Das Anwesen der Familie van Ikari

Sämtliche Straßen Andunies sind gepflastert und von schönen kleinen Häusern gesäumt. Meist Fachwerkhäuser, aber auch mal eine prächtige kleine Villa. Nur die ärmeren Bezirke der Bettler und Halunken sollte man meiden.
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Azura
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Samstag 30. März 2024, 22:23

Die Situation war verzwickter, als manch einer sie wohl gesehen hätte. Azura gab auf ihre Weise durchaus ihr Bestes, um voran zu kommen und sich zum Positiven hin zu entwickeln. Doch viel zu vieles war ihr noch fremd und verlief in Bahnen, die sie von sich aus nicht sehen konnte... oder mitunter auch wollte, weil sie dabei anfangs auf dem falschen Fuß erwischt wurde. Hinzu kamen noch ihr Charakter, der Umstand, dass sie in einem goldenen Käfig trotz allem viel zu viele Vorzüge genossen hatte, und auch ihr Stolz.
Viele Hindernisse, die es zu bewältigen galt und die sehr viel Geduld von den Personen abverlangten, die ernsthaft an einem Umgang mit ihr interessiert waren. Für ihre Eltern wollte sie es besser machen, wollte sich beweisen und ihnen zeigen, dass sie erkannt hatte, wie mühsam sie oftmals sein mochte als Tochter, es ihnen auf ihre Art vergelten. Für Corax wollte sie es ebenfalls, wollte sein Glück und ihm dabei helfen, in der Freiheit Fuß zu fassen, selbst, wenn das bedeuten würde, dass er sie dann verlassen würde. Das waren bereits drei Personen, von denen sie noch wenige Wochen zuvor lediglich erwartet hätte, dass sie um sie kreisten und ausschließlich nach ihren Wünschen richteten. Auch für ihre Göttin wollte die junge Frau sich bemühen, doch war diese ein eigenes Kapitel für sich.
Für mehr... nun, da wäre vermutlich durchaus noch Platz für Freundschaften. Doch wie sahen solche aus, solch wahre Freundschaften, die nicht nur aus Lug und Schmeichelei bestünden? Die aus ebenbürtigen Partnern bestünden, die einander zur Seite stünden und verziehen, wenn man Fehler machte? Die einem halfen, die Größe zu entwickeln, sich für eigene Verfehlungen zu entschuldigen? Azura kannte so etwas nicht.
Und was ihren leiblichen Vater betraf, da hatte sie auch sehr viel kaputt gemacht, ohne im Vorfeld zu ahnen, welche Wellen das schlagen könnte. Inzwischen bereute sie einen Gutteil davon durchaus und hätte auch den Willen dazu entwickeln können, es auf ihre Weise wieder zu kitten. Aber er entzog sich ihr ebenso wieder und sie hatte vorerst keine Möglichkeit etwas daran zu ändern.
Das nagte an ihr und dennoch bemühte sie sich soweit um Haltung, dass sie ihre Konzentration auf ihren Raben richten konnte. Er hatte sie um etwas gebeten und das wollte sie ihm nicht verwehren. Dieses Mal ging es um ihn und ihre Gefühle für ihn waren stark genug, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse dafür hintan stellen wollte, auch nach dem, was inzwischen vorgefallen war. Trotzdem fühlte sie sich befangen und der Fund auf dem Weg machte es nicht besser.
Als sie es schließlich nicht mehr aushielt, versuchte sie, die Stimmung zwischen ihnen ein wenig zu lockern. Etwas, das ihr früher viel leichter gefallen war. Jetzt hingegen war es schlichtweg zu... persönlich, als dass sie es mit einem lockeren Witz oder einer ablenkenden Bemerkung hätte kitten können. Dennoch schaffte sie es, ihm ein kleines Lächeln zu entlocken, das ihr Herz vor Freude einen kleinen Hüpfer machen ließ. Aber es vertrieb ihre Scheu ihm gegenüber nicht, ihre Vorsicht, um keinen weiteren Graben zwischen ihnen aufzureißen.
Was ihr nicht zu gelingen schien, wie seine nächste Frage ihr bewies. Mitten in ihrer Suche erstarrte sie und sah mit ehrlichem Schrecken im Blick zu ihm hin. Dann hatte sie es mit einem Mal eilig, vor ihn zu treten und ihm nahe zu sein, ja, sogar seine Hände zu ergreifen und an ihre Brust zu drücken, damit er ihrern Herzschlag spüren konnte. Ihre Augen wurden leicht feucht, während die durch die vielen Tränen vorhin noch fleckige Haut ihrer Wangen sich rötete, und trotzdem hatte sie die Kraft, seinen Blick zu suchen, sollte er sich ihr nicht verschließen. "Du bist umwerfend. Lass dir von niemandem etwas anderes einreden!", hauchte sie voller Ehrlichkeit und einer Wärme, die von ihren Gefühlen für ihn rührte.
