Der Innenraum der Schenke

Balars einzige kleine Taverne wird von einem Mann namens Barnor geführt. Sie ist ein Treffpunkt für die Dorfbewohner, die sich abends nach der Arbeit auf ein Bier hier einfinden und plaudern.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Montag 19. September 2022, 20:46

Barnor war ein praktisch denkender Mann, sonst hätte er es nicht geschafft, seit Jahren erfolgreich in diesem verschlafenen Nest eine Schenke zu führen, die zum Treffpunkt schlechthin geworden war. Tagsüber für Frauen oder gar Familien und abends für die Arbeiter und Heimkehrenden. Egal wer, man war willkommen, solange man sich bis zu einem gewissen Maß zu benehmen wusste.
Doch das bedeutete eben, dass man alles im Auge behalten musste, auch, was das Inventar, das Zubehör und die Vorräte betraf. Viel zu viel, als dass der Wirt selbst das tun konnte, aber er hatte ein gutes Händchen dabei bewiesen, wen er bei sich arbeiten ließ. Michael mochte öfters ein wenig arbeitsscheu sein, jedoch war er noch ein Kind und man sah es ihm gelegentlich nach, wenngleich Josa eine strenge Hand bewies.
Die Schankmaid indes war nicht nur mit dem Mundwerk fleißig und konnte längst selbstständig entscheiden, welche Informationen Barnor zugetragen werden mussten und welche unter den Tisch fallen konnten. Auch der Koch hatte sich inzwischen eingelebt, sodass er ebenfalls sein Scherflein zum Betrieb beizutragen wusste. Entsprechend liefen bei dem Wirten alle Fäden zusammen und er konnte zusätzliche Arbeit einteilen, so wie jetzt, als er Barnabas weitere Aufträge gab, wenn dieser sich später schon auf den Weg machen würde.
Außerdem würden sie bald Besuch erhalten und dieser musste entsprechend bewirtet werden. Zwar konnte Barnor problemlos in Münzen zahlen, allerdings käme es ihm im Endeffekt günstiger, wenn Fritz einen Teil in Naturalien erhalten würde. Das war sogar noch besser, denn durch Männer wie Fritz wurden mitunter neue Gäste, sofern es diese denn mal gab, hierher gelockt, denn der Fassbinder wusste, eine gute Küche zu loben und bekannt zu machen. Somit taten sie gut daran, diesen Mann nicht zu verstimmen, obwohl das bei ihm wahrscheinlich sowieso kaum möglich war. Und trotzdem...
Geräusche aus der Küche lenkten ab und der Wirt widmete sich seinen eigenen Aufgaben, schließlich wusste er, wer diesen Lärm verursachte. Solange die Gäste nicht belästigt wurden dadurch, konnten seine beiden Angestellten sich miteinander kabeln, so viel sie wollten. Denn die Schankmaid war längst auf den Beinen und nicht so lange im Bett gelegen wie der Koch, das ließen ihr Tagewerk auch gar nicht zu. Noch dazu hatte sie schlecht geschlafen und Bewegung half ihr dabei, die müden Knochen wieder in Schwung zu bringen. Erst recht, wenn sie zusätzliche Arbeit hatte, so wie jetzt in der Küche.
Dass Barnabas heran trampelte, hielt sie weder von ihrem Tun ab, noch ließ es sie sich ertappt fühlen. Sie war so lange an diesem Ort die Herrin gewesen, dass sie sich diese Freiheit einfach heraus nahm. Nur leider... hatte er alles umgeräumt, sodass sich absolut nichts von dem finden ließ, was sie brauchte!
Es dauerte, bis er seine Fassung zurück erlangte und ihr eine Antwort gab, die dafür sorgte, dass sie ihm einen bösen Blick über die Schulter zuwarf. "Das ist das reinste Chaos hier! Gibt genug Schüsseln und Töpfe, die schon eine Staubschicht angesetzt haben, so wenig benutzt du die. Den Inhalt kann man gar nicht mehr erkennen! Wann machst du eigentlich mal ordentlich sauber? Ich wisch dir sicher nicht hinteher!", schimpfte sie weiter und verdrehte die Augen, als sie sich schon wieder abwandte und sich in einem appetitlichen Anblick nach vorne beugte.
"Jetzt red' keinen Stuss, hilf mir lieber! Und Florencia sei dir gnädig, du mit deinen wurmigen Äpfeln!", fuhr sie unbeeindruckt fort, um weiter zu suchen.
Bis er plötzlich hinter ihr war, sie packte und einfach zur Seite schob. "Hey!", beschwerte sie sich, richtete sich auf und stemmte die Hände angriffslustig in die Seite. "Als ob ich verschwenderisch wäre!", protestierte sie.
Da war etwas Wahres dran. Sie mochte die Portionen für manch einen Gast zeitweise etwas... großzügig bemessen, aber sie wusste meist, wann das angemessen war und wann sie gut daran täte, knauserig zu sein. Ja, anfangs hatte sie sogar ihm über die Schulter gesehen beim Kochen und ihm den freien Zugang zu den Vorräten verwehrt, bis sie sich davon überzeugt hatte, dass er nicht verschwenderisch damit umging, sondern hauszuhalten wusste. Erst nach diesen paar Wochen konnte er großteils in der Küche schalten und walten, wie allein er wollte. Jetzt hingegen...
"Sie ist keine Kröte, sie ist ein armes, kleines Ding, das allein durch den Wald gelaufen ist!", verteidigte sie das Kind sofort mit jenem Inbrunst, den nur eine Mutter in sich trug, das ihren Nachwuchs bedroht sah.
"Pff, hättest wohl gern! So eine Sehnsucht hat sie nun auch nicht nach dir gehabt!", spottete Josa dagegen, ehe sie ernst wurde und den Kopf schüttelte. "Sie schläft noch. In der Nacht hat sie leicht gefiebert, die Nase läuft und wenn wir Pech haben, hat sie sich einen kräftigen Husten eingefangen oder schlimmeres.", seufzte die Schankmaid und zuckte mit den Schultern.
"Am besten machen wir..." Was übersetzt so viel bedeutete wie: DU! "... nachher Wasser heiß und stecken sie in den Zuber. Dreckig genug ist sie ja, dass es sicher nicht schadet."
Und noch mehr Arbeit für den Koch. Wobei sich die Frage stellte, ob er seinen Abgang Richtung Wald nicht vorziehen sollte, um ihren weiteren Vorhaben zu entgehen. Am Ende sollte er auch noch auf das Balg aufpassen, während Josa bediente!
Dennoch schienen ihre Worte zu wirken, denn mit einem Mal gab er nach und half ihr, endlich alles für den Brei zusammenklauben zu können. Erst am Schluss übertrieb er es, sodass sie ihm laut und deutlich, dass es auch im Schankraum gut zu hören war:"Dann verschlaf nicht den halben Tag, dann werd' ich auch vorher fragen!" Sie musste eindeutig das letzte Wort haben, typisch!
Der Wirt sah lediglich fragend drein, denn das meiste hatte er nicht hören können. Michael hingegen grinste verschmitzt und murmelte, als Barnabas in Hörweite war:"Das behauptet sie von mir auch immer. Dabei kann ihr keiner früh genug aufstehen!" Ja, als Sohn der Schankmaid wusste er gewiss ein Lied davon zu singen. Wobei der Zeitpunkt des Aufstehens vermutlich reine Ansichtssache wäre...
Während der Koch somit seinen selbst gewählten neuen Aufgaben nachging, werkelte Josa weiterhin in der Küche. Der Holzscheit war rasch geholt und da sie bereits draußen gewesen war, wusste sie um den aufgeweichten Boden, sodass sie nicht unvorbereitet davon getroffen wurde. Trotzdem konnte auch sie nicht verhindern, dass sie ein paar Spuren auf dem Küchenboden hinterließ. Er würde später schon sauber machen...
Danach stellte sie den Honig bereit und holte sich zwei schrumpelige, kleine Äpfel, die sie geschickt schälte und mit dem Messer schließlich zerdrückte, um eine Art Obstbrei zu erhalten. Als sie damit fertig war, holte sie sich einen kleinen Topf und begann damit, Milch zu erwärmen, was ohnehin seine Zeit dauern würde. Allerdings war das auch eine sehr heikle Aufgabe, denn man durfte nicht unachtsam werden, sonst würde sie übergehen und noch mehr Sauerei machen als ohnehin schon.
Also blieb sie dabei stehen und konnte den Topf gerade endlich zur Seite stellen, weil die weiße Flüssigkeit zu steigen begonnen hatte, als der Koch zurück kehrte. Nur kurz sah sie auf und warf ihm einen tadelnden Blick zu, ehe sie sich nach dem Hafer umdrehte, sich das Säckchen nahm und damit begann, ihn in den Topf rieseln zu lassen. Wobei sie sorgsam und konzentriert rührte, um keine Klumpen zu bekommen.
Erst, als sie zufrieden war, stellte sie ihn wieder zurück, holte Honig und Apfelbrei und mischte auch diesen unter. Noch wirkte es recht flüssig, aber sie wusste aus Erfahrung, sobald die Milch abkühlte, würde es fester und schmackhaft, doch vor allem sättigend werden.
"Du polterst wie ein Troll durch ganze Haus. Wenn du sie damit nicht aufgeschreckt hast, ist sie noch immer im Bett, das hab ich dir vorhin gesagt." Sie sah ihn tadelnd an. "Ich hätte nicht gedacht, dass du so gemein sein kannst. Oder liegt es daran, dass sie dich so an der Nase hat herumtanzen können gestern?" Ihre Augenbrauen hoben sich an und ihr Blick wurde herausfordernd.
Dann, endlich, nahm sie ihm die Puppe ab und nickte. "Gut, ich werde sie ihr bringen. Vielleicht hilft ihr das, etwas ruhiger zu werden. So viel, wie du herum polterst, so viel arbeitet sie im Schlaf. Wenn ichs nicht besser wüsste, würde ich dir glatt einen Fehltritt unterstellen!" Damit legte sie die Puppe sorgsam beiseite, griff sich eine Schale und begann damit, den fester werdenden Brei umzufüllen.
Ob ihre Worte etwas bei Barnabas bewirkten? Sie waren flapsig daher gesagt gewesen und konnten sicherlich niemals einen wahren Kern haben, dazu kannten sie beide sich ja auch noch nicht lange genug und er erzählte selten etwas aus seiner Vergangenheit. Und trotzdem... Wäre das des Rätsels Lösung? Ach, was! Als ob er... Oder...?
