Ritual im Park

Sämtliche Straßen Andunies sind gepflastert und von schönen kleinen Häusern gesäumt. Meist Fachwerkhäuser, aber auch mal eine prächtige kleine Villa. Nur die ärmeren Bezirke der Bettler und Halunken sollte man meiden.
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Ritual im Park

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 12. Oktober 2023, 20:37

Azura kommt von Die Wasserakademie -> Eine Lehrstunde in Sachen Magie

Corax ließ Azuras Hand nicht los. Den ganzen Weg hinaus aus ihrem gemeinsamen Zimmer, die Korridore entlang, hinunter vom Akademiegelände und durch die Straßen Andunies hielt er sie fest. Mittlerweile war der Morgen angebrochen, wenngleich das Tageslicht sich in Grenzen hielt. Ventha schien der gesamten Stadt zu grollen, aber wenigstens gewitterte es nicht mehr. Regen blieb ebenfalls aus, aber die Luft war erfüllt von einem nicht allzu dichten, trotz allem aber feuchtem Nebel. Die winzigen Tröpfchen legten sich auf Kleidung und Haut, dass beides sich unangenehm klamm anfühlte.
Kjetell'o hatte zum Glück vorgesorgt und so trug jedes Mitglied des Trios einen schützenden Kapuzenmantel vor der Witterung. Azura verbarg er zusätzlich vor den neugierigen Blicken einiger Passanten. Sowohl Andunier als auch Dunkelelfen waren darunter. Letztere befanden sich auf Patrouille, während erstere ihrem Tagwerk nachzugehen hatten. Ob es am Wetter lag, dass die gesamte Stadt irgendwie düsterer wirkte? Es war so grau, kein bisschen fröhlich. Etwas Farbe stellte sich erst ein, als die Gruppe den Park des Schneeglanzes erreichte. Jetzt konnte Azura auch die zahllosen blauen Blüten sehen. Wie ein ins Beet gepflanztes Meer wiegten sich die Blumen sanft hin und her. Dazwischen wuchsen Zierbüsche und von Zäunen umrahmte Bäume. Letztere müssten mal wieder etwas gestutzt werden. Viele Äste hingen tief über die Kiespfade, welche früher oder später allesamt zum Zentrum mit dem großen Springbrunnen führten. Dorthin aber war die Gruppe nicht unterwegs, so sehr Azura es sich vielleicht auch als Ort des Rituals wünschte.
"Der Springbrunnen klingt verlockend, aber er ist in der Mitte des Parks, nicht wahr? Selbst bei dem unliebsamen Wetter kann es passieren, dass Spaziergänger vorbeikommen", argumentierte Kjetell'o und schlug daher einen anderen Weg ein. Mittlerweile führte er an, ließ sich jedoch durchaus von Azura leiten. Er suchte nämlich ein abgeschiedenes Fleckchen im Park und die Andunierin kannte mehr als einen. Da gab es die romantische Bank für Liebespaare. Sie war steinern und geschützt durch einen halbrunden Steinpavillon, der mit reichlich Efeu bewachsen war. Gegenüber der Bank fand sich ein Vogelbad unter einem Baum. Zahllose Paare hatten die Rinde der Pflanze arg beansprucht, indem sie Herzen und Initialen hinein geritzt hatten, bis nahezu kein Platz mehr zu finden war. Seither lag dort auf einem Steinpodest ein Kästchen mit Pergamenten, Tinte und Feder aus. Paare konnten Namen und Wünsche für ihr Liebesglück notieren, mit einem Efeustrang versiegeln und in ein großes Astloch des Baumes legen. Angeblich sollte das Glück bringen.
Den anderen möglichen Ort, den Azura mit ihren Begleitern wählen könnte, wäre der verschlungene Pfad. Nur wenige kannten ihn und im Grunde war er nicht mehr wirklich Teil des Parks. Hier war die Parkmauer nach einem heftigen Regen eingebrochen und eine Böschung herab gerutscht bis zu einem natürlich gebildeten Tümpel. Hohes Schilf verbarg jene, die sich am kleinen Wasser niederließen, vor neugierigen Blicken. Ein umgestürzter, moosbewachsener Baumstamm bot sogar eine Sitzgelegenheit. Die wenigen Andunier, die diesen Fleck wählten, suchten ihn für persönliche Ruhe. Nur einmal hatte Azura ihn nicht aufsuchen können, weil ein Paar am Teich ein Picknick gemacht hatte, aber jetzt würde sich dort wohl kaum jemand einfinden. Sie hatte die Wahl, wohin es mit ihren beiden Männern gehen sollte und wo sie sich sicherer fühlte, das Ritual zur Wiederherstellung ihres alten Ichs durchführen zu lassen.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Azura » Samstag 14. Oktober 2023, 20:30

Nach allem, was sie in kürzester Zeit hatte durchmachen müssen, war es vermutlich kein Wunder, dass sie sich nach dem Alten, dem Vertrauten zurück sehnte. Nach jenem goldenen Käfig, in dem sie sich in all den Jahren relativ gut zurecht gefunden und darin auch behauptet hatte. Allerdings war auch sie nicht mehr die Alte, jene junge Frau von vor einigen Wochen, die sich damit auch zufrieden geben konnte.
Was hatte sie damals von ihrem Leben erwartet? Einen Ehemann, im besten Falle einen, der schon älteren Semesters und trotzdem noch ansehnlich wäre, eine Handvoll gesunder, strammer Kinder, die ihr ganzer Stolz wären, und genügend Geld, um sich ihren Alltag so angenehm wie möglich zu gestalten. Und nun? Wie hatte sich das gewandelt? Sie war sich nicht ganz sicher und wirklich Gelegenheit, darüber genauer nachzudenken, hatte sie bislang ebenfalls nicht gehabt. Hinzu kam auch eine diffuse Furcht davor, weil es sie erst recht wieder ins Ungewisse, Unbekannte stürzen könnte.
Was ihr jedoch klar war, war der Umstand, dass sie ihre zwangsläufig gewonnene Freiheit nicht dermaßen rasch wieder aufgeben würde. Mochte sein, dass sie durch ihre Entjungferung beschädigte Ware auf dem Heiratsmarkt wäre, und mochte auch sein, dass sie allmählich zu alt für die erste Ehe wäre. Das änderte nichts daran, dass sie sich durchaus vorstellen könnte, sobald ihre Eltern in Sicherheit und beisammen wären, erst einmal ein wenig auf Reisen zu gehen. Fort aus dem besetzten Gebiet und dorthin, wohin der Zufall sie tragen würde.
Im Moment allerdings hatte sie anderes, das sie beschäftigte. Nach langem Zögern war sie eben doch zu der Einsicht gelangt, dass es Zeit für das Ritual werden würde. Dafür benötigte sie die Unterstützung des Waldelfen ebenso wie jene ihres Liebsten.
Diesen mussten sie allerdings erst einmal wecken. Es war nicht schwer und dennoch überließ sie es lieber dem anderen, um Corax mit ihrem Gestank, der vermutlich noch an ihr haftete, nicht sofort wieder in die Ohnmacht zu schicken. Stattdessen sammelte sie alles und noch ein bisschen mehr zusammen, das sie benötigen würden.
Dabei waren ihre Gedanken auch auf den künftigen Ort des Geschehens gerichtet, jenen speziellen Park, in dem sie am Vortag auf den Doppelgänger ihres Raben gestoßen war. Ob sie ihn erneut dort zu treffen hoffte, ja, es sogar womöglich wollte? Ja, das könnte sein. Wenngleich für sie im Vordergrund die Ähnlichkeit zu Corax stand und keine anderen Überlegungen, weil er körperlich unversehrter war. Schließlich hatte der Dunkelelf sie nicht allein ob seines Äußeren erobert, sondern vielmehr mit seiner Art. Zwar spielte seine Erscheinung ebenfalls eine Rolle, das konnte und würde sie nicht abstreiten, aber es war nicht ausschlaggebend für sie gewesen. Tatsächlich war sie weniger oberflächlich, als man es ihr wahrscheinlich zutrauen würde, vielleicht sogar nicht einmal sie selbst, wenn sie sich mehr damit befassen würde und könnte.
Ihre Entscheidung für den Park hingegen war hauptsächlich damit zu begründen, dass sie dieses Fleckchen innerhalb Andunies so gerne besucht hatte, schöne Momente und vor allem Ruhe damit verband. Und sie musste sich entspannen und auf das Ritual konzentrieren können, davon ging sie aus. Deswegen wäre es dort vermutlich ideal. Dennoch erklärte sie sich nicht, keinem von den beiden.
Stattdessen nahm sie einige Momente lang nur ihren Liebsten wahr, vergaß beinahe die Anwesenheit ihres möglichen Erzeugers und freute sich darüber, dass er ihr trotz allem noch immer so vorbehaltlos nahe kam. Ein kleiner Kuss von ihrer Seite entlockte ihm ein Raunen, das ihr einen wohligen, leichten Schauer über den Rücken jagte. Die feinen Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf und ihr Herz pochte eine Nuance schneller. Wenn sie nur endlich wieder so wäre wie früher und sie ungestört hier sein könnten! Aber leider war es noch nicht so weit.
Obwohl er alles daran zu setzen schien, sie vergessen zu lassen, wie sie gerade herum lief. Dennoch blieb die Unsicherheit, so sehr sie es zu überspielen suchte. Seine Erwiderung mitsamt seinem Grinsen ließ sie sich auf die Unterlippe beißen. Und als er dann auch noch sich zu ihr beugte und ihr ins Ohr raunte, da konnte sie ein scharfes Luftholen durch die Nase nicht vermeiden. Ihr Puls ging schneller und sie musste mehrmals schlucken. Die passenden Worte wollten ihr partout nicht einfallen, um ihm einen Konter zu geben.
Dadurch ging er in diesem kleinen Duell als Sieger hervor und sie war sich sicher, dass ihm das genauso auffallen würde wie ihr. "Das kriegst du zurück!", nuschelte sie in sich hinein und merkte, dass es allmählich Zeit zum Gehen wurde.
Das wollte sie auch, schließlich ging es um sie und darum, diesen unseligen Fluch endlich von ihr zu nehmen. Das Problem daran war jedoch, dass die Angst in ihr hochstieg und damit vor allem die Sorge vor einem Scheitern. Wobei es nicht unbedingt daran hing, dass sie den Fähigkeiten des Waldelfen nicht traute, dazu kannte sie ihn zu wenig. Vielmehr war es die Furcht davor, dass sie zu dritt einfach nicht stark genug wären, um gegen diese Macht, die ihr Aussehen derart zerstört hatte, angehen zu können. Die Frage also, was sie dann noch tun könnte, drängte mit aller Kraft nach draußen.
Während der eine die Luft bis zu ihren Ohren hin hörbar einsog und die Arme vor der Brust verschränkte, was ihre Angst nur noch schürte und ihr sogar die Tränen in die Augen trieb, da stand ihr der andere weiterhin zur Seite. Ja, mehr noch, er bildete für kurze Zeit eine Art Glocke mit seinem Federkleid, hüllte sie beide ein und bot ihr einen geschützten Raum. Doch im Gegensatz zu letztens, als er ihr einen Moment vollkommenen Glücks in all seinen zahlreichen Farben geschenkt hatte, war es diesmal hauptsächlich Dunkelheit. Sie fühlte sich darin durchaus geborgen, vor allem, weil seine Augen als Lichtpunkt ihr zeigten, dass er bei ihr war. Allerdings konnte es sie eben lediglich bewahren und nicht ihr den Mut geben, nach vorne zu sehen.
Leise hörte sie seine ruhigen Worte, welche die Tränen in ihren Augen nur verstärkten. Langsam hob sie ihre Hand, während er ihre andere drückte, und tastete sich blind bis zu seiner Wange, um die Fläche dorthin legen zu können. "Ach, Corax...", wisperte sie mit zittriger Stimme. Sie würde ihm ja gerne glauben, sich an seine Sicht halten und bemühen, es auch so wahrzunehmen. Jedoch... es fiel ihr schwer, so unglaublich schwer.
Mit einem Mal löste er die Glocke wieder auf und gab ihren geschützten, isolierten Raum zu zweit frei, sodass das Licht erneut bis zu ihnen gelangen konnte. Leicht geblendet, schloss sie ihre Augen und wandte sich dabei instinktiv ein wenig von ihm ab, um verstohlen die einzelne Träne wegzuwischen, die an ihrer Haut entlang gelaufen war.
Ehe es für sie noch unangenehmer werden und ihre Unsicherheit noch mehr verstärken würde, mischte sich der Waldelf ein und bot ihr damit einen Ausweg, den sie dieses Mal annahm. Sie sah zu ihm hin und deutete ein Nicken an. Trotzdem benötigte sie noch mehrere tiefe Atemzüge und den Halt der Hand ihres Liebsten, um schließlich den Schritt wagen zu können. Der Erste war am schlimmsten, der Zweite ebenfalls noch eine Herausforderung, doch sobald sie das Zimmer verlassen hatte, zeugte nur noch ein leichtes Zittern ihrer Finger den gesamten Weg über davon, dass es ihr nicht leicht fiel.
Lediglich einmal kurz löste sie ihre Hand von der dunklen, um sich den Mantel um die Schultern zu legen. Den Verschluss richtig ineinander greifen zu lassen, war wahrlich nicht leicht und sie atmete unwillkürlich auf, als sie es nach mehrmaligen Versuchen endlich geschafft hatte. Die Kapuze war weniger schwer über zu ziehen und das soweit, dass sie auch ihr Gesicht zu einem Gutteil verbarg. Danach griff sie hastig wieder nach Corax' Hand und ließ sie bis zu ihrem Ziel nicht mehr los.
Auf dem Weg gab sie sich wortkarg und war in ihre eigenen Gedanken versunken, denn den Pfad kannte sie ab einem gewissen Punkt außerhalb der Akademie wie im Schlaf. Noch immer beschäftigte es sie, was sie passieren würde, wenn es nicht gelänge. Was sollte sie dann noch tun? Wie könnte sie Ventha erreichen, um ihr Wohlwollen und ihre Hilfe erneut zu erhalten? Würde die Göttin sich überhaupt noch darauf einlassen wollen?
Als sie den Park erreichten und sie zum ersten Mal kurz innehielt, fiel ihr Blick auf die blaue Blütenpracht, die diesem Ort seinen Namen verliehen hatte. Leise seufzte sie auf und streckte den Arm aus, um mit ihren Fingerspitzen behutsam über die samtige, vor Nässe glitzernde Schönheit zu streichen.
Es war vertraut, es war... wohltuend. Zwar konnten auch diese Pflanzen nichts tun, ihr nicht mit irgendeiner Magie helfen, um das Ritual zu bestehen. Aber sie weckten schöne Erinnerungen in ihr und halfen damit ihren Gedanken, ein bisschen zur Ruhe zu kommen. Auf diese Weise etwas gestärkt, wollte sie tatsächlich wieder die Führung übernehmen und ihre beiden Begleiter direkt zum Brunnen führen. Dort plätscherte immerhin das Wasser, ihr eigenes Element, und würde ihr eine Stütze sein können.
Doch der Waldelf bremste sie, noch ehe sie dieses Ziel erreicht hatte. Azura hielt inne und sah ihn einen Moment lang überrascht an, bis sie begriff, was er gesagt hatte. Mehr noch, dass er damit recht haben könnte. Ihre Wangen färbten sich ein wenig und sie biss sich auf die Unterlippe, während sie ihren Blick senkte. Daran hatte sie nicht gedacht! Dabei lag dies in ihrem ureigensten Interesse...
Sie straffte ihre Haltung wieder und sah erneut zu ihm, um ein Nicken anzudeuten, als Zeichen, dass sie verstanden und akzeptiert hatte. Also schlugen sie einen anderen Weg ein, sie folgte ihrem möglichen Erzeuger und überlegte dabei, welches Fleckchen besser geeignet wäre.
An einer Gabelung wandte er sich nach links, da hatte sie eine Idee. "Nein, andere Seite.", warf sie leise, beinahe schon ungewohnt schüchtern ein und deutete auf den rechten Pfad. "Dort ist es besser.", fügte sie noch hinzu und nun war sie es, die voran schritt.
Denn sie wollte nicht zu dem Liebesplätzchen, nicht, wenn der Waldelf dabei wäre. Vielleicht bei einer anderen Gelegenheit, wenn sie mit Corax allein hierher käme und sie die Chance zu einem kleinen Glücksbringer nutzen wollten. Doch, auch wenn der Brunnen nicht der rechte Ort gewesen war, Wasser wollte sie trotzdem in ihrer unmittelbaren Nähe wissen.
Also führte sie ihre Begleiter zu dem Tümpel, der ebenfalls sehr abgeschieden lag und sie hoffentlich vor sämtlichen neugierigen Blicken bewahren würden. Sie löste ihre Hand von jener ihres Liebsten und teilte das Schilf vor sich, um hindurch bis zu dem umgefallenen Baumstamm treten zu können.
Erst dort hielt sie inne, drehte sich um und sah die Männer fragend an. Was würde als nächstes folgen? Oder wäre dieser Ort doch nicht geeignet und sie müssten weiter suchen? Niemand war hier und das Schilf in den letzten Wochen gewachsen, ohne regelmäßig zurecht gestutzt zu werden, so wie jede Pflanze in diesem Park. Somit wären sie halbwegs ungestört, soweit sie das beurteilen konnte.
Ansonsten müssten sie auf einen Privatgrund treten und das wollte sie vermeiden, so vorteilhaft es im Garten ihrer Familie auch wäre. Dort wiederum wäre für sie die Gefahr, so von ihrer Mutter gesehen zu werden, einfach zu groß. Nein, es musste einfach hier passen! Hoffte sie...
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 18. Oktober 2023, 16:21

