Schicksals Domäne

Wie die Todesinsel aussieht, weiß man nicht. Wie man lebend zu ihr gelangt, ist ebenfalls unbekannt. Nur die Toten kennen sie, denn nur sie finden sich dort wieder. Aber was ist mit diesen blinden Wesen, die hier hausen?
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Schicksals Domäne

Beitrag von Erzähler » Dienstag 16. April 2024, 22:39

(Kazel kommt von: Das Anwesen der Familie Belyal Sinth)

Vermutlich hatten sie alle nicht geahnt, in was sie hier hineingeraten würden. Sowohl Arbeiter, als auch die Wachen standen ihnen nun als Gegner gegenüber. Es herrschte ein klares Missverhältnis und wenn ihnen nicht irgendetwas einfiel, würden sie eine Niederlage erleben. Und was dann mit ihnen geschehen würde… darüber wollte keiner von ihnen nachdenken.
Kazel spürte die Anspannung in seinem ganzen Körper, wie ein elektrisches Kribbeln, das sich unter seiner Haut ausbreitete. Er ballte die Hände zu Fäusten und versuchte die Übersicht zu behalten. Einige Schweißtropfen benetzten seine Stirn, von denen einer seine Schläfe hinabrann. Im Augenwinkel sah er eine Bewegung und erkannte für Bramo die drohende Gefahr. Einer der Soldaten war imstande Feuermagie anzuwenden und zielte mit einem Feuerstoß auf den Andunier. Es war keine Frage von Zeit, sein Körper reagierte einfach! Kazels gutes Herz hatte erneut eine Entscheidung getroffen. Er wollte nicht, dass seine Kameraden verletzt, oder gar getötet wurden. Genauso, wie er für die gefangenen und grausam missbrauchten Frauen eine Schicksalswende hatte herbeiführen wollen. Nicht noch einmal… diese Ringe mussten endgültig zerschlagen werden!
Seine Füße stießen sich in einem Spurt vom Boden ab, dessen Schwung er nutzen wollte, um Bramo aus der Reichweite des Angriffs zu stoßen – da geschah es! Kazel spürte ein kitzelndes Gefühl, ähnlich dem, wenn man mit einem Drachen oder Pegasus einen Sturzflug vollführen würde. Für ihn wurde plötzlich um sich herum alles langsamer, als würde dem Lauf der Zeit die Kraft entzogen werden und in seinem Kopf hörte er Tods Stimme:
Schicksal! Ich sagte, misch dich nicht ein! Die sonst so ruhige, fast monotone Stimme seines Meisters klang für seine Verhältnisse geradezu aufgebracht! Doch bevor sich der junge Mischlingself darüber wundern, oder gar Gedanken machen konnte, hallte in seinem Kopf eine weitere – neue Stimme, einem Echo gleich wider:
Es ist an der Zeit! Die weibliche Stimme klang gereift, erhaben und rigoros. Doch vor seinen Augen sah er keine Gestalt, die zu eben dieser passen wollte. Alles, was er sah, war Nells bunter Ring, der, ähnlich einer schimmernden Seifenblase, alles um sich eingeschlossen hatte. In der Mitte stand Nell – zumindest waren es Nells Körperkonturen, doch gefüllt war ihre Gestalt von chaotisch, buntem Licht, das für die Augen schwer zu betrachten war. An ihrer Seite stand die Goblinoma Kuralla, die dagegen immer mehr an Farbe verlor. Es war das reinste, bunte Chaos und lud keineswegs zum Beruhigen ein. Doch es lag nicht an Kazel etwas dagegen zu unternehmen. Er spürte den altbekannten Sog, das unangenehme Kribbeln, das ihm häufig auf den Magen schlug und im nächsten Moment stand er in einem tageslichtgefüllten Raum aus… Nichts!
Es gab weder Wände, Decke, noch Boden. Das Einzige, was eine räumliche Orientierung bot, war der Blick zu seinen Füßen, wo die Struktur des Untergrunds, wenn man es überhaupt so nennen konnte, der von weiß-puderndem Marmor glich, durch den sanftes Licht glomm. Doch trotz allem wirkte es so, als würde er in diesem Raum schweben.
Um ihn herum herrschte eine Weite aus Licht, die weder Anfang, noch Ende zu kennen schien. Und doch konnte er nahe sich eine Gestalt ausmachen. Bei Kazel stand eine hochgewachsene, alte Frau, die jedoch keinen Moment Gebrechlichkeit ausstrahlte. Klare, blaue Augen, heller als die seinen, blickten ihm wach und scharfsinnig aus dem gereiften Gesicht entgegen, das von grauweiß, schulterlang gelockten Haaren umrahmt wurde. Spitze Ohren waren erkennbar, an denen schwere, silberne und aus hunderten hauchdünngewebten Drähten zu bestehende Kreolen hingen. Ein nachtblauer Umhang ruhte auf ihren geraden Schultern und verdeckte bodentief ihre Gestalt. Das Besondere an ihm waren, die abertausenden von haardünnen Lichtfäden, die sich wie fließendes Wasser aus über den dunklen Stoff zogen.
Durch den Spalt, den die Öffnung des Umhangs bildete, konnte man auch die weitere Kleidung erkennen: ein ebenso blaues und enganliegendes Gewand mit silberweißen Verzierungen an den Rändern betonte die schlanke Figur. Wer auch immer diese Frau war, sie strahlte Erhabenheit aus.
„Du hast deine Sache bisher überraschend gut gemacht – Kazel Tenebrée!“ Es war dieselbe Stimme, die er zuvor in seinen Gedanken gehört hatte, nur hallte sie nicht mehr wie zuvor aus verschiedenen Richtungen und Entfernungen durch seinen Kopf.
Die Frau machte ein paar Schritte auf ihn zu und blieb dann vor ihm stehen. Ihr blauer Blick wanderte musternd von seinem Kopf bis zu den Fuß, bis er zurückkehrte, um dem Seinen zu begegnen. In ihre Augen trat ein kleiner Funken Wohlwollen.
„Es ist das erste Mal, dass wir uns auf diese Weise begegnen. Ich bin Schicksal und auch ich war es, die dich zu sich holte – Geselle von Tod!“ Die Bewegung ihrer Augen tastete einmal über das lichtgefüllte Nichts, indem sie sich befanden. Eilig schien sie es nicht zu haben – doch würde Kazel ahnen können, dass er sich in einem Raum befand, indem die Zeit stillstand.
„Bevor du fragst – deine Freundin hat ihr Schicksal erfüllt! Zusammen mit Kuralla konnte sie das Leid der Frauen beenden und sie erhielten eine neue Chance von Leben! Deinem anderen Begleiter geht es ebenfalls gut. Die Schwestern Amandin und Serunda Belyal Sinth wurden jedoch von Tod geholt!“ Als würde dieser durch seine Erwähnung gerufen werden, breitete sich plötzlich ein kalter Hauch um sie herum aus. Dieser war für Kazel nicht mehr unangenehm. Im Gegenteil – in der Präsenz seines Meisters fand er mittlerweile Ruhe!