Noch bevor sich der Koch darüber einig werden konnte, welchen Gedanken er nun verfolgen wollte, rief ihn Barnor zu sich. "Ah ja, vergiss das heiße Wasser nicht!", sandte ihm Josa hinterher, als ahne sie, dass sie sonst nicht mehr so rasch die Gelegenheit dazu hätte, ihm das Schleppen aufhalsen zu können. Weiber!
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Freitag 23. September 2022, 12:19

Als hätte ihm ein vom Blitz getroffener Ochse ins Gemächt getreten. Anders konnte man das Verharren nicht beschreiben. Irgendetwas war anders bei Josa und ihr Verhalten, früher schon aufsässig und kämpferisch, hatte eine neue Note erhalten. Etwas unbekanntes und herrisches. Natürlich war diese Küche ihre Wirkungsstätte gewesen und es gab einige Dinge die er anders anging, aber dennoch passte das harsche Verhalten nicht zu der Schankmaid. Selbst seine Versäumnisse wurden zwar kritisiert, aber immer mit einem beiläufigen Lächeln oder einem, im allgemeinen als harmlos zu bezeichnenden, Witz garniert. Jetzt wurde ihm beinahe der Kopf von den Schultern geholt, weil er keine frischen Äpfel vorrätig hatte. Dabei wusste die junge Frau eigentlich, dass es selten jemanden gab der frische Früchte verlangte. In den heißen Regionen des Kontinents gab es über den Tag verteilt selten warme Mahlzeiten und man genoss Datteln oder andere frische Beilagen für ein Mahl. Verständlich, denn man wollte sich nicht den Bauch wärmen, wenn um einen herum die Sonne jedes Sandkorn in Flammen aufgehen ließ. Doch in dieser Gegend schätzen die Bauern und Arbeiter einen gekochten Brei oder Marmeladen zu ihrem Brot. Damals, im Lager der Stiere, konnte Barnabas von einigen Reisenden lernen, dass gut gereifte Früchte eingekocht eine vom Geschmack her sehr intensive Konfitüre ergaben, welche mit wenig oder gar keiner Süßung auskam. Es gab also Gründe für den Mann die Äpfel etwas 'schrumpelig' werden zu lassen. Normalerweise wusste Josa das auch. Sie war nicht ungeübt. Das veranlasste den Koch jedoch noch mehr zu der Annahme, dass etwas ihre Aufmerksamkeit stark beeinflusste.
Gedankenverloren schöpfte er sich etwas von der milchigen Speise aus dem Topf ab. „Es könnte das Mädchen sein. Allerdings habe ich Josa wegen Michael noch kein so ein Theater machen sehen.“, murmelte Drogan vor sich hin, während er einen der vielen Holzlöffel in dem Wascheimer von letzter Nacht suchte. Sie waren bereits trocken und konnten erneut verwendet werden. Sein Magen knurrte und endlich gönnte ihm sein Besitzer eine warme Portion Haferbrei. Natürlich konnte Barnabas, so sehr er auch darüber nachdachte, nicht nachvollziehen, was ein armes und vielleicht krankes Kind für Gefühle in einer Mutter auslöste. Während die Theorien und Annahmen mit jedem erneuten Bissen durch seinen Kopf gingen, dachte er an seine eigene Mutter zurück. Selbstverständlich wusste Drogan, dass der Rotschopf das Kind umpflegte und daher auch abgelenkt war, doch Sylaa war eine Mantronerin und ihre Art von Zuneigung eine ganz andere gewesen. Es gab keinen Moment in seiner Kindheit oder Jugend an dem er sich nicht von seiner Mutter geliebt gefühlt hatte. Das galt auch für seine Brüder. Sogar in Zeiten als die Blechjungs mal wieder für ausreichend Chaos gesorgt hatten und dafür Schelte kassierten. Drogan erinnerte sich an eine Keilerei zwischen Arnulf und dem jüngeren Thomas. Schimpfworte flogen und Arnulf hatte sogar einen Zahn verloren. Allerdings nur aus dem Grund, dass Sylaa dazwischen gegangen war, jedem einen harten Schlag verpasste und meinte, dass eine Prügelei so auszusehen hätte. Wenn man es nicht richtig machen konnte, sollte man es lieber gleich sein lassen. Eine praktische Lektion und bis heute in seinem Kopf verankert. Im Nachhinein waren die zwei Füchse, um die es bei dem Streit ging, in seine Tasche gewandert: Wenn zwei Raben an der Börse picken, freut sich die Elster über das Gold. So sagt man.
Genussvoll zerkaute Drogan einen kleinen Breiklumpen und legte den Löffel nachdenklich an seine Lippen. „Ob ich wirklich gemein bin? Hmpf.“, rümpfte er die Nase und schüttelte ablehnend den Kopf. Mit Sicherheit war seine Art und Weise nicht kindgerecht. Aber zu seiner Verteidigung. Er war kein Vater oder Vormund. Und seine Aufgabe als Onkel war schon lange her. Das freche Gör hatte sich einfach in ein fremdes Haus geschlichen, gestohlen und die Ruhe gestört. Das hätte es im Hause Kupferblech nicht gegeben. Niemals wäre jemand der hungert und friert abgewiesen worden. Aber das setzt voraus, dass man sich beim Hausherren vorstellt und um Obdach bittet. Sich einfach etwas zu nehmen gilt als Diebstahl. Wenn die Eltern keine vollkommen verlausten Tunichtgute sind, sollten sie ihrem Kind die wichtigen Grundlage beibringen. Und der dreckige Quälgeist wirkte trotz der tausenden Tonnen von Schlamm nicht so als wäre es um die Lage seiner Familie schlecht bestellt. Diese Kleidung war bestimmt nicht billig und wurde auch aus der Hand angefertigt. Ob selbst oder bezahlt. Der Stoff dafür war keine Schweinejute. Zur Bekräftigung seiner Meinung schluckte der Mann nun zwei oder drei Löffel Brei lautstark hinunter und nickte stumm. Am schlimmsten jedoch empfand es Barnasbas, dass Josa in Betracht zog, der Vater dieser Göre zu sein. Ein Gedanken der den ehemaligen Söldner erschaudern ließ. Natürlich gab es ausreichend Gelegenheiten so einen 'Fehltritt' verantwortet zu haben. Aber zum einen war er nie lange genug an einem Ort gewesen, um das Resultat besagter Nächte abzuwarten und zum anderen war er auf dieser Insel noch nie in jemanden auf diese Art und Weise getreten. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich etwas aus seiner Vergangenheit nun bis hierher verirrt haben sollte, war so abwegig, dass die vorherige Befürchtung an Bedrohung verlor und dann ganz vergessen wurde. Kratzend schabte Barnabas die Reste des Breis in der Schüssel zusammen und nahm den letzten Bissen zu sich. Das gekochte Getreide lag schwer im Magen und würde einen Großteil des Tages vorhalten.
Barnor steckte kurz den Kopf in die Küche. „Barn, wir haben ein paar Gäste. Stell' drei einfache Frühstücksteller zusammen, bevor du dich um deine Aufgaben kümmerst.“ Und schon war der Kerl wieder verschwunden. Der Koch warf die Schüssel klappernd in einen Zuber unter der großen Arbeitsfläche und war immer wieder begeistert, wie gut der Wirt seine Wirtschaft unter Kontrolle hatte. Ohne lange darüber nachzudenken stellte Drogan ein kleines, aber wirksames Essen zusammen. Drei weitere Schüsseln mit Brei, ein Töpfchen mit frischem Pflaumenmus und dazu sechs dicke Scheiben Schwarzbrot. Der Bäcker des Dorfes hatte erst vor zwei Tagen vier volle Laibe gebracht und Barnabas hielt sie trocken und sicher in der Vorratskammer. Der volle Geschmack davon Roggen war köstlich und die Kruste zwar nicht mehr knackig, aber immer noch bissfest und satt an Geschmack. Dick bestrichen mit Mus war es eine herrliche, ländliche Delikatesse für den perfekten Start in den Tag. Die einfachen Menschen vom Lang schätzen Mahlzeiten. Man wollte lange satt sein und ausreichend Kraft für die Aufgaben des Tages haben. Durch die Arbeit vergaß Drogan für einen kurzen Moment die Sorgen um die Auftauchen des Mädchens und brachte die Platten geschickt nach vorne auf den Tresen. Die Gäste waren bekannte Gesichter und auf den Weg in die Wiesen, den Wald oder die Felder. Jeder hatte bereits einen Krug vor sich stehen. Aus dem Augenwinkel konnte der Koch erkennen, dass es sich dabei um das dicke Starkbier aus dem Keller handeln musste. Anders als das leicht bekömmliche Kräuterbier, war diese Sorte schwer und sättigte zusätzlich. Der bittere Nachgeschmack war zudem eine herrliche Kombination zum süßen Pflaumenmus. „Danke, Barnabas, sieht gut aus. Ich soll dich von Hermann grüßen.“, sagte die Frau in der Mitte der Dreigruppe. Sie war Erntehelferin und lieferte die Waren einiger Handwerker an die Kunden der Umgebung. Hermann war der Kräutermann und Apotheker des Ortes. So etwas wie einen Arzt oder Heiler konnte sich hier niemand leisten. Dies war mitunter der Grund, warum sich Vertreter dieser Stände, wenn sie sich doch einmal hierher verirrten, nicht lange blieben und somit war Hermann ein wichtiges Mitglied der Gemeinschaft. Von Zeit zu Zeit erwarb Barnabas Kräuter und Gewürze vom ihm. „Danke, wenn du ihn vor mir sehen solltest, sag ihm, dass ich bald mal wieder bei ihm reinschauen werden. Und jetzt genießt euer Essen.“, erwiderte der breitschultrige Koch, bevor er sich wieder in die Küche zurückzog. Dabei trat sein Fuß ein oder zwei abgetrocknete Erdklumpen vor sich her. Der Blick verfinsterte sich und ein Seufzen kam aus seinem tiefsten Inneren. Es war nicht genug damit, dass Josa hier herumlief wie eine Drachenmutter und das schmutzige Nesthäkchen umgarnte, nein, sie sorgte auch dafür, dass auch der Rest des Hauses eine gleichmäßige Drecksschicht erhielt. Das seine Stiefel ebenso Schmutz hereinbrachten ignorierte er dabei konsequent. Am Ende half jede Form der Beschwerde nichts. „Verdammte Harpyie mit ihrem blöden Balg.