handgelenk und drehte es, so dass die Uhr auftauchte.
„...diese wird die Zeit die du nimmst zurückfordern. Ja, ich weis auch deine tat das, aber erst am Ende deines Lebens. Diese hier ist anders.“
**tocktock** Er tippte mit dem Finger gegen das Glas. Ein Sandkorn schien sich zu erschrecken, hielt kurz im Fallen still und fiel dann weiter.
„Das wirst du bald merken. Pass auf, dass du die Götter nicht verärgerst und ihre Diener zu früh oder zu spät zu ihnen schickst. Das mögen sie nicht und könnten dir zürnen. Das Glas ist ein Geschenk von ihnen und sie werden sich deine Zeit nehmen, wenn und WANN sie es für richtig halten. Manch einer hat halt nicht so viel Geduld wie ich. Heheheh... Götter können launisch, stürmisch, leidenschaftlich, grummelig und vieles mehr sein. Mehr kann ich dir da leider nicht zu sagen. Denk einfach daran, dass du ihnen jetzt viel näher bist als früher. Sie werden dir auch eher zuhören, also sei vorsichtig.“
Kazels Herzschläge wurden ein bisschen leiser und die Umgebungsgeräusche dafür langsam etwas lauter. Langsam schien er aufzuwachen, aber Tod blieb noch ein Weilchen bei ihm. Er schwebte durch den Raum und stupste mal den schlafenden Mann an, der darauf hin in seinem leisen Schnarchen eine Atempause einlegte... ziemlich lange und dann heftig Luft holte. Ganz wach wurde er jedoch nicht. Ach ja, der Mann... er kam Kazel ja bekannt vor. Es war der Assistent der Heilerin. Tod beugte sich über ihn und betrachtete ihn.
„Netter Kerl übrigens. Leider käuflich. Das wird ihm noch mal zum Verhängnis werden, wenn er nicht aufpasst.“
Gevatter Tod richtete sich in seiner schwimmenden Position auf und hinterließ dabei mit seinem Mantel eine dünne Schicht Raureif auf der Schulter des Schläfers. Er wandte sich Kazel zu und setzte sich dann noch einmal zu ihm auf die Bettkante.
„Du solltest noch ein wenig schlafen. Für Janay kannst du jetzt eh nichts tun... Sie kämpft und sie wird gewinnen.“
Tod legte seinen Gesellen die kühle tröstende Knochenhand auf. Fühlte sich so die Ewigkeit an, wenn alles zum Stillstand kam? Wenn jegliches Leben wich, dann bewegte sich auch nichts mehr und Kälte zog ein. Bewegung erzeugte Wärme und Tod war Abwesenheit von Bewegung. Somit war seine Stille auch immer kalt. Kurz betrachteten sie beide den Schläfer und hingen ihren Gedanken nach. Hatte Tod einfach vergessen zu gehen? Konnte Kazel ihm endlich mal ein paar Fragen stellen? Noch saß er bei ihm und hielt 'Händchen'.

Janays Empfindungen und Sinneseindrücke waberten derweil durch ganz andere Räume und Zeiten.

„Das ist das letzte Mal, dass ich dich decke!“
Arina klang wütend, aber eben nicht so richtig. Janay kannte ihre Schwester einfach zu gut. Insgeheim beneidete sie vielleicht sogar ihre kleine Schwester dafür, dass sie einen Weg gewählt hatte, bei dem sie selbst entscheiden konnte, frei leben konnte und Spaß hatte. Für ihre Schwester war Janays jüngerer Lebenswandel nicht immer nachvollziehbar gewesen, aber sie liebte sie trotzdem. Arina würde niemals so 'ungehorsam und wild' sein wie sie. Erst recht würde sie sich niemals für Geld einem Mann hin geben. Sie war die ältere, sie hatte in vielem die 'Mutterrolle' übernommen, wo es ihre wahre Mutter nicht getan hatte. Arina war eben die 'brave', so wie Janay die 'wilde' Tochter war. Und Vaclav war eben ganz Vaters Sohn. Trotzdem gehörten sie immernoch irgendwie zusammen, aber das Band war dünner geworden. Arina zögerte jetzt oft bei Janays wilden Ideen mitzumachen, aber wenigstens hielt sie ihr immernoch den Rücken frei.
„Ich sag Vater, du hättest dir dein Kleid zerrissen und wolltest ihm nicht so unter die Augen treten. Du wolltest zur Schneiderin, damit Mutter es nicht tun muss und ihm nicht zur Last fallen. Das gefällt ihm sicher mehr, als wenn du noch einmal erzählst du seist von einem Drachen entführt worden. Ich denke, das hat der dir sowieso nicht geglaubt.“
Arina konnte herrlich lachen und das Geräusch würde Janay immer im Herzen tragen. Es war als stieße sie dabei einen gläsernen Kelch in ihr an und brachte ihn damit zum klingen. Auch Vaclav wurde immer ganz still wenn die große Schwester lachte. Leider tat sie das in letzter Zeit nicht mehr so oft. Etwas lag im Wandel der Zeit verborgen, etwas von dem Janay mit ihren jungen Jahren noch nicht verstand. Arina war nur zwei Jahre älter und Vaclav noch mal drei, aber beide verhielten sich in letzter Zeit so merkwürdig, dass sie sie nicht mehr so richtig verstand. War das so wenn man erwachsen wurde?

„Janay?“
Etwas warmes berührte ihre Handfläche, zwickte in die dünne Haut etwas oberhalb ihres Pulses und erinnerte ihren Körper daran, dass er noch lebte... Dann wurde es wieder dunkel.

„Janay! Lass los! Du machst sie noch kaputt!“
Das reißende Geräusch kündete von der Wahrheit hinter den Worten.
„VerdammT WAS SOLL DAS?!“
Dieses Mal war Arina wirklich böse. Sie schubste ihre Schwester grob an der Schulter weg und zog das alberne Tischdeckchen, an dem sie seit Mooonaten klöppelte, an ihre Brust.
„Mutter wird schimpfen!“
Standen ihr wirklich Tränen in den Augen? Wegen einer Spitzendecke, oder was auch immer das werden hatte sollen??? Ari wandte sich von Janay ab und verließ den Raum. Die Tür schlug zu und bebte noch einen Moment in den Angeln. Was hatte sie nur? Seid dem sie viel Zeit mit ihre Mutter verbrachte, änderte sich Janays Schwester immer mehr. Sie wurde stiller, NOCH fleißiger und wirkte oft geistesabwesend. Ihre gemeinsame Mutter spielte ihr Verhalten immer mit den Worten
„Das wirst du auch bald verstehen.“
herunter. Es wurde bald Zeit zu gehen, denn gewisse Dinge WOLLTE Janay nicht verstehen lernen.

Abermals drückte etwas ihre Hand und etwas entsetzlich kaltes auf ihre Stirn. Dabei war ihr doch schon so kalt!
„Sie glüht! Hol frisches Wasser! Gibt es vielleicht Eis in diesem Haushalt? Kann er es beschaffen?“
Kein Eis! Bloß kein Eis! Janay fror so sehr! Ihr Körper hörte auf zu zittern und begann zu zucken.
„Halt! Hilfe! Komm zurück, sie krampft!“

((ooc: Janay, gern noch ein paar kleine Erinnerungen von dir ;) ))
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Donnerstag 8. September 2022, 13:45

Manthala war gnädig. Sie erhörte ihre Kinder und jene, die an sie glaubten. Sie schenkte den Einsamen romantische, den abenteuerlustigen spannende und den verträumten kunterbunte Träume. Kazel schenkte sie Schwärze. Stille. Frieden. Er wusste nicht, wie lang er schlief, aber er genoss jeden Augenblick. Endlich gab es einmal absolut nichts zu tun. Selbst sein Körper arbeitete ohne sein Zutun. Er musste weder nachdenken, noch handeln. Er musste sich nicht einmal Gedanken über seine Existenz machen. Da war einfach nichts. So musste sich der Tod anfühlen.
Manthalas Traumschwärze besaß Ähnlichkeit mit dem Ende und doch herrschte ein gewaltiger Unterschied. Der Tod war kalt. Kazel spürte seine Präsenz, als es ihm inmitten des farblosen Zentrum seines Seins plötzlich fröstelte. Er schaute sich nicht um, denn das war unnötig. Tod bildete sich um sein winziges Stück Bedeutungslosigkeit, baute sich auf und hüllte ihn ein. Vorbei war der Frieden. Der Tod war alles andere als friedlich, vor allem nicht zum Mischling. Das Grinsen inmitten seines bleichen Schädels erreichte Kazel wie ein Faustschlag. Er taumelte, als er sich plötzlich in der Domäne des Gevatters wiederfand oder steckte er immer noch in Manthalas Reich? So genau ließ es sich nicht sagen. Nur eines stand fest: Sein Lehrmeister erwartete ihn, zusammen mit der Erinnerung all seiner Pflichten und offenen Probleme. Er hätte auch von einem Meer aus klebrigem Teer träumen können, in dem er langsam unterzugehen drohte. Die pechschwarze Masse nahm ihn ein, um- und verschlang ihn. Seine Seele wurde mit einem Mal von solcher Schwere erfüllt, dass er glaubte, nicht mehr aufrecht stehen zu können. Dabei war es doch nur sein eigener Herzschlag. Er donnerte auf ihn nieder, drückte ihn nach unten und zog ihn beim nächsten Krachen doch wieder empor. Kazel wirbelte sichen seinen Schlägen umher, die ihn belebten und alles doch so schwer werden ließen. Sie erinnerten ihn, dass er sich in keiner Schwärze verstecken konnte vor dem Wissen, das in der Wachwelt auf ihn wartete. Das Wissen, dass eine Klingenwaffe in Janays Körper steckte und er nicht mehr ihre Sanduhr hatte sehen können, um zu prüfen, wie wenig Zeit ihr noch blieb. Das Wissen um das ach so volle Stundenglas seiner Tante Starle.
"Hast du also endich herausgefunden, dass du die Sanduhren VORHER anschauen solltest."
Kazel presste die Lippen aufeinander, um Tod keinen Konter auf seine verächtliche Aussage entgegenzuschleudern. Das stand ihm nicht zu. Trotzdem hätte er ihn gern daran erinnert, dass er ihm als sein Lehrmeister auch mal hätte sagen können, welche Werkzeuge ihm zu Verfügung standen und wie er sie einzusetzen hatte. Dass er auch den Lebenssand anderer Uhren anschauen konnte, war ihm nie bewusst gewesen. Es sollte Kazels Glück sein, dass er sich hier nun keinen verbalen Schlagabtausch lieferte, denn so verschwiegen wie der Gevatter war, so schnell konnte er auch seine Laune ändern. Vielleicht hatte er ein Stelldichein mit der stürmischen Ventha erleben dürfen, die auf seine Knochen abgefärbt hatte. Anders konnte Kazel sich nicht erklären, warum Tod stolz auf ihn sein sollte. Aber er hatte sich auch seine Beförderung nicht wirklich erklären können.
"Jaaaaa, ich bin stolz auf dich, dass du deine Tante am Leben gelassen hast."
"Es ist nicht gerecht", murmelte Kazel. "Warum wird ihr so viel Zeit gewährt?" Und Janay? Dem kranken Jungen in Sademos' Kerker? All den Frauen, die mehr Geburtenmaschinen waren, als Lebende? Bei ihnen war es vielleicht besser so, dass sie dieses Leben nicht noch länger hatten bestreiten müssen. Dennoch ... wenn es nach Kazel ginge...
"Wir sind keine Götter."
Der Mischling zuckte zusammen und starrte auf die Schwärze, die des Tods Knochen in ein Gewand hüllten. Er schluckte leer. Wie hatte er sich anmaßen können, über die Dauer des Lebens von anderen entscheiden zu wollen? Wie hatte er sich erlauben können, es als ungerecht in Frage zu stellen? Das durften nur die Götter. Er war weit davon entfernt auch nur der Auswurf irgendeines Gottes zu sein. Trotzdem...
"Wenn du also in Zukunft für mich verlorene Seelen einfängst, dann schau besser auf die Uhr, wie spät es ist." Kazel blickte langsam auf. Ob Janay nun eine verlorene Seele war? War sie verloren? Würden die Götter sie wiegen und endlich entscheiden, dass sie gehen musste? Er hatte ihre Uhr nicht gesehen. Er bereute es.
"Untote haben keinen Sand mehr und bewegen sich nur noch durch die Zeit ihres Nekromanten." "Sademos war also ein Nekromant?" Kazel dachte an all die Seelenlosen, deren Zeit der Sammler gestohlen und auch gesammelt hatte. Oh, der Kristall wartete ja auch noch auf ihn! Eine weitere, unlösbare Aufgabe, die mit der Last von Welten auf seinen Schultern landete. Hatte er übehraupt geschlafen? Wohin war die Schwärze? Er hatte Manthalas Geschenk nicht gut genug wertgeschätzt. Jetzt sehnte er sich dorthin zurück. Dass er diesen Frieden nicht mehr genießen durfte, sondern sich mit nur noch mehr Pflichten auseinandersetzen dürfen musste, machte der Tod ihm sofort wieder klar. Er bürdete ihm noch mehr Arbeit auf. Kuralla musste beschützt werden. Dass nicht einmal der Gevatter ihren Körper - oder das, was in dessen Gedärmen entstand - bei sich haben wollte, konnte er nachvollziehen. Dennoch: Firlefitzens Großmutter zögerte nicht, sich den schlimmsten Gefahren anzunehmen. Sie hatte selbst einen Dämon verschlungen! Wie sollte Kazel nur darauf achten, dass sie nicht frühzeitig ins Totenreich einkehrte?
Auf's Neue fühlte er sich müde und ausgelaugt. Die Emotion wich schnell etwas Anderem: Sorge. Angst. Tod brauchte dazu nur Janays Namen zu erwähnen. Wenigstens schaffte er es dieses Mal, Kazels erschütterte Seele zu beruhigen.
"Viel wichtiger wird dir sein, zu wissen, dass Janay leben wird..."
Einen Herzschlag lang. "Was ist mit unseren Kindern?" Dass Tod sie nicht in einem Atemzug - atmete der überhaupt? - mit Janays Unversehrtheit nannte, ließ Kazel das Blut in den Adern gefrieren. Er ging auch zunächst gar nicht auf die Kinder ein, beschäftigte sich stattdessen mit Kazels neuem Stundenglas. Er erläuterte ihm den Unterschied zu seiner alten Lebenszeit und dass die Götter selbst sich jederzeit würden etwas davon nehmen können, als Tribut für sein Handeln.
"Ich kenne überhaupt nicht alle Götter..." Ihm wurde flau. Er schwankte und streckte die Hand nach Tods Kutte aus, dass die Sanduhr wohl zu Boden gefallen wäre, würde sie nicht einfach wieder in ihm verschwinden, sobald er sein Gelenk drehte. So passte er also darauf auf! Wer konnte es ihm verübeln? Kazel wurde von alter und neuer Last erdrückt. Musste er im Traum atmen? Falls ja, setzte diese Fähigkeit gerade einige Sekunden lang aus.
"Du solltest noch ein wenig schlafen. Für Janay kannst du jetzt eh nichts tun... Sie kämpft und sie wird gewinnen."
"Und die Kinder?"
Seine Beine gaben nach. Kazel spürte, wie er einknickte und sich nur aus Reflex an Tod klammerte, um nicht zu fallen. Er war vermutlich das einzige Wesen Celcias, das sich beruhigt und sicher fühlte, wenn es die eisige Hand des Todes auf seiner Schulter spürte. Kraftlos lehnte er sich in die schwarzen Falten der Kutte. Beide schwiegen eine Weile. Jetzt wäre die perfekte Gelegenheit, dem Gevatter endlich alle Fragen zu stellen, die auf seiner Seele lasteten. Eine war ihm ja schon von der Zunge gesprungen. Wie ging es seinen Kindern, sofern überhaupt alles stimmte, was er bislang über die Schwangerschaft gehört hatte. Vielleicht war nichts davon echt und er brauchte gar nicht an Nachwuchs zu denken. Vielleicht hatte die Leonidin sich geirrt, der Dämon mit seinen Gefühlen gespielt und die Angst ihn nun unbegründet erfasst.
Er könnte auf andere Fragen ausweichen. Beispielsweise, warum ausgerechnet seine grausame Tante so viel Lebenszeit haben durfte und Janay um jedes Krümelchen für eine neue Chance betteln musste. Vielleicht wäre es auch sinnvoll zu fragen, ob sie ihn nicht verlassen sollte. Seit Janay ein Teil seines Lebens war, war ihres mehr bedroht als alles andere. Ob sie überhaupt glücklich war an seiner Seite? Sie starb fast genauso oft wie er! Kazel erinnerte sich zudem an ihren entsetzten Blick, als er versucht hatte, ihr seine Aufgabe als Lehrling eines höheren Wesens zu erklären ... und der damit verbundenen Pflicht, Leben zu beenden, wo es angebracht war.
Er hätte aber auch Fragen zum Vermächtnis des Sammlers stellen können. Wie man Zissus sein Lächeln zurückgeben könnte? Was er tun musste, um den Sand aus dem Kristall zurückzugewinnen und sei es nur, damit die Seelenlosen Frieden fänden. Was er nun in Morgeria tun sollte? Es gab so vieles, das ihm im Kopf umher geisterte. Wo steckte Arina, Janays Schwester? Wie ging es nun mit dem Hause Tenebrée weiter? Sollte er es führen und seine Tante vielleicht am Leben, aber gefangen halten? Wäre es besser aus Morgeria zu fliehen, wie schon einmal? Durfte er das überhaupt oder gab es noch mehr Seelen, die er dem Tod bringen musste? Bestimmt. Es kam immer mehr auf ihn zu. Auch um die Götter würde Kazel sich nun kümmern müssen. Um ... alle ... wie sollte es ihm nur gelingen, keinen von ihnen zu verärgern?
Er bemerkte gar nicht, dass er weinte. Das Meerblau seiner Augen war einfach übergeschwappt im Versuch, die Verzweiflung und Last aus seiner Seele heraus zu schwemmen. Entspannen konnte er sich dadurch nicht. Tods Kutte hielt er so fest umklammert, dass die Fingerknöchel beinahe so bleich hervortraten wie der kahle Schädel aus der Kapuze seines Meister heraus. Eine Frage entkam Kazel dann aber doch noch. Eine, die wohl alles zusammenfasste und zugleich schwerer wog als sämtliche Bürden, die man ihm auferlegt hatte: "Warum ich?"
Es war nicht so, dass er nicht versuchen wollte, alles zu erfüllen. Er hatte sich stets bemüht, sein Leben lang. Zuerst hatte er versucht, ein ordentliches Kind zu sein, das dem Hause Tenebrée Ehre machte. Dann hatte er versucht, wenigstens nicht noch heller zu werden, um der Familie keine Schande zu bereiten. Er hatte versucht, seinen Vater zu retten und anschließend, sich selbst von dem Schrecken loszusagen, den seine Familie mütterlicherseits darstellte. Er hatte versucht, nicht so zu werden wie sie, indem er bis jenseits des Drachengebirges flüchtete. Er hatte versucht, ein unauffälliges Leben in der Stillen Ebene zu führen und niemandem zur Last zu fallen, indem er sich einfach niemandem zeigte. Es war nicht gelungen. So hatte er sich damals nach Pelgar aufgemacht im Versuch, seiner Einsamkeit zu entkommen.
Er hatte so vieles versucht und fühlte sich, als wäre er in fast allem gescheitert. Das Wenige, das ihm gelang, da stolperte Kazel doch nur von einer Hürde über die nächste. Dass er für sein Ungeschick auch noch mit einer Beförderung zum Gesellen des Todes belohnt wurde, war ihm schon unbegreiflich. Dass der Tod aber an ihm festhielt... er könnte so viel bessere Lehrlinge haben. Er wurde doch nichts und niemandem gerecht. Warum also er?
Bild

Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Freitag 9. September 2022, 10:23

Ein paar quälend lange Atemzüge lang war ihr, als würde sich die Schwärze um sie herum allmählich lichten und ihr Geist sich zurück an die Oberfläche kämpfen. Doch dann verlor sie den Halt und sank zurück, tiefer und immer tiefer, bis sie erneut im Reich der Erinnerungen ankam.