Kjetell'o war Feuermagier und für shyáner Verhältnisse gesehen tatsächlich noch sehr jung auf seinem Gebiet. Er war gewiss kein Meister. Das wusste er, aber er kaschierte es, um Azura und Corax nicht noch mehr zu verunsichern. Darüber hinaus sah er das Potenzial des Raben. Dieser Dunkelelf händelte eine arkane Macht, die jenseits seiner eigenen Vorstellungskraft war. Mehr noch, er nutzte sie, ohne dessen Kern selbst zu kennen und erzielte damit doch so überwältigende Ergebnisse. Er gebrauchte eine Magie-Art, die Kjetell'o nicht vollends deuten konnte. Schelmenmagie? Grau oder bunt? Nein, es ging noch tiefer. Aber jetzt war nicht die Zeit dafür, sich über Corax Gedanken zu machen, wenngleich Azuras Wunsch ihm zu helfen überhaupt erst zum aktuellen Zeitpunkt geführt hatte. Es ging um die Adlige, seine mutmaßliche Tochter. Sie musste endlich wiederhergestellt werden. Lang genug hatte sie gelitten in diesem untoten Körper. Kjetell'o kaschierte auch hier seine Abneigung. Er sah Azura meistens in die Augen, weil er es kaum ertrug, den Rest genauer zu betrachten. Sie war von Fäulnis bedeckt wie ein schimmliger Schwamm. Ihre Haut wirkte fahler als jedes Leichentuch und der blanke Knochen, der an manchen Stellen hervorlugte, weckte Brechreiz bei dem Elfen. Er riss sich jedes Mal auf's Neue zusammen. Im Stillen war er seinem Mentor dankbar, ihn schon auf dem feuermagischen Weg zu einem meditativen Zustand gebracht zu haben, um die innere Ruhe zu bewahren. Das half ihm nun, in Azuras Nähe weder zu würgen, noch ihr sonst ein schlechtes Gefühl ob seiner Abneigung zu geben. Dass Corax seine mutmaßliche Tochter sogar küsste, erschreckte ihn. Es brachte dem Raben aber auch hohen Respekt seitens des Shyáners ein. Kjetell'o hätte sein Kind in ihrem aktuellen Zustand niemals mit den Lippen berührt, nicht so! Corax hingegen ignorierte es alles. Er schien es nicht einmal zu schauspielern. Er liebte diese Frau, ganz gleich wie sie aussah oder roch.
Er löste seine Hand nicht einmal von ihrer, als das Trio sich zum Park des Schneeglanzes aufmachte. Dort angekommen ließ Corax sich von Azura leiten. Er folgte ihr bis zu dem Blumenmeer, wo sie mit den Fingern über die regenfeuchten Blüten strich. Er trat seinerseits dichter hinter sie und in Ermangelung einer zweiten Hand nutzte er seine Lippen, um damit einmal über ihr Haar zu streichen wie sie es bei den kleinen Blümchen tat. "Hab keine Angst", säuselte er ihr leise zu. Er wusste, was in ihr vorging. Sie hatte es beiden Männern mitgeteilt. Möglich war es, dass sie das Ritual deshalb die ganze Zeit aufgeschoben hatte. Angst war mächtig, aber Corax würde nicht zulassen, dass seine Azura sich davon übermannen ließe. Er war bei ihr. Er hielt ihre Hand. Er drückte sie leicht. Sie musste das nicht allein durchstehen. Kjetell'o würde das Ritual schon hinbekommen. Zumindest er hatte Hoffnung.
Azura führte beide Begleiter zum Tümpel herunter. Alternativ wäre noch die versteckte Bank für Liebespaare eine Möglichkeit gewesen, aber diese - so entschied sie - hob sie sich für einen Moment nach dem Ritual auf. Für sich und Corax, wenn sie seine Zuwendung endlich wieder würde genießen können, weil sie nicht länger eine vertrocknete Pflaume in Celcias Gärten wäre.
Das sanfte Plätschern des Teichs in der Nähe beruhigte Azura. Der Regen hatte aufgehört. Es hingen lediglich noch Wassertröpfchen als feiner, aber gut durchsichtiger Nebel in der Luft. Es machte alles ein wenig klamm, schenkte der Umgebung aber auch dieses Mysteriöse, das sie an ihrer Göttin Ventha schon immer geliebt hatte. Sie war nicht nur stürmisch oder zerstörerisch wütend. Auch sie konnte ihre magischen Geheimnisse haben. Der Fleck am Teich hier war ein solcher und er wirkte zauberhaft zwischen dem mannshohen Schilf. Über dem Wasser sprangen ein paar Insekten. Libellen saßen auf niedrigen Schilfstängeln und warteten auf besseres Wetter. Ein Fisch wartete darauf, dass die Halme noch tiefer hinab sanken, damit er die Beute schnappen könnte. Azura wartete auf den Beginn des Rituals. Sie nickte Kjetell'o zu, während sie all ihren Mut zusammennahm. Es war Zeit.
Der Shyáner war nicht unvorbereitet mitgekommen. Jetzt zeigte sich, dass er sich schon weitaus länger mit dem Ritual auseinandergesetzt hatte als seine beiden Begleiter zusammen. Er blickte zunächst hinter sich und schob das Schilf zurecht, damit auch niemand zufällig mitbekam, was sie hier am Tümpel gleich veranstalten würden. Dann zückte er einige hohle Holzstangen - Bambus für das Auge eines Kenners. Wo auch immer er solches Gehölz herbekommen hatte, nun packte er mehrere kleine Zweige davon aus und steckte sie zusammen wie Azura es in ihrer Kindheit mit hölzernen Bauklötzen oder Puzzleteilen getan hatte. Es war stets ein fröhliches Steckspiel zwischen ihr und ihrer Mutter gewesen. Die Bambusstangen aber sollten am Ende kein kunterbundes Bild oder einen hohen Turm ergeben. Kjetell'o schuf drei lange, hohle Stangen, die er ohne große Mühe in den schlammigen Boden stach. Anschließend zauberte er noch drei Metallhaken hervor, die er in die oberen Löcher der Stangen stopfen konnte. Als nächstes folgte ein halb durchsichtiges Tuch, das den liegenden Baumstamm vor weiteren Regengüssen schützen würde. Kjetell'o spannte das Tuch zwischen die drei Bambusstangen auf. Man konnte den Himmel weiterhin sehen, allerdings wie durch einen milchigen Schleier. Noch ein zweites Tuch kam zum Einsatz. Dieses legte der Elf auf dem Boden aus und deutete anschließend darauf. "Azura, du wirst während des Rituals hier liegen. Mach es dir so bequem wie möglich. Das wird alles sein, was du tun musst. Still liegen und die Augen geschlossen halten. Den Rest übernehmen der Leidträger und ich." Er nickte Corax zu, ehe er nach dem Säcklein mit den Tränenperlen verlangte. "Sie sind essentiell", erklärte Kjetell'o. "Es sind Fragmente aus Azuras Seele. Sie müssen zu ihr zurückgeführt werden und ... ich hoffe, dass meine Idee funktioniert. Da es Perlen sind, bezweifle ich, dass es helfen wird, sie zu verspeisen. Vielmehr erinnern sie mich an Schmuck."
"Ich mach das", bot Corax an und kniete sich bereits auf das Tuch, auf dem seine Liebste liegen sollte. Er schaute sie mit leuchtenden Augen an. Sie wusste, dass er mit Nadel und Faden befähigt war. Ob er sein Talent noch mit nur einer Hand würde durchführen können, blieb abzuwarten, aber er war gewillt dazu. "Leg dich noch nicht hin", bat er sie. "Lass mich dir das Haar hochstecken und die Perlen einfädeln. Du wirst wie eine Prinzessin aussehen." Jetzt lächelte er, über die hässliche Hülle ihres Untotendaseins hinweg. Für ihn war sie stets die Prinzessin, die andere nicht mehr sahen. Er würde niemals etwas Anderes mehr in ihr erkennen als das.
Sofern Azura sich auf seine Bitte einließ, begann Corax damit, die Perlen der Reihe nach in ihr Haar zu fädeln. Allein schaffte er es allerdings wirklich nicht, so dass Kjetell'o helfen musste. Der Shyáner hielt sich jedoch sehr bewusst zurück und berührte seine Tochter nicht mehr als nötig. Während die Männer so damit beschäftigt waren, die Andunierin herzurichten, erklärte er: "Ich habe leider kein Ritualbuch in der Akademie finden können. Natürlich nicht! Es ist eine Wasserakademie." Er schmunzelte. "Aber ich habe mir einige Notizen gemacht. Wir werden improvisieren. Azura ... Gebete an Ventha könnten helfen. Immerhin opfern wir ihr etwas, um ihre Unterstützung zu erhalten. Kennst du ein passendes, das du vortragen möchtest? Ich bin, was Ventha betrifft, nicht allzu bewandert. Aber ich könnte versuchen, Florencia und Phaun ebenfalls um Hilfe zu bitten." Er schaute zu Corax. "Leidträger, betest du Götter an, die wir ersuchen könnten?"
"Ich bezweifle, dass sie mir helfen würden - das haben sie noch nie getan", erwiderte Corax ohne eine Spur von Hass. Er blieb einfach bei den Tatsachen. Fakten und Erkenntnisse, die sich in über Hundert Jahren Missbrauch und einem Leben aus Leid entwickelt hatten. Er schaute stattdessen auf Azura herunter. "Ich kann andere Dinge erzählen, falls es hilft. Was auch immer dir die Furcht nimmt." Er neigte sich zu ihr, küsste ihre bleiche Haut ohne Zögern oder dabei die Nase zu rümpfen. "Ich kann dir das ganze Ritual über ins Ohr flüstern, dass ich dich liebe." Er würde es tun.
"Das könnte etwas bewirken", stimmte sogar Kjetell'o zu. "Das meiste aber muss von dir nun kommen, Kind. Es wird Zeit für das Opfer an die Götter. An deine Göttin. Ich bitte dich, lege dich nun hin und biete ihr dein Opfer dar. Bete, bitte, was immer Venthas Aufmerksamkeit erregt, dir in der Stunde der Not zur Seite zu stehen."
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Azura » Donnerstag 19. Oktober 2023, 14:28

Es war vermutlich das Glück der jungen Frau, dass sie keine Gedanken lesen konnte. Mehr noch, dass sie viel zu egoistisch und auf sich bezogen war, dass sie auch feinste Nuancen im Verhalten anderer, welche die wahre Meinung hätten verraten können, nicht bemerkte. Dadurch entgingen ihr gleich mehrere Informationen.
Zum einen, dass der Waldelf gar nicht dermaßen sicher in seinem Handeln war, wie er den Eindruck erweckte. Das hätte ihre eigene Angst noch viel mehr geschürt und womöglich dazu geführt, dass sie dem Ganzen doch keine Chance gegeben hätte. Da hätte ihr Rabe ihr gut zureden können, wie er wollte, sie hätte es einfach nicht über sich gebracht. So hingegen war sie zwar trotzdem voller Furcht, besaß aber ausreichend Kraft und konnte die Unterstützung ihres Liebsten annehmen.
Das andere, sehr viel schwerwiegendere wäre der Umstand, dass ihr möglicher Erzeuger sich in Wahrheit gehörig vor ihr ekelte. Und das, obwohl er ihr mehrfach schon äußerst nahe gekommen, sie erst vor kurzem sogar getragen hatte! Sie hätte es nachvollziehen können, definitiv, denn es erschien ihr wie eine logische Konsequenz aufgrund ihrer optischen Erscheinung mit all ihren Ausdünstungen. Es wäre viel natürlicher als Corax' Handeln, dem man ebenfalls so überhaupt nichts davon anmerkte, wie er in Wahrheit zu ihrem Aussehen stand. Jedoch hätte es sie, wenn der Waldelf es ehrlich gezeigt hätte, unendlich tief gekränkt und ihren Glauben in die Wirksamkeit des Rituals ebenso zerstört.
Zwar war sie inzwischen, zumindest in kleinen Schritten, über ihre Oberflächlichkeit hinaus ein wenig gereift. Trotzdem war es für sie noch immer essentiell, wie sie von anderen gesehen wurde, umso mehr, weil sie um ihre ehemalige Schönheit wusste und sich viel darauf eingebildet hatte. Sie litt unter ihrer Optik und das tat sie umso mehr, sobald es ihr jemand bestätigte, dass sie furchtbar aussah. Aber nicht mehr lange... theoretisch... so hoffte sie inständig!
Dennoch blieb die Angst, wie ihr Begleiter es vermutlich spüren würde, denn sie klammerte sich den gesamten Weg über an seine Hand mit ihren zittrigen Fingern. Bildete sie sich das ein oder war ihre Haut sogar etwas feucht von Schweiß? Oh, wie sie sich schämen müsste, ob ihrer Unzulänglichkeit! Wenn es nicht ihr Rabe wäre, der schon ganz anderes von ihr zu sehen und hören bekommen hatte, sie wäre noch mehr im Boden versunken.
Wie atmete sie auf, als sie endlich den Park erreicht hatten! Nicht mehr lange und dann wäre es soweit, hoffentlich...
Wenngleich sie einen kurzen Abstecher zu jenen Blumen machte, die diesem Ort ihren Namen gaben und wegen derer sie ihn stets so gerne aufgesucht hatte. Die Blüten waren einfach ein Traum, sowohl von der Farbe, als auch vom Gefühl, wenn man sie sanft berührte. Für einen flüchtigen Moment fühlte es sich beinahe wie früher an und ließ sie vergessen, was seitdem alles geschehen war. Solange, bis ihr Liebster an sie heran trat, sie berührte und auch ins Ohr wisperte. Ein feiner Schauer rieselte in ihrem Nacken bei seinem warmen Atem und hielt noch einen Herzschlag lang alles im Lot, bis ihr bewusst wurde, wie die Gegenwart derzeit für sie aussah.
Sie musste gegen das Schluchzen ankämpfen, das ihre Kehle hochkriechen wollte, und wischte sich verstohlen über die Augen. Indes drückte er ihre Hand und sie schenkte ihm einen dankbaren Blick.
Danach allerdings wollte sie weiter, hielt es anders nicht mehr aus. Nachdem der Platz beim Brunnen selbst nicht der geeignete war, entschied sie sich schlussendlich für das Ufer des kleinen Tümpels, das ebenfalls ausreichend Möglichkeiten für sie bot und auch die Verbindung zum Wasser herstellen konnte. Azura wusste nicht, ob dies eine Bedeutung für das Ritual hätte, aber für sie persönlich war dieser Umstand wichtig. Es war und blieb ihr Element und wusste stets, ihr Kraft zu vermitteln.
Das kleine Gewässer war etwas angeschwollen und die Wiese rundherum gut durchgeweicht, wie jeder schmatzend Schritt deutlich hören ließ. Doch daran störte sie sich nicht und erklärbar war es obendrein nach dem heftigen Regen. Allerdings würde es sie rasch auskühlen, schon jetzt fühlten sich ihre Füße trotz des schützenden Schuhwerks kalt an. Wie lange es wohl dauern würde, bis die Feuchtigkeit das Material durchdrungen hätte und ihren Körper erreichen würde?
Der feine Nebel, der sich hier stets sehr gut bilden und lange halten konnte, jedenfalls schlich sich schon jetzt in ihre Kleidung und ließ sie sich schnell klamm, an der Haut klebend anfühlen. Er machte sie frösteln... oder war es ihre Anspannung ob des Rituals?
Leise seufzte sie und schmiegte sich instinktiv Schutz suchend enger an Corax verbliebenen Arm. Das half ihr, den Mut aufzubringen, nicht wegzulaufen, sondern es durchzuziehen. Noch zumindest...
Also nickte sie dem Waldelfen zu und wartete darauf, was als nächstes folgen würde. Doch anstatt es ihr zu erklären, setzte er es kurzerhand in die Tat um. So konnte sie, an der Seite ihres LIebsten, an den sie sich zunehmend fester klammerte, zusehen, wie er eine Art Lager aufbaute. Ihre Stirn runzelte sich, denn so ganz erschloss sich ihr der Sinn seines Tuns nicht, aber sie wagte es nicht, währenddessen nachzufragen. Die Angst vor einer Erklärung und das damit verbundene Wissen war zu stark. Ohnehin ergab alles Sinn, sobald er fertig war und sich an sie wandte.
Schwer schluckte die junge Frau und spürte, wie ihr das Herz heftiger in der Brust hämmerte. "I... ich...", stammelte sie und wusste nicht recht, was sie tun sollte.
Einerseits wollte sie das Ritual und wenn es bedeutete, sich auf die Decke über dem schlammigen Boden zu legen, dann würde sie das auch tun. Andererseits jedoch... müsste sie dafür ihren letzten Halt los lassen, sich von seiner Wärme lösen und noch dazu die Augen schließen, auf dass sie ihn nicht einmal mehr ansehen könnte. Sie müsste sich diesen beiden Männern ausliefern und darauf vertrauen, dass sich danach alles zum Positiven verändert hätte.
Während sie noch mit sich rang und sich eben nicht lösen konnte, erfolgte die nächste Anweisung, die sie nicht einmal bewusst wahrnahm. Was wiederum den Vorteil hatte, dass sie ohne Nachzudenken gehorchte und den Beutel mit den Tränenperlen darin von ihrem Gürtel löste.
In diesem Moment beendete ihr Rabe den Körperkontakt und ging ihr voraus. Ein kleines Schluchzen entkam ihr, ehe sie die Lippen fest aufeinander pressen konnte, um jeden weiteren Laut zu ersticken. Selbst, wenn sie es nicht gewollt hätte, sie musste sich einfach hinsetzen, denn die Knie wurden ihr weich wie Butter in der warmen Mittagssonne. Es gelang ihr gerade noch halbwegs, das Tuch zu erreichen und sich nicht mehr mit Schlamm zu besudeln als nötig.
Scheu sah sie zu dem Dunklen hoch und hörte seine Worte. Ein kleines Nicken gelang ihr als Zeichen der Zustimmung, dann schossen ihr die Tränen in die Augen und sie senkte den Blick wieder. Sie zitterte vor Angst wie vor allmählicher Kälte und konnte es nicht unterdrücken. Dennoch rührte sie sich so wenig wie möglich, während die Männer an ihrer einst stolzen Haarpracht herum fummelten. Es fiel ihr schwer, sich in der Zwischenzeit auf das Gespräch zu konzentrieren, geschweige denn, dass sie sich hätte beteiligen können.
So dauerte es, bis sie reagierte und zuerst den einen, dann den anderen und daraufhin wieder den einen ansah. Nun, da seine einzelne Hand wieder frei war, griff sie mit ihren beiden danach. "Sei einfach da...", hauchte sie und rückte näher, weil sie sich wieder an ihn schmiegen wollte. Nur, dass dies nicht möglich war, wenn sie der Anweisung folgen würde.
Sie zögerte, zitterte stärker und nagte an ihrer Unterlippe, sichtlich damit beschäftigt, was sie jetzt machen sollte. Es dauerte einige gefühlte Ewigkeiten, bis sie die Kraft fand, sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Mit noch immer bebenden Fingern griff sie ein weiteres Mal an ihren Gürtel und löste die Schriftrolle, das Opfer, davon. Ehe sie sich allerdings wirklich hinlegte, verbarg sie ihr Gesicht noch einmal an Corax' Halsbeuge, versuchte, seinen ihm eigenen Duft tief einzusaugen und es als Erinnerung in der Nase zu behalten. Dann hauchte sie ihm einen Kuss auf die empfindliche Haut dort.
Danach löste sie sich und legte sich zögerlich endlich hin. Dabei klammerte sie sich an die Schriftrolle, die ihr Zittern aufnahm und auf diese Weise scheinbar überdeutlich zeigte. Doch sie konnte es einfach nicht unterbinden und nach einem kurzen Versuch gab sie es auch auf, weil es keinen Sinn machte. Stattdessen seufzte sie ergeben und nach einem letzten Blick zu den Beiden schloss sie schließlich die Augen. Trotzdem konnte noch eine letzte Träne unter ihren Lidern hervorquellen und die Haut hinunter kullern.
"Bitte, Ventha, hilf...", formten ihre Lippen lautlos den Beginn ihres Gebets. Sie machte es unbewusst, weil sie sich bemühte, gegen die Angst anzugehen und sich auf das zu konzentrieren, was sie tun sollte. "I... ich habe... ich habe hier, was du wolltest. Allerdings... allerdings möchte ich es dir als Opfer darbringen dafür, dass... dass du mir hilfst."
Azura fühlte sich unbeholfen, denn so wirklich hatte sie nie gelernt, in welcher Form sie zu ihrer Göttin beten sollte. Sie hatte es vielmehr, wenn sie es einmal getan hatte, als Gespräch gesehen und so war es auch jetzt. Ob das helfen würde?
Da kam ihr eine Idee, die womöglich dazu führen könnte, tatsächlich die Aufmerksamkeit der Stürmischen zu erregen, sofern diese gewillt war, sie überhaupt zu hören. Unwillkürlich huschte ein schiefes Grinsen über ihre Lippen, als baue sie darauf, dass die andere es von ihrem Reich aus sehen würde. "Oder benötige ich ein Schachbrett mit Figuren?", stellte sie die Frage gedanklich in den Raum und hielt im Anschluss daran mit bangendem Herzen den Atem an.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Erzähler » Samstag 21. Oktober 2023, 11:00

