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von Azura » Donnerstag 26. Oktober 2023, 14:26
Wie würde es dem Flämmchen in ihrem Inneren ergehen, wenn sie längere Zeit in diesem Reich ihrer Göttin bleiben würde? Ob es diesem zarten Feuerchen irgendwann einmal zu viel werden würde, so, wie wenn sie zu viel ihrer Wassermagie nutzte? Würde es ihr am Ende auch die Kraft und das Bewusstsein rauben? Oder könnte sie auch hier einen Schild finden, mit dem es ihr eigenes Gegenteil schützen könnte?
Azura wusste es nicht und hatte im Moment auch ganz andere Sorgen, als auf diese leise Stimme zu hören. Dass ihr Unbehagen zum Teil daher rührte, verknüpfte sie nicht damit, sondern schob es auf jenen Gedanken, dass sie Ventha statt erheitert eher verstimmt hatte mit ihrem Versuch, deren Aufmerksamkeit erreichen zu können.
Das nagte an ihr, die sich früher für stets so eloquent und schlagfertig gehalten hatte, die stets Gelächter geerntet hatte, wenn sie dieses angestrebt hatte. War mit ihr viel mehr geschehen, als in einem verwesten Körper dahin zu vegetieren?
Und als ob das nicht genügen würde, sollte diese Begegnung die letzte ihrer Art sein. Eine Erkenntnis, die ihr das Herz schwer voller Kummer werden ließ. Noch war sie nicht so weit, jene geschenkte Aufmerksamkeit und den Segen als derart außergewöhnlich ansehen zu können, dass sie dankbar für diese kurzen Treffen und deren Verlauf sein konnte.
Nun ja, das war so nicht ganz richtig, denn sie fühlte durchaus Dankbarkeit und fühlte sich Ventha dadurch noch viel stärker verbunden als je zuvor. Aber anstatt das Geschehene als besonders genug zu schätzen, dass es überhaupt stattgefunden hatte, würde sie erst einmal darum trauern, dass es keine Wiederholung mehr geben könnte. Ja, vielleicht würde sie die Sehnsucht, ihrer Göttin erneut zu begegnen, ein Leben lang in sich tragen und sich wünschen, es wieder zu erleben, jetzt, da sie wusste, wie es sein konnte.
Und was, wenn sie das Ruder noch herum reißen könnte? Was, wenn sie die Welle mit der wunderschönen Gischtkrone nicht verlassen müsste, sondern sie der Länge nach nehmen und somit immer wieder bis nach oben gelangen könnte? Auf jeden Fall musste sie die Göttin wieder versöhnen nach ihrem scheinbaren Fauxpas! Dann könnte die Hoffnung weiter leben.
Dabei war es gar nicht so leicht, da ihre Gefühlswelt ohnehin in stetigem Aufruhr zu sein schien. Als wolle ihre Umgebung diesen Umstand noch verstärken, kamen ihr schneller die Tränen als sonst und sie blieben nicht unbemerkt. Erschrocken sah sie auf, verharrte mitten in der Bewegung, weil sie sich instinktiv über die feuchten Augen wischen wollte. Ihre Wangen röteten sich, dann senkte sie ihren Blick wieder und ließ es zu, dass das glitzernde Tröpfchen ihre Haut allmählich herunter kullerte. "Ich... ich bin nicht gut im... Opfern...", nuschelte sie in sich hinein und schniefte verhalten.
Indes fuhr ihr Gegenüber fort und sie lauschte deren Worten. Mehrmals schluckte sie und wusste nicht so recht, ob sie sich gescholten fühlen sollte dabei. Solange, bis die Sprache auf Corax fiel. Abrupt hob sie ihren Kopf wieder an und öffnete sogar den Mund, um etwas zu sagen, aber ihr wollte nicht so recht einfallen, was. Also schwieg sie vorerst weiter.
Allmählich jedoch schlich sich ein Grinsen auf ihre Lippen und sie begann, mit ihren Fingern an einem losen Faden ihres Gürtels zu spielen. Als Ventha ihren Raben als gerissen beschrieb, musste sie gegen ein vergnügtes und zugleich irgendwie auch stolzes Glucksen ankämpfen, das ihr die Kehle hinauf kriechen wollte. Dabei biss sie sich auf die Unterlippe und nagte ein wenig daran herum, bis die Bläschen erschienen und wie durch Geisterhand kleine Fischschwärme zur Stelle waren, um damit zu spielen.