Ein eigentlich leises Geräusch und dennoch war dieses einfache Klicken des Schlüssels in ihrer Zimmertür wie ein Peitschenhieb für die inzwischen Zwölfjährige. Erbost und mit Tränen in den Augen hämmerte sie gegen die Tür. "Mach auf! Mach sofort wieder auf! Was fällt dir ein, Vaclav?! Du kannst mich nicht einfach einsperren!", schrie sie ihren Frust hinaus und konnte sich nur gut vorstellen, wie ihr Bruder selbstgerecht vor ihrer Zimmertüre stand und den Schlüssel zu ihrer Freiheit einsteckte.
"Ich kann und ich habe. Du bleibst da drin, bis du endlich zur Vernunft kommst und mit diesem Blödsinn aufhörst!", hielt er, ebenfalls nicht gerade leise, dafür aber weniger zornig entgegen.
Vor lauter Zorn schlug das Kind an der Schwelle zum Erwachsenwerden mit der flachen Hand gegen das Holz. "Blödsinn, ach ja? Wenn ich es mache, ist es also Blödsinn. Aber du darfst das jede Woche bei einem anderen Mädchen ungestraft tun!", warf sie ihrem Bruder in kindlichem Trotz vor.
Was hatte sie auch nicht gut genug aufgepasst, bevor sie dieser gutaussehende Elf in der Seitengasse geküsst hatte. Oh, wie süß seine Lippen geschmeckt hatten! Noch immer kribbelte es auf ihrer Haut, wenn sie nur an seine Finger dachte, die zu ihren wachsenden Rundungen getrippelt waren. Gut, es war auch ihr zu schnell gegangen, aber... Ihr Bruder hatte ja erfolgreich verhindert, dass sie selbst die Grenze hätte bestimmen können!
"Ich mache keinen Blödsinn, ich bin ein Mann, ich darf das!", erwiderte die Stimme auf der anderen Seite der Tür und holte sie damit aus ihrer Erinnerung.
Sie gab einen verächtlichen Laut von sich. "Ach ja? Und warum ist das dann bei mir ein Blödsinn und bei deinen Liebchen nicht? Häh?!", konterte sie noch immer angriffslustig und aufgebracht.
Deutlich konnte sie sich vorstellen, wie Vaclav auf der anderen Seite der Tür mit der Hand abwinkte. "Du bist ein Kind und noch dazu ein Mädchen, das verstehst du nicht! Außerdem nehmen die Geld fürs Vergnügen und es gibt sie wie Sand am Meer. Ich lass nicht zu, dass meine kleine Schwester zu so einer verkommt, verstanden? Du bist die Tochter eines ehrbaren Hauses und ich verlange, dass du dich so auch benimmst!"
"Du bist nicht mein Vater!", schoss sie sofort giftig zurück, denn diese Art von Aussage hatte sie längst satt.
Das durfte sie nicht, weil sie ein Mädchen war, dies war verboten, weil sie sonst ehrlos würde und jenes und alles, was Spaß machte... Oh nein, bloß nicht, das würde den Ruf der Familie schädigen und wehe, sie hatte auch nur irgendeine Freude im Leben!
So ging das seit Monaten, seit ihre Mutter entdeckt hatte, dass sie einmal alle paar Wochen zwischen aus dem Schoß blutete. Viel früher, als Arina angefangen hatte, denn diese hatte ihre erste Blutung sogar erst vor zwei Monden gehabt, obwohl sie die Ältere war. Auch war ihr Körper noch immer kindlicher auf den ersten Blick, da wölbte sich noch kaum etwas. Während Janay zwar noch nicht viel im Ausschnitt vorzuweisen hatte, aber genug, um mächtig stolz darauf zu sein.
"Außerdem war der Kerl viel zu alt und hässlich und nicht reich genug!", durchbrach Vaclavs Stimme ihre Gedanken.
"Ach, und woher willst du das wissen? Du kennst ja nicht mal seinen Namen!", behauptete sie und biss sich auf die Unterlippe.
Auch sie wusste nur, dass sie ihn Lorik nennen sollte. Gut, wahrscheinlich war sie sehr naiv gewesen und hätte im Endeffekt eine Dummheit begangen, wenn ihr Bruder sie davor nicht bewahrt hätte, aber... Oh, es hatte so gut getan, endlich einmal nicht als kleine, lästiges Kind behandelt zu werden, sondern als Frau! Und dieser Kuss erst... Lautlos seufzte sie und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Tür, um ein wenig in der Erinnerung zu schwelgen.
"Ich kenn den Kerl und weiß mehr, als dir lieb ist. Also vergiss ihn! Du kriegst mal einen stinkreichen, alten Sack, der dir ein Kind macht und dann abkratzt, damit du das ganze Geld erben kannst. So!", machte er ihre Schwärmerei zunichte.
Janay schnaubte. "Du meinst, du wärmst sein Bett in der Nacht und sorgst dafür, dass er sich überanstrengt, während ich mir einen jungen Adonis suche, der der eigentliche Vater ist!", erwiderte sie sarkastisch.
Ihr Bruder lachte laut auf. "Träum weiter! Und bis dahin... bleibst du da drin! Ich geh jetzt, ich habe noch... Wichtiges zu erledigen!"
Damit ließ er sie allein und das Mädchen warf einen bitterbösen Blick auf die Tür, als könne sie damit das Holz durchbrennen. "Ja, ja, geh du nur zu deinen Liebchen und steck dich mit allem an, was die so haben!", zischte sie und schloss dann seufzend die Augen.
Es hatte ja doch keinen Sinn. Sie käme hier nicht raus und würde versauern, und Lorik würde sie auch nicht mehr wiedersehen und... Moment! Ein Geistesblitz durchzuckte sie und ließ sie zum Fenster sehen. Hm...
Eine gute Stunde später saß sie erneut auf ihrem Zimmer und Arina kümmerte sich um ihr verletztes Bein, das es ihr für die nächsten Wochen unmöglich machen würde, ungehindert auf die Straße zu gehen. Was hatte sich der Knoten des Lakens auch lösen müssen, ehe sie weiter unten gewesen wäre!
An die Standpauke ihrer Eltern wollte sie lieber gar nicht mehr denken... und an Lorik auch nicht, den sie später, als sie wieder ganz gesund gewesen war, mit dem nächsten, widerlich kichernden Mädchen gesehen hatte. Doch was er konnte, würde auch sie tun! Und somit hielt sie Ausschau nach anderen Männern und tändelte immer öfter, während sie darauf achtete, nicht erwischt zu werden.

Irgendwann musste ihr Verhalten auffallen und zu Konsequenzen führen. Dass diese jedoch so heftig ausfielen... damit hatte Janay nicht gerechnet. Noch immer brannte ihr die Wange von der Ohrfeige ihrer Mutter und rauschte ihr das Blut in den Ohren von den Beschimpfungen ihres Vaters. Nein, in dieser Familie würde sie niemals glücklich werden, würde nur als Ware zum Verheiraten angesehen sein und keine eigene Meinung haben dürfen. So war in ihr der Entschluss gereift, davon zu laufen.
Auch Arina war unglücklich, auch wenn die Jüngere viel zu sehr in ihrer Gefühlswelt feststeckte, um sich näher damit befasst zu haben. Stattdessen überredete sie ihre Schwester dazu, mit ihr wegzugehen und hatte es gar nicht schwer dabei. Auch profitierte sie von der Reife der anderen, die an Dinge für den Proviant dachte, die Janay erst aufgefallen wären, wenn sie diese benötigt hätten.
In einer Nacht stahlen sie sich heimlich aus dem Haus und schließlich aus der Stadt. Wohin der Weg sie führen würde... sie wussten es nicht und es war ihnen auch egal. Zumindest für kurze Zeit, denn Arina fühlte sich mit jedem zurückgelegten Kilometer, jeder weiteren Stunde, unwohler.
"Warte...", sagte sie schließlich und ließ sich nieder.
Auch die Jüngere war müde und so hatte sie nichts dagegen, wenn sie eine kurze Pause einlegten. Nur eben nicht zu lange, sonst könnten sie noch gefunden und zurück gebracht werden. Nicht auszudenken, wie es ihnen dann ergehen würden! "In Ordnung, ich hab eh Hunger und Durst.", überspielte die mittlerweile 14jährige ihr Unbehagen und nahm ein paar Bissen zu sich.
Arina lehnte ab und als die andere fertig war, wollte sie weiter gehen. Nur... ihre Schwester machte keine Anstalten dazu.
Prüfend musterte Janay ihr Gesicht und merkte, wie ihr das Herz schwer wurde. "Was ist los?", fragte sie direkt, denn es drängte sie weiter, auch wenn sie sich vor der Antwort fürchtete.
Langsam hob die Ältere den Blick zu ihr hoch und sah sie unendlich traurig an. "Ich kann das nicht.", gestand sie seufzend.
Die Angesprochene hatte das Gefühl, als müsse die Welt für einen Augenblick stehen bleiben. Nicht, dass sie aus allen Wolken fiel, denn schon immer hatte sich ihre Schwester mehr in das fremdbestimmte Dasein eingefügt als sie. Aber trotzdem... sie hatte so sehr gehofft, dass dieser Moment niemals kommen würde!
"Du bist ohne mich sowieso besser dran. Ich lasse mir schon etwas einfallen.", fuhr Arina nach einer gefühlten Ewigkeit fort.
Aufschluchzend sank Janay wieder zu Boden und die Schwestern fielen sich in die Arme. "Aber... aber... was mach ich denn, wenn du nicht da bist?", schniefte die Jüngere und klammerte sich an sie.
Tröstend strich sie ihr über den Rücken und redete ihr leise gut zu, um ihr Mut zu machen. Für sie selbst war diese Flucht nichts, das musste sie sich eingestehen, ganz gleich, wie schlimm es für sie nun werden würde. Doch für Janay... da gab es so viele Wege und Chancen!
Vermutlich hätten die beiden Mädchen noch Stunden so dagesessen und sich nicht voneinander lösen können und wollen, wenn nicht leise Stimmen in der Ferne erklungen wären. Erschrocken fuhren sie auseinander und starrten beide in die Richtung, aus der sie die Verfolger vermuten mussten.
Arina war es, die ihren Schrecken zuerst überwand. "Geh... los, verschwinde schon!", zischte sie ihrer Schwester zu, raffte zusammen, was sich auf die Schnelle greifen ließ, drückte es ihr in die Arme und schob sie in eine halb stehende Position.
"Aber... aber...", stammelte die 14jährige, die sich mit einem Mal, wo es derart konkret mit der Angst vor der Entdeckung wurde, überfordert fühlte.
Arina hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. "Kein aber! Mach, dass du von hier weg kommst! Manthala schütze dich." Damit war der erzwungene Abschied viel zu rasch da und fiel hektisch aus, doch die Ältere wusste sich durchzusetzen.
Alleine, mit laufenden Tränen und ziemlich orientierungslos stolperte Janay durch die nächtliche Gegend in eine ungewisse Zukunft.
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Montag 12. September 2022, 17:26

Kazel:
"Untote haben keinen Sand mehr und bewegen sich nur noch durch die Zeit ihres Nekromanten."
"Sademos war also ein Nekromant?"

Das war der Moment, wo Tod anfing direkt Fragen zu beantworten.
„Ja... wie ich dieses Pack verabscheue! Auch Leben tut das!“
So wie Tod 'Leben' aussprach, könnte es sich auch um eine Person handeln.
„Es ist einfach falsch! Das Problem ist, gerade bei Elfen oder anderen langlebigen Wesen, dass ihnen irgendwann langweilig wird. Sademos hat sich in seinen frühen Jahren der Nekromantie gewidmet und als ihm das nicht mehr reichte, wandte er sich der Dämonenbeschwörung zu.“
Grummelnd saß Tod auf der Bettkante zu seinem Schützling. Er hatte seine Hand eine Weile gehalten, aber als das Thema in diese Richtung wechselte, nahm er sie lieber von Kazel und spielte mit seiner Sichel. Kazel dachte derweil an all die Seelenlosen, deren Zeit der Sammler gestohlen und gleichermaßen für einen Dämon gesammelt hatte. Leider dachte er auch noch an alle anderen Aufgaben, die er sich aufgeladen hatte. Alles erschien ihm gerade unlösbar und als Last von Welten auf seinen Schultern, so kaputt war er. Die letzten ...waren es wirklich nur Tage gewesen?...mussten sich wie Monate anfühlen! Er hatte zwar lange geschlafen, sein Körper hatte geruht und sich regeneriert. Aber sein Geist...? Er hatte Manthalas Geschenk nicht gut genug wertgeschätzt. Kaum im Wach angekommen stürzte er sich erneut auf seine Probleme. Und Tod? Er machte es nicht besser! Er bürdete ihm noch mehr Arbeit auf. Kuralla musste beschützt werden. Warum eigentlich? Ach ja, sie hatte ja einen Dämonen gefressen. Dass nicht einmal der Gevatter ihren Körper - oder das, was in dessen Gedärmen entstand - bei sich haben wollte, konnte er nachvollziehen. Dennoch: Firlefitzens Großmutter zögerte nicht, sich den schlimmsten Gefahren anzunehmen. Wie sollte Kazel nur darauf achten, dass sie nicht frühzeitig ins Totenreich einkehrte? Einen Sack Flöhe hüten, war einfacher, oder? Bisher hatte sich die Alte allerdings als hilfreich erwiesen.
Auf's Neue fühlte er sich müde und ausgelaugt, einfach nur, weil der Berg an Verantwortung ihn zu erdrücken schien. Er stand in seinem gewaltigen Schatten und sah den Gipfel nicht mehr. Sorge und Angst bestimmten sein Denken. Die ganze Welt schien auf ihn einzuprasseln. Aber Tod brauchte nur Janays Namen zu erwähnen und Kazels Welt zog sich um diesen einen kleinen Punkt zusammen. Wenigstens schaffte der Gevatter es dieses Mal, Kazels erschütterte Seele ein wenig zu beruhigen.
"Viel wichtiger wird dir sein, zu wissen, dass Janay leben wird..."
Einen Herzschlag lang. Kazel gönnte sich nicht mal ein Aufatmen.
"Was ist mit unseren Kindern?"
Dass Tod sie nicht in einem Atemzug – nein, er atmete nicht - mit Janays Unversehrtheit nannte, ließ Kazel das Blut in den Adern gefrieren. Das Gerippe ging auch zunächst gar nicht auf die Kinder ein, beschäftigte sich stattdessen mit Kazels neuem Stundenglas. Er erläuterte ihm den Unterschied zu seiner alten Lebenszeit und dass die Götter selbst sich jederzeit würden etwas davon nehmen können, als Tribut für sein Handeln.
"Ich kenne überhaupt nicht alle Götter..."
Ihm wurde flau. Tod zuckte nur mit den Schultern.
„Ist nicht von Bedeutung... den Göttern ist sowas egal. Du musst nicht mal an sie glauben.“
Aber schon wieder erwartete Kazel hier neue Aufgaben. Er schwankte und streckte die Hand nach Tods Kutte aus. Tod nahm Kazels befleischte Hand und hielt sie väterlich mit seiner knochigen. Was für jeden anderen vollkommen abstrus aussehen musste, war für diese beiden Gestalten vollkommen normal.
"Du solltest noch ein wenig schlafen. Für Janay kannst du jetzt eh nichts tun... Sie kämpft und sie wird gewinnen."
"Und die Kinder?"