Das Ritual war vorbereitet - mehr oder weniger. Kjetell'o hatte sein Bestes gegeben. Ihm wäre ein trockenerer Ort lieber gewesen, ein andächtigerer. Vermutlich hätte er eine göttliche Anbetungsstätte, einen Tempel oder eine Halle in der Wasserakademie gewählt. Letztendlich war der Ort jedoch unerheblich und so wollte er Azura die Entscheidung lassen. Sie sollte und musste sich sicher fühlen. Angst wäre nur ein weiterer Faktor, das Ritual zu erschweren. Folglich hatte Kjetell'o sich weder quergestellt, noch seinen Missmut über die viel zu feuchte Umgebung mitgeteilt. Er blieb geduldig, still und konzentrierte sich lieber auf seinen Teil, den er nun abzuleisten hatte. Unter dem dreieckigen Unterstand waren Azura, Corax und auch er selbst wenigstens halbwegs vor der Nässe geschützt. Nach wie vor trugen sie die Wasser abweisenden Mäntel, aber darunter fühlte sich seine Haut kalt und klamm an. Im Geiste hoffte er, Florencia und Phaun würden ihm eine Erkältung ersparen. Sobald er wieder im Warmen wäre, gäbe es definitiv einen Kräutertee für den Hals, eine Tasse heiße Schokolade mit Sahne und Zimt zum Aufwärmen und ein Häppchen andunische Apfelmarmelade für die Seele. Seine Pläne ließen ihn sanft schmunzeln, während er Azura und Corax Zeit ließ, sich ihrerseits auf das Kommende vorzubereiten.
Gerade für die Betroffene war es nicht leicht. Je näher das Ritual selbst rückte, desto mehr klammerte sie sich an den verliebenen Arm ihres Liebhabers. Corax ließ es ohne jegliche Gegenwehr zu. Er neigte sogar einmal den Kopf, um Azuras Stirn zu küssen. Er blieb dicht bei ihr stehen und ließ ihre Hand natürlich von sich aus nicht los. Als sie sich endlich auf das Tuch legen sollte, hockte er sich ohne jegliche Aufforderung sofort neben sie. Er schaute auf sie herab, seine Rubinaugen glimmende Glutherzen in seinem dunklen Gesicht. Azura ergriff seine Hand mit ihren beiden und bat ihn, in ihrer Nähe zu bleiben. Corax nickte. "Ich werde dich nicht verlassen. Ich liebe dich." Er sagte es so oft, doch es verlor dadurch in keinster Weise die Bedeutung. Vielmehr schien es seine eigene Ansicht darauf nur zu verstärken. Jedes Mal, wenn die magischen Worte seine Lippen verließen, wirkte er sicherer. Er bestätigte sich, was längst Tatsache geworden war. Corax liebte Azura auf eine abgöttische, vielleicht schon gefährliche Art und Weise. Denn als sie mutmaßlich gestorben war, hatte es ihn beinahe zerstört. Er hätte sich gegen Madiha und Caleb gewandt, wären sie seiner Liebsten auch nur einmal falsch zu nahe gekommen. Er war bereit gewesen, einfach neben ihr auszuharren, bis auch er verging. Seine Liebe war immens ... konnte aber auch krankhaft ausgelegt werden.
Er blieb neben Azura sitzen. Selbst wenn sie seine Hand nicht mehr hielt, würde sie doch die Nähe zu seinem Schenkel spüren, konnte sich anschmiegen. Er war da. Er blieb da, auch als sie die Augen schloss. Und das war gut, denn Corax konnte sie nicht weiter halten.
"Leidträger, du musst mir zur Hand gehen."
"Ich ... habe nur eine."
Die Andunierin konnte Kjetell'o glucksen hören. Vermutlich lächelte Corax ob seines Witzes sogar etwas schief. Die Männer versuchten, die Situation zu lockern oder ihre eigene Nervosität zu überspielen. Es steckte aber auch aufrichtige Vertrautheit im Kern. Corax und Kjetell'o hatten einander in der Woche angenähert, in der Madiha und Azura außer Gefecht gesetzt waren. Ihr Rabe hatte sich ihrem Vater in gewisser Weise anvertraut. Das Band zwischen ihnen war gewachsen und schien aktuell mehr gefestigt als jenes, das durch Blut gehalten würde. Doch es war wichtig, dass es ihr Erzeuger war, der das Ritual nun durchführte. Es schenkte dem Ganzen noch mehr Bindung und kräftigte die faserigen Ränder seines Vorgehens, weil er weder Ritualmagier war, noch gefestigte Kenntnisse besaß, diesen Ritus durchzuführen. Kjetell'o improvisierte. Er ließ es sich nur nicht anmerken. So gab er Anweisungen. Azura sollte ihr Opfer zur Hand nehmen, ansonsten still liegen bleiben und die Augen geschlossen halten. Das schien wichtig zu sein und sie war gut beraten, sich daran zu halten. Dann sollte sie beten. Ventha war ihre Schutzpatronin während dieses Rituals. Für sie war das Opfer bestimmt, demzufolge musste sie angerufen werden. Doch nicht nur Azura wandte sich an ihre Göttin.
Nachdem Kjetell'o die Information erhalten hatte, dass Corax in Bezug auf einen nicht vorhandenen Glauben hier leider keine Hilfe wäre, versank er andächtig in eine Art Trance. Er konzentrierte sich auf seine eigenen Götter. Er wisperte ihren Namen in seiner Muttersprache und bat: "Florencia, Phaun. Ich führe dieses Ritual entgegen meiner eigenen Lehren durch. Ich wende mich gegen die Euren, um die Natürlichkeit des Verfalls aufzuhalten. Weist mich nicht ab, schließt uns nicht aus, denn der Zustand meiner ... meiner Tochter ist nicht natürlich. Helft mir, ihrem Körper und Geist die Schönheit zurückzugeben, die ihr von Natur wegen geschenkt worden sind. Sie ist euer Kind, ein Wesen Phauns, eine Blume Florencias. Ich bitte euch, lasst sie wieder erblühen."
Seine Worte woben sich um die Anwesenden. Auch wenn man Lyrintha nicht verstand, so lullte der zärtliche Klang ein, beruhigte und harmonierte mit dem leisen Rascheln des Schilfes, dem Plätschern der Regentropfen auf die Oberfläche des Tümpels und dem nahezu friedlichen Schwärmen des Windes. Letzterer war Ventha zugewiesen. Sie wurde angesprochen, dieses Mal von Azura.
Sie bat ihre Göttin um Hilfe, bot ihr die eingepackte Schriftrolle der Wassermagie als Opfer dar und flehte um ihren Beistand. Dann aber drang doch noch etwas ihrer Persönlichkeit durch, das nicht einmal der Gedanke ablegen konnte, sich an eine Gottheit zu richten. "Oder benötige ich ein Schachbrett mit Figuren?"
WUSCH!
Mit einem Rauschen kam die Antwort. Ein Regenguss, als hätte jemand direkt einen Eimer über das aufgebaute Lager ausgekippt und nur dort, prasselte vom Himmel herab. Ein Vorhang aus Wasser hüllte die Stelle ein, floss zu allen Seiten über den Boden, durchweichte die Erde, verwandelte sie in Schlamm und schwämmte sie sogar etwas unter den Anwesenden fort. Azura mochte den Niedergang des Regens nicht sehen, wohl aber die Bewegung unter sich spüren. Corax berührte ihr Handgelenk, packte jedoch nicht zu.
"Sie ist hier", hörte sie Kjetell'o noch sagen, bevor alles wie in Watte gepackt wirkte. Azuras Geist wurde von der Realität ausgeschlossen. Sie träumte nicht, denn das war Manthalas Domäne und doch schien sie sich wie in einer Vision in Schlaf zu befinden.

Es konnte sich nicht um Manthala handeln. Sie kleidete sich in Nebel und Nacht, tanzte unter dem Mond und spielte mit weißen Eulenfedern auf einem Feld aus schwarzen Rosen. Nichts von dem, was Azura vor ihrem geistigen Auge sah, traf auf Manthala zu. Blau. Sie war umgeben von einem beruhigenden Blau, Licht fiel von irgendwo oben herab, bildete mehrere Flecken in ihrer Umgebung. Sie durchdrangen das wunderschöne Blau, ließen es leicht grünlich schimmern, so dass die Farben immer mehr miteinander verliefen. Sie selbst schwebte. Nein sie schwamm! Es fühlte sich an, als wäre sie unter Wasser und tauchte, aber sie war in der Lage zu atmen. Vor dem Ertrinken brauchte sie sich nicht zu fürchten. Stattdessen durfte sie die Aussicht auf ein lachsrotes Korallenriff genießen. Zwischen Tang bewachsenen Felsen hob sich ein Thron aus diesen rosaroten Verästelungen empor und auf jenem ruhte sie, ihre Göttin. Ventha saß auf diesem Thron wie die Königin der Meere. Ihre Hautfarbe war schwer zu deuten, denn auf dieser Mischung aus mattem Blau und Grau schillerten unzählige Edelsteine und bildeten ein grünblau glitzerndes Schuppenkleid. Es bedeckte alles, was Männer gern bei einer Frau sahen. Zu den Beinen hin formten die Schuppen jedoch die Ausläufer eines wie Seide hin und her schwingenden Kleides, das ihre Beine komplett verhüllte. Die Illusion eines Fischschwanzes entstand oder besaß Ventha gar keine Beine? Azura konnte es nicht erkennen. Das Bild verschwamm, wenn sie zu lange darauf starrte. Aber es gab ohnehin genug zu sehen. Nicht enden wollendes Haar, grün wie Tang, waberte in die Umgebung hinweg. Winzige Fischschwärme verbargen sich dort und ließen sich nur durch eine zu schnelle Handbewegung aufscheuchen. Dann umkreiste ein Schwarm bunt glitzernder Tierchen die Göttin, ehe die Fische erneut Schutz in ihren Haaren fanden. Seesterne hingen darin wie der edelste Schmuck. Perlen waren mit einzelnen Strähnen verbunden, so wie Corax es bei seiner Liebsten und ihren Tränenperlen im eigenen Haar getan hatte. Auf allem trug die Herrin der Meere eine ganz besondere Krone. Auf ihrem Haupt ruhte nicht etwa ein Silber-Diadem oder eine dreizackige Goldkrone. Sie trug einen Oktopus! Ein achtarmiger, schwarzer Kraken hing wie eine ausladende Mütze auf ihrem Schädel. Seine Arme mit den tiefblauen Saugnäpfen tanzten um den göttlichen Leib wie ihre Haare. Gelegentlich streichelte das Fischwesen die Herrin, saugte sich an ihr fest. Dann kicherte sie und löste den frechen Fangarm von ihrer Haut. Schließlich aber erfassten ihre Augen Azura und sie sah die Tiefe des Meeres darin. Dunkel, fast schwarz blickte Ventha ihr in die Seele.
"Das Schachbrett war nicht meine Idee. Es ist eine Vorliebe des Gevatters", erklärte sie schlicht, ohne amüsiert oder verärgert über die Spitze zu sein. Dann neigte sie den Kopf. "Du hast immer noch nicht begriffen, warum ich nach der Schriftrolle suchte, nicht wahr? Nun gut ... ich erkläre es dir. Es wird wohl das letzte Mal sein, dass ich so direkt zu dir spreche. Ich bin schon zu oft aufgetreten als es für eine Sterbliche gesund wäre." Sie lächelte und Azura spürte etwas hinter ihrer Stirn - dort, wo die Göttin sie einst geküsst hatte. Es kribbelte leicht, aber sie wusste auch, dass ein erneuter Anblick Venthas selbst sie von dort aus verbrennen könnte. Die Herrin streckte ihre Hand aus. Auf ihrem Fingernagel klebten zwei winzige Muscheln und ein kleiner Krebs krabbelte bis zu ihrem Oberarm empor. Sie jedoch zeigte zu Azura hin, zu ihren Händen. Das Gewicht der Schriftrolle der Wassermagie wurde für Azura spürbar. Sie hielt das Opfer, bereit es zu übergeben.
"Es ist für dich. Ich nehme es an, aber du wirst es meistern - so gut es dir als Sterbliche möglich ist und so sehr es sich mit dieser anderen Macht in dir verträgt. Das ist deine Aufgabe, deine Pflicht, dein Opfer. Lerne es. Lerne meine Macht, nutze sie oder gib sie zurück. Ich werde nicht zögern, sie dir zu nehmen und einem anderen zu schenken, der sich damit befassen will, aber dann wird sie nie wieder zurückkehren." Ventha musterte Azura lange. Sie ließ den Kopf auf die andere Seite kippen. Ein Seestern verlor den Halt aus ihrem Haar und der Oktopus sammelte ihn auf. "Vielleicht ist es aber auch das, was du möchtest? Dann könntest du anderweitig groß werden ... das Gegenteil lernen. Ich verurteile dich nicht, denn das Feuer ist meinem Liebsten zugeschrieben und es zieht mich ebenso an. Aber du würdest nicht nur deine wassermagischen Kräfte verlieren, sondern auch ... mich."