“, grummelte er laut, während die schwieligen Hände den Stiel des Reisigbesens umfassten und mit kräftigen Schwüngen die halbtrockene Erde in ein Loch in der Ecke kehrten. Ein Eimer wurde durch eingelassen. Dieser erleichterte das Reinigen der Böden sehr und bei Bedarf konnte er herausgenommen und im Hinterhof entleert werden. Praktisch. Nachdem der kritische Blick des Kochs zufriedengestellt wurde, stellte er sein Utensil wieder in die Ecke und hievte den Eisenkessel auf die Feuerstelle. Josa's übertriebene Sorge um das Wohl der Fremden war ihm zwar ein Dorn im Auge, aber er wollte nicht, dass das Kind wirklich krank wurde oder sogar starb. Selbst wenn sein Herz seltsam und von Kontroversen beseelt war, so wollte es den Tod eines kleinen Menschen in dieser Situation nicht hinnehmen. Solange man ein Leben bewahren kann, so wollte es Drogan auch tun. Vielleicht war es auch der Versuch wenigstens einen kleinen Ausgleich für die unzähligen Kinder zu schaffen, die durch seine Taten ums Leben kamen. Die Balance halten, wie es Drogan von Zeit zu Zeit gerne bezeichnete. „Florencia kann sich ihre Eicheln in den gepuderten, borkigen Arsch schieben. Wenn das Kind badet, dann weil ich es will und nicht, weil diese Waldoberfee es mir vergütet.“, totterte Barnabas, als er sich zwei Holzeimer aus dem Lager schnappte und damit zum Brunnen vor der Schenke ging. Beim Vorbeigehen bemerkte er, dass die Gäste sich angeregt mit Barnor unterhielten und dabei schon gute Teile ihrer Mahlzeit verzehrt hatten. Ein zufriedenes Nicken überkam ihn, als er den Weg fortsetzte. Der Brunnen gehörte nicht zur Schenke. Diese befand sich aber an der Kreuzung in der Nähe. Eine kleine Schlange hatte sich gebildet. Die meisten Handwerker, wie Bäcker, Fleischer oder Papiersieder benötigen frisches Wasser für ihre Arbeit. Schmiede oder Gerber konnte auch das Wasser des nahen Bachs nutzen. „Ah, der Herr des Herdfeuers naht. Guten Morgen, eure Durchlaucht!“, witzelte Kunibert, der Gehilfe des örtlichen Krämers. Ein fauler Geselle und selten bei der Arbeit anzutreffen. Viele waren der Meinung, dass dieser Bursche seine Anstellung nur hatte, weil der alte Gieselheimer ein Lustmolch war und sich an dessen Mutter reiben mochte. Drogan hielt nichts von Klatsch und Tratsch. Seiner Meinung war es zwar unterhaltsam anderen beim Geifern und Wettern zuzusehen, aber man hatte nichts anderes davon. „Hallo, Kunibert. Was ist passiert? Hast du dir beim Kistenheben in die Hose geschissen und musst es jetzt sauberwischen?“, konterte der Dessarier und kniff ein Auge zu, als er gegen das Sonnenlicht in das rosige Gesicht seines Gegenüber blickte. Dieser gackerte gespielt und rollte dann mit den Augen. „Nein, der alte Giesel schickt mich Wasser zu holen, damit die Warenregale entstaubt werden können. Für mich ist das eine Ausrede, damit er wieder mit meiner Mutter allein sein kann. Geiler, alter Bock.“ Und so ging es hin und her, bis sich die Schlange leerte und auch Kunibert mit einem halbvollen Eimer und einem schmierigen Spruch zum Abschied wieder im Krämerladen an der Ecke verschwand. „Seltsamer Kerl.“, kommentierte Drogan in Gedanken und machte sich daran, seinen Eimer am Harken zu befestigen. Dieser war mit einem Seil verbunden, welches, auf eine Rolle gewickelt, über dem Schacht baumelte. Diese Wasserquelle war nichts besonders und hatte keinen Bezug zu den romantischen Brunnen aus Büchern und Sagen. Aus weißen Steinen, kreisrund erbaut und mit glänzenden Blüten umringt. Der satte Efeu schlängelte sich daran empor. Nein. Dieser einfache Holzschacht war umgeben von Pferdescheiße und schlammigen Pfützen. Landestypisch. Nachdem die quietschende Winde das zweite Mal einen voller Wassereimer nach oben befördert hatte, trat Barnabas den Weg zurück zur Schenke an. Dieses Mal achtete er allerdings darauf, dass er die angetrockneten Stellen und Felsen nutzte, um keinen weiteren Dreck in die Schankstube zu tragen. Jeder wusste, dass dies ein Unterfangen mit stark begrenztem Erfolg gewesen war und Drogan die Reste an seinem Stiefel am Balken vor dem Eingang abkratzen musste. Platschend fiel Mischung aus Fäkalien und Schlamm vor die Pforte. Damit niemand ihn dafür verantwortlichen machen konnte, trat er das Bündel einfach zur Seite und betrat die Schenke. Die Gäste waren inzwischen gegangen und Barnor schrubbte die Krüge aus. Das Geschirr fand Barnabas beim Eintritt in die Küche im Zuber wieder. Ohne große Problem hievte er den Inhalt der Eimer in den Kessel. Es zischte leise, denn das Feuer hatte den Boden bereits aufgeheizt. Der letzte Rest des Odems sollte das Wasser auf eine ausreichend hohe Temperatur bringen, damit das Mädchen ein Bad nehmen konnte. Klappernd wurden die Eimer ineinander gestellt und weggeräumt. Gerade als der Mann das Lager verlassen wollte, blieb er vor den Kräutern und Gewürzen stehen. Welch' Zufall, dass ihn Hermann hatte grüßen lassen, denn bei diesem Gedanken, fiel ihm etwas wieder ein. In der Zeit im Kloster gab es einen alten Mann der beinahe täglich kam, weil ihn schwere Lungenkrämpfe plagten und er eine Erkältung einfach nicht loswerden konnte. Ein Bruder mit dem Namen Claudius empfahl ein Bad in Thymianöl. Tatsächlich ging es dem Patienten einige Tage später deutlich besser. Claudius erzählte Drogan damals, dass Rosmarin und Thymian eine heilende Wirkung enthielten und auch vorbeugend für Erkrankungen der Lunge, des Hales oder der Atemwege waren. Beherzt griff Barnabas zu und fischte einige Stängel Thymian aus einem der Beutel. Die Menge sollte reichen. Zwar war es zu spät daraus ein wirksames Öl zu machen, aber dennoch sollten die ätherischen Säfte die erwünschte Wirkung erzielen. Unklar war, warum der Koch für das Mädchen die Vorräte der Küche plünderte. Am Ende entschied war es wohl besser sich um einen hungrigen Gast zu kümmern, als um einen hungrigen und kranken. Wieder in der Küche griff er sich den Mörser in der Ecke eines Regals. Normalerweise wurde dieser nur benutzt um Piment oder Pfeffer zu zermahlen. Von Zeit zu Zeit auch Körner oder Nüsse. Ein Kirschkuchen mit zerriebenen Haselnüssen war eine Sensation und lockte während der Sommermonate unzählige Gäste in Barnors Haus. Doch heute sollte diese Apparatur dazu dienen, die Öle aus den Gewürzen zu pressen. Um die Sache zu erleichtern, schöpfte Drogan etwas warmes Wasser aus dem Kessel und legte dann den Thymian hinein. Diese Prozedur erinnerte ihn an die längst vergangene Zeit hinter den dicken Mauern des Klosters. Salben und Tinkturen. Bisher war dies hilfreich gewesen um Schnittwunden zu behandeln oder Blutungen zu stoppen. Das es einmal dazu verwendet werden würde, um einem Kind einen bösen Schnupfen zu ersparen, wäre ihm nicht einfallen. Das Leben nimmt seltsame Wege. „Zehn, Neun, Acht, Sieben ...“, zählte Drogan leise herunter, damit das Kraut langsam im Wasser zog und die äußere Schicht aufweichen konnte. „Null.“, beendete er seine Prozedur und konnte bereits das starken Duft von Thymian wahrnehmen. Mit dem Stößel in der anderen Hand begann er nun langsam aber mit Druck die grünen Blättchen zu zerreiben. Das Wasser begann sich grünlich zu färben und der Duft wurde stärker. Hin und wieder schwenkte der Mann den Mörser. Die feste Pflanze war zu einem wässrigen Brei geworden. Zufrieden mit dem Ergebnis gab er es dem warmen Kesselwasser hinzu. Es dauerte nicht lang, bis sich der markante Geruch in der Luft verteilte. „Das sollte genügen.“ Allerdings tat sich ein Problem auf. So gerne er den Neuzugang in den dampfenden Kessel gesteckt hätte, so sehr wusste er auch, dass das eine unangenehme Diskussion mit Josa zur Folge hatte. Demnach musste eine andere Möglichkeit gefunden werden, um das Gör zu baden. Zudem machten sich Dreckreste nicht gut in einem Kesser, der zum Kochen gedacht war. Den Blick ließ er schweifen und blieb dann am Zuber für das schmutzige Geschirr hängen. Das wenige darin konnte noch an einem anderen Ort Platz finden und den Dreck könnte man später ohne Probleme auswaschen. „Wie sagte mein Vater immer: Wir kleckern nicht, wir klotzen.“, sprach sich Barnabas selber zu und kippte den Inhalt des spärlich gefüllten Zubers einfach auf den Boden. Einige Essensreste klebten darin. Sorgsam pickte der Koch diese mit den Fingern heraus und befand das behelfsmäßige Badeutensil für ausreichend gereinigt. Mit einer gekonnten Bewegung schüttete der Mann den Inhalt des Kessels in den Zuber. So konnte der Inhalt etwas abkühlen und verbrühte das Mädchen nicht sofort. Bevor er ging, stellte er die Eisenwaren zurück und trat nur einen Augenblick später auf die Treppe nach oben. Zwar bestand die Gefahr, dass die Zeit bis zum Mittagessen etwas knapp wurde, aber das glich er mit einem schnellen Gericht wieder aus. Für den Fall der Fälle aber, wäre Josa durchaus im Stande mit den übrigen Zutaten eine einfache Suppe zu zaubern. Allerdings ging Barnabas nicht davon aus, dass die kurzen Erledigungen und die versprochene Expedition in den Wald lange genug dauerten, um in arge Bedrängnis zu geraten. „Josa! Josa! Bring' die Kleine runter, das Bad ist fertig. Ich muss mich hier noch um etwas kümmern, also zwing' mich nicht dazu, das Mädchen wie einen Fisch in den Teich zu werfen.“ Jeder wusste, dass dies nicht ernst gemeint war, allerdings gehörte Drogan zu der Sorte Mensch, der man so eine Androhung ohne mit der Wimper zu zucken abnehmen würde. Bei der Rückkehr in die Küche packte sich der Dessarier ein paar Äpfel in einen Reisebeutel, um für den Notfall etwas essbares dabei zu haben. Zudem ging er die Aufgaben durch und zählte diese an den Fingern ab. Dabei wurde der Dessaria jedoch von Barnor unterbrochen und ging nach vorne um nach seinem Begehr zu fragen.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Montag 26. September 2022, 09:35

Die Schankmaid hatte schlechte Laune und das ließ sie an dem Koch aus. Nicht, dass sie ihn nicht auch sonst gern aufzog oder an der Nase herum führte, das machte schlichtweg oftmals auch Spaß und sie beide waren sich da eigentlich einig, dass sie sich nichts schenkten. Doch dieses Mal war ihr weniger zu scherzen zumute.