Noch einen langen und zugleich viel zu kurzen Moment stand sie so da und wollte nichts weiter als seine Nähe genießen, aber dann war sie es, die das Ganze wieder auflöste. Vielleicht, wenn sie es nicht vollkommen vermasselte, hätten sie danach noch Zeit, um einfach beisammen zu stehen und nichts weiter zu tun, als einander zu halten. Doch jetzt ging es darum, sich zu beeilen, damit Corax endlich zu seinen Wurzeln finden könnte.
Also zog sie ihn in das Toilettezimmer ihrer Mutter und hoffte darauf, dort zu finden, was sie benötigte. Ihr Gefühl trog sie nicht, sodass sie ihren Begleiter auf den Hocker drückte und alsbald einen Kamm in seine Hand drücken konnte. Bei seinem Protest lächelte sie leicht und strich liebevoll wie ein Hauch über sein Haar. "Doch.", erwiderte sie schlicht und widmete sich dann der Auswahl für ihre Garderobe.
Das war etwas einfacher, denn sie hatte ja seine Kleiderwahl als Anhaltspunkt, was dazu passen würde, und sie besaß mehr Erfahrung darin, für sich selbst etwas Angemessenes zu finden. Als sie es hatte und sich in ihrer Unterwäsche befand, zögerte sie und wandte sich an Corax. Sollte er Hilfe brauchen, würde sie sich zuerst um seine Frisur kümmern.
Er allerdings schien das ganz gut alleine hinzukriegen, sodass sie sich ihrer Kleidung widmen konnte und überlegte, bei welchen Teilen sie seine Finger benötigen würde. Bei der Korsage auf jeden Fall, denn die Schnürung verlief seitlich und auch beim Oberteil, dessen Häkchenverschluss sich im Rücken befand. Den Rock hingegen würde sie noch allein schaffen, auch die kleine Krinoline darunter, um den richtigen Wurf zu garantieren, sollte zu schaffen sein. Sie wollte gerade danach greifen, um zu kontrollieren, ob sie keine schadhafte Stelle, die problematisch werden könnte, übersehen hätte, als er aufstand.
Eine Bewegung, die sie im Augenwinkel wahrnehmen konnte, und weswegen sie innehielt, um fragend zu ihm zu sehen. Ihr Rabe hingegen... er blickte sie nur stumm an. Azura wurde sich ihres unziemlichen Aussehens in Unterwäsche bewusst, im Gegensatz zu seiner noblen Erscheinung, und obwohl sie beide schon ganz andere Dinge angestellt hatten, röteten sich ihre Wangen. Und als er noch immer nichts weiter tat, wurde es zu einem unangenehmen Brennen, das sie dazu brachte, mit ihren Armen die empfundene Blöße zu bedecken, ihre Augen auf den Boden zu richten und die Schultern leicht hochzuziehen. "Stimmt etwas nicht?", hauchte sie unbehaglich und fing an, sich für ihr Aussehen zu schämen.
Endlich sprach er zu ihr und seine Worte halfen ihr, sich ein wenig wieder zu fangen. Ja, sie konnte sogar ein kleines Lächeln zeigen. "Ich kenne das...", nuschelte sie, schloss die Augen und atmete tief durch.
Dann hatte sie wieder ausreichend Mut, um ihn anzusehen. "Versuche, dich auf anderes zu konzentrieren, dann wird es leichter.", sprach sie ihm auf ähnliche Weise gut zu wie ihr Stiefvater damals bei ihr, als sie das erste Mal ein hübsches Kleid und vor allem hübsche Schuhe getragen hatte, die mehr gekostet hatten, als ihre Mutter vor ihrer Eheschließung wohl in einem Jahr verdient hatte.
Azura war damals stolz gewesen, so etwas anziehen zu dürfen, es hatte ihr auch gefallen und zugleich war es ungewohnt gewesen, ja, sogar etwas beängstigend, weil sie sich viel zu leicht hätte schmutzig machen können. Vor allem bei den Schuhen, denn früher war sie oft kurzerhand barfuß gelaufen. Oh, was war sie verzweifelt gewesen, als ein bisschen Dreck trotz aller Vorsicht auf ihrer Fußbekleidung gelandet war! Beinahe hätte sie sich gar nicht mehr ins Haus gewagt, aus Angst vor der Schelte, die sie dafür erwartet... und dann erstaunlicherweise nicht bekommen hatte. Stattdessen hatte Alycide ihr einige Mut machende Worte gesagt und dafür gesorgt, dass sie sich leichter in ihre neue Situation hatte einfügen können. Und den Moment verpasst, an dem ihr das zu gut gelungen war...
Lautlos seufzte sie und blinzelte die Erinnerung weg, als eine andere Stimme an ihr Ohr drang, um sie vollständig zurück in die Gegenwart zu holen. Sie sah zu Corax und erneut röteten sich ihre Wangen. "Ein... einen Teil schaffe ich selbst, aber... bei einigen Dingen brauche ich Hilfe.", gestand sie ihm zögerlich und wollte zugleich nicht, dass er wieder in die Rolle des Dieners schlüpfte. Diese Zeit war vorbei... Trotzdem konnte sie es nicht allein, das war ihr bewusst.