Was derweil geschah:
"Sie ist hier." Kjetell'o starrte die Wand aus Wasser an, die sich zu allen Seiten seines aufgebauten Unterstandes auf den Erdboden ergoss und diesen zu einer wild matschigen Masse verformte. Er hielt Azura fest. Corax hielt Azura fest. Sie durfte nicht davonschwimmen. Doch der Rabe sah etwas Anderes, das ihnen entglitt. "Die Schriftrolle!", rief er aus, als aus dem Regen ein orangesilbern schimmernder Fisch gesprungen kam und sie mit dem Schwung seiner Flosse durch den Schleier aus Wasser fortschlug. Es war zu spät, sie fangen zu wollen. Sobald sie mit einem Klatschen die wässrige Barriere durchbrach, stieß auch der Fisch sich ab und folgte. Er verschwand als orange und silbern glitzernder Schimmer im Regen. Anschließend endete der Guss. Wasser und Schriftrolle waren fort.
"Sie hat ihr Opfer geholt. Das Ritual ist vollzogen und Azura ist..." Kjetell'os erstarrte. Er blickte auf die Liegende herab, welche noch immer die Augen geschlossen hielt. "Sie ... ist ..."
"Nein", stieß Corax aus. Er berührte Azuras Wange, die fahl und mit Totenflecken geziert noch immer die alte war. Nein!"
"Es ... hat nicht funktioniert", bemerkte Kjetell'o überrascht und zutiefst bedauernd. Er hatte es so sehr gehofft. Doch wo er in Schockstarre ruhig blieb, konnte der Rabe es nicht akzeptieren. Corax strich über Azuras hochgestecktes Haar. Er berührte ihre Perlen. Immer wieder dementierte er, was er sah: eine Untote, eine fahl gewordene Frau mit faulender Haut, offenen Stellen und blank durchblitzenden Knochen. Seine Sicht verschwamm, als Tränen ihm die Wangen herab rannen. "Nein..."
Kjetell'o seufzte. "Entweder hat es nicht gereicht, es waren die falschen Götter oder wir waren zu spät ... oder es muss ein echter Ritualmagier her."
"Nein, wir ... wir müssen etwas tun." Corax sah auf. "Kjetell'o, wir müssen es nochmal versuchen! Wir müssen es schaffen. Sie ... sie hat doch solche Angst. Sie leidet ... ich konnte es immer riechen." Was Corax jetzt allerdings wohl roch, war mehr sein eigenes Leid. Schwarzes Gefieder spross in alle Richtungen von ihm ab wie bei einem dieser Unkrautbüsche, die man gern in zu Köpfen geformte Keramiktöpfe pflanzte, weil es dann nach einer wildgrünen Frisur aussah, die überall hin reichte. So reichten aus seine Federn überall hin. Sie wuchsen und streckten sich. Er bildete die größten Schwingen aus, die Kjetell'o bisher an ihm gesehen hatte. Ein Helm mit messerscharfem, schwarzen Schnabel wuchs ihm über das Gesicht, verbarg das schöne Rubinrot und ließ nur seinen Mund und den Kiefer zurück. Seine Füße durchstießen das Leder seiner Stiefel, als die Zehen sich zu knorpeligen Vogelbeinen ausbildeten und die Fußnägel spitze Rabenkrallen wurden.
"Leidträger", mahnte der Shyáner Elf, doch Corax hörte ihn nicht. Er verwandelte sich in einen schwarzen Raben aus purem Leid. Von den Federn troff eine teerige Schliere, die auf den Schlamm traf. Er krächzte das Wehklagen der Todesboten in den Himmel hinaus. Kjetell'o sprang auf. Er griff nach dem Rabenwesen, packte ihn am linken Arm ... und erstarrte. "C-Corax!"
Das Wesen erhörte ihn anscheinend. Es richtete den Schnabelkopf auf ihn aus. Aus der Schwärze des Federhelms heraus stachen zwei blutrote Augen hervor und musterten ihn voller Leid. "Wandle es", forderte Kjetell'o nach erstem Entsetzen. "Du musst es verwandeln."
"Jaaaahhhr", krächzte das Wesen. "Verwandeln", krähte er und schaute auf Azura herab. Dann streckten sich die Schwingen über das Schilf hinweg aus, zogen sich zusammen, stießen dabei die Bambusstelzen aus dem weichen Schlamm und schillerten erst weiß, anschließend in allen Regenbogenfarben. Kjetell'o, Azuras ruhender Leib und das Rabenwesen Corax gingen in farbigem Licht auf.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Azura » Samstag 21. Oktober 2023, 14:20

Wenn es schon beim Brunnen wegen seiner zu großen Öffentlichkeit nicht möglich war, dann war das Ufer des Tümpels für die junge Frau der perfekte Ort für das Ritual. Hier war es, mehr noch als sonst nach dem langen Regen, überall feucht oder gar nass. Wohin sie sich auch drehte und wendete, stets fand sie eine Verbindung zu ihrem Element, das ihr Kraft und Stärke geben konnte, wenn sie danach suchte. Sie fühlte sich wohl und empfand es als perfekt, denn sie wollte daran glauben, dass sich auch ihre Göttin hier lieber aufhielt an einem trockenen Plätzchen.
Natürlich gab es auch ihren Tempel und viele kleine Schreine und Nischen in der Akademie. Trotzdem empfand sie es als passender und leichter, in Kontakt mit Ventha zu treten, wenn sie direkt von Wasser umgeben war. Dass es dem Waldelf als Magier des gegenteiligen Elements anders ergehen würde, kam ihr im Moment nicht in den Sinn. Derart gefestigt war ihr Gespür für andere dann doch noch nicht. Außerdem hatte er selbst gesagt, sie sollte wählen und dem war sie lediglich gefolgt.
Nun waren sie also hier und es war alles vorbereitet. Nur sie selbst war es nicht, denn die Angst ließ sich einfach nicht abschütteln. Zu groß war ihre Hoffnung, danach endlich wieder äußerlich sie selbst sein zu können, dass die Furcht vor genau diesem Versagen umso größer war. Also klammerte sie sich an ihren Raben und konnte auch das Zittern nicht länger verbergen. Kalt war ihr zwar auch, aber bei weitem nicht so sehr, wie es den Anschein haben mochte.
Es fiel ihr schwer, sich tatsächlich hinzulegen, nachdem die Beiden sich um das Verflechten ihres Haars mit den Perlen gekümmert hatten. Der Umstand, dass Corax sich zu ihr setzte und ihr nahe blieb, half ihr ein wenig dabei. Sie sah noch einmal zu ihm auf und wenn die Umstände andere gewesen wären, hätte dieser Anblick ihr Herz höher schlagen und ihre Säfte fließen lassen können. Hätte sie an seinem Arm gezogen, bis er auf ihr gelegen wäre und ein weiteres Mal den Genuss zugelassen, den er ihr bereiten konnte. So allerdings...
Tränen traten ihr in die Augen nach seinem Liebesgeständnis, doch auch ein kleines, dankbares Lächeln kräuselte ihre Lippen. Noch einmal drückte sie seine Hand, ehe sie diese zögerlich los ließ und ihre Finger schließlich um ihre Opfergabe schloss. Die Lider senkte sie langsam und schluckte schwer, weil sie nicht so recht wusste, was sie nun erwarten würde.
Während ihre Begleiter einen kurzen Wortwechsel hatten, hörte sie, mal wieder, nicht mehr richtig zu. Stattdessen versuchte sie, tatsächlich ein Gebet an ihre Göttin zu richten. Es war alles andere als eine übliche Formel, die sie verwendete, so, wie sonst auch in ihrem Leben. Für sie stellte beten vielmehr ein Gespräch... oder eher einen Monolog von ihrer Seite aus dar und so hielt sie es jetzt ebenfalls.
Es war gar nicht so leicht, das einfach so aus dem Stehgreif zu führen, obwohl ihr bewusst war, wie wichtig es war. Viel zu ängstlich und nervös war sie, um wirklich einen klaren Gedanken fassen zu können. Was sollte sie nur sagen? Wie die Aufmerksamkeit der Göttlichen wecken und auf sich lenken?
Während sie noch nach den richtigen Worten suchte, erklang von ihrem möglichen Erzeuger ein Wispern, das sie irgendwie... beruhigte? Ja, es wirkte beruhigend, was auch immer er da murmelte, und es half, ihren Geist ein wenig zu klären. Mehr noch, es führte zu einem Einfall, der als harmlose Neckerei gedacht war, als Erinnerung an etwas gemeinsam Erlebtes, in der Hoffnung, damit Wohlgefallen, vielleicht sogar etwas Amüsement hervor kitzeln zu können.
Diese Strategie schien die Richtige zu sein, denn auf einmal vernahm sie ein kräftiges Rauschen um sich herum, fühlte, wie der Boden unter ihr weicher wurde und wie etwas Warmes ihr Handgelenk berührte. Hätte nur noch das Kribbeln auf ihrer Stirn gefehlt, doch dieser Segen war bereits verblasst und verbraucht. Trotzdem drang noch die Stimme des Waldelfen an ihr Ohr, ehe ihr schwindelig wurde.
Irrte sie sich oder wankte der Boden regelrecht unter ihr, als wäre sie auf einem Schiff? Träumte sie womöglich und war in Wahrheit gar nicht gesprungen? Was würde sie sehen, wenn sie jetzt die Augen öffnete und aus diesem Alp erwachte?
Ihre Lider flatterten, bis sie einen Atemzug später den Mut fand, diese anzuheben... und es zugleich auch nicht tat, denn sie war, mal wieder, nicht länger mit ihrem Körper verbunden. Unwillkürlich sog sie scharf die imaginären Luft durch die Nase ein und fand sich in einer Welt wieder, die aus einem so schönen Blau bestand, dass sie feuchte Augen bekommen hätte, wenn das ihrem Geist möglich gewesen wäre. "Wie schön...", hauchte sie andächtig und sah sie um, wollte so viel von diesem Zauber in sich aufnehmen, wie sie nur konnte.
War das ein Traum im Traum? Sie fühlte sich leicht, fast schon als würde sie schweben... oder schwimmen, so, wie in der Gestalt einer Meerjungfrau, als ihr Liebster sie auf diese Weise gerettet hatte. Ach, wenn sie ihm nur hätte glauben wollen, dann wäre so viel anderes nicht passiert... Nein, daran wollte sie jetzt nicht denken, sondern viel lieber diesen Anblick genießen.
Mehr noch, sie wollte mehr davon sehen und so drehte und wendete sie sich um ihre eigene Achse. Solange, bis sich in dem herrlichen Blau eine andere Farbe heraus schälte und ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Sie näherte sich langsam und je kürzer die Distanz wurde, desto mehr Einzelheiten konnte sie erkennen. Konnte die verschiedenen Rot- und Rosatöne ausmachen, die einzelnen Äste, die sich scheinbar wahllos trafen und trennten, bis ihr Gehirn allmählich die Form sah, zu der sie sich zusammen fanden.
Und dann stockte ihr wirklich der nicht vorhandene Atem, als sie entdeckte, dass sich auf dem thronähnlichen Gebilde jemand befand. Jene Eine, die sie gehofft hatte, wieder zu sehen! Azuras Augen begannen zu leuchten vor Freude, ihre Lippen formten ein glückliches Lächeln. "Göttliche...", entkam es ihr andächtig.
Wie schon bei ihrer ersten Begegnung faszinierte sie Venthas umwerfend schöne Erscheinung, erfüllte sie mit Neid und zugleich dem Wunsch, auch nur einen Zipfel dieses Glanzes selbst mit ihrem eigenen Aussehen erreichen zu können. Sie hatte sich verändert, ohne, dass eine Beurteilung in zu ihrem Vor- oder Nachteil treffen zu können, als hätte sie sich schlichtweg ihrer Umgebung angepasst. Oder war es das letzte Mal so gewesen und nun zeigte sie ihr wahres Äußeres? Azura wusste es nicht, ihr war lediglich klar, dass sie fasziniert von dieser Wandlung war.
Langsam wagte sie sich näher, wollte die Aufmerksamkeit und gleichzeitig nicht unpassend stören. Deswegen auch schwieg sie vorläufig und würde warten, bis die andere soweit wäre, sich ihr zu widmen. Dass sie es längst getan hatte, indem sie ihren Geist hierher geholt hatte, und nun ihrerseits warten könnte, womöglich auf einen Dank oder ähnliches, kam ihr dabei nicht in den Sinn. Nein, sie war einfach nur glücklich darüber, Ventha ein weiteres Mal direkt begegnen zu können.
Und dann war es soweit, die Herrin wurde auf sie aufmerksam. Als sich die dunklen, unergründlichen Augen auf sie richtete, stockte der jungen Frau erneut der Atem. Schon wollte sie sich weiter nähern, ihre Freude zum Ausdruck bringen, da erreichten sie die hinweisenden Wörter. Ihr entglitt ihre Mimik, zeugte von Schrecken und Schuldbewusstsein, ehe sie, wie ein gemaßregeltes Kind, den Kopf hängen ließ. "Ich habe dich damit verärgert...", wisperte sie geknickt.
War es also nicht der richtige Weg gewesen, an das Schachspiel zu erinnern, das sie für jemand anderes gewonnen hatte? Aber... es hatte zur Aufmerksamkeit der Göttin geführt, also konnte es auch nicht gänzlich falsch gewesen sein! Oder...? Schwer schluckte sie und suchte nach Worten, um diese Sache zwischen ihnen wieder zu kitten. Allein, ihr wollten nicht die rechten einfallen.
Indes jedoch wandte sich die Göttin wieder an sie. Azura bemühte sich, zu zuhören und zu verstehen, während sie auf der anderen Seite gegen die Tränen der Enttäuschung ankämpfen musste, weil sie das Gefühl hatte, versagt zu haben. Allerdings kam noch eine andere Empfindung hinzu, jene des Verlusts bei der Aussage, dass es das letzte Mal sein könnte, dass sie einander treffen würden. Es war bei weitem nicht so, dass sie beide eine innige oder gar langwährende Freundschaft verband. Schließlich war die eine eine Göttin und die andere nur ein einfacher Mensch. Und dennoch hatte letztere jede Begegnung in gewissem Maße genossen und sich wohl gefühlt bei dem Wissen, es könnte noch eine geben... und irgendwann noch eine. Das sollte also nach dieser vorbei sein?
Es kribbelte hinter ihrer Stirn und erinnerte sie an jenen einen, besonderen Moment, als sich diese weichen, kühlen Lippen kurz auf ihre geisterhafte Haut gelegt hatten. Es war unvergesslich für sie gewesen und würde es immer sein! Tränen drohten ihr in die Augen zu steigen, als eine Bewegung am Rand ihres Sichtfeldes diese noch ein wenig zurück halten konnte.
Blinzelnd sah sie auf zu der Hand, deren Finger auf ihre eigenen Hände wiesen. In diesen lag, mit einem Mal, die Schriftrolle und fühlte sich unsagbar schwer, schwer wie... Verantwortung. Hörbar schluckte sie und blickte darauf, bis die Worte der Göttlichen dafür sorgten, dass sie ihren Kopf hoch riss.
Mit vor Schreck geweiteten Augen starrte sie der anderen direkt ins Gesicht. "Was...?", keuchte sie und wich unwillkürlich ein wenig zurück, hob dabei die Schriftrolle hoch und drückte sie instinktiv an ihre Brust. Ein Zittern durchlief sie.
Ventha wollte ihr die Magie nehmen? Den Segen ihres Elements? Allein der Gedanke an diese Möglichkeit sorgte schon für einen Anflug von Panik in ihr. Warum nur hatte sie sich auf dieses Ritual eingelassen?! Es lief hier gerade gehörig aus dem Ruder!
Noch bevor Azura ihre Stimme wieder gefunden hatte, fuhr ihr Gegenüber fort, bot ihr zugleich eine andere Möglichkeit. Die jedoch einen immensen Verlust bedeuten würde, das war ihr sofort klar. Mehrmals schluckte sie, bis sie die Kraft fand, den Kopf langsam zu schütteln. Auch musste sie mehrfach über ihre gefühlt ausgetrockneten Lippen lecken, ehe sie ihre Sprache wieder erlangen konnte. "Aber... aber dann... dann wäre..." Sie senkte ihre Kopf, als ihr nun wirklich die Tränen zu kommen drohten, und sah auf die Schriftrolle in ihren Fingern. "Dann wäre ich nicht mehr ich...", wisperte sie in einem seltenen Moment der Selbsterkenntnis.
Vielleicht würde der Verlust der einen Magie es ihr leichter machen, sie könnte sich auf das Flämmchen konzentrieren und neue Möglichkeiten finden. Jedoch würde sie nie wieder jenen Frieden in der Nähe des Wassers suchen können, das Rauschen des Meeres genießen und den Regel auf ihre Schultern prasseln lassen wollen. Dabei gehörte das zu ihr, zu ihren frühesten Erinnerungen und einfach zu dem, was sie bislang ausgemacht hatte!
"Nein...", hauchte sie, schüttelte zuerst schwach und schließlich entschieden den Kopf. Ja, mehr noch, sie fand den Mut, die Göttin wieder ansehen zu können. "Nein, das will ich nicht!", erklärte sie schon viel entschlossener und wagte es, sich wieder zu nähern. "Ich will das Wasser nicht aufgeben und ich will deinen Segen nicht verlieren!", fügte sie hinzu und straffte ihre Schultern.
Trotzdem konnte sie nicht verhindern, dass sich die Unsicherheit zurück in ihre Mimik schlich, als sie zu ihrem eigentlichen Anliegen kommen wollte, denn sie fühlte, es war Zeit dafür. "Ich möchte deine Dienerin sein und bleiben. Aber... aber ich möchte auch wieder leben können. Richtig leben, nicht so wie... wie jetzt in diesem verfaulenden Körper." Ihr versagte die Stimme und hätte sie sich nicht so gefühlt, als würde sie schweben, wäre sie womöglich sogar in die Knie gegangen, um ihr Flehen nach Heilung zu verdeutlichen.
Ein Schluchzen kroch ihr die Kehle empor und ließ ihren gesamten Körper erbeben. "Wie...?", keuchte sie wimmernd und riss in ihrer aufsteigenden Verzweiflung den Kopf hoch. Tränen flossen ihr die Wangen herab, zumindest fühlte es sich so an, denn nun war diese Barriere gebrochen, die sie bislang noch zurück gehalten hatten.
"Wenn ich lernen soll, wie soll ich das tun in diesem wandelnden Leichnam? Er stinkt, der Anblick ist kaum zu ertragen, das Gefühl einfach nur erdrückend! Es lenkt mich ab und lässt mir gar keine Gelegenheit, deinem Wunsch zu entsprechen! Bitte, hab Erbarmen..." Sie näherte sich und machte sich instinktiv kleiner, um flehend und unterwürfig zu Ventha hochsehen zu können, eine Haltung, die direkt aus ihrem Innersten kam, da sie diese sonst noch nie eingenommen hatte. Besser gesagt, schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Zuletzt, als sie ihre Mutter angebettelt hatte, endlich auf die Akademie gehen und lernen zu dürfen...
"Sag mir, wie ich diesen Fluch aufheben kann... bitte!", schluchzte sie und hielt zitternd die Schriftrolle der Göttin hin, in der Annahme, die Gabe des Opfers wäre auf diese Weise nötig.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Erzähler » Dienstag 24. Oktober 2023, 22:18