Wie aus dem Nichts erschien plötzlich die, von einem dunklen Mantel, umhüllte knochige Gestalt Tods. Seinem Knochengesicht war nie eine Miene abzulesen, doch kannte der junge Elf den Seelenfarmer gut genug, um zu bemerken, dass er nicht wie sonst, die Ruhe selbst war. Die glimmenden Funken in den Augenhöhlen waren auf die Frau gerichtet, deren Miene wiederum einen strengen und leicht trotzigen Zug annahm.
„Er ist mein Geselle Schicksal! Ich weiß…“, begann er, doch war es ihm nicht möglich den Satz zu beenden. „Du weißt also?“, unterbrach sie ihn mit einem provokativen Tonfall, der annehmen ließ, dass sie dieses Wissen anzweifelte.
„Du weißt, was ich meine! Die Zeit ist noch nicht…“ – „Sie ist gekommen! Und es ist meine Aufgabe das zu beurteilen, nicht deine! Liest du die Fäden, oder ich?“ Wieder wurde er von der erhabenen Dame unterbrochen. Schicksal sah verärgert aus, was man an ihren leicht zusammengezogenen Augenbrauen erkannte, wodurch ihr Blick noch strenger wirkte. Tod schwieg daraufhin, doch sein Schädel neigte sich leicht und ein kaum merkliches Schütteln wurde von einem tonlosen Seufzen begleitet.
Kazel verstand vermutlich nicht, was vor sich ging. Der junge Mann war aus einem bedrohlichen Chaos gezogen worden und sah sich nun zwei Ewigkeiten gegenüber, die offen einen Disput austrugen, bei dem es ganz offenbar um ihn ging. Was hatte er nur getan?
„Ich werde deutlich sein! Anders, als du es in der Regel bist!“, begann sie, nicht ohne eine kleine Stichelei gegenüber dem letzten Begleiter allen Lebens. Sie wandte sich wieder Kazel zu und sah ihn unumwunden in die Augen
„Kazel, verschiedene Verstrickungen der Lebensfäden führten dazu, dass Tod dich zu seinem Lehrling machte. Doch mit dieser Wahl veränderte er dein Schicksal! Nun muss sich zeigen, ob es wirklich das deine ist und bleiben wird! Du musst den nächsten Schritt gehen und diesen eigenständig wählen!“ Ein schabendes Geräusch war seitens des Kuttentragenden zu hören, als er seine Zähne aufeinander mahlte. Offenbar schmeckte es ihm nicht, dass sich Schicksal in seine und die Belange von Kazel einmischte, doch wusste er offenbar, dass ihre Worte einen Zweck verfolgten und nicht aus rein zänkischer Absicht gesprochen wurden.
„Tod mag von dir überzeugt sein und ich muss zugeben, dass du bislang gute Arbeit geleistet hast, allerdings hängt mehr daran, als die reine Wahl unsererseits. Die Seelen selbst sind es, die während ihres Lebens durch Entscheidungen und Begegnungen ihr Schicksal herbeiführen. In deinem Fall traf Tod sie für dich und ich fordere dich nun auf diese Entscheidung, die nicht die deine war, zu prüfen! Nur so kann sie die deine werden und dadurch zu deinem Schicksal der Geselle Tods zu sein!“ Die strenge Miene Schicksals lockerte sich ein wenig auf und das Wohlwollen kehrte zurück in ihre blauen Augen.
„Missverstehe mich nicht. Ich war anfangs skeptisch, doch mittlerweile trage auch in die Hoffnung in mir, dass Tod mit dir die richtige Wahl traf. Es ist allerdings auch meine Aufgabe die Ordnung und das Gleichgewicht der Welt zu bewahren, deshalb muss ich auf diesen Weg bestehen!“
Tod hatte bisher still zugehört und legte Kazel nun eine Hand auf die Schulter. Es wirkte mittlerweile so, als würde er ein Einsehen haben. Schicksal schien dem jungen Mann, den er an seine Seite zum Lernen holte, nicht abgeneigt zu sein und das schien den Gevatter zu beruhigen.
„Du bist eigentlich ein Wesen des Diesseits, Kazel, doch dadurch, dass ich dich zu meinem Gesellen machte, wurdest du vorrangig eines der Ewigkeit. In fast vergessenen Sagen der Sterblichen nennt man euch auch Weltenspringer. Aber ich bezweifle, dass du jemals von diesem Ausdruck gehört hast. Es gibt nicht viele von euch und das wird auch so bleiben!“ Die alte Dame nickte leicht und wirkte zunehmend versöhnlicher. Schicksal war offenbar doch nicht so launisch, wie es anfangs gewirkt hatte. Sie schien viel mehr pflicht- und verantwortungsbewusst.
„Ich bezweifle, dass Tod dir die Tragweite deiner Rolle ausreichend erklärt hat. Und ich kann sein Zögern sogar nachvollziehen. Einen passenden Lehrling für unsere Seite finden wir selbst innerhalb von tausend Jahren selten!“ Sie machte eine kurze Pause und schien Kazels Miene lesen zu wollen. Sie besaß einen Blick, bei dem man meinen konnte, dass sie alles sah – und vielleicht war dem auch so!
„Was du begreifen sollst ist, dass die Ewigkeit, die du akzeptieren musst, mehr Pflichten als Annehmlichkeiten mit sich bringt. Dadurch, dass du beide Seiten betrittst, muss von dir eine Grenze gewahrt werden. Wenn du zu sehr am irdischen Leben hängst, wird der Preis große Einsamkeit sein! Das kann nicht nur deine Seele gefährden, sondern auch die Strukturen Celcias aus dem Gleichgewicht bringen und damit das Schicksal allen Lebens bedrohen. Denn Tod und sein Gehilfe müssen verlässlich sein! Ihr steht am Ende, verwaltet die Zeit, die das Leben den Seelen geschenkt hat. Persönliche Empfindungen dürfen bei euch keine Einmischung verursachen!“
Es war viel! Obwohl Schicksal deutlich sein wollte, waren die Informationen, die auf Kazel einbrachen eine Masse und noch immer war nicht alles gesagt! Was war es, dass er tun musste? Wenn er denn der Geselle bleiben wollte! Hatte er sich jemals gefragt, ob er auf diesem Weg gehen wollte? Es war einfach alles so gekommen, wie es gekommen war und der Mischling hatte sich in sein Schicksal gefügt. Nun schien Schicksal höchstpersönlich von ihm zu fordern, dass er sein Schicksal in die Hand nahm! Selbst entschied, doch… für was, oder wogegen?
„Es gibt noch viel zu lernen und zu begreifen, um zu verstehen, was es wirklich bedeutet der Geselle von Tod zu sein. Dieser sagte dir, dass du dein irdisches Leben leben sollst, doch in diesem Punkt widersprechen sowohl Leben, als auch ich ihm. Deine Pflichten und Aufträge von Tod werden sich häufen, junger Mann - gleichzeitig werden dich deine Bande aus dem irdischen Leben und deine Gefühle für die Sterblichen beeinflussen und fesseln. Du musst eine Distanz wahren, zu der du derzeit nicht fähig bist und wenn alles bleibt, wie es jetzt ist, wirst du es niemals lernen!“ Der Sensenmann schien das nicht gerne zu hören, doch er wiedersprach auch nicht. Er richtete seinen Blick auf Kazel, der hier in eine völlig unerwartete Situation geschleudert worden war.