Einen Moment lang abgelenkt von diesem einfach nur niedlich zu beschreibenden Schauspiel, traf sie der Vorwurf umso härter, der sie zurück zu dem Gespräch holte. "A... aber... aber er konnte ja nicht... ich meine... woher hätte er wissen sollen...? Er kann ja nicht in die Zukunft sehen!", stammelte sie und hob hilflos die Schultern. Zugleich jedoch hatte Ventha ihr gehörig zu denken gegeben.
Wenn sie es in der Gedankenschriftrolle richtig verstanden hatte, dann hatte ihr Liebster die magische Schriftrolle bereits ziemlich früh in ihrer Seele versteckt. Zu einem Zeitpunkt, an dem von irgendeiner Sympathie zwischen ihnen noch lange keine Rede hatte sein können. Warum aber hatte er das dann getan? Und was wäre tatsächlich gewesen, wenn sie ihm nicht verfallen wäre? Oder wenn er damals, nach der Rauferei mit den Zwergen, nicht wieder gesund geworden wäre oder sie mit der Buntschelmin weggegangen wäre?! Oder wenn sie nicht aus dem Jenseits zurück gekommen wäre...
Die junge Frau musste schwer schlucken und spürte, dass da ein Gespräch, ein sehr ernstes Gespräch, auf sie beide zukommen würde. So in ihre eigenen Überlegungnen versunken, hörte sie nur noch mit einem Ohr zu, bis eine kräftigere Welle sie erreichte und aufschrecken ließ. Blinzelnd sah sie wieder zu Ventha und nickte langsam. "I... ich... ich werde es ihm... ausrichten...", murmelte sie und seufzte. Was hatte er sich nur dabei gedacht?! Es hätte so viel schief gehen können!
Noch während sie damit zu kämpfen hatte, wie sie das Verhalten ihres Raben bewerten sollte, ergriff die Göttin ein anderes, nicht minder heikles Thema. Doch für Azura gab es nur eine Antwort, sie wollte sich nicht noch mehr verändern, sich nicht erneut etwas nehmen lassen, das so viel ihres Selbst bisher ausgemacht hatte. Dabei war ihr ausnahmsweise bewusst, dass sie damit den schwierigeren Weg wählte.
Allerdings hatte sie sich so sehr daran gewöhnt, obwohl sie noch längst nicht damit wirklich umgehen konnte, dass sie ihren inneren Gegensatz nicht missen wollte. Erst recht nicht jetzt, da sie ihn durch den Schild endlich ein wenig zu verstehen begann. Auch wenn der Waldelf gemeint hatte, zwei Magiearten in einer Person wären nicht wirklich möglich... Nein, sie wollte sich, ihrem Element und auch ihrer Göttin treu bleiben.
Jedoch konnte sie die Bedingung nur erfüllen, wenn die Ablenkung durch ihre eigene Verwesung endlich ein Ende hatte. Deswegen war sie schließlich auch hier, hatte ihr Opfer darbringen wollen und Ventha angerufen. Warum wollte sie ihr dann nicht helfen und ihr zurück geben, was vermutlich sie genommen hatte? Verzweifelt flehte sie um eine Rücknahme des Fluchs, selbst dann noch, als ihr Gegenüber aufstand und ihre stürmische Seite zu zeigen begann.
Das Herz der jungen Frau fing an, wie wild zu pochen. Trotzdem konnte sie nicht sofort schweigen, sondern musste noch einmal mit Nachdruck betonen, was sie voller Verzweiflung erbat. Mit erneuten Tränen in den Augen sah sie ihr entgegen und musste gegen ihren Impuls der Flucht ankämpfen, um standhaft bleiben zu können.
Das war alles andere als einfach, während sich der Sturm um sie beide herum aufbaute und auch Ventha zu wachsen schien. Sie wirkte richtiggehend bedrohlich wie ein Unwetter auf See, das langsam und zugleich unaufhaltsam näher kam. Der Mensch vor ihr begann leicht zu zittern und schluckte mehrfach, umarmte sich selbst und hoffte inständig, ja, war sogar versucht, ein Stoßgebet an ausgerechnet diese Göttin zu schicken, dass sie den Bogen nicht überspannt hatte. Dabei war genau dieses Flehen von vorhin der Grund für das ganze Ritual gewesen! Voller Unsicherheit sah sie zu Ventha auf, bewunderte sie dennoch ebenso, wie sie ihr im Moment Angst einzujagen verstand.
