Gestrandet in Andunie

Die größte Handelsstadt Celcias besitzt auch den größten Hafen. Es liegen immer ein paar Handelsschiffe vor Anker und überall wimmelt es von Matrosen oder Fischern. Wer hier auf einem Schiff anheuern will, hat eine große Auswahl.
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Gestrandet in Andunie

Beitrag von Dastan » Mittwoch 19. Juni 2019, 16:22

Die kleine Hafentaverne, in der Dastan sich aufhielt, war nur spärlich beleuchtet. Das wenige Licht welches den Raum erhellte, wurde von den Wandlaternen und einigen Kerzenstummeln, die vereinzelt auf den Tischen standen, ausgestrahlt. Dünne Rauchwolken waberten durch die ohnehin schon schlechte Luft und verursachten ein Kratzen in seinem Hals. Fenster hatte die schäbige Kaschemme keine. Das Bier dass in einem schmutzigen Glas vor ihm stand, hatte der Wüstenmensch bisher noch nicht angerührt. Alles in allem war das hier einer dieser Orte, an denen Dastan sich absolut wohl fühlte. Diese düsteren Kneipen, in welche hauptsächlich zwielichtige Leute eingingen, waren so etwas wie seine zweite Heimat geworden. Viele Gäste waren nicht mehr da, dafür war es inzwischen schon zu spät. Tatsächlich saßen die meisten anderen Besucher am selben Tisch wie er, vier Stück an der Zahl, Hafenarbeiter und Seemänner. Im Augenblick herrschte Stille und alle Augen waren auf den Sarmaer gerichtet, aber Dastan wirkte völlig gelassen. „Du hast lange genug gemischt, Zauberknilch. Teil endlich aus!“ Die knurrende Stimme des Dockarbeiters wirkte gereizt, aber das mochte daran liegen, dass er kaum noch Füchse vor sich liegen hatte. Dastan lächelte innerlich. Für ihn war dieses 'kleine Kartenspiel unter Freunden' eine Möglichkeit, seine ohnehin schon magere Reisekasse wieder ein wenig aufzufüllen. Es war lange her, dass er mit Karten jemanden über den Tisch gezogen hatte, aber Bettler durften nicht wählerisch sein.

Ein großer Haufen Kupfermünzen lag neben seinem Bierglas. Nur ein anderer Spieler hatte noch ähnlich viel Geld und es würde am Ende wohl auf ein Duell zwischen den beiden hinauslaufen. An dessen Ausgang hatte er keine zweifel. Als er endlich damit anfing, die Karten auszuteilen, erhielt er ein zufriedenes Grunzen von dem ungeduldigen Gegenspieler. Nachdem er den restlichen Stapel beiseite gelegt hatte, nahm er gemächlich eine Karte nach der anderen auf. Sein Blatt war gut, nicht unschlagbar, aber definitiv nicht schlecht. Natürlich hatte er schon vorher gewusst, welche Karten er sich selbst ausgeteilt hatte. Es war ein wirklich einfacher Kartentrick, es kam nur auf die Ausführung an. „Meine Herren, es wird spät. Wie wäre es, wenn wir unsere Partie diese Runde beenden? Alles oder nichts, der Sieger erhält den Pott?“ Seine Mitspieler überlegten einen Moment, dann stimmte einer nach dem anderen der Idee zu. Alle Münzen wurden in die Mitte des Tischs geschoben, dann legte jeder sein Blatt vor sich. Dastans Blick wanderte den Tisch entlang. Auch seine Gegner hatten keine schlechten Hände, aber seine war besser, besser, besser … Er schluckte. Der Matrose zu seiner linken, ein muskulöser Kerl, der bis jetzt zweiter gewesen war, hatte ein breites Grinsen im Gesicht. Kein Wunder, schließlich hatte er die beste Kartenkombination die es gab vor sich liegen. „Muahaha,“ lachte er dröhnend und zog die Münzen mit beiden Armen zu sich heran. „Tja Jungs, Pech gehabt!“ Murrend und nicht sehr nette Dinge murmelnd, stand einer nach dem anderen auf, während der Sieger seinen Preis zu kleinen Türmchen stapelte. „Wenigstens hat nicht der Zauberknilch gewonnen,“ knurrte der Ungeduldige, während er sich seine Mütze aufsetzte und die Kneipe verließ.

