Der Innenraum der Schenke

Balars einzige kleine Taverne wird von einem Mann namens Barnor geführt. Sie ist ein Treffpunkt für die Dorfbewohner, die sich abends nach der Arbeit auf ein Bier hier einfinden und plaudern.
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Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Mittwoch 20. Juli 2022, 20:35

An den Dachbalken aus Schwarzeiche hingen tausende von getrockneten Kräutern und Blumen aus dem nahen Wald. Sie verströmten einen würzigen Duft, der die Schwaden aus dem leicht verstopften Kamin überdeckten. Die Gespräche im halbdunklen Raum waren dumpf und wurden übertönt vom Gesang der Männer und Frauen an den Eichentischen, welche scheinbar wahllos verteilt waren. Diejenigen, die nicht auf den Bänken standen, schlugen ihre schweren Holzkrüge zum Takt der Lieder auf die durchwachsende Fläche vor sich, so dass der Inhalt samt Schaumkrone darüber verteilt wurde. Man sang Lieder über die alten Wesen des Waldes und ihre Streiche. Auch Lieder über den Lohn der harten Arbeit und über die lang gesuchte Liebe im Kuss einer weit entfernten Frau. Die Stimmen vermischten sich und übertönten das pfeifende Geräusch des scharfen Windes, welcher an den mit Leder überspannen Holzläden der kleinen, spärlich verteilten Fenster rüttelte. Mit aller Kraft drückte das prasselnde Feuer des ausladenden Kamins die harsche Nachtkälte zurück durch die unzähligen Ritzen des Mauerwerks. Die Flammen warfen tanzende Schatten an die ausstaffierten Wände, wo Kreaturen des Geistes in unnatürlichen Reigen über jeden buntgemusterten Teppich schwankten. Sie streichelten die Regale, bestückt mit unzähligen alten Utensilien und verharrten beinahe schelmisch auf den zur Zierde angebrachten Schilden und Äxten. Das trommelte Rattern des starken Regens konnte die Stimmung der bereits angetrunkenen Dorfbewohner nicht dämpfen. Die Magd, Josa, umrundete jeden Tisch geschickt. Dabei wich sie den gierigen Händen, welche das junge Frauenzimmer auf die Schöße der Besitzer ziehen wollten, lachend aus und erhielt dafür einen kurzen Klaps auf den Hintern. Immer wieder begleitete sie Teil der Lieder, wenn sie gerade an einem fröhlichen Tisch ihre Arbeit verrichtete.
Barnor, der alte Besitzer der Taverne, stand hinter einem alten Tresen mit tierischen Ornamenten und einem mit Weidenkränzen verzierten Bogen darüber. Dort wischte er gedankenverloren Krüge und Bar mit dem selben, etwas verschmutzen Tuch. Niemand interessierte sich dafür, solange das Bier süffig war und das Essen gut. Und gerade das malzige Erlebnis wurde in dieser Schenke hoch gepriesen. Man gab dort Honig und den Saft einiger Beere hinein, um das herbe Aroma etwas abzuschwächen. Hinter dem Wirt konnte man einige der Fässer sehen. Sie waren zur Mittagsstunde angeschlagen worden, weil viele Nachtarbeiter bereits zum Mittag einkehrten und einige, die erst am Nachmittag die Arbeit niederlegten, ein deftiges Mittagsmal wünschten. In diesem Landstrich wollte niemand etwas anderes haben als kühles Bier und warmes Essen. Beides konnte diese Taverne bieten. So liebten es die einfachen Menschen dieser Insel. Wie schon oft an diesem Abend, wurde die Tür geöffnet und einen kurzen Moment lang, konnte man das Unbill sehen, welches dort draußen wartete. Vollkommen durchnässt legten die Neuankömmlinge ihre Mäntel ab und hängten diese über einen langen Stock, welcher über einem Gestellt in der Nähe der Feuerstelle angebracht war. So konnte man den Stoff schnell trocknen und sogar etwas Wärme für den vielleicht langen Heimweg speichern. Unerwartet stobt etwas Ruß durch den mit Vogelnestern verstopften Schornstein. Er fiel auf den Reisig in der Feuerstelle und ließ Funken aufstoben, welche sich Knisternd über die Füße der gerade angekommenen Gäste ergossen. Die Götter und den Wirt verfluchend wagte man ein ungewolltes Tänzchen, bevor die vielleicht teuren Schuhe mit Brandflecken übersät waren. Undichte Schuhe bei diesem Wetter zu tragen kam Tollheit gleich. Aber schnell hatte man sich wieder beruhigt, als die Hitze in die bleichen Wangen stieg und jeden Gedanken an Regen und Kälte vertrieb.
Die Tische kannten allerlei Gesprächsthemen. Einige Holzfäller unterhielten sich über die harte Arbeit der letzten Tage. Der Niederschlag der letzten Tage weichte den Waldboden auf und machte es immer schwierige geeignete Bäume zu finden, zu fällen und sie dann durch die Schlammmassen in das Dorf zu bringen. Ein paar Krämer und Steinmetze wollten wissen, wie es um die Frauen des Dorfes stand und einige suchten geeignete Heiratspartner für die Söhne. Wieder andere klagten darüber, dass die Felder aufschwemmten und es in diesem Winter weniger Nahrung für alle geben wird. Das dementierten Reisende aus dem Süden und machten auf die Lage der Welt aufmerksam und die möglichen Handelsposten an den Küsten des zentralen Kontinents. Dabei ging laut klirrend ein Tonkrug zu Bruch, als eben jener Reisende mit einer ausladenden Armbewegung Richtung Westen weisen wollte. Michael, der Sohn der Magd und Knecht in diesem Hause, eilte mit einem Reisigbesen und einem Tuch herbei, um die Schweinerei zu beseitigen. Viele Gäste lachten über den Fremden und boten kurz darauf etwas aus dem eigenen Tonkrug an, damit sich die Gemüter schnell beruhigten. Sobald er mit er Aufgabe fertig war, machte sich der Knecht daran, die Spinnenweben aus den Ecken und unter den Balken zu entfernen. Um die wenigen Gemälde dabei zu schonen, wand sich der Junge geschickt an den breiten Rahmen vorbei und feudelte mit einem Büschel Hühnerfedern an einem langen Stock durch die verschmutzen Bereiche. Die Bilder zeigten Motive, die an einem Flecken wie dieser Insel eher selten zu sehen waren. Fremde Gefilde und imposante Städte mit weißen Marmorbauten. Barnor behauptete zwar er hätte sie teuer erstanden und einige Händler aus exotischen Ländereien bestochen, aber die meisten Bewohner des Dorfes glaubte ihm kein Stück. Dennoch war das Gezeigte natürlich beeindruckend.
Ein Dorfbewohner, der alte Schweinehirte Ulfard, schwankte zu Barnor herüber und knallte ihm einen leere Krug vor die Nase. „Noch ein Bier, guter Mann mit dem schnittigen Schnauzer.“, lallte der Glatzkopf und fügte einen kurzen Hickser bei. Mit einem stummen Nicken strich der Wirt die wenigen Münzen ein, welche der alte Gast klimpernd auf den Tresen fallen ließ. Die Bewegung war fließend und schon oft in seinem Leben wiederholt worden. Rauschend ergoss sich die bernsteinfarbene Flüssigkeit in den vormals leeren Krug. Doch dann versiegte der Segen und bis auf Schaum und einige letzten Tropfen, wollte nichts mehr in das Behältnis füllen. Bevor sich der Frust eines nicht mehr ganz nüchternen Gastes über ihm entlud, gab Barnor zu verstehen dass es gleich weiter gehen würde. Der routinierte Barmann hob die Hand und zog an einer Schnur, welche gut eine Elle über dem Fass hing. Weiter hinten in der Taverne läutete eine kleine, aber schrille Glocke. Als ob alle Bewohner Belars darauf gewartet hätten, brüllte ein jeder der es kannte plötzlich „Bier!“ durch die Stube. Dann ,als wäre nichts gewesen, kehrte ein jeder zu seinem Thema zurück.

Die Kartoffelstücke tauchten mit einem sanften Glucksen in die kräftige Brühe ein. Petersilie und Thymian entfalteten bereits ihr Aroma und immer wieder tauchten Stücke vom Schweinefleisch und den dazugehörigen Knochen an der Oberfläche auf. Ein tief zufriedenes Lächeln umspielte die Lippen des Kochs, der den nun entleerten Eimer für die geschälten Kartoffeln zur Seite stellte. Daraufhin trat er an den kleinen Haufen mit Karotten, Zwiebeln und Sellerieknollen neben der Feuerstelle. Die kräftigen Finger umklammerten das Küchenmesser, zogen es aus dem Holz der Arbeitsfläche um dann behutsam, mit ungeahnter Präzision, Schale, lästige Stellen und unappetitliches Grün zu entfernen. Die Klinge hüpfte vergnügt durch das Gemüse und zerkleinerte dieses in mundgerechte Happen. Laut pfiff und summte der Mann in der Küche die entfernten Lieder im Schankraum mit. Dabei trieb er sich selber an und konnte nur schwer die Füße still halten. Seine Arbeit quittierte er mit einem tiefen, zufriedenen Brummen. Mit beiden Händen fügte er dem Eintopf die Beilagen zu. Mit einem satten Schmatzen verschlag der nun durch die Stärke der Knollen dick werdende Eintopf die Zusätze. Ein herrlicher Duft entströmte dem Gericht und würde bald schon durch die ganze Taverne ziehen. Mit einem heftigen Knacken, wurde das Messer zurück in die Arbeitsfläche getrieben.
Zeit die Schüsseln und Löffel vorzubereiten“, dachte der Mann sich stumm. Aber da klingelte die kleine Messingglocke in der Nähe der Vorratskammer. Aus dem Vorraum ertönte laut und deutlich „Bier!“ und somit wusste der vollbärtige Kerl sofort was zu tun war. Ohne zu zögern wischte er sich die schmutzigen Hände an dem Leinentuch über der Schulter ab. Mit einem kräftigen Ruck öffnete er die schwere Holztür der Vorratskammer und suchte im dämmrigen Halbdunkel die Fässer mit den Reserven. Nach beinahe einem Jahr Dienst würde er sich hier sogar in vollkommener Dunkelheit zurechtfinden. Die schwieligen Finger ertasteten den Rand einer Eichenbohle. Nach einem geübten Griff schulterte der Koch das Fass mit dem bersten Ostgrad-Bier der Gegend. Es wog in etwa soviel wie ein junger Erwachsener und war daher keine wirkliche Belastung. Nachdem die schmale Kammer verlassen, mit dem Fuß die knarzende Tür verschlossen und nach dem blubbernden Eintopf gesehen war, schlängelte sich der wuchtige Kerl an Töpfen, Pfannen und anderen Bestandteilen einer rustikalen Dorfküche nach Vorne zum Schankraum. Durch einen torlosen Seiteneingang, direkt neben der Bar, trat man zu den Gästen und Barnor. Inzwischen gab es bereits drei weitere trockene Kehlen.
„Barnabas, die Herren verdursten hier und du ...“, der Wirt stockte kurz und hielt die Nase in die Luft. Er sog kurz ein und auch die Gäste konnten nicht umhin, den betörenden Duft in der Luft wahrzunehmen. „ … du scheinst wieder einmal mit unfairen Mitteln zu spielen. Tausche das Fass aus und schau nach dem Feuerholz beim Kamin. Ich will nicht, dass die Gäste frieren.“ Drogan nickte und lächelte etwas. „Unfaire Mittel. Wenn du dich in deinem Alter von einem Eintopf aus der Fassung bringen lässt, muss ich wohl mal ein ernstes Wort mit deiner Frau wechseln.“ Einige Männer lachten und Barnor tat diesen Kommentar mit einer flüchtigen Handbewegung ab. Das leere Fass gegen das volle austauschend, inspizierte der Mann aus Dessaria die Anwohner. Es herrschte eine ausgelassene Stimmung und nichts schien diese trüben zu können. Barnasbas rollte das leere Fass in die Küche und stellte es neben dem Hinterausgang ab. Dort würde man es am nächsten Morgen abholen und gegen eine neue Lieferung austauschen. Dann trat er wieder in den Gastraum um beim Kamin nach dem Rechten zu sehen. Auf dem Weg hoben Leute die Becher, grüßten ihn und forderten den ausladenden Mann auf, mit ihnen zu singen und zu tanzen. In diesem Moment hielt ihn nichts mehr zurück und er vollführte einige Schritte im Reigen eines etwas wollüstigen Lieds über die Brüste einer Adeligen aus dem Süden. Am Ende gab er die letzte Zeile mit seiner gewohnt tiefen Stimme zum Besten: „ … und neckisch sie hebt ihr Kleid, ihre Waden die sind bereit, doch ihr Busen ward verborgen, hatte mehr Land im Süden, als im Norden, HO! Ihr Männer achtet darauf, sie trägt im Gesicht die Haare auch!“ Lachend und feixend löste sich Drogan von der Menge. Viele wollten ihn nicht gehen lassen, aber leider gab es Dinge für ihn zu tun. Man winkte ihm nach und kümmerte sich schnell darum ein neues Lied zu finden, um den gerne gesehenen Koch wieder zu sich zu locken. Drogan liebte die Abende im Regen, welche so viele Leute in die warme Stube trieb und die Gemeinde sich mit jeder Mahlzeit und jedem Getränk besser zu verstehen schien. Natürlich gab es von Zeit zu Zeit auch mal eine Prügelei, aber so etwas war schnell vergessen und es wurde so selten jemand ernsthaft verletzt, dass niemand jemals wieder über so eine Auseinandersetzung sprach. Die braunen Augen spähten um die Ecke des aus Feldsteinen geformten Kamins und sahen, dass noch ausreichend Scheite für die kommenden Stunden vorhanden waren. Mit einem nach oben gereckten Daumen signalisierte er Barnor, dass alles in Ordnung sei und dieser antwortete mit der selben Geste. Auf dem Weg zurück hielt sich Drogan weiter an der Wand, um einem erneuten Gelage zu entkommen. Nicht, dass er keine Lust dazu hatte, aber auf dem Feuer stand noch sein Eintopf und dieser sollte nicht anbrennen. Wenn es andickte konnte sich der Boden schnell schwärzen. Diese bittere Note war nur schwer wieder zu entfernen. Dabei kam er besonders dicht an den Fensterläden vorbei und hörte den beißenden Wind, der mit aller Gewalt in die gemütliche Stube einkehren wollte. „Bleibe du nur draußen, Windbeutel, hier drinnen hat deine Art nichts verloren.“, dachte er bei sich und wollte zurück in die Küche schlüpfen. Allerdings wurde er von der Magd aufgehalten. Josa war um die zwanzig Lenze und mit ihren roten Haaren und grünen Augen eine wahre Augenweide. Die Sommersprossen auf der blassen Haut machten aus ihr eine so genannte Dorfschönheit - Und sie wusste das. Allerdings nichts besonderes für Drogan. Da hatte er weitaus besser gebaute Dirnen im Westen getroffen. Statt einer Frau für das Bett ,war sie mehr eine gute Freundin. Nichtsdestotrotz sparte das junge Ding nicht mit kleinen Spitzen, wenn sie den grobschlächtigen Koch traf. „Barnabas, erwische ich dich auch mal. Versteckst du dich wirklich vor mir oder erwartest du, dass ich irgendwann einmal zu dir nach Hinten kommen und von deinen besonderen Leckereien koste.“, fragte sie recht keck und auch nicht gerade leise, so dass sich einige interessiert umschauten. Drogan kannte das bereits und zog dem Mädchen schmunzelnd ihr blaues Kopftuch über die Augen. Sie war überrascht und verwuschelte ihre Frisur beim Versuch das Kleidungsstück wieder an die richtige Position zu bekommen. „Pass lieber auf, dass du deine Leckereien nicht so preisgünstig anbietest.“, konterte er und wich ihrem blinden Tritt so gut es ging aus. Als sie sich endlich befreit hatte, stemmte die Magd ihre Hände in die Hüfte und keifte etwas von ihren Werten und das Drogan ein Kostverächter sei. Alles aber hörte er nicht, denn schon war er wieder in der Küche. Inzwischen zogen kleine, weiße Dampfschwaden über den Kessel hinweg, das Aroma war nun vollends entwickelt und Barnabas reduzierte das Holz im Herdfeuer, damit der Eintopf langsam weiter kochen konnte. Alles in allem war der Abend wunderbar und es konnte so weitergehen.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 21. Juli 2022, 14:35

Im Prinzip war in dieser kalten Jahreszeit jeder Tag und vor allem jede Nacht dazu geeignet, die Wärme in der einzigen Schenke des Dorfes zu suchen. Hinzu kamen der Wunsch nach Geselligkeit nach oder vor einem harten Arbeitseinsatz und das stets süffige Bier, das hier serviert wurde. Und seit es den neuen Koch gab, waren da noch die Mahlzeiten, die einen guten Umsatz machten. Wenn allerdings bei der Witterung auch noch wie jetzt Wind mit sturmartigen Böen und starker Regen, an der Grenze zum Schneefall, dabei waren, dann wollte man nicht einmal mehr einen kleinen, nervigen Köter oder eine streunende Katze vor die Tür setzen!
Umso länger versuchten die Gäste zu verweilen und rückten zusammen, wenn sich Neuankömmlinge aus der eigenen Behausung gewagt hatten, um es sich in der Schenke gemütlich zu machen. Die Stimmung war, trotz des Wetters, hervorragend und der Alkoholpegel noch nicht hoch genug, dass es ins Gegenteil kippen könnte.
Auch den Koch, Barnabas, wollte man im Schankraum in die allgemeine Heiterkeit mit einspannen und fast schien es schon so, als würde er sich breit schlagen lassen. Doch die Verantwortung für den Eintopf war es schließlich, die ihn zurück in die Küche trieb.
Dort war es fast noch wärmer durch das Herdfeuer und den Dampf, der verlockend duftete, aber wenigstens hielt sich der Lärmpegel etwas in Grenzen. Bei all den Gästen kam es einem Wunder gleich, wenn man sich noch in einer halbwegs normalen Lautstärke unterhalten konnte und auch verstanden wurde, ohne, dass die Hälfte des gesamten Raumes lauschen konnte. Hier hingegen waren die Laute zu einem angenehmen, begleitenden Gemurmel gesenkt und nur die Stimmen, die mehr oder weniger schief Lieder aus vollem Halse grölten, waren zu verstehen.
Alles in allem war es ein guter Arbeitsplatz zum Wohlfühlen, zwar recht allein, jedoch mit der Option, jederzeit hinaus zu treten und sich in den Trubel werfen zu können. Fast schon wie ein Rückzugsort konnte es einem hier vorkommen.
Zugleich war der Koch allerdings auch für alles in diesem Raum allein verantwortlich, solange er werkelte, für Sauberkeit und Ordnung, aber auch dafür, dass nichts anbrannte oder überlief. So wie jetzt, als er den Eintopf gerade noch mit kräftigem Umrühren vor einem unangenehmen Geschmack bewahren konnte.
Der Mann aus der Fremde konnte zufrieden mit sich sein, als er probierte und somit feststellen konnte, dass der Schaden abgewandt war. Noch einmal genau im richtigen Moment gekommen!
Also konnte er langsam daran gehen, die Schüsseln und Löffel zu holen, um anzurichten. Bestellungen für die Mahlzeit waren schließlich längst eingegangen und wenn er sich nicht sputete, könnte er sich wieder von Josa etwas anhören. Oder sie würde die Gelegenheit nutzen, um ihm erneut nahe zu treten und ihn an der Nase herumführen zu versuchen. Ob er das wirklich wollte?
Oder es würden bissige Bemerkungen kommen, denn ihre Zunge konnte durchaus spitz werden, vor allem, nachdem er sie vorhin, wenn auch gutmütig, vor versammelter Mannschaft bloß gestellt hatte. Würde es nicht so häufig zwischen ihnen derart ablaufen, er müsste sich womöglich Gedanken darüber machen, ob er nicht zu weit gegangen war.
Wie auch immer, draußen tobte das Unwetter und herinnen war es mollig warm mit duftendem Dampf, der um ihn herum waberte. Die Schüsseln waren rasch geholt und konnten auf dem Tisch nebeneinander abgestellt werden, als plötzlich eine Windböe schaffte, was bislang nicht gelungen war. Die Hintertür, durch die er stets direkt von der Küche in den Hinterhof gehen konnte, um einige selbst angepflanzte Kräuter oder andere Dinge zu holen, die er für seine Zubereitungen brauchte, wurde mit Wucht aufgedrückt und schlug krachend gegen die Wand. Prompt kam mit einem Schwall Kälte auch ein Regenguss herein und spritzte vereinzelte Tropfen fast durch den gesamten Raum. Das musste man ändern, aber schleunigst!
Zuerst mussten aber die Schüsseln abgestellt werden, sodass einen Moment lang die Kälte seinen ungeschützten Rücken treffen konnte, ehe er sich um dieses Malheur kümmern musste. Es war alles andere als leicht, gegen die Gewalt der Natur anzukämpfen, doch nach einer gefühlten Ewigkeit konnte er die Tür zu drücken und bei dieser Gelegenheit das Schloss überprüfen.
Nein, da war nichts mehr zu machen, es war hinüber. So ein Mist aber auch! Nun wäre guter Rat teuer, denn sobald er seinen derzeitigen Posten wieder verlassen würde, würde der Wind unbarmherzig das Türblatt aufstoßen. Und der Regen erst! Schon jetzt hatte sich eine kleine Pfütze gebildet, wo er gerade stand.
Was sollte er tun? Wie könnte er dieses Problem lösen und das möglichst schnell, damit der Eintopf nicht anbrannte?
Als hätten die Götter ihm einen Wink senden wollen, betrat in diesem Moment im Schankraum ein Neuankömmling das Gebäude und rief lautstark nach Barnor. Was genau er zu sagen hatte, war noch unklar, doch irgendetwas in seiner Stimme sorgte dafür, dass sich der Geräuschpegel etwas senkte und Ohren gespitzt wurden. Neugier machte sich unter den Gästen breit.
Zugleich war es leise genug geworden, dass Barnabas, sofern er das wollte und musste, nach Unterstützung rufen könnte. Blieb nur zu hoffen, dass alles schnell genug ginge, denn lange würde es ihm der Eintopf nicht mehr verzeihen, dass er nicht umrührte. Schlimmer noch, die Gäste würden es bald schmecken und das würde früher oder später auf ihn zurückfallen. Nicht jeder hätte Verständnis für sein Problem mit der Tür, wenn der Magen es nicht verzeihen wollte.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Donnerstag 21. Juli 2022, 19:16