Kjetell'o hätte Venthas Reich sicher alles andere als gefallen. Schon Azura spürte trotz all ihrer Faszination und Liebe für das, was sie sah, eine seichte Spur an Sorge. Sie war gering genug, um sie übergehen zu können, aber sie existierte. Die junge Frau konnte inzwischen sogar schlussfolgern, welchen Ursprung sie besaß. In ihrem Inneren verbarg sich diese winzige Flamme. Nein, so weit reichte es nicht! Es war nur ein Funke, aber umso sehr fürchtete er sich vor dem Wasser. Handelte es sich hierbei um das Erbe, welches ihr Vater ihr hinterlassen hatte? Und wenn Azura mit diesem Funken bereits flüchtig die Angst spürte in Venthas Domäne, wie musste es dann Feuermagiern wie Kjetell'o ergehen? Die Idee, er könnte wirklich ihr Erzeuger sein, festigte sich langsam. Außerdem brachte dieses emotionale Gemisch bei den Empathen Celcias Verständnis auf, warum gerade feuermagisch Begabte selten zu Ventha beteten. Es war keine Abneigung gegenüber der Göttin selbst. Auch Feuermagier konnten die Herrin von Sturm und Ozeanen verehren. Sie würden allerdings stets wohl diese Angst verspüren, unter ihrer Herrlickeit erlöschen zu müssen. Azura spürte es, wenn auch nur ganz minimal. Viel größer war die Ehrfurcht, die Faszination und Freude, ihrer wahren Herrin und Göttin gegenüber zu ... nun schwimmen. Sie stand nicht mitten in diesem Blau mit grünen Nuancen und helleren Lichtsäulen, die irgendwo von oben kamen. Sie schwebte aber auch nicht darin. Es fühlte sich an, wie wenn sie in der Buch Kad Harat tauchte, um unter Wasser all die kleinen Fische, die Flusskrebse, schöne Steine und wenige Muscheln zu sehen. Einzig dieses Unbehagen, ihr könnte die Luft ausgehen, das fehlte gänzlich. Trotzdem wirkte Azura erneut atemlos angesichts der Schönheit, in die Ventha sich dieses Mal kleidete. Doch der Andunierin sollte noch mehr der nicht benötigte Atem stocken.
Zum einen offenbarte ihr die Göttin, dass dies ihr letztes Treffen von Angesicht zu Angesicht wäre.
"Ich habe dich damit verärgert..." Es bestürzte Azura sofort, dabei konnte sie sich wirklich als gesegnet ansehen. Sie hatte Ventha nicht nur überhaupt jemals in Erscheinung treten sehen, sondern auch gleich mehrmals. Die Sturmherrin war sogar so weit gegangen, um ihre Seele zu bitten, damit Azura vom Gevatter Tod eine weitere Chance erhielt. Ventha hatte sie mit einem Kuss beschenkt, damit sie ihre Kräfte zusammen mit Madiha gegen Serpentis Mortis anwenden konnte. Ein Segen allein war Tausende sterblicher Leben wert. So sollte Azura vielleicht nicht um das trauern, was sie nun verlor, sondern für das dankbar sein, was sie bereits erhalten hatte. Aber dann wäre sie nicht Azura van Ikari gewesen. Sie befand sich auf einem guten Weg, ab und zu auch mal in sich zu gehen und nachzudenken, doch hatte sie dort erst wenige Schritte getan. Teilweise wirkte es gar, als sei sie zwischendurch umgekehrt, um den Pfad noch einmal mit Umwegen zu beschreiten und gemachte Schritte einfach zu vergessen. Aber immerhin bewegte Azura sich weiter in die richtige Richtung. Sie besaß nicht die Ewigkeit, zu lernen, aber nach wie vor die Gunst ihrer Göttin. Denn Ventha antwortete ihr schlicht: "Ich in nicht verärgert." Es folgte nichts weiter. Sie wirkte sogar ruhig, auch wenn einzig und allein Kjetell'o Aschwurz in der Lage zu sein schien, diesen göttlichen Zustand noch zu übertreffen.
Azura aber blieb geknickt. Ihr drohten bereits, Tränen emporzuschießen. In Venthas Reich blieb das nicht unbemerkt. "Willst du mir opfern?", erkundigte sich die Göttin und schob einen der herab hängenden, schwarzen Tentakel aus ihrem Gesicht. Jener waberte ein wenig im glanzvollen Blau der Umgebung, ehe er sich gen Azura ausstreckte. Die vordersten Saugnäpfe wiesen auf etwas in ihren Händen. Azura trug noch immer die Schriftrolle der Wassermagie bei sich. Ventha nickte, als hätte der Achtarmige mit ihr gesprochen. "Das ist ein weitaus besseres Opfer, wenngleich ich es nicht für mich beanspruchen will. Das wollte ich nie." Und schon teilte die Göttin ihr mit, dass Azura in ihrem eigenen Reich des Jenseits, in ihrer eigenen Bibliothek aus Erinnerungen und Wissen nur für sich allein nach der magischen Schriftrolle der Wassermagie gesucht hatte.
"Dein Liebster ist auf's höchste Maß gefördert worden, geschmiedet aus Leid und Tränen. Es gelang ihm gar, die Schriftrolle auch vor mir zu verstecken." Jetzt endlich zeigte Ventha ihre Wankelmütigkeit. Sie stämmte die Hände in ihre Hüften und wippte gekränkt mit dem Kopf hin und her. "Dieser gerissene kleine Dunkelelf hat es doch tatsächlich gewagt, das Schriftstück nicht nur tief in deiner Seele zu verbergen, sondern den Zugang auf ganz besondere Weise zu versperren. Du hast ja nun schon festgestellt, dass ein aufrichtiger Liebesschwur deinerseits für ihn nötig gewesen war, damit sie sich offenbarte." Ventha ruckte mit dem Kopf herum und schnaubte kleine Luftbläschen aus. Sie schwebten mit geisterhafter Ruhe einfach durch den Raum, durch das Wasser. Sofort sammelten sich winzige, gelbliche Fischschwärme darum, um mit den Bläschen zu spielen, als wären es Bälle. Ventha nahm es nicht einmal zur Kenntnis. Ihre Aufmerksamkeit lag weiterhin auf Azura. Sie hob einen Zeigefinder an. "Das hat mich verärgert", erklärte sie. "Stell dir vor, du hättest niemals Liebe für ihn verspürt, ihm nie die Worte gesagt, die für euch Sterbliche so gewichtig sind! Stell dir vor, du hättest dich in einen anderen verliebt!" Sie sank in ihrem Thron zurück und seufzte warme Wogen in das Gewässer hinein, die selbst Azura wie ein kuschliges Streicheln erreichten. "Die Schriftrolle wäre für immer verloren gewesen." Sie richtete sich wieder zur Gänze auf. Ihr Busen wippte und erneut traf Azura eine Woge. Dieses Mal fühlte sie sich üppiger und selbstbewusster an als jene zuvor. "Sag ihm, er soll dies nie wieder tun! Nicht einmal daran denken. Du und andere brauchen die Schriftrolle, um ihren Weg zu finden."
Und dann kam die Frage auf, ob Azura diesen Weg überhaupt bestreiten wollte. Ventha erwähnte diesen Funken in ihr. Da war etwas, ihr väterliches Erbe? Etwas, das das Wasser all ihr Leben lang gefürchtet hatte. Nun fand es Schutz darin, wenn sie den Wasserschild zu Hilfe rief. Aber es kostete sie deutlich mehr Kraft und die Göttin erkannte es. Sie bot ihre Gläubigen an, ihr die arkanen Wasserkräfte zu nehmen, wenn sie das wünschte. Dann würde nichts mehr den Funken in ihrem Inneren behindern. Sie könnte sich auf die Flamme konzentrieren, bis jene hochloderte und sich vielleicht ähnlich stark zeigte wie Madihas Potenzial oder Kjetell'os ganzkörperhaftes Inferno.
Azura aber schreckte zurück. Wer wäre sie denn ohne ihre Wassermagie? "Dann wäre ich nicht mehr ich..."
Ventha lächelte ihr entgegen. Dann nickte sie. Trotz allem blieben die Gesten nicht vollkommen deutbar. So erklärte Azura sich weiter. Nein, mehr noch. Sie traf eine Entscheidung.
"Ich will das Wasser nicht aufgeben und ich will deinen Segen nicht verlieren!" Ventha hob den Kopf an und reckte ihr Kinn etwas vor. Azura hielt ihrem Blick stand. "Ich möchte deine Dienerin sein und bleiben. Aber ... aber ich möchte auch wieder leben können. Richtig leben, nicht so wie ... wie jetzt in diesem verfaulenden Körper." Vernthas Finger legten sich um die Korallen ihres Thrones. Ein kleiner rosa Zweig brach ab und tanzte durch den Raum. Fische folgten ihm, um ihn schnell wieder einzufangen. Die Göttin jedoch schob ihr Kleid nach vorn. Es teilte sich. Sie besaß doch Füße und auf jenen kam sie nun zum Stehen, als sie sich erhob. Plötzlich erstreckte sich ihr flossenhaftes Kleid über die Umgebung. Es breitete sich aus. Wellen schlugen daraus hervor. Sie wuchsen an, wurden größer und größer, dass im Hintergrund auf einmal sogar drei Delfine aus ihnen heraus sprangen und mit den Schaumkronen spielten, die sich durch die Bewegungen bildeten. Es war wunderschön und einschüchternd zugleich.
Azura aber blieb bei ihrer Bitte, so verzweifelt sie auch war. Sie flehte. Ihre Göttin musste doch begreifen, dass sie ihr nicht dienen könnte, wenn sie weiterhin vor sich hin faulte. "Bitte, hab Erbarmen ... Sag mir, wie ich diesen Fluch aufheben kann .. bitte!"
Ventha schritt wie eine Sturmgewalt auf Azura zu und genau das geschah auch. Ihr Kleid türmte sich auf, wirbelte um ihre und die Gestalt der Andunierin herum. Das Wasser schwand. Sie und die Göttin standen nun im Zentrum eines gewaltigen Strudels, mitten im Auge des Sturms. Um sie herum rauschte das Wasser. Azura spürte winzige Tropfen, die kalt auf ihre Haut spritzten. Beim Blick nach oben zeigte sich ein finsterer Wolkenhimmel. Blitze zuckten hinter schwarzen Vorhängen und Donner grollte vermutlich auch. Hier aber im Auge war es ruhig ... totenstill.
Venthas Blick hatte sich verändert. Um die Inseln ihrer Pupillen tobten Ozeane. Sie trug die bloßen Naturgewalten in ihren Iriden. Erneut blitzte es und der schwarze Kraken stürzte sich von ihrem Haupt hinein in die Wand aus wirbelnden Fluten. Venthas Haar befreite sich. Es stürmte silbern und grau und blau und schwarz und tanggrün mit um Azura herum, ohne sich zu verknoten. Sie war wirklich die Göttin von Sturm und See. Mit einem einzigen Blick konnte diese Entität ganze Ozeane glätten und mit einem Wimpernschlag in tosende Sturmkatastrophen verwandeln. Jener Blick erfasste nun Azura. Dann bewegte sich die Göttin auf sie zu, Schritt um Schritt näherte sie sich. Azura wirkte ihr gegenüber immer kleiner wie die Kakerlake vor dem Thron der Königin. Erhaben und mit festem Blick beugte Ventha sich über sie und dann ... liebliches Kribbeln, als kitzelten Dutzende kleiner Blitze ihre Stirn. Eine sanfte Feuchtigkeit legte sich in Form gespitzter Lippen auf ihre Haut und hinterließ die Frische einer Brise, als Ventha sich nach ihrem Kuss erneut zurückzog.
Um sie beide tobte der Sturm, aber Ventha lächelte. "Ich bin so stolz auf dich, dass du weiterhin diesen Weg gehen willst. Er wird nicht leicht. Mein Segen kämpft gegen das Erbe deines Vaters an. Du musst lernen, beide in Einklang zu bringen oder jemanden finden, der dich von der Flamme erlöst, sollte es eine zu große Bürde sein. Das Wasser bleibt dir erhalten. Du hast dich entschieden. Ich werde es dir niemals nehmen, genauso wenig wie ich dich jemals verlassen werde, gläubiges Kind. Du trägst das Siegel zu diesem Schwur auf ewig, ganz gleich, wie du aussehen magst."
Azuras Stirn kribbelte erneut. Ventha legte zwei Finger daran und es schwand. Das Siegel aber würde bleiben, unsichtbar und auf ewig. Sie hatte das Wort ihrer Göttin. "Um dein Äußeres wird sich gekümmert. Ich sagte ja, dein Herzblatt ist in höchstem Maße begabt. Er ... macht mir fast ein wenig Angst." Sie kicherte. Azura würde dieses glockenhelle Kichern immer als Nachhall hören können, wenn sie ihre Haarpracht schüttelte. Es war das Lachen, das Glück ihrer eigenen Seele. Es waren die Tränenperlen, die sie für Corax geweint und der sie zurück in ihr Haar geflochten hatte. Auch diese würden auf ewig bei ihr bleiben, denn eine Seele musste komplett sein. Perfekt. So perfekt wie dieser Abschied von ihrer Göttin. Ein letzter Blick auf ihr letztes Treffen, ehe alles in bunten Farben verschwand, die sich mischten, bis nur noch weißes Licht zurückblieb.
Azura wurde geblendet.

Es funktionierte nicht. So sehr er sich auch bemühte, es änderte nichts. Seine Ohren klingelten, sein Gefieder rauschte. Erneut hatte Corax einen Dom aus schwarzen Federn um sich um Azura gebildet. Riesige Schwingen sollten sie schützen vor allem, was ihr ein Leid antat. Auch wenn ihr Liebster auf ewig unter dem Anblick litt, den sie ihm bot. Nicht, weil er sie nicht liebte, sondern weil es sein Herz zerriss, dass sie unter dem Verlust ihrer Schönheit nicht glücklich sein konnte. Was war nur schief gelaufen? Das Ritual ... Kjetell'o hatte doch alles richtig gemacht, oder nicht? Sie hatten die Schriftrolle der Wassermagie an Ventha geopfert. Er hatte Azura ihre Seelenfragmente ins Haar geflochten! Die Perlen waren nicht mehr zu sehen, wohl aber noch die faulige, tote Gestalt seiner Geliebten. Warum funktionierte es nicht?!
Von außen, nur dumpf durch den Wall seiner Schutzfedern hindurch, drang Kjetell'os Stimme. Es erreichte Corax noch nicht. Seine Ohren fühlten sich verstopft an und er sah bereits, wie die Federn jegliche Farbe verloren und schwer wurden. Sie klebten vor Pech, der zäh zu seinen Krähenfüßen herab tropfte. Bald würde sich der Schutzdom mit dieser teerigen Masse füllen und ihn und Azura für immer in einem Wall aus schwarzem Leid verschließen. Wenn er sie schon nicht retten konnte, würde er sie für immer bei sich behalten. Er brauchte keine goldenen Kettchen, keine Bindung zwischen Herrin und Sklaven, sondern nur sein eigenes Leid. Es würde auf sie übergehen und sie würde ihn in dieser andauernden Ewigkeit hassen, aber sie wäre bei ihm ... und Corax würe die Arme weit ausstrecken, um all ihren Hass, all ihr Leid zu empfangen. Für immer.
Da durchbrachen Kjetell'os Worte endlich einen Teil seiner Federmauer. Durch einen Spalt drang der Schall seiner Worte hindurch bis an das Ohr des Elfen. Es zuckte leicht, als er die Aufforderung verinnerlichte. Er sollte es umwandeln. Corax riss die Augen auf. Rote Rubine inmitten einer triefenden Masse aus Teer und Federn. Dann breitete sich ein Lächeln auf seinen Zügen aus. Er schrie Kjetell'o eine Antwort entgegen. Er krähte sie und wusste im nächsten Moment schon nicht mehr, ob er sie wirklich ausgerufen hatte oder ob es andere Raben waren. Es kümmerte ihn auch nicht. Umwandeln musste er es. Mit aller Macht. Nur wenn es ihm gelänge, würde sich Leid in Glück verändern. Und Glück war so wunderbar, so bunt und hell. Er wollte es sehen. So hob er einen seiner Krähenfüße, scharrte damit über Azura hinweg. Nochmal. Ein weiteres Mal. Dann sah er die Veränderung. Er sah den Wandel. Er sah ... regenbogenfarbenes Gefieder, das immer heller, immer weißer wurde, bis es ihn gänzlich blendete.