Nur Dastan saß noch am Tisch, ein wenig in sich zusammengesackt und mit einem ausdruckslosen, starren Gesicht, den Blick auf seine Karten gerichtet. Erst als der siegreiche Seemann ihm aufmunternd auf den Rücken klopfte, schlich sich wieder ein Lächeln auf sein Gesicht. „Ein sehr schönes Spiel,“ meinte er gutgelaunt, während er damit anfing, seine Karten einsammelte. Der Matrose drehte währenddessen eine Kupfermünze zwischen den Fingern. „Das es wirklich einen Zauber gibt, mit dem man Glück erschaffen kann … unglaublich. Damit könntest du unglaublich Reich werden!“ Es fiel Dastan schwer, sich das Lachen zu verkneifen. Dieser 'Zauber' war nichts anderes als ein gezinktes Kartenspiel und einige kleine Falschspieler-Tricks. „Aber wer spielt schon mit jemandem, der immer gewinnt?“ fragte er rhetorisch und verstaute die Karten in der Innentasche seines Gewandes. Der Matrose, der etwas schwerfällig wirkte, nickte nur langsam und schob dann die Hälfte des Geldes zu dem angeblichen Magier rüber. Zufrieden füllte Dastan seinen leeren Geldbeutel wieder auf, der nun wieder deutlich schwerer war, als zuvor. „War mir eine Freude, mit dir Geschäfte zu machen,“ sagte Dastan schließlich und neigte den Kopf zum Abschied. Das unberührte Glas schob er wortlos zu seinem Komplizen, der es sofort herunter spülte.

Als er die Kaschemme verließ, sah sich Dastan erst einmal die Umgebung an, um sicher zu gehen, dass ihm niemand auflauerte. Man wusste ja nie. Der Abend war bisher genau nach Plan verlaufen, da sollte es nicht am Heimweg scheitern. Eigentlich wollte er diese Art von Betrügerei nicht mehr machen, aber eine andere Art, um an Geld zu kommen, hatte er nicht. Noch einmal würde er es auch nicht wagen, mit gezinkten Karten zu spielen, die selbe Nummer zu häufig zu schnell hintereinander durchzuführen, lockte nur das Unglück herbei. Heute war alles gut gegangen. Er hatte einen willigen Komplizen gefunden, sehr wichtig um keinen Verdacht zu erwecken. Wenn du betrügen willst, dann darfst du nicht gewinnen. Das war eine der ersten Lektionen, die er beim Falschspiel gelernt hatte. Noch einmal warf er einen Blick über die Schulter. Alles war ruhig, zumindest so ruhig, wie es die Lage und der Ort erlaubten. Jetzt wollte er nur noch zurück in die Herberge, in die er momentan noch kostenfrei wohnte. Auch den Gutwillen seines Gastgebers durfte er nicht mehr zu lange reizen. Nein es wurde Zeit die Lager hier in Andunie abzureißen und weiter zuziehen. Während er durch die Gassen ging, überlegte er, was er bisher in der Hafenstadt erreicht hatte. Seine Nachforschungen waren nicht sonderlich von Erfolg gekrönt. Immer wieder wurde er nach Zyranus verwiesen, aber von einem Magier in der näheren Umgebung, von jemandem, der ihn unterrichten konnte, keine Spur.

Einem Stein, der vor ihm auf der Straße lag, verpasste er einen Tritt, während er gleichzeitig einen erschöpften Seufzer von sich gab. Das war alles noch schwieriger, als er es sich vorgestellt hatte und er hatte es sich schon nicht sonderlich leicht vorgestellt. Nein, morgen würde er nach einer Karawane oder einem Händler suchen, der in die Richtung der stillen Ebene aufbrechen würde. Hoffentlich würde ihm das nicht so große Kopfschmerzen bereiten. Unbewusst glitt seine Hand an die Ledertasche, die an seiner Hose befestigt war und in der er seinen kostbarsten Besitz aufbewahrte. Selbst durch die Tasche gab ihm das mysteriöse Buch ein beruhigendes Gefühl. Wenn er zuhause war, würde er noch ein wenig darin weiter lesen...