Nicht nur der kalte Schauer in Nacken und Rücken überraschte den Koch. Es war auch die Kraft der Naturgewalt, welche ihm beinahe das Kopftuch von den kurzen Haare blies. Nur mit viel Glück, konnte er den Holzlöffel in seiner Hand festhalten und davor bewahren im Abendessen zu versinken. Zwar kannte man in der Küche holziges Gemüse, aber doch niemals Gemüse aus Holz. Das zu erklären wäre nicht nur in Berufskreisen schwer geworden. Normalerweise wäre ihm mit dieser Überraschung zwar kein Gefallen getan worden, aber es gäbe auch keinen Grund unruhig zu werden. Allerdings verlief der bisherige Abend so entspannt und heiter, dass die vom Sturm aufgerissene Tür ihn etwas aus der Fassung brachte. Leider haben diese Situationen es an sich, dass man kaum Zeit bekommt angemessen darauf zu reagieren, aber dass reagiert werden musste, war Drogan klar.
Klappernd landete der breite Löffel, mit der auf Suppen spezialisierten Tiefe, auf der Arbeitsfläche und bespritzte die Umgebung mit Eintopfresten. Auch wenn viele Kisten, Säcke und Fässer im Weg standen, bahnte sich der Koch seinen Weg zur Quelle des ganzen Tumults und sah etwas fassungslos dabei zu, wie die windgepeitschte Tür auf und zu knallte und dabei einen Heidenlärm verursachte. Barnor, die übrige Belegschaft und auch beinahe jeder Gast in der Schenke musste es hören. Das infernalische Krachen war Ohrenbetäubend. Das leere Bierfass, welches er dort hinter dem Ausgang abgestellt hatte, wurde bereits umgestoßen und versuchte durch die Schieflage der Bodendielen erfolgslos an seine alte Position zurückzukehren. Es rollte so unglücklich davon, dass der nächste Türhieb es erfasste und wild drehend gen Drogan schleuderte. Der bekam das unübliche Geschoss gegen die Brust, ächzte überrascht auf und rieb sich die Stelle eher perplex als schmerzlindernd. Bevor so etwas erneut geschah, griff der Mann geistesgegenwärtig danach und stellte es in sicherer Entfernung wieder fest auf den Boden. Grummelnd wandte er sich um. „Dreckswetter. Schlimmer als wenn Drachen furzen.“, murmelte der Dessarier leise in sich hinein und krempelte die Arme hoch, während seine breiten Füße schnurstracks auf die mit Eisen beschlagene Tür zugingen. Unter einigem Kraftaufwand schob Drogan die Tür zurück in den Rahmen und ging in die Knie, dass das Regenwasser den Boden rutschig gemacht hatte. Das gesamte Gewicht ausnutzend, versuchte er den Schaden zu inspizieren, war sich aber bewusst, kein Tischler oder Schreiner zu sein. Jedoch war der Grund für diese haltlose Pforte klar zu erkennen. Der Riegel, welcher über eine Vertiefung seitlich in die Tür geschoben wurde, hatte das Holz splittern lassen und wurde dann durch die wiederholten Schläge verbogen. Er hing nutzlos und verformt in der Wandhalterung.
Es war auf dieser Art und Weise nicht mehr möglich den Ausgang zu verschließen und Drogan sah sich in seiner Zukunft als menschlicher Türstopper schon die nächsten Jahre in dieser Position verbringen. Allein schon deswegen, weil das verdammte Essen als schwarzer Teer in den Schankraum kommen würde. Erneut frischte der Wind auf. Dieser musste vom Süden her gekommen sein und sich über der Meeresenge aufgeladen haben. Ein Donnergrollen ging durch die Nacht. Mit einem Mal ging Drogan ein Licht auf. „Türstopper ...“, sagte er sich selber und wiederholte es geistesabwesend, während die brauen Augen den Boden absuchten. Durch das abschüssige Gelände brauchte man bei den Lieferungen immer wieder einen Keil, welchen man unter die Tür schob, um diese offen zu halten. Tatsächlich lag das gesuchte Ding gut vier Handbreit weiter hinten beim Feuerholz. Mit den Händen würde Barnabas niemals dort angekommen. So gut er konnte, streckte der Koch den Fuß danach aus und hätte beinahe Erfolg gehabt. Aber das nasse Leinentuch unter seinem Knie war inzwischen so vollgesogen, dass der breit gebaute Mann auf seinem Hintern landete. Das Geräusch glich einem schweren Stein welcher in einem tiefen Moor versank. „Ich hasse so etwas!“, waren seine Gedanken, als er den Rücken gegen die Tür lehnte und mit seinem durchnässten Hinterteil einen zweiten Versuch unternahm. Mit dem Hacken angelte er das ersehnte Stück und zog es zu sich herüber. Sorgsam steckte es Drogan in den Spalt unter der Tür, stand vorsichtig auf und trat es danach fest.
Prüfend rückte Barnabas etwas ab und stellte erleichtert fest, das die Gefahr für den Moment gebannt war. Durch die Kraft des Sturm verhakten sich die beiden hölzernen Widersacher immer weiter.
Selbst ein Veteran konnte von solchen Situationen überrascht werden. Erleichtert aufstöhnend, beugte sich der Koch vor und hob das klitschnasse Leinentuch vom Boden. Sobald er sich um den Eintopf gekümmert hatte, würde ein Neues unabdingbar sein. Auf dem Weg zurück zum Herd, warf der Mann das triefende Wäschestück in den leere Kartoffeleimer. Drogan sah sich das brodelnde Innere des Kessels genauer an. Noch schwammen keine schwarzen Stücke an der Oberfläche. Ein Zeichen dafür, dass sich nichts Verbranntes vom Boden gelöst hatte. Um den Kesselboden nach Verunreinigungen absuchen zu können, musste man das Feuer reduzieren. Noch so eine Katastrophe würde das Abendessen nicht überstehen. Mithilfe einer Zange konnte der Koch die brennenden Scheite aus der Feuerstelle ziehen und in eine Eisenschublade im Herd stecken. Dort konnte es verglühen. Über dieser Lade hatte man eine metallische Scheibe angebracht. Die Hitze des glühenden Holzes erwärmte die Platte und man konnte dort die Mahlzeiten warm halten. Da Drogan allerdings kein Tuch mehr hatte und man die metallischen Henkel am Kessel nicht mit bloßen Hände anfassen sollte, nutze der geübte Koch seine Kopfbedeckung. Die gewohnte Bewegung ging ihm spielend von der Hand. Der Schweiß rann ihm über die Stirn. Barnabas hatte gar nicht bemerkt, wie ihn das Arbeiten im heißen Herd und die körperliche Anstrengung verausgabt hatte. Er atmete tief durch und wischte sich das Wasser vom Gesicht. Jetzt war auch sein Kopftuch feucht. Gerade als es seinen Platz im Hosenbund fand und man die Schüsseln für die Gäste holen wollte, knallte der Hintereingang wieder auf und schleuderte den Unterlegkeil quer durch die Küche. Es klirrte Laut, als er zwischen hängenden Töpfen und Pfannen abprallte. Sofort tanzte der Wind durch die Dachbalken und das Holz ächzte unter der Kraft. „Verdammter Dreck! Robbenscheiße und Walarsch!“, fluchte der ehemalige Krieger so laut und heftig, dass selbst ein schwarzes Ei wieder weiß geworden wäre. Wie ein Rammbock stürmte Barnabas auf die Tür zu und hielt gegen die Mächte der Natur an. Doch leider war der Keil nicht mehr auffindbar und ihm fiel auch nichts mehr ein, wie er diesen Mist hätte aufhalten sollen.
Jemand musste kommen und ihn unterstützen. „BARNOR?! JOSE?!, brüllte er so laut und kräftig, dass man es vorne im Schankraum hätte hören müssen. „Ich brauche hier hinten etwas HILFE, verflucht und dreimal bespuckt!!“, schallte es durch das donnernde Grollen des Himmels durch die Küche. „Wenn alle Dirnen von Jorsa so blasen würden wie der Wind würde der Adel platzen!“, kommentierte er im Geiste und konzentrierte sich darauf, die Tür zu halten.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Freitag 22. Juli 2022, 14:17

Es war wahrlich ein Mistwetter, das da draußen gerade wütete. Bestimmt würden sie am nächsten Morgen im Dorf so einige abgedeckte oder sonstwie beschädigte Häuser vorfinden und die Nachbarn einander Hilfe leisten müssen. Doch womit Barnabas nicht rechnen konnte, war, dass die Gewalt ausreichte, das Schloss der Hintertür zu sprengen.
Plötzlich wurde das Holz von außen aufgewuchtet und knallte lautstark gegen die Holzwand daneben. Das war nicht nur unangenehm, sondern auch alles andere als willkommen. Kalte Luft rauschte gemeinsam mit dem Regen herein und hatte alles an sich, um schleunigst wieder ausgesperrt zu werden.
Was alles andere als leicht war, schließlich wehte auch der Wind böenartig herein und drückte gegen das Holz, als der Koch sich damit abmühte, es zu schließen. Und als wäre das nicht schon schwierig genug, während ihm der Eintopf anzubrennen drohte, war ja obendrein das Schloss kaputt. Nein, nicht nur kaputt, es war mehr oder weniger herausgerissen und das Scharnier kräftig verbogen, vielleicht sogar teilweise gesprengt, sodass sich Kleinteile in der Küche sich teilweise verstreut finden würden. Nun war guter Rat teuer, wie das Türblatt in seiner Position gehalten werden sollte.
Die Lösung schien naheliegend, ein Keil, der nicht zum ersten Mal zum Einsatz kam. Nach einiger Mühsal war er erreicht und Barnabas konnte sich triefend von seiner bisherigen Position entfernen.
Jetzt aber rasch zu seinem Eintopf, um zu retten, was noch zu retten war! Umziehen, um nicht die ganze Schenke vollzutropfen, könnte er sich später auch noch. Er gab sein Bestes und es schien, als hätten die Götter endlich ein Einsehen mit ihm und seinem Essen.
Doch dann geschah das nächste Malheur, eine neuerliche sturmartige Böe sorgte dafür, dass der Keil zum Wurfgeschoss wurde und nur mit viel, viel Glück wurde der Koch nicht lebensgefährlich getroffen. Sonst hätte das noch böser ausgehen können als all seine Monsterkämpfe zusammen.
Na, das wäre was! Er, der ehemalige Söldner, der trotz fehlender Vorkenntnisse jahrelange Kämpfe überlebt hatte, von einem simplen Holzkeil erschlagen! Oder gar so getroffen, dass er in seinen eigenen Eintopf fiel, um darin zu ertrinken, nachdem er sich so verbrüht hätte wie damals bei der Suppe. Und das zu allem Übel auch noch ohne einem Tropfen Alkohol im Blut! Nein, nein, das ging so nicht!
Es musste auf jeden Fall eine bessere, dauerhaftere und weniger gefährliche Lösung her. Nur... welche? Alleine schaffte er das nicht, also machte er das Einzige, was ihm möglich war.
Er spielte selbst Türstopper und brüllte sich regelrecht die Seele aus dem Leib. Wäre es im Schankraum noch so laut wie zuvor gewesen, er hätte keine Chance gehabt, sich so Gehör zu verschaffen. Doch der Neuankömmling, der unbedingt hatte Barnor sprechen wollen, hatte dafür gesorgt, dass er sämtliche Aufmerksamkeit hatte und der Großteil der Gespräche verstummt war.
So konnte man aus der Küche den Hilferuf hören. Nur war der Wirt gerade bedauerlicherweise unabkömmlich und Michael... der war viel zu neugierig, als dass er sich hätte losreißen können. Es war letzten Endes Josa, die die Gnade bewies, wenigstens nachsehen zu kommen, was für ein Problem der Koch hatte.
"Was ist los? Hast du deinen Eintopf versal..." Sie verstummte und ihre Augen weiteten sich. Dann stieß sie einen äußerst undamenhaften Fluch aus, verschwand aus der Türöffnung. Na, hoffentlich beeilte sich das Weibsstück, denn der Wind hatte eine gewaltige Kraft und irgendwann würde auch Barnabas es nicht mehr schaffen.
Er hatte Glück, die Schankmaid war jemand, der nicht den Kopf in den Sand steckte und wie ein Huhn herum flatterte, obwohl sie gerne mal so tat, sondern pfiffig und mit Hausverstand gesegnet. Obwohl es ihm wie eine Ewigkeit vorkommen musste, war es vielleicht höchstens eine halbe Minute, bis zwei der stärkeren und weniger angetrunkenen Gäste von ihr in die Küche geschickt und herum kommandiert wurden.
Man sah ihnen an, dass sie sich nur ungern von den Neuigkeiten draußen gelöst hatten, aber Josa hatte so ihre Mittel und Tricks, um ihren Willen für gewöhnlich durchzusetzen. Und die Männer konnten ja selbst sehen, was die Stunde geschlagen hatten.
Kurzerhand also übernahm sie das Zepter in Barnabas' Küche, ließ zwei schwere Regale ausräumen und dann mit geballter Manneskraft vor die Tür wuchten. Es hielt zwar nicht vollkommen dicht, durch einen minimalen Spalt konnte immer wieder der Regen herein peitschen, jedoch lediglich Tröpfchenweise und wie es schien, war das Gewicht gut bemessen. Trotzdem wurden die Regale noch mit Fässern beschwert, sodass es erstmal halten sollte.
Zufrieden entließ Josa ihre zwei Hilfsarbeiter und drückte ihnen mit einem Nicken die gefüllten Schüsseln in die Hand, die sie in der Zwischenzeit hergerichtet hatte. Dann raffte sie noch ein paar Schüsseln auf ein Tablett und deutete dem Koch, dass er das zweite nehmen sollte, sodass am Ende nur noch drei Schüsseln auf dem Tisch zum Befüllen gewesen wären.
"Und jetzt schnauf nicht so, sondern hilf mir und komm endlich rüber. Thorid ist da und erzählt grad Barnor wichtige Dinge. Es ist schon wieder passiert!", plapperte sie los und tat, als hätte Barnabas nicht gerade Höchstleistungen vollbracht, indem er den Sturm versucht hatte, draußen zu halten.
Damit drehte sie sich um und stolzierte zurück in den Schankraum, wobei es so wirkte, als würde sie mit Absicht mehr als notwendig ihre Hüften dabei schwingen. Ja, sie war trotz allem noch immer beleidigt. Weiber!
Zuletzt geändert von Erzähler am Samstag 23. Juli 2022, 19:56, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Freitag 22. Juli 2022, 22:38

Sein Schild hatte dem Tritt eines Trolles standgehalten, seine Arme stemmten Stämme gegen ein belagertes Tor und die Beine schoben einen Rammbock einen Hügel hinauf, aber heute zitterten seine Beine. Weniger durch die Anstrengung als durch den immer wieder aufkommenden Druck, aber diese ständige Belastung würde auch stärkeren Männern als ihm schwer fallen. Gerade als Drogan eine weitere Böe aufhalten musste, kam die angeforderte Hilfe herbei. Lange bevor er die junge Frau sah, konnte er ihre schnippische Stimme hören. Noch bevor sie hatte aussprechen können, machte sich der Koch lautstark bemerkbar: „Hier hinten, Jose!“. Die Magd hätte es sonst für einen Ulk halten und sich wieder zum gehen abwenden können, wenn sie ihn nicht direkt sah. Zeit war ein entscheidender Faktor. Ohne Kommentar ließ Drogan die angefangene Beleidigung, er würde etwas versalzen. Es gab gerade wichtigeres zu tun und sich in Streitigkeiten zu verlieren wäre einfach nur kindisch. Sie ging so schnell wie sie gekommen war. Obwohl das Mädchen die Situation doch hätte erfassen müssen. Wie konnte sie das nur tun? Selbstverständlich warf Barnabas ihr keine Feigheit vor. Wer jeden Tag in einer Schenke zwischen zig betrunkenen, teilweise geilen, alten Männern umherwanderte und sich kleine Duelle mit einem zwei Köpfe größeren Riesen aus dem Westen lieferte, der konnte nur mutig genannt werden. Doch da sein Körper und sein Geist damit befasst waren, das Problem in den Griff zu bekommen, konnte er nicht erklären, was Josa genau vorhatte. Ihm kam es wie eine Ewigkeit vor, während der Mann mit allen Mitteln versuchte in den Spalten und Lücken des Dielenbodens einen Halt zu finden. Mit einem Mal standen Klaus und Friedhelm in der Küche. Der dumpfe Blick der beiden Holzfäller kam einst von einer herabstürzenden Tanne. Das glasige Augenquartett blieb am Eintopf hängen. Barnabas wollte gerade etwas sagen, dachte er doch, dass die beiden Spießgesellen nur hier her gekommen waren, um sich vor dem Ausschank etwas Essen zu organisieren. Josa jedoch bog nur einen Augenaufschlag später um die Ecke und drückte sich geschmeidig wie eine Schlange an den grobschlächtigen Kerlen vorbei. Klaus und Friedhelm waren wohl nicht begeistert, dass ihre Hilfe angefragt wurde. Vermutlich war das Spektakel im Schankraum spannender als hier in der Küche zu helfen. Mit der rechten Hand auf der Hüfte und der anderen dirigierend, gab das junge Ding harsche Anweisungen. Barnabas erinnerte das Ganze etwas an eine zu kleine Amazone. „Stiert nicht so leblos in der Gegen herum, Jungs. Räumt die beiden Regale aus. Dieses und Jenes dort an der Wand. Ja, Klaus. Das ganze Zeug runter auf den Boden. Nein, Friedhelm, du kannst schon beim Zweiten anfangen.
Über die Hilfe war Barnabas natürlich froh, aber dass man dafür seine Gewürze und Zugaben auf den dreckigen Boden warf, ging ihm etwas zu weit. „Passt bloß auf damit! Ein paar Dinge lassen sich nicht so einfach ersetzen!“ Seine Stimme war kritisch, doch in all' diesem Tumult und weil es in einer Sprache war, die eigentlich niemand auf Belar verstand, ging jede Bedeutung sofort verloren. Als Josa jedoch dafür sorgte, dass die beiden Kerle die Regale in Richtung Tür verschoben, dämmerte dem Dressarier, welchen Plan die Magd verfolgte. Gerade als der Wind eine Verschnaufpause einlegte, rückte der Mann ab und mit einem ohrenbetäubenden Krachen polterte das Regal gegen den Verschlag. Bevor überhaupt jemand reagieren konnte, hoben die beiden Waldarbeiter das zweite Prachtstück belarischer Handwerkskunst an und warfen es geradezu auf seinen Bruder. Die beiden Regale waren wirklich schwer. Eisenbeschlag mit dicken Eichenbohlen und vier massiven, gewichteten Stahlfüßen. Diese Dinger konnte man ohne weiteres mit Erzen oder Rüstungen belasten. Da die Tür jedoch immer noch widerspenstig vom Wind gegen das neue Hindernis gepresst wurde, entschloss sich Drogan dazu, weitere Gewicht hinzuzufügen. Neben sich sah er das leere Bierfass, packte dieses und schleuderte es auf das improvisierte Hindernis. Jetzt arbeiteten die drei Männer zusammen und sorgten mit Feuerholzscheite und Kartoffelsäcken vor mehr Gewicht. Endlich. Die Tür gab nur noch ein schwaches Rütteln von sich und der kleine, zwangsweise offene Spalt ließ den Regen, wie auch die Wolken, nur noch tropfenweise hindurch. Bis sich am nächsten Morgen jemand den Schaden ansah, sollte die große Flut draußen bleiben.
Ein tiefes Seufzen drang aus Barnabas und er atmete schwer. „Das war schwerer als der Kampf gegen die Riesenechse von Sarius.“, dachte er bei sich und wischte den Schweiß mit dem Kopftuch aus seinem Hosenbund von der Stirn. Um an dieser Stelle fair zu bleiben, musste man sagen, dass die Riesenechse von Sarius bei der Jagd durch die Stiere von einem alten Baum erschlagen wurde. So gesehen, war also eigentlich alles schwerer als die Jagd auf die Riesenechse von Sarius. Natürlich war jeder so schlau gewesen, nichts davon zu erzählen und einen hübschen Bonus für schnelle und effiziente Erfüllung des Auftrages zu erhalten. Der rötliche Ton seiner Wangen schwand und aus dem Augenwinkel sah der Küchenchef, wie Josa zwei randvolle Schüsseln mit Eintopf an die beiden Helfer verteilte. Mit einem Finger deutete Drogan in einen Kasten neben der Tür zum Schankraum. „Nehmt euch ein Brot mit, als Dankeschön, Jungs.“, sagte er und versuchte dabei nicht so stark zu ächzen. Allerdings war auch nur das kleinste Anzeichen von Schwäche ein Grund für Josa ihre spitze Zunge auszupacken. Kurz nachdem Klaus und Friedhelm mit ihrem Eintopf und dem Brot entschwunden waren, befüllte die Magd weitere Schüsseln. Während sie diese auf zwei Tabletts verteilte, blickten die durchdringenden, grünen Augen zu Drogan herüber. Natürlich war der Kommentar bissig, aber seine Antwort fiel zu ihren Gunsten aus. „Du … ich … ja, verdammt, ich komme ja schon.“, stotterte er etwas ratlos vor sich hin. Eigentlich hätte an dieser Stelle ein durchaus herber Spruch fallen sollen, aber mitten im Satz musste er sich selber bremsen. Josa hatte diesen kleinen Sieg verdient und ganz ohne Zweifel wäre diese Situation ohne ihre Hilfe eskaliert. Vermutlich hätte Barnabas bis zum Morgengrauen in der nassen Pfütze gesessen. Noch als Söldner gab es immer eine wichtige Regel: Zu Kämpfen heißt auch, dass man weiß wann man aufgeben muss. Damals waren Kemarl, Syr der Süffisante und er selbst in eine solche Situation geraten. Ein ganzes Bordell hatte sich gegen das Trio verschworen, weil niemand den drei Gefährten gesagt hatte, dass jedes Getränk, dass die Damen tranken, auf der Rechnung der Stiere landen würde. Es war eine Sache gegen schwer gerüstete Frauen auf dem Schlachtfeld anzutreten. Aber eine ganz andere gegen eine Horde halbnackter Elfen, Orks und Zwerginnen. Nicht nur das Verhältnis zehn gegen eins, sondern auch die Tatsache, dass sie nur mit ihrer nackten Männlichkeit bewaffnet waren, gaben Anlass zur Flucht. Um den Anschluss nicht zu verlieren, verscheuchte Drogan die Erinnerung an das 'Exotisch-Erotisch“ aus seinen Gedanken und rückte auf Josa ehemaligen Platz vor, um das zweite Tablett zu nehmen. Während die Magd es mit beiden Händen tragen musste, sah es in seinen 'Pranken' recht winzig aus. Der Anblick amüsierte den Mann und er musste etwas darüber glucksen. Aber bevor jemand sah, wie man ein Tablett mit Eintopf anlachte, räusperte sich