Schicksal atmete ruhig ein und aus und setzte dann offenbar zum finalen Teil dieser ganzen Erklärung an.
„Wenn du den Weg des Gesellen fortführen möchtest, musst du das Opfer bringen deine Erinnerungen an dein bisheriges Leben freiwillig abzulegen, denn du musst dafür vollkommen wertfrei und unbeeinflusst sein! Du wirst wissen, wer und wie alt du bist, woher du kommst und was für Fähigkeiten du besitzt. Du wirst dich daran erinnern Geselle von Tod zu sein! Du wirst im Leben zurechtkommen und dich auch an fast alles von diesem Moment zurückerinnern können. Allerdings wirst du dich an keine Personen und mit ihnen gemachten Erlebnisse erinnern! All deine Bindungen wirst du vergessen, denn es sind eben diese, die deine Entscheidungen beeinflussen. Du wirst deinen moralischen Kompass, den du bisher gebildet hast weiter in dir tragen, doch ohne Erinnerungen, werden sie für dich neu formbar werden. So wirst du deine Rolle, deine Aufgaben und das Leben neu kennenlernen und so unverfälscht deine endgültige Entscheidung treffen können. Solltest du herausfinden, dass dies nicht das Schicksal ist, das du für dich wählen willst, erhältst du deine Erinnerungen zurück und wirst in dein irdisches Leben zurückkehren.“
Die Luft in diesem Raum aus Nichts schien plötzlich spürbar dick zu werden und still zu stehen. Kazel wurde hier und jetzt vor die Wahl seines Lebens gestellt, die sein bisheriges Leben vollkommen spalten würde. Das, was bisher nebeneinander existierte, schien nun nicht länger miteinander zu vereinbaren zu sein. Die Informationsflut, die Emotionen, die all diese Neuigkeiten in ihm aufwirbelten mussten überwältigend sein – schockierend! Konnte er überhaupt nachempfinden, wieso?
„Vor diese Wahl muss ich dich stellen, denn Tods Geselle wird die Verantwortung für alle endenden Leben mittragen und darf sich nicht von persönlichen und irdischen Bedürfnissen lenken lassen. Seine Pflichten gelten der Ewigkeit – nicht nur dem des eigenen endlichen Lebens!“, sprach Schicksal und auch Tod gab mit etwas belegter Stimme zu bedenken: „Wähle, indem du auf dein Herz hörst und in deinem Verstand nach der Antwort suchst. Es muss deine freie Entscheidung sein. Vielleicht hilft es, wenn du das alles als Chance siehst, das Schicksal – das Leben zu finden, das wirklich das deine und für dich bestimmt ist!“
Tod wirkte selbst befangen, denn er wusste, was seinem Schüler gerade zugemutet wurde. Doch er wusste auch, dass er ihn davor nicht bewahren konnte. Zu lange hatte er die unangenehmen Pflichten und Regeln hinausgezögert. Zu lange hatte er Schicksal herausgefordert, indem er das Unabwendbare hinausgezögert hatte. Für Kazel, doch vielleicht war es nun wirklich gut Klarheit zu schaffen. Leben, Tod und Schicksal waren nicht einzelnen Leben verpflichtet – sie waren allen verpflichtet und mussten dafür sorgen, dass das Gleichgewicht bewahrt bleibt!
Dennoch war es viel und das wussten wohl alle beide! Schicksals Blick wurde einfühlsamer und sie neigte mit einem kleinen Lächeln den Kopf.
„Tod hat recht. Es ist eine Chance und die Fäden, die du zerschneidest sind dadurch noch nicht verloren! Wenn du dich dafür entscheidest wirst du von Tod und mir ins Diesseits geschickt. Dort wirst du, wie bereits gesagt, das Leben vom Standpunkt des Gesellen aus neu kennenlernen. Gleichzeitig werden wir dir mehr und mit der Zeit anspruchsvollere Aufträge geben. Damit du, besonders am Anfang nicht vollkommen ohne Orientierung bist, werde ich dir jemanden zur Seite stellen, der dich unterstützt.“
Nun war es an Kazel! Was würde er tun? Würde er überhaupt schon eine Entscheidung treffen können, oder wurde ihm gerade alles zu viel und er verlor die Luft zum Atmen? All seine Erinnerungen aufzugeben war kein Opfer, das man leichtfertig und einfach treffen konnte! Doch würde er vielleicht verstehen, dass seine Position etwas Besonderes war und dieses mit der Ehre auch ein Privileg darstellte, das Pflichten und Entbehrungen mit sich bringen musste…
Sowohl Tod, als auch Schicksal schienen Kazel als würdig anzusehen. Doch war das Trost? Was es das alles wert? In dem knochigen Schädel des Gevatters war keine Miene abzulesen. Und doch könnte man meinen, dass in den Lichtern, die wie zwei kleine Seelen in den Augenhöhlen schimmerten, das Gefühl von Bangen zu finden war.
Zuletzt geändert von Erzähler am Sonntag 28. April 2024, 13:05, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Schicksals Domäne

Beitrag von Kazel Tenebrée » Montag 22. April 2024, 23:05

Plötzlich ging alles sehr schnell. Zu schnell für Kazels Geschmack, aber so war es im Grunde am besten. Denn dadurch, dass Bramo sie mit einem Mal Richtung Garten und zu jener Scheune führte, in der sich die Frauen befinden sollten, welche Kazel so unbedingt retten wollte, könnte sich sein Gewissen später nicht melden. Er erhielt kaum eine Gelegenheit darüber nachzudenken, dass er Bramo und Naella vollkommen fahrläsig in dieses riskante Manöver gelenkt hatte, noch konnte er darüber nachdenken, welcher Gefahr er sich selbst aussetzte. Letzteres hätte ihn jedoch kaum einen Rückzieher machen lassen. Solange Gevatter Tod ihn auf Celcia noch brauchte, würde er ihn zurückschicken, auch wenn die zahllosen Tode, die er bereits hinter sich hatte, keineswegs angenehm waren. Sterben ging in Ordnung. Ins Leben zurückzukehren stellte jedoch eine Herausforderung dar. Es schmerzte, wenn man sich der Last des eigenen Körpers und dessen Pflichten wieder bewusst wurde - Atmen, das Herz schlagen lassen, die Muskeln bewegen. Vor allem der erste Atemzug einer Reinkarnation holte einen immer mit einem Schockmoment ins Leben zurück, als würde man mit einem Kübel Eiswasser übergossen. Trotzdem war Kazel dieses Wagnis zahlreiche Male eingegangen, meistens um sein Ziel zu erreichen. Er hatte es schon so sehr als eigene Methodik genutzt, dass Tod es ihm verbat, dieses Mittel allzu oft einzusetzen. Dass er es jetzt vielleicht nicht nutzen sollte, war ihm gar nicht bewusst. Gehörte die Rückkehr von Kata Mayan auch zu den Werkzeugen des Gevatters, die ihm für seine aktuelle Mission untersagt waren, einzusetzen oder handelte es sich hierbei um den Willen seines Meisters allein, dass er überhaupt weitere Chancen erhielt? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass es möglich war und deshalb ging er mehr Risiken ein. Was hatte er schon zu befürchten?