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Re: Gestrandet in Andunie

Beitrag von Erzähler » Montag 29. Juli 2019, 04:39

Obwohl Dastan erst seit kurzer Zeit in Andunie war, so fühlte er sich bereits ziemlich heimisch dort – sofern sich ein Mensch, wie er es war, den sentimentalen Luxus erlaubte, einen Ort wirklich als Heimat zu betrachten. Er hatte schon so einiges durchmachen müssen, was ihn eher zu dem Schlitzohr geformt hatte, das er jetzt war, anstatt dass er zu den weichgespülten jungen Männern gehörte, die ihr Elend in den Straßen einfach so hinnahmen und konsequent anderen die Schuld gaben.
Ihn hatte das Schicksal in die Hafenstadt geführt, wo er fest entschlossen war, seinen weiteres Schicksal alleine in die Hände zu nehmen und von niemanden abhängig zu sein – wobei ihm klar sein musste, dass das ein Umstand war, der nicht unbedingt an ihm alleine lag. Aber solange er ein unbeschriebenes Blatt in dieser Stadt war, so konnte er die Karten zu seinen Gunsten manipulieren und das lebte er ja so oder so im wahrsten Sinne des Wortes aus.
Dastan hatte eine schäbige Hafenspelunke zu einem seiner vorübergehenden Aufenthaltsorte bestimmt und fühlte sich dort nicht schlecht aufgehoben. Nicht soweit, dass er unachtsam wurde, aber nachdem die erste Paranoia überwunden war, dass die, die ihm auf den Fersen waren, nicht doch gefolgt sind, so kehrte etwas Ruhe in den jungen Mann ein.
Zu seiner Freude hatte er es auch bereits geschafft, beim dem recht einfältigen Klientel dieser Kaschemme, als Magie wirkender im weitesten Sinne, Eindruck zu schinden. Wie gut, dass der gemeine Pöbel sich nicht mit der arkanen Kunst auskannte. Er wusste selber natürlich nur zu gut, dass das alles so gar nicht so war, aber was andere nicht widerlegen konnten, stimmte halt trotzdem und Dastan nutzte nur zu gerne die Wahrheit für seine Zwecke.

Seine Glückssträhne schien hier in Andunie Fahrt aufzunehmen, so hatte er doch gerade am heutigen Abend einen guten kleinen Gewinn gemacht, man musste nur wissen wie und das hatte er auch dringend nötig, denn von nichts kam bekanntlich noch nie etwas. Solange er die Gaunereien während des Spielens in Maßen hielt und nicht zu gierig wurde, so würde er die Seemänner und anderen schäbigen Kreaturen, die sich dorthin verirrten, noch ein wenig länger schröpfen können. Wie er ja aber selber so treffend bemerkt hatte, war niemanden das Glück ewig hold.
Obwohl dies leicht verdientes Geld war, so sehr lockten ihn andere Wege. Er wusste, dass es nicht mehr lange so weitergehen konnte, denn verscherzte er es sich hier auch noch, so hätte er bald absolut keine Ruhe mehr und würde vermutlich schneller tot in der Gosse liegen, wie er gucken konnte. So schlenderte Dastan ein wenig verdrossen durch die engen, nicht sonderlich gut riechenden Gassen des direkten Hafenviertels. Der hereinziehende Abend verstärkte das schummrige Licht in den Straßen und betonte die Gefährlichkeit der Gassen, von denen man lieber etwas Abstand hielt. Obwohl der junge Samaer das Treiben einer Stadt gewohnt war, so ungewohnt war doch das Leben in einer Hafenstadt, aber er verstand es eher als Herausforderung, der es sich zu stellen galt.
Aktuell bemühte er sich, nicht verfolgt zu werden und lugte immer mal wieder vorsichtig über die Schulter und je weiter er die Spelunke hinter sich ließ, desto sicherer konnte er sein, dass ihm von dort aus erst mal keine Gefahr mehr drohte. Verstärkt schweiften seine Gedanken zu seinem eigentlichen Vorhaben hin, dass er sich ja unbedingt in Magier ausbilden lassen wollte. Dastan hatte sich hier in Andunie schon mal Informationen dahingehend geholt und wurde schnell eines besseren belehrt, dass er nicht so schnell jemanden finden würde, der ihn unterrichtete – jedenfalls nicht ohne das nötige Startkapital. Er konnte das vorher ja nicht wissen, wie viel so etwas kosten würde und je erfolgreicher und bekannter ein Magier war, desto kostspieliger war eine Ausbildung, vorausgesetzt, diejenigen nahmen überhaupt Adepten an … die neueste Information dazu, die er erst gestern erhalten hatte, besagte, dass es bei bestätigter Eignung für diesen intellektuellen Zweig auch die Möglichkeit des Darlehens gab. Mit einfachen Worten gesagt, den Weg der Verschuldung und diese Schulden arbeitete man dann ab, indem man sich in den Dienst seines Meisters stellte. Das schien bei achtbaren Menschen der gängige Weg zu sein, wenn sie nicht zur Oberschicht gehörten – aber war das auch etwas für Dastan?! … jedenfalls hatte er den Weg noch nicht ganz abgeschrieben.
Denn sollte er den anderen Weg wählen, der ihn in die legendäre Zaubererstadt Zyranus führte, so musste er sich ja ebenfalls die Fragen nach dem Kapital stellen, denn ohne Geld ging im Grunde genommen fast gar nichts und zur zeit hatte er nicht mal genug, um sich für die beschwerliche Reise dahin zu wappnen.