Das wachsende Halbdunkel wirkte jetzt seltsam. Ohne all' die Lieder und Gespräche in der Luft sogar etwas bedrückend. In der Ecke saß Thorid und seine, vom Alkohol beschwingte, Krächzstimme war die einzige im ganzen Raum. Er gab eine der vielen Geschichten wieder, die sein alter Geist noch zusammentragen konnte. Josa hatte sich die Tische rund um den Geschichtenerzähler gesichert und verteilte fleißig das Essen, während sie ihm ein Handzeichen gab, er sollte die Plätze beim Tresen bedienen. Doch da alle langsam damit anfingen ihren Eintopf schmatzend zu vertilgen, wurde es zunehmend schwieriger etwas zu verstehen. Viele der Gäste hörten jedoch kaum noch zu und wandten sich ab, um ihre Aufmerksamkeit wieder den eigenen Themen zu widmen. Die letzte Holzschale platzierte Drogan vor Heinrich, dem Schäfersgehilfen. Neugierig beugte er sich nach unten und fragte den jungen Mann, um was es dieses Mal bei Thorid gehen würde. Als Antwort erhielt er nur ein tiefes, wohliges Schnarchen. Heinrich war wohl vom Bier übermannt worden und einfach eingeschlafen. Vermutlich hatte dieser Mistkerl sogar die Ankunft des Alten verpasst. „Dummer Wollschädel. Wer müde davon wird seine Schafe zu vögeln, sollte im Bett liegen und nicht auf einem Tisch.“, sagte er leise zu sich. Den Eintopf ließ er ihm aber. Vielleicht berappelte Heinrich sich noch einmal und würde dann etwas für den Magen brauchen. Und sei es auch nur, um diesen standesgemäß zu entleeren.
So etwas wie Kochstolz kannte Drogan nicht und ihm war es eigentlich egal was man mit seinem Essen tat. Ob als Wurfgeschoss, um die Fenster abzudichten oder sonst etwas. Wichtig war einzig und allein, dass man dafür bezahlte. Es gab bei Drogan nur eine Regel im Bezug auf seine Mahlzeiten: Nichts verschwenden, wenn jemand anderes dafür verhungert. Das erste Mal kam der ehemalige Tagelöhner damit in Berührung, als er die Taverne des alten Schwerbauch ausfegte. Zur Mittagsstunde kam ein dürrer Bengel an die Eingangstür und bettelte um etwas zu Essen. Jedoch war Glambolin Schwerbauch ein Zwerg und keiner von der mildtätigen Sorte. Somit ging der Kerl leer aus. Ein eitler Prediger, der die ganze Sache mitbekommen hatte, warf daraufhin sein Essen zu Boden und zertrat es beim Gehen mit den Stiefeln. Am liebsten hätte Drogan damals eine breiige Masse aus dem Gesicht des eitlen Gecken gemacht. Doch die Angst, die Anstellung zu verlieren und den möglichen Unmut des lieb gewonnen Zwergs, hielten ihn zurück. So eine Wut, hatte Drogan nur sehr selten in seinem Leben verspürt.
Damit Heinrich die Schüssel nicht versehentlich vom Tisch fegen konnte, drapierte der Koch sie ein wenig weiter in der Mitte. Josa schloss zu ihm auf und hatte ein breites Lächeln aufgesetzt. Natürlich hatte sie Drogan hier hinten bedienen lassen. Diese Frau war so neugierig wie ihr Sohn. Entweder war die neue Geschichte Thorids amüsant oder so spannend, dass die Bilder in ihrem Kopf wie ein meisterhaftes Kunstwerk wirken mussten. „Ha, das musst du hören, wieder einmal herrlich, was da aus seinem zahnlosen Maul fällt!, feixte sie fröhlich und nahm Drogan sein Tablett ab. „Ich bringe das zurück, sorge du lieber dafür, dass deine Hosen trocken werden.“ Und sie stupste ihn mit ihrem Becken an. „Schon gut. Pass lieber auf, wo du lang gehst.“, reagierte der Dessarier gespielt übellaunig. Diese Warnung war eine reine Plattitüde, denn gerade Josa kannte sich so gut in diesem Haus aus, als wäre sie darin geboren worden. Drogan wandte sich zum Kamin und beschloss in der Nähe des prasselnden Feuers zu warten, bis die feuchten Stellen getrocknet waren. Von dort aus konnte er auch den neuen Geschichten Thorids lauschen. Der war einst aus Samar herüber gekommen, wie die meisten der Bewohner dieser Insel. Sofern die Erzählungen der Dörfler richtig waren, wies er damals schon ein recht hohes Alter auf. Immer noch wurde viel gemunkelt. Thorid war ein weit gesuchter Schurke und auf der Flucht. Oder er wäre ein reicher Mann, dem man ausgenommen hatte oder auch ein Kerl der betrunken das falsche Schiff genommen und keine Möglichkeit mehr für die Rückkehr hatte. Aber was auch immer davon zutreffen mochte, eines war vollkommen klar. Das Bier und Schnaps die besten Kameraden des kahlköpfigen Quasselfilous waren.
Die Wärme des knisternden Feuers breitete sich nun langsam über Drogans Beinkleidern aus und entlocktem ihm ein wohliges Stöhnen. Er jetzt war klar, wieviel Regenwasser sich in der Wolle festgesetzt hatte. Es würde etwas länger dauern, bis alles vollkommen trocken war. Aber da der Eintopf vom Feuer war, gab es keinen Grund mehr sich Sorgen zu machen.
Trotz der Tatsache, dass Thorids Geschichten kaum wahr waren, so liebte beinahe jeder Bewohner dieser Insel sie. Selbst ohne einen passenden Wahrheitsgehalt, gab' es nach jeder Erzählung ausreichend Gesprächsstoff. Also immer gut für das Geschäft, weshalb Barnor ihm auch immer ein oder zwei Krüge frei Haus zukommen ließ. Barnabas wusste bei einigen Geschichten sogar, dass sie erstunken und erlogen waren. Bei einem Mal ging es um ein Fest im fremden Westen, wo die Frauen in Mantron stets nackt durch den Schnee liefen. Und wenn die Männer dann religiöse Unzucht treiben wollten, musste man das nackte Weib an ein Feuer bringen und ihre 'Lust' auftauen. Ein Klassiker und immer wieder musste man darüber lachen. Die Belarer glaubten das allerdings. Thorids Vorteil war, dass es kaum jemand aus dem Dorf herauskam und ihm daher niemand das Gegenteil beweisen konnte. Bei einer anderen Gelegenheit, gab der Greis zum Besten, wie er einen Mantikor bejagt und getötet hatte. Ein Monster. Halb Löwe, halb Drache und halb Mensch. Mit gewaltigen Zähnen, in drei Reihen aufgestellt, und Flügel von der Spannweite dreier Männer. Als er es tötete gebar der Leichnam eine wunderschöne Prinzessin. Sie bot ihm entweder einen Kuss der wahren Liebe an oder einen Berg aus reinstem Gold. Natürlich beteuerte Thorid, dass nicht die Gier, sondern die Liebe gewann. Abseits der Tatsache, dass es in ganz Celcia noch nie ein solches Wesen gegeben hatte, war es doch sehr seltsam sich vorzustellen, dass der Geizhals auf einen Berg von Gold verzichten würde. Doch Barnabas ließ ihn gewähren und sagte nie etwas. Allein deswegen, weil niemand etwas über sein früheres Leben erfahren sollte und immerhin hatte kein Wort darüber seine Lippen bisher verlassen. Es drängte ihn auch nicht darüber zu erzählen und oder jemanden wie Thorid zu berichtigen. Das ruhige Leben war schön und es gab keinen Grund alte Wunden wieder aufzureißen oder jedes Mal gefragt zu werden, ob Dinge wahr wären oder ob man nur eine Lügengeschichte erzählt hätte. Grausame Vorstellung. Jeden Abend müsste er von Abenteuern berichten oder vom Kampf in der Welt erzählen. Wie ein Schausteller. Es schüttelte Drogan am ganzen Körper. Nun jedoch wollte Drogan selbst etwas von den Erzählungen des Mannes erfahren und spitzte die Ohren. Währenddessen verteilte er mit der flachen Hand die Wärme auf seinem Allerwertesten, wenn es an einer Stelle zu heiß wurde.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Sonntag 24. Juli 2022, 09:26

Es war das eine, gegen Bestien und aufgestachelte Bauern zu kämpfen und zu bestehen. Doch es war etwas vollkommen anderes, sich einer Naturgewalt stellen zu müssen. Noch dazu einer wie dem derzeitigen Wind mit seinen zeitweise aufkommenden, sturmartigen Böen. Als hätte Ventha persönlich sich vom Meer hierher verirrt, um einmal in Florencias und Phauns Reich ein wenig für... Unordnung zu sorgen.
Es wäre alles andere als verwunderlich, wenn am nächsten Morgen ein Haufen Äste quer herum liegen würde im Dorf oder sogar der ein oder andere jüngere Baum entwurzelt wäre. Was wiederum das Holzsammeln erleichtern würde. Positiv denken, das half bei solch einem Unwetter auf jeden Fall! Das Problem war nur... steckte man wie Barnabas mitten drin in der Bedrängnis, fiel einem das Denken per se und dann auch noch positiv ziemlich schwer.
So schien es wahre Ewigkeiten zu dauern, bis Josa sich blicken ließ, nur, um dann wieder zu verschwinden, ohne offensichtlich etwas getan zu haben. Was der Koch allerdings nicht mitbekam, war, dass sie in der Schenke zwei kräftige Mannsbilder dazu verdonnerte zu helfen. Diese waren definitiv nicht begeistert von der Aufgabe, doch trotz ihres Äußeren im Herzen lammfromm, sodass es der Schankmaid recht leicht fiel, sie herum zu kommandieren.
Was auch ganz gut war, denn von ihrem Standort aus hatte sie einen besseren Überblick und konnte somit auch mit Augenmaß ein wenig einschätzen, was benötigt wurde. So schafften es die drei Kerle mit vereinten Kräften, die Tür so zu verbauen, dass der Wind keine Chance mehr hatte, sich damit zu spielen.
Als Belohnung konnten die Beiden sich gleich mal eine Schüssel mit dampfendem Eintopf und Brot mitnehmen und schienen dadurch halbwegs ausgesöhnt zu sein. Das Mädchen war indes in der Lage gewesen, noch einige Portionen abzufüllen und herzurichten, sodass sie ihre Rolle beibehielt und, kaum, dass Barnabas endlich aufatmen konnte, ihn gleich mit herum scheuchte.
So konnte das Essen endlich an den Mann gebracht werden, obwohl neben den beiden Helfern gerade niemand ein Interesse daran zu haben schien. Trotzdem wurde nach den Löffeln gegriffen, als diese vor einen hingelegt wurden, um geistesabwesend in den Eintopf zu tauchen und ohne jede Würdigung die ersten Bissen zu nehmen. Viel zu interessant war, was Thorid zu berichten hatte.
Nicht, dass man ihm viel glauben konnte, im Gegenteil. Je tiefer der ältere Mann mit dem schütteren Haar in den Krug geschaut hatte, desto abenteuerlicher wurden seine Ausführungen. Auch jetzt war er nicht mehr vollkommen nüchtern, das konnte man an den geröteten Wangen und dem leicht glänzenden Blick erkennen.
Und dennoch wirkte seine Stimme erstaunlich klar und eindringlich, wie nur selten. Es musste ihm sehr, sehr ernst sein mit dem, was er hier zu berichten versuchte. "... und ich sage euch, es kommt Unheil! Früher oder später sind die alle tot!", schloss er gerade einen besonders gewichtigen Teil seiner Geschichte ab.
Barnor schüttelte leicht den Kopf, während sich Josa, mit ihrer Arbeit fertig und das Tablett locker in einer Hand haltend, neben den Wirten stellte. Und auch die Gäste gingen Thorid als Zuhörer allmählich verloren, sodass das Leben in den Schankraum zurück zu kehren schien. Endlich wurde das Essen bewusst wahrgenommen und während die Gespräche wieder auflebten, wurde genüsslich und wenig vornehm geschmatzt.
Selbst Barnor wollte seine eigentliche Aufgaben erneut aufnehmen, doch Thorid hielt ihn zurück, zwang ihn dazu, sich zu ihm zu setzen und sich noch einmal alles ganz genau und noch eindringlicher anzuhören. Man konnte dem Wirten ansehen, dass er davon überhaupt nicht begeistert war und dennoch... irgendetwas war bei dem Alten, dass ihn dazu bewegte, ihn nicht völlig vor den Kopf zu stoßen. Es war Thorid absolut ernst mit seiner Erzählung.
Das konnte auch Barnabas hören, als er endlich Posten am Feuer beziehen und trocknen konnte. "... bald kein Wald mehr! Ich habe sie gesehen, zwei davon. Glaub mir, selbst im Sterben waren sie noch wunder-, wunderschön! Eine Augenweide, herrlicher als jeder Wald im Herbst, ehe die goldenen Blätter fallen!", schwärmte der Alte und bekam vor Rührung regelrecht feuchte Augen.
Barnor indes schüttelte wiederholt den Kopf und klopfte dem Gast kräftig auf die Schulter, dass dieser leise ächzte. Ansonsten in seiner Verzückung den leichten Schmerz nicht mitbekam. "Lass gut sein, Thorid, als ob jemand die Dyaden jagen würde. Du hast sicher nur wieder mit offenen Augen geträumt.", wollte der Wirt ihn beruhigen und aufstehen.
Doch der andere hielt ihn plötzlich fest. "Nein, es gibt sie und irgendjemand bringt sie um! Ich kann nicht der einzige sein, der das gesehen hat!", beharrte Thorid auf den Wahrheitsgehalt seiner Worte. Und auch sonst wirkte es dieses Mal anders als sonst, irgendwie... ernster.
Ein weiteres Mal schüttelte Barnor den Kopf und befreite sich behutsam, um aufzustehen. "Komm, trink noch ein wenig und iss was. Barnabas hat wieder was gutes gekocht. Aber hör auf, Dryaden, Geister, Nixen... du weißt, das sind Hirngespinste und die gibt es nicht.", wies er den Alten mit ruhiger Stimme zurecht, was auch äußerst selten vorkam. Fast wirkte es so, als hätten die beiden Männer diese Diskussion schon des Öfteren geführt und jedes Mal diesen Ablauf gehabt.
Nun war es Thorid, der den Kopf schüttelte, diesmal erstaunlich entschieden und starrsinnig bei seiner Meinung blieb. "Nein, es gibt das alles!" Plötzlich entdeckte er den Koch am Feuer und deutete mit einem leicht zittrigen, dünnen Altmännerfinger auf ihn. "Da! Da, frag Barnabas! Der ist ja auch nicht von hier! Bestimmt weiß der auch was!"
Barnor seufzte leise und ergeben und drehte sich langsam zu seinem Koch um, mit dem er eigentlich bislang keine Schwierigkeiten gehabt hatte. Und dabei würde es hoffentlich auch bleiben! Nun jedoch deutete er ihm, sich zu ihnen zu gesellen, da er wusste, dass Thorid ja sonst ohnehin keine Ruhe geben würde.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Dienstag 26. Juli 2022, 14:26

Die Unterhaltung zwischen Thorid und Barnor zu verfolgen war nicht nur schwierig, sondern sogar unmöglich gewesen. Es lag nicht einmal daran, dass die beiden Männer zu weit weg waren oder dass der aufkeimende Tumult jedes ihrer Worte übertönte. Nein. Es war schlicht und ergreifend so, dass sich der Wort und sein trunkener Sondergast auf Sendli unterhalten. Die Sprache der Wüste. Am Anfang musste sich Drogan darüber wundern, warum man in einem so grünen und bewaldeten Abschnitt der Welt eine Sprache aus dem Sandmeer nutze. Einige Dorfbewohner hatten den Dessarier darüber aufgeklärt, dass man vor Jahren in den Norden gekommen sei und ursprünglich aus den trockenen Gebieten der Südinsel stammen. Obwohl Drogan bereits ein knappes Jahr hier lebte, war es ihm nicht gelungen auch nur ein Wort zu erlernen. Zumindest nicht, wenn es darum ging, dieses auch zu verstehen. Wenn der Schankraum "Bier!" rief, dann wusste der Koch um was es ging, weil Barnor ihn darüber aufklärte und man sich den Klang merken konnte. Es war ja nicht so, dass es der ehemalige Söldner nicht versucht hatte und es gab Momente die er fleißig damit zubrachte, etwas von der Fremde zu erlernen. Allerdings war das feine und verwirbelte des Sendli zu viel für den rauchen Zungenschlag des Westvolkes. Zumindest für diesen Vertreter. Sogar die Bewohner hier wechselten aus Höflichkeit zur Allgemeinsprache, wenn man sah, dass er in der Nähe war.
Doch kam Barnabas nicht umhin zu bemerken, dass sich viele der Gäste von Thorid abwandten um sich dem Eintopf voll und ganz zu widmen. Besonders interessant sollte der Inhalt seiner Erzählungen also nicht sein. Häufig erfuhr er vom Inhalt der Spräche immer erst etwas später, wenn jemand, wie zum Beispiel Josa, ihm alles übersetzte.
Allerdings war der ehemalige Söldner durchaus im Stande die Gesichter der beiden Belarer zu sehen und diese verrieten selbst jemanden wie ihm, dass sich für den Wirt das Gespräch in eine unangenehme Richtung wandte. Es wurde viel beschwichtigt und darauf wurde intensiver und deutlicher argumentiert. Trotz der glasigen Augen und des durch den Alkohol geröteten Gesichts Thorids, schien ihn jenes Thema sehr aufzuwühlen. Eigentlich sollte nicht verwunderlich sein, dass jemand wie der Geschichtenerzähler überzeugt vom Inhalt der Legenden und Märchen war. Das würde die Inbrunst in seiner Mimik erklären.
Doch auch Barnabas verlor sein Interesse und blickte über die nun zu großen Teilen schmatzenden und schwatzenden Tische hinweg. Es gab dort eine Menge zufriedener Gesicht und die warme Mahlzeit im Bauch machte viele glücklich. Natürlich freute man sich bei so einem Wetter über etwas zu Essen. Obwohl einige Bewohner eine Frau hatten, die liebend gerne etwas gekocht hätte, so gab es noch genügend Anwesende mit langzeitigen Berufen im Wald oder an der Küste. Lutz der Fischer kam immer sehr spät in die Taverne, da die besten Fische erst nach dem Einbruch der Nacht anbissen. Andere reisten zur Abendzeit mit dem Schiff an oder verpassten die Abreise mit zum Beispiel der Fähre. Da stellte sich stets die Frage nach einem Bett und einer Nachtmahl. Der Umstand, dass es hier auch noch weit in der Nacht etwas zum Essen gab, machte die Örtlichkeit sehr beliebt.
Jetzt wo die nasse Hose immer mehr an Feuchtigkeit verlor, bemerkte Drogan wie nah er eigentlich am Kamin stand. Mit einem Schritt nach vorne entging er dem Flammentod an der Hinterpforte. Gerade verrieb Drogan etwas von dieser 'Wärme', als Thorid auf ihn deutete. Das diese Geste niemals etwas gutes zu bedeuten hatte, wusste er aus Erfahrung. Ob man nun verfolgt wurde oder sich jemand etwas von der eigenen Meinung versprach, es war alles dabei. Normalerweise hätte er sich nichts dabei gedacht, doch wenn sogar Barnor die Anwesenheit seines Kochs verlangte, lag etwas in der Luft. Mit der schwieligen Hand fuhr Barnabas über sein Gesicht und strich den Bart zum Abschluss glatt. „Da bin ich ja mal gespannt, was es denn so wichtiges gibt.“, dachte sich er und hob die Hand zum Zeichen, dass die Aufforderung verstanden wurde.
Mit einer immer noch klammen Hose quetschte sich der Mann zwischen den Tischen hindurch. Während sich Barnabas fortbewegte, erwiderte er Grüße mit einem Schulterklopfen oder kräftigen, kurzen Nicken. Während des Malheurs in der Küche waren neue Gäste gekommen. Endlich beim Trunkenbold und dem Wirt angelangt, fragte er unverblümt: „Wie kann ich helfen, Barnor? Eintopf zu kalt, Bier zu warm? Oder verlangt es nach Nachschub?“
Da allerdings noch immer ein wohliger, kleiner Kringel aus weißem Dampf über den Schüsseln hing, konnte er sich auf seine Frage keine logische Antwort vorstellen. Die breiten Hände stützen sich auf dem Tisch ab, so dass Barnasbas den Oberkörper etwas absenken konnte, um nicht so laut sprechen zu müssen. Es gab bereits genug Geschrei hier. Aus der Nähe Betrachtet wirkte Thorid besorgt und Barnor eher gelangweilt.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 28. Juli 2022, 10:13

Es war nicht das erste Mal, dass die beiden Männer über dieses seltsame Baumsterben sprachen. Auch andere Männer, vor allem die Holzfäller, hatten bereits festgestellt, dass irgendetwas im Wald nicht stimmte. Doch es war jetzt länger nichts mehr in dieser Hinsicht geschehen und an die Hirngespinste von Thorid wollte auch niemand so recht glauben.
Natürlich hörte man ihm gerne zu, er erzählte viel und gut, ließ manchen träumen und andere wiederum lachen, ohne wirklich wissen zu können, wann es nun der Wahrheit entsprach und wann nicht. Viele Dorfbewohner hatten diese Insel, ein Gutteil der jüngeren Generation sogar diesen Wald noch niemals in ihrem Leben verlassen. Da war es leicht, ihnen alle möglichen Bilder zu beschreiben.
Dieses Mal aber war es dem Alten viel ernster und seine Handlung spielte nicht in den weiten Fernen jenseits des Meeres. Nein, es geschah alles direkt vor ihrer Nase sozusagen.
Das Problem war aber eben seine Freude am Geschichten erzählen, denn es nahm ihn keiner wirklich für voll, nicht einmal der Wirt, mit dem er schon öfters darüber gesprochen hatte und der eigentlich auch bislang interessiert gewesen war. Wobei es nicht so sehr an der Tatsache des Baumsterbens lag, immerhin hatten das schon viele Männer prüfen und bezeugen können, dass er ungläubig klang.
Dass es jedoch mit geisterhaften Wesen, den Dryaden, die darin leben sollten, zu tun haben sollte, das gehörte für den praktisch veranlagten Mann schlichtweg ins Reich der Phantasie. Zwar hielt er es für möglich, dass es tatsächlich Götter gab, aber als gläubig könnte man ihn nicht bezeichnen. Und alles andere war für ihn noch viel weiter weg, solange man ihn nicht direkt mit solch einem Wesen bekannt machen würde.
Thorid hingegen glaubte nicht nur daran, sondern war felsenfest davon überzeugt, auch schon das ein oder andere Geschöpf getroffen zu haben. Auch jetzt war er davon überzeugt, etwas gesehen zu haben, das am Ende auch eine Gefahr für das gesamte Dorf sein könnte. Also bemühte er sich umso mehr, Barnor endlich auf seine Seite zu ziehen.
Doch bei dem Wirten drohte er sich die Zähne auszubeißen, sodass er schließlich zu einem Trick, den er sonst kaum benutzte, griff. Er wies darauf hin, dass auch der Koch nicht von hier stammte und sicherlich zustimmen würde, was er zu berichten wusste. Oder zumindest, dass es Wesen gab, die sich nicht so leicht angreifen ließen wie Menschen oder Elfen.
Der Wirt war alles andere als begeistert davon und musste auch endlich wieder seinen eigenen Aufgaben nachgehen, dennoch deutete er Barnabas zu ihnen zu kommen. Das wäre weitaus zeitsparender, als Thorid zu überreden, es gut sein zu lassen.
Beide sahen dem stämmigen Koch entgegen, als er der Aufforderung nachkam und sich zu ihnen gesellte. Natürlich dachte er an Harmloses, das seine Küchenkünste betraf.
Barnor grinste schief und deutete ein Kopfschütteln an, doch gerade, als er zu einer Erklärung ansetzen wollte, fuhr ihm der Gast schon dazwischen. "Es gibt sie! Sag ihm, dass es sie gibt! Und sie werden gejagt und umgebracht, aber will mir hier jemand glauben?!", lamentierte Thorid und dachte nicht an die Möglichkeit, dass Barnabas noch gar nicht wissen könnte, um was genau es ging.
Auch der Wirt, der gerade seufzend die Augen verdrehte, was sich im ersten Moment darüber nicht bewusst, dass sie sich ganz selbstverständlich in Sendli unterhalten hatten. "Komm, Großer, beeil dich mit der Antwort, damit wir endlich wieder arbeiten können. Dir brennt sonst sicher noch was an.", murrte Barnor und zwei Augenpaare richteten sich auffordernd auf den Mann. Wobei jeder seine eigene Erwartung hatte und für seine Sichtweise Zustimmung haben wollte.
Hinter dem Koch indes ging der Betrieb wieder vollkommen gewöhnlich weiter, Josa bediente und schäkerte mit den Gästen, diese genossen Wärme, Gesellschaft, Bier und Essen und unterhielten sich über ihre eigenen Belange. Nur in der unmittelbaren Umgebung wurden ein paar der Männer wieder aufmerksam, denn es war ungewöhnlich, dass der Koch ebenfalls zu den Geschichten hinzu gezogen wurde. Das versprach trotz allen Hirngespinsten noch spannend zu werden.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Freitag 29. Juli 2022, 12:36