Als es schließlich geschafft war, hauchte sie ein verlegenes "Danke" und zupfte noch ein wenig an den Spitzen an den Säumen herum. Obenrum trug sie nun blauen Stoff mit wellenförmiger Zier, einem viereckigen Ausschnitt und Ärmeln, die ihr bis knapp unter die Ellenbogen reichten. Das Oberteil war geformt wie ein Mieder und öffnete sich mittig, als wäre vergessen worden, es gänzlich zu schließen und präsentiere nun auch die Kleidung darunter. Dabei war der hellbraune Stoff mit dem Rankenmuster ein Bestandteil und sollte die Verbindung von Wasser und Natur darstellen. Außerdem war die Spitze eine Möglichkeit, das Ganze unverfänglich aufzuhellen und zugleich dem Dekolleté zu schmeicheln, ohne, dass sie unverschämt viel Haut zeigen musste. Passend dazu "lugte" die Spitze auch an ihren Ärmeln hervor. Zusätzlich für den Eindruck eines Mieders gab es ein braunes Seidenband, das lose an den Rand des blauen Stoffes genäht worden war, als könne es trotz allem diesen zusammen halten. Ihr blauer Rock hingegen wurde nach unten hin dunkler und vermied es dadurch, dass allfällige Schlammspritzer sofort erkennbar wären.
Für gewöhnlich würde ihre Mutter noch Schmuck zu solch einem Ensemble tragen, doch Azura wollte nicht protzig wirken, noch ohne nachgesehen zu haben, was von dem wertvollen Besitz überhaupt noch übrig wäre. Bei diesem Besuch wäre sie lediglich die hübsche Zierde, nett anzusehen, aber nicht im Vordergrund.
Als ihr Ankleiden geschafft war, begab sie sich noch zum Schminktisch ihrer Mutter, um mit wenigen Handgriffen, eine schlichte Hochsteckfrisur zu zaubern, indem sie zwei dickere, seitlich Strähnen nahm und an ihrem Hinterkopf zusammen fasste. Auf diese Weise umspielten zwei dünnere Locken noch immer ihr Gesicht, ohne es verdecken zu können, und im Nacken floss ihre gesamte Fülle herab, um trotz allem ihre Jugendlichkeit und Verfügbarkeit auf dem Heiratsmarkt zu symbolisieren. Und weil es ihr wichtig war, ihre Zugehörigkeit auszudrücken, steckte sie sich als einzigen Schmuck die schwarze Rabenfeder in ihr Haar.
Auf diese Weise hoffte sie, passend gekleidet zu sein, und wandte sich ihm wieder zu. Sie nickte bei seinen Worten und nur kurz flatterten ihre Lider bei der Erwähnung der Sarmaerin. "Die Sachen finden wir unten.", erklärte sie ihm und wollte voraus gehen, um ihm den Weg zu zeigen.
Seine Frage indes ließ sie innehalten und ihn einen Moment lang erstaunt ansehen. Während sie sich noch darüber wunderte, wie er nun darauf kam, schüttelte er bereits den Kopf und wollte das Thema offensichtlich fallen lassen, nachdem er es angefangen hatte. Sie hörte ihm zu und nickte. "Ja, Mama soll sich keine Sorgen machen.", stimmte sie ihm zu und senkte ihren Blick.
Um ihn im nächsten Moment schon wieder anzuheben und mit einem Lächeln auf ihren Raben zu richten. "Ich glaube, du bist selbst das Geschenk.", erwiderte sie, trat zu ihm und drückte aufmunternd seine Hand.
Dann wandte sie sich ab und öffnete ihm die Tür, als Einladung, vor ihr den Raum zu verlassen. Schließlich war dies hier das intimste Reich ihrer Mutter, da wollte sie auch diejenige sein, die es wieder schloss.
Sobald er an ihr jedoch vorbei gehen würde, würde sie nach seiner Hand greifen, um seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Denn sie hätte ihm etwas Wichtiges mitzuteilen, auch wenn er es selbst abgewiegelt hatte, ehe sie vorhin die Gelegenheit dazu gehabt hatte. "Ja, Corax.", hauchte sie und spürte, wie ihr Herz wild in ihrer Brust klopfte. "Ich vertraue dir voll und ganz."
Nun wäre der geeignete Moment, um ihm die Gegenfrage zu stellen, doch sie tat es nicht. Viel zu groß war ihre Angst vor einer anderslautenden Antwort, als dass sie es über die Lippen gebracht hätte. Stattdessen wollte sie die Tür hinter sich schließen und ihn hinunter führen, um ihm den Regenschutz zu zeigen und ihre Mutter zu informieren.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Montag 1. April 2024, 00:33

Geduld war ein Eisengewicht, das an einem seidenen Faden hing. Wenn der sprichwörtliche Geduldsfaden riss, ließ er sich selbst mit noch so vielen Knoten manchmal nicht wieder reparieren. Denn manchmal waren die Fasern dermaßen überstrapaziert worden, dass sie sogar gebündelt keinen festen Strang mehr bilden konnten. Sie dröselten sich auf, wurden dünner und dünner, zerfaserten regelrecht bei bloßer Berührung.