Noch einmal hatte Kazel nun nach seiner Saat gefragt und Tod musterte ihn ausdruckslos. Was hinter seiner kahlen Schädelplatte vorging, konnte man nicht sehen. Interpretierte Kazel gleich das Schlimmste in diese Reaktion? Vielleicht? Gewiss! Seine Beine gaben nach. Kazel spürte, wie er einknickte und sich nur aus Reflex an Tod klammerte, um nicht zu fallen, obwohl er noch lag. Es war einfach das Gefühl, dass einen Kopf schwindeln ließ und die Welt begann zu taumeln – nein, er. Kazel war vermutlich das einzige Wesen Celcias, das sich beruhigt und sicher fühlte, wenn es die eisige Hand des Todes auf seiner Schulter spürte. Tod hielt ihn und führte ihn sanft zurück in eine halb liegende Position. Beide schwiegen eine Weile und die Gedanken des Gesellen bekamen Zeit sich zu beruhigen.
Jetzt war die perfekte Gelegenheit, dem Gevatter endlich alle Fragen zu stellen, die auf seiner Seele lasteten. Eine war ihm ja schon von der Zunge gesprungen. Wie ging es seinen Kindern? Er könnte auf andere Fragen ausweichen. Beispielsweise, warum ausgerechnet seine grausame Tante so viel Lebenszeit haben durfte und Janay um jedes Krümelchen für eine neue Chance betteln musste. Vielleicht wäre es auch sinnvoll zu fragen, ob sie ihn nicht verlassen sollte. Ob sie überhaupt glücklich war an seiner Seite? DAS sollte er vielleicht besser Janay fragen und nicht den Knochenmann. Aber sie starb fast genauso oft wie er! Wenigstens rettete Tod sie auch genauso häufig. Er hätte aber auch Fragen zum Vermächtnis des Sammlers stellen können. Wie man Zissus sein Lächeln zurückgeben könnte? Was er tun musste, um den Sand aus dem Kristall zurückzugewinnen und sei es nur, damit die Seelenlosen Frieden fänden. Was er nun in Morgeria tun sollte? Es gab so vieles, das ihm im Kopf umher geisterte. Wo steckte Arina, Janays Schwester? Wie ging es nun mit dem Hause Tenebrée weiter? Sollte er es führen und seine Tante vielleicht am Leben, aber gefangen halten? Wäre es besser aus Morgeria zu fliehen, wie schon einmal? Durfte er das überhaupt oder gab es noch mehr Seelen, die er dem Tod bringen musste? Sofort ging er davon aus, dass es bestimmt so war. Es kam immer mehr auf ihn zu. Auch um die Götter würde Kazel sich nun kümmern müssen. Um ... alle ... wie sollte es ihm nur gelingen, keinen von ihnen zu verärgern?
Er bemerkte gar nicht, dass er weinte und genauso wenig, dass Tod ihn dabei besorgt und etwas fragend ansah. Tod sah ebenfalls etwas überfordert aus und zwar mit den ganzen Fragen, die Kazel ihm nicht stellte, aber sehr wohl in seinen Tränen las. So viel Leben war dem Tod ein bisschen viel.
Das Meerblau seines Gesellen war einfach übergeschwappt im Versuch, die Verzweiflung und Last aus seiner Seele heraus zu schwemmen. Tods Kutte, die die Flut an Tränen kommentarlos aufnahm hielt er so fest umklammert, dass die Fingerknöchel beinahe so bleich hervortraten wie der kahle Schädel aus der Kapuze seines Meister heraus. Eine Frage entkam Kazel dann aber doch noch. Eine, die wohl alles zusammenfasste und zugleich schwerer wog als sämtliche Bürden, die man ihm auferlegt hatte:
"Warum ich?"
Tod lächelte fahl wie immer.
„Warum nicht du?“
Eine schlimmere Antwort hätte er wohl nicht geben können. Dann wandte er seinen kahlen Schädel mit den leeren Höhlen in denen die Endlichkeit wohnte von Kazel ab und blickte in eine unbestimmte Ferne. Dabei sprach er:
„Ich bin dir kein guter Lehrmeister gewesen.“
Das stimmte!
„Meine Methoden sind oft... tödlich.“
Auch das stimmte.
„Mein Humor ist... schwarz wie die längste Nacht und ich bin immer... bis in alle Ewigkeit dem Ende des Lebens verpflichtet.“
Alles Wahrheiten. Die Stimmung veränderte sich leicht in etwas schwer greifbares. War Tod melancholisch?
„Ich weis nicht, ob du es verstehen wirst, aber ich versuche dir es was zu erklären... Es ist... hm... nein, besser so...“
Er kratzte sich am Unterkiefer.
„Ich bin das Ende.“
, vortrefflich zusammen gefasst. Sollte das die Erklärung für alles sein? Nein, es folgte eine Pause aber dann endlich mehr:
„Aber ich bin auch der Anfang. Weist du, warum es Kreislauf des Lebens heißt? Weil Tod und Leben immer miteinander tanzen. Eines geht nicht ohne das andere. Du kennst doch meinen Sandstrand inzwischen ganz gut... Bist du je zu seinem Ende gelangt?“
Nein, war er nicht. Ging man ihn entlang, kam man unweigerlich immer wieder an der selben Stelle an, auch wenn man das Gefühl hatte einer Küstenlinie zu folgen. Kata Mayan war eine Insel, die nicht rund war, sie folgte keinen normalen Gesetzmäßigkeiten, so war das Meer auch ein Fluss und das andere Ufer ebenfalls wieder Kata Mayan. Es war ein Kreis im Kreis im Kreis... Tod sah wieder Kazel an und vergewisserte sich seiner Aufmerksamkeit. Wohin dieses Gespräch führen sollte, war noch nicht klar, aber es war hoffentlich für den Gesellen ganz schön, dass sich Tod endlich einmal Zeit für IHN nahm:
„Diese ganzen Sandkörner, die dort ohne Uhren herum liegen... das sind alles Lebensfunken. Jedes einzelne Korn wird in einem Moment höchster Leidenschaftlicher Extase von den Sterblichen erschaffen. Sie erschaffen Leben! Nur sie sind in der Lage dies zu tun. Selbst Götter bedüdürfen sterblicher Hilfe um Leben zu erschaffen und dann kommen auch nur Halbgötter heraus, billiger Abklatsch... oh, ich verzettel mich. Also: Es braucht bei so viel Leben ein Gleichgewicht. Der Sand des Lebens würde alles erdrücken, wenn es mich nicht gäbe, deswegen gibt es auf der anderen Seite auch den Fluss des Todes. Dort löst sich alles Leben wieder auf und die Erinnerungen die die Seelen im Leben sammeln konnten ziehen weiter in das Reich der Götter ein. Was ich erklären will...“
Er nahm wieder Kazels Hand und drehte sie so, dass das Stundenglas sichtbar wurde.
„Wir ...also wir beide... sind Diener der Zeit, die die Sterblichen im Leben verbringen. Nur weil ich...und vielleicht auch du einmal düstere Kutten tragen und die Sterbenden hinüber geleiten, sind wir nicht die 'Bösen'! Dieses Abbild ist ...nun ein Klischee das ich zu erfüllen habe. Die Last die du empfindest, sie sieht gerade nur das dunkle in unserer Aufgabe. Aber wir sind auch der Beginn von etwas neuem. Tod bedeutet auch Veränderung und Wandel. In der Natur ist es so, dass etwas vergehen muss, damit etwas anderes entstehen kann. Ein alter Baum muss weichen, um einem jungen Spross Platz zu machen. Er gibt seine Energie zurück und die Jugend ernährt sich von ihm. So viel anderes ist es an unserem Strand auch nicht. Damit will ich auch eigentlich gar nicht auf etwas bestimmtes hinaus. Ich glaube ich habe mich schon wieder verzettelt...“
Er nickte nur langsam und überlegte.
„Ich will dir nur zeigen, dass unser 'Sein' unsere Berufung nicht nur das Ende bedeutet. Wir sind auch ein Anfang. Du selbst hast Leben in die Welt gesetzt. Das tatest du, bevor wir uns begegneten.“
Hier zögerte er jetzt einen Moment. Hielt er vielleicht gerade eine Frage an Kazel zurück? Er sah ihn an, aber fragte noch nicht, sondern sprach weiter:
„Jetzt ...mit diesem neuen Sand...“
Er tippte hölzern klingend gegen das Glas.
„... jetzt mag dir alles noch viel gewichtiger vorkommen. Aber... es ist sind auch nur Sandkörner. Es muss nur im Gleichgewicht bleiben.“
Tod ließ Kazels Handgelenk wieder los, aber seine Knochenfinger ruhten immernoch auf seinem Unterarm.
„Mein fleißiger Geselle...“
Er lächelte noch einmal stolz, aber dann senkten er den Kopf etwas, so dass der Schatten seiner Kapuze sich über die leeren Augenhöhlen senkte.
„Du hast meine Aufgabe erledigt. Ich stellte sie dir in dem Wissen, was dich erwarten würde. Ich wusste was Sademos mit vorenthielt und das es nicht leicht für dich sein würde. Dafür kannst du jede Wut empfinden, die du in dir trägst und mir geben. Aber es musste getan werden! Er hat den Kreislauf ...'angezapft' und fast hätte er Lebenssand in den Harax um geleitet. Das durfte nicht passieren, darf niemals passieren! Dämonen existieren nur mit einem Wirt in dieser Welt. Das ist ein Gesetzt ihres Daseins und dürfen keine eigene Lebenszeit haben. Sademos wollte die Gesetze der Natur aushebeln und damit nicht nur mich als Tod überwinden, sondern auch das Leben. Den Kreis aufzubrechen hätte das Ganze Konstrukt zerstört. Es... Es tut mir leid, dass ich dich damit betrauen musste, aber dieser 'Wurm', wie du ihn nanntest, der darf nicht an meinen Strand gelangen, genau sowenig, wie die Energie im Kristall in den Harax hinüber gelangen darf. Was mich zu dem bringt, warum ich gekommen bin...“
Er stand auf und grinste fahl. Die Stimmung lockerte sich wieder etwas.
„Ich geh dann mal mir diesen Kristall holen. Deine von 'mir' gestellte Aufgabe hier ist erledigt. Du 'kannst' selbstverständlich den Aufräumarbeiten beiwohnen, aber ...du musst es nicht. Du könntest auch einfach gehen wie du gekommen bist.“
Tod tippte auf seine Kutte auf Höhe des nicht vorhandenen Herzens, dort wo Kazel seine Feder hätte. Die Geste hob eine Erinnerung aus der Tiefe. Kazel hatte sie beim Treffen der elf Elfen erhalten und Janays Fingernägel hatten eine Magie darin frei gesetzt, die sie hier her gebracht hatte. Der Gevatter hatte ihn gerade daran erinnert, dass es hier vielleicht eine Möglichkeit gab, der ganzen Misere zu entkommen. Dabei würde er nicht seinem Pakt mit ihm 'entkommen', denn der bestand schon früher, aber dies war ein Weg wie er sich und Janay hier schnell und effektiv weg bringen konnte, eine Art Notfall-reise-leine.
Er sah Kazel offen an und sprach dann ihr Verhältnis zueinander an, das unabhängig von dieser Möglichkeit bestand:
„Ich hoffe, du bereust unseren Handel jetzt nicht schon... Ich finde, du machst dich nämlich richtig gut. Aber ...WENN es jemals so sein sollte, dann ruf mich. Dann setzten wir uns zusammen und ich entlasse dich aus meinen Diensten, wenn du es willst... was nicht bedeutet, dass wir uns nicht wieder sehen werden. HAHAHA... Am Ende kommst auch DU zu mir. He he. Aber im Ernst. Wenn dir alles zu viel wird, dann sag bescheid. Weist du, ich hatte schon andere Lehrlinge. Die meisten schafften es nicht mal bis zum Gesellen. Du bist gut so wie du bist und du bist ein helles Köpfchen - Schlau, kreativ und verantwortungsbewusst. Ein echter Überlebenskünstler eben. DARUM habe ich dich auserwählt.“
Damit hatte er dann wohl Kazels anfängliche Frage mehr als beantwortet. Meistens gebaren solche Antworten aber auch neue Fragen. Ungewohnt ernst sah er ihn noch einmal an.
„Diese Welt braucht uns, Kazel! Auch wenn wir nicht gern gesehen sind. Die Frage ist, kannst du damit leben? Ahhh... nicht antworten. Lass das erst mal sacken.“
Tod hatte den kahlen Finger gehoben und damit gewedelt was lustige Schlieren in der Luft hinterließ. Dieser komisch 'Unterwasser-Effekt' den er hinter sich her zog, wurde langsam stärker. Ein Zeichen, dass bald die Zeit wieder anlaufen würde. Doch Tod blieb noch. Gerade wanderte er zu Kazels schlafendem Wächter und steckte dem armen Mann eine seiner eigenen Haarsträhnen in die Nase. Warum? Weil er Spaß daran hatte. Dabei sprach er noch einmal zu Kazel:
„Du hast einen freien Willen, ganz im Gegensatz zu mir mein junger, Parawan... hehe, nein, dass heißt irgendwie anders... Egal. Aber es ist so. Ich bin das Ende, aber du hast die Wahl. Du kannst frei entscheiden und es gibt so viele Wege, die du noch beschreiten könntest. Wenn du willst, dann kannst du Vater sein, oder auch nicht. Die Sandkörner von Ungeborenen fallen noch nicht. Noch sind sie kein Teil des Kreislaufes. Ihre Existenz mir zu übergeben ist kein Mord. Selbst das ist eine Entscheidung, die du treffen könntest. Es ist auch eine Entscheidung, sich die Brust zu kratzen und alles hier hinter sich zu lassen. Selbst ob du es alleine tust, oder Janay dabei an der Hand hältst ist eine Entscheidung. Auch ob du deine Tante doch noch tötest, ist eine Entscheidung. Das Leben geht weiter. Denk einfach mal darüber nach, was DU willst.“
Damit wanderte er dann zur Tür.
„Bis bald. Ich muss wo anders hin. Betrachte das mit dem Kristall als erledigt und sag bescheid, wenn du reden willst....ist ähnlich wie bei den Göttern. Wir beten zwar nicht, aber wenn du die Zeit anhältst und 'laut' genug an mich denkst, dann bekomme ich das schon mit.“
Er stand noch kurz im Rahmen, dann klatschte die Welle wieder über Kazel zusammen und die Zeit lief weiter. Das Schnarchen neben ihm, verwandelte sich in ein Keuchen und dann in ein heftiges:
„HATSCHIE!“

Janay:
Nein, sie passte nicht in diese Familie!
Janays Erinnerungen quälten sie im Fieberwahn ihrer Träume. Der Albtraum von Vaclav, wie er sie eingesperrt hatte, als er sie bei ein bisschen Herum-Knutschen erwischt hatte, war schon kaum zu ertragen. Viel schlimmer war jedoch das Wissen, das sich langsam zwischen diese Fetzen aus Erinnerungen schummelte, dass er es gewesen war, der sie bei ihrem Vater verpetzt hatte. Vaclav war einfach viel zu früh in die Mühlen dieser Familie geraten und als Erbe seines Vaters zu sehr an ihn und seine Weltanschauung gefesselt gewesen. Janays Schwesterherz hatte da noch mit ihr mit empfinden können. Deshalb waren sie auch gemeinsam geflohen. Leider hatten sie sie entdeckt und Arina hatte ihre eigene Freiheit für Janays geopfert. Sie war ohnehin nie so willensstark gewesen, nie so widerborstig wie ein Ork, nie so dickköpfig wie ein Troll, wie ihre Mutter sie gern bezeichnet hatte. Arina war das mittlere Kind und damit folgsam und gefügig, da sie oft von oben wie von unten von ihren Geschwistern Probleme aufgehalst bekommen hatte. Ihr Bruder hatte sie oft mit ihrer Schwester allein gelassen und Janay... nun sie hatte Arina allein zurück gelassen.
Das war auch der Auslöser für ihren nächsten Traum/ Erinnerung? Nein... das war nie passiert, also musste es ein Traum sein, oder? Es war eine Fortsetzung des Erlebten... eine von vielen Möglichkeiten, die passieren hätten können...
Sie sah Arina.
"Aber... aber..."
, stammelte die 14jährige, die sich mit einem Mal, wo es derart konkret mit der Angst vor der Entdeckung wurde, überfordert fühlte. Arina hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.
"Kein aber! Mach, dass du von hier weg kommst! Manthala schütze dich."
Damit war der erzwungene Abschied viel zu rasch da und fiel hektisch aus, doch die Ältere wusste sich durchzusetzen. Alleine, mit laufenden Tränen und ziemlich orientierungslos stolperte Janay durch die nächtliche Gegend in eine ungewisse Zukunft.
Hinter sich eine kalte tote Ebene, wo nur vereinzelt Felsen wie Zähne aus dem Boden ragten und ihrer Sicht Deckung boten, vor dem, was nun hinter ihr geschah. Janay warf einen Blick zurück, den sie nie getan hatte.
„ARINA! DA bist du ja! Haben wir dich! Und... wo ist deine Schwester, diese kleine Hure? JANAY???“
Ja, Janay hatte sich schon früh diesen Ruf zugelegt. Nicht das es sie gestört hatte. Aber Ari litt nun darunter. Eine grobe Hand packte die Haare des 16 Sommer zählenden Mädchens.
„Wolltest du dich zu ihrem nächsten Freier mit dazu legen und auch wertlos wie der Dreck unter dem Fuß eines Trolls werden... nein weniger! Vielleicht sollte ich dir zuvor kommen und deine Unschuld gleich hier und jetzt nehmen!“
Bittere Galle roch sauer und brannte in der Kehle, wenn sie aufstieg. Man konnte Angst riechen, wenn sie ausbrach. Kalt und grausam schnürte sie einem die Kehle zu, wo Magensäure sich seinen Weg suchte.
„Was ist? Willst du das nicht? Komm schon. Mach die Beine breit wie deine Schwester!“
Ein entsetzter Schrei verhallte ungehört in der Stille um sein Echo noch in der selben Nacht in den Schlafgemächern der Familie zu finden. Arina schreckte immer wieder schreiend aus dem Schlaf auf. Manthala war ihr leider nicht gnädig. Immer wieder zeigte sie ihr, was sie alles falsch gemacht hatte. Tränen flossen unstillbar in die Kissen. Alles tat weh. Ihr Rücken schmerzte, denn ihr Vater hatte sie mit seinem Gürtel für ihren Ungehorsam bestraft. Mutter hatte schweigend zugesehen und dann offenbart, dass ihr Verlobter fest stünde. Morgen sollte er vorbei kommen um sie zu begutachten und sie war wütend, weil sie nun den Termin verschieben mussten, bis sie geheilt war. Ein kleiner Aufschub, aber die Hoffnung war dahin. Sie war in jener Nacht gestorben.
Warum?
Sie hatte nichts getan und war doch bestraft worden. So war ihr Leben jetzt, so würde es jetzt immer sein. Nur eines wärmte noch ihr Herz: Das Bewusstsein, dass Janay entkommen war.

Das Bild zerriss, als hätte jemand Krallen hindurch gefetzt. Waagerechte Streifen trennten Farbe und Form und Janay hörte eine Stimme ...Mutter?... die leise jemandem zu raunte:
„Können sie sie wieder zunähen? Sonst müssen wir nachzahlen.“
Erneute Schreie rissen an Janays Seele und ließen die Eindrücke der Dunkelheit um sie herum zerfasern, bevor noch sich noch ein klares Bild formen konnte. Nur kurz war da der Eindruck von hellen Gipfeln zwischen denen Nadel und Faden aufgefädelt wurden.

Erneute Schreie und ein in der Perspektive gedrehtes schaukelndes Bild, das stoßweise die seitliche Oberfläche eines Tisches zeigte. Ein umgestoßener Becher Wein der im gleichen Rhythmus hin und her rollte. Die stinkende Lache Alkohol, die auch seinem Atem immer entströmte. Blutig roter Wein... ein Lachen und eine raue Stimme, die mit jedem Stoß gekeucht Worte aus stieß:
„Mein - Weib! - Ich - segne - Dich - im Namen - Faldoooors!“
...
Rissen denn diese Albträume nie ab? Sie fühlte wie sie rannte, aber es waren schwarze Haare, die gegen ihre Wangen peitschten. Ari rannte! Ihre Lunge stach und ihr Herz raste. Ihr Unterleib tat so schrecklich weh. Die Schläge waren hart und gezielt gewesen, aber dann hatte sie sich gewehrt. Großer Fehler! Warum hatte sie das auch getan?! Darauf hin war er ausgerastet und hatte sie getreten. Immer wieder. Sie rannte! Sie durfte nicht erwischt werden. Panisch presste sie den kleinen Beutel an ihre Brust. Sie brauchte nur eine ruhige Ecke, dann konnte sie die Kräuter nehmen. Niemals würde sie diesem Monster ein Kind schenken!
NIEMALS!