Natürlich ging es nicht um das Essen oder das Bier. Was hatte sich der Mann dabei gedacht? Wenn jemand einen Nachschlag wollte oder das sein Humpen neu aufgefüllt wurde, dann rief man normalerweise nach Josa. Oder Barnor kümmerte sich selbstständig darum. In jedem Fall hätte man ihm die Bestellung direkt zugerufen und nicht durch den halben Schankraum laufen lassen. Allerdings war es dem ehemaligen Söldner immer noch nicht möglich das Thema richtig zu erfassen. Das wirre Gebrabbel Thorids überraschte ihn nur und auch Barnors schnippische Aussage, die Antwort würde drängen, half kein bisschen bei der Bewältigung irgendwelcher Fragen.
Langsam kratzte sich Barnabas das Kinn, wie er es oft tat, wenn er über etwas nachdenken musste. „Umgebracht?“, hallte es in seinem Verstand wider. Vielleicht meinte der alte Gast die Bäume in den nordwestlichen Wäldern. Es grassierten bisher einige Gerüchte um ein seltsames Phänomen, dass der Forst an einigen Stellen zu sterben schien. Allerdings wäre es wohl übertrieben zu behaupten man würde diese töten oder gar jagen. In seiner Laufbahn hat man des Öfteren davon gehört, dass sich Pflanzen plötzlich bewegten und jagt auf Waldarbeiter machten. Aber das waren Hirngespinst oder es entpuppte sich als eine Art Täuschung. In der Nähe von Andunie gab es mal eine Bande von Strauchdieben die sich als Wasserkreaturen verkleideten, um ahnungslosen Reisenden das letzte Hemd vom Körper zu rauben. Doch da in der Gegend niemand abhanden gekommen, bestohlen oder gar getötet wurde, flog der Schwindel bald auf.
Einige der Bewohner vermuteten eine Form der Dürre, doch bei dem aktuellen Wetter wollte das einfach keinen Sinn ergeben. Natürlich gab es auch viel Geschrei um eine Strafe der Götter. Mumpitz, wie Drogan meinte. Die Götter kümmerten sich nicht um die Belange und das Leben der sterblichen Völker. Eine Lektion, die das harte Leben auf der Straße oder das sinnlose Dasein hinter dicken Klostermauern mit sich brachten. Nein, hierbei musste es eine einfache und logische Antwort geben. Nichts außerweltliches. Barnabas stoppte die fingerbetonte Massage seines Gesichtshaares und schnaufte etwas, als würde die Antwort ihn anstrengen. „Hm, ich denke, du beziehst dich auf das Sterben der Bäume?“, begann er und setzte sofort zu einer Erklärung an, bevor jemand fragen konnte, wieso er davon wusste. „Klaus und Friedhelm sprechen von Zeit zu Zeit darüber. Aber, jagen und umbringen? Thorid, ich komme zwar aus einer Bergstadt und weiß nicht viel über Wald und Wiese, aber Bäume bewegen sich eher selten und daher würde ich nicht von einer Jagd sprechen. Erst recht würde ich bezweifeln, dass man sie 'umbringt'!, fügte Drogan hinzu und betonte das letzte Wort mit vielsagendend. Über die schmalen Lippen zog sich ein höchst versöhnliches Lächeln und die Augen trafen sowohl den zufriedenen Blick Barnors als auch den zittrigen von Thorid. Schnell setzte Barnabas nach. „Vielleicht solltest du ja mal mit Klaus und Friedhelm in den Wald ziehen und dir das selbst ansehen, dann kannst du dich davon überzeugen, dass niemand die Bäume jagt? Sag mal, wie kommst du eigentlich auf so ein Hirngespinst?“, fragte Drogan und wollte wenigstens etwas Interesse an der ganzen Sache zeigen, damit der alte Mann sich nicht so alleine und missverstanden fühlte. Außerdem bestand tatsächlich ein gewisses Interesse daran, wie Thorid auf eine solche Idee gekommen war. Drogan liebte Geschichten. Bereits als Kind sog er jedes Wort über die Reisen seines Vaters auf wie ein Schwamm. Diese Leidenschaft hatte bis heute angehalten, ob die Berichte im Kloster, die kleinen Legenden in den Straßen der Städte oder die unzähligen Abenteuerepen an den Feuern im Söldnerlager. Diese Welt war voller Geheimnisse. Und vielleicht existierten diese Kreaturen von denen Thorid so fiebrig berichtete. Aber nicht in der Überzeugung dieses einfachen Kochs. Selbst ein geringerer Mann weiß, dass die Geschichten eines alten Mannes am Ende immer noch nur Geschichten waren. Für Drogan waren die Wunder der Welt nicht verborgen in göttlichen Wesen, welche die Geschicke der Natur und des Lebens steuerten. Er wusste zwar, dass der Wald voller Leben steckte: Allerdings war damit seit jeher die Tier- und Pflanzenwelt gemeint. Mitunter bezogen sich Thorids Erzählungen auch darauf.
Barnor jedoch wollte ein möglichst schnelles Ende dieser Diskussion. Offensichtlich. Dementsprechend würde er über Drogans Frage nicht sehr erfreut sein. Doch da der ehemaliger Söldner nicht nur keinen Ärger mit dem Wirt haben wollte, sondern auch selbst nicht so viel Zeit auf den alten Gast verschwenden wollte, beruhigte dieser den Schenker. Mit gesenkter Stimme sprach Barnabas: „Ich mache mich gleich wieder an die Arbeit, Barnor. Ich bin nur daran interessiert, woher der Greis diese neue Idee hernimmt.“ Ein kleines Zwinkern folgte und daraufhin schenkte der Koch Thorid seine volle Aufmerksamkeit.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Montag 1. August 2022, 20:04

Die beiden Männer hatten diese Diskussion nicht nur bereits unzählige Male geführt, sie hatten sich auch dermaßen selbstverständlich in Sendli unterhalten, dass sie schlichtweg übersahen, dass der Koch dieser Sprache nicht mächtig war. Nun gut, ob und inwieweit Thorid sich an diesen Umstand erinnern konnte, war das eine Thema. Doch Barnor war dieses Wissen geläufig und es musste ihn schon sehr nerven, dass er nicht daran dachte.
So forderten beide ein Zustimmen zu ihrer jeweiligen Position, ohne den Mann aufzuklären, um was genau es überhaupt ging. Es oblag Barnabas, aus dem wenigen, das er zu hören bekam und verstehen konnte, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Schon länger war bemerkt worden, dass mit dem Wald etwas nicht stimmte. Aber bislang hatte niemand die Lösung finden können und nach einiger Zeit hatte es wieder aufgehört, jenes mysteriöse Baumsterben von völlig gesunden und nicht zu alten Gewächsen.
Vor allem stutzig machte die Holzfäller dennoch der Umstand, dass es wahllos und plötzlich auftrat, ohne vorherige Ankündigungen. So waren alle machtlos dagegen und konnten nur das Totholz beseitigen, um es wenigstens noch irgendwie zu verwenden, ehe es verfaulte. Parasiten oder Pilze waren schon vermutet worden, jedoch waren davon keine Spuren gefunden worden, sodass die Suche und das Fragen weiter gingen. Bis irgendwann Ruhe eingekehrt war und das Thema an Bedeutung verloren hatte.
Jetzt allerdings flammte es wieder auf... zumindest für den Alten. Dieser erzählte nicht nur gerne phantasievolle Geschichten, sondern er war auch sehr gläubig, betete fleißig zu Faun und Florencia, brachte ihnen auch oftmals Opfergaben dar... um diese nach einiger Zeit und im guten Glauben im Suff später selbst zu vertilgen, wenn es sich um Ess- und Trinkbares handelte. Was meistens der Fall war. Die Leute ließen ihn, sie wussten, dass er trotz allem ein guter Kerl war, der half, sowie er es vermochte.
Und auch wenn man sich immer wieder über ihn amüsierte und hinter seinem Rücken über ihn redete, niemand wollte ihm ernsthaft etwas Übles. Auch nicht, sobald er von den geisterhaften Wesen erzählte, von denen er schon viele selbst gesehen zu haben meinte.
Dass die Götter indes den Bäumen etwas anhaben wollen könnten... daran glaubte er nicht so recht. Das hätte ja viel weitläufigere Auswirkungen, die sie allesamt direkt zu spüren bekommen würden, davon war er überzeugt! Trotzdem stimmte da etwas nicht und er schwor Stein und Bein, dass es Baumgeister gab.
Nun hatte er seine leicht wässrigen Augen in dem Gesicht mit den stets leicht geröteten Wangen erstaunlich fest und eindringlich auf den Koch gerichtet, von dem er sich Unterstützung erhoffte. Während Barnor das Ganze schon merklich zu lange dauerte, wie sein unruhiger Fuß klopfend zeigte.
Und dann setzte Barnabas endlich zu einer Antwort an. Die den Wirten befriedigt schnauben und seinem Gast kumpelhaft auf die Schulter klopfen ließ. "Da hast dus. Komm, trink noch was und morgen sieht die Welt schon wieder ganz anders aus!", sprach er begütigend und gab Josa einen entsprechenden Wink, ehe er sich mit einem Nicken in die Richtung des Kochs verabschiedete. Das Thema hatte sich für ihn nun endlich erledigt.
Der Alte hingegen sank enttäuscht in sich zusammen und wirkte mit einem Mal wie ein Häuflein Elend. Langsam schüttelte er den Kopf. "Ich hab's doch selbst gesehen... selbst gesehen...", nuschelte er in sich hinein und wäre es nicht so abwegig gewesen, hätte man meinen können, er würde gleich zu weinen anfangen. So oder so war er jemand, den man am liebsten in den Arm genommen und getröstet hätte, nur, damit er nicht mehr so dreinsah und vielleicht sein Heil in einer anderen Geschichte fand, die heiterer wäre.
Tatsächlich schienen seine Augen ungewöhnlich glasig, als er erneut aufsah und den Koch mit seinem Blick fixierte. Darüber hinaus bemerkte er gar nicht den gefüllten Krug, den die Schankmaid vor ihm abstellte, oder er wollte ihn nicht bemerken. Definitiv ein ungewohnter Zug von ihm!
Josa hingegen blieb stehen und wollte eindeutig teilhaben an diesem Gespräch. "Alterchen, nimm's nicht so schwer. Der dort mag ein guter Koch sein, aber sonst ist er absolut phantasielos!", wollte sie den Gast beruhigen und zugleich den so beschriebenen Mann ärgern.
Doch Thorid schüttelte vehement den Kopf. "Die Dryaden gibt es! Und irgendjemand tötet sie und dann sterben die Bäume!", bekräftigte er noch einmal seine Sicht der Dinge.
"Ach, Alterchen...", kam es nachsichtig von Josa, als hätte sie es mit einem bockigen Kind zu tun. Wahrscheinlich hätte sie noch mehr zu sagen gehabt, allerdings wurde ihre Aufmerksamkeit anderweitig verlangt, sodass sie ihm nur kurz in einem ungewohnt mütterlichen Zug über die Wange strich und danach wieder in die Gästeschar eintauchte.
Thorid nahm sie kaum wahr und sah nur zu dem Koch hoch, als wolle er ihn allein mit diesem Blick von seiner Sicht der Dinge überzeugen.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Freitag 12. August 2022, 22:58

Die alte Lehne knarzte klagend auf. Barnabas ließ sein breites Kreuz dagegen sinken und dachte über die wirren Worte des alten Mannes vor sich nach. Es wollte ihm einfach nicht gelingen ihnen Glauben zu schenken. Seine Augen wanderten zum hölzernen Krug auf dem Tisch. Der Inhalt hatte bereits jede Form von Schaum verloren und vermutlich schmeckte es inzwischen etwas abgestanden. Das Problem mit dem prickelnden Bläschen, welche man durch die Zugabe fermentierter Kräuter erhielt, war das schnelle auflösen eben dieser. Drogan indes war hin- und hergerissen. Auf der einen Seite war es vollkommen unüblich für Thorid sein Bier nicht zu trinken. Auf der anderen Seite jedoch war es sehr üblich von ihm verrückte Geschichten zu erfinden. Egal wie man es drehte und wendete. Der Umstand, das sich dieser Geschichtenerzähler mal wieder mehr als normal in eine seiner Phantastereien verstrickt hatte, trug weitaus weniger zu seiner Glaubwürdigkeit bei als es manche ahnen würden. Ein Seufzen entfuhr dem Koch, während er mit den Finger über die Mundwinkelstrich.
„Alterchen, ich denke nicht ...“, begann er die schwierige Formulierung. Aber dann erblickte er das Gesicht Thorids und bemerkte wie seltsam verzerrt es war. So als ob die Trauer ihn jederzeit zu überwinden drohte. Barnabas musste ein Schmunzeln unterdrücken. Viele hätten so eine Geste falsch verstanden. Es gab nichts belustigendes an der Betrübnis anderer Menschen. Allerdings wirkte das greise Gesicht merkwürdig lächerlich, als er verzogen war wie das rosige Gesicht eines Säuglings. Mit Mühe schluckte er das Glucksen herunter und mahnte sich selbst zur Vorsicht. Man hätte ihm nachgesagt, dass er boshaft und gar ein schlechter Mensch wäre. Die Meinung der anderen Dörfler war ihm selbstverständlich nicht das wichtigste, aber Barnabas wollte sich selbst nicht in einem schlechten Licht sehen. Es gab durchaus Aspekte in der Vergangenheit, die hier einigen guten Seelen aberwitzige Alpträume beschert hätten, doch das war ein altes Leben. Drogan schämte sich nicht dafür, war aber auch ausreichend selbstkritisch. In keinem Fall würde er sich als Gutmensch bezeichnen. Diese charakterliche Eigenschaft hatte er bereits bei vielen Vertretern verschiedenster Völker beobachten können. Es war immer das gleiche Spiel. Ein jeder wäre todesmutig für Thorid in die Bresche gesprungen. Ohne Lohn und Laster in den Wald gezogen um seine Theorie zu beweisen. Lächerlich.
Wäre der plappernde Säufer in Gefahr gewesen oder auf irgendeine Art bedroht worden, dann hätte man sich mit Sicherheit in der Dorfgemeinschaft beraten und etwas unternommen. Für eine Jagd nach Hirngespinsten würde sich aber niemand freiwillig opfern. So gefangen in seinen Gedanken bemerkte Drogan nicht, dass Thorid ihn erwartungsvoll anstarrte. Er räusperte sich und sagte dann mit ruhiger, versöhnlicher Stimme: „Ich wollte sagen, dass ich denke, du solltest dein Bier trinken und dich beruhigen. Es wird sich schon alles bald zum Guten wenden.“ Mit dem rauschenden Geräusch gradliniger Grazie tauchte Josa neben den Beiden auf und tauschte den Krug des Alten mit einem Neuen. Natürlich unterließ die sprunghafte Schankmaid es nicht für Thorid Partei zu ergreifen. Wenn da nur nicht der tückisch taktierte Traktat mit dem fantasielosen Koch gewesen wäre. Dieser schnaubte nämlich verächtlich durch die Nase. Es gab mit Sicherheit viele Dinge, die einem zu Barnabas einfallen mochten, aber doch nicht, dass er keine Fantasie hätte. Allerdings brachte man einen Dessarier nicht so schnell aus der Ruhe. Mit einer eindeutigen Handbewegung wischte er den Kommentar der jungen Frau beiseite und erhob sich so ruckartig von seinem Platz, dass er Stuhl zu kippen drohte. „Hmpf ...“, kommentierte Barnabas seine Ungeschicklichkeit. Die breiten Händen fanden gerade zur rechten Zeit die Ecken des marodierenden Mobiliars.
Seit dem ersten Tag hier war Drogan aufgefallen, dass Josa immer freundlich zu Thorid gewesen war. Ganz ohne Zweifel mochte sie den alten Kerl. Vielleicht erinnerte er die junge Frau an den eigenen Großvater oder einen Menschen, der ihr Nahe stand. Zumindest war das die Einschätzung eines ehemaligen Söldners. Wie er jedoch den Stuhl in den Händen wog, fiel ihm etwas ein, womit vielleicht jedem geholfen war. Drogan mochte kein Heiliger sein, aber ein Pragmatiker war er dafür umso mehr. Noch wusste Barnor es nicht, aber die Hintertür der Schenke war immer noch defekt und musste sehr schnell repariert werden. Dafür gab es nur einen Ort im Dorf. Das Holz war an den Verbindungsstücken gebrochen und musste vom örtlichen Tischler instand gesetzt werden. Diese lag direkt am Waldrand in der Nähe der Sägemühle. Wenn man ohnehin dort war und den Handwerker das Problem mitgeteilt hatte, konnte man auch einen kurzen Spaziergang machen. Nicht tief natürlich. Lange genug war das Durchstreifen von Wäldern ein Teil seines Lebens gewesen und während diese Streifzüge jedes Mal vor Gefahren strotzen, so war der letzte Ausflug am Ende eines Himmelfahrtskommando gewesen. Verlaufen war dabei noch das geringste Problem. Genauso wie Wölfe oder Bären. Im tiefen Unterholz alter Wälder gab es Dinge, die mit den Jahrhunderten ihrer Existenz böse und mächtig wurden. Ein Risiko, dass der ehemalige Monsterjäger nicht einmal für eine Handvoll Personen auf sich nehmen würde. Während er den Stuhl wieder zurechtrücke, wandte er sich nochmal an Thorid. „Ich will nur, dass wir uns verstehen. Ich denke du steigerst dich da in etwas hinein." Barnabas stemmte seine Hände in die Hüfte und schnalzte mit der Zunge. "Aber ich muss zum Morgen zum Waldrand. Mich beim Tischler um etwas kümmern. Wenn ich noch etwas Zeit habe, werde ich mich etwas im Wald umsehen. Dann wirst du sehen, dass es keinen Grund zur Panik gibt.“ Gerade als Drogan sich zum gehen abwenden wollte, verharrte er und hielt Thorid seinen schwieligen Zeigefinger direkt unter die rot verfärbte Nase. „Und: Nein! Ich gehe alleine. Es ist da drin so schon gefährlich genug, auch ohne, dass mich deine 'Hilfe-ein-Baum-frisst-mich“-Schreie in den Wahnsinn treiben. Komm einfach Morgen Abend nochmal her. Dann sehen wir weiter.“ Damit war alles gesagt und der Dessarier hatte seinen Standpunkt deutlich gemacht. Die Art und Weise war natürlich fragwürdig, aber jemand mit Drogans Vergangenheit hattes 'Freundlichkeit' nicht anders gelernt. Eine harte Schale und von Zeit zu Zeit, ein weicher Kern. Allerdings war es ihm vollkommen egal was Thorid darüber dachte. Josa hingegen kannte den 'fremden' Koch seit fast einem Jahr und konnte dank der bemerkenswerten Menschenkenntnis schnell hinter die raue Oberfläche blicken. Allerdings musste nicht jeder wissen, dass er etwas nettes zu tun gedachte. Dabei war es nicht die Tatsache, dass jemand von ihm dachte, er wäre nett. Das war ihm egal. Aber im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen, behagte dem ehemaligen Söldner einfach nicht. Aber dem Weg zurück in die Küche, klopfte er noch ein paar Mal auf Schultern und erkundigte sich nach dem Geschmack des Essens. Hier und da, griff er sich sogar leere Schalen samt Löffel. Nach einer kleinen Ewigkeit kamen der Koch, sieben Schalen und ebenso viele Löffel am Tresen an. „Barnor, mache jetzt den Abwasch. Ich muss dir aber sagen, dass ich morgen noch zur Tischlerei muss. Der Sturm hat die Hintertür aufgerissen. Josa und ich haben sie erst einmal verkeilt, aber dass kann nicht so bleiben. Schick' doch morgen Josa's Sohn auf den Markt ein wenig Speck und etwas Käse besorgen, dann kann ich zum Mittag einige deftige Spieße machen.“ Er beschrieb den Plan so beiläufig wie nur irgend möglich. Es sollte nicht so klingen, als wäre die Schenke im Begriff zusammenzubrechen. Ob die Tür tatsächlich ersetzt werden musste, würde sich noch herausstellen. Aber der Schaden musste beseitigt werden. Barnabas nickte kurz angebunden und verschwand nach hinten. Dort angekommen, stellte er das Geschirr ab, entleerte den Kartoffeleimer auf dem Boden und befüllte diesen mit Wasser aus einem Fass, welches als Barrikade gegen den Sturm herhalten musste. Ironisch. Ein Fass mit Wasser hielt das Wasser der Wolken draußen. Die warme Schankstube lenkte vom Unwetter ab, doch hier in der Küche brachte ein jeder Donnerschlag die Wirklichkeit wieder zurück. Doch ihn kümmerte das nicht. Er hatte, ebenso wie Josa und ihr Sohn, ein Zimmer unter dem Dach der Taverne. Geistesabwesend begann er damit den Dreck aus den Schalen zu Waschen und sich um den Nachschub zu kümmern, den das rothaarige Frauenzimmer immer wieder hereintrug. Das Ende des Tages würde das Kessel bedeuten und dann würde das Bett rufen.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Samstag 13. August 2022, 13:52

Für Thorid entsprach das, was er hier gerade erzählte, absolut der Wahrheit und es ließ ihn schier verzweifeln, dass niemand ihm Glauben schenken mochte. Ja, mehr noch, es kränkte ihn ehrlich. Ein Teil von ihm wusste zwar, dass er bei seinen sonstigen Geschichten gerne mal übertrieb und es zu gut meinte, um sein Publikum zu unterhalten.
Aber dass ihm nun weder der Wirt, noch dessen Koch auch nur ein bisschen entgegen kamen... Das schmerzte! Noch dazu, wo er sich dermaßen sicher war, dass im Wald etwas Unheimliches vor sich ging und dass deswegen Bäume sterben mussten... mitsamt deren schönen, weiblichen Geistbewohnern.
So viel hatte er in die Erfahrung von Barnabas gesteckt und dann... wurde er auch von diesem Mann enttäuscht. Deutlich konnte man an seiner Miene seine Gefühle ablesen, während er entschieden den Kopf schüttelte, dass seine nur noch spärliche Haarpracht wie dürre Äste hin- und herwippten. "Nichts wird gut, nichts...", nuschelte er in sich hinein und sank in sich zusammen.
Starr wurde sein Blick, der sich auf die Tischplatte richtete, während er das Bier weiterhin nicht anrührte. Die ganze Sache schien ihn wahrlich mitzunehmen, dass er einem fast schon leid tun konnte.
Dann mischte sich auch noch Josa ein, die dem Koch einen spöttischen Blick zuwarf, als dieser derart ungeschickt aufstand, dass der Stuhl beinahe zu Boden gekracht wäre. Ob er das überlebt hätte... Nun ja, soweit kam es ja zum Glück nicht.
Daraufhin hatte Barnabas doch noch eine Idee, die seine beiden Zuhörer aufhorchen ließ. In welchen Verhältnis genau sie zueinander standen, wusste er nicht und hatte wohl auch nie danach gefragt, denn es wäre ungewiss, ob die Schankmaid ihm davon erzählt hätte. Oder der Wirt... oder der Bursche, ihr Sohn. Oder sonst jemand aus dem Dorf, der sich zu mehr verpflichtet fühlte ihm gegenüber, als seine Eintöpfe zu verzehren und hin und wieder diese sogar für ihren Geschmack zu loben... oder den Hersteller zu einem feucht-fröhlichen Ständchen zu drängeln.
Alles in allem wurde der ehemalige Söldner in der Gemeinschaft aufgenommen und so behandelt wie die anderen, allerdings bedeutete das noch lange nicht, dass er in persönlichere Angelegenheiten miteinbezogen wurde. Außer die Sache jetzt mit dem unerklärlichen Baumsterben...
Zuerst begann er jedoch ungeschickt genug, dass Josa ihre eigene Hand in die Seite stemmte und ihn missbilligend ansah, während Thorid bekümmert seufzend den Kopf schüttelte. Schon wollte er den, in seinen Augen, Jungspund ein schwaches "Was weißt du schon?" entgegen werfen, als dieser fortfuhr.
Die Miene des Alten hellte sich ein wenig auf und tatsächlich wollte er sofort darauf anspringen und sein Mitkommen ankündigen, als der Koch ihm diese Möglichkeit mit seiner Mahnung nahm. Und dennoch... Thorid wirkte... erleichtert. Zumindest soweit, dass er nun, endlich, nach dem Krug griff und einen ersten, großzügigen Schluck von dem Bier darin nahm.
Josa hingegen deutete ein leichtes Kopfschütteln an, ließ Barnabas aber ziehen und widmete sich stattdessen noch kurz diesem einen, speziellen Gast, ehe auch sie wieder ihrer Arbeit nachging. Dabei schnappte sie auf, was auch der Wirt erfuhr und ohne es ihr extra sagen zu müssen, hatte sie kurz darauf ihren Sohn am Ohr gepackt, damit dieser auch ordentlich zuhörte und wissen sollte, was er am nächsten Tag zu tun hätte.
"Ist recht.", schnaubte indes der Wirt nur, da er gerade anderes zu tun hatte und sich am Morgen selbst den Schaden noch ansehen wollen würde. Da er ein Frühaufsteher war, ganz gleich, wie lang die Abende wurden, war er zuversichtlich, vor Barnabas auf den Beinen zu sein und notfalls andere Anweisungen zu geben.
So gelangte der Koch letzten Endes wieder in die Küche und konnte sich daran machen, diese halbwegs wieder sauber zu bekommen. Der restliche Eintopf musste umgefüllt und soweit gerettet werden, das der genießbare Teil morgen noch verwendbar wäre und wenn es nur für sie vier wäre, um nicht mit leerem Magen arbeiten zu müssen. Danach musste der Topf selbst geschrubbt und gescheuert werden, damit das Angebrannte ihn nicht vollkommen unbrauchbar machte. Trotzdem würde am nächsten Tag Josa noch einmal ran müssen, um im Tageslicht auch die letzten Reste beseitigen zu können.
Und dann war ja da auch noch das Geschirr. Das dauerte seine Zeit, wenngleich es nicht mehr das Anstrengendste war, und am Ende konnte er die Schüsseln endlich wieder dorthin stapeln, von wo er sie beim nächsten Mal würde entnehmen können. Wobei... fehlte da nicht eigentlich eine? Hatte er sich verzählt ode war sie bei der Rettung vor dem Sturm zu Bruch gegangen? Nein, Scherben waren keine zu sehen gewesen und auf eine getreten war er ebenfalls nicht. Und wenn Josa hier sauber gemacht hätte, hätte sie es ihm gegenüber erwähnt.
Wie auch immer, es war spät und ein langer Abend gewesen, wahrscheinlich hatte er sich nur verzählt oder sie war noch im Schankraum, sodass er sie morgen dann würde sauber machen können. Nun rief das Bett immer lauter nach ihm.
Auch das Gebäude hatte sich inzwischen geleert, man hatte Sturmpausen genutzt, um in Grüppchen aufzubrechen und sich gegenseitig stützend zu Hause ankommen zu können. Josa und ihr Sohn waren ebenfalls schon ins obere Stockwerk gegangen und Barnor würde, wie jeden Abend, seine Vorräte überschlagsmäßig überprüfen, um zu wissen, was bald zur Neige gehen und nachbeordert werden musste. Somit war der Koch ganz allein, während draußen der Wind noch heulte und ab und zu Wasserspritzer in die Küche geschleudert wurden. Es war nicht mehr wichtig, die beiden Regale und das gefüllte Fass hielten das Schlimmste ab und besser würde es vor der Reparatur nicht mehr werden.
Also konnte er seine Arbeit beenden und sich in Richtung seines Zimmers voran tasten, mit einem kleinen Kienspan in der Hand, um wenigstens die größten Hindernisse zu sehen und nicht dagegen zu rennen. Die Müdigkeit wurde mit jedem Schritt auch größer, es war schließlich schon spät geworden und der neue Tag würde früh beginnen, wenn er tatsächlich in den Wald wollte. Da konnte man schon einmal die kleinen, verräterischen, nassen Spuren auf den Holzdielen übersehen, selbst, sollte man in die ein oder andere treten.
Oder sich nichts dabei denken, dass die eigene Zimmertür nicht ganz geschlossen war, schließlich hätte das einem ja auch unbemerkt passieren können... oder das Schloss nicht mehr richtig schließen.
Erst im Bett, sobald er liegen und einschlafen wollen würde, wäre etwas so anders, dass es auffallen musste. Er hatte nicht viel, das er sein Eigen nennen konnte und seine Bettstatt war alles andere als luxuriös. Aber Barnor hatte ihm, nach einiger Zeit, zwei dünnere Kissen zugestanden, um es sich in dem knarzenden Holzgestell so bequem wie möglich machen zu können.
Nur... dieses Mal lag er nicht ganz so hoch und sobald sein müdes Gehirn sich dessen bewusst werden würde, könnte er ertasten, dass tatsächlich eines der Kissen fehlte. Dass auch ein Leintuch weg war und seine Truhe, in dem das Bettzeug aufbewahrt wurde, nicht geschlossen war, konnte man noch eher übersehen.
Merkwürdig... Sollte man dem nachgehen? Oder hatte Josa sich einfach nur mal wieder bedient, ohne ihm etwas zu sagen, sodass sich die Mühe gar nicht lohnen würde? Wie stark steckte die Müdigkeit schon in seinen Knochen? Oder wäre er wieder völlig wach? Hatte er doch etwas von den nassen Spuren bemerkt, dass es ihm nun einfallen könnte, oder griffen Manthalas Finger schon zu stark nach ihm, dass er die Augen gar nicht mehr aufbekäme?
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Donnerstag 18. August 2022, 14:58