Die Nacht war kurz gewesen und durch den kleinen Gast waren auch ihre Aufgaben mehr geworden. Hinzu kam die mütterliche Sorge um das Kind, das sich definitiv in dem Unwetter gestern verkühlt hatte und obendrein so verloren gewirkt hatte, als sie sich im Bett so an sie geklammert hatte.
Ihr eigener Sohn war aus diesem Alter längst heraus und nur, wenn sie ihn mit der Höchststrafe belegen musste, war es noch möglich, ihn kurzfristig zu herzen und im Arm zu halten. Ausnahmen bei großem Kummer natürlich bestätigten die Regel, schließlich war er noch lange nicht zum Manne gereift. Doch so ein kleines Kind, noch dazu ein Mädchen, war da etwas ganz anderes. Und es steckte viel Leid dahinter, davon war Josa überzeugt. Abgesehen von dem Umstand, dass auch ihr ein bisschen Umarmen und Herzen gut tat, so lange, wie sie schon allein war.
Also hatte sie ihr viel zu weiches Herz auch viel zu rasch geöffnet und das rächte sich nun bezüglich ihrer Laune, sodass Barnabas sein Fett weg bekam. Vor allem, weil die Zeit sowieso drängte, schließlich hatte Josa auch noch anderes zu tun und durfte wegen des Kindes diese Aufgaben nicht vernachlässigen. Barnor mochte auf sie weder verzichten wollen, noch können, jedoch war sein Verständnis aufgrund eines fremden Mädchens und dessen Bedürfnisse enden wollend. Da war es besser, kein zu großes Gewese darum zu machen und eben die nicht vorhandene, geringe freie Zeit dafür zu opfern, soweit es sich einrichten ließ.
Wenigstens handelte es sich nicht um einen Säugling, das hätte selbst die Möglichkeiten der Schankmaid überstiegen. Nein, dieses Kind mochte vier Sommer, maximal fünf schon hinter sich haben und konnte entsprechend versorgt werden, um sich gesund schlafen zu können.
Also kümmerte sie sich darum und ärgerte sich zugleich über den Koch mit seiner nicht vorhandenen Ordnung, der noch dazu viel zu lange im Bett blieb. Wenigstens tauchte er zu einem nicht all zu späten Zeitpunkt auf, sodass sie ihn herumscheuchen konnte, ehe er richtig begriff, was sie überhaupt von ihm wollte. Er war gerade ihr Ventil, denn sie machte sich wenig Sorgen darum, dass er zu zart besaitet wäre, um das auszuhalten.
Somit wirtschaftete sie in der Küche weiter herum, während er es vorzog, sich erst einmal den Bauch zu füllen. Als Josa das sah, verdrehte sie, demonstrativ in einem Moment, in dem er es auch bemerken würde, die Augen.
Um bei nächster Gelegenheit so nahe zu treten, dass sie ihm einen Löffel sättigenden Brei stibitzen konnte. Ungefragt verstand sich, schließlich hatte sie sich bislang die Zeit dafür nicht genommen. "Iss nicht zu viel, sonst setzt du noch Fett an.", schalt sie ihn in einem etwas milderen Ton und mit dem Anflug eines herausfordernden Grinsens auf den Lippen, das sie schon fast wieder so neckend wirken ließ wie sonst.
Dann war sie auch schon wieder am Herumwirbeln, sodass er ihrer gar nicht erst habhaft werden konnte. Ohnehin kam er kaum dazu, da der Wirt nach seinen Fertigkeiten verlangte, und musste es hinnehmen, dass sie in seiner Küche allein zurück blieb. Doch wenigstens musste er sich nun keine Gedanken mehr darum machen, dass sie alles auf den Kopf stellte, da sie schließlich an Zutaten beisammen hatte, was sie wollte, sodass sie mit einer vollen Tonschüssel und einem Löffel nach oben verschwand.
Dadurch bekam sie auch nicht mit, wie Barnabas vor sich hin grummelte und die Küche sauber fegte. Das hätte sie auch maximal zu einer weiteren Bemerkung gereizt, immerhin war dieser Raum sein Revier und sie putzte ihm sicherlich nicht hinterher. Auch ihre Hilfsbereitschaft kannte Grenzen!
In ihrem eigenem Zimmer schlief indes das Mädchen, dem sie behutsam das schmutzige Haar aus der Stirn strich. Die Kleine wachte nicht auf und so ließ sie diese auch in Ruhe. Essen könnte sie später schließlich auch noch. Lediglich die gefundene Puppe schmuggelte sie unter die Decke und konnte zusehen, wie sich kleine Finger instinktiv um das Vertraute schlossen, um es fest an sich zu drücken.
Fein lächelte die Schankmaid, zog noch einmal alles zurecht, damit es schön warm war, und ging leise wieder. Endlich konnte sie nun ihren eigentlichen Aufgaben nachkommen, sich um ein paar Gäste kümmern und darauf warten, dass der Koch mit dem heißen Wasser daher käme.

Der indes war zwar nicht gerade begeistert von dieser zusätzlichen Arbeit, aber er war klug genug, sie nicht unerledigt zu lassen. Josa wusste so einige Mittel und Tricks, um ihren Willen durchzusetzen, da sparte man nur Zeit und Energie, wenn man ihren Wünschen gleich nachkam. Außerdem kam er so an die herrlich duftende, gereinigte Luft und konnte sie tief in die Lungen saugen. Der Morgen nach einem kräftigen Regenguss mochte mit viel Schmutz und Aufräumarbeiten verbunden sein. Doch der Geruch von nassem Gras und Wald war unvergleichlich erfrischend und belebend. Wer konnte, nahm sich wenigstens einen kurzen Moment dafür, um diesem Genuss die notwendige Aufmerksamkeit zu schenken.
Indes zeigte sich, dass der Koch bei weitem nicht der Erste auf den Beinen war, der frisches Wasser brauchte, denn bei dem nahegelegenen Brunnen hatte sich bereits eine Schlange gebildet. Auch gut, so kam man etwas ins Plaudern und konnte sich auf diese Weise die Wartezeit verkürzen. Was sollte man schließlich sonst auch tun?
So verging die Zeit und er kehrte zurück bis in die Küche, wo sich schon die nächsten Aufgaben in Form schmutzigen Geschirrs zu türmen begannen. Wie gut, dass er ja sonst nichts zu tun hatte, außer der Schankmaid zu Diensten zu sein! Trotzdem kümmerte er sich weiter um das Wasser und machte es so richtig heiß. Außerdem kam ihm eine Idee, die Josa sicherlich zu würdigen wissen würde.
Als er fertig war, ging er nach oben, denn die junge Frau säuberte und ordnete um diese Zeit für gewöhnlich die Gästezimmer, und machte lautstark darauf aufmerksam, dass ihre Wünsche erledigt waren. Kurz steckte sie den Kopf aus einem der Zimmer und schnaubte. "Als ob ich einem Grobian wie dir so was Kleines, Zartes überlassen würde!", schoss sie zurück, nickte aber zugleich und würde sich darum kümmern.
Auf diese Weise konnte er das gedanklich abhaken und zu seinen weiteren Aufgaben übergehen. Dabei unterbrochen, kehrte er just in den Schankraum zurück, als auch Josa das Mädchen herunter brachte. Dieses rieb sich gerade verschlafen die Augen, während es sich an sie kuschelte und man deutlich sehen konnte, dass es noch weit davon entfernt war, richtig munter zu sein.
Die Schenke indes hatte sich inzwischen weiter gefüllt, auch mit ein paar Holzfällern, die den Schaden des Gewitters überprüfen müssten und sich davor noch ordentlich stärken wollten. Einer davon, ein mehr breiter denn großer Mann um die Mitte Vierzig, der der Schankmaid schon oft versucht hatte, näher zu kommen, machte mit einem Mal eine finstere Miene und stieß seine Freunde an.
Der Kerl daneben, ebenfalls recht stämmig, grinste breit und rief durch den halben Raum:"Hey, Josa! Hast wieder Besuch vom Storch bekommen, wie?"
Die Angesprochene, beinahe schon in der Küche, blieb stehen, drehte sich um und stemmte die freie Hand in die Seite. Von einem Ohr zum anderen grinste sie breit und schoss spitz zurück:"Klar, und Barnabas ist schuld!" Lediglich in ihren Augen konnte man aus geringer Distanz erkennen, dass ihr bei weitem nicht so zu scherzen zumute war, wie sie gerade tat.
Der so gekonterte Holzfäller lachte laut auf und stieß seinen Nebenmann an, damit dieser einstimmte, um danach seinen Krug mit dem restlichen Bier grüßend in Richtung Koch zu heben. "Glückwünsch! Hast endlich mal reingefunden, wie?", zog er ihn derb auf, ohne mitzubekommen, dass der Blick seines Kumpels immer finsterer wurde.
Die Schankmaid schüttelte leicht seufzend den Kopf und verzog sich lieber mit dem Kind in die Küche, um es vor solchen weiteren Ausbrüchen zu schützen und endlich zu baden. Wobei sie unwillkürlich flüchtig lächelte, als ihr ein würziges, angenehmer Duft entgegen wehte. Vor neugierigen Blicken verborgen, kümmerte sie sich um die Kleine, die sie kaum loslassen wollte.
"Aber dreckig warst wohl dabei, wie? Musst deinen Kolben besser polieren vorher.", schoss der Mann noch nach und winkte Barnabas zu, sich zu ihnen gesellen. "Komm rüber und erzähl uns, wie hast dus geschafft, sie rumzukriegen? Der alte Bert hier braucht endlich mal vernünftigte Tipps!"