Der Goblinin Kuralla erging es sicherlich ähnlich. Als Dienerin der Entität des Lebens persönlich war es ihr nicht vergönnt zu sterben. Das klang im ersten Moment reizvoll. Spätestens aber, wenn man die nächste Generation Familie und Freunde hatte an sich vorbei sterben sehen, während man selbst keinen Schritt in diese Richtung je machen würde, hinterließ es nur Schmerz. Unterblich zu sein bedeutete, einsam zu sein. Wenn man doch wusste, dass jegliche Freundschaft mit dem Tod des Freundes endete, den man wie immer überlebte, und daraus nur Trauer und Leid folgte, warum sollte man überhaupt noch Freundschaften eingehen? Man ersparte sich den Kummer. Man zog Einsamkeit vor. Andere wie Gevatter Tod waren an diese Form der Einsamkeit gebunden. Von den Sterblichen war er ungesehen. Er konnte sich durch ganz Celcia und über dessen Grenzen hinaus bewegen - abgesehen vom Harax vielleicht, denn Dämonen starben nicht, sie wurden vernichtet oder kehrten in ihr Reich zurück, um sich zu etwas Neuem zu formen. Trotzdem konnte er sich kaum am Leben Celcias erfreuen. Er konnte es beobachten, aber nicht aktiv daran teilhaben. Die Grenze nahm Grautöne an, wenn ein celcianisches Wesen starb. Dann erhielt Tod die Chance, sich mit den Seelen zu unterhalten, ehe er sie vom Körper trennte und mit sich nahm. Kazel hatte diese Möglichkeit bereits ausschöpfen können und empfing die Verstorbenen bisweilen mit Worten des Trostes und dem Versuch einer Umarmung. Beim Gevatter hatte er keine dieser Gefühlsregungen je erlebt. Aber vielleicht existierte das Skelett unter der Kutte auch schon mindestens so lange wie Kuralla - eine Ewigkeit also - und sah keinen Grund mehr darin, sich mit Seelen zu befassen. Eine aufgebaute Freundschaft währte doch ohnehin nur so lange, bis er sie ins Jenseits geleitet hatte. Viel zu kurz für jemanden, dessen Zeit in Ewigkeiten berechnet wurde. Kazel hatte bereits für sich festgestellt, dass Gevatter Tod ungemein einsam sein musste. Er glaubte, nur deshalb überhaupt von ihm zum Schüler auserkoren worden zu sein. Ein weiterer Gevatter bedeutete Gesellschaft und auch wenn Kazel den schwarzen Humor seines Lehrmeisters nicht immer nachvollziehen konnte, so schienen jener den Mischling doch zu schätzen.
Hatte Tod ihn deshalb indirekt immer wieder darauf hingewiesen, dass seine Mission, das andunische Nest auszuheben, eine wäre, die mit ihm nichts zu tun hätte? Hatte er versucht, ihn auf seine Weise zu warnen? Vielleicht, aber für Spekulationen war es zu spät. Für alles war es zu spät, denn es ging alles viel zu schnell.
Kazel konnte noch nicht einmal begreifen, was passierte, kurz nachdem die Dunkelelfen des Hauses Belyal Sinth auf seine Gruppe zustürzten und angriffen. Er wusste nur noch, dass er von Bramo gepackt und beiseite gerissen worden war. Dann war Nell zu einer wahren Lichtgestalt aus Farben und Schönheit geworden, die ihre Kraft allein aus Kuralla zu schöpfen schien. Die alte Vettel grollte ihr nicht, sondern hinterließ bei Kazel den Eindruck von ... Erleichterung. Endlich! Endlich hatte sie ihre Aufgabe erfüllt. Endlich würde Leben sie in ihr wohlverdientes Ende entlassen. Kuralla würde sterben. Sie würde in Tods Domäne eingehen und dort vielleicht alle Freunde treffen, eine Zeit lang im Jenseits verweilen oder gleich zu einem von unzähligen Sandkörnern am schwarzen Strand der Insel werden, damit ihre seelenhafte Energie sich eines Tages zu etwas Neuem formen könnte. Neues Leben. Das war der Kreislauf der Dinge, ihr aller Schicksal.
Nun, das von fast allen. Was mit Naella geschah, wusste niemand. Was aus Bramo würde, konnte Kazel nur erahnen. Jetzt ging es erst einmal darum herauszufinden, was denn mit ihm selbst passiert war. Man hatte ihn weder getötet, noch hatte er die Frauen befreien können. Er erinnerte sich lediglich noch an dieses grelle, aber wunderschöne Licht, das Nells Gestalt vollends umhüllt hatte. Danach ...

Das Gefühl erinnerte ihn an seine Sprünge durch Raum und Zeit. Es kitzelte nur vorab etwas mehr, aber dieser Sog, der seinen Körper wie aus der Zeit selbst zu reißen schien, um ihn andernorts erneut auszuspucken, war der gleiche. Das Weltgeschehen rauschte an Kazel vorbei, ohne dass er es auch nur annähernd greifen konnte. Er wusste, dass er keine Chance hatte, diesen Kräften zu widerstehen. Sie wirbelten ihn umher wie ein Blatt im Wind und alles, was er tun konnte, war es, sich treiben zu lassen. Wenigstens war auch dieses Mal der Aufprall zurück ins Reale nicht schmerzhaft. Leider brachte er wie so oft dieses flaue Gefühl in seinem Magen mit sich, das ihm etwas Übelkeit bescherte. Doch Kazel blendete sein eigenes Befinden angesichts der Stimme in seinem Kopf rasch aus. Der Gevatter sprach. Das war nichts Ungewöhnliches. Sie kommunizierten schon seit Beginn an auf einer gedanklichen Ebene. Seltsam war, dass er nicht mit Kazel zu sprechen schien. Außerdem klang er ... wütend? Allemal war er verärgert und das beunruhigte den Mischling doch sehr. Tod ärgerte sich nicht, aber jetzt klang er ungehalten. Doch auf wen war er wütend?
Schicksal! Ich sagte, misch dich nicht ein!
Kazel zog die Brauen zusammen. Leben, Tod ... jetzt auch noch Schicksal? Die Götter schienen auf Celcia deutlich wenig zu sagen zu haben, bedachte man die weitaus mächtiger wirkenden Zustände oder höheren Wesen, Entitäten ... was auch immer sie waren. Und erneut fand Kazel sich in ihrer Mitte wieder. Er blickte sich zaghaft um, eine Hand auf dem grummelnden Bauch. Zunächst konnte er nur das blendende Weiß von ... einem Nichts aus Tageslicht ausmachen. Er kniff die Augen zusammen, bis sie sich an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Wo waren die anderen?