Nachdem der letzte Rest Eintopf in einem kleineren Kessel sicher untergebracht und man mit den angebrannten Stücken am Boden des größeren fertig war, konnte sich der Koch um den Abwasch kümmern. Es gehörte zu den am wenigsten geschätzten Bestandteil dieser Art von Anstellung. Auch Drogan war keine Ausnahme. Er wickelte sich sein Tuch um den Kopf und erfüllte sein Tagwerk monoton. Mit jedem Moment kroch die Erschöpfung weiter in seine Glieder. Immerhin war er nun bereits seit dem Mittagstisch mit den Geschäften der Schenke zu Gange. Trotzdem lockte die Gewissheit etwas gutes getan zu haben und die Anerkennung für den Eintopf war der Lohn der harten Arbeit. Das Wasser tropfte wie sanfter Regen von den Rändern der Schalen. Mit einem Leinentuch trocknete Drogan zumindest grob über das Geschirr, bevor er dieses zu kleinen Türmen aufstapelte und in ein Regel einordnete. Dabei fiel ihm auf, dass bei den üblichen drei Türme zu je zehn Schalen, eine fehlte. Die schwieligen Finger rieben über das klamme Tuch, während sich dessen Besitzer in der Küche umsah. Vergessen wurde keine. Scherben gab es auch keine. „Vermutlich steht sie auf einer Fensterbank im Schankraum oder wurde dort von einem Gast zerbrochen. Alles jedoch nicht mein Problem. Soll Josa sich das von Barnor anhören, wenn sie Morgen die feinen Reste mit der Bürste aus dem Kessel schrubben muss.“, nuschelte der Dessarier leise vor sich hin. Mit einem Schlag aus dem Handgelenk, klatschte er das nasse Handtuch gegen die nackte Steinwand neben dem Herdfeuer, so dass das überschüssige Wasser abspritzte, bevor der Stoff zum trocknen an einem Harken aufgehängt wurde.
Aus der Taverne war nichts mehr zu hören. Vermutlich hatte man sich in kleineren Gruppen aufgemacht rechtzeitig ins traute Heim zurückzukehren oder nutzte eines der Gästezimmer. Die Hände hinter dem Kopf verschränkend streckte sich Drogan und gähnte dabei lautstark. Bevor er sich einen Kienspan griff, um seinen Weg ins oberste Stockwerk zu finden, löste der Mann den Knoten seines Kopftuchs und stopfte dieses in den Gürtel. „Worauf habe ich mich da nur eingelassen. Ich hätte Thorid sein Märchen einfach erzählen lassen sollen und hätte dann eine oder zwei Stunden länger schlafen können.“, dachte Drogan bei sich und blies die Kerze vor sich aus, als der Span in seinen Fingern Feuer gefangen hatte. Vielleicht hatte er ein zu weiches Herz oder die Jahre hatten es weicher gemacht. Wenn man bedachte, dass sogar Kinder und alte Männer seinem Schwert zum Opfer gefallen waren, bekam der Gedanke eine recht ironische Note. Im Halbdunkel des Hauses sah man beinahe nichts mehr. Nur die Tatsache, dass sich der Koch innerhalb eines Jahres ein recht gutes Bild der örtlichen Gegebenheiten machen konnte war es geschuldet, nicht an jede erdenkliche Kante oder Ecke zu stoßen die sich ihm in den Weg stellte. Doch vor dem rutschigen Boden war auch dieser Mann nicht gefeit. Von einem glitschigen Geräusch begleitet verlor Drogan den Halt und prallte mit dem breiten Rücken gegen den Tresen. Sich mit dem Ellenbogen abstützend gewann er wieder Halt, richtete sich auf und hielt sich die Brust um sich von dem Schrecken zu erholen. „Verdammt. Was … war das?“, ächzte man auf, als sich die Augen vom Boden zur Decke richteten. Entweder war das Dach undicht oder einige Gäste hatten mehr Wasser mit hereingetragen als erwartet. Doch als die erste Überraschung verflogen war und die Müdigkeit wieder in den Körper kroch waren die Gedanken daran verflogen und somit entgingen ihm auch die restlichen Spuren von Wasser entlang der Treppe. Die Schulter an der Wand schob sich Drogan immer weiter nach oben. „Eins … zwei … drei.“, zählte der Mann ab und meinte damit das Knarzen der letzten Stufen. Nach der Dritten endete die Treppe und man entging einem Schritt in die Leere. Hier oben war das Prasseln des Regens deutlicher und auch der Wind rüttelte kräftig am Dach. Vielleicht war es notwendig, auch hier eine Reparatur durchzuführen – beizeiten. Sein Zimmer war hinter der zweiten Tür auf der rechten Seite, direkt gegenüber dem ersten Gästezimmer. Der Kamin verlief genau an der Südseite seiner Kammer entlang. Das machte diese im Winter herrlich warm. Bei dem Niederschlag vor dem Fenster würde es sich heute Nacht mit Sicherheit herrlich anfühlen. Langsam tastete sich die schwielige Hand im Halbdunkel an der Wand entlang und mit einer gewissen Verwunderung bemerkte der Mann einen schmalen Spalt zwischen Rahmen und Tür. Der Eingang zu seiner Kammer war nur angelehnt. „Ich war mir sicher den Riegel heute Vormittag geschlossen zu haben. Vermutlich verzieht sich das gesamte Gebäude und irgendwann fallen diese billigen Bretter noch aus dem Rahmen heraus.“, grummelte Drogan. Sein Verstand wurde zunehmend von der Lust auf Schlaf ertränkt. Klare Gedanken waren so kaum noch möglich zu fassen. In seinem kleinen Privatbereich angekommen, zog er die Tür nicht nur kräftig zu, sondern vergewisserte sich auch, dass der Riegel dieses Mal ordnungsgemäß arbeitete. Mit dem Span entzündete Dessarier eine kleine Talgkerze auf dem Tisch in der Nähe des Einganges. Sofort entfaltete diese einen unangenehmen, rußigen Gestank. Aber das spartanische Zimmer wurde dafür in ein fahles Halbdunkel getaucht. Während er sich bis auf die Hosen entkleidete, wanderten die Augen müde durch sein persönliches Reich. Zum Tisch und der Kerze gesellten sich nur ein kleiner Hocker, auf dem er seine Kleidung ablegte, ein Holzgestell mit dünner Strohmatte und Bettzeug, einer Truhe für eben dieses und eine Kiste mit dem Hab und Gut des Mannes.
Als der letzte Stiefel klappernd zu Boden glitt, löschte Barnabas den Docht mit angefeuchteten Fingern und schleppte sich in seine Schlafstatt. Diese ächzte laut unter dem neuen Gewicht. Vollkommen erschöpft von der Arbeit wälzte sich der Mann hin und her, um die richtige Position für die Nacht zu finden. Es dauerte damals eine Weile, bis sich Drogan mit einem richtigen Bett anfreunden konnte. In seiner Zeit als Söldner schlief man am Boden der Zelte und rollte sich eine Pferdedecke für den Kopf zusammen. Auf der Straße hielt dafür oft die eigene Kleidung her, wenn es das Wetter erlaubte. Auch in Balor konnte der neue Koch erst Ruhe finden als Barnor ihm ein zweites Kissen zugestand damit er hoch genug lag. Doch genau dieses fehlte.
Erst war Drogan gar nicht in der Lage diesen Umstand wahrzunehmen, doch dann, als seine Hand ins Leere griff wurde der Mann stutzig. „Wenn sich Josa wieder an meinen Sachen vergriffen hat und dabei nicht mal meine Tür richtig schließen konnte, stecke ich ihren vorlauten Kopf in meinen Kessel.“, durchflogen die schummrigen Gedanken seinen Schädel. Die breite Hand hob sich über den Kopf und pochte schlapp gegen die Holzwand an seinem Kopfende. Das Zimmer der Schankmaid grenzte zum Glück an seines. „Josa - Bist du noch wach? Hast du dir mein zweites Kissen genommen?“, fragte der Dessarier gedämpft und hoffte auf eine Antwort, bevor er ins Reich der Träume entschwand. Wenn er ohne dieses Kissen die Nacht durchbrachte, hätte er am nächsten Morgen wieder starken Nackenschmerzen. Für den Notfall würde er seine Decke einfach unter seinen Kopf stopfen. Doch auch diese schien spurlos verschwunden zu sein. Drogan kämpfte mit der Müdigkeit, aber das Verschwinden dieser Dinge machte ihn skeptisch und wollte ihn noch nicht ruhig schlafen lassen.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Samstag 20. August 2022, 13:36

Obwohl es sich um einen banalen Alltag handelte, den er hier schon seit gut einem Jahr tagein tagaus erlebte, war seine kampflose Tätigkeit ebenfalls körperlich fordernd. Mal mehr, mal weniger, aber dennoch so, dass er spätabends durchaus erschöpft war und getaner Arbeit meist zufrieden ins Bett fallen konnte.
Natürlich gab es auch Ärgernisse wie angebranntes Essen oder die kaputte Tür, doch trotz allem war es eine Erleichterung, einen zuverlässigen, regelmäßigen Lohn, Essen und ein Dach über den Kopf zu haben, ohne ständig darum sowie ums Überleben kämpfen zu müssen. Auch an diesem Abend, der im Prinzip schon in die Nacht übergegangen war, konnte Drogan guten Gewissens die Küche endlich verlassen und zu seinem Zimmer gehen.
Die Müdigkeit war schleichend gekommen, nun hatte sie ihn allerdings immer fester und fordernder im Griff. Auch die fast vollständige Dunkelheit, die der glimmende Kienspan nur mäßig vertreiben konnte, trug das ihrige dazu bei. Sorgte jedoch zugleich dafür, dass er die kleinen Wasserabdrücke nicht rechtzeitig entdecken konnte.
Eine davon wurde ihm beinahe zum Verhängnis, sodass lediglich seine geschulten Sinne... und eine gehörige Portion Glück dafür sorgten, dass er nicht der Länge nach hinschlug. Oder schlimmer noch, die Treppe hinunter stürzte und sich bei allem Übel das Genick brach. Was ihm den Abend wohl endgültig ruiniert hätte...
Wie auch immer, es ging noch einmal glimpflich aus und die Müdigkeit verhinderte, dass er sich die Spuren genauer ansah. Sonst hätte es ihm wohl zu denken gegeben, dass jemand von draußen mit kleinen Füßen den Weg hierher gefunden hätte, mit durchnässten Schuhen... oder womöglich gar bloßen Füßen? Dieses Rätsel würde vorerst ungelöst und vor allem unbedacht bleiben, denn den Koch zog es nur noch ins Bett. Wenigstens rutschte er kein zweites Mal aus.
Als er seine Tür erreichte, tat sich die nächste Frage auf, die eine Antwort verlangt hätte. Sofern man in einem wacheren Zustand wäre. Was auf den Mann nicht zutraf, sodass er sich nach einer kurzen Verwunderung keine Gedanken mehr darüber machte.
Kam ihm das nur so vor oder rief sein Bett immer lauter nach ihm? Er war ja schon am Weg, nicht mehr lange und er würde endlich... Doch was war das? Sein zweites Kissen fehlte!
Nachdem er das mühsam mit seinem nur noch sehr träge arbeitenden Verstand begriffen hatte, musste eine Entscheidung getroffen werden. Entweder die nächsten Tage lang Schmerzen im Nacken und bei viel Pech auch im gesamten Rücken sowie im Kopf oder... er quälte sich noch weiter im Wachzustand, um das Ganze zu klären.
Barnabas wählte letzteres und klopfte gegen die Holzwand, da er die Schuldige im Nebenraum vermutete. Seine Stimme war gedämpft, denn das Haus war hellhörig und es gäbe Ärger, sollte er um diese Uhrzeit mögliche Gäste aufwecken. Aber das bedeutete auch, dass er das Risiko einging, gar nicht gehört zu werden.
Dem schien auch so zu sein, bis... nach gut zehn Atemzügen auf einmal ein leiser, erstickter Schrei zu hören war. Was war das gewesen? Es war eindeutig aus Josas Zimmer gekommen.
Hatte sich etwa einer der Gäste, die eine Übernachtung hier der Wanderung durch den Sturm vorzogen, zu viel herausgenommen und eine Grenze überschritten? Die Schankmaid mochte gerne tändeln, auch war sie jung und hübsch, trotz dass sie schon einen Sohn hatte, und sie war unverheiratet, soweit er wusste. Jedoch hatte sie noch nie einen der Gäste mit auf ihr Zimmer genommen oder mehr als eine flüchtige Berührung fern ihrer intimsten Körperstellen erlaubt. Was also...?
Während es noch mühsam und quälend langsam in seinem müden Hirn arbeitete, wurde auch schon fordernd an seine Tür geklopft. "Barnabas? Mach auf, du Lump, sofort!" Ja, das war Josa, auch wenn die Stimme gedämpft klang, weil sie sich bemühte, leise zu sein.
Es dauerte, bis er auf den Beinen war und noch länger, bis er zur Tür gelangte, währenddessen erneut geklopft wurde. Schließlich aber konnte er öffnen und fand vor sich eine müde und zugleich wütende Schankmaid in ihrem langen Nachthemd vor sich. Hinzu kam die Nachthaube, aus der einige Strähnchen ihres Haars lugten, die sich wohl nicht hatten bändigen lassen wollen.
Aufreizend war etwas anderes, obwohl er ahnen konnte aufgrund ihrer sonstigen Kleidung, welch ansehnliche Formen sich unter dem Stoff verbargen. Und wäre das Licht ein wenig heller gewesen und anders gefallen, wäre der Stoff wohl nicht wirklich blickdicht zu nennen gewesen. So hingegen tat er gut daran, lieber nicht darüber nachzudenken, wie sie unten drunter aussah. Ob er eigentlich schon mal in Versuchung geraten war, mehr mit ihr tun zu wollen, als sich verbal mit ihr zu messen?
Auch kam er nicht recht zu Wort, denn kaum hatte er geöffnet und offenbarte seine Version des Nachtgewandes, da fuhr sie ihn auch schon zischend an:"Findest du das etwa lustig?! Ich hab mich zu Tode erschreckt! Und hab jetzt auch noch eine Heidenarbeit mit dem verdammten Stroh! Als ob es nicht spät genug wäre und ich genau schlafen will wie jeder andere hier!"
Ergab das für ihn Sinn? Konnte er begreifen, auch ohne waches Gehirn, was sie ihm gerade vorwarf? Dabei war er doch hier derjenige, der sie des Diebstahls seines Kissens verdächtigte! Und was sollte das jetzt wieder mit dem Stroh? Verstand einer die Weiber!
"Jetzt steh hier nicht rum und starr mich an wie ein Ölgötze! Mach den Mund auf und entschuldige dich wenigstens. Mir einfach Wasser ins Bett zu gießen, das ist nicht witzig!", fuhr sie unbeirrt weiter, eine Hand in die Seite gestemmt, während die andere die Stummelkerze hielt, die sie rasch entzunden hatte. Deren flackerndes, kleines Licht ließ ihr Gesicht irgendwie unheimlich wirken, fast schon wie einen rächenden Geist oder eine Furie. Irgendwie passend!
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Dienstag 23. August 2022, 18:48

Leider war das Glück nicht auf seiner Seite. Josa schlief bereits, denn es war nun schon so lange still, dass ihm keine andere Möglichkeit blieb als dies anzunehmen. Jetzt musste sich Barnabas auf eine kurze und unangenehme Nacht einstellen. Doch wie sagte seine Mutter damals immer: 'Lieber einen Fisch in der Hose als im Wasser.' Es war besser sich mit einer unangenehmen Situation abzufinden, denn schlimmer konnte es jederzeit werden. Immerhin hatte der Mann seine Ruhe und konnte ein paar Stunden Schlaf genießen. Der dumpfe Schrei aus dem Nachbarzimmer jedoch verhinderte erfolgreich, dass der Fisch in der Hose blieb. Mit einem Mal saß er kerzengerade im Bett. Anhand des trüben Blickes und schwankenden Oberkörpers sah man, dass dies mehr ein antrainierter Reflex als eine bewusste Handlung gewesen war. In den Jahren als Söldner gab es mehr als einmal einen nächtlichen Angriff und auch als Landstreicher musste man jederzeit damit rechnen das wenige, das man bei sich führte, an Langfinger oder Räuber zu verlieren. Daher sollte man seine Schutzreaktion nicht als plötzlichen, heldenhaften Wandel verstehen. „Verdammte Sirene, wenn nicht mindestens eine neunköpfige Ratte in ihrem Zimmer sitzt, dreh' ich das junge Ding durch den Fleischwolf.“, presste Drogan genervt zwischen einem langgezogenen Gähnen hervor. Leider war der Geist noch nicht wieder vollkommen funktionstüchtig und als ob es helfen würde, rieb sich der Mann mit dem Handrücken die Augen, damit die Umgebung aufhörte sich zu drehen. Währenddessen lauschte er in die Dunkelheit hinein. In Josa's Zimmer war es ruhig geworden. Ein dumpfes Poltern war zu vernehmen. Keine Kampfgeräusche, aber scheinbar wurde etwas gesucht und dann gefunden. „Die lernt mich Morgen kennen, dieses Weibsstück.“, rumorte es in seinen lahmenden Gedanken und sich seinem Schicksal ergebend, wollte sich Barnabas wieder in das Stroh fallen lassen, um endlich in das Land der Träume eindringen zu können. Plötzlich pochte es an der Tür und die Stimme der feuerhaarigen Furie drang so leise es ihr möglich war durch das rissige Holz. Im ersten Moment hatte der Koch darauf gehofft es wäre sein Arbeitgeber mit einer Beschwerde über den Lagerbestand, der keineswegs bis in die Morgenstunden hätte warten können. Oder vielleicht ein betrunkener Gast auf der Suche nach seinem Nachtlager. Selbst ein Blutsaugendes Monster wäre ihm wohl lieber gewesen als Josa. Obwohl die letzte Option gar nicht weit vom Original entfernt gewesen war.
„Ja, ich bin wach, ich komme … beruhige dich.“, mahnte Drogan als das junge Ding ein zweites Mal klopfte. Mühsam hievte er den massigen Körper vom Holzgestell und taumelte über seine Stiefel hinweg zur Zimmertür und öffnete diese einen Spalt breit. „Was … hör … Josa …JOSA!“, versuchte seine tiefe Stimme ihr Gezeter aufzuhalten, doch es gab kein Entkommen. Ihren Wortschwall nutzte der ehemalige Söldner um den Gang entlangzuschauen und eventuelle Gründe für ihren Tumult in Erfahrung zu bringen, denn die spitzen Worte der Schankmaid wollte einfach nicht in seinen vor Müdigkeit denkunfähigen Hirnstamm dringen. Zudem war er etwas abgelenkt durch die Vorzüge ihres recht dünnen Nachtgewandes. Das einige rote Strähnen keck unter der unvorteilhaften Haube hervorblitzten, unterstrich den verwegenen Anblick. Drogan war ihren weiblichen Vorzügen eindeutig nicht abgeneigt. Bereits in der ersten Woche wäre er gerne mit dem jungen Ding in einem Strohhaufen verschwunden. Allerdings konnte er nicht umhin die Persönlichkeit Josa als wenig anziehend zu empfinden. Damit war nicht gemeint, dass sie ein grässlicher Mensch war oder als Gespielin langweilig. Nein. Es war mehr so, dass Barnabas Josa lieber als Freundin an seiner Seite wusste und mit Freunden teilte man nicht das Nachtlager. Das war eine goldene Regel. Dieser Grundsatz verhinderte jedoch nicht, dass man sich an einem üppigen Becken oder einem wallenden Busen erfreuen durfte. Doch ihre Tirade schien zu Ende und holte den Koch wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Daumen und Zeigefinger der breiten Hand massierten kurz seine Augen, bevor er zu sprechen begann. „Was genau willst du eigentlich von mir?! Ich habe doch gerade erst an die Wand geklopft. Wie sollte ich etwas in deinem Zimmer getan haben. Außerdem …“, Barnabas machte eine Pause, um sich sicher zu sein, keinen Fehler zu machen. „Außerdem habe ich erst nach dir meine Arbeit beendet.“, zog er einen für sich recht logischen Schluss. „Ich stehe schließlich nicht mit einem Eimer in deinem Zimmer. Obwohl du es verdient hättest, wenn du dich ständig an meinen Sachen vergreifst.“ Der schwache Schein der Kerze in Josa's Händen spiegelte sich in den brauen Augen Drogans wieder, welche wiederum in das wutverzerrte Gesicht der Schankmaid starrten. „Beim Harax werde ich mich entschuldigen, Josa. Entschuldige du dich lieber bei mir, hier so einen Aufstand zu veranstalten und mir meine Sachen zu nehmen. Vermutlich hat dieser verdammte Sturm einige Dachstellen abgedeckt. Es sind auch Pfützen auf der Treppe gewesen. Du hast wohl nur Pech gehabt, dass es über dir ein Leck gibt. Zur Seite.“, moserte er und drückte sich an der immer noch aufgeregten jungen Dame vorbei. Sein Weg führte ihn direkt in das Nebenzimmer, ohne auf eventuelle Proteste oder Beschwerden zu hören. Er würde ihr einfach Beweisen, dass es eine undichte Stelle zwischen den Dachbalken gab und dabei auch gleich sein Kissen zurückerobern. Plötzlich hellte es hinter ihm auf. Wie zu erwarten war, folgte Josa ihm, denn sie würde es niemanden gestatten ohne ihr Beisein in ihren Privaträumen herumzulungern. Drogans Blick fiel auf einen in Lacken gehüllten Körper. Der Sohn hatte einen festen Schlaf und fühlte sich von dem nächtlichen Tumult nur mäßig tangiert. Dies kommentierte jener mit einem tiefen Schnarcher. Für jemanden mit regelmäßigen Alpträumen und einem ohnehin schon sehr seichten Schlaf, war ein so seligen Ruhen ein wahrer Segen. Doch die Zeit für Neid war nicht jetzt. Also legte der Mann den Kopf in den Nacken und schaute sich nach einer tropfenden Stelle um oder versuchte zumindest das Plätschern von Wasser zu hören. Vollkommen davon überzeugt, dass es ein Problem mit dem Dach gab, schenkte er dem Rest des Zimmers und Josas Bett für diesen Moment nur wenig Beachtung.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 25. August 2022, 12:30