Auch wenn seine Gedanken immer wieder zu seinem größten Besitz wanderten, so musste er sich beherrschen und erst mal seine Ungeduld zügeln und danach am besten nachdenken, wie er zu mehr Geld kommen würde. Etwas hatte er sich gerade verdient, nun musste er überlegen, wie er dies „anlegte“, denn die Herberge würde ihn bald etwas kosten, was sich vielleicht damit umgehen ließe, wenn er dort etwas mit anpackte. Der Herbergsvater war immerhin ein gutmütiger Mann, der anderen gerne half.
Sein weiterer Weg konnte ihn also an diesem Tag auch noch zum Markt führen, wo er vielleicht genügend aufschnappen konnte, ob bald eine Karawane in Richtung der Stillen Ebene geplant war oder ob es Händler gab, die sich dorthin begeben wollten. Ebenso gab es in jeder Stadt einschlägige Tavernen, in den Abenteurer angeheuert werden - vielleicht könnte er sich ja irgendwie auch von Stadt zu Stadt und damit von Auftrag zu Auftrag hangeln. Das war riskant, aber Dastan scheute sich nicht davor, Risiken einzugehen und je mehr er den Drang hatte, diese Stadt zu verlassen, desto mehr beschlich ihn ganz klammheimlich ein ungutes Gefühl …
Vielleicht war es wirklich besser, sich über konkrete Reisemöglichkeiten zu informieren, als in seinem Zimmer zu sitzen und zu lesen.
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Re: Gestrandet in Andunie

Beitrag von Dastan » Mittwoch 14. August 2019, 22:19

Selbst nachdem er den düsteren und heruntergekommenen Teil der Hafenstadt verlassen hatte, in welcher sich die Spelunke befand,warf Dastan immer wieder einen Blick über die Schulter um sicher zu gehen, dass niemand ihm folgte. Selbst als er das etwas bessere Viertel erreichte, in dem er sich einquartiert hatte, die Angst vor einem plötzlichen Angreifer blieb. Er wusste aus eigener Erfahrung nur zu gut, dass ein einzelner, fein gekleideter Mann in der Mitte der Nacht ein einfaches Ziel war. Und jetzt war er sogar selbst dieser gutgekleidete Mann geworden. Wenn man ihm das vor einem Jahr erzählt hätte, dann hätte Dastan wahrscheinlich nicht mal über den schlechten Scherz gelacht. So änderte sich eben alles.
Seine Paranoia lies erst nach, als der Wüstenmensch über die Schwelle seiner Herberge getreten und die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Der Gastwirt war noch immer wach und war gerade damit zugange das Geschirr des Tages zu waschen. Dastans spätes eintreten überraschte ihn nicht weiter, da der junge Mann in den letzten tagen häufiger erst zu dieser Stunde zurück gekommen. Der rundliche Andunier hob grüßend die Hand und Dastan erwiderte den Gruß mit einem Kopfnicken, bevor er wortlos die Treppe zu seinem Zimmer hinauf ging.