"Wach auf oder muss ich dich erst wie ein Prinz aus dem Märchen wachküssen?" Azuras Haut kribbelte. Nicht aber auf ihrer Stirn, sondern auf ihren Lippen, als sich die vertraute Form von Corax' Mund auf den ihren legte. Sie fühlte ihn und schmeckte ihn. Seine Zunge streichelte sie sanft, ohne zu viel zu verlangen. Er zog sich langsam wieder zurück und sobald Azura die Augen aufschlug, würde sie in das Gesicht eines Götterboten schauen. Weich und weiß mit ebenso hellem Haar und regenbogenbunten Augen, aber mit den Zügen ihres Raben. Vom Himmel über ihn wurde er durch eine einzige Lichtsäule beschienen, dass sie einen Heiligenschein um seinen silbrigen Schopf bildete, nur noch umrahmt von einem Paar weißer Gottesschwingen. Dann verblasste das Bild und sie blickte in das ihr so vertraute Gesicht ihres Raben: dunkle Haut wie in Asche getauscht, ein Paar Rubine inmitten dieses verliebten Ausdrucks, sowie wirre Haaresträhnen, die ihm mit der Farbe von Nebelkrähen in die Stirn hingen. Er war wunderschön, auf seine Weise. Und er hielt sie, zog sie in seine beiden Arme hinein, um sie eng an sich zu drücken.
"Ich liebe dich, meine wunderschöne Prinzessin."
"Wahrlich ... wunderschön." Es klang seltsam, wenn sich zu viel Emotionalität in Kjetell'os Stimme legte und er nicht mehr ruhig und geduldig klang, aber es besaß auch etwas Attraktives. Er klang ergriffen, tief gerührt und das war er auch. Er hockte im Schlamm vor dem Tümpel, starrte Azura und Corax entgegen und wischte sich die Augen unter einem breiten Lächeln. "Du bist so schön, mein Töchterchen", brachte er hervor, ehe ihm die Stimme versagte.
Corax aber löste sich von ihr. Er schob sie mit seinem verblieben, rechten Arm etwas von sich. Hätte er noch einen linken besessen, so hätte er mit dessen Hand auf die Pfütze zu Azuras Füße gewiesen. So konnte der Rabe nur in diese Richtung nicken, ehe er forderte: "Sieh dich an!" Und sobald Azura einen Blick auf die glatte Oberfläche der Regenpfütze warf, würde ihr eine junge Frau entgegenblicken, deren Gesicht sie schon fast vergessen glaubte. Reine, junge Haut und verführerische grüne Augen mit einem seichten goldbraunen Kranz, der hier und da Sprenkel aufwies. Sie leuchteten nicht so wie eben noch in Kjetell'os Seelenspiegeln, erinnerten aber stark an seine tiefen Wälder mit den Sonnenflecken. Man konnte es kaum mehr leugnen. Alles wurde umrahmt von Haaren, ihren wunderschönen Locken die blond, kupfern und rot über ihre Schultern fielen. Die Hochsteckfrisur war nicht mehr und alles wirkte ein bisschen zerzaust, aber da schaute sie sich an. Keine bleiche Haut, keine Totenflecken, keine offenen Stellen des Verfalls. Azura van Ikari war zurück und wirkte endlich wieder ... vollständig.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Azura » Donnerstag 26. Oktober 2023, 14:26

Wie würde es dem Flämmchen in ihrem Inneren ergehen, wenn sie längere Zeit in diesem Reich ihrer Göttin bleiben würde? Ob es diesem zarten Feuerchen irgendwann einmal zu viel werden würde, so, wie wenn sie zu viel ihrer Wassermagie nutzte? Würde es ihr am Ende auch die Kraft und das Bewusstsein rauben? Oder könnte sie auch hier einen Schild finden, mit dem es ihr eigenes Gegenteil schützen könnte?
Azura wusste es nicht und hatte im Moment auch ganz andere Sorgen, als auf diese leise Stimme zu hören. Dass ihr Unbehagen zum Teil daher rührte, verknüpfte sie nicht damit, sondern schob es auf jenen Gedanken, dass sie Ventha statt erheitert eher verstimmt hatte mit ihrem Versuch, deren Aufmerksamkeit erreichen zu können.
Das nagte an ihr, die sich früher für stets so eloquent und schlagfertig gehalten hatte, die stets Gelächter geerntet hatte, wenn sie dieses angestrebt hatte. War mit ihr viel mehr geschehen, als in einem verwesten Körper dahin zu vegetieren?
Und als ob das nicht genügen würde, sollte diese Begegnung die letzte ihrer Art sein. Eine Erkenntnis, die ihr das Herz schwer voller Kummer werden ließ. Noch war sie nicht so weit, jene geschenkte Aufmerksamkeit und den Segen als derart außergewöhnlich ansehen zu können, dass sie dankbar für diese kurzen Treffen und deren Verlauf sein konnte.
Nun ja, das war so nicht ganz richtig, denn sie fühlte durchaus Dankbarkeit und fühlte sich Ventha dadurch noch viel stärker verbunden als je zuvor. Aber anstatt das Geschehene als besonders genug zu schätzen, dass es überhaupt stattgefunden hatte, würde sie erst einmal darum trauern, dass es keine Wiederholung mehr geben könnte. Ja, vielleicht würde sie die Sehnsucht, ihrer Göttin erneut zu begegnen, ein Leben lang in sich tragen und sich wünschen, es wieder zu erleben, jetzt, da sie wusste, wie es sein konnte.
Und was, wenn sie das Ruder noch herum reißen könnte? Was, wenn sie die Welle mit der wunderschönen Gischtkrone nicht verlassen müsste, sondern sie der Länge nach nehmen und somit immer wieder bis nach oben gelangen könnte? Auf jeden Fall musste sie die Göttin wieder versöhnen nach ihrem scheinbaren Fauxpas! Dann könnte die Hoffnung weiter leben.
Dabei war es gar nicht so leicht, da ihre Gefühlswelt ohnehin in stetigem Aufruhr zu sein schien. Als wolle ihre Umgebung diesen Umstand noch verstärken, kamen ihr schneller die Tränen als sonst und sie blieben nicht unbemerkt. Erschrocken sah sie auf, verharrte mitten in der Bewegung, weil sie sich instinktiv über die feuchten Augen wischen wollte. Ihre Wangen röteten sich, dann senkte sie ihren Blick wieder und ließ es zu, dass das glitzernde Tröpfchen ihre Haut allmählich herunter kullerte. "Ich... ich bin nicht gut im... Opfern...", nuschelte sie in sich hinein und schniefte verhalten.
Indes fuhr ihr Gegenüber fort und sie lauschte deren Worten. Mehrmals schluckte sie und wusste nicht so recht, ob sie sich gescholten fühlen sollte dabei. Solange, bis die Sprache auf Corax fiel. Abrupt hob sie ihren Kopf wieder an und öffnete sogar den Mund, um etwas zu sagen, aber ihr wollte nicht so recht einfallen, was. Also schwieg sie vorerst weiter.
Allmählich jedoch schlich sich ein Grinsen auf ihre Lippen und sie begann, mit ihren Fingern an einem losen Faden ihres Gürtels zu spielen. Als Ventha ihren Raben als gerissen beschrieb, musste sie gegen ein vergnügtes und zugleich irgendwie auch stolzes Glucksen ankämpfen, das ihr die Kehle hinauf kriechen wollte. Dabei biss sie sich auf die Unterlippe und nagte ein wenig daran herum, bis die Bläschen erschienen und wie durch Geisterhand kleine Fischschwärme zur Stelle waren, um damit zu spielen.
Einen Moment lang abgelenkt von diesem einfach nur niedlich zu beschreibenden Schauspiel, traf sie der Vorwurf umso härter, der sie zurück zu dem Gespräch holte. "A... aber... aber er konnte ja nicht... ich meine... woher hätte er wissen sollen...? Er kann ja nicht in die Zukunft sehen!", stammelte sie und hob hilflos die Schultern. Zugleich jedoch hatte Ventha ihr gehörig zu denken gegeben.
Wenn sie es in der Gedankenschriftrolle richtig verstanden hatte, dann hatte ihr Liebster die magische Schriftrolle bereits ziemlich früh in ihrer Seele versteckt. Zu einem Zeitpunkt, an dem von irgendeiner Sympathie zwischen ihnen noch lange keine Rede hatte sein können. Warum aber hatte er das dann getan? Und was wäre tatsächlich gewesen, wenn sie ihm nicht verfallen wäre? Oder wenn er damals, nach der Rauferei mit den Zwergen, nicht wieder gesund geworden wäre oder sie mit der Buntschelmin weggegangen wäre?! Oder wenn sie nicht aus dem Jenseits zurück gekommen wäre...
Die junge Frau musste schwer schlucken und spürte, dass da ein Gespräch, ein sehr ernstes Gespräch, auf sie beide zukommen würde. So in ihre eigenen Überlegungnen versunken, hörte sie nur noch mit einem Ohr zu, bis eine kräftigere Welle sie erreichte und aufschrecken ließ. Blinzelnd sah sie wieder zu Ventha und nickte langsam. "I... ich... ich werde es ihm... ausrichten...", murmelte sie und seufzte. Was hatte er sich nur dabei gedacht?! Es hätte so viel schief gehen können!
Noch während sie damit zu kämpfen hatte, wie sie das Verhalten ihres Raben bewerten sollte, ergriff die Göttin ein anderes, nicht minder heikles Thema. Doch für Azura gab es nur eine Antwort, sie wollte sich nicht noch mehr verändern, sich nicht erneut etwas nehmen lassen, das so viel ihres Selbst bisher ausgemacht hatte. Dabei war ihr ausnahmsweise bewusst, dass sie damit den schwierigeren Weg wählte.
Allerdings hatte sie sich so sehr daran gewöhnt, obwohl sie noch längst nicht damit wirklich umgehen konnte, dass sie ihren inneren Gegensatz nicht missen wollte. Erst recht nicht jetzt, da sie ihn durch den Schild endlich ein wenig zu verstehen begann. Auch wenn der Waldelf gemeint hatte, zwei Magiearten in einer Person wären nicht wirklich möglich... Nein, sie wollte sich, ihrem Element und auch ihrer Göttin treu bleiben.
Jedoch konnte sie die Bedingung nur erfüllen, wenn die Ablenkung durch ihre eigene Verwesung endlich ein Ende hatte. Deswegen war sie schließlich auch hier, hatte ihr Opfer darbringen wollen und Ventha angerufen. Warum wollte sie ihr dann nicht helfen und ihr zurück geben, was vermutlich sie genommen hatte? Verzweifelt flehte sie um eine Rücknahme des Fluchs, selbst dann noch, als ihr Gegenüber aufstand und ihre stürmische Seite zu zeigen begann.
Das Herz der jungen Frau fing an, wie wild zu pochen. Trotzdem konnte sie nicht sofort schweigen, sondern musste noch einmal mit Nachdruck betonen, was sie voller Verzweiflung erbat. Mit erneuten Tränen in den Augen sah sie ihr entgegen und musste gegen ihren Impuls der Flucht ankämpfen, um standhaft bleiben zu können.
Das war alles andere als einfach, während sich der Sturm um sie beide herum aufbaute und auch Ventha zu wachsen schien. Sie wirkte richtiggehend bedrohlich wie ein Unwetter auf See, das langsam und zugleich unaufhaltsam näher kam. Der Mensch vor ihr begann leicht zu zittern und schluckte mehrfach, umarmte sich selbst und hoffte inständig, ja, war sogar versucht, ein Stoßgebet an ausgerechnet diese Göttin zu schicken, dass sie den Bogen nicht überspannt hatte. Dabei war genau dieses Flehen von vorhin der Grund für das ganze Ritual gewesen! Voller Unsicherheit sah sie zu Ventha auf, bewunderte sie dennoch ebenso, wie sie ihr im Moment Angst einzujagen verstand.
Und dann, als der Höhepunkt des Sturms, in dessen Auge sie beide sich befanden, gekommen zu sein schien, glaubte sie schon, sogleich verschlungen zu werden. Ihr Gegenüber beugte sich ihr entgegen, sodass sie die Lider zusammen kniff, um das Unheil nicht mit ansehen zu müssen, das auf sie wartete. Umso erstaunter versteifte sie sich, als sie mit einem Mal und voller Sanftheit Lippen auf ihrer Haut fühlte.
Es kribbelte ohne Ende und schien bis in ihre letzte Nervenfaser dringen zu wollen, das sich sämtliche feinen Härchen aufstellten und sich auch anderweitige Gefühle meldeten, die so gar nicht dazu zu passen schienen. Trotzdem konnte sie diese, zumindest für sich, denn Ventha würde es hoffentlich nicht bemerken, nicht leugnen.
Im nächsten Moment war der Kontakt auch schon wieder vorbei, dennoch blieb das Echo der Berührung zurück und würde unvergessen sein. Als würde sie träumen, weigerte sie sich, ihre Lider anheben und in die Wirklichkeit zurück kehren zu wollen. Hätte die andere nicht zu ihr gesprochen, sie hätte es vermutlich nicht so rasch überwunden und ihre Augen wieder geöffnet.
Ihre Wangen röteten sich bei dem Lob und sie musste schlucken, zugleich kräuselte ein verlegenes, kleines Lächeln ihre Lippen. Langsam nickte sie und versuchte zu verstehen, doch um das ganze Ausmaß dieser Worte begreifen zu können, würde sie etwas Zeit brauchen. Mehr, als ihr jetzt noch vergönnt war in diesem Sturm, der das Bedrohliche verloren hatte und sie eher an den Schild erinnerte, mit dem sie ihr Flämmchen beschützen konnte.
Jenes Feuerchen, das sie von ihrem... ihrem Vater hatte? Mochte der Waldelf also doch die Wahrheit gesagt haben...?
Ehe sie diesen Gedanken weiter verfolgen konnte, lenkte Ventha sie davon ab und kam zu ihrem eigentlichen Anliegen zurück. Schon erklang ein beinahe schon vertrautes Kichern und sie konnte endlich den Mund öffnen, um etwas zu sagen, nur... es war zu spät. Das Bild vor ihren Augen wurde blasser, die Farben greller. Azura konnte nur noch ihre Hand ausstrecken in dem hilflosen Versuch, sich an der Göttin festzuhalten.
"Ventha...", entkam ihr noch ein Hauch, ehe sie ihre Augen zusammen kniff und das Gesicht zur Seite drehte, so sehr wurde sie geblendet.