Bei Azuras Attitüden benötigte es einen immensen Berg an Geduld, denn viel zu oft entstand der Eindruck, dass Entwicklung bei ihr ein Schritt nach vorn und zwei zurück bedeutete. Dieses Phänomen befiel jedes lebende Wesen auf Celcia. Daran ließ sich nichts ändern und es war auch vollkommen legitim. Auch das gehörte zum Entwicklungsprozess hinzu. Der zweite Faktor, welcher nachhaltig am Material - auch dem der Geduld - nagte, um es spröde werden zu lassen, war Zeit. Wenn sich über einen großen Zeitraum Dinge trotz aller Mühen wiederholten und man keine Veränderung feststellte, ging auch die Geduld zu Ende. Manche fanden sich damit ab, hielten an den rissigen Fasern fest und bemerkten bisweilen gar nicht, dass sie sich dadurch nur selbst mit dem Gewicht belasteten, das man mitunter auch loslassen könnte. Andere aber besaßen auch hierfür irgendwann keine Geduld mehr. Sie gaben nicht auf. Sie erkannten einfach nur, dass manche Umstände der Mühe nicht wert waren ... und dann durfte man auch von ihnen nicht länger verlangen, zu kämpfen. Denn manchmal führte es zu nichts. Es gab dieses celcianische Märchen von einem Mann, der auszog, um mit einem Stock gegen Windmühlen zu kämpfen... kaum jemand erinnerte sich an den Namen dieses Mannes, noch weniger, ob er jemals Erfolg hatte. Man kannte von dem Märchen im Grunde nur seinen nahezu sinnlosen Leidensweg. Doch das genügte schon, um vielen eine moralische Lehre zu sein.
Ob Azura lernen würde? Ob es andere Personen mit mehr Geduld in ihrem Leben brauchte oder ob sich irgendwann auch noch der Letzte von ihr abwenden würde? Das würde erneut der Faktor Zeit zeigen müssen. Aktuell war es so, dass einer noch bei ihr war. Corax war geblieben, hatte sie zurück ins Anwesen begleitet und sich von ihr mit Ersatzkleidung ausstatten lassen - auch wenn er sich darin nur bedingt wohl fühlte. Er sprach es an, wehrte sich jedoch nicht dagegen. Schließlich sollte er für das Treffen mit Vater und Bruder vorzeigbar sein und auch Azura selbst wollte sich von ihrer besten Seite zeigen. Sie wollte die noble Zierde am Handgelenk des aus ihrer Sicht nun weitaus nobleren Dunkelelfen sein.
Umso weniger wünschte sie sich, dass er in seine Diener- oder vielmehr alte Sklavenrolle verfiel, als er seinen Platz am Frisiertisch verließ, um sie zu unterstützen. Schon mehr als einmal hatte er es getan. Damals, auf dem Zwergenschiff, hatte er sogar vor ihr gekniet, um ihre Stiefel überzustreifen und dabei diesen typischen Blick nach oben geworfen - die Spur aus Scheu, weil er es wagte, sie überhaupt anzusehen und die Nuance Hoffnung, ein wenig Gunst in ihren Blick zu erhaschen. Damals hatte Azura das etwas verwirrt, denn das Verhalten stand so ganz im Gegensatz zu seiner frechen Art, mit der er sie immer wieder überrumpelt hatte. Sie wollte ihn einfach nicht mehr derart devot sehen ... nein ... unterdrückt. Das war er nicht! Dennoch benötigte sie Hilfe beim Einkleiden, aber das war in Ordnung. Es kam darauf an, wie man darum bat und sich dabei den Helfenden gegenüber gab. Sah man auf sie herab, war man eine Adlige und die helfenden Hände namenlose Diener. Strafte man sie gar mit verachtenden Blicken, so waren es Sklaven. Corax aber stand offenbar wenigstens auf einer Ebene. Er half Azura in das Oberteil, schloss die Bänder und zog das Korsett zusammen. Er musste nicht einmal fragen, wie es zu handhaben war. Zu viele Frauen hatte er in seinem Leben bereits eingekleidet. Wie viele mochten ihm in all der Zeit dafür gedankt haben?
Azura tat es und auch wenn es ihr nur verlegen, sowie leise über die Lippen kam, zuckten seine Ohren. Er fing es auf, nickte, aber in seinen Augen lag kurz ein Hauch aufrichtiger Wärme. Dann jedoch änderte sich etwas. Er schaute sie lang an. Das hatte er auch schon getan, als sie noch in Unterwäsche vor ihm gestanden hatte. Sein Blick war überschattet und verdunkelte die Rubine ein wenig. Er war schön, auch wenn er ernst aussah, aber etwas daran verunsicherte Azura. "Stimmt etwas nicht?", fragte sie daher und riss ihn sichtlich aus dieser Wolke Düsternis, die um ihn herum schwebte. Er blinzelte, fokussierte sich auf sie und die Schatten hatten sich gelöst. Dann lächelte er schwach, schüttelte den Kopf. "Ich hab nur nachgedacht. Im Moment ist alles einfach ... sehr viel", erwiderte er. "Du siehst wundervoll aus."