Dort angekommen löste er die Schnallen seines Umhangs und faltete ihn ordentlich zusammen, ehe er in weg legte. Der Stoff war zu teuer gewesen, als dass er ihn achtlos behandeln könnte. Seinen Turban legte er behutsam auf den Umhang und fuhr sich mit beiden Händen durch die schwarzen Haare. Dann zündete er eine Kerze an, setzte sich an den Tisch und holte den kleinen Beutel mit Geld aus seinem Gewand hervor. Dastan ließ ihn einmal klimpern, konnte aber schon am Gewicht erahnen, dass der Abend nicht sonderlich lukrativ gewesen war. Langsam, als wolle er den Moment der Wahrheit noch ein wenig herauszögern, öffnete er den Bund und schüttete schließlich den Inhalt auf den Tisch. Ein winziges Häufchen kupferner Münzen kam zum Vorschein, so wenige, dass es nur einige Sekunden dauerte um sie zu zählen. Zwanzig Füchse, über mehr verfügte er nicht mehr und die meisten davon hatte er vorhin ergaunert. Natürlich hätte er auf höhere Einsätze gehen können, aber damit stieg auch das Risiko. Misstrauen und Rache waren viel wahrscheinlicher, wenn man versuchte einem hart arbeitenden Dockarbeiter drei Lysanthemer abzuluchsen.
Ohne groß darüber nachzudenken nahm sich der Samaer eine der Münzen und lies sie zwischen seinen Fingern hin und her tanzen. Geld, Geld, immer wollten alle Menschen nur Geld. Sein Blick wanderte abwesend über seine wenigen Habseligkeiten, die im Zimmer verstreut lagen. Das meiste seines Geldes hatte er in verschiedene Materialien investiert, die ihn mehr wie einen echten Magier wirken lassen sollten. Auf dem Stuhl ihm neben ihm lehnten drei Schriftrollen, die mit mystischen Symbolen bemalt waren. Eine vierte lag ausgerollt hinter ihm auf dem Boden, wo er sie zum trocknen gelassen hatte. Der angebliche Magier hatte schnell gelernt, dass Theatralik und Täuschung sehr mächtige Werkzeuge waren. Die Münze, mit der er gespielt hatte, verschwand in seinem linken Ärmel und plötzlich hatte er eine silberne Münze in der rechten Hand. Wie leicht alles wäre, wenn er wirklich zu so etwas in der Lage wäre. Mit dem Daumen schnippte er die Münze in die Luft, wo sie sich mehrfach drehte. Es war kaum zu erkennen, dass das Lysanthemer auf beiden Seiten der Löwe eingeprägt war. Auch sie gehörte zu seinen kleinen Hilfsmitteln.

Leider waren diese ganzen Utensilien, die ihn glaubwürdiger in den Augen der Ahnungslosen machten, nicht sonderlich hilfreich, wenn es um echte Magie ging. Dastan hätte nie gedacht, wie teuer die Ausbildung in der Magie sein würde. Er hatte angenommen, dass angehende Akolythen, wenn auch nicht mit offenen Armen empfangen, so doch zumindest gesucht werden würden. Aber nein, da hatte er sich getäuscht. Einer seiner ersten Wege hatte ihn zu der hiesigen Akademie geführt, aber dorthin wollte er nicht zurück. Zum einen verlangten sie horrende Summen die ihn für den Rest seines Lebens verschulden konnten. Zum anderen … hatte er sich dort nicht wohl gefühlt. Vielleicht lag es daran, dass es die 'Wasser'-Akademie war. Tief in seinem inneren würde er immer ein Wüstenmensch sein und Wasser und die Wüste passten nicht zusammen. Die Erinnerung daran verstärkte nur seinen Entschluss, die Hafenstadt zu verlassen. Hier würde er nicht glücklich werden.
Schließlich schob er seine karge Barschaft zurück in seine Börse und verstaute diese wieder in einer der vielen Lagen seines Gewands. Fakt war, dass diese geringe Summe ihm nicht weit bringen würde. Im Endeffekt war das kaum genug, um sich für eine längere Reise mit Essen einzudecken und darauf würde es ja hinaus laufen. Für eine Ausbildung brauchte er Geld, für eine Reise durchs Land, für beschissenes Essen brauchte er Geld! Ruckartig schlug Dastan mit der Faust auf die Tischplatte, bereute es aber sofort, als seine Hand anfing schmerzhaft zu pochen.