Er war eingeschlafen. Endlich! Sie spielte das brave Eheweib. Aber er misshandelte sie immernoch.
Macht es einen Unterschied?
Nein, tat es nicht. Aber seine Geduld schien sich dem Ende hin zu neigen. Er sah sie so merkwürdig lauernd an und vor ein paar Tagen hatte sie einen Kalender gefunden in dem er ihre fruchtbaren Tage notiert hatte.
Mistkerl! Monster! Ich hasse ihn!...
Seit neustem durfte sie nur noch mit einer Wache aus dem Haus gehen. Es würde schwierig werden an die Kräuter zu kommen.
Ob ich Vaclav um Hilfe bitten kann?
Immerhin war er doch ihr Bruder...
...
Janay riss kurz die Augen auf. Sie war allein. Nein, doch nicht. Da kniete eine recht ansehnliche fremde Elfe an ihrem 'Bett' und ihr Kopf war nach vorne gefallen. Dunkelbraune Haare breiteten sich auf ihrer Matte aus und sie hielt ihre Hand am Handgelenk um ihren Puls zu fühlen. Sie schlief, war wohl vor Erschöpfung eingenickt. Janay sah sich um. Oh...das war kein Bett im eigentlichen Sinne. Das war hier immernoch der Flur vor der Ballsaal-Tür, oder? Er sah nun anderes aus. Man hatte große Laken aufgespannt, damit niemand in das provisorische Zimmer hinein sehen konnte. Tische waren herbei geschleppt worden, wo glänzendes Besteck... fast... Operationsmaterial aufgeschichtet lag. Ein Korb zeigte ein paar blutige Fetzen Stoff und anscheinend waren ihre Hände und Beine fixiert worden. Ebenso lag ein gewaltiger Wickel um ihren Leib, so dass sie sich kaum bewegen konnte, selbst wenn sie wollte, was sicher nicht der Fall war. Janay konnte kaum atmen, aber sie lebte. Alles war wie in Watte gepackt und trotzdem fühlte sie den Schmerz im Rücken lauern, wie eine Katze, die sich zum Sprung duckte. Wieso waren ihre Beine taub? Auch ihre Finger kribbelten. War das die Narkose? Sie fühlte sich merkwürdig benommen, wie unter Drogen und fror immernoch ein wenig. Der süße Geschmack im Mund verriet, dass sie abermals eingeschläfert worden war.
Schon kündigte sich die nächste Welle Träume an, die sie hinunter ziehen wollten, aber einen Moment war sie wach und bei Bewusstsein. Ein kleiner Moment für eine gehauchte Frage? Konnte sie die Frau bei sich wecken? Versuchte sie zu sprechen? Janay war willensstark genug dafür. Es würde verwaschen klingen, aber gehen.
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Freitag 16. September 2022, 22:12

Kazel hätte die Frage nicht gestellt, wenn er die Antwort nicht hören wollte. Warum er? Warum entschied sich eine so hohe Wesenheit wie der Gevatter Tod persönlich dafür, ihn zum Lehrling zu machen? Es wollte dem Mischling keine sinnvolle Erklärung dafür einfallen. Wer war er schon, eines Tages vielleicht in die Fußstapfen - die Skelettabdrücke - des Todes zu treten? Was hatte er im Leben bislang schon erreicht, außer mit Mühe und Not zu überleben? Und das war ihm in den letzten Monaten nicht einmal gut gelungen. Wäre sein Meister nicht gewesen, so hätte er sich doch bereits längst ohne Stundenglas und Sand darin am ewigen Strand wiedergefunden. Tatsächlich war es doch auch nur dazu gekommen, dass der Tod auf ihn aufmerksam geworden war, weil er zur Zeit der Rückkehr der magischen Kristalle und des Vertreibens der schwarzen Wolken über Celcia irgendwie beteiligt gewesen war. Dabei zählte er selbst nicht zu den glorifizierten Kristallträgern. Er war mehr oder weniger nur in das Chaos hineingestolpert und hatte die erstbeste Gelegenheit genutzt, in die Klinge eines Dunkelelfen zu rennen. Oh, wie lange war das her! Viel zu lange, als dass er sich noch an Einzelheiten erinnern könnte und noch weniger wusste er, dass der Gevatter ihm damals ein zweites Leben geschenkt hatte. Warum auch immer ... diesen Grund hatte Kazel ebenso wenig erfahren. Schon damals schien er die Aufmerksamkeit des skelettierten Kuttenträgers auf sich gelenkt zu haben und nun erneut, stark genug um sein Lehrling zu werden. Doch warum nur?
Die Frage brannte Kazel unter den Fingernägeln und er verzweifelte beinahe daran, hielt er sich trotz seiner jüngsten Erfolge doch mehr als ersetzbar. Vielleicht war er das auch, aber es zählten oftmals mehr als Fähigkeiten dazu, dass sich jemand dafür entschied, einen Erben zu suchen. Was immer es in Tods Fall war, er hatte sich für den Mischling entschieden. Es fehlte nur noch, dass er ihm eine anständige Erklärung gab, aber diese blieb er Kazel noch eine ganze Weile schuldig. Stattdessen räumte er eine ganze andere Sache ein.
"Ich bin dir kein guter Lehrmeister gewesen."
Kazel blinzelte augenblicklich die Tränen fort. Er stutzte und schaute zum Gevatter empor. Zwar stimmte es und er hatte sich bereits genau diesen Vorwurf durch den Kopf gehen lassen, aber nun saß hier dieses höhere Wesen an seiner Bettkante und sprach es selbst aus. Diese Gestalt, die offenbar sogar über den Göttern stand und nur das Leben selbst noch über sich sehen konnte. Wer, wenn nicht er, galt als unfehlbar? Und doch...
"Ja, das stimmt", murmelte Kazel. Er brachte es ohne Vorwurf heraus, sondern stimmte Tod im Grunde nur zu. Und er wagte es, hier ehrlich zu sein. Er hatte keine Angst vor dem Gevatter, im Gegenteil. Das Verhältnis zwischen beiden konnte ein Außenstehender nur als bizarr bezeichnen.
"Meine Methoden sind oft ... tödlich."
Kazel hob einen Mundwinkel an. Dass der Gevatter einen Humor besaß, so schwarz wie seine Kutte, daran störte er sich nicht. Er konnte sogar darüber schmunzeln. Es kam selten genug vor, dass jemand mit Kazel scherzte und meistens war es noch schwieriger, ein Lachen aus ihm heraus zu kitzeln. Bei Janay lächelte er oft, aber sie war nicht hier. Doch sie würde es schaffen. Tod hatte es ihm beteuert. Kazel lauschte den Gebein bleichen Worten, bis der längere Monlog endete. Nur ein einziges Mal warf er leise ein: "Du musst dich weder entschuldigen, noch rechtfertigen, selbst wenn alles stimmt, was du sagst." Dann schloss er die Augen und wäre vielleicht sogar in Schlaf verfallen, hätte der Gevatter nicht irgendwann seine Hand ergriffen, um ihm sein Stundenglas zu präsentieren. Wie außergewöhnlich es doch war! Endlich fand Kazel Zeit, es sich genauer zu betrachten. Was immer dessen Schöpfer ihm durch die kunstvollen Einzelheiten jedoch mitteilen wollte, er wurde nicht schlau daraus. Trotzdem fand er seine neue Uhr außerordendlich schön. Eine Weile beobachtete er die Lebenszeit darin. Wie viele Jahre die Körnchen zusammen wohl noch ergaben? Und die Götter würden Teile davon nehmen, jederzeit, wie es ihnen beliebte. Da er ohnehin nichts daran ändern konnte, entschied Kazel, sich keine größeren Sorgen darum zu machen. Er würde sich einer Gottheit ohnehin nicht entegenstellen können, welche auch immer es war. Zu Manthala fühlte er sich in gutem Glauben hingezogen. Faldors Lehren hatte er als Junge erfahren, konnte sich aber nie zu sehr für das blutrünstige Morden begeistern. Durch die Bruderschaft des Lichts und seine kurzzeitige Begleiterin Xenia hatte er einen Einblick in die Weisungen des Lichtgottes Lysanthor erhalten. Er war ihm als gerechter Gott vorgestellt worden und Kazel hielt bereits jetzt viel von ihm, auch wenn er eigentlich nur an der Spitze des Eisberges geleckt hatte. Seine Zunge aber klebte nun am Eis und er wollte Lysanthor ebenso respektieren wie Manthala.
Hoffentlich verärgerte er Faldor und alle anderen, ihm unbekannten Götter dadurch nicht. Aber selbst wenn es so war, konnte er auch hier nicht viel ausrichten, solange er nicht nach seinem Erwachen sofort eine Priesterlehre bei allen celcianischen Göttern einschlug. Das wäre ein Ding der Unmöglichkeit. Nein, er würde versuchen, seinen Weg zu gehen wie er es immer getan hatte. Alles, was er darüber hinaus wollte, war es, nicht durch jede Aufgabe zu stolpern wie ein Unwissender. So fühlte er sich und es nagte an seinem Pflichtbewusstsein. Wie sollte er auf diese Weise ein guter Geselle oder später einmal ebenfalls jemand wie der Gevatter sein, wenn er Hals über Kopf irgendwie durchkam? Er wollte wissen, was er tat, wenigstens ein bisschen. Genug, damit er nicht immer von seiner Zeit zehren musste, um es irgendwie zu schaffen!
"Wie ... also wir beide ... sind Diener der Zeit, die die Sterblichen im Leben verbringen. Nur weil ich ... und vielleicht auch du einmal düstere Kutten tragen und die Sterbenden hinüber geleiten, sind wir nicht die 'Bösen'!"
"Dafür habe ich weder mich noch dich je gehalten." Kazel wusste allerdings, dass nicht jeder es so sah. Er erinnerte sich an Janays erschreckten Blick, als er ihr gestanden hatte, dass er für ein riesiges Skelett in schwarzer Kutte würde töten müssen, um den Verstorbenen anschließend zu ihm schicken zu können. Es klang wie die wahnsinnigen Vorstellungen eines Fanatikers, der Religion oder ein höheres Wesen vorschob, um Massenmorde zu begehen. Nur Wahnsinnige nutzten diese Form der Ausrede, damit sie ihr Gesicht vor den eigenen Schandtaten wahren konnten. Aber Kazel wusste, dass er nicht so war. Er tötete niemanden aus eigenen Motiven heraus - von seiner Mutter oder Landria Sinal damals abgesehen. Und inzwischen war er gewachsen. Seine Tante hatte er verschont - noch!
"Mein fleißiger Geselle ... Du hast meine Aufgabe erledigt. Ich stellte sie dir in dem Wissen, was dich erwarten würde. Ich wusste, was Sademos mir vorenthielt und dass es nicht leicht für dich sein würde. Dafür kannst du jede Wut empfinden, die du in dir trägst und mir geben."
Kazel schüttelte den Kopf. "Wenn, dann bin ich auf mich wütend. Ich habe es erledigt, ja. Aber der Weg dorthin war gespickt mit Fallen und Fettnäpfchen - ich habe keines davon ausgelassen." Er seufzte aus und suchte etwas in den leeren Höhlen des Schädels ihm gegenüber. "Ich wäre einfach gern besser vorbereitet gewesen. Dann hätte ich vielleicht ..." ... mehr retten können. Er dachte an all die Frauenleiber in Sademos' Kerker, an den fiebrigen Jungen und den wahnsinnig gewordenen Hybriden. Er dachte an Schabe, an Hopp ... und an Zissus, der nun allein versuchte, den Verlust zu verkraften. "Ich wäre nur wütend auf dich, wenn Janay für meine Fehltritte hätte die Konsequenzen tragen müssen ... so wie ... im Moment ... ihr Leid verzeihe ich dir nicht." Aber er war zu enttäuscht über sich selbst, um den Zorn in mehr als diese Aussage zu verwandeln. Nur dass Janay es überstehen würde, linderte den Schmerz, den er durch seine eigene Enttäuschung auf sein Herz lud.
Tod mochte ein höheres Wesen sein mit höchsten Fertigkeiten über das Ende allen Lebens und wie man mit der Zeit der Sterblichen umzugehen hatte. Doch er musste in all den Jahrtausenden vergessen haben, wie man sich um die Lebenden und ihre Gefühle kümmerte. Dementsprechend unbeholfen ging er mit Kazel um, schien aber dennoch zu spüren, dass jener mit sich selbst in der Kritik stand. Offenbar konnte der Gevatter damit ebenso wenig umgehen wie Kazel damit, sich zu vezreihen. So suchte er sein Heil in der Flucht. Er schob den Sand in Sademos' Kristall vor, um den er sich noch zu kümmern hatte und machte sich bereit zum Aufbruch. Kazel legte den Kopf zurück in das Kissen. Auch er wollte aufbrechen, sofern es so funktionierte. Vielleicht schlief er hier ein und erwachte ... wo auch immer. In diesem Bett, bei seinem Wächter, dem Tod ein Haar in die Nase schob?
Bevor der Gevatter ging, machte er seinen Schüler aber auf dessen Tätowierung aufmerksam. Er erläuterte ihm in knappen, knochigen Worten die Gabe, die er von den Hochelfen erhalten hatte. Durch ein sanftes Kratzen über die in die Haut gestochene Feder sollte er in der Lage sein, jeden Zielort erreichen zu können? "Zählt auch dein Strand dazu?", fragte Kazel, der es noch nicht ganz glauben konnte. Es würde so vieles vereinfachen ... und er konnte Janay mitnehmen, das hatte er ja bewiesen. Es war also seine Schuld, dass sie in Morgeria waren. Ein Stich zuckte ihm ins Herz. Kazel schüttelte ihn ab. Er mochte sie hergebracht haben, aber es war nötig gewesen, um des Gevatters Aufgabe zu erfüllen. Und nun könnte er ja jederzeit von hier fort.
"Kann ich mehr als Janay mitnehmen?" Alle Hybriden im Anwesen des Sammlers? Könnte ich alle sicher fortbringen, die mit mir ziehen wollen? Überall hin? Es klang unvrostellbar. Irgendwo musste doch ein Haken sein, so wie bei der Verlangsamung der Zeit! Ansonsten hätte Kazel gegenüber seiner Tante nicht einmal groß gelogen. Er könnte durch Celcia springen, wenn auch nicht so schnell wie er behauptet hatte. Es musste auf Kosten von etwas gehen! Vielleicht erwähnte Tod das noch, bevor er ging.
Was der Gevatter tat, war, ihm endlich seine Frage zu beantworten. "Ich hoffe, du bereust unseren Handel jetzt nicht schon ... ich finde, du machst dich nämlich richtig gut. Aber ... WENN es jemals so sein sollte, dann ruf mich. Dann setzen wir uns zusammen und ich entlasse dich aus meinen Diensten, wenn du es willst ... Du bist ein helles Köpfchen - schlau, kreativ und verantwortungsbewusst. Ein echter Überlebenskünstler eben. DARUM hab ich dich auserwählt." Und vielleicht genoss er auch darum die Gunst aller Götter, irgendwie.
"Ich hab nicht vor, aufzuhören", erwiderte Kazel. "Es ist endlich etwas, das ich tun kann." Ja, er hatte gesehen, was er bewirken konnte. Es war mehr als sich in der Stillen Ebene vor der Welt zu verstecken. Er bewirkte etwas. Er wollte nur mehr Kontrolle haben, indem er wusste, was er tat. Aber dadurch, dass er nur durch seine Aufgaben stolperte wie ein Blinder, warf er noch lange nicht das Handtuch. Außerdem ... was sollte er sonst tun? Das Erbe der Tenebrée antreten?
"Du hast einen freien Willen ... Denk einfach mal darüber nach, was DU willst." Damit ließ der Gevatter ihn zurück.
"Was ich will..." Kazel fielen die Augen zu. Im Moment wollte er nur noch schlafen. Davon hatte er ja in letzter Zeit ohnehin zu wenig gehabt. Mehr als genug blieb ihm aber auch nicht vergönnt. Vonwegen, sein Lehrmeister habe das Haar nur aus Spaß in das Nasenloch des Wächters geschoben! Es war gewiss Tods Plan, Kazel durch ein Niesen des Mannes an seinem Bett zu wecken. Langsam öffnete der Mischling die Augen und murmelte schlaftrunken: "Was ich will..." Dann schaute er sich um. Die Sicht wurde erst nach einigen Momenten klarer, aber der Raum - Ausschnitte davon - waren ihm bereits vertraut.
Seine Instinkte und sein Herz wussten genau, was er wollte. "Wo ist Janay? Hat sie's ... geschafft?" Er kannte die Antwort, trotzdem musste er sie auch hören und zwar von einem Lebenden. "Wo sind denn alle und wie geht es ihnen? Wo ist ... meine Tante? Starle Tenebrée." Tatsächlich dachte er auch an sie. Sie und ihr volles Stundenglas. Kazel musste entscheiden, was ER wollte ... und Tod musste ihm diese Entscheidung verzeihen.
Bild

Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Samstag 17. September 2022, 14:05