"Wolfram, es reicht! Du kannst mit Josa herumbalgen, wenn sie da ist und sich verteidigen kann, aber ich dulde es nicht, dass du so über sie herziehst!", mischte sich Barnor plötzlich mit Donnerstimme ein, denn er hatte nicht nur gesehen, dass die meisten Gäste das alles nicht sonderlich lustig fanden, was sie da zwangsläufig bei der Lautstärke mitanhören mussten. Nein, er wollte auch nicht, dass seine Angestellte in Verruf käme, dies war ein ehrliches Haus und trotz Kind war Josa kein leichtes Mädchen.
"Ach, komm schon, Barnor, das ist doch alles nur ein Witz! Nicht wahr, Barnabas?", meinte der Gescholtene beschwichtigend, leerte seinen Krug und hob ihn als Zeichen, dass er Nachschlag haben wollte. Doch der Wirt schüttelte den Kopf.
"Du hast genug, Wolf, kümmere dich lieber um deine Bäume.", beschied der ihn.
Wolfraum machte ein enttäuschtes Gesicht, zuckte aber mit den Schultern, zahlte anstandslos und stand auf. Als Anführer der Truppe war das auch für die anderen das Zeichen zum Aufbruch.
Nur Bert verharrte einen Moment länger und durchbohrte den Koch regelrecht mit seinem Blick. Der Kerl war eifersüchtig von der Haarspitze bis in die Sohle, das konnte man ihm deutlich ansehen. Aber noch war er nicht vollkommen kopflos und stürzte sich auf Barnabas, der rein optisch wohl in etwa ein ebenbürtiger Gegner wäre. Jedoch sollte er bei seinem Botengang nachher aufpassen, um dieser Gruppe Holzfäller nicht zu nahe zu kommen. Ein Unfall mit einem umfallenden Baum endete schnell unschön.
Schließlich war Wolfram es, der Bert daran erinnerte, dass sie gingen, sodass dieser sich abwandte und ebenfalls die Schenke verließ.
"Wenn der nur endlich mal begreifen würde, dass Josa ihn nicht will.", murrte Barnor mit einem Lappen in der Hand, weil er die Krüge auswaschen und auswischen wollte, da er sie bald wieder brauchen würde.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Freitag 7. Oktober 2022, 09:06

Eigentlich sollte man meinen, dass der dicke Schädel des Kochs mit den heutigen Aufgaben bereits genug gefüllt gewesen wäre, aber das Schicksal hatte andere Pläne mit diesem Mann. Pläne die ihm sauer aufstießen. Als Barnabas aus der Küche trat fiel ihm auf, dass der Schankraum ungewöhnlich voll war und im Grunde war er froh, dass noch ausreichend Vorräte in der Küche waren, um jedem wenigstens ein angemessenes Frühstück zu servieren. Sein Blick wanderte über die bunte Schar an Besuchern. Einige unterhielten sich und gestikulierten wild mit den Händen in der Luft. Es war schwer etwas zu verstehen, aber es ging wohl um die Auswirkungen des Sturms. Oder den Umtrieb der Nachbarn. Es könnte auch um den Verzehr von Borkenkäfern gehen, aber als Drogan an diesem Punkt ankam, gab er den Versuch, den Inhalt der Gespräche zu verstehen, schnell auf. Dann gab es da noch die Händler und Krämer. Immer wieder sah man sie die Finger strecken und stauchen, gedanklich klimperten die Münzen und rappelten die Waren. Durch seine Kindheit war ihm bewusst, dass das kaufmännische Leben stets dem Gewinn gewidmet war. Kein Wunder also, dass sich gleichgesinnte Menschen über gleiche Interessen unterhielten. Vielleicht gaben die meisten aber auch nur voreinander an. Der Dessarier kommentierte seine Vermutung mit einem stummen Schulterzucken. Zu guter Letzt entdeckte man die Handwerker und Bauern. Hier war Unruhe zu spüren. Selbstverständlich musste man nach einem solchen Regenguss um die Ernte fürchten oder es war nötig die umgestürzten Bäume aus dem Wald zu ziehen. Faules Holz konnte niemand gebrauchen und es bedeutete einen herben Verlust für die Forstarbeiter. Vielleicht war das der Grund für Bert's missmutige Fratze. Obwohl Barnabas schon immer der Meinung war, dass die grässliche Visage des Holzfällers die Milch sauer werden ließ. Mitunter ein Grund für Josa seine ständigen Anbändeleien abzuweisen. Wolfram, der Vorarbeiter der Gruppe Baumarbeiter, war ein recht grober, dafür lustiger Kerl mit einem Hang zur Übertreibung. Das merkte man schneller als erwartet, als Josa die Treppe herunterkam. Drogan hatte sich inzwischen von der Masse abgewandt und wollte sich eigentlich auf Barnor konzentrieren, welcher ihn ja vor wenigen Momenten noch gerufen hatte. Vermutlich, um noch eine weitere Aufgabe auf die Liste zu setzen. Doch dann gingen die Sprüche bereits los.
Das Auftauchen des Kindes hatte bereits die ersten Folgen verursacht und natürlich waren es keine durchweg positiven gewesen. Während die anderen nur raunten und ein paar Mal verstohlen auf das dreckige Bündel in Josas Armen zeigten, war Wolfram keineswegs zu schüchtern, um lauthals ein paar Kommentare zu verlieren. Barnabas hatte dabei gemischte Gefühle. Es stimmte, dass Josa oft einigen Männern schöne Augen machte, aber jeder hier wusste, dass es sich dabei einfach um ein paar Neckereien handelte und man genoss die Aufmerksamkeit einer jungen, schönen Frau. Niemand sah darin eine Einladung in ihr Bett. Niemand bis auf Bert, der bereits jetzt eine Fratze zeigte, als hätte man ihm mit dem Kopf zuletzt aus dem Arsch seiner Mutter gepresst. Ein Grund mehr, die Einladung von Wolfram zu einem Bierchen auszuschlagen. Es war auch keine Zeit dafür.. Doch selbst wenn der Koch Josa durchaus zutraute, sich selbst zu verteidigen und die Reaktion auf ihre Art und Weise rechtfertigen konnte, so kam es ihm falsch vor, dass man in ihrem Rücken solch schmierige Kommentare verlauten ließ. Dass man von Zeit zu Zeit seine Meinung über das Verhalten und die Art eines Menschen kund tat, war vollkommen normal. Aber hier war eine sehr harte Grenze erreicht, welche Barnor lautstark zog. Wolfram witzelte noch etwas, aber machte sich mit seinen Kumpanen auf den Weg der Arbeit nachzugehen. Barnabas hob die Hand zum Abschied und sagte mit einem schiefen Grinsen und blitzen in den Augen: „Vielleicht kannst du Bert ja einen Baum zeigen, den er ordentlich abputzen kann. Er sieht so aus, als könnte er es gebrauchen.“ Es rumpelte kurz hier der sich schließenden Tür. Vielleicht war der Spruch etwas zu viel gewesen, aber nichts um das sich der ehemalige Söldner scherte. Bereits damals zur Zeit bei den Stieren war es Gang und Gebe sich aufzuziehen. Mal mehr und mal weniger. Es gab auch Mitglieder die gar nicht sprachen oder sich aus diesem Provokationsspielchen heraushielten. Barnabas war immer irgendwie in der Mitte. Viele waren sehr ausfallend und das Necken wurde schnell zur Beleidigung oder Abwertung. In seinen Augen war selbst der kleinste Hänfling noch zu etwas gut, solange man Mut mitbrachte und seinen Teil beisteuerte. Leute die das anders sahen, mied er wenn es irgendwie möglich war. Er hatte allerdings eine Aufgabe … oder zwei?
„So, die Korkfresser sind auf den Weg ins Unterholz. Ich wollte mich dann auch auf den Weg machen, bevor es zu spät wird und ich das Mittagessen nicht auf den Tisch bringe. Aber du hattest mich gerufen, was genau wolltest du denn von mir, Barnor?“, redete Barnasbas vollkommen ruhig vor sich hin.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Samstag 8. Oktober 2022, 09:41

Nach dem Unwetter der letzten Nacht war es nicht unüblich, dass besonders viele recht früh am Morgen schon auf den Beinen waren. Der Schaden der vergangenen Stunden musste begutachtet, in zusätzliche Arbeit einkalkuliert und im besten Falle repariert werden. Das machte hungrig und so verschlug es viele bei der erstbesten Gelegenheit zu Barnor, der dieses Geschäft nur begrüßen konnte. Trotzdem musste auch er darauf achten, was es an Mehrarbeit gab und wie man diese sinnvoll einteilen konnte, unabhängig von dem kleinen, unfreiwilligen Gast, der Josa beanspruchte.
So hatte er Michael dazu eingeteilt zu bedienen und obwohl der Junge alles andere als begeistert gewesen war, machte er seine Aufgabe zur Zufriedenheit des Wirts. Kein Wunder, gab es schließlich die ein oder andere kleine Fuchsmünze, die dadurch in die Tasche des Kindes wanderte und damit seinen Ehrgeiz nährte. Barnor wusste längst davon und hatte seine Wahl nicht umsonst so getroffen. Auf diese Weise war der Bengel eben nützlicher, als wenn er ihn zum Saubermachen der Zimmer oder allein einkaufen schicken würde, bis seine Schankmaid wieder einsatzfähig wäre.
Den Koch hingegen würde er mit anderer Arbeit betrauen und endlich losschicken, damit das Mittagessen tatsächlich rechtzeitig fertig werden und bei den Gästen ankommen könnte. So gut, wie das Geschäft in der Früh bereits lief, konnte er sich auch in der Mitte des Tages auf ein kleines Hoch einstellen, sofern eben das Angebot stimmte.
Also rief er Barnabas aus der Küche, um ihm noch ein paar letzte Instruktionen zu geben, ehe er ihn antreiben wollte. Wenn Wolfram und seine Truppe ihm nicht dazwischen gekommen wäre. Es gab immer ein paar Kerle, die meinten, mit Josa ihren Spaß treiben zu können, und für gewöhnlich schaffte das Mädel es auch, sich diesen zu stellen. Heute jedoch war sie noch beschäftigter als sonst und wollte obendrein das kränkelnde, verschüchterte, dreckige Bündel Mensch in ihrem Arm vor zu groben Sprüchen beschützen, sodass sie sich nach dem kurzen Verweis von Barnabas' Vaterschaft auch schon in die Küche verzog.