Wie von alleine glitt die andere Hand zu dem Buch an seinem Gürtel. Fast sofort beruhigte sich sein Gemüt wieder. Es machte keinen Sinn sich über die aktuelle Situation aufzuregen. Anstatt sich aufzuregen, sollte er sich lieber Gedanken machen, was seine beste Lösung sein mochte. Es gab immer noch einen Weg, den er bisher nur belächelt hatte. Vor ein paar Tagen hatte er eine Truppe von Idioten dabei beobachtet wie sie die Stadt verließen und von den Bürgern als „tapfere Helden“ gefeiert wurden. Abenteurer waren es gewesen, die ausgezogen waren um irgendeine banale Geschichte zu erledigen. Irgendeine Jungfrau in Nöten retten oder einen Hund aus einem Brunnen angeln. Warum sich irgendjemand die Mühe machte, um Fremden zu helfen und dabei sein Leben zu riskieren, war sich Dastan fraglich gewesen, bis ihm der Herbergsvater erklärte, dass die ganze Expedition finanziert wurde. Im Grunde waren diese Typen nur Söldner mit Moralvorstellungen gewesen. Nun ja, als Söldner konnte er sich gerade noch so sehen, vor allem wenn es ihm erlaubte, zur nächsten Stadt zu kommen. Bettler dürfen nicht wählerisch sein...


Am nächsten Morgen verließ er fein herausgeputzt die Herberge und suchte nach dieser Abenteurer Taverne, in der sich die selbsternannten Helden und die eher irdischen veranlagten anheuerbaren Schwerter trafen. Bisher hatte er diesen Teil der Stadt immer gemieden, es war nicht die Art von Gegend, in der er sich wohl fühlte. Eine weile lief er ziellos durch das Viertel, bevor ihm ein Passant den Weg wies. Selbst als er den Ort dann fand, brauchte er einen Augenblick um ihn zu betreten. War das wirklich der beste weg? Wahrscheinlich nicht. Aber auf der anderen Seite, er musste ja nichts zustimmen. Er konnte einfach nur rein gehen, sich ein wenig umhören und konnte dann immer noch abwägen ob das Risiko es wert wäre. Vielleicht hatte er auch ganz falsche Vorstellungen und er würde auf mehr Leute wie sich selbst treffen. Ob das nun besser oder schlechter wäre, konnte er noch nicht sagen. Schließlich atmete er tief ein und betrat die große Taverne, die bereits von außen einen viel besseren Eindruck machte als das, was er gewohnt war. Im ersten Moment konnte er dann aber keine großen Unterschiede sehen. Hauptsächlich Männer saßen zusammen oder alleine an Tischen, Getränke vor sich, in Unterhaltungen oder Anekdoten vertieft. Bemüht darum nicht allzu groß aufzufallen, lief er einmal quer durch den Raum und setzte sich an den Tresen. „Ein Glas Branntwein,“ bestellte er in neutralem Ton und drehte dann dem Wirt den Rücken zu, um sich die Leute im Raum besser ansehen zu können. Er hatte keine Ahnung wie das an diesen Orten für gewöhnlich ablief. Er hatte ein Anschlagbrett oder etwas in der Art erwartet, aber davon sah er im ersten Moment nichts.