Zwar irrte Barnabas in der Annahme, dass die Schankmaid bereits schlafen würde, doch was auch immer sie tat, das Ergebnis blieb dasselbe. Sie ließ sich Zeit mit ihrer Reaktion auf sein Klopfen, sofern sie es überhaupt gehört hatte, da es ja gedämpft sein sollte, um die Gäste nicht zu wecken.
Dass sie dennoch zu ihm kommen würde, lag an etwas vollkommen anderem. Dem ging ein erschrockener Schrei voraus, ehe sie ihr Zimmer verließ und fordernd gegen seine Tür klopfte. Mehrmals, denn er war ihr viel zu langsam darin, sich aufzurappeln und ihr zu öffnen, um sich ihre Vorwürfe anzuhören.
Ob er nun schon geschlafen hatte oder nicht, war ihr dabei herzlich egal und sie nahm keine Rücksicht darauf. Genau so wenig wie auf seine Versuche, sich selbst Gehör zu verschaffen, damit sie langsamer oder verständlicher oder besser noch, gar nicht mehr sprach, bis er geistig wach genug wäre für diese Konfrontation. Doch Josa war zu aufgebracht und vermutete einen gemeinen Streich von ihm hinter dem Anschlag auf ihr Bett.
Als sie endlich einmal Luft holte, gab es ihm die Gelegenheit, sich selbst einzubringen. Bei seinen ersten Worten gab sie einen spitzen, beleidigten Ton von sich und verschränkte die Arme vor der Brust, als wolle sie erst recht für Ablenkung vom Denken sorgen, indem sie betonte, was sich unter dem Stoff abzeichnen konnte.
Dann allerdings hob sich ihre Augenbraue an, die von Natur aus einen schönen Schwung hatte und nicht künstlich in Form gebracht werden musste, und am Schluss rümpfte sie leicht beleidigt die Nase. Eigentlich ein niedlicher Zug von ihr, wenn die Stunde nicht derart spät und die Gedanken so träge gewesen wären.
"Woher soll ich wissen, was du alles tust, wenn du in der Küche arbeiten solltest?", unterstellte sie ihm mit ein wenig spitzem Tonfall, wenngleich nicht mehr ganz so sicher wie noch zuvor.
Ehe die Wut zurückkehrte und sogar eine feine Röte in ihre Wangen trieb, ob man das nun in dem schlechten Licht würde erkennen können bei ihrer eher blassen Haut oder nicht. "Was soll das nun wieder heißen?", schoss sie zurück. "Ich habe gar nichts von dir genommen und wenn ich mal so nett bin und deine Wäsche sauber mache am Waschtag, dann hätt ich ja wohl eher Dank von dir verdient!"
Daraufhin schnaubte sie leise und wenig damenhaft, während sie eine beleidigte Miene machte. "So weit war ich auch schon. Von oben kommt aber nichts!", maulte sie, ließ es jedoch zu, dass er sich an ihr vorbei in Richtung ihres Zimmers bewegte.
Zwar schimpfte sie nicht darüber, dass er einfach so in ihr Reich eindrang, allerdings hatte sie es dennoch nicht gerade gerne, schließlich war das einer der wenigen Orte in diesem Gebäude, in denen sie das Sagen hatte. Als erstes, nachdem sie ihm gefolgt war, galt ihr Blick ihrem Sohn, ob dieser noch tief und fest schlief.
Dem war so, sogar ein leises Schnarchen war deutlich zu vernehmen in dem kleinen Raum, der demjenigen des Kochs recht ähnlich war, bis auf die zweite Schlafstatt. Er war nur etwas sauberer, aufgeräumter und besaß sogar eine schlichte Tonvase mit frischen Blumen darin, ein Beleg für die weibliche Hand in diesen vier Wänden.
Barnabas indes hatte die Gelegenheit, sich in dem schlechten Licht umzusehen und tatsächlich... von oben tropfte absolut nichts und trotzdem war das Bett definitiv feucht... oder sogar recht nass. Doch es war merkwürdig, denn die Stelle wirkte beinahe so, als hätte sich jemand, der triefnass von draußen herein gekommen war, einfach so mit dem, was er oder sie am Leibe trug hingelegt. Auch wäre dieses Wesen recht klein, in etwa wie ein vier- oder fünfjähriges Kind, sofern es sich um keinen Vertreter eines kleinwüchsigen Volkes handelte.
Und... wie war das noch mal mit den Spuren auf dem Gang gewesen? Ob das einen Zusammenhang darstellte?
Außerdem... in Josas Bett befand sich sein zweites Kissen nicht und auch ihr Junge schien es nicht zu haben. Hatte er sie also falsch verdächtigt vorhin? War er inzwischen wach genug, um die richtigen Schlüsse ziehen zu können und Verbindungen herzustellen? Oder sollte er das besser auf morgen verschieben, nach ein paar Stunden ungemütlichen Schlafs?
Josa stand hinter ihm, die Hände in die Hüften gestemmt und sobald er sich umdrehen würde, müsste er aufpassen, um sie nicht anzurempeln, so dicht war sie ihm auf die Pelle gerückt. "Siehst du! Hab ich ja gesagt, das Dach ist's nicht!", flüsterte sie, um trotz allem ihren Sohn nicht aufzuwecken.
Vielleicht war es ein Trick der Schankmaid, die diese Nacht in starken Armen verbringen wollte? Nein, das hätte sie ganz anders haben können und sicherlich nicht neben ihrem Kind tun, soweit sollte er sie kennen. Nur... war er auch willens genug, diese Erklärung zu akzeptieren oder würde er ein Lockmittel annehmen wollen, weil es der einfachere Weg wäre? Derjenige, den sein müdes Hirn am ehesten noch würde folgen können?
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Samstag 27. August 2022, 15:53

Trotz des schwachen Kerzenscheins hätte man das sanfte Schimmern von Feuchtigkeit zwischen den Holzbalken sehen müssen, aber so sehr sich Barnabas auch anstrengte, war dort nicht einmal das kleinste Rinnsal erkennbar. Diese Entdeckung wirkte sich auf zwei Arten aus. Zum Einen musste er feststellen, dass seine Theorie falsch war und zum anderen kam die Frage auf, wieso das Bett der Schankmaid trotzdem voller Wasser war. Die Alternative zu einem undichten Dach mit Rissen missfiel Drogan jedoch mehr als ein nächtlicher Gang durch das Gebälk. Durch die Bewegung und die immer mal wieder aufkommenden Gesprächsfetzen mit Josa, begann der Verstand des Mannes immer weiter im alten Ausmaß zu funktionieren. Ein Vorteil, wenn auch kein besonders großer. Seine Augen wanderten über die groben Holzwände hin zum Bett der jungen Frau und der Unordnung darin. Bei der besagten Menge Wasser hätte man wirklich eine Schüssel oder ein ähnliches Behältnis benötigt, um so ein Chaos anzurichten. Es war, als hätte man das Lager von Eberhybriden gefunden – Nur passte gerade diese Unordnung nicht in das Bild. Bei dieser Nässe wäre jeder sofort aufgesprungen und hätte sich nicht erst gemütlich eingerollt. Inzwischen kam ihm der Gedanke, dass dieses rothaarige Frettchen auch einen recht unangebrachten Scherz mit ihm trieb. Vielleicht als Rache für seinen harschen Umgang mit Thorid? Doch dann kam ihm das lächerlich vor. Selbst sie wäre nicht kindisch genug, um die wohlverdiente Ruhe der Nacht zu stören. Zumal sie diese selbst am meisten nötig hatte. Das Kissen, welches er vermisste, wäre ein hervorragendes Lockmittel gewesen, doch genau dieses fehlte hier und trotz der Tatsache, dass Barnabas die Decke hin und her wälzte, tauchte es nicht auf.
Seltsam ...“, raunte der ehemalige Söldner. Er war kein Gelehrter, aber immer noch schlau genug um zu wissen, wenn Unheil in der Luft lag. Selbstverständlich gab es Stimmen in seinem Innersten, die den Sohn als Täter brandmarken wollten. „Blödsinn.“, tat Barnabas diese Unsinnigkeit in Gedanken ab. Der kleine Kerl war etwas tollpatschig und faul, aber herzensgut und wäre für ein solches Unterfangen weder verschlagen noch listig genug. Drogan wollte sich niederknien, um etwas zu untersuchen, als der nackte Fuß plötzlich in einer von vielen Pfützen stand. Die Kälte kroch ihm binnen eines Augenaufschlages das Bein empor und erschreckte den großen Mann etwas. Doch viel mehr war das Interesse geweckt. „Hm, hier sind auch kleine Pfützen. Die gleiche Art wie auch auf den Treppen.“, sagte er mehr zu sich als zu Josa, die immer noch hinter ihm stand. Die schwieligen Finger strichen durch das kurze, grau melierte Haar. Nicht nochmal in eine Laache tretend, fuhr Drogan mit seiner eigentlichen Aufgabe fort und kniete sich vor die Bettstatt der jungen Frau. „Josa, komm bitte etwas dichter … es ist zu dunkel.“, ermahnte er, bevor seine Augen über den Stoff glitten. Der starke Geruch nach Blüten und Kräutern umfing seine Nase. Josa mischte einige Pflanzen, um einen persönlichen Duft zu kreieren und sich von den anderen Frauen des Dorfes abzuheben. Es wirkte. Denn selbst jetzt verströmte sie einen betörenden Geruch, welcher zusammen mit ihrem körperlichen Reizen eine beinahe unwiderstehliche Mischung ergab. Allerdings war Drogan zu alt und zu weit rumgekommen, als dass so etwas die Erinnerung an den Gestank von Blut und Hybridscheiße aus dem Verstand brennen konnte. „Ich will dich nicht beunruhigen, aber ich denke, dass wir einen unbekannten Gast haben.“, formulierte er ruhig und gelassen. Seine Tonart hatte sich geändert, wie jedes Mal, wenn die Lage eine ernste oder zumindest weniger amüsante war. Etwas stimmte ganz und gar nicht. Die Hände zogen das Laken glatt und man konnte sehr deutlich die Form eines Körpers erkennen. Kleiner als der von Josa. Sogar kleiner als der von Michael. Darauf allerdings wusste sich Drogan keinen Reim zu bilden. Er stand auf und wandte sich direkt der jungen Frau zu. Bei den meisten Menschen erwartete man Angst oder Besorgnis, doch dieser Mensch hier erinnerte ihn stets an eine ebenfalls rothaarige Frau aus Mantron. Sie war Kriegerin und hatte sich einst bei einer Schlacht zwischen zwei Grafenhäusern auf die Seite der Stiere geschlagen. Ihr Speer durchbohrte an jenem Tag hunderte Männer und in der Nacht nutzte sie die Speere der Sieger für eine ausgelassene Feier. Kraft, Tapferkeit und Selbstbewusstsein machten diese beiden Frauen aus und das beeindruckte Drogan immer wieder. Mitunter ein Grund, warum er keinerlei Interesse daran hatte, sich mit Josa in den Federn zu vergnügen. Leider war der einstige Söldner kein Spurenleser und die Monsterjagden wurden stets von richtigen Pirschern durchgeführt. Zudem war das Wissen über Monster hier nicht von Nutzen. Man musste sich also auf eine klassische Suche machen. „Ich gehe kurz nach Nebenan und werde für etwas mehr Licht sorgen. Sieh' am besten nach Michael und wir treffen uns gleich wieder hier.“ Er legte ihr seine Hand kurz auf die Schulter, obwohl sie diese Form der Aufmunterung nicht benötigen würde. Kurz darauf betrat der Koch seine Gemächer und stieg in die Stiefel, während er sich das Leinenhemd locker über den Schädel zog. Für solche Aktionen war er doch etwas zu lockern und leicht angezogen gewesen. Nachdem für die passende Kleidung gesorgt worden war, schnappte er sich den Messinghalter mit der Kerze und kehrte zu Josa zurück. Es zwischte etwas, als er den Docht an dem Rest ihrer Kerze entfachte. Der beste Ort um zu beginnen war hier, also würde er Schränke, Kisten und sogar unter dem Bett nachsehen, ob sich, wer auch immer, noch hier versteckte.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Sonntag 28. August 2022, 09:25

Wie er es auch drehte und wendete, das Ergebnis blieb dasselbe: Er hatte sich geirrt. Es gab kein Leck im Dach, zumindest nicht an dieser Stelle direkt über Josas Bett. Für den restlichen Teil des Hauses sollte er das lieber nicht so pauschal annehmen, immerhin wütete das Unwetter äußerst kräftig und war noch längst nicht vorbei. Aber hier und jetzt, an diesem Ort, da musste es eine andere Erklärung für das nasse Bett geben.
Noch dazu, da die Form des Flecks einfach nur ungewöhnlich war. Worauf wiederum die Schankmaid wohl nicht geachtet hatte, sonst hätte sie ihn nicht beschuldigt, ihr einen Streich gespielt zu haben.
Bei seinem Raunen schnaubte sie in seinem Rücken und stemmte die freie Hand in die Seite. "Was du nicht sagst.", erwiderte sie leicht säuerlich, denn in der Tat, sie hatte Schlaf bitter nötig.
Auch wenn Barnabas als Koch viel zu tun hatte und auch mitunter andere Aufgaben übernahm, sie schuftete ebenfalls oft bis zum Umfallen und kümmerte sich zusätzlich um ihren Sohn wie um einige Gäste, die ihre Aufmerksamkeit nötig hatten. Selbstverständlich nur im äußerst harmlosen Sinn! Josa mochte ein uneheliches Kind haben, sofern sie nicht verwitwet oder seit über einem Jahr Strohwitwe war, aber sie war kein Liebchen für jedermann. Ganz gleich, wo sie arbeitete und wie hübsch sie war.
Jetzt hingegen war sie müde und bekam allmählich selbst in diesem schlechten Licht erkennbare Ringe unter den Augen, die auf den allgegenwärtigen Schlafmangel hinwiesen. Während er auf der Suche nach dem Grund für ihr nasses Bett war. So kämpfte auch sie im Stillen mit dem Bedürfnis ihres Körpers und reagierte ein wenig verzögert auf sein Gemurmel.
"Hm? Was meinst du?" Doch dann sah auch sie die Spuren am Boden und runzelte ihre Stirn. "Komisch... Michael war nicht draußen und ich auch nicht."
Plötzlich wurde sie blass und trat instinktiv etwas näher an ihr schlafendes Kind heran, als drohe ihm Unheil. "Ist hier jemand eingedrungen? Vielleicht so ein... ein Baumgeist?", hauchte sie.
Josa war eigentlich eine robuste Natur und durch ihren Alltag nur wenig zu erschrecken. Aber gänzlich frei von Aberglaube war sie dann doch nicht, obwohl sie es gerne für sich behielt. Und Thorids Geschichte würde viel zu gut zu diesem plötzlichen Auftauchen von Wasser passen. Denn kein Gast sollte es wagen, ungefragt in ihr Zimmer einzudringen! Abgesehen davon, waren die alle relativ trocken gewesen und es gab auch keinen Neuzugang, der es vom Gewitter direkt ins Bett getrieben hätte.
Sie blinzelte, als er sie aus ihren Gedanken holte, und brauchte einen Moment, ehe sie näher trat. "Hast du etwas entdeckt?", wisperte sie und versuchte, wenn dem so wäre, es ebenfalls zu erkennen.
Das Problem war nur... es war nichts! Es gab absolut nichts zu sehen, was dort sonst nicht auch wäre, abgesehen eben von dem Wasser und vielleicht dem ein oder anderen Krümel am Boden unter ihrem Bett, den ihr Sohn bei heimlich hinaufgeschmuggelten Essen verloren und weggewischt hatte, um nicht sofort entlarvt werden zu können.
Die Sekunden, während seiner Musterung, dehnten sich unendlich zu gefühlten Stunden, bis Barnabas zu einer recht offensichtlichen Erkenntnis kam. Und trotzdem... Josa wurde noch etwas blasser und wich einen halben Schritt zurück. Dabei schluckte sie und begann, ein wenig nervöser zu atmen, wodurch sich ihr Busen durch Heben und Senken erst recht auffällig präsentierte. "Wie kann das sein? Es gibt nirgendwo Zutritt, wo nicht irgendwer von uns ihn gesehen hätte. Außer... außer es wäre ein... ein..." Nein, dieses Mal kam ihr das Wort nicht wieder über die Lippen.
Josa blinzelte und als wäre ihr Sohn das Zaubermittel gegen alles Furchtsame, sorgte sein leiser, irgendwie dennoch unpassend lauter Grunzer im Schlaf dafür, dass sie sich wieder fangen konnte. Ihr Blick huschte zu ihm, doch das Kind war tief im Traumland versunken, während ein feiner Speicheltropfen langsam aus seinem Mundwinkel hinunter lief in Richtung Wange.
Als sie zurück zu dem Koch sah, wirkte sie sehr entschlossen. "Wer auch immer das ist, wir finden ihn und wenn er nicht zahlen kann, fliegt er raus!", schimpfte sie mit gedämpfter Stimme, ganz so, wie er sie kannte.
Schon verabschiedete er sich für kurze Zeit und ließ sie allein. Erneut drohte sie sich unwohl und ängstlich zu fühlen, aber der Gedanke daran, Michael beschützen zu müssen vor jeglicher Unbill, ließ sie stark bleiben. Viel brauchte sie nicht nachsehen, immerhin schlief er selig, sodass sie die Zeit nutzen und sich ein Tuch überwerfen konnte, um wenigstens nicht zu frieren... und um ihre Aufmachung etwas zu verhüllen.
Barnabas brauchte nicht lange. Allerdings... gerade, als er wieder den Raum betreten hatte und unter ihrem Bett nachsehen wollte, ob dort etwas zu finden wäre, erklang das unverkennbare Geräusch einer zu Boden fallenden und zerspringenden Schale.
Die beiden Erwachsenen sahen sich an und eilten dann in stummen Einvernehmen zur Tür, denn der Lärm war vom Gang her erklungen. Wenn sie aufmerksam lauschten würden sie noch das Tappen nackter Füße wahrnehmen können, jedoch zu sehen war von dem Übeltäter nichts mehr.
Obwohl... nein, so ganz stimmte das nicht. Dank des besseren Lichts, das eher Schatten vertreiben als entstehen lassen konnte, war es möglich, etwas am Boden zu erkennen. Nicht viel, nur ganz vereinzelt und irgendwie auch stets bei Resten von nassen Fußspuren, als würden die Sohlen allmählich trocknen, lagen Strohhalme. Sein Kissen!
Die Spur wies in Richtung der Treppe, die er vor gar nicht allzu langer Zeit erst hinauf genommen hatte. Josa reagierte schneller und war bereits an seiner Zimmertür, um ihm wild gestikulierend zu deuten, dass er endlich folgen sollte. "Da, sieh! Wie kommt denn die Schale hierher? Riech ich da deinen Eintopf von heute?", flüsterte sie und sah ihn fragend an.
Konnte das sein, dass sich gerade ein Puzzleteil zu den anderen gesellte? Und was nun?
Die Schankmaid war zwar schnell bei seinem Zimmer gewesen, aber in Richtung Treppe würde sie sich nicht als erste wagen. Allerdings würde sie auch nicht zurück bleiben, denn die Neugier war durchaus Teil ihres Wesens und mitunter stärker als ihre Müdigkeit, die vorerst in den Hintergrund getreten war.
Erst recht, weil ihr etwas anderes in den Sinn kam. "Vielleicht doch kein Geist...", nuschelte sie in sich hinein und sah zu ihm hin, was er jetzt tun würde.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Donnerstag 1. September 2022, 23:08

Drogan war ein Mensch der nur seinem Augen traute und daher an Dinge wie Geister oder Fabelwesen keinen Glauben hatte. Zweifelsfrei befand sich der ehemalige Monsterjäger damit in einer misslichen Lage, denn viele seiner damaligen Beutetiere waren besagte Fabelwesen, wie Riesenechsen oder Wolfsmenschen. Allerdings konnte eine solche Erkenntnis nicht durch seinen Sturkopf dringen. Alles war nur Legende und Erzählung bis seine Klinge es durchbohrte oder zumindest sein Blick. Mit diesem Wissen war sein abwertendes Schnauben in Hinblick auf Josas Geisterglaube verständlich, wenngleich nicht sonderlich nett. „Du willst aber nicht sagen, dass es ein Geist ist? So wie Thorids Baummädchen und Blattbuben, welche durch die Wipfel wabern? Versuchen wir lieber die echten Probleme anzugehen.“, kommentierte Barnabas seine Gedanken und ging an ihr vorbei, um nur einen kurzen Moment später, angezogen und bereit, wieder neben der Schankmaid zu erscheinen. Das ganze hatte etwas von den alten Tagen. Das erregte Rumoren in der Magengegend war ein vertrautes Gefühl und es wäre gelogen, wenn Drogan es nicht in gewisser Weise genießen würde. Als er das schwach erleuchtete Zimmer betrat konnte er gerade noch sehen, wie sich die junge Frau ein dickeres Tuch über die Schulter warf. Keine dumme Idee, denn sobald die erste Aufregung wich, kroch die kälte der Nacht in jedes Glied. Michael jedoch würde dieses Problem nicht haben, denn dieser kleine Kerl hatte wirklich den Schlaf eines Steins. Eigentlich mochte Drogan ihn und vertrieb sich gerne die Zeit damit ihm zu zeigen, wie man bestimmte Dinge zubereitet oder gab kleine Tipps, wenn es darum ging auf dem Markt die richtigen Waren einzukaufen. Dabei erzählte das Früchtchen von einigen Abenteuern und spaßigen Streichen, die man mit diesem oder jenem ausführte. Vieles der Mutter steckte in Michael, selbst wenn man nicht wusste, ob der Vater auch ein Großmaul mit einem unantastbaren Selbstbewusst sein gewesen war. Josa sprach nicht über ihn und Barnabas wusste genug über familiäre Verhältnisse, dass es unpassend und uninteressant war danach zu fragen.
Allerdings ging es jetzt darum, sich ein Bild der Situation zu machen. Doch gerade als beide beschlossen hatten was zu tun war, durchzog Drogan ein Zucken. Etwas zerschellte im Flut und sorgte dafür, dass beide Erwachsene nachsahen, was dieses überlaute Geräusch verursacht hatte. Niemand war zu sehen, doch auch wenn ihm das eine Auge oft den Dienst versagte, hören konnte der Dessarier noch gut genug. Er zwang sich ruhiger zu atmen und versuchte das leise, sich entfernende Pochen zu deuten. Unmöglich. Der Regen von Außerhalb und Josas Atmung verhinderten, dass er wirklich erfassen konnte, was das war. Am Ende musste er annehmen, dass ein Ast oder etwas anderes gegen die Außenwand geschlagen wurde. Nichtsdestotrotz machte die Rothaarige ihn auf etwas aufmerksam. Dort am Boden waren wieder diese seltsamen, tropfenartigen Fußspuren und daneben ganz deutlich einige Halme aus einem Futter. „Da beult mir doch einer das Blech aus. Wenn das nicht von meinem Kissen stammt, knutsche ich einen Troll!?“, spie er aus und eilte Josa hinterher. Tatsächlich. Klitschnass und an einigen Stellen zerbrochen, lagen dort Halme und zwar neben den Scherben einer Tonschale. Noch bevor seine Mitstreiterin etwas sagte, erkannte Barnabas die Reste aus Fleisch und Kartoffeln. Der starke Duft nach Thymian war deutlich. Dies war vermutlich die fehlende Schale aus der Küche. „Sieh' einer an. Die hatte ich unten bereit vermisst. Die Rechnung für unseren Gast wird wohl immer höher. Komm schon, bleib' bei mir und schließe dein Zimmer ab. Nicht dass der Kerl zurückkommt.“, mahnte Drogan Josa und ging langsam auf die Treppe zu. Im Moment hatte er keine Ahnung wer derjenige war, der sich hier herumtrieb, aber wenn er sich der Belegschaft so geschickt entzogen hatte, dann war es jemand mit einiger Erfahrung darin. Doch das würde diesen Eindringling auch nicht retten. Langsam und vorsichtig, stieg Barnabas die Treppe hinab, darauf achtend, einem eventuelle Angriff aus dem Nichts etwas entgegensetzen zu können. Seine Hand ballte sich unbewusst zu einer Faust.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Sonntag 4. September 2022, 10:15