"Nell? ... Bramo? ... Kuralla?" Er drehte sich halb um sich selbst, aber in der Weite aus Lichts war nichts. Er selbst stand nicht einmal auf Grund, sondern schien einfach irgendwie zu schweben. Plötzlich tauchte jemand vor ihm auf, auf den sein Verstand sich fokussieren konnte. Jemand, der nicht nur weißer, weiter Raum war. Eine hochgewachsene, alte Frau, die abgesehen davon kein bisschen alt wirkte, musterte ihn aus Augen so klar wie Bergseen. Sie waren so hell wie Kazels dunkel waren. Er fühlte sich allein vom Blick dieser Fremden eingeschüchtert und nahm eine vorsichtige Haltung ein, bereit, irgendetwas zu tun. Er wusste noch nicht, was, aber er würde nicht kampflos aufgeben - wer auch immer sie war und wo auch immer er sich befand. Misstrauisch beäugte er die Frau.
"Du hast deine Sache bisher überraschend gut gemacht - Kazel Tenebrée!" Der Angesprochene zuckte zusammen. Woher kannte diese Fremde seinen Namen? Wer war sie. "N-nur Kazel", erwiderte er, konnte sein Misstrauen ihr gegenüber aber noch nicht vollends ablegen. Erst als sie sich ihm als das Schicksal selbst vorstellte, verlor er zumindest seine vorsichtige Pose, sowie einen Teil seiner Skepsis. Er erkannte die Stimme wieder. Tod hatte von Schicksal gesprochen, sie personifiziert und nun stand sie offenbar leibhaftig vor ihm. Außerdem schien sie seine Gedanken lesen zu können. "Bevor du fragst - deine Freundin hat ihr Schicksal erfüllt! Zusammen mit Kuralla konnte sie das Leid der Frauen beenden und sie erhielten eine neue Chance von Leben! Deinem anderen Begleiter geht es ebenfalls gut. Die Schwestern Amandin und Serunda Belyal Sinth wurden jedoch von Tod geholt!" Kazel erhielt kaum Gelegenheit aufzuatmen. Schon erschien die nächste Gestalt im zeitlosen Raum. Als hätte Schicksal ihn wie einen Hund gerufen, tauchte Tod nahe Kazel auf. Er spürte die kalte Präsenz seines Meisters bereits, ehe er ihn sie ... und es beruhigte ihn wie so oft. Endlich atmete er durch, noch immer verwirt darüber, was hier gerade vor sich ging.
Derweil brach zwischen dem Gevatter und Schicksal eine Diskussion aus. Eine, die vor allem durch Tods Zorn geschürt wurde. Kazel hatte ihn nie so ungehalten erlebt. Er wagte nicht, ihn zu unterbrechen, aber seine Versuche, dem Kontext des Gesprächs zu folgen, schlugen ebenfalls fehl. Ihm rauschten die Ohren. Er wurde nicht wirklich schlau aus den Worten. Rein instinktiv schob er sich dichter an Tod heran, bis er die Knochen durch den Stoff der Kutte hindurch spüren konnte. Er drückte seinen eigenen Leib etwas dagegen und das schien mitunter dafür zu sorgen, dass der Herr der Seelen resigniert aufseufzte. Er gab nach. Das Schicksal nutzte ihre Chance.
"Ich werde deutlich sein! Anders als du es in der Regel bist! Kazel, verschiedene Verstrickungen der Lebensfäden führten dazu, dass Tod dich zu seinem Lehrling machte. Doch mit dieser Wahl veränderte er dein Schicksal! Nun muss sich zeigen, ob es wirklich das deine ist und bleiben wird! Du musst den nächsten Schritt gehen und diesen eigenständig wählen!"
"Den nächsten Schritt?" So deutlich war Schicksal mit ihren Worten nun auch nicht. Kazel verstand nicht ganz. Er schielte an der dunklen Kutte seines Meisters zu eben jenem auf, aber auch von ihm erhielt er keine Antworten. So schaute er zurück in die klaren Augen der anderen Entität. Nach wie vor hielt sie sich bedeckter als ihre anfängliche Rede hatte vermuten lassen. Häppchenweise führte sie Kazel an den Kern des Themas heran. Tod hatte folglich sein Schicksal bestimmt - etwas, das jede celcianische Seele im Laufe ihres Lebens allein tun musste. Indem er zum Gesellen des Gevatters gewählt worden war, war ihm diese Entscheidung abgenommen worden. Die bleiche Hand des Gevatters legte sich nun schwer auf Kazels Schulter. Er spürte die Knochen, er fühlte den sanften Druck, vor allem aber die Kälte, die davon ausging. Sie betäubte seine Ängste und Sorgen. Sie ließ ihn durchatmen. Es wirkte etwas morbide, aber nichts und niemand beruhigte Kazel so sehr wie der Tod selbst. Er schloss kurz die Augen, um sich der Gewichtigkeit von Schicksal Worten bewusster zu werden. Allerdings war es nun Tod, der sprach - offen, milde, fast schon empathisch. Der Mischling lächelte vollkommen unbewusst, bis die Schwere seiner Worte ihn erreichte. Er war also ein Weltenspringer. Nein, den Begriff hatte der Gevatter ihm gegenüber bislang nicht verwendet. Er konnte sich damit anfreunden, denn es änderte für ihn nichts. Tod hatte ihm bereits gesagt, er sollte sein Leben leben, solange er es noch besaß und wenn es eines Tages vorüber wäre, würde er sich endgültig die Kutte überstreifen, um seinen Pflichten nachzugehen. Er würde wie sein Meister zu einem Skelett werden, aber auch darüber ließ sich wohl noch diskutieren. Bisher war da nichts, was ihm Unbehagen bereitete. Er hatte doch schon zugestimmt, war bereit für diesen Weg. Er fand ihn nicht nur ehrbar, sondern auch eine besondere Weise auch interessant. Schicksal hatte jedoch noch mehr zu dem Thema zu sagen.
"Was du begreifen sollst, ist, dass die Ewigkeit, die du akzeptieren musst, mehr Pflichten als Annehmlichkeiten mit sich bringt. Dadurch, dass du beide Seiten betrittst, muss von dir eine Grenze gewahrt werden. Wenn du zu sehr am Irdischen hängst, wird der Preis große Einsamkeit sein!"