Ein Fehler, wie sich herausstellte, denn der Anführer des Trupps widmete sich nun besagtem Vater und schoss übers Ziel hinaus, dass der Wirt eingreifen musste. Wie gut, dass es für die Gruppe Zeit zum Aufbruch wurde, denn die übrigen Gäste waren von den lautstarken Äußerungen wenig angetan. Es war schlichtweg zu früh am Tag dafür und Wolfram durchaus zu derb für den Geschmack aller. Kein Wunder, verbrachte diese Handvoll Männer den Großteil ihrer Zeit frauenlos und unter sich im Wald, wo sie schnell einmal den Sinn für Maß und Ziel verlieren konnten.
Trotzdem kam von seinem Koch noch ein Nachsatz, den alle hören konnten, inklusive demjenigen, der damit gemeint war. Während ein paar Gäste verstohlen grinsten oder sich ein Kichern verbissen, gab es genügend, die den Kopf schüttelten und sich lieber abwandten, um sich ihren eigenen Anliegen zu widmen und sei es das Frühstück vor ihnen. Der ein oder andere stand sogar auf, um sich Abmarschbereit zu machen.
Der Wirt hingegen warf seinem Angestellten einen mahnenden Blick zu. "Musste das jetzt sein? Du willst unbedingt, dass Bert testet, wie gut du einen fallenden Baum auffängst, oder?", murrte er und fürchtete weniger um Barnabas' Leben, als vielmehr um dessen Arbeitskraft.
Dann seufzte er, griff sich die Bierkrüge und begann, diese zu säubern, um sie wiederverwenden zu können. "Mhm.", machte er dabei zustimmend und schien vollkommen vergessen zu haben, dass er nach dem Koch gerufen hatte. Zumindest klang der nächste Laut "Hm?" recht fragend und einen Moment lang stand dies auch in seinem Blick, als er aufsah, ehe die Erkenntnis Einzug in seiner Mimik hielt.
"Ach ja, richtig. Wenn du zurück kommst, geh noch zu Sigi, dem Ziegler. Ich hab gesehen, ein paar Schindeln am Dach sind lose von gestern und zwei auch herunter gestürzt, die müssen wir ersetzen, sonst haben wir beim nächsten Guss Wasser herinnen. Und nimm eine Jause mit, das macht sich gut als Anzahlung fürs Holz. Sigi kommt sicher heute noch vorbei, da rede ich mit ihm dann drüber. Aber lass dich von ihm nicht beschwatzen, die teuren Schindeln zu nehmen. Einfache Mönch-Nonne-Schindeln reichen, kein Schnickschnack!" Die letzten beiden Worte hätten einen erhobenen Zeigefinger suggeriert, wenn Barnor nebenbei nicht einen Krug ausgewaschen und somit beide Hände im Einsatz gehabt hätte.
"Und jetzt sieh zu, dass du weiter kommst. Der Tag ist schon viel zu weit, als dass du trödeln könntest. Und vergiss nicht, Wolf und seinen Leuten aus dem Weg zu gehen. Nimm lieber einen Umweg und beeil dich, als dich mit denen noch mal anzulegen." Der Blick des Wirts war fest und eindringlich, ehe er gerufen wurde und an anderer Stelle gebraucht wurde.
So hatte der Koch Zeit, notgedrungen noch einmal in die Küche zu marschieren. Dort fand er eine ziemlich nasse Josa vor, deren Blick Bert sicherlich freiwillig in die Flucht geschlagen hätte, während der kleine Dreckspatz sich mit Händen und Füßen dagegen wehrte, seine Schmutzschicht zu verlieren. Doch die Schankmaid focht nicht zum ersten Mal diese Art von Kampf und wusste um ein paar Tricks, um ihren Willen durchzusetzen. Immerhin, das Gesicht sah schon weniger nach Schlammmonsterchen aus und offenbarte eine zwar gerötete, jedoch ansonsten eher helle Haut mit ein paar kleinen, frechen Sommersprossen um die Nase.
"Da bist du endlich! Gib mir mal den Lappen dort drüben, ich komm nicht ran, sonst ist der Fratz hier gleich wieder weg!", teilte Josa den Koch ungeniert zu weiterer Arbeit ein. "Und dann leg mir das Tuch in Reichweite. Sobald sie draußen ist, muss ich sie trocken kriegen, sonst hat sie heut Abend auch noch eine kräftige Lungenentzündung. Ist draußen alles in Ordnung? Störenfriede beruhigt oder haben sie uns... jetzt halt endlich mal still, ich kämm dir sonst gleich die Haare!"
Mit einem süßen, kleinen Schmollmund, der ihn an irgendjemanden zu erinnen drohte, verschränkte das Mädchen die Ärmchen und sann sichtlich nach Rache für diese Drohung. Wahrscheinlich bekäme die Schankmaid bald die nächste Ladung Wasser ab, wenn noch ausreichend in dem Zuber dafür und sie nicht ohnehin schon durchnässt wäre. Vermutlich sähe dieser Rest der Brühe aus, als hätte man damit einen Stall nach einigen Wochen Betrieb gereinigt.
Josa schüttelte seufzend den Kopf und warf Barnabas einen kurzen Blick zu. "Haben sie jemanden vertrieben und Barnor ihnen endlich Hausverbot erteilt?"
Dann musste sie schon wieder mit dem zappelnden Bündel Dreck ringen, um voran zu kommen. "Ich hätt die Seife rausholen sollen, die kernige für die Laken mit den schlimmsten Flecken!", murrte sie und versuchte gerade, hinter einem Ohr dem Schmutz Herrin zu werden. Scheinbar war das Kind dort kitzlig, denn es musste plötzlich kichern. Ein niedlicher, ehrlicher Laut mit einer hellen, glockenartigen Stimme, bei dem sogar Josa in all ihrem Frust unwillkürlich schmunzeln musste.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Samstag 15. Oktober 2022, 01:25

„Keine Sorge, dieses Mal werde ich mich von diesem Halunken nicht über den Tisch ziehen lassen. Diese überteuerten Ziegel vom letzten Verkauf haben diesen Sturm auch nicht besser überstanden als die einfachen davor.“, warf Barnabas bestimmt ein und erinnerte sich nur ungerne an die Situation zurück. Sigismund wurde von den meisten hier einfach nur Siggi genannt und konnte reden wie ein Waschweib. Dabei störte eigentlich nur seine silberne Zunge. Selbst wenn man nicht die Absicht hatte etwas in seinem Geschäft zu erwerben, so stand man nach einem Besuch mit einem Karren voller Schindeln und einem Eimer mit Nägeln da. Doch heute würde es an der Zeit mangeln, sich allzu lange von diesem Schlitzohr umschmeicheln zu lassen. Vermutlich wäre es dann nur ein halber Eimer werden. Bei diesem recht selbstkritischen Gedanken formten sich seine Lippen zu einem verschmitzten Grinsen. Aber viel Freude gab es nicht, denn Barnor scheuchte ihn nun aus dem Thekenbereich, damit die Besorgungen noch vor dem Mittagstisch erledigt werden konnten. Da auch die meisten anderen der Gäste jetzt ihrem Tagwerk nachgingen, leerte sich die Stube schnell und man sah Micheal in der Ecke seine Füchse zählen. Irgendwie überkam Drogan bei diesem Anblick ein leichter Hauch von Nostalgie. Er erinnerte sich an die Jugend und wie er mit seinen Brüdern das Taschengeld in der Gasse hinter dem Metzger aufteilten. Jede Münze wurde mit den dreckigen Hemdsärmeln poliert und sorgsam verstaut. Die Krämerseele des Vaters machte aus den drei Kuperblechs schon damals erstaunlich geizige Burschen. Aber, der Drang nach etwas mehr Wert in der Börse konnte niemand besser nachvollziehen als ein ehemaliger Söldner. „Wenn einem das Schicksal schon nicht scheint, so zumindest der Silbersäckle an meinem Gürtel.“, erinnerte der Mann sich an die Worte seines damaligen Kommandanten. Von Zeit zu Zeit fragte sich Drogan was aus den Kameraden geworden war. Hin und wieder ertappte er sich sogar dabei, wie er die Gespräche im Schankraum belauschte und versuchte etwas über ein Paar Söldner zu erfahren, die sich in der Nähe aufhielten. Allerdings verging das Jahr ergebnislos und die Versuche nahmen immer weiter ab. Der Alltag, die neuen Gesichter und Aufgaben sorgten dafür, dass Träumereien selten geworden waren. Aber wer im Kopf lebt, verpasst die Welt vor seinen Augen.
Drogan rüttelte sich kurzerhand wach und zwang sich zum Weitergehen. Noch bevor der Dessarier in die Küche trat, hörte man ein lautes Platschen, ein quäkendes Aufbegehren und einen erstickten Schrei in schneller Folge nacheinander. Vorsichtig lugte er um die Ecke und sah, wie sich eine platschnasse Josa um ein wild zappelndes Etwas in einem brauen Sud aus Kräutern und Dreck bemühte. Das Wasser hatte große Teile des Nachtgastes wieder menschlich werden lassen und sogar die vorher total verklebten Haare hingen jetzt in langen, platten Streifen am Kopf herunter. Ein erstaunlich amüsantes Schauspiel. Drogan jedoch verschluckte ein Lachen, denn es missfiel ihm im Moment sich mit der Schankmaid anzulegen. Ihm fehlte die Zeit für eine handfeste Auseinandersetzung und zudem wirkte es so, als hätten beide Damen ausreichend mit der jeweils anderen zu tun. „Fertig, ich muss ...“, wollte Drogan beginnen, doch wurde sofort von seiner Kollegin unterbrochen. Immernoch einen harten Kampf mit dem wohl wasserscheuen Kobold ausfechtend, bat sie ihn um einige Utensilien. „Ach, du weißt doch wie Bert und Wolf so sind. Immer eine große Klappe und denken sich nichts dabei. Allerdings hättest du mal Bert sehen sollen ...“, berichtete Barnabas, während er den Lappen und ein dickes Wolltuch neben dem Zuber bereitlegte, damit auch die letzten Reste von Dreck und Nässe beseitigt werden konnten. „ … der Kerl ist so hinter deinem Arsch her, dass es mich wundert, dass er davon noch keine Schnitzerei angefertigt hat. Und dank' deines gewieften Spruchs denkt er jetzt, dass wir beide den Kobold da gezeugt hätten. Reife Leistung. Du weißt, dass er weniger weit denkt als er scheißt.“, kommentierte er beiläufig, während ein Brot und etwas magerer Speck ihren Weg in seinen Reisebeutel fanden. Ihm war nicht entgangen, dass er etwas für die kommende Brotzeit mitnehmen sollte, damit die zu besuchenden Handwerker preislich etwas milder aufgestellt waren.