Wundervoll, aber noch nicht vollkommen. Azura ging nun ihrerseits zum Schminktisch, frisierte ihre Haare, dass ein kleiner Teil davon hochgesteckt war, sie dennoch eine jugendliche Mähne über ihren Rücken fallen ließ, so dass sich das Licht rotgolden auf ihren Strähnen reflektieren konnte. Anschließend steckte sie sich noch die Rabenfeder ins Haar, die zuvor am Ausschnitt ihrer nassen Kleidung befestigt worden war. Farblich passte sie nur bedingt zu ihrem ansonsten eher leichten Kleid - denn ihre Blau- und Brauntöne waren heller - aber ihr war es wichtig, die Nähe zu Corax dadurch noch einmal zu betonen.
"Trägst du nun mein Leid?", fragte er und legte den Kopf schief. Eine Feder allein reichte dabei sicherlich nicht aus. Azura hatte in ihrem Traum Corax gesehen, auf dem dunklen Thron und mit dem langen Umhang aus schwarzen Federn. Selbst jener würde nicht ausreichen. Es wurde Zeit, dass er alles mit Glück aufwog. Es wurde Zeit, dass sie sich auf den Weg machten. Der Rabe aber erinnerte noch einmal, dass man die Hausherrin nicht vergessen sollte. Gewiss würde Aquila wissen wollen, warum ihre Tochter erneut das Anwesen verließ und wohin sie ging. Vielleicht gäbe sie Corax sogar ein passendes Präsent mit auf den Weg? Sie als Adlige kannte sich damit aus, was die Etikette verlangte. Azura hingegen wusste um die richtigeren Worte: "Ich glaube, du bist selbst das Geschenk."
"Meinst du ... jemand Anderes aus dir und meinen Freunden freut sich ... mich zu sehen?" Ihm brach das Herz auf. Tränen glitzerten in seinen Augenwinkeln. Er kämpfte darum, dass sie nun nicht die Wangen herunterliefen, musste sie letztendlich aber fortwischen. Für ihn bedeutete es viel, dass er anderen etwas bedeutete und nicht bloß Sklave, Werkzeug und Spielball für unheimliche Wesen war, die er Zeit seines Lebens als seine Familie angesehen hatte. Nein, er besaß eine richtige und sie kennen zu lernen wurde immer greifbarer.

Azura machte sich mit Corax auf den Weg. Sie öffnete ihm die Tür und gemeinsam verließen sie den Flügel, der ihrer Mutter zugeteilt war. Sie fanden sie nach wie vor im blauen Salon vor, in den Azura sich so gern zurückzog und der von der Plünderung verschont geblieben war. Ausschließlich Aquila van Ikari befand sich noch dort. Madiha, Caleb und Jakub hatten das Haus längst verlassen. Azuras Mutter hatte sich die Zeit genommen, das genutzte Geschirr zusammenzutragen und im Rollwagen unterzubringen. Jetzt saß sie auf den weichen Polstern im Erker und blickte hinaus auf das Regen verhangene Grundstück.
Als ihre Tochter zusammen mit Corax den Salon betrat, wandte sie den Kopf um, so dass die Fenster in ihrem Rücken lagen. Sie hob beide Brauen, denn sie erkannte sehr wohl die Aufmachung, die beide trugen. In ihrem Gesicht fand sich allerdings keine Note von Zorn oder Unmut, nicht einmal als sie Corax betrachtete. "Es steht euch", kommentierte sie und nickte dabei vor allem Azura zu. In ihren Augen lag etwas Fragendes, aber sie stellte keine. Corax jedoch beantwortete, was zwischen ihnen in der Luft hing.
"Azura hat sich etwas beruhigen können ... Herrin. Wir ... wollen meine Famlie aufsuchen."
"Natürlich", nickte Aquila erneut. "Ihr solltet sie nicht warten lassen. Das haben sie offenbar lange genug. Mir kam der Name Faelyn unter die Ohren. Er fiel schon gelegentlich, wenn ich Nahrung auf dem Markt kaufen war. Allerdings riefen ihn Gerüstete mit Feensymbol auf den Wappenröcken. Ihr ... seid hoffentlich nicht in Schwierigkeiten?"
Corax schaute zu Azura herüber, ob sie möglicherweise mehr wusste. Sie hatte ihm den Beutel mit dem Feenwappen gezeigt und er darin das Haus Faelyn erkannt. Wusste sie eventuell noch mehr? Falls ja, wäre nun die Gelegenheit dafür. Man konnte es aber auch einfach herausfinden, indem man sich nun auf den Weg zu jenem Anwesen machte, das Madiha Corax genannt hatte. Früher oder später erfuhren sie schon, wie das Verhältnis zwischen Corax und seiner Familie aussehen würde.