Es war irgendwie beängstigend, wie deutlich sie jene Fetzen an Erinnerungen erneut erlebte, ganz so, als wären diese nicht schon vor Jahren geschehen. Vor allem die ersten Beiden wirkten so... frisch, obwohl sie bei klarem Verstand niemals davon gewusst hätte, weil sie damals zu klein dafür gewesen war, um es sich über die Jahre hinweg merken zu können. Lediglich Gefühle waren langlebiger, Worte oder Abläufe hingegen...
Sie wusste, dass sie ihren Bruder eigentlich gern gehabt hatte, auch wenn er sie schon früh hat spüren lassen, dass sie nur ein Mädchen war. Doch waren sie sich in ihrer ursprünglicher Wildheit schlicht zu ähnlich gewesen, um nicht miteinander gut zurecht zu kommen. Während ihre Schwester sich stets mütterlich um sie gekümmert hatte, ihre beste und einzige Freundin und Vertraute gewesen war, und das trotz dem sie einander mit zunehmenden Alter oftmals nicht mehr verstanden hatten. Zwar hatten sie sich nur selten gestritten, aber ihre Ansichten waren immer weiter auseinander gegangen.
Was mochte nur aus Arina geworden sein? Und aus Vaclav oder gar... ihren Eltern? Hatte sie denen eigentlich auch nur irgendetwas bedeutet, sodass sie, wenngleich es lediglich ein Hauch gewesen sein mochte, sie irgendwie... irgendwann vermisst hatten?
Und sie? Hatte sie eigentlich ihre Familie vermisst? Ein Teil von ihr auf jeden Fall, am meisten natürlich ihre Schwester. Jedoch meistens hatte sie es sich verboten an sie alle zu denken, um sich nicht selbst der Gefahr des Heimwehs auszusetzen. Es war nun einmal so gekommen...
Ob ihr Vater eigentlich beeindruckt davon wäre, wessen Kind sie unterm Herzen trug? Ob ihre Mutter stolz wäre beim Klang des hochadeligen Namens? Ob ihr Bruder inzwischen erwachsen genug wäre, um sie endlich für voll zu nehmen? Und... Arina? Ob sie überhaupt noch lebte?
So viele Fragen und dennoch keine Antworten... Welche davon mochte sie noch stellen können in ihrem Leben? Auf welche eine Lösung finden?
Ihr Geist war rege, viel zu sehr, während ihr zur Ruhe gezwungener Körper glühte und Schmerzen ertragen musste, die sie zuvor noch nie gehabt hatte. Auf diese Weise fand ihre letzte Erinnerung eine grauenhafte, übelkeiterregende Fortsetzung, die sie quälte. War es so gewesen oder malte sie sich das gerade gemeinsam mit ihren Schuldgefühlen, die nun über sie hereinbrechen konnten, aus? Sie hatte nie etwas derartiges gehört, als sie weggelaufen war, doch sie hatte sich auch weinend vor allem verschlossen, um nicht umzukehren und in ihren eigenen Tod zu laufen.
Wie gerne hätte sie den Mut gehabt, umzukehren und Arina zu zwingen, mit ihr zu kommen! Doch was hätte es gebracht? Janay hatte ihren Körper verkauft und damit ihr Auskommen gefunden, war damit auch zufrieden gewesen und ihren Weg gegangen.
Ihre Schwester hingegen... Nein, solch ein Reiseleben wäre nichts für sie gewesen. Sie war schon immer der häusliche, mütterliche Charakter von ihnen beiden gewesen. Blieb ihr nur die Hoffnung übrig, dass es nichts seit ihrer Trennung gegeben hatte, das die andere zerstört hätte, nichts von jener Art von Bildern, die gerade vor ihrem geistigen Auge abliefen und ihr die Kehle zuschnürten.
Es waren furchtbare, schmerzhafte Momente, in denen sie nicht unterscheiden konnte, ob sie träumte oder sie erlebte, ob sie noch sie selbst war oder... ihre Schwester. Solange, bis es zu viel für ihre Seele wurde...
Mit einem Mal öffneten sich ihre Augen, ihre richtigen, realen Augen abrupt. In den ersten, hektischeren Atemzügen war ihre Sicht noch unscharf und sie wähnte sich erneut in einem Raum mit jenem nach Wein stinkenden, lauernden Wesen, bis sich die Umgebung allmählich klärte.
Blinzelnd musterte sie die Decke über sich, was gefühlte Ewigkeiten in Anspruch nahm, ehe ihr Kopf allmählich zur Seite rollte und sie konnte eine Gestalt neben sich ausmachen, die ihr fremd war. Eine Augenbraue hob sich ein wenig skeptisch an, während sie den Schopf musterte. Er war ihr unbekannt, es handelte sich weder um Kazel, noch um Zissus.
Was ihre Augen weiter wandern ließ, zuerst zu den Fingern, die auf ihrem eigenen Handgelenk lagen, schwer und kraftlos, da den Körper im Schlaf sämtliche Spannung verlassen hatte. Dann sah sie sich weiter um, bis sie bei den Tüchern mit den Blutspuren ankam. Augenblicklich musste sie schlucken und spürte, wie Übelkeit in ihr hochkriechen wollte. Einige Male würgte sie trocken, bis sie meinte, es vorerst weiterhin unterdrücken zu können. Ohnehin hätte ihr Magen nicht wirklich etwas, das er hergeben könnte.
Schon merkte sie, wie ihr die Lider wieder schwer zu werden drohten. Nein, nicht jetzt! Janay wollte nicht zurück zu diesen Bildern, in denen sie nicht unterscheiden konnte, was real und was ausgedacht war!
Außerdem... Ihr Arm, auf dem die schweren Finger lagen, zuckte leicht bei dem Gedanken, den sie sponn. Sie öffnete ihren Mund, wollte etwas sagen und... bekam erst einmal nichts weiter als ein leises Krächzen heraus. Alles fühlte sich wie betäubt an, ausgetrocknet und ganz so, dass sie nur zu gerne etwas getrunken hätte, am besten einen ganzen Krug Wasser, wenn da nicht die Furcht vor der Übelkeit gewesen wäre. Also musste es anders gehen.
Mehrfach erschien ihre Zungenspitze, versuchte sie auf diese Weise, ihre Lippen soweit zu benetzen und ihren eigenen Speichelfluss anzuregen, dass sie sich verständlich machen könnte. Ob es gelingen würde? Die junge Frau wusste es nicht, aber sie gab nicht auf, bis ihr Laute über die Lippen kamen, die auch in ihren eigenen Ohren halbwegs wieder nach etwas Verständlichem klangen.
"Wwwuuu... eeeessss... Ga... Ga... Gasssssiiiil? Wwwuuu... beeeeen... eeeeeck...?" War das wirklich ihre Stimme? Sie hörte sich so schwach und auch fremd an, aber es passte mit dem Gefühl zeitlich zusammen, das sie im Hals und im Mund hatte, als sie diese Laute zu formen versuchte.
Würde sie gehört und vor allem auch verstanden werden? War der Schlaf dieser Person denn sehr tief? Wer war das überhaupt?! Und wieso... wieso lag sie hier halb auf dem Lagerstatt, auf der sie sich befand, mit den Fingern an ihren Handgelenk? Was war hier eigentlich passiert?
So viele und noch mehr Fragen zuckten durch ihr Gehirn, dass ihr schwindelig zu werden drohte. Mit einem leisen Seufzen senkten sich ihre Lider etwas. Das hätte sie allerdings besser nicht getan, denn durch diesen Sichtwechsel brach die Barriere zu ihrer Selbstkontrolle. Plötzlich musste sie krampfartig würgen und wollte sich instinktiv auf die Seite drehen, um das, was womöglich aus ihr heraus kommen würde, nicht direkt wieder schlucken zu müssen. Oder gar daran zu ersticken... Sofern überhaupt etwas käme!
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Sonntag 18. September 2022, 13:34

Kazel:
"Mein fleißiger Geselle ... Du hast meine Aufgabe erledigt. Ich stellte sie dir in dem Wissen, was dich erwarten würde. Ich wusste, was Sademos mir vorenthielt und dass es nicht leicht für dich sein würde. Dafür kannst du jede Wut empfinden, die du in dir trägst und mir geben."
Kazel schüttelte den Kopf.
"Wenn, dann bin ich auf mich wütend. Ich habe es erledigt, ja. Aber der Weg dorthin war gespickt mit Fallen und Fettnäpfchen - ich habe keines davon ausgelassen."
, und machte so Tod doch indirekt für seine schlechten Lehrmethoden verantwortlich. Dieser wippte nur ein paar Mal mit dem kahlen Schädel. Nein, er besaß wirklich nicht viel Emphatie. Sein Schüler hatte recht. ER war nun mal nicht Leben das nach Wachstum strebte, nach Wandel und nach Wissen. ER war das Ende, er hatte alles gesehen. Mit ihm an seiner Seite konnte man nur verlieren und doch...
Kazel seufzte aus und suchte etwas in den leeren Höhlen des Schädels ihm gegenüber.
"Ich wäre einfach gern besser vorbereitet gewesen. Dann hätte ich vielleicht …"
... mehr retten können.
Tod blieben die unausgesprochen Gedanken seines Schülers nicht verborgen und er schüttelte den Kopf. Kalt und tödlich sachlich kommentierte er sie nur:
„Darum ist es nie gegangen. Dies ist nicht unsere Aufgabe.“
Das musste Kazel vielleicht noch begreifen. Er würde nie der glorreiche Held in einer Geschichte sein, in der es darum ging dem holden Fräulein in Not das Leben zu retten, er wäre immer nur der, der den geschundenen Seelen Frieden bringen würde. Aber war das nicht eigentlich viel wertvoller?
Er dachte aber an all die Frauenleiber in Sademos' Kerker, an den fiebrigen Jungen und den wahnsinnig gewordenen Hybriden. Er dachte an Schabe, an Hopp ... und an Zissus, der nun allein versuchte, den Verlust zu verkraften.
"Ich wäre nur wütend auf dich, wenn Janay für meine Fehltritte hätte die Konsequenzen tragen müssen ... so wie ... im Moment ... ihr Leid verzeihe ich dir nicht."
Aber er war zu enttäuscht über sich selbst, um den Zorn in mehr als diese Aussage zu verwandeln. Das Gerippe neigte den Schädel und auch hier hatte Tod etwas sehr sachliches und grausam kaltes zu sagen:
„Sie ist für ihr Leid selbst verantwortlich. Es war ihre Entscheidung dich zu retten.“
Als Führer der Toten, war der Gevatter nicht für deren Schmerz im Leben verantwortlich, den machten die Sterblichen sich stets selbst und so war es nicht nur mit Janay. Auch Kazel hing im Leben fest ...mit all seinen Wirrungen, mit all seinen Freuden und mit all dem Leid. Das LEBEN war die reinste FOLTER! Nicht der Tod! Um zu leben brauchte es Durchhaltevermögen und Mut. Es war anstrengend. Immer wieder stellte es einem Herausforderungen und bereitete Schmerzen. Kazel fühlte den Schmerz des Lebens gerade WEIL er dem Tod so nah war mehr als alle anderen.
Nur dass Janay es überstehen würde, linderte den Schmerz, den er durch seine eigene Selbstenttäuschung auf sein Herz lud. Und was machte sein Lehrmeister? Er sah zu.
Tod mochte ein höheres Wesen sein mit höchsten Fertigkeiten über das Ende allen Lebens und wie man mit der Zeit der Sterblichen umzugehen hatte. Doch er musste in all den Jahrtausenden vergessen haben, wie man sich um die Lebenden und ihre Gefühle kümmerte. Dementsprechend unbeholfen ging er mit Kazel um, schien aber dennoch zu spüren, dass jener mit sich selbst in der Kritik stand. Als Trostspender, war er aber grottenschlecht.
Offenbar konnte der Gevatter damit ebenso wenig umgehen wie Kazel damit, sich zu verzeihen. Er machte sich bereit zum Aufbruch wieder in die Zeit einzutauchen. Bevor jedoch der Gevatter ging, machte er seinen Schüler noch auf dessen Tätowierung aufmerksam. Er erläuterte ihm in knappen, knochigen Worten die Gabe, die er von den Hochelfen erhalten hatte. Durch ein sanftes Kratzen über die in die Haut gestochene Feder sollte er in der Lage sein, jeden Zielort erreichen zu können? Doch davon war nie die Rede gewesen.
"Zählt auch dein Strand dazu?"
, fragte Kazel, der es noch nicht ganz glauben konnte. Tod schüttelte den Kopf.
„Du müsstest wissen, dass man da nicht hinkommt ohne zu sterben. ...Außer du kratzt natürlich sooo tief, dass du dein Herzblut gibst.“
Er grinste fahl, während Kazel seine Möglichkeiten abwog.
„Ich glaube auch nicht, dass JEDER Ort anfänglich in diese Magie eingebettet wurde. Ich erinnere mich, dass es Ellashar war, der im Suff die Nadel führte und dir diesen Herzenswunsch gewährte. “
Herzenswunsch? Nach Morgeria zurück zu kommen??? Sicher kein bewusster, aber doch hatte Kazel hier noch etwas zu erledigen gehabt... Etwas das ihn noch immer hier hielt und mit dem er sich noch beschäftigen musste. Seine Tante lebte... noch.
„Aber vielleicht war es auch einer der Anderen. Ich glaube ich war an dem Tag zu betrunken. Aber die Idee gefällt mir! Ein kleiner Kratzer und du probierst dich nicht nur an den Mächten der Zeit aus, sondern auch noch an denen des Raumes...“
So herum war der Gedanke … sicher angsteinflößend. Was wenn er dabei etwas falsch machte? Wenn sie mitten in einem Berg eingeschlossen im Gestein heraus kamen? Tod trat noch einmal näher und betrachtete die Feder.
"Kann ich mehr als Janay mitnehmen?"
Alle Hybriden im Anwesen des Sammlers? Könnte ich alle sicher fortbringen, die mit mir ziehen wollen? Überall hin?
Tod zuckte mit den Schultern.
„NOCH nicht... aber was nicht ist, könnte ich dir geben.“
Tod neigte den Kopf über das Hautbild.
„Doch eigentlich ist dies die Macht eines Meisters. Willst du dich jetzt schon daran versuchen?“
Es klang unvorstellbar. Irgendwo musste doch ein Haken sein, so wie bei der Verlangsamung der Zeit! Tods Reaktion warnten Kazel jetzt schon zu viel zu wollen Der nächste Fettnapf war nicht weit entfernt, wenn er diesen Weg beschritt. Trotzdem war es verlockend, das Angebot, das Tod hier unterbreitete. Er könnte den kleinen Zauber der Feder, einer einmaligen Reise (Hin und Zurück-Fahrschein) ausweiten auf:
Herr über Raum und Zeit... WAHNSINN!
Er könnte durch Celcia springen. Es musste auf Kosten von etwas gehen! Vielleicht erwähnte Tod das noch, bevor er ging, aber das war wohl das nächste Fettnäpfchen, dass es auf diesem Wege zu suchen galt. Was aber der Gevatter tat, war, ihm endlich seine eigentliche Frage zu beantworten. " ... Du bist ein helles Köpfchen - schlau, kreativ und verantwortungsbewusst. Ein echter Überlebenskünstler eben. DARUM hab ich dich auserwählt."
Und vielleicht genoss er auch darum die Gunst aller Götter, irgendwie.
"Ich hab nicht vor, aufzuhören"
, erwiderte Kazel und Tods Blick aus diesen unendlich leeren Höhlen wirkte sogar erleichter.
"Es ist endlich etwas, das ich tun kann."
, vollendete Kazel seine Entscheidung. Ja, er hatte gesehen, was er bewirken konnte. Es war mehr als sich in der Stillen Ebene vor der Welt zu verstecken. Er bewirkte etwas und er wollte sein Wissen mehren. Wie allen Lernenden, ging es ihm nur eben nicht schnell genug. Doch wenn Tod etwas hatte, dann war es Zeit. Auch wenn Kazel es als frustrierend empfand, Tod ließ sich nicht hetzen mit seinen Erklärungen. Ganz im Gegenteil, um so mehr Kazel bohrte, um so langsamer schien es voran zu gehen. Der Gevatter bremste ihn wieder einmal aus:
"Du hast einen freien Willen ... Denk einfach mal darüber nach, was DU willst."
Und damit ließ der Gevatter ihn zurück.
"Was ich will..."
Kazel fielen die Augen zu. Im Moment wollte er nur noch schlafen. Davon hatte er ja in letzter Zeit ohnehin zu wenig gehabt, so glaubte er noch immer. Aber jetzt blieb ihm keine Zeit zum Schlafen. Vonwegen, sein Lehrmeister habe das Haar nur aus Spaß in das Nasenloch des Wächters geschoben! Es war gewiss Tods Plan, Kazel durch ein Niesen des Mannes an seinem Bett zu wecken. Langsam öffnete der Mischling die Augen und murmelte schlaftrunken:
"Was ich will..."
Dann schaute er sich um. Der Mann auf dem Stuhl rieb sich die Nase und das Gesicht. Er schaute erst ein bisschen verwundert auf das Bett, wo Kazel sich zu regen begann. Dann stand er so schwungvoll auf, dass der Stuhl fast umkippte.
„Herr! Ihr seid wach! Ich sollte sofort die Heilerin h...“
Kazel unterbrach ihn:
"Wo ist Janay? Hat sie's ... geschafft?"
Er kannte die Frage. Er musste es hören und zwar von einem Lebenden.
"Wo sind denn alle und wie geht es ihnen? Wo ist ... meine Tante? Starle Tenebrée."
Tatsächlich dachte er auch an sie. Sie und ihr volles Stundenglas. Kazel musste entscheiden, was ER wollte ... und Tod musste ihm diese Entscheidung verzeihen, auch wenn er damit ein Stundenglas und Sand vor seiner Zeit zerbrechen würde. Der dunkelelfische Wächter, der neben seinem Bett gesessen hatte kam nun näher. Er war ein noch recht junger Mann, eher durchschnittlich im Aussehen, aber hatte erstaunlich helle von Intensität nur so funkelnde Augen. Als hätten die Götter Diamanten auf seine Iris regnen lassen. Jeder von Sademos ehemaligen Dienern, vom einfachen Wächter bis hin zum Foltermeister hatte etwas besonders an sich. Bei diesem hier war auf den ersten Blick nichts besonderes, aber schaute er einen aus der Nähe an, könnte man meinen Juwelen glitzerten in seinen Seelenspiegeln. Aber am schönsten war im Moment wohl für Kazel, sein wacher Geist und er beantwortete ihm seine Fragen so gut er konnte:
„Herr, eure... also jene Janay, sie lebt soweit ich weis. Sie ist sehr schwach und wird schon die ganze Zeit überwacht. Die Heilerin fragte nachdem ihr zusammen gebrochen seid, nach etwas komischen... universalen Blutspendern oder Verwandten. Wir konnten uns aber keinen Reim darauf machen. Soweit ich weis, wird ihr immer wieder Flüssigkeit eingeflößt, sobald sie wach ist. Sie liegt jetzt schon fast drei Tage danieder.
Was?
Kazels Gesicht musste Bände gesprochen haben, denn der junge Mann sprach eilig weiter:
„Ähm, ja. Herr, ihr habt fast drei Tage geschlafen.“
Nun wirkte er etwas bedrückt, aber gab brav seinen Bericht ab:
„Meister Vranyk hat sich anfangs um alles gekümmert... aber... dann hat man seinen Bruder.... mit einem zweiten 'Lächeln' quer über die Kehle in der Abstellkammer neben dem Hauptsaal gefunden... also nachdem dieser am zweiten Tag soweit ausgelüftet worden war. Vorher hatte er aber schon alles in die Wege geleitet, damit ihr und eure Dame ruhen und gesunden könnt. Ihr selbst wurdet hier her gebracht und ich, sowie zwei andere Wächter wurden zu euren Wohl eingeteilt. Ich hoffe, das war euch recht. Uns wurde gesagt, ihr seid als Stellvertreter des Herrn eingesetzt worden und unser Herr Sademos sei im Moment unabkömmlich.“
Damit hatte Vranyk wohl ihnen allen erst mal etwas Zeit erkauft. Aber was war aus Janay und den anderen in den drei Tagen geworden?
„Die Dame Janay wurde ...oberirrt...operiert. Ja, so hieß es. Ich war nicht zugegen, aber ich hörte, dass sie 'soweit stabil' sei. Wenn es euch gut genug geht, dann begleite ich euch gern zu ihr.“
Man sah Kazel wohl an, dass er zu ihr wollte. Probierte er während des Berichts schon mal seine Arme und Beine aus, so war er zwar etwas steif, aber sonst voll einsatzfähig. Eben so, wie wenn man fast drei Tage im Bett verbracht hatte. Es würde ein paar Stunden Bewegungstraining und eine reichliche Mahlzeit bedürfen, aber dann wäre er wieder ganz der Alte.
„Was die andere Dame angeht... Starle Tenebrée... Da kam gestern ein Mann vorbei. Er stellte sich als Azariel, Wächter im Hause Tenebrée vor, so einer mit Kriegerzopf... Er drohte, wenn er bis heute Abend kein Lebenszeichen von ihr bekommen würde, würde er sich an Mandavar Amraén den Blauen wenden, den Cousin des dunklen Herrschers.“
Hier war er etwas blass geworden, aber er sprach tapfer weiter.
„Herr Vranyk und auch Herr Nar'Zissus de Quis meinten, ihr wünscht nicht, dass sie uns schon verlässt. Sie wird streng bewacht, aber gut behandelt.... entschuldigt.... ist sie wirklich eure Tante? Starle Tenebrée?“
Er klang etwas ungläubig, was nicht verwunderlich war, sah Kazel nun mal ihr nicht wirklich ähnlich. Oder war da noch etwas anders?
„Sie betreibt hier doch das ...ähm.. nu nja, das Bordell der Oberschicht. Da kommt man nur mit spezieller Einladung rein.“
Wünschte er sich etwa Zutritt?
„Die Schwestern eines Freundes sollen da arbeiten... Zwillinge ... Ich ...also Wir wüssten nur gern, ob es ihnen auch wirklich gut dort geht.“
Er sah betreten zu Boden. Ja... das Leben hatte Kazel wieder und überhäufte ihn gleich mit neuen Aufgaben – sofern er sich dieser annehmen wollte – DENN GENAU genommen, hatte er hier seinen Auftrag beendet. Alles was er hier jetzt noch tat, dass tat er aus freien Stücken... und weil es ihm vielleicht wichtig war. Dann bemerkte der Wächter, dessen Name Kazel nicht einmal kannte, dass er sich vielleicht zu weit eingemischt hatte und trat einen Schritt vom Bett zurück.
„Entschuldigt. Ich erwarte zu viel. Ihr seid sicher hungrig. Soll ich etwas zu essen bringen lassen...oder wollt ihr zu eurer Dame?“
Er reichte Kazel seinen Arm so, dass er ihn nehmen konnte, wenn er ihn brauchte, sonst hielt er sich nur in Greifreichweite auf.
„Ach ja, die Anderen...“
Er nickte noch einmal um Verzeihung bittend, dann fuhr er mit seinem Bericht fort:
„Vranyk hat in den letzten Tagen eine kleine Gruppe Hybriden um sich geschart, die er anscheinend einer speziellen Ausbildung unterzieht, denke ich. Doch seit er … also seit sein Bruder gefunden wurde, da hat er sich mit ihm in sein Zimmer zurück gezogen und kommt nicht raus. Die Hybriden kümmern sich wohl in seinem Auftrag um den Haushalt und Herr de Quis überwacht alles.“
Der junge Wächter überlegte kurz, ob er noch etwas vergessen hatte.
„Ach ja, da war noch diese Goblinoma. Sie sagte, wenn ihr wach werdet, solltet ihr sie im Laden besuchen kommen. Ihr wüsstet schon wo das ist. Dann ist sie gegangen. Hätten wir sie aufhalten sollen?“
Er klang, als ob das ein Ding der Unmöglichkeit gewesen wäre und blinzelte ein paar Mal, bevor er weiter sprach:
„Auf Seiten der Hybriden gab es wohl auch ein Todesopfer. Ein quasi leerer Schildkrötenpanzer wurde im blauen Salon gefunden. Und der Kristall in Herrn Sademos Arbeitszimmer ist... ähm zu Staub zerfallen.“
Letzteres berichtete er mit ein bisschen Furcht in der Stimme.
„Da hat bisher auch niemand sauber gemacht... Herr Sademos wünschte normaler Weise, dass niemand dort hinein ging. Ich hoffe, das war auch in eurem Sinne.“
Diamant-Auge beobachtete Kazel bei seinen Bemühungen in Gang zu kommen und blieb in seiner Nähe. Das Leben als 'Stellvertreter' des Sammlers, hatte auch seine Vorteile. Unbegrenzte finanzielle Möglichkeiten waren nur ein Bonuspunkt und die wenigen loyalen Wächter die der Sammler gesammelt hatte, dienten nun auch Kazel treu. Welch merkwürdiger Umstand, betrachtete man den Lauf dieser Geschichte. Das ganze Konstrukt war etwas wackelig, da es auf Lügenbeinen stand und zwar durch kleine 'Gerüchte' nicht gleich zusammen fallen würde, aber wenn eine Starle Tenebrée damit hausieren gehen würde... DAS wäre etwas ganz anderes! Kazels Tante konnte noch zu einem echten Problem werden. Aber ein Stein nach dem anderen – der Weg war weit – oder sehr kurz, wenn Kazel bedachte, dass er auch alles hier zurück lassen konnte.