Und dann, als der Höhepunkt des Sturms, in dessen Auge sie beide sich befanden, gekommen zu sein schien, glaubte sie schon, sogleich verschlungen zu werden. Ihr Gegenüber beugte sich ihr entgegen, sodass sie die Lider zusammen kniff, um das Unheil nicht mit ansehen zu müssen, das auf sie wartete. Umso erstaunter versteifte sie sich, als sie mit einem Mal und voller Sanftheit Lippen auf ihrer Haut fühlte.
Es kribbelte ohne Ende und schien bis in ihre letzte Nervenfaser dringen zu wollen, das sich sämtliche feinen Härchen aufstellten und sich auch anderweitige Gefühle meldeten, die so gar nicht dazu zu passen schienen. Trotzdem konnte sie diese, zumindest für sich, denn Ventha würde es hoffentlich nicht bemerken, nicht leugnen.
Im nächsten Moment war der Kontakt auch schon wieder vorbei, dennoch blieb das Echo der Berührung zurück und würde unvergessen sein. Als würde sie träumen, weigerte sie sich, ihre Lider anheben und in die Wirklichkeit zurück kehren zu wollen. Hätte die andere nicht zu ihr gesprochen, sie hätte es vermutlich nicht so rasch überwunden und ihre Augen wieder geöffnet.
Ihre Wangen röteten sich bei dem Lob und sie musste schlucken, zugleich kräuselte ein verlegenes, kleines Lächeln ihre Lippen. Langsam nickte sie und versuchte zu verstehen, doch um das ganze Ausmaß dieser Worte begreifen zu können, würde sie etwas Zeit brauchen. Mehr, als ihr jetzt noch vergönnt war in diesem Sturm, der das Bedrohliche verloren hatte und sie eher an den Schild erinnerte, mit dem sie ihr Flämmchen beschützen konnte.
Jenes Feuerchen, das sie von ihrem... ihrem Vater hatte? Mochte der Waldelf also doch die Wahrheit gesagt haben...?
Ehe sie diesen Gedanken weiter verfolgen konnte, lenkte Ventha sie davon ab und kam zu ihrem eigentlichen Anliegen zurück. Schon erklang ein beinahe schon vertrautes Kichern und sie konnte endlich den Mund öffnen, um etwas zu sagen, nur... es war zu spät. Das Bild vor ihren Augen wurde blasser, die Farben greller. Azura konnte nur noch ihre Hand ausstrecken in dem hilflosen Versuch, sich an der Göttin festzuhalten.
"Ventha...", entkam ihr noch ein Hauch, ehe sie ihre Augen zusammen kniff und das Gesicht zur Seite drehte, so sehr wurde sie geblendet.
Sie bemerkte gar nicht, dass sie bewusstlos gewesen war, bis eine Stimme durch all das Licht zu ihr drang. Mehr noch, Lippen und Zunge schmeichelten ihrem eigenen Mund, verschwanden jedoch viel zu schnell, als sie gerade ihre Einladung durch das Öffnen aussprechen wollte.
Ihre Lider flatterten und trotzdem öffnete sie nicht die Augen. "Ich bin noch nicht wach...", nuschelte sie und konnte sich ein feines, freches Grinsen nicht verkneifen. Erst nach einem zweiten Kuss, den sie auch erwidern könnte, würde sie ihre Augen öffnen.
Sobald es soweit war, stockte ihr der Atem. Über ihr befand sich ein Antlitz, das sie kannte und ihr dennoch fremd war. Es passte nicht zu der Stimme und der Form ihres Liebsten, obwohl er es sein musste. Sie hatte es schon einmal gesehen und wie damals blieb dieses Bild auch jetzt nicht von Dauer, wie sie zu ihrer Erleichterung feststellen konnte.
Aufseufzend ließ sie sich gegen ihn sinken, als er sie an seinen Körper zog, und verbarg ihr Gesicht an seinem Oberkörper, um erst einmal zurück in diese Welt finden zu können. Bei seinen Worten musste sie erneut grinsen und drehte ihren Kopf ein wenig, um Luft holen zu können, auch wenn sie ihre Augen noch ein wenig geschlossen hielt. "Wenn du noch einmal so hell leuchtest, lass ich dich in der Sonne brutzeln, bis du wieder so kohlrabenschwarz bist, wie du sein sollst.", erwiderte sie neckend mit einem leisen Lachen in der Stimme und wollte ihm gleichzeitig damit verdeutlichen, dass er ihr in seiner dunklen Form noch immer weitaus besser gefiel.