"Ich ging eher davon aus, dass es ohne diese Bindung so ist." Seine meerblauen Augen wanderten zu Tod empor. Er suchte das hellblaue Funkeln in den tiefen der Schädelhöhlen. Kazel glaubte nach wie vor, dass der Gevatter deutlich einsamer war als er selbst. Denn er fühlte sich schon lange nicht mehr so. Er hatte endlich einen echten Freund gefunden. Zissus' Zuneigung war aufrichtig und benötigte das wenngleich bereits miteinander geteilte Körperliche gar nicht. Sie waren Freunde und hatten zueinander schnell Vertrauen gefasst. Darüber hinaus gehörte Kazels Herz Janay voll und ganz. Wie könnte er einsam sein, wenn er sie an seiner Seite wusste? Auch wenn sie seine beiden Anträge abgelehnt hatte und ihm noch immer nicht ihre Liebe gestehen konnte, weil sie für sie selbst noch nicht so sicher war wie umgekehrt, fühlte er sich kein bisschen einsam. Und dieses Gefühl würde sich nur erweitern, sobald seine Kinder geboren wären. Jene kleinen Seelen, die er vor der sadistischen Ader des Lebens selbst bewahrt hatte. Sie würden sicher Celcias Licht erblicken und er würde sie begrüßen ... als ein Vater, den er selbst niemals hatte haben dürfen. Wie konnte das Schicksal da von Einsamkeit sprechen?
"Das kann nicht nur deine Seele gefährden, sondern auch die Strukturen Celcias aus dem Gleichgewicht bringen und damit das Schicksal allen Lebens bedrohen."
Kazel runzelte erneut die Stirn. Er löste sich ein wenig vom Gevatter, aber nur von seiner Kutte. Dass die Knochenhand weiterhin auf seiner Schulter ruhte, gab ihm Halt. "Warum das?", fragte er nach. "Wie ... ich meine, wie könnte das Gleichgewicht ganz Celcias aus den Fugen geraten, nur weil ich ... das Leben mit meiner Familie fortsetze, bis ...?" Sie starben. Er wusste, dass es geschehen würde. Er wusste, dass er sie überleben würde, auch seine Kinder. Und in jenem Moment, da er es nicht aussprach, begriff er.
"Tod und sein Gehilfe müssen verlässlich sein! Ihr steht am Ende, verwaltet die Zeit, die das Leben den Seelen geschenkt hat."
"Und wir dürfen keinen aktiven Einfluss darauf nehmen, wer länger leben darf und wer nicht", ergänzte der Geselle. Tod hatte es ihm bereits deutlich gemacht. Er musste neutral sein. So sehr er auch hassen mochte, er durfte sich nicht in den Lauf des Zeitensandes einmischen, sonst wäre er keinen Schritt besser als Sademos, der anderen die Zeit stahl, um damit ewig zu leben. Sobald Kazel sein Leben ganz normal fortführte, würde er kämpfen. Er würde für sie alle kämpfen - für Zissus, Janay, ihre Schwester und seine Kinder. Er würde das Geschehen beeinflussen, weil er dafür sorgte, dass ihnen nichts widerfuhr. Er hatte es bereits getan, denn auch Janay war schon einmal tot gewesen. Er hatte ihre Seele wieder zusammengeflickt wie ein Schneider, um sie zurückzuholen. Er hatte irgendetwas von sich selbst an Leben geopfert, an das er sich nicht mehr erinnern konnte, um die Geburt seiner Nachkommen zu sichern. Er hatte sich bereits eingemischt und das Gleichgewicht ins wanken gebracht.
"Aber ... was bedeutet das? Was verlangst du?", fragte er und scheute insgeheim die Antwort.
"Persönliche Empfindungen dürfen bei euch keine Einmischung verursachen!"
Kazel schaute Hilfe suchend zu Tod empor und sah in seinen Augen nur diese Leere, die absolute Neutralität. Der Gevatter zwang sich dazu. Er hatte seinen Zorn heruntergeschluckt und akzeptiert, denn Empfindungen gehörten nicht hierher. Auch Kazel hatte es schon einmal so neutral versucht. Er hatte sich bereits aus dem Weltgeschehen herausgehalten, damals, als er aus Morgeria geflohen war. Er hatte einen beschwerlichen Weg durch die Tote Ebene und das Drachengebirge unternommen, nur um in der Stillen Ebene zu landen und sich von allen fern zu halten. Er hatte bereits Jahre in Neutralität verbracht ... und in Einsamkeit. In dieser Zeit war er wie der Schädel des Gevatters geworden: eine blanke Oberfläche - neutral zwar, so aber auch ohne jegliches Gefühl. Es musste erst Janay in sein Leben treten, damit er überhaupt wieder in der Lage gewesen war, zu lächeln. Damit er Gefühle zuließ. Und nun...
"Ich soll meine Gefühle aufgeben?", wisperte er, denn es schnürte ihm die Kehle zu. Das könnte er nicht. Er hatte es Tod bereits gesagt, dass er diesen Teil seiner Selbst nicht einmal für eine Rolle als Gehilfe des Gevatters aufgeben könnte. Tod hatte es akzeptiert. Er hatte gemeint, Kazel würde schon seinen Weg finden und er hätte die Ewigkeit, um zu lernen, wie es für ihn am besten ginge. In dieser Hinsicht war der Tod nicht so kalt wie Schicksal es nun zu sein schien.
"Du musst eine Distanz wahren, zu der du derzeit nicht fähig bist und wenn alles bleibt, wie es jetzt ist, wirst du es niemals lernen!"
"Dann ... eigne ich mich gar nicht für diesen Posten", gab er kleinlaut zu. Denn er sah es ein: Er wäre nicht fähig, noch einmal all sein Empfinden aufzugeben, seine Gefühle und was sie in ihm auslösten. Er wollte nicht mehr darauf verzichten, zu lächeln, wenn er glücklich war oder gemeinsam zu weinen, um das Leid zu teilen und auf diese Weise erträglicher zu machen. Er nahm sogar Trauer und Unbehagen auf sich, um das Schicksal der misshandelten Frauen nicht zu vergessen, weil der Rest der Welt es getan hatte. Nein, er könnte es niemals aufgeben. Emotionen machten doch einen so großen Teil einer Seele erst zu dem, was sie war. Wenn er etwas gelernt hatte, dann das.