Janay:
Eine andere Art Wächter saß an ihrem Bett... Matte... provisorischem Lager. Warum sie die Frau im ersten Moment als Mann deklarierte war schleierhaft. Sie war ihr unbekannt, es handelte sich weder um Kazel, noch um Zissus, sondern um eine recht ansehnliche fremde Elfe und ihr Kopf war nach vorne gefallen. Dunkelbraune Haare breiteten sich auf ihrer Matte aus und sie hielt ihre Hand am Handgelenk um ihren Puls zu fühlen. Auch war sie ganz anders gekleidet wie die Wächter dieses Hauses. Sie trug eine Art Schürze, die ein paar Sprenkel Blut aufzeigte und darunter einfaches Linnen. Keine Rüstung oder Farben die man in irgendeine Richtung stecken könnte. Sie wirkte fast ärmlich in der Schlichtheit, was aber täuschen könnte. Sie hatte dunkelbraune Haut an den nicht ganz so spitzen Ohren die durch ihr braunes Haar, mit einem leichten Grau -schimmer darin hindurch schauten. Es war lang und nur in einem Teil zu einem festen Zopf geflochten, der ihm über den Rücken hinab vielleicht sogar bis zu den Kniekehlen reichen konnte. Der Rest hatte sich auf Janays Laken verteilt. Ihre Augen wanderten weiter, zuerst zu den schlanken Fingern, die auf ihrem eigenen Handgelenk lagen, schwer und kraftlos, da den Körper im Schlaf sämtliche Spannung verlassen hatte. Dann sah sie sich weiter um, bis sie bei den Tüchern mit den Blutspuren ankam. Augenblicklich musste sie schlucken und spürte, wie Übelkeit in ihr hoch kriechen wollte. Ihr Magen hatte aber nichts, das er hergeben konnte. Schon merkte sie, wie ihr die Lider wieder schwer zu werden drohten. Nein, nicht jetzt! Janay wollte nicht zurück zu diesen Bildern, in denen sie nicht unterscheiden konnte, was real und was ausgedacht war! Die Erinnerungen waren ja in Ordnung gewesen, aber was dann folgte war milde gesagt, verstörend gewesen. Janay musste sich eingestehen, dass sie sich nie Gedanken darum gemacht hatte, was aus jenen werden könnte, die sie zurück gelassen hatte. Wie war wohl ihre Schwester bestraft worden, als sie sie gefunden hatten und Janay nicht... Sie war geflohen, hatte ihren Blick nach vorne gerichtet und nun warf sie ihr Unterbewusstsein in eine Vergangenheit, die nicht die ihre war. Ob es geträumte Vorstellung oder wahrhaftige Vision war, konnte sie nicht ahnen. So oder so, war es schrecklich.
Ihr Arm, auf dem die Finger lagen, zuckte leicht, konnte sich aber durch die schweren Wickel ohnehin nicht bewegen. Sie öffnete ihren Mund, wollte etwas sagen und... bekam erst einmal nichts weiter als ein leises Krächzen heraus. Alles fühlte sich wie betäubt an, ausgetrocknet und ganz so, dass sie nur zu gerne etwas getrunken hätte, am besten einen ganzen Krug Wasser, wenn da nicht die Furcht vor der Übelkeit gewesen wäre. Also musste es anders gehen. Mehrfach erschien ihre Zungenspitze, versuchte sie auf diese Weise, ihre Lippen soweit zu benetzen und ihren eigenen Speichelfluss anzuregen, dass sie sich verständlich machen könnte.
"Wwwuuu... eeeessss... Ga... Ga... Gasssssiiiil? Wwwuuu... beeeeen... eeeeeck...?"
War das wirklich ihre Stimme? Sie hörte sich so schwach und auch fremd an, aber es passte mit dem Gefühl zeitlich zusammen, das sie im Hals und im Mund hatte, als sie diese Laute zu formen versuchte. Mit einem leisen Seufzen senkten sich ihre Lider etwas. Das hätte sie allerdings besser nicht getan, denn durch diesen Sichtwechsel brach die Barriere zu ihrer Selbstkontrolle. Plötzlich musste sie krampfartig würgen und wollte sich instinktiv auf die Seite drehen, doch das gelang ihr nicht. Ihr Körper gehorchte ihr einfach nicht. Wenigstens blieb es bei ein klein bisschen Säure, die gerade mal ihre Speiseröhre sich hinauf quälte. Zu mehr war ihr Körper gar nicht fähig. Aber ihr Stöhnen hatte wenigstens die Frau geweckt und ihr kleines Zucken ließ sie fester ihr Handgelenk packen und ihren Puls fühlen, während sie ihr lauschte. Dann sah sie etwas verzweifelt aus. Offenbar hatte sie nicht verstanden:
„Wues Gassi? Wubeneck?“
, versuchte sie die Worte nachzubilden. Dann löste sie ihren Griff und sprach eindringlich auf Celcianisch:
„NICHT BEWEGEN!!! Ihr habt eine schwere Operation hinter euch. Die Nähte könnten reißen!“
Dann ließ er sie tatsächlich zurück und eilte zu einem der Vorhänge. Dahinter befand sich ein Mann in der klassischen Wächter-uniform des Sammlers. Janay hörte gedämpfte schnell gewechselte Worte:
„... Oriel holen. Beeilung! Ich brauche seine Hilfe. Und sagt diesem Haushofmeister Ziss-irgendwas bescheid, dass sie gerade wach ist. Schnell!“
„Jawohl, Heilerin Orima!“
Dann eilte der Mann auch schon los. Die Frau kam zurück zu Janays Bettstadt und kniete sich wieder zu ihr.
„Bitte bleibt ganz ruhig liegen. Der Stahl war sehr nah an eurer Wirbelsäule. Versteht ihr was ich sage?“
Verstehen war kein Problem, aber reden um so mehr. Deshalb tat es die Heilerin um so mehr und schnell um Janay so viel wie möglich Informationen zu geben.
„Ich gebe euch jetzt etwas zu trinken. Bitte versucht nur kleine Schlucke zu nehmen. Wenn ihr euch verschluckt könnten die Nähte platzen. Ich brauche eine wichtige Information von euch...“
Sie hatte während sie sprach einen merkwürdig geformten Becker an Janays Lippen gehalten, der wie ein Schnabel aussah. Janay konnte daran saugen und würde angenehm kühlen Tee schlucken, der ein bisschen nach irgendeiner Rinde schmeckte.
„Vorsichtig! Langsam... gut so. Ich bin Heilerin Orima und kümmere mich um euch. Ich muss wissen ob ich mit Lichtmagie an euch arbeiten kann. Ihr habt ein wenig Fieber entwickelt nachdem ihr so schwer verletzt wurdet und ich kann nicht auseinander halten ob es an den Resten des Giftes liegt, dass ihr in euch hattet, oder an meiner Magie.“
Janay hatte furchtbaren Durst, aber die Heilerin war unbarmherzig und nahm ihr wohl wissentlich immer wieder den Becher weg, machte Pausen und setzte ihn wieder an.
„Blinzelt wenn ihr nicht sprechen könnt für 'Ja' einmal und für 'Nein' zweimal.“
Dann hörte man in der Ferne schnell Schritte näher kommen.
„Kann ich Lichtmagie bei euch einsetzten?“
...
Zissus kam zuerst bei Janay an und sobald er sie sah, schickte er einen Wächter los um nach Kazel sehen zu lassen, falls dieser auch wach und fähig zum laufen sei, sollte man ihn holen. Anstatt aber zu ihr zu stürzen, stand er in der Nähe und blickte auf die Fesseln die Janays Arme und Beine fixierten.
„Sind die noch nötig?“
Orima folgte seinem Blick.
„Das werden wir sehen. Sie muss ruhig liegen bleiben und wenn sie zappelt vor Schmerz... Nein. So ist es besser.“
Zissus wirkte nicht glücklich, aber Janays Gesundheit ging vor. Dann kniete er sich ebenso wie die Heilerin, aber mit etwas Abstand zu ihr und sein Blick war reinste Sorge.
„Bitte mach was man dir sagt. Dann geht es dir bald wieder besser.“
Der Blick in Orimas Augen sprach davon, dass ihr dies Aussagen übereilt erschien. Noch war Janay nicht über den Berg.
Bild

Benutzeravatar
Kazel Tenebrée
Administrator
Administrator
Beiträge: 3751
Registriert: Mittwoch 9. August 2006, 23:05
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Mischling (Elf/Dunkelelf)
Sprachen: Lerium
etwas Kr'zner
Beruf: Des Gevatters Geselle
Fähigkeiten: Dolche (durchschnittlich)
Adlerkrallen (rudimentär)
Zeitmanipulation
Flinkheit
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: gehäkelter Wollbeutel (blau)
Sademos' Amethyst-Ring (keine Fähigkeiten mehr)
Zum Vorzeigen: Bild