Wahrscheinlich hätte sie ihm noch so einiges zu sagen gewusst oder sich einen weiteren, leidenschaftlicheren Kuss geholt, denn ihr Körper verlangte mit einem Mal danach, wenn nicht eine Stimme auf noch einen Anwesenden aufmerksam gemacht hätte. Erstaunt blinzelnd sah sie nun doch in die reale Welt und erkannte den Waldelf, wie er irgendwie... gerührt vor sich hin lächelte.
Den Grund verstand sie nicht, noch nicht, aber sie fühlte sich noch beschwingt von dem neuerlichen Segen, den sie erhalten hatte, und dem Umstand, dass Corax sie hielt. Dass es auch an seiner Magie lag und daran, was er bewirkt hatte, von dem sie noch nichts wusste, konnte sie nicht ahnen. Trotzdem gab sie diesem Gefühl nach und während ihre Wangen ob des Kompliments glühten, musste sie grinsen. "Und dir steht der Schlamm, er passt zu deinem Teint.", frotzelte sie ungewöhnlich gutmütig und beinahe schon... vertraut, als hätte es keinen Graben zwischen ihnen gegeben.
So wäre es vermutlich auch weiter gegangen, hätte ihr Rabe sich nicht von ihr gelöst und sie zu einem Blick ins Wasser aufgefordert. Mit einem Mal schlug ihr das Herz bis zum Hals und sie sah zu ihm hoch, voller Angst und Unsicherheit, was sie gleich erwarten würde. Mehrfach schluckte sie schwer und leckte sich über die Lippen, die sich weniger spröde anfühlten als in der letzten Zeit. Mit den Händen klammerte sie sich an seinen Arm, um daran Halt zu finden, und wollte eigentlich nicht hinschauen.
Aber... ihre Neugier wurde zu stark, sodass sie schließlich doch langsam den Kopf drehte und vorsichtig zu der Wasseroberfläche der Pfütze linste, die fast schon ungewöhnlich ruhig und glatt vor ihr lag. Was sie dadurch zu sehen bekam, ließ sie scharf die Luft einziehen. War das ein Traum? Oder war sie endlich aus dem bisherigen Alptraum erwacht?!
Ihre Augen glitten über das Spiegelbild ihres Gesichts, nahmen jedes Detail auf, das ihr von früher so vertraut war. Doch damit nicht genug, löste sie ihren Griff von seinem Arm und besah sich ihre Hände, schob die Ärmel etwas höher und begutachtete ihre Unterarme. Schließlich begann sie, ihren Körper abzutasten, ihr Gesicht, ihre Arme, ihre Beine, ihren Bauch... und auch kurz ihre wieder straffen, vollen Brüste.
"Geschafft...?", hauchte sie ungläubig und sah von einem zum anderen, die Augen vor Überraschung geweitet. Ihre feingliedrigen, langen Finger legte sie auf ihre Lippen, als wolle sie einen Schrei unterdrücken, während ihr die Tränen kamen.
Dann hielt sie es nicht mehr aus, quietsche laut auf und fiel mit einem lachenden, schluchzenden "Geschafft!" Corax um den Hals. Dort musste sie sich erst einmal ausheulen vor lauter Erleichterung, dass dieser Alptraum ihres Zustandes endlich ein Ende hatte.
Irgendwann, nach gefühlten Ewigkeiten, konnte sie gegen seinen Hals murmeln:"Geschafft! Wir haben es geschafft!" Lachend löste sie sich etwas von ihm, schniefte und wischte sich wenig damenhaft die Nase mit dem Handrücken, ehe sie ihre Arme um seinen Hals schlang.
"Und das, obwohl ich eigentlich mit dir schimpfen müsste!", lachte sie weiter voller Glückseligkeit, während ihr noch immer Tränen über die Wangen liefen. "Na ja, im Prinzip schimpft Ventha mit dir, aber ich übernehme das für sie!", kicherte sie noch, ehe sie sich wieder an ihn schmiegte und so dicht an ihm erst einmal zur Ruhe kommen wollte.