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Azura » Samstag 13. April 2024, 20:23

Im Gegensatz zu ihrem Raben war sie derartige Kleidung gewohnt und wusste sich normalerweise in jedem Ensemble irgendwie wohlzufühlen. Auch wenn sie normalerweise entweder viel mehr Haut zeigte, um zu glänzen und begehrenswert zu erscheinen, oder so wie zuvor in alltäglichen, zweckmäßigen Schnitten. Jetzt hingegen ging es darum, hübsch zu sein und dennoch nicht zu auffällig, um im Hintergrund bleiben zu können. Das war eine neue Position und sorgte dafür, dass es ihr ähnlich erging wie ihm.
Nicht nur, dass sie ungefragt ein Kleid ihrer Mutter angezogen hatte, um diese Rolle angemessen einnehmen zu können. Nein, sie fühlte sich mit einem Mal irgendwie auch befangen. Denn hier ging es bald darum, einen guten Eindruck zu machen, um neue Bande knüpfen zu können und ihrer Familie zu helfen, indem sie Bedeutung zurück erlangten. Außerdem wollte sie sich gar nicht die Probleme ausmalen, die auf Corax warten würden, würde sie den Ansprüchen seines Vaters nicht genügen. Oder gar, welche Folgen das für sie haben würden, sollte er sich deswegen von ihr abwenden...
Somit musste sie das Beste aus sich machen, was sie alleine zustande brächte, um auf ihre Weise dennoch zu glänzen. Doch sie war nicht vollkommen allein und seine Hände waren geschickt darin, ihr beim Ankleiden zu helfen. Aber es machte sie auch verlegen, weil es ihr vor Augen führte, dass sie selbst dafür Hilfe benötigte. Noch dazu eine, die er früher aus Pflicht heraus getan hatte.
Es war ihr unangenehm und sie fragte sich unwillkürlich, was er inzwischen über sie denken mochte. Vor allem aufgrund der Blicke, die er ihr zuwarf. Obwohl sie befürchtete, es könne zu erneuten Kränkungen kommen, musste die Frage einfach gestellt werden, was mit ihm los war. Oder eher, was mit ihr nicht mehr stimmte, dass er sie derart anstarrte.
Passte ihr das Kleid nicht? Glänzte sie nicht ausreichend, um ihn zu begleiten? War ihr Gesicht zu verquollen und gerötet vom Weinen?! Unsicher wagte sie es kaum, zu ihm hinzusehen, zu diesem stattlichen Mann, der nun auch äußerlich viel besser wirkte, als sie es wohl derzeit vermochte. Vielleicht auch nie wieder nach all dem, was sie erlebt hatte...
Als sie endlich ihren Blick heben konnte, blinzelte er und schenkte ihr ein kleines Lächeln. Leicht nickte sie. "Dieses Gefühl kenne...", wisperte sie.
Dann knickste sie bei seinem Kompliment. "Danke. Ich bemühe mich, dir und dem Hause van Ikari Ehre zu machen.", gestand sie weiterhin mit ungewöhnlich leiser Stimme und ging zu dem Schminktisch, um ihr Erscheinungsbild zu vervollständigen.
Bei ihrer geröteten Haut ließ sich nicht viel machen, denn mit Schminke kannte sie sich zu wenig aus, um sie selbst anlegen zu wollen, und die Zeit wollte sie sich dafür ebenfalls nicht nehmen. Somit baute sie auf die kühlende Wirkung des Regens draußen. Bei ihrem Haar jedoch konnte sie ein bisschen nachhelfen und es zu einer schlichten, aber angemessenen Frisur hochzustecken.
Als sie seine gefundene Feder in der Mähne platzierte, bemerkte er es. Im Spiegel suchte sie seinen Blick, der ihre traurig und zugleich auch entschlossen. "Ich denke nicht, dass ich stark genug dafür bin.", erklärte sie ihm und drehte sich langsam um. "Doch wenn du erlaubst, will ich versuchen, dich zu stützen.", fuhr sie fort und meinte es so, wie sie es sagte.
Daraufhin wollten sie aufbrechen, auch wenn es noch etwas zu klären gab. Wie richtig ihre Worte waren, die für sie der Wahrheit entsprachen, wie sehr sie ihn damit berührte, bemerkte sie erst, als er bereits reagierte. Ein feines, warmes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen und die Erinnerung an die Bilder seiner Entführung traten vor ihr inneres Auge. Daran, wie sehr in diesem kurzen Moment des Entdeckens Eltern gelitten hatten, weil sie ihr Kind geliebt hatten.
Das gab ihr die Kraft, zu ihm zu treten und ihm die Hand auf die Wange zu legen, seinen Blick zu suchen. "Ich glaube, da gibt es viel Hoffnung und den Wunsch, dich sehen zu können, weil du vermisst wirst."