Re: Das neue Heim

Beitrag von Kazel Tenebrée » Montag 19. September 2022, 11:00

Eigentlich sollte Kazel darüber nachdenken, was er für sich wollte. Das waren die letzten Worte seines Lehrmeisters gewesen, ehe er ihn zurück ins Leben entlassen hatte. Er jedoch dachte auch über andere Dinge nach. Natürlich wusste er, dass es nicht seine Aufgabe war, andere zu retten. Jedenfalls keine, die Tod ihm gegeben hatte, aber eine, die er sich selbst gab. Er konnte nicht an Leid vorbeigehen und es ignorieren. Nicht mehr. Er hatte es versucht, als er sich in die Stille Ebene zurückgezogen hatte. Da war seine Haltung der Welt gegenüber noch anders. Mit einer abgebrühten Neutralität hatte er alle andere ihre Leben führen und sich gegenseitig auslöschen lassen, ohne einzugreifen. Es war nicht sein Problem gewesen. Inzwischen jedoch fühlte er eine innere Unruhe, wenn er all das mitansehen musste, was einige Individuen mit zu viel Macht anderen Lebenden antaten. Er zählte nicht nur den Sammler dazu. Auch seine Tante zog offensichtlich an vielen Fäden, an denen zu viele Unschuldige hingen.
Nein, es war nicht seine Aufgabe, aber es war etwas, das er tun konnte, wenn Tod ihn nicht in die Pflicht nahm. Etwas, das er tun wollte. Ja, das wollte er, zumindest in der kleinen Dimension, in der er sich nun bewegte. Er wollte niemanden zurücklassen, wenn es eine Chance auf Rettung gab. Vielleicht hatte er deshalb einen bislang unbewussten Herzenswunsch gehegt, nach Morgeria zu gelangen. Aber auch hier fühlte er sich zumindest in der Pflicht, Janay zu retten. Ob es wirklich ihre Entscheidung gewesen war, durch eine weitere, frisch entdeckte Gabe mit ihm von den Wäldern aus bis in die dunkle Metropole zu reisen, zweifelte Kazel durchaus an. Sie hatte einfach keine große Wahl gehabt, aber er würde ihr und auch allen anderen nun die Wahl geben.
Was wollte er? Es klang widersprüchlich zu seinen vorherigen Wünschen, aber langsam wurde Kazel sich dessen immer mehr bewusst. So düster es in seinem Kopf auch klang: Er wollte in Morgeria bleiben. Er wollte lange genug bleiben, um so viele Unschuldige um sich zu scharen, wie möglich. Er wollte sich und sie vorbereiten für eine - magische? - Flucht. Vielleicht beherrschte er bis dahin diese Gabe und landete nicht in irgendeinem Felsgestein, mitten im Meer oder an einem schlimmeren Ort. Es würde Zeit kosten. Er würde üben müssen, zunächst vielleicht mit kleinen Ortssprüngen. Ihm war bislang ja überhaupt nicht bewusst, welche Werkzeuge ihm gegeben worden waren. Die Manipulation von Zeit und Raum ... die Erkenntnis über so mächtige Fähigkeiten verschaffte ihm Übelkeit. Er trug mit ihnen auch jede Menge Verantwortung. Er durfte sie weder missbrauchen, noch sich missbrauchen lassen, sie für die falschen Zwecke einzusetzen. Einen sicheren Pfad zu finden, wäre gewiss nicht einfach. Aber auch das wollte er ... für andere und somit für sich. Kazel erkannte, dass ihm das Wohl anderer - Unschuldiger - tatsächlich mehr am Herzen lag als er geglaubt hätte. Er selbst würde sich wohler fühlen, wenn er niemanden zurückließ. Andere zu retten war nicht seine Aufgabe, aber es war, was er wollte.
Mit diesem Gedanken und seiner Sehnsucht nach Janay erwachte er. Noch ehe Kazel den Wächter ausmachen konnte, war jener aufgesprungen. Der Mischling rieb sich über die Augen, um eine klare Sicht nach all dem Schlaf zu gewinnen. Seine Glieder fühlte sich unangenehm steif an. Sein Rücken schmerzte etwas, als hätte er zu lange gelegen. Vorsichtig rappelte er sich in eine Sitzposition auf ... und durfte sich einen Schwall an Berichterstattung von seinem namenlosen Diener anhören. Mehrmals hob er beide Hände, damit dieser langsamer erzählte. Es war sofort wieder eine Menge Information, die auf ihn niederprasselte. Alte und neue Herausforderungen, denen er sich stellen musste. Dass er nicht sofort wieder darunter zusammenbrach, lag nur an dem Gespräch mit dem Tod. Er fühlte sich gestärkter, es in Ruhe anzugehen. Die Aufgaben des Gevatters hatte er erledigt. Alles, was nun noch auf ihn wartete, würde freiwillig und jenseits seiner Pflichten sein. Er wollte sich jeder einzelnen Sache widmen. Trotzdem konnte er nur eine nach der anderen angehen.
Janay war ihm hierbei natürlich am wichtigsten und deshalb fragte er nach ihr zuerst. Während der junge Wächter ihm Auskunft gab, verlor der Mischling sich beinahe in dessen Augen. Man mochte über Sademos vieles sagen, aber er besaß Geschmack bei seiner Wahl an ... Sammlerstücken. Auch dieser junge Mann zählte dazu. Er mochte ansonsten durchschnittlich wirken, doch seine Augen zogen sofort in den Bann. Sie glitzerten so wundervoll, dass man sich mit der Anwesenheit des Wächters an seiner Seite schmücken wollte, weil er Brillanz verlieh. Das Glitzern war wie ein kostbares Schmuckstück am eigenen Leib und sicherlich hatte man ihm die Augöpfel nur deshalb noch nicht ausgerissen, um sie als Halskette zu tragen, weil dann der Lebensglanz aus ihnen schwinden und sie so in ihrem Wert mindern würde. Eine makabre Vorstellung, die Kazel dennoch verstand. Das lebendige Glitzern im Blick des Wächters sicherte ihm unter Sademos sein Leben.
Kazel lauschte seinen Worten. Er stellte mich Überraschung, aber auch einer Spur Schrecken fest, dass er bereits drei Tage und Nächte im Schlaf verbracht hatte. Und dass Janay noch immer nicht genesen war, aber wie Tod es ihm mitgeteilt hatte, lebte sie noch. Andernfalls hätte er sie in seinem Reich antreffen können. Kazel atmete erleichtert auf. "Sie hat eine Schwester - Arina. Aber das werde ich dieser Heilerin selbst mitteilen. Wenn es dir möglich ist, finde jemanden, der ... Leute finden könnte. Wir müssen Arina hierher bringen. Keine Sorge, ihr wird nichts geschehen." Kazel kannte die wahre Haltung der Diener zu Sademos nicht. Wie viele unter ihm handelten mit Misstrauen? Wie viele hintergingen ihn heimlich, um das Leben anderer vor einem ähnlichen Schicksal wie das eigene zu bewahren? Aber dieser junge Mann war noch hier, freiwillig offenbar. Den Wächtern schien es besser zu gehen als den Hybriden. "Bitte", setzte Kazel nach. Sicherlich etwas, das man aus Sademos' Mund nicht hörte.
Sein Herz sank etwas, als er Informationen über Vranyk erhielt. Dry'ol war also tot, ermordert von dieser Frau, die auch Kazel aus dem Hinterhalt hatte töten wollen. Die Meuchlerin, vor der Janay ihn bewahrt hatte. Die Assassinin, die seine Tante mitgenommen hatte mit dem Vorhaben, ihn offenbar von der Welt zu tilgen. Oh, warum war ihre Sanduhr nur so gut gefüllt gewesen. Du musst mir das verzeihen..., dachte er und hoffte, der Gevatter erhörte ihn. Er hoffte, die Götter erhörten ihn. Ein Mord wäre sicherlich in Faldors Sinn, aber ob alle Gottheiten damit einverstanden wären? Sie blickten nun auf Kazel herab. Sie würden seine Zeit verkürzen, vielleicht in den wichtigsten Momenten seines Lebens den Tribut fordern, wenn er sie vergrämte. Wäre der Mord an Starle Tenebrée ein Grund, verärgert zu sein? Für einige Götter sicherlich, aber Kazel kannte sie nicht. Lediglich Lysanthor könnte es erzürnen, sofern er eine andere Gerechtigkeit sah als der Mischling. In Kazels augen war es gerecht, Celcia von dieser garstigen Verwandten zu befreien. Wem würde sie noch schaden, wenn man sie weiter gewähren ließ. Nein, er konnte das nicht zulassen. Es war, was er wollte.
"Ich möchte Vranyk danken. Falls du ihn nicht zu mir holen lassen kannst, werde ich ihn aufsuchen. Kannst du das an ihn weitertragen?" Kazel rutschte langsam aus dem Bett. Sein Körper meldete sich mit Schmerz. Leben war wirklich die größere Folter, aber sowohl Menschen als auch Elfen, Zwerge, Gnome und alle anderen Geschöpfe Celcias galten in dieser Hinsicht als sehr masochistisch veranlagt. Eine Selbstgeißelung durch Leben zog jeder dem Tode vor. Wie bizarr.
"Jetzt möchte ich allerdings erst einmal ... Janay sehen." Seine Schritte waren langsam und wacklig. Er schlurfte und trottete durch den Raum, bis seine Glieder sich wieder daran gewöhnten, genutzt zu werden. Je mehr Kazel sich bewegte, desto besser fühlte er sich. Der Schmerz ging in Normalität über und schwand. Noch ehe er sich umgezogen und den Raum verlassen hatte, fühlte er sich beinahe wieder normal. Ein bisschen hölzern noch, aber auch das würde in den nächsten Stunden vergehen. Vielleicht konnte er mit Janay einen Spaziergang unternehmen, so dachte er in seiner Naivität. Er ahnte ja noch nicht, welches Schrecksbild ihn bald erschüttern sollte. Auf dem Weg zu ihr ließ er sich von seinem Wächter weiter berichten. Er konnte dessen Redeschwall ohnehin nicht aufhalten und es tat gut, einfach einmal nichts Anderes zu tun als zuzuhören. Das hieß nicht, dass er unaufmerksam wäre. All die Informationen waren wichtig und Kazel wollte sich ihrer annehmen.
So erfuhr er, dass seine Tante noch immer im Anwesen war. Sie wurde gefangen gehalten, aber nicht misshandelt. Er nickte dazu. Freilassen wollte er sie nicht. Oh nein. Er hatte eine endgültige Entscheidung für sie gewählt. Selbst die Androhung, dass sich der Cousin des dunklen Herrschers einmischen könnte, hielt ihn nicht davon ab. Er durfte Starle nicht zurück in diese Kreise lassen, wo sie so kalt und schnell über das Schicksal so vieler entscheiden könnte. Er würde das beenden.
"Wie geht es Zissus?", fragte er, als auch sein Name einmal fiel. Der gute Zissus ... er und Vranyk hielten das Geschäft am Laufen, während Sademos nun im Tode Frieden fand und Kazel den notwendigen Schlaf nachgeholt hatte. Er verdankte beiden mehr als sie vielleicht erkannten. Und beide hatten durch sein Aufkreuzen Verluste erlitten. Ein Tod war notwendig gewesen, der andere ... vollkommen sinnlos. Doch weitere Schicksal sollten mit seinem verknüpft werden wie er feststellen musste. Der junge Wächter diente ihm nicht ganz ohne eigene Motive.
"Ein Bordell...", wiederholte der Mischling. Das passte gar nicht zu seiner Tante oder etwa doch? Er war noch zu jung gewesen, um sich mit sexuellen Themen auseinanderzusetzen. Aber er erinnerte sich, dass zumindest im Anwesen der Tenebrées niemals ein reiches Kommen und Gehen fremder Personen geherrscht hatte. Was inzwischen aus dem Anwesen geworden war, konnte er nicht sagen. Er selbst hatte sich nicht in den Räumlichkeiten aufgehalten, die Janay gesehen hatte. Aber sie wusste Bescheid! Aus ihrem Mund würde Kazel garantiert mehr erfahren als aus dem seiner Verwandten. Vielleicht hatte Janay die genannten Zwillinge sogar angetroffen.
Er blieb stehen, so dass sein geschwätziger Wächter ohne ihn einige Schritte tat. Sobald er anhielt und sich umdrehte, erwartete ihn die ernste Miene eines entschlossenen Mannes. "Ich finde beide. Wenn es ihnen schlecht geht, hol ich sie da raus. Falls du mir weiterhin zur Seite stehen willst, wirst du es leichter erfahren als wenn ich auch dich erst suchen muss. Aber es steht dir frei, das Haus zu verlassen, wenn du dich hier nicht wohl fühlst." Ob Sademos jemals so mit ihm gesprochen hatte? Wahrscheinlich hatt er ihn kaum wahrgenommen. Seine Augen waren etwas Besonderes, aber im Vergleich zu anderen Kuriositäten des Anwesens war er doch ein Sammlerstück, das schnell in den Hintergrund rückte. "Wie heißt du?" Ob der Sammler ihn das jemals gefragt hatte? Kazel war nicht Sademos. Noch einmal wurde es sehr deutlich.
Sobald diese Dinge geklärt waren, folgte er dem anderen weiter die Gänge entlang. Er hatte bei ihm auch um Essen gebeten, allerdings erst, sobald er Janay erreicht hätte. Mit ihr zusammen essen, das war sein Wunsch. Er wollte sie zuerst sehen, mit ihr reden, sie spüren. Dann könnte er sich allen anderen widmen. Zissus und Vranyk standen oben auf seiner Prioritätenliste, dicht gefolgt von seinen Hybridenverbündeten. Dass eine davon sie alle verlassen hatte, schmerzte Kazel, obgleich er es irgendwie gespürt hatte. Die letzten Worte Nessajas waren kryptisch gewesen, machten nun nach ihrem Ableben aber durchaus Sinn. Tod würde sich gut um sie kümmern und ihr einen besonderen Platz zuteilen.
Sobald die Dinge im Hause geklärt wären, würde es zu Kuralla weitergehen. So war der Plan. Die Frage blieb noch, an welcher Stelle er seine Tante integrierte. Er würde sich nicht viel Zeit für sie nehmen. Das war sie ihm nicht wert. Nicht mehr. Sie hatte nicht mehr verdient, sondern ihm und vielen anderen bereits genug kostbare Zeit gestohlen. Kazel würde auch ihr etwas stehlen ... ein volles Stundenglas. Er wusste, dass er seinen Lehrmeister damit enttäuschte und in Morgeria vermutlich neue Pobleme schuf, aber er sah keinen anderen Ausweg. Er durfte und wollte Starle nicht mehr auf Morgeria loslassen.
Endlich erreichten sein Wachmann und er die Räumlichkeiten, in denen Janay untergebracht war. Zissus stand in ihrer Nähe, aber Kazel übersah ihn schlichtweg. Er blendete auch die Heilerin aus. Im Grunde fiel alles in seinem Sichtfeld in dunkles Grau, abgesehen von dem Bett, an das seine Liebste gefesselt war. Vor Schreck weiteten sich Kazels Augen. Das hatte er noch nicht gesehen. Er verstand nicht, was man mit ihr angestellt hatte. Er sah sie nur da liegen, fixiert. Wie die Frauenleiber... Kazel ächzte und taumelte, als seine Beine ihm den Halt verwehrten. Im letzten Moment fing er sich, weil der Diamantauge rechtzeitig an der Schulter packte.
"W-was ... ist das hier? Janay. Janay, geht es dir gut?!" Er löste sich vom Arm seines Wächters und stolperte voran. Wut flammte in seinem Bauch auf. Wie konnten seine Verbündeten es wagen, sie an ein Bett zu fesseln? Sie war keine Gefangene! Jemand trat ihm in den Weg. "Was soll das?!", fauchte Kazel, ehe die Konturen seines Gegenübers durch den Schleier aus blindem Zorn schimmerten. Die markante Nase, das seidige Haar, die tiefgründigen, schillernden Augen. "Zissus..." Kazel beruhigte sich. Er mochte nicht vielen trauen, aber der Pfauenmann genoss wenigstens einen Teil davon und wenn er hier war, dann hatte es offenbar seine Richtigkeit, dass Janay so behandelt wurde. Er vertraute darauf und hoffte, nun kein Messer des Verrats in den Rücken gerammt zu bekommen. Deutlich besonnener wiederholte er seine Frage: "Was ist das hier? Warum ist sie gefesselt? Wie .. geht es allen gut?" Eigentlich wollte er wissen, wie es Zissus ging, aber Kazel sorgte sich auch um Janay. Plötzlich kam es ihm so vor, als hätte sein treuer Wächter mit den Glitzeraugen überhaupt nichts zu ihm gesagt. Er wusste nichts.
Bild

Benutzeravatar
Janay
Moderator
Moderator
Beiträge: 1046
Registriert: Montag 7. Juli 2008, 23:38
Moderator des Spielers: Maruka
Aufenthaltsort: Morgeria
Steckbrief: Zum Steckbrief
Rasse: Dunkelelfe
Sprachen: Celcianisch, Lerium, Nimuk(rudimentär)
Beruf: Freudenmädchen
Fähigkeiten: Verführung
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L,
Ausrüstung: die Kleidung an ihrem Leib
Tierische Begleiter: keine

Re: Das neue Heim

Beitrag von Janay » Dienstag 20. September 2022, 09:26

Ihr Geist hatte noch mit dieser Mischung aus Erinnerungen und Alpträumen zu kämpfen, während sie sich damit abmühte, ihre Umgebung wahrzunehmen und auch zu begreifen, was sie sah. Da gab es vorerst nur wenig Raum für Details oder sonstige Korrekturen von Unstimmigkeiten. Außerdem war sie erschöpft und benötigte den Großteil ihrer geringen Kraft, um überhaupt wach zu bleiben. Denn das wollte sie unbedingt, um nicht wieder mit diesen furchtbaren Bildern konfrontiert zu werden, die ihrer Seele so zusetzten.
Was hatte sie sich damals eigentlich nur gedacht, Arina mit hinein zu ziehen? Sie hätte allein weglaufen sollen, von Anfang an! Nur... ob sie es dann überhaupt soweit geschafft hätte, wussten einzig und allein die Götter. Ändern konnte sie ihre Vergangenheit ja auch nicht. Und trotzdem...
Wie lange sie wohl schon hier lag? Ihr Körper war ganz steif und sicher an einigen Druckstellen wund, doch schmerzte sie ohnehin jede einzelne Faser, sodass sie es gar nicht erst vom Rest unterscheiden konnte. War das überhaupt wichtig?
Nein, ganz andere Gedanken hatten ausreichend Bedeutung, dass sie diese versuchte, über die Lippen zu bekommen. Eine wahre Mammutaufgabe, so ausgedörrt und zugleich einrostet fühlte sie sich bei ihrem Bemühen, etwas zu sagen. Das am Ende zwar mit viel Mühe Sinn ergeben mochte, nur wirklich verständlich... das war definitiv ein anderes Thema! Hinzu kam ihre extreme körperliche Schwäche, die sich bei der kleinsten Regung schon ein Ventil suchte.
Es tat grauenhaft weh, wie ihr Magen sich verkrampfte und das letzte Bisschen hinauf würgen wollte, das noch in ihm drin war. Was dazu führte, dass es noch mehr schmerzte, als wenn sie sich tatsächlich übergeben hätte, eben weil diese Leere sich mit nichts füllen ließ, das die Kontraktionen hätte dämpfen können.
Ermattet und gequält wurde ihr Körper nach gefühlten Ewigkeiten wieder schlaff und erst jetzt konnte sie feststellen, dass es nicht allein an ihrer Schwäche gelegen hatte, dass sie sich kaum zur Seite hatte drehen können. War sie etwa gefesselt? Träge sickerte diese Erkenntnis in ihr Gehirn, während neben ihr Bewegung in die Elfe kam.
Die Worte plätscherten an Janay vorbei, sodass sie erst aufmerksam wurde, als der Druck an ihrem Handgelenk verschwand. Verwirrt sah sie langsam auf und starrte auf den fremden Rücken. Wer war das? Warum war sie hier? Was hatte sie mit ihr gemacht?! Oh, wenn sie doch nur sicher sein könnte, nicht wieder zu träumen, sie hätte so gern wieder geschlafen!
Schon drohte sie erneut wegzudämmern, als wie durch Zauberhand die Fremde zurück an ihrer Seite war. Während diese auf sie einredete, riss die junge Frau ihre Augen auf, um gegen den nahenden Schlaf anzukämpfen.
Liegen, ja... ja... das tat sie doch sowieso! Warum betonte die andere es also? Und Stahl? Welcher Stahl? Moment... da war was gewesen! Nur... es fiel ihr nicht sofort wieder ein, oder? Doch, doch, da war was, ganz am Rande ihres Bewusstseins. Kazel... und seine Tante... und... und...
Janay wurde blass und ihr krampfte sich die Kehle zu, als die Erinnerung an ihren körperlichen Einsatz mit all seinen Schmerzen und sonstigen Folgen wieder bewusst wurde. Das Kind... was war mit dem Ungeborenen?!
Sie öffnete ihren Mund, wollte danach fragen, als ihr etwas zwischen die Lippen geschoben wurde. Verständnislos starrte sie an sich herab, soweit das möglich war, und begriff nicht, was das sollte. Dennoch tröpfelte ein bisschen eine Flüssigkeit auf ihre Zunge und weckte den Durst, sodass sie reflexartig zu saugen begann. Oh ja, sie hatte schrecklich großen Durst!
Ihre Züge wurden schneller, sie wurde gieriger und wenn diese Frau nicht so achtsam gewesen wäre, hätte sie sich früher oder später tatsächlich verschluckt. So kratzte es lediglich im Hals, als ihr der Schnabel entzogen wurde, dem sie instinktiv nachhaschen wollte. Allein, er war zu schnell zu weit weg, wodurch ihr Kopf wieder zurück sank und sie leicht keuchend liegen blieb. Seit wann war trinken eigentlich dermaßen anstrengend geworden?
Allerdings war diese Frau nicht grausam, denn nach einer kurzen Pause kam der Becher wieder und dieses Mal war es schon ein wenig einfacher. Oder eher, ihr Körper war eine Spur weniger ausgetrocknet, sodass sie nicht sofort wieder von der Gier übermannt wurde. Schließlich hatte sie genug und deutete mit einer minimalen Drehung des Kopfes diesen Umstand auch an.
Daraufhin erklang erneut die Stimme neben ihr und ihr Geist war nun ausreichend aufgeklart, um die Botschaft verstehen zu können. Entsprechend hob sie ihren Blick an und blinzelte einmal bewusst, als Zeichen, dass sie verstanden hatte. War definitiv einfacher, als selbst reden zu müssen!
Schon folgte eine Frage, bei der Janay zögerte. Eigentlich wusste sie nichts davon, dass sie Lichtmagie nicht vertragen würde. Auch die Verräterin, diese falsche Schlange von Nachtelfe, hatte sie schließlich schon bei ihr angewandt. Aber... das war damals nur bei ihrem Fuß gewesen. Jetzt hingegen war sie schlimmer verletzt, wenngleich sie das Ausmaß nicht kannte. Und da war auch noch ihr Kind...
Am liebsten hätte die junge Frau mit den Schultern gezuckt, jedoch war ihr das nicht möglich. Also schluckte sie einmal... zweimal... und blinzelte nach einem kurzen Zögern einmal.
Wenig später wurden die Laken bewegt und Zissus erschien, allerdings blieb er auf Abstand. So bekam Janay die Zeit, darauf zu reagieren und ihn zu entdecken. Ein kleines, schwaches Leuchten der Freude erschien in ihrem Blick, während er sich an die andere wandte.
Sie versuchte zu zuhören und zu verstehen, doch es fiel ihr noch immer unendlich schwer, mehrere Minuten am Stück konzentriert zu bleiben. Dadurch drohte sie auch des Öfteren, wegzudämmern, bis ihr Freund an ihrer Seite war und direkt mit ihr sprach. Ihre Augen richteten sich auf sein Gesicht, auf seine Züge und ein kleines, feines Lächeln schaffte es, sich in ihren Mundwinkel zu schleichen.
Was hatte er gesagt? War das wichtig? Er war hier und es schien ihm besser zu gehen. Natürlich freute sie sich, auch wenn sie sich über Kazels Anblick noch mehr gefreut hatte. Es sei denn...
Plötzlich kehrte dieser eine Gedanke zurück und schürte die Angst in ihr, dass sie blass wurde und ihr das Gesicht entgleiste. Tränen schossen ihr in die Augen und sie fühlte, wie sie zu zittern begann, was wiederum die Schmerzen weckte. "Mei... mein... mein Kind...?", hauchte sie tonlos und spürte, wie sich ein Schluchzen anbahnte, das sie kräftig durchzuschütteln drohte.
Die Furcht vor dem Verlust war schlagartig so unendlich groß, dass es nach all den hervor geholten Erinnerungen und Alpträumen zu viel für ihre Nerven war. Schon rollte die erste Träne ihre Schläfe hinab.
In diesem denkbar schlechten Moment erschien ihr Liebster und musste wohl das Schlimmste bei ihrem Anblick annehmen. Er drang bis zu ihr vor und als sie ihn sah, seine Stimme hörte, da war es für sie endgültig vorbei. Immer mehr Tränen liefen aus ihren Augen und das Schluchzen wurde stärker, unkontrollierbar schüttelte es sie in immer kürzeren Abständen, unbeeindruckt von den Schmerzen, das es dabei auslöste.
Die Welt um sie herum verschwamm in einem Meer aus Tränen und Leid, da sie der festen Überzeugung war, dass sie es nicht geschafft hatte, das Ungeborene in ihrem Bauch zu schützen. Dass sie sich nicht weit genug gedreht hatte, ehe die Waffe in sie eingedrungen war. Nein, ganz bestimmt war sie zu unfähig gewesen und es geschähe ihr nur recht, wenn alle Nähte reißen und sie verbluten würde!
Weh genug tat ihr Körper ohnehin schon, dass es sie nicht wundern würde, wäre der Schaden bereits angerichtet. Wenn Kazel sie nur nicht in diesem Zustand sehen müsste, sie in einer besseren Erinnerung behalten könnte...
Bild

Benutzeravatar
Erzähler
Nicht-Spieler-Charakter
Nicht-Spieler-Charakter
Beiträge: 6959
Registriert: Montag 4. Januar 2010, 20:11
Lebensenergie:

Geld: 0D, 0L, 0F
Ausrüstung: [br][/br]
Zum Vorzeigen: [br][/br]