Nach einer halben Drehung lehnte der Mann sich gegen den Brotschrank, verschränkte die Arme und sah dem Schauspiel noch etwas zu. Inzwischen konnte man das Gesicht der Kleinen sehr gut sehen. Sie schmollte und hinter dem wachen Blick formte sich wohl ein Plan zur Rache gegen die Drohung einen Kamm zum Einsatz kommen zu lassen. Etwas missfiel Drogan. In seinem Leben gab es viele Widrigkeiten und Bedrohungen. Die Stiere hatten den Riesentroll von Alberna gefällt, hatten ein paar anzüglichen Katzenmädchen in der Nähe von Estria die Kehlen durchgeschnitten und sogar ganzen Armeen entgegengeblickt, aber das Gesicht dieser kleinen Göre bereitete ihm Unbehagen. Etwas darin kam ihm seltsam bekannt vor. Doch je mehr sein Schädel versuchte sich diesem Gedanken zu öffnen, desto weniger vermochte er sich zu erinnern. In einem Dorf, weit ab der eigenen Vergangenheit, auf etwas zu stoßen das Erinnerungen wachruft, war nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. „Hmpf ...“, grummelte der große Kerl und räusperte sich. Sein Plan war simpel. Einfach nichts anmerken lassen, dann würde schon alles gut werden. „Nimm einfach etwas trockenes Brot, damit kannst du die groben Stellen reinigen. Verschwendest du keine Seife und die Reste verkaufen wir an die Schweinebauern. Die Viecher fressen das nasse Brot auch mit dem Dreck der Kleinen daran.“ Seine Augen trafen die des Mädchens. Sie war auf ihre Art schon niedlich. Aber das hatten alle Kinder so an sich und beeindruckte ihn nicht besonders. „Und wenn sich unser Hausgast nicht säubern lässt und gerne wie ein Schwein aussehen will, dann speist es heute Abend wohl mit ihresgleichen.“, fügte Drogan trocken an. Er wusste nicht, ob das Alter des Kindes ausreichte, um ihn zu verstehen, aber es ging ihm auch nicht darum eine Drohung auszusprechen. Oft genügte eine bestimmte Tonlage, um eine Botschaft zu überbringen.
„Gut, ich muss los. Barnor schlägt mir sonst noch etwas über den Schädel, dass ich von meinem Lohn ersetzen muss. Ich bin rechtzeitig zurück.“, sagte er etwas lauter, als sein Schemen schon um die Tür bog und durch den Haupteingang nach draußen trat.
Als sich die Tür hinter ihm schloss war die Sonne bereits weit über den Horizont gestiegen, hatte die restlichen Nebelschwaden vertrieben und erfüllte den Tag mit Wärme und Licht. Die Vögel auf den umliegenden Dächern stimmten ihr morgendlichen Gesang an und in der Ferne hörte man die verspäteten Rufe eines Hahns erschallen, welcher von der reinen Schönheit dieses Morgens ebenso abgelenkt gewesen war, wie seine Besitzer. Die letzten Pfützen und Zeugen des vorabendlichen Sturms zogen sich durch die tiefen Spuren der vorbeiratternden Fuhrwerke. Die Menschen darauf hatten ihren Kopf leicht gesenkt und überließen den Tieren das Bestreiten des wohl bekannten Weges. Trotz des geschäftigen Treibens in den Läden und Werkstätten wirkte niemand hier in Eile. Ganz anders als in Städten wie Dessaria oder Grandessa. Drogan genoss das Zusammenspiel von kleinen Geräuschfetzen und dem eifrigen Treiben um sich herum. Zwischen zwei Häusern konnte man das glitzernde Blau des nahen Baches sehen, welcher irgendwo in den Wäldern entsprang und dann, nie größer als drei Schritt, gemächlich ins Meer plätscherte. Ein paar Kinder versuchten mit Tüchern Kaulquappen einzufangen und wieder andere mit spitzen Stöcken nach kleinen Fischen zu stechen. Enttäuschte Gesichter und euphorische Siegesschreie wechselten sich beinahe minütlich ab und durchbrachen die sonst so klangvolle, morgendliche Kulisse. Barnabas musste leise lachen und schüttelte den Kopf etwas. Ob er als Kind auch so ungeschickt war? Mit einem kleinen Satz übersprang der Koch eine besonders tiefe und bedrohlich wirkende Wasserlache. Dabei kam ihm der Gedanke, dass seine Brüder stets mit ihm zu einem Bergsee wanderten, wenn es die häuslichen Pflichten und das Wetter zuließen. Dort bauten sich die Kuperblechs kleine Festungen aus Zweigen und herumliegenden Steinen, nutzten Rohr- als Streitkolben und schwammen im tiefblauen Wasser um die Wette. Seine Augen blickten in den Himmel und verfolgten die Überreste einer einst weißen Wolke. Ja. Ja, sie waren ungeschickt, aber glücklich. „Hallo, Barnabas! Ein Botengang für den alten Barnor, nehme ich an?“, weckte ihn eine freundliche Stimme und holte ihn in die Gegenwart zurück. Vor ihm kratzte der Reisigbesen einer alten Frau über die steinige Veranda einer Korbflechterei. Ohne es zu bemerken, war Drogan zwischen ihren Auslagen gelandet. Zum Glück stand alles noch an Ort und Stelle. „Ja, Gertrud. Du kennst ihn, immer etwas für andere zu tun. Aber der Sturm in der letzten Nacht hat eines angerichtet. Die Hintertür hat es aus den Angeln gerissen und das Dach scheint auch noch undicht.“, sagte er und schenkte der Alten ein freundliches Lächeln. Drogan war schon immer ein geselliger Kerl gewesen. Doch in Balar spürte man an beinahe jeder Ecke eine Vertrautheit mit den Bewohnern, welche seine Freude an Gesellschaft weit in den Schatten stellte. Jeder half hier jedem. Natürlich gab es Neckereien, Tratsch und nicht jeder war gut Freund mit seinem Nachbarn. Dennoch war es eine Tatsache, dass solche Gemeinschaften zusammenhalten mussten, um den Widrigkeiten der Welt etwas entgegensetzen zu können. „Dieser Sturm war sehr heftig. Ich habe ihn bereits in meinen Knochen gespürt, weißt du? Mein linkes Bein schmerzt immer, wenn sich ein solches Gewitter anbahnt und gestern konnte ich mich kaum bewegen. Danke im Übrigen, dass du Michael mit einer Kleinigkeit vorbei geschickt hast.“ Hilfsbereitschaft war wichtig. Natürlich war es kein Geschenk. Das würde Barnor nicht zulassen, aber Gertrud sorgte im Ausgleich für die Verpflegung dafür, dass die Körbe der Schenke in einem tadellosen Zustand waren. Bei den Reisen als Landstreicher und Tagelöhner gab es in den großen Städten nie solch' eine freundliche Behandlung. Es lag nicht einmal daran, dass Barnabas nicht bereit gewesen wäre für etwas Essen zu arbeiten. Aber einem Bettler gab man weder Geld, noch Essen, noch die Möglichkeit sich zu beweisen. Ironischerweise gab Drogan bei seiner Rückkehr als Söldner auch keinem der Armen auch nur eine Münze. Im Endeffekt war jeder für sein Schicksal verantwortlich. Doch hier musste sich niemand dafür entschuldigen, mal eine schlechte Ernte gehabt zu haben oder die Speisekammer nicht ausreichend füllen zu können. Eine Hand würde immer auch die andere waschen. „Dafür musste du mir nicht danken, Gertrud. Wenn du verhungerst, wird Barnor uns den Kopf abreißen, weil er für die Körbe in Zukunft bezahlen muss. Ich muss weiter, habe noch einiges zu tun. Pass auf dich auf.“ Seine Verabschiedung war kurz und freundlich. So hielt man es hier und das gefiel. „Grüße Barnor und Josa von mir, mein Junge und komme heil wieder zurück.“ Sie winkte kurz und kehrte dann zu ihrer Arbeit zurück. Der ehemalige Söldner hob die Hand über den Kopf, als Zeichen, dass er verstanden hatte, drehte sich aber nicht mehr um. Frisch gekalkte Wände strahlten weiß und hoben sich vom schlammigen Untergrund ab. Wer es sich leisten konnte, verzierte die Holzgebäude gerne mit Lehm oder anderen Materialien. Ein abstraktes Mosaik von alt gegen neu, sauber gegen schmutzig, verband sich zu einem losen, urban anmutenden Garten. Doch die Wahrheit sah anders aus. Die Häuser der Städte standen sehr eng aneinander und ließen kaum Platz für Raum. Hin und wieder eine dunkle Gasse oder der Eingang zu einem Innenhof. Der Geruch nach Abwasser und Fäkalien war teilweise zu stark, dass man sich fragte, ob man in einem Abort oder Stall gelandet war. Grimmbart, ein Zwergensöldner der eine kurze Zeit bei den Stieren war, umschrieb es so, dass die Leute zum Scheißen die Ärsche aus dem Fenster hielten. Passend, noch heute. Die Städter hingegen waren der festen Meinung, dass das Landvolk nach Tieren stank und die meisten Bauern mit ihren Schweinen das Nachtlager teilten. Vielleicht war das bei einigen, armen Bauern der Fall. Aber zumindest parfümierten diese Kerle ihre Säue nicht, um damit eine 'deodorante' Alternative gegen den Geruch zu finden. Waschen war selbst in den obersten Kreisen einiger Gesellschaften keine Normalität. Ein leichtes Schaudern durchlief Drogan. Zwar gab es für ihn nur eine Katzenwäsche mit kalten Wasser. Aber für ihn war es ein Bedürfnis sich den Dreck des Tages vom Körper zu kratzen. Mittlerweile verließ der Mann den Dorfkern und die Gebäude wurden weniger und bald schon sah er vor sich einen breiten Pfad der über die flache Ebenen bis zum Waldrand führte. Felder und Weiden säumten den Weg zu beiden Seiten. Bauern knieten zwischen den Pflanzen, untersuchten die Schäden oder versuchten von der Ernte zu retten, was noch gut war. Gerade die Wurzelgemüse hatten es schwer nach einem solchen Regenmuss. Die Rüben schwemmten auf und die Kartoffeln wurden häufig freigespült. Ihm entgegen kam Sascha. Über die Schultern war ein Korb geschwungen. Darin lagen Karotten von einer solch' herrlichen, orange-leuchtenden Farbe, dass einem bereits das Wasser im Mund zusammenlief, wenn man dabei an einen Möhreneintopf dachte. Das satte Grün jedoch hing schlaf und schwer daran. Ein Hinweis darauf, dass das Unwetter doch einige Schäden verursacht hatte. „Sascha! Hallo. Deine Möhren scheinen gut gewachsen zu sein.“ Der Bauer verlangsamte seinen Schritt, blickte auf und lächelte Barnabas entgegen. Bis auf wenige Zähne war ihm kaum etwas von seinem Gebiss geblieben. Das lag nicht daran, dass er alt war, sondern an einigen missglückten Schlägereien. Dieser dentale Zustand änderte jedoch nichts an der dauerhaften guten Laune des Mannes. „Barnabaf der Koff!“, sprach er mit mehr Spucke als eine Ziege, „Tjoar, das ist der letzte Rest. Iff bin fon feid heute Morgen waff. Forgfam, du weift ja. Aber mehr konnte iff nifft retten. Aber iff habe Vorräte!“ Sein Blick wurde misstrauisch. „Waf mafft du eigentliff hier?“ Drogan gluckste auf und winkte ab. „Dir deine Ernte stehlen! Du weißt doch, dass mich der verrückte Konrad schickte, um deinen Acker mit Maulwürfen zu bewerfen!“ Jetzt mussten beide Männer lachen. Diese Geschichte lag weit zurück. Aus den Anfängen. Der verrückte Konrad war ein Einsiedler und war stets bemüht sein kleines Stückchen Land zu verteidigen. Damals dachte dieser, dass Sascha sein Feld unrechtmäßig erweitern würde. Daraufhin beauftragte Konrad Drogan, als Neuen im Dorf, damit, Maulwürfe zu fangen und diese dann wahllos auf den Acker seines Widersachers zu werfen. Zum Glück schritt Josa damals ein und klärte den Wahnsinn auf. Bis heute eine sehr gerne erzählte Geschichte. „Aber ernsthaft. Ich muss einige Dinge für die Schenke besorgen. Holz und Schindeln. Außerdem habe ich dem alten Thorid versprochen mal einen Blick nach seinen Waldgeistern zu werfen. Ich wollte ohnehin einen kleinen Spaziergang machen, da kann das nicht schaden.“ Den letzten Satz sprach er schnell und hielt dabei die Hände abwehrend vor sich, weil Sascha Anstalten machte, es ihm auszureden. „Paff bloff auf. Iff glaube far nifft an Geifter, aber irgendetwaf geht da vor.“ - „Das werde ich schon. Kein Sorge, mein Freund. Da fällt mir ein. Wenn du noch keine Verwendung dafür hast ...“, Drogan deutete auf den Korb mit der kargen Ernte, „... bring' den Korb doch in die Schenke, lass dich von Barnor auszahlen und ich koche daraus Möhrensuppe und backe Karottenkuchen. Etwas von beidem ist dann sicherlich auch für dich drin.“ Sascha dachte kurz nach und sah ein, dass es wohl die beste Lösung wäre, diesen Handel einzugehen. Mit einem zahnlosen Grinsen auf Saschas Lippen schlugen die Beiden ein und trennten sich mit einem freundlichen Abschiedswort. Vielleicht war Barnor damit nicht einverstanden, aber ein ganzer Korb Möhren zu einem vermutlichen billigen Preis? Das war doch genau seine Vorstellung von einem guten Geschäft.