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Re: Gestrandet in Andunie

Beitrag von Erzähler » Freitag 23. August 2019, 14:53

Dastan war zwar sehr zufrieden damit gewesen, dass er überstürzt nach Andunie geflüchtet war, aber das war schließlich nicht alles, was er wollte. Ganz tief in seinem Inneren wurmte es ihn, dass es nicht schneller vorwärts ging und aus irgendeinem irrationalem Grund, hatte er tatsächlich erwartet, dass er hier ohne Umschweife einem Magier in die Arme laufen würde, der ihn dann auch noch unbedingt ausbilden wollen würde. Magier und im Allgemeinen Gelehrte, waren ein Völkchen für sich und so gar nicht seine Welt, geschweige denn, dass er viel mit jenen irgendwann mal zu tun gehabt hatte ... wie sehr sie sich von einander unterscheiden würde, würde der junge Mann spätestens in Zyranus herausfinden. Am schwerwiegendsten war wohl auch der Umstand, dass er in der hiesigen Wasserakademie schroff abgewiesen wurde und ihm ein Magier schon mit Zwangsarbeit drohte, wenn er sich noch einmal derart erdreistete. Dastan befand es für gesünder, sich einfach zusagen, es wäre ja eh nur der überbewerte Zweig der Wassermagie und dass er fortan wirklich besser aufpassen müsste, um nicht auch im Joch zu enden.
Wie so oft, lief es aber im Leben anders, ganz anders und Dastan musste einsehen, dass es weiterhin nicht leicht werden würde. Immerhin hatte er seit seiner Flucht aus Sarma gänzlich damit aufgehört, mit allem zu hadern. Hadern verschleierte den Blick und würde nur dazu führen, dass man ungesunder weise mit einem Messer im Rücken oder mit durchgeschnittener Kehle, in der Gasse endete. Er musste nach vorne blicken und sein Ziel immer im Blick haben. Statt also in seinem Zimmer zu grübeln, so beschloss er, am nächsten Morgen, einen Vorstoß zu wagen und sein Glück zu versuchen.
Sein Weg führte ihn dabei quer durch die Stadt, in ein besseres Viertel. Ganz in der Nähe des Marktplatzes lag sein Ziel, eine jener Taverne, in der neugierige Menschen auf große oder kleine Abenteuer gehen konnte - zumindest klang der erste Schritt in den Liedern der Barden so episch.
Dastan wusste, dass das Gegenteil eher der Fall war und machte sich auf so einiges gefasst, auch wenn er nicht so recht wusste, auf was er sich einstellen sollte, vor allem im Bezug auf die dunklen Elfen.
So musste er, schon während er sich durch die Stadt begab, besonders vorsichtig sein, denn diese Stadt wimmelte nur so von ihren Belagerern. Es war schon etwas her, dass die Dunkelelfen Andunie eingenommen hatten und dem entsprechend zeigten sie hier auch ihre Macht und Präsenz.
Während er einmal direkt eine Strecke über die Hauptstraße nehmen musste, so konnte er hinter dem Marktplatz ein großes Gebäude ausmachen, was sich mitten im Umbau befand und dunkel auf die Stadt herabblickte. Das zumindest erklärte dem Umstand, dass unglaublich viele Wägen mit Baumaterial und angetriebene "Arbeiter" unterwegs waren.
Dastan schaffte es trotzdem, sein Ziel zu erreichen, auch wenn er ein paar Umwege in Kauf nehmen musste, um den Patrouillen aus dem Weg zu gehen. Einen ungeahnten Vorteil hatte die Anwesenheit der Dunkelelfen aber für ihn, er konnte sie beobachten und aus ihrem Handeln lernen. Denn eines war gewiss, er war zwar seinem Verfolger entkommen, aber vermutlich nur fürs Erste - Dunkelelfen waren nicht bekannt dafür, einfach zu vergeben und zu vergessen, schon gar nicht in dem einschlägigen Gewerbe.