"Wenn du den Weg des Gesellen fortführen möchtest, musst du das Opfer bringen, deine Erinnerungen an dein bisheriges Leben bereitwillig abzulegen, denn du musst dafür vollkommen wertfrei und unbeeinflusst sein!" Kazels Kopf ruckte hoch. Er starrte Schicksal in die klaren, blauen Augen und konnte nicht glauben, was er da hörte. Seine Züge entgleisten ihm. Seine Augen weiteten sich und sein Mund klappte ihm auf. Es ging nicht nur um Emotionen. Es war noch viel schlimmer als erwartet. "Du wirst wissen, wer und wie alt du bist, woher du kommst und was für Fähigkeiten du besitzt. Du wirst dich daran erinnern, Geselle von Tod zu sein! Du wirst im Leben zurechtkommen und dich auch an fast alles von diesem Moment zurückerinnern können. Allerdings wirst du dich an keine Personen und mit ihnen gemachte Erlebnisse erinnern! All deine Bindungen wirst du vergessen, denn es sind eben diese, die deine Entscheidungen beeinflussen." Sie sagte noch mehr, aber er hörte kaum noch zu. Es riss ihm den Boden unter den Füßen fort und Kazel klammerte sich fest in Tods Kutte, weil er fürchtete, tiefer zu fallen als jemals zuvor. Er blinzelte, aber weder das Brennen in den Augenwinkeln, noch der begonnene Tränenfluss wollten versiegen. "Das ist grausam", brachte er halb erstickt hervor. Dann umfasste er mit freier Hand seine Brust, denn darin krampfte sich sein Herz schmerzhaft zusammen. "Meine Kinder", ächzte er und jedes Wort stach ihm brennend heiß mitten ins Herz. "Sie werden ohne Vater groß werden, so wie ich es tun musste. Ich wollte diesen morgerianischen Fluch durchbrechen, dieses lieblose Aufwachsen. Ich will doch für sie da sein." Kazel knickte unter Tods Hand ein. Er sank auf seine Knie, aber der Schmerz ließ nicht nach. "Und Janay? Sie ... wartet doch auf mich. Ich hab ihr gesagt, dass ich zurückkomme, aber wenn ... wenn ich sie alle vergesse ... ich liebe sie doch!" Aber sie liebte ihn nicht, schoss es ihm mit eiskalter Schneide durch den Kopf. Sie hatte es ihm bisher nicht sagen können, weil sie sich ihrer Gefühle nicht sicher war. Sie schien nur der Schwangerschaft wegen bei ihm zu sein, aber war bemüht gewesen, ihn lieben ... zu lernen. Sie hatte auch ihre Berufung als Prostituierte nicht aufgeben wollen, obwohl er ihr alle Möglichkeiten bot. Sie hatte doch das Töpfern lernen wollen und er wollte ihr diesen Weg schenken! Weil er sie liebte ... "Ich würde sie vergessen. Das ... das ist GRAUSAM!" Schluchzend kippte Kazel nach vorn, stützte sich auf den Unterarmen ab, verbarg aber sein Gesicht. Er kauerte sich zusammen, weinte und bebte. Wie konnte man von ihm verlangen, dass er sich gegen all das entschied? Im Grunde könnte er ablehnen. Musste er denn Geselle des Gevatters bleiben? Er brauchte diesen Weg nicht gehen. Er könnte es so einfach haben wie Janay es sich wünschte: Ein Hof, vielleicht irgendwo bei Andunie, wo Apfelbäume blühten. Sie bekäme eine kleine Töpferwerkstatt und er würde die Kinder hüten und einen Acker bestellen. Es wäre ein schlichtes Leben, aber er würde es aus vollem Herzen genießen und mit etwas Glück könnte er Zissus überreden, dass er mit Hopp und den anderen Hybriden zu ihnen käme oder wenigstens in ihre Nähe. Damit sie einander niemals aus den Augen verloren. Aber das Schicksal verlangte, dass er sich entschied, all das zu vergessen.
So ganz neutral blieb sie selbst wohl auch nicht. Denn sie teilte Kazel mit, dass er es zumindest ausprobieren könnte. Sobald er vergaß, würde er sich zu Teilen an dieses Gespräch erinnern und wenn das Leben als Lehrling des Todes und ohne jegliche Erinnerungen nichts für ihn wäre, könnte er in sein altes zurückkehren ... aber würde Janay auf ihn warten? Wie viel Zeit seiner Kinder würde er dadurch verpassen? Würden sie ihn dann überhaupt noch zurückhaben wollen?
"Vor diese Wahl muss ich dich stellen, denn Tods Geselle wird die Verantwortung für alle endenden Leben mittragen und darf sich nicht von persönlichen und irdischen Bedürfnissen lenken lassen. Seine Pflichten gelten der Ewigkeit - nicht nur dem des eigenen endlichen Lebens!"
"Wähle, indem du auf dein Herz hörst und in deinem Verstand nach der Antwort suchst."
Das riet ihm sein Meister, aber Kazel konnte darübern ur leidlich aufkeuchen. Hörte er auf sein Herz, führte es ihn zu Janay zurück, zu seinen ungeborenen Kindern, zu Zissus und den Hybriden, die alle noch seine Unterstützung benötigten. Hörte er auf seinen Verstand, legte sich dort die Kühle des Gevatters über sein Denken und erinnerte ihn an die Worte des Schicksals. Es gab nur wenige Weltenspringer. Es würden kaum weitere hinzu kommen und wenn sie denn mal einen fanden, der passte, mochten Tausend Jahre vergehen. Er schlang beide Arme um sich, klammerte sich an seinem eigenen Körper fest. Herz und Verstand gingen nicht Hand in Hand einher bei ihm. Wie sollte er eine Entscheidung treffen? Es quälte ihn, dass man das von ihm verlangte. Wie konnten Wesen der Ewigkeit von einem sterblichen kleinen Nichts wie ihm eine Antwort darauf erwarten?! Ein sterbliches, kleines ... Nichts.
Tod schien Kazels Dilemma ansatzweise nachvollziehen zu können. Auch er war nicht vollkommen distanziert, sonst würde er nicht versuchen, ihm einen Rat mit auf den Weg zu geben. Natürlich nahm auch er durch seine Worte Einfluss. Was die beiden von ihm verlangten, hielten sie selbst nicht ein! Allerdings schienen sie auch nur sein Bestes zu wollen. Er musste sich entscheiden und kein Weg davon war falsch. Nur wo der eine weiterführte, würde der andere enden. Das war im Grunde alles. Es war eigentlich nicht schwer, wenn man es nüchtern betrachtete - ohne Gefühle. Ohne Bindungen.
"Vielleicht hilft es, wenn du das alles als Chance siehst, das Schicksal - das Leben - zu finden, das wirklich das deine und für dich bestimmt ist!"
Mit diesen Worten nahm Tod mehr Einfluss auf Kazel als beide vermutlich ahnten. Der Elf rappelte sich langsam auf. Er fühlte sich seltsam steif und zugleich furchtbar weich und kraftlos. Trotzdem kam er zurück auf die Beine, wischte sich über das Gesicht. Dann hielt er beide Hände vor sich und schaute darauf herab. Er drehte sie, dass die Handflächen nach oben zeigten. Anschließend drehte er sie nochmal, so dass sich ihm seine eigenen Handrücken präsentierten. Sie waren hell, aber nicht so rosig wie der Teint von Waldelfen. Sie waren bei weitem nicht so braun, grau oder schwarz wie man es von Dunkelelfen erwartete. Mit glanzlosen Augen schaute er erst zu Tod auf, dann in Richtung des Schicksals.