Damit machten sie sich auf den Weg zu ihrer Mutter, um nicht einfach zu verschwinden und ihr neue Sorgen zu bescheren. Dass die Hausherrin ganz allein im Fenstererker saß, ließ die Tochter kurz innehalten und schlucken. Es traf sie, die andere so sehen zu müssen, ohne dem Mann an ihrer Seite, mit dem sie so glücklich gewesen war in den vielen Jahren. Oder wenigstens der ein oder anderen Freundin, die mit ihr die Zeit verbrachte. Allerdings musste sie das jetzt hintan stellen, denn sonst hätte sie versucht sein können, bei Aquila zu bleiben, damit diese nicht derart einsam wäre, anstatt Corax beizustehen, worum er sie gebeten hatte. Trotzdem war es nicht leicht, während sie langsam näher kamen.
Bei den Worten senkte die Jüngere den Blick. "Verzeih', dass wir dich zuvor nicht gefragt haben.", bat sie leise, fast schon kleinlaut. Eigentlich hätte sie tatsächlich im Vorfeld die Erlaubnis eingeholt, ob sie so etwas Bedeutsames wie diese Kleidung tragen dürften, jedoch war ihre Sorge vor einer Ablehnung und der Wunsch, ihren Raben derart nobel gekleidet zu sehen, zu groß gewesen, als dass sie dieses Risiko hätte eingehen wollen.
Als Corax daraufhin das Wort ergriff, presste sie einen Moment lang die Lippen etwas fester aufeinander, dann hatte sie sich wieder gefasst. Soweit sogar, dass sie endlich aufsehen konnte. Leicht schüttelte sie den Kopf. "Nein, keine Schwierigkeiten. Die Gerüsteten sind eher... Begleitung." Zumindest hatte sie diesen Eindruck damals gehabt, als sie an ihrem Lieblingsfleckchen auf den anderen Corax... oder eher seinen Bruder gestoßen war.
Ihr Blick wanderte zu ihrem Raben und in ihren Mundwinkel schlich sich die Ahnung eines kleinen Grinsens. "Bestimmt lässt sich nur so der Bewerberinnen Herr werden.", bemühte sie sich um einen Scherz und ein verstecktes Kompliment, weil dieser andere Dunkelelf schließlich ebenso gut aussah wie das Original.
In diesem Moment fiel ihr ebenfalls der Beutel ein, den sie bei dieser Gelegenheit entdeckt und an sich genommen hatte. "Oh!", entfuhr es ihr und sie machte große Augen. "Ich... ich... ich muss noch schnell etwas holen. Bin gleich wieder da und dann können wir gehen!", wandte sie sich an Corax und ehe sie aufgehalten werden konnte, eilte sie hinaus.
Den Rock mit den Fingern gekonnt gerafft, lief sie die Treppe hoch zu ihrem Zimmer und darin bis zu dem kleinen Wäscheberg, den sie gestern noch getragen hatte. Ungeachtet dessen, dass sie die einzelnen Stücke zu Boden fallen ließ, um schneller fündig werden zu können, wühlte sie in dem Stoff, bis sie einen triumphierenden Laut ausstieß.
Mit einem siegessicheren Funkeln in den Augen hielt sie den Beutel einen Moment lang hoch. Dann warf sie einen Blick hinein und atmete auf, weil sogar der Inhalt unversehrt geblieben zu sein schien. Zufrieden nickte sie sich selbst zu, befestigte den Fund an ihrem Kleid, um im nächsten Atemzug auch schon wieder zurück zu eilen.
Ein wenig außer Atem und mit einem schiefen, entschuldigenden Grinsen gesellte sie sich zurück zu den beiden anderen und sah zu Corax. "So, jetzt bin ich soweit. Gehen wir?"
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Re: Das Anwesen der Familie van Ikari

Beitrag von Erzähler » Samstag 20. April 2024, 10:07

Corax war noble Kleidung nicht fremd. Es kam in seinem Leben bisher nur nicht vor, dass er sie am Leib trug, anstatt über dem Arm, während er darauf wartete, seine Herrschaft einkleiden zu dürfen. Nicht bei jedem Herren, dem er hatte dienen müssen, war edle Kleidung vorausgesetzt. Als Küchenjunge unter herrischer Orkhand gab es nur die Kochschürze, speckige Hemden und eine nach Essensresten stinkende Hose und alles hatte Corax nach einem harten Tag eher aus- statt anziehen müssen. An diese Momente seines Lebens erinnerte er sich nur ungern zurück.