Die erste Taverne, die er nun betreten hatte, nannte sich zum "Lärmenden Mönch" und passte ganz unfragwürdiger zu ihrem Klientel. Obwohl es noch ein gutes Stück vor Mittag war, so war die Taverne dennoch gut gefüllt. Dastans erster Weg führte ihn fast beiläufig zum Tresen, an dem er platz nahm und sich etwas zu trinken bestellte. natürlich waren fast alle anwesenden Gäste für einen kurzen Moment verstummt, aber ein Sarmaraner war nicht das, was sie erwartet oder besser gesagt gefürchtet hatten. So dauerte es nicht lange, bis Dastan wieder ohne einen weiteren Blick abzubekommen, sein Getränk genießen konnte, was ihn zwei ganze Füchse gekostet hatte. Aber so war das eben, wenn man sich etwas Luxus gönnen wollte.
Bei seinen vorsichtigen Blicken, die er durch den Wirtsraum schweifen ließ, war ihm kein Anschlagsbrett oder ähnliches aufgefallen, was ja aber nichts heißen musste. Die Anwesenden stammten aus nahezu allen Teilen Celcias und viele Völker waren vertreten. Die meisten waren Menschen, Händler, Handwerker, Bauern, Söldner, ein paar "Seeleute", etc. und sie alle unterhielten gedämpft über dieses und jenes und wenn Dastan bei einigem genauer zuhörte, so konnte er durchaus Gesprächsfetzen aufschnappen, die sich nach einem Auftrag anhörten - aber ob nun vergangen oder noch bevorstehend, das wurde daraus nicht klar.
Beim Anblick dieser Seeleute, da kam dem Wüstenmenschen ein anderer Gedanke. Um aus dieser Stadt fortzukommen, gab es noch einen Weg. Er könnte auf einem Schiff anheuern, dass den Ilfar westwärts ins Landesinnere Segel setzte. Immerhin hatte er eine Seereise ganz gut überstanden und es würde nicht ganz so lange dauern, wie auf dem Landweg.
Nach ungefähr einer halben Stunde, die er da nun saß, erregte eine flüchtige Bewegung aus dem Augenwinkel seine Aufmerksamkeit. Ein sehr behaarter Mann, von gerade Mal unterdurchschnittlicher Größe, kam aus dem hinteren Teil das lärmenden Mönchs und hielt einen Fetzen Papier in der großen Faust. Damit stapfte dieser, vermutliche, Halbzwerg in eine schwächer Beleuchtete Ecke der Taverne und setzte sich zu zwei zwielichtigen Gesellen an den Tisch.
Natürlich musste Dastan nachsehen, ob es das Objekt seiner momentanen Begierde war, was er dort hinten vermutete. Sein Branntwein war schnell gelehrt, dann stand er langsam auf.
Dabei sah ihn der Wirt an und gab ihm ungefragt die Info, "Die Örtlichkeiten befinden sich dahinten, gleich um die Ecke." Dabei lehnte dieser sich auf den Tresen und deutete genau in die Richtung, aus der der Behaarte kam. Das ließ der junge Mann sich doch nicht zweimal sagen und langsam, aber wachsam, steuerte er die hinteren Begebenheiten an. Natürlich erntete er hin und wieder Blicke, was aber wohl eher der aktuellen Lage in Andunie geschuldet war, als allzu großer Paranoia.
Hinter einer offenen Trennwand war es noch schummriger als im restlichen Raum des Wirtshauses und dieser Weg führte tatsächlich auf den Donnerbalken. Davor allerdings, befand sich tatsächlich das, was Dastan gesucht hatte. Ein übel mitgekommenes Brett hing sehr schief an der Wand und war übersät mit Fetzen von Papier, Blättern, Leder und halt allem, was man zum Drauf schreiben verwenden konnte. Dastan überblickte schnell die Lage und kam zu dem Entschluss, sich nur die obersten Stücke anzugucken, nicht zuletzt wegen der Befürchtung, das man sich bei den unteren schnell etwas einfangen konnte - man mochte gar nicht darüber nachdenken, was dort alles dran klebte ... Das erste Gesuch, was er aufmerksam las, lies er ganz schnell wieder außer Acht, denn laut diesem suchte ein betuchter Adeliger, dem Namen nach ein Dunkelelf, jemanden wagemutigen, der er sich zutraute, für gute Lysanthemer, so allerlei Spiele zu spielen. Das war dann wohl eher nichts für Dastan, oder?! Auf dem zweite Stück suchte jemand kräftige Arbeiter und versuchte sich so wohl vor dem Zorn der Dunkelelfen zu schützen - merkwürdiger weise betraf der Groll mehr die oberen Schichten, wie das gemeine Volk. Das erklärte es wohl auch, warum Dastan bisher so gut vorankam, aber er sollte sein Glück nicht zu lange strapazieren und sich vielleicht auch überlegen, einfachere Kleidung anzulegen.
Das dritte Gesuch kam seiner Vorstellung von Auftrag schon näher. Ein Händler suchte tatkräftige Arbeiter, die ihm dabei halfen, die vor der Stadt stationierten Truppen zu versorgen und umliegende Gehöfte nach der Zwangsabgabe abzuklappern. Das vierte Gesuch, was noch in Frage käme, suchte ebenfalls Arbeiter, für eine Rohstofflieferung, die nach Pelgar gebracht werden sollte. Das war das einzige Gesuch, was ihn weiter als nur ein paar Kilometer von dieser Stadt wegführte. Er wollte zwar nicht nach Pelgar, aber damit wäre er schon mal einen Schritt weiter und es versprach eine Bezahlung, die er dringend brauchte, zu dem auch einfache, inbegriffene Mahlzeiten.
Da stand er nun und hatte die Qual der Wahl, nichts berauschendes, aber vermutlich besser als nichts. Oder aber, er hörte sich direkt in der Taverne um und kam mit den Anwesen ins Gespräch - war er dafür bereit?! Als Letztes konnte er sich immer noch direkt im Hafen umhören, ob es dort einen direkteren Weg gab.
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