Sie bemerkte gar nicht, dass sie bewusstlos gewesen war, bis eine Stimme durch all das Licht zu ihr drang. Mehr noch, Lippen und Zunge schmeichelten ihrem eigenen Mund, verschwanden jedoch viel zu schnell, als sie gerade ihre Einladung durch das Öffnen aussprechen wollte.
Ihre Lider flatterten und trotzdem öffnete sie nicht die Augen. "Ich bin noch nicht wach...", nuschelte sie und konnte sich ein feines, freches Grinsen nicht verkneifen. Erst nach einem zweiten Kuss, den sie auch erwidern könnte, würde sie ihre Augen öffnen.
Sobald es soweit war, stockte ihr der Atem. Über ihr befand sich ein Antlitz, das sie kannte und ihr dennoch fremd war. Es passte nicht zu der Stimme und der Form ihres Liebsten, obwohl er es sein musste. Sie hatte es schon einmal gesehen und wie damals blieb dieses Bild auch jetzt nicht von Dauer, wie sie zu ihrer Erleichterung feststellen konnte.
Aufseufzend ließ sie sich gegen ihn sinken, als er sie an seinen Körper zog, und verbarg ihr Gesicht an seinem Oberkörper, um erst einmal zurück in diese Welt finden zu können. Bei seinen Worten musste sie erneut grinsen und drehte ihren Kopf ein wenig, um Luft holen zu können, auch wenn sie ihre Augen noch ein wenig geschlossen hielt. "Wenn du noch einmal so hell leuchtest, lass ich dich in der Sonne brutzeln, bis du wieder so kohlrabenschwarz bist, wie du sein sollst.", erwiderte sie neckend mit einem leisen Lachen in der Stimme und wollte ihm gleichzeitig damit verdeutlichen, dass er ihr in seiner dunklen Form noch immer weitaus besser gefiel.
Wahrscheinlich hätte sie ihm noch so einiges zu sagen gewusst oder sich einen weiteren, leidenschaftlicheren Kuss geholt, denn ihr Körper verlangte mit einem Mal danach, wenn nicht eine Stimme auf noch einen Anwesenden aufmerksam gemacht hätte. Erstaunt blinzelnd sah sie nun doch in die reale Welt und erkannte den Waldelf, wie er irgendwie... gerührt vor sich hin lächelte.
Den Grund verstand sie nicht, noch nicht, aber sie fühlte sich noch beschwingt von dem neuerlichen Segen, den sie erhalten hatte, und dem Umstand, dass Corax sie hielt. Dass es auch an seiner Magie lag und daran, was er bewirkt hatte, von dem sie noch nichts wusste, konnte sie nicht ahnen. Trotzdem gab sie diesem Gefühl nach und während ihre Wangen ob des Kompliments glühten, musste sie grinsen. "Und dir steht der Schlamm, er passt zu deinem Teint.", frotzelte sie ungewöhnlich gutmütig und beinahe schon... vertraut, als hätte es keinen Graben zwischen ihnen gegeben.
So wäre es vermutlich auch weiter gegangen, hätte ihr Rabe sich nicht von ihr gelöst und sie zu einem Blick ins Wasser aufgefordert. Mit einem Mal schlug ihr das Herz bis zum Hals und sie sah zu ihm hoch, voller Angst und Unsicherheit, was sie gleich erwarten würde. Mehrfach schluckte sie schwer und leckte sich über die Lippen, die sich weniger spröde anfühlten als in der letzten Zeit. Mit den Händen klammerte sie sich an seinen Arm, um daran Halt zu finden, und wollte eigentlich nicht hinschauen.
Aber... ihre Neugier wurde zu stark, sodass sie schließlich doch langsam den Kopf drehte und vorsichtig zu der Wasseroberfläche der Pfütze linste, die fast schon ungewöhnlich ruhig und glatt vor ihr lag. Was sie dadurch zu sehen bekam, ließ sie scharf die Luft einziehen. War das ein Traum? Oder war sie endlich aus dem bisherigen Alptraum erwacht?!
Ihre Augen glitten über das Spiegelbild ihres Gesichts, nahmen jedes Detail auf, das ihr von früher so vertraut war. Doch damit nicht genug, löste sie ihren Griff von seinem Arm und besah sich ihre Hände, schob die Ärmel etwas höher und begutachtete ihre Unterarme. Schließlich begann sie, ihren Körper abzutasten, ihr Gesicht, ihre Arme, ihre Beine, ihren Bauch... und auch kurz ihre wieder straffen, vollen Brüste.
"Geschafft...?", hauchte sie ungläubig und sah von einem zum anderen, die Augen vor Überraschung geweitet. Ihre feingliedrigen, langen Finger legte sie auf ihre Lippen, als wolle sie einen Schrei unterdrücken, während ihr die Tränen kamen.
Dann hielt sie es nicht mehr aus, quietsche laut auf und fiel mit einem lachenden, schluchzenden "Geschafft!" Corax um den Hals. Dort musste sie sich erst einmal ausheulen vor lauter Erleichterung, dass dieser Alptraum ihres Zustandes endlich ein Ende hatte.
Irgendwann, nach gefühlten Ewigkeiten, konnte sie gegen seinen Hals murmeln:"Geschafft! Wir haben es geschafft!" Lachend löste sie sich etwas von ihm, schniefte und wischte sich wenig damenhaft die Nase mit dem Handrücken, ehe sie ihre Arme um seinen Hals schlang.
"Und das, obwohl ich eigentlich mit dir schimpfen müsste!", lachte sie weiter voller Glückseligkeit, während ihr noch immer Tränen über die Wangen liefen. "Na ja, im Prinzip schimpft Ventha mit dir, aber ich übernehme das für sie!", kicherte sie noch, ehe sie sich wieder an ihn schmiegte und so dicht an ihm erst einmal zur Ruhe kommen wollte.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 1. November 2023, 16:21

Azuras Lebensenergie verändert sich auf


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Mit einer Göttin sprechen zu können, bedeutete schon viel. Von ihr gelobt zu werden, kam einer Heiligsprechung gleich und ausgerechnet jener Gesalbte hörte das Lob nicht. Ventha hielt Corax für gerissen, dass es ihm gelungen war, ihre eigene niedergeschriebene Magie vor ihr zu verbergen. Azura machte es stolz, so viel Wohlwollen von ihrer Göttin zu hören, aber im nächsten Moment redete sie schlecht von dem Raben. Und sie hatte Recht! Selbst Azura, die zunächst noch versuchte ihn zu verteidigen, würde zustimmen müssen. Corax konnte nicht in die Zukunft sehen, das stimmte. Aber er hätte sich vorab genauer überlegen können, welche Konsequenzen es hätte, die Schriftrolle hinter einem aufrichtigen Liebesschwur zu verstecken, von dem nicht klar war, ob er jemals über die Lippen gekommen wäre. Azura hatte unheimlich lang gebraucht und was wäre passiert, wären sie oder ihr Rabe vorzeitig gestorben? Gelegenheiten hatte es gegeben und sogar zahlreiche. Eigentlich war Azura längst ins Reich des Jenseits übergegangen, damals noch, als Seprentis Mortis ihr nicht nur die Haare verbrannt hatte, sondern auch ihr Gesicht. Doch sie erinnerte sich nicht wirklich daran. Wer erinnerte sich schon an seinen eigenen Tod. Vielmehr kamen ihr die winzigen Fragmente wie ein Traum vor. Ein adliger Tanzball, der maskierte Harlekin, ein goldener Faden, dem sie zurück ins Leben folgte ... Das alles lag so fern! Aber schon damals hätte alles schiefgehen können. Hatte Corax sich deshalb an sie gebunden? Um die Schriftrolle nicht aus den Augen zu verlieren? Nein, das allein konnte nicht der Grund sein. Er hatte ihren Erhalt an die Bedingung geknüpft, dass Azura ihm ihre Liebe - echte Liebe! - würde gestehen müssen. Hatte er also von Anfang an darauf spekuliert, ihr Herz zu gewinnen? Sie würde definitiv noch ein Wort mit ihrem Raben sprechen müssen. Zunächst aber galt es, jenes an ihre Göttin zu richten. Nach wie vor fürchtete Azura, sie würde ihre alte Schönheit niemals wieder zurückgewinnen. Nun offenbarte Ventha ihr zusätzlich noch, dass es das letzte Treffen zwischen ihnen sein sollte. All dies schien doch reichlich düstere Aussichten für ihr Schicksal zu haben. Konnte ihr denn nicht einmal eine Göttin aus ihrer misslichen Lage heraus helfen? Gab es denn keine Rettung?!
Venthas Lippen trafen ihre Haut. Die Bemerkung der Göttin traf ihr Herz. Corax nahm sich ihres Problems bereits an? Er war ... unheimlich für ihre Göttin?! Dabei sah er so schön aus, umrahmt von Lysanthors Licht, das sich einen feinen Weg durch die regnerische Wolkendecke bahnte. Seine Schwingen waren weiß mit dem regenbogenartigen Schillern, als hätte sich die Magie selbst in seinem Gefieder niedergelassen. Seine Augen glänzten ebenso bunt und zauberhaft, doch es waren die Art wie er auf Azura niederblickte und lächelte, die sie wirklich zu bezaubern verstanden. Dann schwand die Magie und zurück blieb, was ihr das Herz nur noch mehr zum Schlagen brachte. Sie brauchte keinen weißen Ritter in glänzender Rüstung. Azura sehnte sich nach dem Dunklen. Sie wollte Finsternis in Form mattschwarzer Haut wie Asche und nebelkrähenschwarzem Haar, das in wilden Fransen über die Rubine hing, mit denen der Rabe in seinem schwarzen Federkragen sie nun betrachtete. Sie wollte Corax. Da war er, hielt sie und betrachtete sie so voller Liebe und Erleichterung, dass es einem die Tränen in die Augen treiben wollte.
Zwei Mal hatte er sie aus ihrem Prinzessinnenschlaf küssen müssen, damit sie nun mit diesem Anblick belohnt wurde. Dabei kannte sie ihren wahren Lohn noch nicht. Sie fiel zunächst gegen Corax selbst, lehnte sich an dessen Brust, während er seinen verbliebenen Arm um ihren Körper schlang. Er seufzte erleichtert, während Azura sich einen kleinen, neckischen Scherz zu seiner gottgleichen Optik von vorher nicht verkneifen konnte.
"Wenn du noch einmal so hell leuchtest, lass ich dich in der Sonne brutzeln, bis du wieder so kohlrabenschwarz bist, wie du sein sollst."
"Ich werde nie wieder Glück empfinden, wenn es das ist, was du willst", antwortete er demütig, stutzte dann und versteifte sich. Er zögerte. Schließlich korrigierte Corax seine eigene Aussage: "A-aber ich will glücklich sein! Vor allem, wenn mein Glück aus deinem Anblick geboren wurde." Er setzte ihren Wunsch um. Er würde sich nicht mehr anderen Forderungen unterordnen, seine Bedürfnisse zurückstellen und devot sein. Die Zeiten als Sklave sollten ein Ende haben. Azura wollte, dass er seine Bedürfnisse nicht vergaß und andere daran erinnerte, dass auch er ein Recht darauf hatte. Dass sie die erste war, die es zu spüren bekam, mochte nun etwas unglücklich sein, aber letztendlich war es besser, dass er sich durchsetzte. Oh, wäre es schrecklich gewesen, hätte er nun ihren Scherz für voll genommen und würde ihrem Wunsch folgen. Dann wäre er wirklich nur noch der Leidträger, als den Kjetell'o ihn ständig bezeichnete. Der Elf befand sich im Übrigen auch noch unter den Anwesenden. Ergriffen starrte er zu dem Paar herüber und wischte sich die Feuchtigkeit aus den Augenwinkeln. Er selbst war über und über mit Schlamm bedeckt. Der Regenguss hatte den Untergrund ordenltich aufgeweicht. Bis zur Hüfte und auch an den Unterarmen bot Kjetell'o ein matschiges Bild. Alles andere war schlicht und ergreifend einfach klatschnass an ihm. Der Unterstand hatte die Regenmassen kaum zurückhalten können und das meiste hatte offensichtlich den Waldelfen getroffen. Er schlotterte, ignorierte es aber und kaschierte es mit einem berührten Lächeln, als er Azuras Blick erwiderte.
Den Grund für Kjetell'os Ergriffenheit offenbarte Azura wenig später ihr eigenes Abbild, das sie in einer der vielen Pfützen musterte. Sie war wiederhergestellt. Einfach nur schön, zierlich udn damenhaft trotz des leicht zerzausten Haares und auch ihrer feuchten Kleidung schaute sie sich selbst entgegen. So wunderschön wie eh und je.
Sofort wandte die Andunierin den Blick ab und richtete ihn auf sich selbst. Sie schob die Ärmel ihrer Kleidung zurück, betrachtete ihre ebenmäßige Haut. Sie besaß diesen samtenen Teint mit einer Spur adliger Blässe. Vor allem aber fehlten jegliche Altersflecken, fauligen Stellen und offene Wunden, die bis zum Knochen reichten. Alles an ihr sah wie früher aus. Sie entdeckte sogar eines ihrer liebsten Muttermale am Arm, das ihrer Haut keinen Makel, sondern diesen exotischen Schönheitsflecken verpasste, für den man sie bewundern würde - vorausgesetzt, andere durften so viel von ihrer Haut sehen.
Endlich erreichte Azura die Erkenntnis und mit einem glückseligen Schluchzen fiel sie Corax erneut in die Arme. Sie umschlang seinen Hals, lehnte sich in die weiche Beuge seiner Haut dort und ließ den Tränen freien Lauf. Corax ließ es vollkommen zu. Er hielt sie und wärmte sie zugleich, denn nach wie vor hockten beide auf einem inzwischen klatschnassen Tuch im Schlamm.
"Geschafft! Wir haben es geschafft! Und das, obwohl ich eigentlich mit dir schimpfen müsste!"
"Wann tust du das nicht?", hielt Corax ihr mit einem Schmunzeln entgegen, als Azura sich etwas von ihm löste. Er sah sie an. Seine Augen funkelten. Er konnte nicht aufhören zu lächeln. "Naja, im Prinzip schimpft Ventha mit dir, aber ich übernehme das für sie!"
Corax nickte. "Schimpf nur. Soll sie wütend auf mich sein. Es ist mir egal." Über ihnen erhellte ein Blitz den Himmel, bevor sich das erwartete Donnergrollen ankündigte. Corax zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Er hielt seinen Blick auf Azura gerichtet und wie so oft griff er nach der besten Waffe in seinem Reportoire. "Ich liebe dich."
"Und jetzt versteht auch jeder, warum." Kjetell'o stapfte an die beiden heran. Jeder seiner Schritte hinterließ ein Schmatzen in ihren Ohren, aber das Frösteln aus seiner Stimme heraus konnte es kaum überdecken. Der Elf schlang beide Arme um den eigenen Körper. Er wirkte nicht so ruhig und besonnen wie üblich, sondern etwas blass um die Nase. Nicht nur Azuras Flämmchen hatte bei zu viel Wasser zu kämpfen, wie es schien. "Ich fürchte, das Wetter meint es nicht gut mit uns", schniefte der Elf. Er klang bereits etwas nasal. "Wir sollten einen warmen Ort aufsuchen und ... ihr möchtet nun sicher allein sein." Kjetell'o wurde nicht einmal rot, als er das sagte. Aber auch bei Corax kam keine Verlegenheit auf, im Gegenteil. Er betrachtete Azura mit einem fragenden Funkeln im Blick. Es gab schließlich Wichtigeres als mit ihm zu schimpfen. "Ich würde dich auf Händen tragen, wenn ich noch dazu in der Lage wäre", raunte er ihr zu uns zog dann seinen verbliebenen Arm zurück, um Azura wenigstens in den Stand zu helfen.
"Tu es doch", hielt Kjetell'o entgegen. Dann schmunzelte er, schüttelte den Kopf und winkte ab. "Eines nach dem anderen, Leidträger. Du bist faszinierender als je zuvor. Gehen wir." Wo auch immer das Trio sich nun hin begeben wollte, sie sollten es schnell tun. Corax hatte mit seiner Ignoranz Ventha offensichtlich herausgefordert. Der einzelne Lichtstrahl von vorhin war längst wieder hinter der grauen Wolkenmasse verschwunden. Erneuter Regen kündigte sich an, dieses Mal kräftiger. Er drang sofort bis unter die Haut, dass selbst die Regenmäntel kaum noch schützen konnten. Vor der Kälte war keiner von ihnen gefeit. Auf halbem Weg zurück gen Akademie nieste Kjetell'o bereits mehrmals. Außerdem bildete er das Schlusslicht, folgte dem Paar mit Abstand und wurde zunehmend langsamer. Corax achtete nicht auf ihn. Er hatte nur Augen für seine wieder schöne Azura.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Azura » Donnerstag 2. November 2023, 14:48