Als Sklave der morgerianischen Schneiderin jedoch hatte er viel über Kleidung gelernt, durfte teilweise sogar Kleinigkeiten selbst nähen, aber auch dort hatte er seine Werke niemals tragen dürfen. Jetzt solche noble Mode an sich selbst zu sehen fühlte sich für ihn mehr als ungewohnt an. Entsprechend steif nahm er mit Azura zusammen den Weg zu deren Mutter. Nach wie vor wirkte er schweigsam und ein wenig in sich gekehrt. Auch Azura schien nicht ganz sie selbst. Als hätte sie all ihr Selbstvertrauen im blauen Salon mit ihrem Ausbruch gegenüber ihren Gästen ausgelassen, sprach sie nun eher leise. Corax nahm ihr fast schon scheues Verhalten zur Kenntnis. Es schien ihn aber nur noch nachdenklicher zu machen, ebenso wie ihre Worte. Sie wollte ihm und dem Hause van Ikari Ehre machen. Er presste die Lippen aufeinander, dass sie eine schmale und etwas hellere Linie auf seiner dunklen Haut bildeten. Doch nach wie vor schwieg er. Es gab reichlich nachzudenken. Jetzt jedoch sollte er sich erst einmal auf das Bevorstehende konzentrieren: das Treffen mit seiner Familie.
Auch Aquila van Ikari riet ihm dazu, als er zusammen mit Azura erneut den blauen Salon betrat, wo die Hausherrin nunmehr allein saß. In Azura rief es sofort Mitleid herbei. Sie sollte nicht allein hier sitzen. Jemand fehlte. Ihr Vater fehlte - Alycide van Ikari. Sie mussten ihn unbedingt aus seiner Notlage befreien! Nach wie vor war sie entschlossen dazu. Sie würde nicht hier zurückbleiben und die Füße still halten. Das konnte ihr keiner ausreden. Aber ehe erneut ihr Trotz hochkochen könnte, lenkte ihre Mutter die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Aufmachung beider. Sie musterte zunächst Corax, dann Azura. Natürlich erkannte sie die eigene Kleidung und auch die ihres Gatten sofort. Eine der fein gepflegten Brauen vollführte einen fragenden Bogen.
"Verzeih, dass wir dich zuvor nicht gefragt haben."
Aquila schüttelte minimal den Kopf. "Es steht euch beiden gut zu Gesicht", erwiderte sie und erteilte somit die indirekte Absolution. Auch sie wusste, dass man einem Adelshaus nicht in Lumpen unter die Augen treten konnte, verlorener Sohn hin oder her. Da hatten Mutter und Tochter ähnlich anerzogene Ansprüche entwickelt. "Nehmt euch aber wenigstens einen Schirm mit." Sie seufzte aus. "Venthas Laune bessert sich wahrlich nicht mehr." Die Hausherrin erhob sich, faltete ihre Hände vor dem Schoß. "Da die Dinge nun sind wie sie sind, mache ich es offiziell." Sie räusperte sich. "Das Haus van Ikari heißt jegliche Mitglieder des Hauses Faelyn, sowie deren Untergebene in seinen Wänden Willkommen - so ... spärlich sie aktuell auch sein mögen." Ihr Blick huschte noch einmal zu Azura. "Erinnerst du dich an unser Versteck für den Hausschlüssel? Der dritte Stein neben der Treppe? Ich werde ihn dort erneut hinterlegen, damit du jederzeit herein kannst. Meistens bin ich ja zu Hause, aber bald werde ich die Nahrungsvorräte aufstocken müssen." Sie sagte es nicht, aber man sah ihr Geldsorgen an. Offenbar waren eher finanzielle Mitel geplündert worden als Alltagsgegenstände, doch das machte das Überleben nicht leichter. Ohne ihren Ziehvater schlief auch der Handel und selbst wenn Alycide hier wäre, würde es nun als Menschen schwierig werden. Darum müsste Aquila sich ebenfalls alsbald kümmern. Vielleicht brachte sie zusammen mit Azura mehr neuen Mut dafür auf. Immerhin war nun ein Familienmitglied mehr zu ihr zurückgekehrt.
Doch gerade, als ihr diese Gedanken durch den Sinn schwirrten, verschwand ihre Tochter. Sie entschuldigte sich und eilte kurz zurück in ihr Zimmer. Es war unaufgeräumt und der süßlich schwere Geruch ihrer vergangenen Nacht mit Corax hing noch immer in der Luft. Sie suchte den Beutel mit dem Wappen des Hauses Faelyn, den sie gefunden hatte. Jenen wollte sie unbedingt mitnehmen. Ein kurzer Blick hinein offenbarte ihr nicht viel. Der Beutel war schon bei seinem Fund nahezu leer gewesen. Ein paar welke Blumen aus ihrem Lieblingspark lagen darin zusammen mit den Phiolen mit den leuchtenden Flüssigkeiten, sowie kleine Reste von wohl duftenden Kräutern. Auf der Innenseite des Stoffbeutels glitzerte es silbrig, als hätte sich etwas Staub in die Maschen verfangen. Mehr fand sich darin jedoch nicht. Es genügte. Sie könnte sicher Eindruck schinden, wenn sie das Hab und Gut zurückbrachte, das Corax' Bruder offenbar verloren hatte. So ausgestattet kehrte sie zu ihrem Raben zurück und beide machten sich mit einem letzten Abschied für Aquila fertig, das Heim zu verlassen, um jenes con Corax' Familie aufzusuchen.

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