Das meiste Wasser war durch die Lage in die Entwässerungsgräben an den Seiten des Weges geflossen und somit war dieser Teil des Landes relativ trocken und begehbar. Gegenüber der Felder lagen die Weiden und darauf tummelten sich allerlei Nutzvieh. Schafe, Kühe und Ziegen. Alles was eine Dorfgemeinschaft so brauchte. Wämse, Milch, Käse, Fleisch, Leder, Schuhe und sogar Seifen, waren nur Teil der Dinge, die man aus der Aufzucht solcher Tiere gewinnen konnte. Auf einem Baumstumpf saß ein Hirte, spielte eine Flöte und vermischte die Musik mit den natürlichen Geräuschen seiner Umgebung. Es passte und erneut ward eine Harmonie geschaffen. Ungewollt und doch so ineinander verwoben. Drogan hob die Hand und grüßte den Jungen, welcher, ohne sein Spiel zu unterbrechen, den Hut vor ihm zog. Doch bereits jetzt wogten die schattigen Wipfel des nahen Waldes bedrohlich in der nahenden Ferne.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Sonntag 16. Oktober 2022, 20:55

Barnor grunzte nur bezeichnend zu der Behauptung seines Kochs, es dieses Mal besser zu machen. Man würde sehen... und zur Not wäre eben der Lohn etwas geringer, sodass im Endeffekt der Wirt keinen Schaden davon tragen würde. Das machte er des Öfteren so, wenn es die Situation erforderte, auf diese Weise lernten seine Angestellten recht rasch, sein Geld wirklich nur sinnvoll auszugeben. Selbst Michael hatte so relativ schnell und mit wenigen Lebensjahren begriffen, was von ihm erwartet wurde, gute Qualität, aber keine unnötigen Besorgungen auf Barnors Kosten.
Der Wirt selbst hatte nun wieder anderes zu tun und scheuchte seinen Mann mit einer beiläufigen Bewegung endgültig weg, damit dieser rechtzeitig wieder da wäre. Während sich die Schänke somit allmählich leerte und der Junge stolz seine Ausbeute zählte, wobei er von einem Ohr zum anderen vor sich hingrinste, verschlug es den Koch zurück in sein Reich.
Nun ja... eigentlich war es seines, doch im Moment gab es dort eine andere Art von Kampf, bei dem er Zaungast werden durfte. Josa mochte ihre Erfahrungen mit unwilligen Kindern haben, aber das bedeutete nicht, dass sie dennoch vollkommen unbeschadet aus solcherart Konfrontationen hevor ging.
Und der kleine Dreckspatz mochte noch jung sein, effektiv war ihre Gegenwehr allemal gewesen. Bestimmt tat sie das nicht zum ersten Mal...
Die Schankmaid indes witterte ihre Unterstützung regelrecht wie ein Jagdhund und kaum war Barnabas in ihrer Nähe, teilte sie ihn schon wieder ungefragt ein. Dabei erzählte er ihr von den Holzfällern, wobei sie ein leichtes Kopfschütteln andeutete und nicht aufsehen konnte, um die Kontrolle über das Mädchen nicht zu verlieren. "Er kapiert es einfach nicht, dass ich nichts von ihm will. Es tut mir ja leid, was ihm mit seinem ersten Weib passiert ist, aber das heißt nicht, dass ich jetzt die zweite werden will. Da kann er mir versprechen, Michael ein guter Vater zu sein, wie er will, es bleibt bei einem Nein."
Sie seufzte und fing eine Kinderhand ein, die mit voller Wucht eine neuerliche Wasserfontäne produzieren wollte. Das Ergebnis war ein kleiner, halbwegs sauberer Schmollmund. "Ja, das gilt auch für dich, du Flo!", sprach sie flüchtig zu dem Kind und wagte es nun doch, rasch zu dem Koch zu sehen.
"Ich weiß auch, dass er nichts für sein Gesicht kann und es wichtigeres gibt, aber... Tja, was soll ich sagen?" Sie zeigte ihm ein kleines, schiefes Grinsen, ehe die Kleine wieder ihre Aufmerksamkeit einforderte. Sie brauchte keinen Schönling an ihrer Seite, jedoch sollte er ihr mit seinem Anblick allein schon auch keine Alpträume einjagen!
Leise seufzte Josa, hob das große Tuch an und stellte sich so an die Seite des Zubers, dass Barnabas nichts von dem nackten Mädchen zu Gesicht bekam, ehe es in den Stoff eingewickelt war, um auf diese Weise trocken gerubbelt zu werden. Nicht, dass sie ihm in der Hinsicht irgendetwas unterstellen wollte oder gar würde. Jedoch war sie eine Frau und hatte gelernt, gerade Mädchen so lang als möglich vor fremden Blicken zu schützen, die nicht unbedingt notwendig waren.
"Genau weil er so wenig Hirn hat, hab ich das gesagt. Er wird es sich zweimal überlegen, bevor er sich an der Kleinen vergreift, um an mich heran zu kommen." Sie nickte in Richtung Schankraum. "Bei Michael war das zum Glück nie nötig, aber glaub mir, ich hätt' zur Not Barnor als Vater genannt, um ihn zu schützen."
Die junge Frau seufzte und besah sich kurz die dreckige Brühe. Einen Moment lang wirkte es, als würde sie in Erinnerungen schwelgen, welcher Art auch immer diese sein mochten. Ob sie dabei an den wahren Vater ihres Kindes dachte? Eines Kindes, das sie freiwillig empfangen hatte... oder nicht? Der Koch hatte nie danach gefragt und sie würde ihm auch keine Antwort darauf geben. Fakt war, dass der Junge mit dem Wirt als einer Art Ziehvater aufwuchs und das musste allen im Dorf reichen.
Als sie wieder in die Gegenwart zurück kehrte, gab er gerade ein paar Ratschläge zum Besten. Als Reaktion schnaubte Josa abfällig und hob die Kleine kurzerhand hoch. "Du bist heute aber großzügig mit deinen Angeboten. Wie schade, dass ich sie zurück ins Bett stecken werde und es nicht annehmen kann."
Das Mädchen sah zwischen den beiden Erwachsenen hin und her und musste plötzlich kichern, ein ganz leiser und dennoch niedlicher Laut, der die Aufmerksamkeit der Frau auf sich zog. "Ach, das findest du lustig? Gut, wenn das so ist, wird sich nachher unser Koch um deine Haare kümmern. Mal sehen, ob der Umgang mit Teig ihn gelehrt hat zu flechten.", drohte Josa und ließ dabei offen, wem von den Betroffenen diese Worte eher gelten sollten.
Die Kleine jedenfalls begann prompt zu strampeln und sie musste nachgreifen, damit sie ihr nicht runter fiel. Da verabschiedete er sich und sorgte dafür, dass sie den Raum doch nicht verlassen musste, um das Kind anziehen zu können. "Wird auch Zeit!", konterte Josa und rief ihm noch etwas nach, als er beinahe draußen war. "Und sieh zu, dass du mir irgendwas Süßes mitbringst für sie. Oder selbst backst nachher, mir gleich!"
Immer diese Sonderwünsche hier! Dennoch empfahl es sich, Josa diesen Gefallen zu tun. Wer wusste, was ihr sonst als kleine Vergeltung einfallen könnte! Nein, da war es besser, dem nachzukommen, auch wenn er davon ausgehen konnte, dass es sein Schaden nicht wäre. Schließlich beglich sie ihre Schulden immer, wenn er auf seinem Weg eine Extrabesorgung machen sollte für sie.

Drogan geht nach Es lebe der Wald!
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