Natürlich freute es sie, dass ihr Liebster beeindruckte. Sie hatte er schließlich auch um den Finger zu wickeln gewusst und noch so manches mehr mit ihr veranstaltet, das für sie auf ewig unvergessen bleiben würde. Allerdings gab es da durchaus Dinge, die ihr Angst zu machen verstanden. Abgesehen von der Sache mit der Nadel und dem Faden, die sie nie wieder gänzlich loslassen würde, war da auch das Theater rund um die Schriftrolle.
Was wäre gewesen, wenn sie nicht beisammen geblieben wären? Wenn sie sich nicht ehrlich in ihn verliebt und es am Ende ausgesprochen hätte? Wenn sie tot geblieben wäre? Oder wenn, was ihr Selbstbewusstsein vermutlich noch viel schlimmer zerstört hätte als ihre optische Erscheinung, er sie verlassen hätte? Es gab so viele Wenn's, dass sie ihm ordentlich die spitzen Ohren noch langziehen würde dafür. Und natürlich auch ausquetschen, wie er überhaupt auf diese dumme Idee gekommen war, warum ausgerechnet sie und was er sich davon versprochen hatte!
Jetzt jedoch ging es vordergründig um ihr Aussehen und da segnete Ventha sie zwar, sprach aber zugleich davon, dass sie nicht diejenige war, die sich darum kümmern würde. Das verstand Azura nicht sofort, dazu musst sie erst einmal zurück in die Welt der Sterblichen kehren.
Als dies geschah, erblickte sie die engelsgleiche Form ihres Liebsten, jene, die ihr absolutes Glück versprach, und dennoch nicht jene war, die ihr Herz schneller schlagen ließ. Natürlich, auch in hell war er ein attraktiver, anziehender Mann. Trotzdem, sie hatte sich in den Dunkelelfen verliebt und begehrte ihn nur in dieser Gestalt. Sein roter Blick war es, der ihr die Knie weich wie Butter werden ließ, und seine Haut so finster wie die Abgründe der Lust, in die sie sich von ihm führen lassen wollte.
Die Erinnerung an seinen Traum, den sie als Geist besucht hatte, stieg in ihr hoch und sein Anblick auf dem Thron, dass ihr ein leichtes Keuchen entkam. Oh ja, sie wollte ihn dunkel und finster und gefährlich, während sie und nur sie darüber Bescheid wusste, dass er in Wahrheit ein ganz Lieber war, der ihr niemals ernsthaft wehtun würde. Nur nerven, das konnte er gut und das brauchte sie auch, um ihm gehörig den Kopf zurecht zu rücken.
So war auch ihre Anmerkung gemeint, gleichzeitig wollte sie ihm damit zeigen, dass er sich nicht verändern musste, um ihr zu gefallen. Bedauerlicherweise verstand er es falsch, wie seine Worte ihr bewiesen. Sie löste sich ein wenig von ihm und sah zu ihm traurig, sogar ein wenig erschrocken hoch. Bevor sie es aber klar stellen konnte, protestierte er gegen seine eigene Schlussfolgerung, was sie zumindest aufatmen ließ. Obwohl sie mit ihm noch über die Funktion seiner Augen reden müsste, wollte sie zuerst anderes klären.
"Du Dussel, ich rede doch nicht davon, dass du nicht glücklich sein sollst!", schalt sie ihn liebevoll und griff nach seiner Nase, um leicht daran zu ziehen. "Mir gefällst du nur als der dunkle Schatten besser, als wenn du Glühwürmchen spielst.", fuhr sie fort und hoffte, dass er dieses Mal begriff, auf was sie hinaus wollte.
Wobei sie kurz darauf diese kleine Auseinandersetzung vergaß, als er ihr die Gelegenheit gab zu sehen, dass es geschafft war, dass sie endlich nicht mehr aussah wie eine lebende Tote. Oh, es war so schön! Endlich sah ihr wieder jenes Gesicht entgegen, das sie kannte und mit dem sie sich anfreunden konnte! Sie konnte es nicht sofort glauben, ein Blick auf andere Körperpartien allerdings offenbarte, dass sie sich nicht täuschte. Ihre Freude war grenzenlos, als sie erneut ihrem Liebsten um den Hals fiel und sich diese Erleichterung erst einmal rausschluchzen musste.
Es dauerte ein wenig, bis sie sich beruhigen konnte und darauf besann, was sie auf jeden Fall noch loswerden musste. Zwar war noch nicht der rechte Moment für das ernste Gespräch zwischen ihnen, jedoch war es mal ein Anfang. Seine Frage sorgte dafür, dass sie sanft gegen seinen Oberkörper schlug, wie um zu zeigen, dass er recht hatte.
"Würdest du dich formvollendet benehmen, müsste ich das auch nicht dauernd tun.", raunte sie ihm neckend zu und kicherte leise, vergaß allerdings nicht, was sie eigentlich hatte loswerden wollen. Nämlich, dass sie mit ihrer Göttin gesprochen hatte und dadurch eben wusste, dass Corax ihren Ärger auf sich gezogen hatte.
Der Blitz bei seiner Erwiderung war eine Warnung, die sie nicht völlig ignorieren konnte. "Vorsicht, sie ist ziemlich wankelmütig und kann dir das Leben sehr schwer machen, wenn du sie weiter verärgerst." Ihr Blick glitt an seiner triefenden Erscheinung entlang und sie musste schief grinsen. "Irgendwann willst du sicher mal wieder trocken und nicht aufgeweicht sein, oder?", neckte sie ihn und schmiegte sich erneut fester an ihn.
Schon kam er mit seinen drei wichtigen Worten, die sie leise und wohlig aufseufzen ließen. In diesem Moment mischte sich der Waldelf wieder ein und ließ sie aufsehen. Ihre Wangen röteten sich, während sich ihr Mund schon zu einem Protest öffnete.
Ja, sie hatte sich immer viel auf ihr Äußeres eingebildet und war dafür durchgehend begehrt sowie beneidet worden. Aber... beinhaltete Liebe, echte Liebe, nicht viel mehr? War sie etwa nicht liebenswert gewesen, wie sie hässlich und stinkend vor ihnen gestanden hatte? Hatte sie keine Charakterzüge zu bieten, die sie nicht ebenfalls begehrenswert machten? Doch dann machte sie sich bewusst, wie sie sich ihrem wahrscheinlichen Erzeuger gegenüber verhalten hatte, und schloss ihre Lippen unverrichteter Dinge wieder. Nein, besser, sie sagte jetzt nichts dazu und behielt ihre Kränkung für sich, als sie den Blick abwandte und einen langen Atemzug schweigend an Corax' nasser Kleidung herum zupfte.
Wenigstens blieben sie nicht sonderlich lange bei diesem Thema, sondern der Waldelf drängte zum Aufbruch. Mit einer Anspielung, die seine Tochter durchaus zum Glühen brachte, dass ihr ganz heiß im Gesicht war. So sehr, dass bestimmt jeder Regentropfen verdampfen musste bei einer Berührung ihrer Wangen!
Stumm und hochgradig verlegen ließ sie sich hochhelfen und wagte es kaum, zu ihrem Liebsten zu sehen. Wollte sie das denn? Mit ihm alleine sein? Mit ihm zu tun, was ihr Helfer ihnen gerade unterstellt hatte? Oder hatte sie es falsch verstanden? Das Herz pochte ihr heftig in der Brust und ihre Hände fühlten sich feuchter an, als dass dies allein an dem Regen liegen mochte. Sie war nun wieder ganz sie selbst, so schön wie früher und keine vertrocknete Pflaume mehr, für die sie sich schämen müsste. Und sie begehrte ihren Raben, daran lag es nicht.
Nur irgendwie... irgendetwas... hielt sie zurück, obwohl sie gedacht hätte, sofort über ihn herfallen zu wollen, sobald sie es wieder könnte. Eventuell lag es daran, dass sie eben nicht allein waren. Somit schmiegte sie sich lediglich an ihn und hielt den Blick gesenkt, während sich ihre Gesichtsfarbe allmählich normalisieren konnte.
Wozu auch der Regenguss seinen Teil beitrug, der nun auf sie herab prasselte. Auch Azura war rasch vollkommen durchweicht und ihr wurde ebenfalls immer kälter. Nach einigen Schritten knuffte sie ihren Liebsten in die Seite. "Dass du daran schuld bist, weißt du hoffentlich.", murmelte sie und warf ihm einen bösen Blick zu. Nur das Grinsen auf ihren Lippen, das konnte sie sich währenddessen nicht verkneifen, weil sie trotz allem noch immer stolz darauf war, dass auch er ihrer Göttin aufgefallen war.
Ein Niesen in ihrem Rücken lenkte sie ab und ließ sie zurück sehen. Dort, mit einigem Abstand, befand sich der Waldelf und wirkte noch viel elender in dem Regen, als sie es vermutet hatte. Natürlich, er war Feuermagier! Ein Spaziergang unter Venthas Guss mochte ihm da überhaupt nicht gefallen. Ihr eigenes Flämmchen rebellierte schon gerne dagegen, wenn sie zu lange bei solch einem Wetter draußen blieb, wie mochte es ihm dann erst ergehen? Ob sie ihm helfen könnte?
Eine Idee formte sich hinter ihrer Stirn und sie blieb stehen, löste sich ein wenig von Corax und wiederholte, was sie erst am Vortag zufällig entdeckt hatte. Sie wollte einen Wasserschild herbei rufen, wollte sie drei vor dem schlimmsten Regen bewahren und ihnen helfen, den restlichen Weg mit weniger Nässe zu bewältigen.
Sobald sie es geschafft hätte... oder feststellen müsste, dass sie nicht gut genug dafür wäre, warf sie einen Blick in die Runde und versuchte, sich zu orientieren. Den Weg zur Akademie kannte sie nun ein bisschen und konnte einschätzen, wie lange sie dafür brauchen würden. Aber auch eine andere Strecke wüsste sie zu nehmen und diese wäre erheblich kürzer.
Schwer schluckte sie und zögerte noch einen Moment lang, doch als sie noch einmal zu ihrem Erzeuger sah, war ihre Entscheidung gefallen. "Kommt!", forderte sie auf und nahm die Hand ihres Liebsten.
So ganz wohl war ihr zwar nicht, jedoch... früher oder später wäre dieser Weg sowieso fällig und zumindest musste sie keine Angst mehr wegen ihres Aussehens haben. Also bemühte sie sich, so schnell wie möglich zu ihrem Elternhaus zu gelangen.
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Re: Ritual im Park

Beitrag von Erzähler » Samstag 4. November 2023, 12:59

"Heee!" Corax lehnte sich in die entgegengesetzte Richtung, in die seine Nase gezogen wurde. Azuras Finger aber legten sich darum wie ein kleiner Schraubstock und so erkannte er schnell, dass es mehr schmerzte, wenn er sich auflehnte. Das versetzte ihm einen Schrecken. Würde es bedeuten, dass es doch besser wäre, sein Glück aufzugeben als ihrer Forderung zu folgen, seinen Willen durchzusetzen? Oder wäre es den Schmerz wert? Dann drang ihr milder Tadel zu ihm durch. "Du Dussel, ich rede doch nich davon, dass du nicht glücklich sein sollst! Mir gefällst du nur als der dunkle Schatten besser, als wenn du Glühwürmchen spielst."
Corax entspannte sich etwas. Er seufzte erleichtert aus und nickte, sobald seine Nase wieder freigegeben worden war. "Ich weiß noch immer nicht, wie ich es auslöse. Es passiert einfach."
"Und doch hast du vorhin bewusst herbeigeführt, nicht wahr?", mischte sich Kjetell'o mit ruhigen Worten ein. Corax starrte ihn an, doch der Waldelf wies mit einem Fingerzeig, dass der andere nun nicht antworten musste. Er riet ihm lediglich: "Bewahre diesen Moment in deinem Kopf. Wir kommen darauf zurück, aber nicht jetzt." Damit hatte er Recht. Nun war nicht die Zeit, Geheimnisse hinter Corax' Magie zu besprechen. Sie alle waren nass, die Haut kalt, die Kleidung von Schlamm durchweicht. Nur Azura sah trotz ihrer Kluft Atem beraubend aus. So sehr, dass Corax kaum die Finger von ihr lassen konnte. Er blieb dicht bei ihr. Vielleicht fürchtete er aber doch insgeheim den Zorn Venthas. Blitz und Donner sprachen Bände und Azura warnte ihn nicht nur aus einer Laune heraus. Ernst legte sich zurück auf die Züge des Raben. Erneut nickte er. Trotzdem wies sein Blick kurz gen Himmel, als wollte er es wagen, einer Göttin zu trotzen. In gewisser Weise taten sie das alle gerade. Jeder von ihren fror. Die Kleidung klebte nass und schwer auf der Haut. Sie würden sich erkälten, kämen sie nicht bald ins Trockene. So entschieden sie in stillem Einvernehmen, das kleine Versteck im Park zu verlassen und sich auf den Rückweg zu machen. Nachdem Kjetell'o seinen Aufbau wieder zusammengeräumt und eingepackt hatte, ging es los.
Der Regen ließ nicht nach, im Gegenteil. Die Tropfen prasselten nun auf ihre Köpfe und selbst ihre Mäntel schützten sie nicht mehr so wie zu Beginn ihres Vorhabens. Richtig hell wollte es trotz des angebrochenen Tages auch nicht werden. Andunie lag grau und kalt dar. Wenigstens wagten sich so nur jene Einwohner hinaus, die triftige Gründe besaßen. Das Trio begegnete einmal einer dunkelelfischen Patrouille. Jene musterten Azura und Kjetell'o mit strengen Blicken. Da aber Corax bei ihnen war, fiel bis auf ein grüßendes Nicken keine andere Reaktion.
Ein anderes Mal kreuzte ein streunender Hund ihren Weg, ansonsten blieb die Gruppe recht unbehelligt. Corax bevorzugte aber auch, den Weg über die Seitenstraßen zurück zur Akademie zu nehmen. Dadurch würde es etwas länger dauern, doch er wollte nicht einmal seinesgleichen begegnen. Kjetell'o fiel spürbar zurück. Azura bemerkte es und ahnte sofort, dass der Shyáner deutlich schwerer zu kämpfen hatte als sie beide. In ihrem Inneren glühte nur ein kleines Flämmchen, das sich so lange schon mit den eigenen Wasserkräften auseinandersetzen musste, um nicht zu erlöschen. Kjetell'o aber war eine wandelnde Flamme. Azura hatte es selbst gesehen. Der Regen würde ihn nicht umbringen, aber er setzte ihm zu. Auch er war vor seinem Gegenelement nicht gefeit. Das Ritual zuvor schien ihn schon Kraft gekostet zu haben. Er schlotterte und wurde immer langsamer. Das Bild berührte sogar Azuras Herz, vielleicht auch, weil Ventha selbst von ... ihrem Vater gesprochen hatte. Dies kam einer Tatsache gleich. Es ließ sich wohl nicht länger leugnen. Hinter ihr stapfte ihr Erzeuger einher, der alles getan hatte, um ihre Schönheit für Corax und Celcia zurückzugewinnen. Ihr Vater, der nichts davon hätte tun müssen, weil er sich einfach aus dem Staub gemacht und ihre schwangere Mutter zurückgelassen hatte. Der Mann, der viel Körperliches mit Aquila van Ikar geteilt hatte, nur seine Liebe nicht. Er liebte sie nicht und doch war Azura entstanden. Er liebte Aquila nicht und doch ... sehnte Kjetell'o sich nach Kontakt zu seinem eigenen Kind. Jetzt. Nach fast zwanzig Jahren!
Das Mitleid siegte, trotz aller Gedanken, die Azura noch im Kopf herumschwirren mochten. Außerdem konnte sie ihren Vater als Vorwand nutzen, sich endlich ihrer Mutter zu stellen. Jetzt konnte sie es. Jetzt würde sie Aquila nicht länger mit ihrem verfaulten Äußeren erschrecken. Es wurde Zeit, ihr die Angst zu nehmen, nicht nur Alycide verloren zu haben. Es wurde Zeit für einen kleinen Lichtblick. Mehr noch, Azura hatte eine Idee.
Corax sah auf, als sie sich von seinem Arm löste. Fragend blickte er sie an. Azura jedoch blieb kurz stehen und konzentrierte sich. Sie suchte die Kräfte in ihrem Inneren. Das Flämmchen in ihrem Geist zuckte nervös, als es gewahr wurde, dass sie vor allem das Wasser anrief. Angst sprühte durch ihren Willen wie die Funken der winzigen Flamme, die sich gegen auslöschende Massen wappnete. Ob es erneu gelänge? Es fühlte sich schwieriger an, obwohl Azura gänzlich von ihrem liebsten Element umgeben war.
Kjetell'o erkannte, was sie vor hatte. Er schlurfte bis an ihre Seite und berührte ihre Schulter. "Ruhig. Es wird nicht schiefgehen. Du weißt, wie es funktioniert. Es gibt keinen Grund, in Panik auszubrechen." Die Worte galten ihr, aber sie klangen fast wie ein Mut machender Appell an die Flamme in ihrem Inneren und eben jene schien zu lauschen. Ja, Azura hatte nie bewusst versucht, ihr Feuer anzugehen. Im Gegenteil. Sie hatte sich stets mit ihren Kräften zurückgehalten, aus Angst, ihr Flämmchen auszulöschen. Sie hatte sich und ihren Körper in eine Ohnmacht gerettet, wenn sie die Kontrolle verlor. Das Flämmchen musste nichts fürchten. Azura hatte einen Schild aus dem feindlichen Element beschworen, um es zu schützen. Sie würde niemals etwas gegen ihr Feuer einsetzen. Sie bewahrte es mit allen Mitteln.
Die kleine Flamme ihres Geistes glomm still und friedlich. Sie beruhigte sich im Wissen, dass das Wasser sie nicht löschen, sondern schützen würde. Sie gab sich dem Zauber hin und ließ zu, dass er geschehen konnte. Azura formte ein Schild in ihrem Geist und einen weiteren in der Realität. Sie zwang die niederprasselnden Tropfen dazu, sich an den feuchten Händen zu nehmen und in einem Bogen zu allen Seiten den Weg zum Boden zu suchen. Nachfolger prallten von diesem Schutz ab.
"Praktisch", kommentierte Kjetell'o. Er zog seine Hand von Azuras Schulter herunter. Corax sah sich um. Er grinste schief auf. Endlich standen sie im Trockenen. Um das Trio hatte sich eine Blase gebildet, durch die der Regen nicht durchdringen konnte. Solange Azura sich darauf konzentrierte, würde sie halten. Bei Bewegung wandelte auch der Schild mit ihnen, aber er zitterte leicht und hin und wieder tröpfelte doch etwas Wasser hindurch. Azura brauchte eben noch Übung. Es war trotzdem sehr angenehm, nicht mehr durch die Näse gehen zu müssen. Außerdem wärmte die Luft unter der unsichtbaren Schutzkuppel sich auch etwas auf. Kjetell'os Blick lag voller Stolz auf seiner Tocher, während sie einen anderen Weg einschlug als den zur Akademie.

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