Re: Das neue Heim

Beitrag von Erzähler » Dienstag 20. September 2022, 17:53

Kazel:
Er stellte mit Überraschung, aber auch einer Spur Schrecken fest, dass er bereits drei Tage und Nächte im Schlaf verbracht hatte. Und dass Janay noch immer nicht genesen war, aber wie Tod es ihm mitgeteilt hatte, lebte sie noch.
"Sie hat eine Schwester - Arina. Aber das werde ich dieser Heilerin selbst mitteilen. Wenn es dir möglich ist, finde jemanden, der ... Leute finden könnte. Wir müssen Arina hierher bringen. Keine Sorge, ihr wird nichts geschehen... Bitte"
, setzte Kazel nach - sicherlich etwas, das man aus Sademos' Mund nie gehört hatte. Tatsächlich war die Reaktion des Wächters schon amüsant. Eine Sekunde lang erstarrte er, als hätte das Wort allein ihn zur Salzsäule verwandelt. Dann blinzelte er und ein nervöses Zucken bewegte sein linkes Augenlid ruckartig. Dann folgte ein wahrlich verwunderter Blick zum neuen Verwalter des Anwesens und ein noch sehr jungenhaftes Grinsen. Der junge Mann neben Kazel war hier, freiwillig offenbar und was wirklich praktisch war, er dachte sogar mit, als er eine Aufgabe bekam:
„Der Familiennahme wäre hilfreich. Dann kann ich in den Archiven der Stadt nachforschen, wenn ihr es wünscht. Kopfgeldjäger gibt es natürlich auch, aber bei denen weis man nie, ob die Zielperson dann auch noch in einem Stück ankommt.“
...
Ein wenig später erfuhr dann Kazel, was aus Sademos Foltermeister geschehen war. Dry'ol war also tot, ermordet von dieser Frau, die auch Kazel aus dem Hinterhalt hatte töten wollen. Die Meuchlerin, vor der Janay ihn bewahrt hatte. Die Assassinin, die seine Tante mitgenommen hatte mit dem Vorhaben, ihn offenbar von der Welt zu tilgen. Oh, warum war ihre Sanduhr nur so gut gefüllt gewesen.
Du musst mir das verzeihen...
, dachte er und hoffte, der Gevatter erhörte ihn. Ein kühler Luftzug streifte seine Stirn. Ein Zeichen? Zumindest 'hörte' Tod zu. Ob er Kazel ER-hörte war noch etwas anderes. Auch um die Götter machte Kazel sich so seine Gedanken, aber in Kazels Augen war es nur gerecht, Celcia von seiner garstigen Verwandten zu befreien.
"Ich möchte Vranyk danken. Falls du ihn nicht zu mir holen lassen kannst, werde ich ihn aufsuchen. Kannst du das an ihn weitertragen?"
Glitzerauge nickte. Kazel rutschte langsam aus dem Bett. Sein Körper meldete sich mit Schmerz. Leben war wirklich die größere Folter, aber sowohl Menschen als auch Elfen, Zwerge, Gnome und alle anderen Geschöpfe Celcias galten in dieser Hinsicht als sehr masochistisch veranlagt. Eine Selbstgeißelung durch Leben zog jeder dem Tode vor. Wie bizarr.
"Jetzt möchte ich allerdings erst einmal ... Janay sehen."
Auf dem Weg zu ihr ließ er sich von seinem Wächter weiter berichten. Er konnte dessen Redeschwall ohnehin nicht aufhalten und es tat gut, einfach einmal nichts Anderes zu tun als zuzuhören. So erfuhr er, dass seine Tante noch immer im Anwesen war. Sie wurde gefangen gehalten, aber nicht misshandelt.
"Wie geht es Zissus?"
, fragte er, als auch sein Name einmal fiel. Funkel wiegte den Kopf, was einem 'So-la-la' gleich kam. Der gute Zissus ... er und Vranyk hielten das Geschäft am Laufen, während Sademos nun im Tode Frieden fand und Kazel den notwendigen Schlaf nachgeholt hatte. Er verdankte beiden mehr als sie vielleicht erkannten. Und beide hatten durch sein Aufkreuzen Verluste erlitten. Ein Tod war notwendig gewesen und der andere ... vollkommen sinnlos. Doch weitere Schicksal sollten mit seinem verknüpft werden wie er feststellen musste. Der junge Wächter diente ihm nicht ganz ohne eigene Motive und belud ihn damit gleich mit der nächsten Aufgabe. Ob Kazel jemals lernen würde 'nein' zu sagen?
"Ein Bordell..."
, wiederholte der Mischling. Das passte gar nicht zu seiner Tante oder etwa doch? Er war noch zu jung gewesen, um sich mit sexuellen Themen auseinanderzusetzen. Aber er erinnerte sich, dass zumindest im Anwesen der Tenebrées niemals ein reiches Kommen und Gehen fremder Personen geherrscht hatte. Was inzwischen aus dem Anwesen geworden war, konnte er nicht sagen. Aber Janay hatte sicher mehr gesehen, sie wusste Bescheid! Aus ihrem Mund würde Kazel garantiert mehr erfahren als aus dem seiner verlogenen Verwandten. Vielleicht hatte Janay die genannten Zwillinge sogar angetroffen. Vielleicht war diese Aufgabe sogar recht einfach zu bewältigen und nicht so groß, wie die halbe Stadt retten zu wollen. Das hier konnte er sicher tun!
"Ich finde beide. Wenn es ihnen schlecht geht, hol ich sie da raus. Falls du mir weiterhin zur Seite stehen willst, wirst du es leichter erfahren als wenn ich auch dich erst suchen muss. Aber es steht dir frei, das Haus zu verlassen, wenn du dich hier nicht wohl fühlst."
Ob Sademos jemals so mit ihm gesprochen hatte? Abermals zuckte das Auge des Wächters. Etwas nervös rieb er sich die Schläfe daneben.
„Ich werde bestimmt nicht gehen. Den Lohn, den ich hier erhalte bekomme ich sonst nirgends! ...und... abgesehen von der Bezahlung... Es ist nicht schlecht hier... wenn man keine Fragen stellt.“
Sademos war also kein Geizhals gewesen, aber verlangte Verschwiegenheit - verständlich in Morgeria.
"Wie heißt du?"
Abermals blinzelte der Wächter und stellte sich mit einer Verbeugung nun formvollendet vor, was zumindest erahnen ließ, dass er aus gutem Hause stammte. Beim Sammler zu arbeiten war also für einen Morgerianer lohnenswert und brachte Prestige:
„Mein Name ist Rinal Celeborn. Euch zu Diensten.“
Kein Name des Hochadels, den Kazel vielleicht dann doch erkannt hatte. Der Nachnahme beschwor allerdings ein Wappenbild in ihm herauf, dass er als junger Mann einmal gesehen hatte. Ein silberner Baum auf schwarzem Grund. Heraldik war etwas, dass er schon fast in sich vergessen geglaubt hatte, aber der Baum war hübsch gewesen.
Kazel folgte dem anderen weiter die Gänge entlang und machte Pläne. Die Frage blieb noch, an welcher Stelle er seine Tante integrierte. Er würde sich nicht viel Zeit für sie nehmen. Das war sie ihm nicht wert. Trotzdem wurmte es ihn, dass sie noch ein so volles Stundenglas besaß. Er wusste, dass er seinen Lehrmeister damit vielleicht enttäuschte und in Morgeria vermutlich neue Probleme schuf, aber er sah keinen anderen Ausweg. Er durfte und wollte Starle nicht mehr auf Morgeria loslassen, aber war ihr Ableben wirklich die Lösung? Gab es vielleicht andere Möglichkeiten?
Endlich erreichten sein Wachmann und er den Flur zum Ballsaal, der sich sehr verändert hatte. Gestelle mit aufgespannten Laken und der ein oder andere Paravan waren herbei geschafft worden und teilten den breiten Gang nun zu zwei Seiten ab. Davor standen jeweils zwei Wächter und auf Kazels Richtung, aus der er gerade kam, saß noch ein schlafender Mann in einem Sessel, der dem Wort 'überarbeitet' eine ganz neue Bedeutung gab. Die Augenringe waren tief unter seinen Wimpern und die Wangen fahl. Die Frisur im Nacken grob geflochten. Mehr konnte Kazel im Vorbei gehen erst einmal nicht erkennen, aber irgendwie kam es ihm so vor, als hätte er ihn schon mal gesehen. Ach ja, kurz bevor er vor drei Tagen ohnmächtig geworden war.
Dann fiel sein Blick auf eine ihm sehr viel bekanntere Gestalt...

Janay:
Da war diese Frau, dir ihr irgendwas erklären wollte und Zissus erschien, allerdings blieb er auf Abstand. So bekam Janay die Zeit, darauf zu reagieren und ihn zu entdecken. Ein kleines, schwaches Leuchten der Freude erschien in ihrem Blick, während er sich an die andere wandte.
Sie versuchte zu zuhören und zu verstehen, doch es fiel ihr noch immer unendlich schwer, mehrere Minuten am Stück konzentriert zu bleiben. Durch das viele Träumen war ihr Geist noch nicht ganz wider auf Kurs. Er sprang noch wie ein munteres Eichhörnchen durch ihren Kopf, von Schädelplatte zu Schädelplatte und verstreute ihre Gedanken wie fallen gelassene Haselnüsse. Das war anstrengend und Janay drohte auch noch immer des Öfteren, wegzudämmern. Zumindest bis ihr Freund an ihrer Seite war und direkt mit ihr sprach. Ihre Augen richteten sich auf sein Gesicht, auf seine Züge und ein kleines, feines Lächeln schaffte es, sich in ihren Mundwinkel zu schleichen.
Was hatte er gesagt? War das wichtig?
Er war hier und es schien ihm besser zu gehen. Natürlich freute sie sich, auch wenn sie sich über Kazels Anblick noch mehr gefreut hatte. Es sei denn...
Plötzlich kehrte dieser eine Gedanke zurück und schürte die Angst in ihr, dass sie blass wurde und ihr das Gesicht entgleiste. Tränen schossen ihr in die Augen und sie fühlte, wie sie zu zittern begann, was wiederum die Schmerzen weckte.
"Mei... mein... mein Kind...?"
, hauchte sie tonlos und spürte, wie sich ein Schluchzen anbahnte, das sie kräftig durchzuschütteln drohte.
„Was hat sie gesagt?“
, fragte die weibliche Stimme. Zissus hob den Blick und übersetzte:
„Sie fragt nach ihrem Kind.“
, aber das bekam Janay nur noch wie durch Schleier mit. Die Furcht vor dem Verlust war schlagartig so unendlich groß, dass es nach all den hervor geholten Erinnerungen und Alpträumen zu viel für ihre Nerven war. Schon rollte die erste Träne ihre Schläfe hinab...

Kazel:

...Zissus stand in ihrer Nähe, aber Kazel übersah ihn schlichtweg, denn jemand anders zog sein ganzes Sein an. Er blendete auch die Heilerin aus. Im Grunde fiel alles in seinem Sichtfeld in dunkles Grau, abgesehen von der breiten Matte, an die seine Liebste gefesselt war. Vor Schreck weiteten sich Kazels Augen. Er verstand nicht, was man mit ihr angestellt hatte. Er sah sie nur da liegen, fixiert.
Wie die Frauenleiber...
Kazel ächzte und taumelte, als seine Beine ihm den Halt verwehrten. Im letzten Moment fing er sich, weil ihn Rinal rechtzeitig an der Schulter packte.
"W-was ... ist das hier? Janay. Janay, geht es dir gut?!"
Er löste sich vom Arm seines Wächters und stolperte voran in die Arme eines anderen Mannes.
"Was soll das?!"
, fauchte Kazel, ehe bekannte Konturen durch den Schleier seines Zorns schimmerten.
"Zissus..."
Kazel beruhigte sich. Er mochte nicht vielen trauen, aber der Pfauenmann genoss wenigstens einen Teil davon und wenn er hier war, dann hatte es offenbar seine Richtigkeit, dass Janay so behandelt wurde. Er vertraute darauf und hoffte, nun kein Messer des Verrats in den Rücken gerammt zu bekommen. Deutlich besonnener wiederholte er seine Frage:
"Was ist das hier? Warum ist sie gefesselt? Wie .. geht es allen gut?"
Plötzlich kam es ihm so vor, als hätte sein treuer Wächter mit den Glitzeraugen überhaupt nichts zu ihm gesagt. Er wusste nichts mehr. Sein Fokus hatte sich binnen eines Herzschlages verschoben und lag nun ganz bei Janay. Zissus verstand das uns hielt seinen Freund sanft an den Schultern, damit dieser nicht noch aus versehen auf einen der Verbände trat.
„Kazel...“
, raunte er so sanft er konnte und seine Stimme legte sich wie Samt um die Sinne des Leid geplagten Sturmadlers.
„Bleib bitte ruhig. Das hat alles seine Richtigkeit. Sie darf sich nicht bewegen, da sie sonst… Orima? Kannst du bitte erklären?“
Aber Zissus gab Kazel nur verbal weiter. Sein Körper blieb in seinen Armen und er drückte eine seiner Hände. Sein Daumen streichelte den Handrücken des Freundes, während der andere Arm seine Schultern umfing.
„Hör ihr zu.“
Die Heilerin trat näher und musterte Kazel.
„Schön, dass ihr wach seid...“
, aber in diesem Moment wurde Janay bewusst, das ihr Liebster bei ihr stand. Das Kartenhaus ihrer Selbstbeherrschung brach in sich zusammen und dicke Tränen rollten ihre Augenwinkel hinab, brannten auf den Schläfen und versickerten im aufgelösten Haar.

Wieder vereint.
Im denkbar schlechtesten Moment erschien Kazel um Janay so vollkommen hilflos vorzufinden. Er drang bis zu ihr vor und als sie ihn sah, seine Stimme hörte, da war es für sie endgültig vorbei. Immer mehr Tränen liefen aus ihren Augen und das Schluchzen wurde stärker, unkontrollierbar schüttelte es sie in immer kürzeren Abständen, unbeeindruckt von den Schmerzen, das es dabei auslöste.
Konnte Leid einen Körper töten?
Vielleicht?
Janay schien es ausprobieren zu wollen.
Die Welt um sie herum verschwamm in einem Meer aus Tränen, da sie der festen Überzeugung war, dass sie es nicht geschafft hatte, das Ungeborene in ihrem Bauch zu schützen. Ihre Seele geriet bei dem Gedanken in Panik und ihr Körper antwortete mit Schüttelkrämpfen. Ihre Angst formte die Furcht zu einer reißenden Spirale, dass sie sich nicht weit genug gedreht hatte, ehe die Waffe in sie eingedrungen war. Ihr Körper versuchte sich zu drehen, der Klinge noch einmal zu entgehen. Die Schmerzen kamen mit Macht zurück und raubten ihr zwischen den Schluchzen den Atem. Es stach! Es brannte! Es wurde warm und feucht... Hatte sie nicht still liegen bleiben sollen?!
„SCHEISSE! Haltet sie fest!“
Orima packte rigoros die verbundenen Hände der beiden Männer, bellte laut an ihnen vorbei:
„ORIEL!“
und riss sie mit sich. Kazel wurde am Kopf platziert, Zissus an den Oberschenkeln und der Gerufene, torkelte schlaftrunken herbei um Janays Rumpf zu fixieren. Ach ja, der Assistent. Drei Männer waren nötig um das Schlimmste zu verhindern. Aber das Bild und die nächsten Minuten würde keiner von ihnen je vergessen.
Janay krampfte und ihr Körper entwickelte dabei ungeahnte Kräfte. Oriel hatte sich fast mit seinem ganzen Gewicht auf sie gestützt und trotzdem schaffte es die zierliche Elfe weiter zu zucken. Die gefesselten Arme rissen an den Verbänden, die sie sanft halten sollten und würden sicher einige unschöne Mahle hinterlassen. Kazel hatte Janays Schultern und presste sie mit je einer Hand nach unten während ihr Kopf zwischen seinen Handgelenken sich ruckweise immer mehr in den Nacken überstreckte und ihr Schaum aus dem Mundwinkel lief. So würde sie doch ersticken... musste man sie nicht drehen? Sie musste doch atmen!
„NOCH NICHT! HALTEN!“
Janays Rücken wölbte sich trotz der Last ein Stück nach oben und Zissus keuchte in ihr Röcheln hinein:
„...hier ist Blut und... sie bewegt ihre Beine nicht mehr...“
Seine Stimme trug dunkle Vorahnungen in den Raum zwischen Angst und Überlebenswille. Orima sah aus, als wollte sie Janay eine kleben, so wütend starrte sie ihre Patientin an. Seit Tagen hielt sie sie am Leben und eine kleine dramatisch platzierte Panikattacke reichte um alles zunichte zu machen! Sekunden wurden zu Minuten und manch einer wünschte sich vielleicht, er könnte die Zeit beschleunigen in der Janay gerade gefangen lag, das Leid schneller vergehen lassen. Es war schrecklich! Orima stand kurz auf, griff in nackter Verzweiflung nach einem Fläschchen und riss den Stöpsel ab. Dann benetzte sie einen Verband und drückte ihn Janay aufs Gesicht. Wollte sie sie umbringen???

Kazel hörte in seinem Kopf:
„Wenn sie nicht immer vom Schlimmsten in allem ausgehen würde, hätte ich ...wir mit ihr deutlich weniger zu tun.“
Aber es fehlte die vertraute Kälte seines Meisters und Janay blieb im Leben und im Leid gefangen.

Endlich flaute das Zittern und Zucken ab.
„JETZT!“
Orima setzte den Prozess in Gang, der Janay wieder Luft verschaffte. Schaumiger Auswurf spritze aus ihrem Mund und ergoss sich über die Laken. Die operierte Seite lag nun oben und alle konnten den blutig roten Fleck an ihrer Flanke sehen, der langsam größer wurde.
„Das ist schlecht!“
, kommentierte der Assistent. Janay sackte nun vollkommen schlaff in sich zusammen und flüchtete sich abermals in einen verstörenden Traum.
„Ihr könnt jetzt los lassen! Ihr beide: RAUS!“
, fauchte sie Kazel und Zissus an, als wären sie schuld am Zustand ihrer Patientin. Zissus zog Kazel weg, damit die Heilerin in Ruhe arbeiten konnte. Sie fauchte:
„Bringt mir endlich Blut!“

Kazel:
Als der Mischling endlich wieder klar denken konnte, saß er in jenem Sessel wo eben noch Oriel geschlummert hatte und neben ihm stand tatsächlich auf einem kleinen Tisch ein Tablett mit Broten. Irgendeine runde Frucht lag noch dazwischen und ein dampfender Becker stand in der Mitte. Nichts von alle dem hatte Bedeutung. Das einzige was Kazel sah, war das Leuchten hinter dem Laken, dass Orima nun in voller Kraft in Janays Körper leitete und ihre wütende Stimme die befahl:
„WEHE DU STIRBST MIR HIER WEG! ICH REISS MIR HIER DEN ARSCH AUF DÜR DICH! LOS! NIMM ES AN!“

Janay:
...bekam von alle dem nichts mit. Das einzige Licht, dass sie wahr nahm, war das in ihren Träumen.

((ooc: Kannst dir gern noch mal was schickes ausdenken. Nur bitte was mit Licht einbauen. ;) ))
Bild

Antworten

Zurück zu „Wohnviertel Morgerias“