Im Gegensatz zu dem Koch war Josa in diesem Dorf aufgewachsen und noch nie weiter gekommen als bis in den Wald. Diese kleine Welt war erfüllt von vielem, mitunter auch einem gewissen Ausmaß an Aberglauben, mal stärker wie bei Thorid, mal weniger wie bei der Schankmaid. Und dennoch war diese Situation so, dass ihr unheimlich wurde dabei.
Schließlich schien sich keine andere Erklärung für die Nässe in ihrem Bett finden als ein Geist. Aber ob es ein Baumgeist wäre, wie von dem Alten berichtet, oder ein anderer... darauf würde sie sich nicht festlegen, wenn man sie genauer fragen würde, denn dazu wiederum war sie zu wenig abergläubisch und hatte sich zu wenig damit beschäftigt.
Auch wenn sie natürlich so einige Geschichten kannte, vor allem jene von diebischen Kobolden, die schlimme Kinder stibitzten, um sie an den Ohren zu Arbeit zu zwingen. Regelmäßig bemühte sie diese, wenn ihr Sohn mal wieder glaubte, herumtrödeln zu können. Doch das wäre jetzt definitiv nicht nötig!
Wenigstens schlief ihr Kind tief und fest und bekam von dem Ganzen nichts mit. Der hätte sich auch noch darüber gefreut und sich auf Geisterjagd gemacht, anstatt auszuruhen und morgen ordentlich mitzuhelfen.
Seine Erwiderung holte sie aus ihren Gedanken und sorgte dafür, dass sie missbilligend mit der Zunge schnalzte. "Hör auf, dich über Thorid lustig zu machen!", schalt sie ihn und deutete ein Kopfschütteln an.
"Dann zeig mir doch den Übeltäter!", maulte sie, als er schon an ihr vorbei ging und sie kurzfristig allein ließ.
Um keine Angst aufkommen zu lassen, widmete sie sich lieber ihrem Sohn und konnte beruhigt feststellen, dass er überhaupt nichts mitbekam. Danach warf sie sich ein wärmendes und ihre Reize zusätzlich verbergendes Tuch über, um auf den Koch zu warten.
Der sich sogar beeilte und als sie endlich soweit waren, die Suche in ihrem Zimmer zu intensivieren, verriet sich jener Geist selbst. Draußen zerschellte etwas und die Erwachsenen gingen nachsehen. Entdecken konnten sie niemanden und dennoch waren die Spuren offensichtlich.
Was Barnabas zu einer Bemerkung bewegte, die Josa ein kleines, freches Grinsen entlockte. "Wenns soweit ist, bestelle ich einen Maler, um das für die Ewigkeit festzuhalten. Würde sich gut als Bild über der Theke machen!", zog sie ihn auf, ehe sie wieder ernst wurde, denn sie konnte etwas entdecken.
Scherben! Also doch kein Geist? Oder ein Poltergeist, der die Fähigkeit hatte, feste Gegenstände zu bewegen?
Erneut kommentierte der Koch den Fund und sorgte dafür, dass sie ihm einen Blick von der Seite her zuwarf. "Und du gehst ins Bett, obwohl deine Arbeit nicht vollständig ist?", schalt sie ihn neckend. Sie brauchte das einfach jetzt, um ihre Angst weiterhin gering halten zu können. Denn ihr Herz wummerte aufgeregt in ihrer Brust und die Knie fühlten sich weicher an als sonst. Während zugleich die Müdigkeit an ihren Gliedern zog und sie bald sogar bereit dazu wäre, sich in ihr nasses Bett zu legen, einfach nur, um schlafen zu können.
Daraufhin gab er ihr Anweisungen und sie nickte. Bevor sie ihm folgte, schloss sie die Tür zu ihrem Zimmer, sperrte allerdings nicht ab. Eine tief verwurzelte Angst in ihr ließ sie so handeln, denn sie selbst wäre als kleines Kind beinahe einmal verbrannt, weil ihre Mutter abgeschlossen hatte und zur Nachbarin gegangen war. Ohne auf die noch schwach glimmende Öllampe zu achten, die sie stets am Abend angezündet hatte, bis Klein-Josa sich nicht mehr vor der Dunkelheit der Nacht gefürchtet hatte.
Daraufhin holte sie rasch auf und folgte dem Mann langsam und sich beständig umsehend die Treppe hinunter. Der Schankraum wirkte unberührt und so, wie sie ihn zurückgelassen hatte. Auch feuchte Fußspuren waren hier keine neuen auszumachen. "Nichts...", wisperte sie beinahe lautlos und wollte schon aufatmen, da kein weiteres Unheil zu drohen schien. Kein Angreifer aus dem Dunkeln, kein finsterer Geist, der ihnen einen Schrecken einjagen wollte.
In diesem Moment jedoch... Das Geräusch war leise, kaum zu hören und dennoch wie ein Paukenschlag für sie, dass sie wie unter einem Peitschenhieb zusammen zuckte. Was war das gewesen? Es hatte sich wie ein Niesen angehört, aber viel zu dünn und unterdrückt! Und trotzdem...
"Das war aus der Küche!", hauchte Josa und irgendetwas in ihrem Inneren begann zu schwingen bei diesem Laut. Er war vertraut und zugleich auch nicht, sprach aber etwas in ihr an, dass sie sich an dem Koch vorbei drängte und forsch ausschreiten ließ.
Vorbei war es mit der Angst und Vorsicht ließ sie auch keine mehr walten. Selbst, wenn Barnabas sie versuchen würde aufzuhalten, würde er es nicht schaffen und ins Leere greifen, um nichts weiter tun zu können, als ihr zu folgen.
Sobald er ebenfalls in der Küche wäre, fände er Josa im hinteren Teil vor, wie sie da stand und mit in die Seite gestemmten Händen auf etwas... oder jemanden hinunter blickte, den er indes nicht erkennen konnte. Sein Arbeitstisch verbarg den Übeltäter.
Die Schankmaid hingegen wirkte... was? Amüsiert? Nachsichtig? Mitleidig? Was auch immer sich da in ihrem Gesicht abzeichnete, Furcht war es jedenfalls nicht, wodurch seine eigene Alarmbereitschaft etwas nachlassen könnte.
Seine Begleitung sah kurz auf und winkte ihn mit einem schiefen Grinsen näher. "Da haben wir unseren kleinen Geist, der Schalen zerbricht und Kissen klaut.", erklärte sie ihm in einem warmen Tonfall, den sie nur selten anschlug und wenn, dann bei Michael... oder Thorid.
Ob Neugier in ihm aufsteigen würde? Oder wäre da nur Verwunderung in seinem wieder wachen Geist, der eigentlich Ruhe benötigte?
Sobald er an dem Tisch vorbei treten würde, könnte er sehen, von wem Josa gesprochen hatte. Vor ihr hockte am Boden ein kleines Kind... ein Mädchen. Den Rücken drückte sie gegen die Wand und das Kissen... sein Kissen drückte es fest gegen den mageren, schmalen Oberkörper, als wäre es ein Schutzschild. Oder eine Wärmequelle, denn die schmalen Glieder zitterten leicht und bei der Nässe, die noch immer in Haaren derzeit undefinierbarer Farbe und Kleidung festsaß, wäre es kein Wunder, wenn es kräftig fror. Die Kleidung war auch zerschlissen und besaß das ein oder andere flickenswerte Loch, schien aber ursprünglich einmal von guter Qualität gewesen zu sein und nette Farben besessen zu haben.
Am auffälligsten für ihn wäre aber das Gesicht, denn dieses war etwas, das ihm zu denken geben sollte. Da waren zum einen die Augen, von einer Farbe, die ihn an irgendetwas... nein, jemand erinnern wollten. Wenn er nur wüsste, an wen! Und auch das Gesicht, zwar noch sehr rundlich, da es sich um ein kleines Kind handelte, und dennoch schon mit einer Position der Wangenknochen versehen, die genauso an einer Erinnerung zogen. Ob es dabei um dieselbe ging? Oder zwei verschiedene? Wenn er nur etwas mehr Schlaf intus hätte, um sich jetzt, nachdem die Anspannung sich zu legen begann, darauf konzentrieren zu können!
Josa hingegen hatte weniger Berührungspunkte und sank in die Hocke, um sich auf Augenhöhe mit dem Mädchen begeben zu können. "Na du! Hast du dich verlaufen und bist vor dem schlimmen Wetter da draußen hier rein geflüchtet?", fragte sie sanft und lächelte mütterlich warm.
"Keine Angst. Der hinter mir..." Sie deutete zu dem Mann in ihrem Rücken, den das Kind mit scheinbar riesigen Augen anstarrte. "... ist ganz lieb, auch wenn er wie ein zu groß geratener Kobold aussieht. Hat dir denn sein Eintopf geschmeckt?"
Das lenkte ein wenig die Aufmerksamkeit auf sie, obwohl es recht zögerlich geschah. "Hast du denn noch Hunger, Liebes? Oder soll ich zuerst nachsehen, ob ich was Trockenes zum Anziehen für dich hab?" Zwar war die Kleine viel jünger als ihr Sohn, vielleicht vier... oder fünf Jahre alt, doch irgendwo würde sie schon was finden, damit sie sich nicht ernsthaft erkältete.
Das Kind blinzelte und sah an sich herab, als müsse es erst überlegen, was da gesagt worden war. Eventuell verstand sie die allgemeine Sprache auch nicht oder noch nicht gut genug?
Nach schieren Ewigkeiten sah sie wieder zu Josa und nickte zaghaft. "Um... umziehen...", erklang die helle, kindliche Stimme.
Die Schankmaid nickte und hielt ihr lächelnd die Hand hin. "Magst du selber gehen oder soll ich dich tragen? Wir müssen nämlich wieder rauf." Das Mädchen schien etwas blasser zu werden und drückte das Kissen fester, dass ein paar weitere Halme herauspurzelten.
Dann jedoch schien es sich einen Ruck zu geben und ließ es ganz zur Seite rutschen, um die Arme nach der netten Frau auszustrecken. Josa lächelte und obwohl sie ihren Sohn längst nicht mehr tragen musste, verlernt hatte sie das nicht und die Kraft hatte sie sowieso. Also nahm sie die Kleine hoch, die sich schutz- und wärmesuchend sofort an sie schmiegte. Auch schien es, dass mit einem Mal die Müdigkeit hochschoss, denn die Augen wurden immer schwerer.
Die Schankmaid indes setzte sie sich geschickt auf die Hüfte und streichelte mit der stützenden Hand leicht über den viel zu kühlen und nasse Rücken, während sie sich zu Drogan umdrehte. "Du räum auf, ich kümmere mich um sie.", bestimmte sie und würde ihn stehen lassen, sollte er sie nicht irgendwie zurück halten.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Mittwoch 7. September 2022, 19:54

Ein Riesentroll, der müde und matt durch das Unterholz stampfte oder ein Drache, dessen Schrei ganze Berge zum Beben bringen konnte, waren etwas das ein jeder Celcianer als laut und beängstigend beschreiben würde. Aber die als ironisch zu bezeichnende filigrane Art von Drogan's Versuchen sich lautlos zu bewegen offenbarte eine ganz eigene Art von Lautstärke. Denn je mehr dieser Mann, ein Manifest aus Fett und Muskeln, sich bemühte den Fuß sacht auf eine der alten Treppenstufen zu setzen, desto lauter schien das knorrige Holz aufzuschreien. Durch die absolute Stille im Innenbereich der Schenke war jeder seiner Schritte wie ein Donnergrollen. Dass er dabei jeden Fehltritt kommentierte half nicht nur nicht, sondern verschlimmerte Situation zusätzlich. „Robbenscheiße...! Feuerritze...! Donnernder Bauernschiss...!“, grummelte Barnabas vor sich hin und gab am Ende seine zum Scheitern verurteilten Diebeskünste auf. Es gab Gründe dafür, dass am Ende ein Kämpfer aus ihm wurde der mehr durch die Wand als an der Wand ging. In seiner Vergangenheit versuchte sich der Mann auch als Einbrecher in den reichen Wohnungen von Jorsan oder Grandessa. Doch bereits nach dem zweiten Versuch gab er das Unterfangen auf. Zum Einen missfiel ihm diese Form des Auskommens. Jemanden hinterrücks zu ermorden oder ihm seine Lebensgrundlage aus purer Gier zu nehmen war nicht seine Art. Jemanden offen und gegen Bezahlung zu töten oder ihm die Lebensgrundlage zu nehmen war viel angenehmer. Zumindest für seine Seele. Zum Anderen büßte Barnabas seinen zweiten Versuch mit einem zwei Wochen andauernden Besuch am Pranger. Keine Erfahrung die man wiederholen wollte. Zumal der Gewinn nicht mal für eine alte Zwiebel gereicht hatte.
Unten angekommen blickten die Augen durch die Schwärze des leeren Raumes. Nichts. Keine Bewegung in den Schatten oder ein verräterisches, feuchtes Glitzern auf dem Boden. Das Kerzenlicht konnte kaum gegen die Nacht ankämpfen. „Warte ...“, zischte Barnabas, als Josa ihrer Anspannung Luft machte und die Situation kommentierte. Manchmal war es hilfreich mit einer Aussage zu warten und lieber eine gewisse, drückende Atmosphäre für sich arbeiten zu lassen. Menschen machten Fehler, wenn sie sich in einer solchen Situation befanden und vielleicht würde auch ihr Eindringling einen falschen Schritt machen oder sich andersartig verraten. Lange passierte nichts, doch dann brach etwas die Stille. Selbst wenn es leise war und jemand versucht hatte es zu unterdrücken, so war der Nieser deutlich zu hören gewesen. Eigentlich war Drogan nicht gerade Schreckhaft, aber in diesem Moment zuckte sogar er zusammen. Vermutlich hatte sich der ungebetene Gast ein wenig verkühlt. Gut für die Angestellten des Hauses. Gerade als sich der Dessarier in Bewegung setzten wollten, drängt sich Josa an ihm vorbei und noch bevor er seine Hand heben konnte verschwand das junge Ding in den hinteren Bereich der Schenke. „Dummes Ding!“, dachte sich Drogan noch und versuchte zu ihr aufzuschließen. Am Ende passierte ihr noch etwas und dann musste er erklären, warum sich die Schankmaid mitten in der Nacht herumtrieb. Das alles nur für ein Kissen.
Als Barnabas sein kleines Reich betrat, wollte er nicht recht glauben, was er dort sah. Im Grunde hätte er damit gerechnet jetzt vor einer Bande, einem Monster oder zumindest einer vor Angst gelähmten Rothaarigen zu stehen, doch es kam ganz anders. Sie sah aus, als würde sie Michael eine Rüge erteilen oder mit einem stark betrunkenen Gast streiten. Diese Position kann der Koch zur Genüge. Ihre scharfen Augen waren fest auf etwas zu ihren Füßen gerichtet und damit auch er den scheinbar kleinen Gast zu Gesicht bekam, umrundet der Dessarier seine Arbeitsstelle. „Bist du irre? Rennst einfach drauf los und weißt nicht mal was hier auf dich wartet, du hättest ...“, stoppte er seine Tirade und merkte nicht, wie ihm langsam aber sicher der Mund offen stand. Ein Kind. Dort, mitten in seiner Küche, in einer stürmischen Nacht, stand ein Kind und schien neben einer triefenden Nase auch noch platschnasse Kleidung am Leib zu tragen. Diese Überraschung war gelungen. Nachdem der erste Schrecken verflogen und der Geist die Situation erfassen konnte, wurde ihm der Zustand des 'Besuchers' bewusst. Der Stoff am Leib der Kleinen war kaum mehr als Flickwerk zu bezeichnen. Dreckig und zerschlissen, wenngleich es kein Leinen waren oder zumindest nicht von den örtlichen Bauern getragen wurden. Drogan war kein Experte für Stoffe. Dennoch, das Wetter hatte dem nächtlichen Eindringling übel mitgespielt und die Kälte das übrige getan. Das kleine Mädchen sah so elend aus, dass er sogar davon absah sein Kissen zurückzuverlangen. Zumal das in diesem Moment etwas zu kindisch gewirkt hätte. Da seine massige Gestalt nichts mit dem sanften und zärtlichen Äußeren der Schankmaid gemein hatte, sorgte der lautstarke Auftritt für einen kräftigen Schreck bei dem Kind.
Barnabas war kein Freund von Heranwachsenden. Das war weniger eine Abscheu als ein unangenehmes Gefühl in deren Nähe. Und das beruhte auf Gegenseitigkeit. Zumindest gefühlt. Seitdem sein Gesicht aussah wie eine kreative Zusammenstellung von Schnittunfällen verstärkte sich die negative Wirkung auf andere Menschen. Auch jetzt waren es nur wenige scheue Blick an dem roten Haarschopf seiner Kollegin vorbei. Doch der Moment, in dem sich die Blicke des Kindes und des Mannes trafen, war etwas Besonderes. Besonders im Sinne von seltsam. Diese Augen hatten etwas Vertrautes und sogar das Gesicht wirkte nicht fremd. Doch Drogan war sich sicher, dass er das kleine Ding noch nie zuvor gesehen hatte. Zumindest war es unwahrscheinlich. Aber sein Kopf war von der Müdigkeit immer noch angefressen und nicht in der Lage hierbei Zusammenhänge zu erstellen.
Drogan wurde erst wieder aufmerksam, als Josa in als 'lieb' vorstellte. Es war ein seltsames Gefühl von jemanden so betitelt zu werden. Wenn die junge Frau etwas von seiner Vergangenheit wissen würde, wäre so eine Beschreibung sicherlich nie gefallen. Natürlich war er gesellig und lachte viel. Und von Zeit zu Zeit brachte er es sogar fertig jemanden einen Gefallen zu tun. Sogar verrückten Geschichtenzählern. Aber dennoch war der Dessarier nicht lieb. Sein Schwert brachte Kindern, Frauen und Alten den Tod. Er sah die blutigen, zerfetzten Fratzen immer noch in der Nacht vor seinen Augen. Stumme Schreie in der Dunkelheit. Etwas wie Reue kannte Drogan dabei nicht, aber er trug die Erinnerungen daran mit sich herum. Im Auftrag von reichen Männern und Frauen brannte er Dörfer nieder oder transportierte Gefangene für Dunkelelfen oder dergleichen. Lieb war das nicht. Daher blieb auch ein Lächeln aus und Barnabas starrte in das rundliche Gesicht hinter seinem Kissen. „Hoffe der war nicht zu stark.“, kommentierte er trocken, als Josa nach dem Geschmack des Eintopfs fragte. Vielleicht wäre es gut, mehr zu machen, aber es war spät und bis alles bereit war für eine warme Mahlzeit, wäre die Sonne schon wieder aufgegangen. Die mütterlichen Fähigkeiten Josa waren hier von großer Hilfe, denn irgendwie schaffte sie es, dass das Kind sprach und zustimmte, die Kleidung zu wechseln. Barnabas betrachtete das Schauspiel wenig interessiert, wenngleich das Aussehen des Kindes immer noch etwas in ihm ansprach und je länger er versuchte diesen Gedanken zu greifen, desto mehr verschwamm dieser. Es war zum verrückt werden. Trotzdem war das spontane Verhältnis zwischen der Schankmaid und dem Mädchen beeindruckend. Es gab dralle Huren die mehr Überzeugungsarbeit bei einsamen Matrosen leisten mussten. Mehr als nur ein Beweis dafür, dass Mutter zu sein ein Handwerk war wie jedes andere. Als das nasse Kissen auf den Boden platschte, hievte Josa die Kleine bereits nach oben und gab Anweisungen. Dieses Mal widersprach Drogan nicht. Vor allem da es ihm Recht war, dass Josa sich um das Kind kümmerte und ihn dabei außen vor ließ. Vermutlich wäre ihm bei seinem Talent eingefallen, dass Mädchen am Fuß gepackt über ein Feuer zu halten, um es zu trocknen. Oder so etwas in der Art. „Sicher. Sorge du dafür, dass es trocknet und nicht noch mehr Inventar zerschlägt.“, sagte Drogan trocken und besorgte sich ein Tuch, um die nasse Stelle zu säubern, an der das Mädchen zusammengekauert gehockt hatte. Josa war gerade verschwunden, dass fiel ihm noch etwas ein. Leider war es zu spät und seine Hand streckte sich in den leeren Raum aus. Etwas stimmte nicht und Barnabas wusste nicht genau was es war. Eine Art ungutes Gefühl. Vielleicht auch nur die Frage, was das Kind hier alleine tat. Woher kam es? Wo waren die Eltern? Und warum lief es so spät noch hier herum, ohne dass jemanden aufgefallen war, dass es das tat? Am Ende schob es der Mann auf die fortgeschrittene Nacht und am Ende würde sich dieses ganzes verrückte Spiel am nächsten Morgen aufklären. So hoffte er es zumindest und machte sich daran, sein Kissen aufzusammen und die Halme zu retten, die noch zu finden waren.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 8. September 2022, 09:40

Während die junge Frau ihm folgte, konnte auch sie nicht umhin festzustellen, dass er vieles sein mochte, doch leise gehörte definitiv nicht dazu. "Wenn du schon trampelst wie ein Ochse, hör auf zu grummeln.", zischte sie in seinem Rücken. Zwar hatte sie seine Worte nicht verstehen können, allerdings bedurfte es wenig Phantasie, um sie nicht als Flüche zu interpretieren.
Schließlich erreichten sie den Schankraum und fanden... nichts, absolut gar nichts. Hier also steckte kein Übeltäter. Nein, dieser hatte sich wo anders hingeflüchtet und das übernatürlich laut klingende, unterdrückte Niesen sorgte dafür, dass das Wesen sich selbst verriet. Zugleich ließ es bei Josa gewisse Saiten anklingen, sodass sie die Angst verlor und prompt voraus huschte, um als erste nachsehen zu können. Nicht auszudenken, wie es dem kleinen Persönchen gegangen wäre, wenn Barnabas es zuerst gefunden hätte!
So meldeten sich ihre Mutterinstinkte sofort, als sie das arme, kleine Ding so vor sich sah und für sie stand sofort fest, dass sie sich darum kümmern würde. Zumindest solange und soweit, wie sie es vermochte.
Der Koch jedoch polterte heran und sorgte dafür, dass das Mädchen sich noch kleiner zu machen versuchte. Was dazu führte, dass die Schankmaid ihm einen bösen Blick zusandte. "Jetzt brüll hier nicht so rum! Du machst ihr noch Angst!", schalt sie ihn, ehe sie sich wieder ganz dem Kind zuwandte.
Es war durchnässt, halb durchfroren und sicherlich müde um diese Uhrzeit. Außerdem schien sie allein zu sein und war dennoch gewieft genug gewesen, sich heimlich eine Schüssel mit Essen zu stibitzen. Von dem Kissen und dem Versuch, es sich in ihrem Bett gemütlich zu machen, ganz zu schweigen. Aber immerhin, Josa gelang es durch gutes, sanftes Zureden, ein bisschen etwas von der Furcht abzumildern, und mit ihrer lebendigen Last auf der Hüfte wandte sie sich noch einmal Barnabas, um ihm die letzten Anweisungen zu geben.
Dann machte sie sich daran, die Küche zu verlassen, und merkte, wie das Mädchen in ihrem Arm immer schwerer wurde. Noch ehe sie die Stufen erreicht hatte, war das arme, kleine Ding auch schon eingeschlafen. Das würde das Umziehen zwar schwieriger machen, doch es wäre trotzdem nichts, das sie nicht bewältigen würde, ehe sie selbst endlich ins Bett gehen könnte.

Der Koch indes blieb in seiner Küche und war wieder mal allein auf sich gestellt. Viel war sowieso nicht zu tun und so konnte auch er wenig später wieder nach oben stapfen, um endlich, endlich seinen wohlverdienten Nachtschlaf zu bekommen.

Dieser war auch ungestört, sodass er früh am Morgen ausgeruht aufstehen konnte. Wobei... kaum war er soweit, dass er seine Beine aus dem Bett schwingen und sich in den Stand hieven konnte, trat er auf etwas. Merkwürdig... das war in der Nacht gar nicht im Weg gelegen oder ihm sonst irgendwie aufgefallen.
Jetzt hingegen war da eine Stoffpuppe aus einem graugelben Material mit ein paar braunschwarzen Wollfäden als Haare und zwei verschieden farbigen Köpfen als Augen. Nasenlöcher und Mund waren aufgemalt und als Kleidung hatte sie ein blaugrün gestreiftes Kleidchen an. Es war eindeutig schon älter und abgegriffen, aber nirgends kaputt.
Seltsam... an irgendetwas erinnerte ihn dieser Anblick... Doch auch jetzt, nach ein paar Stunden halbwegs erholsamen Schlaf, war das Denken bei weitem nicht so einfach, wie es sein sollte. Außerdem waren Erinnerungen trickreich, sie entzogen sich am liebsten dann am erfolgreichsten, wenn man sie bewusst greifen wollte. Nun... es würde ihm schon noch einfallen.
Und bis dahin würde es hoffentlich keine Katastrophe geben. Na ja, wenigstens keine weitere. Sah man davon ab, dass er nach seiner morgendlichen Routine im Schankraum von einem breit grinsenden Barnor empfangen wurde.
"Na, Geisterjagd beendet?", spöttelte der Wirt und machte damit deutlich, dass Josa bereits auf den Beinen war und ihm wohl so einiges erzählt hatte.
Michael war ebenfalls schon munter und kehrte träge in einer Ecke den Boden, sichtlich damit ringend, weder beleidigt zu sein, noch im Stehen wieder einzuschlafen. Nur von Josa und der Kleinen war nichts zu sehen.
Moment! Schepperte es da etwa in der Küche, in seinem Reich?
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Montag 12. September 2022, 21:53

Die Augen fest geschlossen genoss Barnabas die wohlige Wärme seines Bettes. Die Kälte der Nacht wurde von den Leinen vertrieben und in grenzenlos wirkender Entspannung wickelte sich der massive Körper des Mannes weiter in den groben Stoff hinein. Schweißperlen traten auf seine Stirn. Das Treiben im Traum abseits der weltlichen Zwänge und Herausforderungen. Er hatte das wenige an Schlaf, das ihm geblieben war, dringend nötig. Es sollte nur noch einen kurzen Moment andauern. Er würde es noch aushalten. Langsam wurde die Temperatur unangenehm und die Decke schwer. Mit aller Kraft versuchte Drogan sich aus der Umklammerung zu befreien, doch seine Stärke reichte nicht aus. Jemand rief seinen Namen. Weit in der Ferne der Dunkelheit. Er versuchte zu antworten, doch in seinem Rachen wurden die Worte von einem kratzigen, trockenen Gefühl am Weiterkommen gehindert. Beißender Gestank stieg ihm in die Nase und machte das Atmen schwer. Die Stimme wurde lauter, fordernder und immer größer wurde Drogans Wunsch zu leben, sich aus seiner Gefangenschaft zu befreien. Alles was er tun musste war zu antworten. „Hier!“, brüllte seine tiefe, raue Stimme durch die schwärende Luft. Die Augen öffneten sich schlagartig und der Dessarier fand sich umgeben von Flammen in den Ruinen eines Dorfes. Kniend, auf sein Schwert gestützt ruhten die brauen Augen auf den zerfetzten Körpern zweier Kinder. Darunter der Leichnam ihrer Mutter. Drogan erkannte den vor Schrecken und Angst weit geöffneten Mund, zu einer Fratze des Todes entstellt. Einen Tod den er gebracht hatte. Das von der Hitze des Feuers geronnene Blut vermischte sich mit dem vom Regen aufgeweichten, schlammigen Boden. Jemand legte ihm die Haut auf die Schulter. Das vernarbte Gesicht des Söldners wandte sich um und dort stand eine rothaarige, junge Frau mit grünen Augen voller Verachtung. Drogan konnte diesem Blick nicht standhalten und wollte weiter das Werk seines Schwertes betrachten. Gerade als er sich wieder umwandte, packte die kalte, tote Hand der Mutter seine Kehle fest, starrte ihn an. „Mörder, du wirst brennen. Schlächter, deine Seele wird zerrissen. Dämonenbalg, kein Herz in der Brust!“ Langsam schälte sich die Haut vom Körper der Toten, während dieser im Erdboden versank. Dabei wiederholten sich die Worte, schwollen an und wurden einem Schrei gleich. Drogan versuchte sich zu wehren, doch wurde er immer mehr hinunter gezogen. Das brackige Regenwasser stieg in seine Nase und drohte ihn zu ertränken. Im letzten Moment schreckte der Mann aus dem Schlaf und richtete sich sofort auf. Kalter Schweiß rann an seinem gesamten Körper hinab und es dauerte einige Minuten, bis sich der Mann bewusst war, dass alles nur einer von vielen Alpträumen war. „Keine nächtlichen Ausflüge mehr.“, fasste Drogan das nächtliche Erlebnis zusammen. Die morgendliche Sonne drang in das kleine Fenster seiner Kammer. Das Licht schmerzte in den Augen. Noch von Müdigkeit beherrscht rieben die breiten Hände des Mannes über das Gesicht. „Ein neuer Tag, eine neue Aufgabe. Los geht’s, Drogan. Treiben wir die dummen Gedanken aus deinem Schädel.“, mit dieser Motivation klatschte er sich mit den Händen gegen die jeweilige Wange. Schwungvoll stieg der Koch aus dem Bett und wusch sich grob mit dem Wasser aus dem Eimer in der Ecke. Um wirklich jeden Rest der Nacht zu vertreiben, steckte er den Kopf in das Behältnis und schüttelte das Wasser danach einfach ab. Ein tiefes, langgezogenes Ächzen bewies seine Bereitschaft den Tag zu beginnen. Nachdem der Mann sich angezogen hatte, stieg er die Treppe hinunter und wurde direkt von einem, in seinen Augen, dummen Kommentar begrüßt. Scheinbar hatte Josa keine Zeit vergeudet, jedem der es hören wollte, von dem nächtlichen Abendteuer erzählt hatte. „Ja, ich sollte das nächste Mal vielleicht den Schreck in einem deiner Bierfässer ertränken. Ich werde mir kurz etwas aus der Küche holen und dann zum Tischler gehen. Je früher wir das Problem angehen, desto besser.“, kommentierte Drogan und winkte Michael beim Vorbeigehen zu. Der Junge sah sehr enttäuscht aus und grüßte nur halbherzig. Scheinbar nahm er es übel, dass man ihn nicht geweckt hatte. Allerdings musste man fair sein und sagen, dass nichts und niemand diesen Kerl hätte wecken können. Doch etwas lenkte seine Aufmerksamkeit auf die Küche. Jemand machte sich darin zu schaffen und so etwas fand der Koch gar nicht gut. Es gab nicht viel, dass ihn provozieren konnte, aber wenn jemand die Ordnung in seinem Reich in Gefahr brachte, war es möglich. Schnell bog Barnabas um die Ecke, bereit, jedem eine Standpauke zu halten, der die goldene Regel brach.

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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Erzähler » Freitag 16. September 2022, 14:04

Es hätte eigentlich eine erholsame Nacht nach einem erfolgreichen Tagewerk werden sollen. Doch hatte zuvor ein kleines Gespenst in Form eines triefnassen, einsamen Mädchens sein Unwesen in der Schenke getrieben, so waren es nun in seinem Schlaf Erinnerungen, die ihn in einer Mischung aus Realität und Phantasie quälten. Nicht, dass es das erste Mal gewesen wäre, nein, inzwischen hatte er sich mehr oder weniger daran gewöhnt... oder eher gewöhnen müssen.
Hilfreich wäre es allerdings gewesen, wenn seine Seele eine andere Tür in die Vergangenheit geöffnet hätte, um ihm wenigstens einen Hinweis darauf zu geben, warum ihm sowohl die Augen, als auch die sich langsam abzeichnende Gesichtsform bekannt vorgekommen waren. Doch natürlich tat sein Inneres nicht das, was er gewollt hätte.
Stattdessen litt er und wachte gerädert sowie schweißgebadet in der Früh auf, um festzustellen, dass die verkürzte Nachtruhe zu mehr Rückenschmerzen denn Erholung geführt hatte. Nun ja, sei's drum, ändern konnte er es nicht und musste damit eben zurecht kommen.
Immerhin, das Unwetter hatte sich verzogen, die Sonne blinzelte durch die letzten Wolkenreste und die Luft war frisch und duftend von dem nächtlichen Regen. Vögel zwitscherten ihre Liedchen in der friedlichen Idylle, wie um ihm unter die Nase zu reiben, dass sie viel besser geruht hatten als er. Könnte er die Sprache der Tiere, würde er wahrscheinlich verstehen, was sie da vor sich hinträllerten und wie sie ihn verspotteten. Ach nein, das war sicherlich nichts weiter als Einbildung und seiner schlechten Laune zu zuschreiben. Und dennoch... Dieser Gesang trug im Moment nichts dazu bei, um seine Laune zu heben.
Stattdessen stand er auf und trat erstaunlicherweise nicht auf die Puppe, die da vor seinem Bett liegen gelassen wurde und die er bislang nicht bemerkt hatte. Daran änderte sich auch nichts, als er zu seiner rudimentären Morgentoilette überging. Nach einem kurzen, kräftigen Kälteschauer, den er sich selbst verspasste, indem er den Kopf ins kalte Wasser steckte, war er wach genug, um seinen Arbeitstag zu beginnen.
Als er nach unten kam, wurde er auf eine Art begrüßt, die seine kurzzeitig erholte Laune wieder in die Tiefe trieb. Josa, natürlich, dieses alte Klatschweib!
Barnor hatte sichtlich besser geschlafen oder wusste es erfolgreicher zu überspielen, sodass er seinen Koch breit angrinste. Mahnend hob er einen Zeigefinger bei der Erwiderung. "Untersteh dich, unseren Gästen Bier mit Schreckgespenst zu servieren, das ist schlecht für's Geschäft!", frotzelte er.
Dann allerdings nickte er und wurde wieder ernst. "Tu das. Aber frag Josa davor noch, ob sie auch was braucht. Kann sein, dass die Achse unseres Karrens ausgetauscht werden muss, das weiß sie aber besser. Und frag auch nach Holz für neue Fässer. Ein paar müssen repariert werden, zwei sind vermutlich ganz hinüber und übermorgen kommt der Fritz."
Der Fassbinder, natürlich! Oh, das würde ein feucht-fröhlicher Abend werden, mehr noch als sonst! Wie Thorik war auch Fritz jemand, der gut und gerne Geschichten erzählte, nur nahm er dabei stets sich selbst aufs Korn und hatte niemals den Anspruch darauf erhoben, auch nur ein Fünkchen Wahrheit von sich zu geben. Wobei aufmerksame Zuhörer diese Körnchen durchaus heraushören konnten, wenn sie es denn wollten. Jedenfalls ein angenehmer Geselle, der auch Barnabas' Küche zu schätzen wusste.
So sehr, dass Barnor mitunter mit gefüllten Schüsseln einen Teilbetrag bezahlen konnte. Das bedeutete jedoch ebenso, dass er noch seine Vorräte aufstocken sollte, um einen möglichst guten, sättigenden Eintopf zu machen. Je schneller Fritz, der Fassbinder und selbst beim Essen wie ein Fass ohne Boden, satt wäre, desto mehr würde für die übrigen Gäste bleiben.
Also wandte der Koch sich ab, grüßte den missmutigen Sohn der Schankmaid... und musste hören, dass sich jemand in seinem Reich unerlaubt zu schaffen machte. Wehe, es war wieder dieses Balg von der Nacht!
Flugs nahm er den Weg in die Küche und fand dort... Josa vor! Sie suchte in seinen Vorräten herum und achtete dabei weder auf seine Ordnung, sofern er überhaupt ein System darin hatte, noch darauf, ob der ein oder andere Topf oder sonstiges Geschirr aneinanderstießen. Wobei man ihr zugute halten musste, dass sie früher hier gewirtschaftet hatte, ehe er diesen Posten übernommen hatte, und auch trotz allem vorsichtig genug war, um nichts kaputt zu machen.
Noch bevor er eine Bemerkung machen konnte, hatte sie ihn entdeckt. Ganz so, als hätte dieses Weib einen Sinn dafür, wenn sie angestarrt wurde! "Ah, auch endlich wieder unter den Lebenden? Du schnarchst so laut, dass ich kein Auge zubekommen habe! Wenn du so weiter sägst, haben wir hier bald keinen einzigen Baum mehr.", schimpfte sie gleich gutmütig mit ihm los, als hätte sie nur darauf gewartet, ihn an diesem Morgen zu sehen.
Tatsächlich wirkte sie etwas blässlich um die Nase und die Haut unter ihren Augen war etwas dunkler als sonst, betonte damit zugleich die vereinzelten Sommersprossen auf ihren Wangen. Ansonsten jedoch sah sie aus wie immer, Haare zusammen gebunden, Kleidung wie sichtbare Hautpartien sauber.
"Jetzt steh hier nicht so rum und halt Maulaffen feil, hilf mir lieber! Wo hast du den Hafer versteckt? Oder hast du Gries? Hast du irgendwo noch ein paar Äpfel oder Birnen oder sonstiges Obst? Bei Florencia, du hast hier das reinste Chaos!", warf sie ihm kopfschüttelnd vor und seufzte tief. "Und wenn du damit fertig bist, im Hof steht die Kanne mit der frischen Milch, die Greta uns schon geliefert hat. Die brauch ich auch! Ach ja, das Feuer im Herd braucht ein paar Scheite, sonst geht's mir aus, bevor ich fertig bin."
Sie drehte sich von ihm weg und inspizierte ein anderes Regal. Dabei beugte sie sich so vor, dass er einen äußerst einladenden Blick auf ihr Hinterteil bekam, über das der braune Rock fiel und erkennen ließ, welch schöne Form sich darunter verbergen mochte. Wie geschaffen für zwei kräftig zupackende Männerhände!
"So, wo ist denn das jetzt nun wieder? Das gibt's ja nicht, wo hat der Kerl jetzt auch noch den Honig versteckt?!", murmelte sie und schien ihren Betrachter schon wieder vergessen zu haben.
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Re: Der Innenraum der Schenke

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Sonntag 18. September 2022, 21:58

Natürlich. Es wäre wenig praktisch einen so ausschweifenden Weg in Richtung Waldrand zu wagen, ohne dabei eine Liste aller notwendigen Besorgungen mit sich zu führen. Jeder in der Schenke war vollkommen mit seinem Tagwerk beschäftigt und hatte selten Zeit zweimal die Woche denselben Botengang zu beschreiten. Zudem hatte Barnor recht und die Achse des Karrens musste früher oder später zwangsläufig ausgetauscht werden. Da der wöchentliche Einkauf meist reichlich und daher nicht von einer Person allein zu bewältigen war, nutzte man das Gefährt, um den Transport überhaupt möglich zu machen. Dies gehörte zu den Aufgaben von Josa und Michael. Daher war es logisch die Schankmaid zu befragen und Barnabas glaubte sich daran erinnern zu können, dass sich die junge Frau vor einigen Tagen über ein starkes Wackeln und seltsames Knacken beschwert hatte. Die Pfade im Dorf waren nicht von bester Qualität. Warum auch? Hier gab es keine mächtigen Handelskarawanen oder königliche Eskorten. Für die Bauern und deren Familien genügte der aktuelle Zustand vollkommen aus. Noch in Gedanken erinnerte der Besitzer der Schenke seinen Koch, dass in zwei Tagen der Fassbauer Fritz anreisen würde. Diese Information zauberte ein Lächeln in das sonst recht spröde Gesicht des breiten Mannes. Dieser Besuch war immer ein Grund der Freude und ein Garant für einen ausgelassenen Abend. Stets tranken die drei Männer zusammen und genossen das gute Essen. Drogan dachte sich immer etwas besonderes aus, wenn dieser spezielle Besuch ins Haus stand. Vielleicht genoss er das Lob und die Anerkennung des Kerls, wäre aber zu stolz dies zuzugeben. Allein das Wissen um dessen Ankunft, regte die kulinarische Kreativität des Dessariers an. „Vielleicht sollte ich versuch etwas Wild einzukochen. Ich könnte es aus dem Heimweg besorgen und einen Tag in Milch und Kräutern einlegen. Eine gute Idee. Dazu vielleicht einige wilde Pilze in einer Bratensoße und Kartoffeln. “, sprudelte es in seinem Verstand hin und her. Es dauerte einige Minuten und erst das störende Geräusch aus der Küche brachte Drogan wieder zurück in die Realität.
„Entschuldige, Barnor, ich muss …“, nuschelte der Koch und drückte sich in die Küche. Die Schritte waren forsch und sollten auf keinen Fall überhört werden. Es ging ihm hier nicht um Heimlichkeit, sondern darum ein Zeichen zu setzen. Ihm wollte niemand einfallen, der sich so über seine Richtlinien hinwegsetzen würde. Die Bodendielen knarzten unter seinem Gewicht, als er sich breitbeinig am Eingang der Küche aufbaute und darauf achten musste, dass seine Kinnlade nicht herabfiel als er Josa mit dem Rücken zu ihm gewandt vorfand. Sich an den Regalen zu schaffen machend. Im Nachhinein war ihre Anwesenheit hier nicht so überraschend. Das war dem Charakter der jungen Frau zu verschulden. Barnabas konnte gerade noch seine entgleisten Züge wieder begradigen, als sich die feuerhaarige Bedienung bemerkbar machte und bewies, dass sein Erscheinen durchaus nicht unbemerkt geblieben war. Im ersten Moment konnte sein Verstand ihre Tirade nicht ganz begreifen, dann erst begann sein Hirn zu arbeiten. „Das ist kein Chaos. Gries und Hafer? Was ist denn mit dir los?! Sind dir endlich die Zähne ausgefallen, du Hexe, oder warum willst du das Zeug? Aber falls du Äpfel suchst, musst du einmal in dem Fass dort auf dem Regal nachsehen. Es dürfte nicht mehr allzu voll sein, aber ein oder zwei werden dir doch wohl reichen.“, frotzelte der breite Mann, stemmte die Fäuste in die Seite und betrachtete ihren Irrweg durch seine Küche. „Mein lieber Herr Minenvorstand, dass kann sich doch niemand mitansehen.“ Er nahm vier oder fünf große Schritte und packte Josa an der Hüfte, als sie sich nach unten beugte. Allerdings war seine Absicht nicht von lüsterner Natur, sondern einfach nur der Wunsch wieder der Herr dieser Gefilde zu werden. Wenngleich Josa früher hier regiert hatte, so war ihre Zeit seit beinahe einem Jahr vorbei. Dies musste ihr wieder auf sanfte Weise eingebläut werden. Drogan bugsierte sie zur Seite und deutete auf einen Wandschrank an der oberen linken Seite des Raumes. „Dort ist der Honig. Sei sparsam damit. Es ist der letzte Rest. Jetzt erzähl mal: Ich mache immer das Frühstück für das Haus. Warum bist du so erpicht darauf? Sag bloß, dass ist wegen der kleinen Kröte die hier des Nachts reingesprungen ist?“, spöttelte er und musste kurz auflachen. Ihm missfiel der Gedanke, dass sich das kleine Ding wieder in der Nähe rumtrieb. Das ihr Äußeres eine solche Wirkung auf ihn hatte, war auf der einen Seite unheimlich und ungewohnt. „Sie ist nicht hier, oder?“, misstrauisch ließ Drogan den Blick schweifen, aber konnte das Mädchen im Moment nicht erspähen. Dennoch überwand er die anfängliche Frustration. „Ich habe noch einen kleinen Sack Hafer in meinem Zimmer. Für Notfälle. Ich denke, dass hier zählt als ein solcher. Hol‘ du den Honig. Ich besorge auf dem Weg noch die Milch. Das Holzscheit kannst du selbst nachwerfen. Aber nicht mehr als einer, der sollte reichen. Sonst brennt dir noch etwas an.“ Sein Zeigefinger hob sich langsam, während Drogan die Augen krampfhaft zusammendrückte, um die Worte weise zu wählen. „Und Josa. Das nächste Mal frag‘ mich einfach und wirbele hier nicht einfach so rum.“ Mit diesen Worten verschwand der Koch nach draußen und schüttelte dabei mit dem Kopf. Barnor hatte das Gespräch sicherlich mitbekommen und blickte seinen Angestellten fragend ab. Vielleicht wollte der alte Schnauzbart etwas erfahren, aber Barnabas war jetzt nicht danach die kleinen Dispute zwischen sich und Josa breitzutreten. Zumal das die junge Frau viel besser konnte und viel lieber machte. Während die breiten Füße die kleinen Häufchen umrundete, welche Michael zusammengekehrte, betrachtete deren Besitzer den Rest der Schenke. Bei Tageslicht wirkte der gesamte Ort eher wie eine sehr unordentliche Jagdstube. Der Kamin musste auch noch ausgekehrt werden. „Viel zu tun.“, war sein abschließender Gedanke, als er durch die Tür nach Draußen trat.
Trotz der frühen Morgenstunden waren bereits viele Bewohner unterwegs. Hier und da hoben sich Hände und auch Barnabas musste einige Grüße loswerden. Der Regen der vergangenen Nacht hatte den Boden aufweicht und die tiefen Wagenspuren verrieten die Schwierigkeit mit denen die Passanten zu kämpfen hatten. Sogar die Spuren von Greta waren zu sehen, tief und breit. Sie führten zur eisernen Milchkanne auf dem kleinen Vorhof der Taverne. Hier konnten Reisende ihre Pferde oder Wagen abstellen. Mit einem ächzenden Schmatzen versank Drogans erster Schritt tief im Erdboden. Es war eine Tortur, für die noch nicht ganz wachen Beine und dennoch erreichte der Mann sein Ziel. Mit einer Hand packte er den Henkel der Kanne und bugsierte diese durch den Fronteingang in die Küche. Bevor Josa etwas sagen konnte, machte er wieder kehrt und stieg die Treppe nach oben. Drogan öffnete die Tür zu seinem Zimmer und griff sich den Sack Hafer aus seiner Truhe am Bett. Gerade als er wieder gehen wollte, stolperte der Koch über etwas am Boden. Mit einem für ihn außergewöhnlichen Manöver konnte sich Drogan am Tisch festhalten und musste tief durchatmen. „Was war das, verdammt?!“, fluchte er und sah sich um. Seine Augen erfassten eine seltsame, kleine Puppe am Boden und nicht einmal der Koch musste lange darüber nachdenken, wer das Ding dort gelassen hatte. Mit dem einzigen Unterschied, dass das Ding gestern Abend noch nicht da lang. Zumindest nahm er das an. Es war dunkel und er müde. Trotzdem machte sich eine Art Wut in ihm breit. Grunzend hievte sich Barnabas hoch und griff sich das Kinderspielzeug mit der freien Hand. Polternd stieg er die Treppe herunter und nahm dabei zwei Stufen mit mal. Er rauschte an Barnor vorbei und war den Sack auf eine Ablage in der Nähe. Jetzt trat der Dessarier auf Josa zu und hielt ihr die Puppe unter die Nase. „Das hier sollte wohl deine kleine Bekanntschaft wieder zurückbekommen. Sag ihr, dass mein Zimmer gesperrt ist – Schlimmer als ein Hund. Wo ist das Mädchen eigentlich?“

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