"Mein Schicksal ... das gab es doch gar nicht", begann er und wieder wanderten seine Augen zu Tod, als suchte er Bestätigung in dessen leeren Höhlen. "Ich bin ein Mischling, ein Elf mit Mischblut, unrein und zu keinem Blut zugehörig. Wesen wie ich haben keinen Wert und sind überhaupt nicht für das Leben bestimmt, nicht wahr?" Es war nicht seine Überzeugung, die aus ihm sprach, sondern eine Weltansicht, die man ihm anerzogen und gegen die er sich nur zu gern immer wieder gesträubt hatte. Trotzdem wusste Kazel, dass auch dahinter ein Körnchen Wahrheit steckte. Mischlinge fanden selten ihren Platz in der Welt. Sie standen eher zwischen zweien und konnten doch keine vollends betreten, um dort Fuß zu fassen. Man erkannte immer die Unterschiede. Man wies ihn immer wieder daraufhin und spätestens, als sich sein Mischblut auch optisch bemerkbar gemacht hatte, waren es seine eigenen Blutsverwandten, die ihn von Celcia hatten tilgen wollen. Er gehörte nicht dorthin, weder zu den Dunkelelfen noch zu den eldorischen Elfen, deren Welt er ohnehin niemals wirklich kennen gelernt hatte. "Hab ich denn wirklich eine Wahl?", fragte er in den zeitlosen Raum hinein. "Ist es denn wirklich meine Entscheidung, wenn ich mich füge, weil das Leben mich nicht so haben will? Ich wähle damit aber doch auch nichts Neues. Es ist keine Chance, oder? Ich ..." Er riss die Hände empor und vergrub das Gesicht in den Fingern. Kazel krümmte sich vor. "Ich entziehe mich doch nur meiner eigenen Verantwortung. Ich habe Janay Leben eingepflanzt und nun soll ich sie damit allein lassen ... mich nicht einmal mehr an sie oder unser gemeinsam geschaffenes Leben erinnern?!" Er brüllte auf, riss die Hände wieder von sich, wirbelte damit umher und tigerte plötzlich durch die weiße Weite, als würde es ihm eine Lösung präsentieren können. Er war rastlos mit seinen Gedanken. Das Gewissen wog schwer und mit ihm die Erkenntnis, dass er keine Wahl treffen konnte, die nicht Leid zurückließ. Schließlich blieb er stehen. Wieder schaute er zu den beiden höheren Wesen hinüber. Sein eigener Blick war so müde und kraftlos. Die Welt verlangte ihm viel ab und es war nicht das erste Mal.
"Entweder lasse ich die Frau, die ich liebe, meinen ersten und einzigen Freund und viele, die auf mich hoffen, sowie zwei Kinder - mein eigen Fleisch und Blut! - im Stich ... oder ..." Mit hängenden Schultern, schwer von Schuld, der Blick hilflos nahm er Tod in den Fokus. "... oder ich lasse dich im Stich ... und die Ewigkeit, die du in Einsamkeit verbringst. Schon viel zu lang. Du ... hast Hoffnung in mich gesetzt, dieser Einsamkeit zu entgehen, die Verantwortung zu teilen, um es uns beiden leichter zu machen. Du ... gibst mir einen Platz, an dem ich mich fühle, als gehöre ich dorthin. Weil es egal ist, wie ich unter der Kutte aussehe. Wer ich bin." Er schluckte. Seine Augen streiften einmal über die blendende Leere. Sie blieben am blauen Gewand des Schicksals mitsamt ihren Fäden hängen. "Meine Erinnerungen verlieren ..." Er presste die Lippen aufeinander, kämpfte darum, nicht erneut in Tränen auszubrechen. "Niemandem Lebewohl sagen zu können..." Das war bei weitem das Schwerste. Sie würden auf ihn warten, hoffen und sehr lange mit der Ungewissheit leben müssen, was wohl aus ihm geworden war. Sie würden weder eine Leiche von ihm finden, noch Antworten. Denn ersteres gab es nicht und zweiteres verwehrte man ihnen. Und Kazel selbst würde nichts davon mehr wissen. Im Grunde machten Schicksal und Tod es ihm einfach und allen anderen schwer, die seinen Weg je gekreuzt hatten. Beschämt schob er die Hände erneut vor ds Gesicht. Tränen konnte er schon keine mehr weinen. Mit belegter Stimme und durch die Finger hindurch etwas dumpf entschied er sich schließlich: "Vielleicht ist es gut, wenn ich all das vergesse. Dann wiegt die Schuld dieser Entscheidung nicht so schwer, denn ... ich kann Celcia nicht im Stich lassen. Ihr habt Recht. Eine Welt mit all ihren Schicksalen wiegt schwerer als meine eigenen Bedürfnisse ... und Janay, meine Kinder, meine Freunde ... sie leben in dieser Welt." Er senkte langsam die Hände, schloss die Augen und schluchzte noch einmal, als Kazel den Kopf in den Nacken legte. "Ich werde sie alle vergessen." Still stand er da, in einem Raum ohne Zeit und das bedeutete, dass er ewig viel davon hatte. Also nutzte er sie. Er trauerte, er weinte tränenlos und er verabschiedete sich stumm von all jenen, die er mit Kummer zurückließ, wo bei ihm nur Leere bleiben würde. Er besäße nicht einmal mehr Schuld. Firlefitz, Schlange, Kodiak und Hopp ... Vranyk, der du nun ohne deinen Bruder leben musst ... Arina... Zissus! Er seufzte und sein Herz zog sich zusammen. Pass mir bloß auf Janay auf ... und ... meine Kinder... Er würde sie niemals zu Gesicht bekommen und wenn doch, so wüsste er nicht, dass es seine wären. Er würde ihnen keine Namen geben, nichts beibringen, sie nicht beschützen. Janay. Janay, ich ...
Kazel riss die Augen auf. Er konnte es nicht tun. Er konnte sich nicht gedanklich von ihr verabschieden. Er wusste aber auch, dass er nicht zurück konnte. Zu groß war sein Pflichtgefühl der Welt selbst gegenüber, denn als Lehrling des Gevatters konnte er etwas bewirken. Er konnte etwas sein und tun, das ihm einen Wert gab. Er wäre dadurch nicht bloß der ungeliebte Mischling, für dein sein Vater sich nicht hatte einsetzen können. Er wäre nicht der verhasste Mischling, der das Erbe seines eigenen Hauses nicht ohne Schande würde antreten können. Er wäre nicht der Mischlingsdieb in den Augen all jener, die in ihm entweder das oder zumindest den Dunkelelfen sahen. Er besäße kein Stigma mehr. Stattdessen würde man ihn Willkommen heißen als das letzte Geleit ins Ende ... oder die ersten Schritte zu einem neuen Anfang. Ja, er hatte sich entschieden. Hier endete es und es fing neu an. Er musste nur loslassen, von allem.
"Bitte, macht schnell, was immer zu tun ist ... bevor es mein Herz zerreißt", flehte er, denn er ertrug den Gedanken nicht, dass er sich jetzt und hier wirklich von allem verabschiedete, was ihm auf Celcia lieb und teuer war. Nur eines, das würde er nicht loslassen können, nicht loslassen wollen: Seine Gefühle. Die gäbe er nicht ab. Wenn sich herausstellte, dass er sich aufgrund dessen nicht als zweiter Gevatter eignete, dann ... ja, dann besäße er wirklich überhaupt keinen Platz ... nirgends und niemals für alle Zeit.
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Re: Schicksals Domäne

Beitrag von Erzähler » Sonntag 28. April 2024, 13:12

Kazel war wortwörtlich aus der Situation im Anwesen der Geschwister Belyal Sinth gerissen worden. Als hätte er sich plötzlich in Luft aufgelöst war er einfach verschwunden und an einen raum- und zeitlosen Ort gebracht worden. Diese Reisemethode kannte er bereits und jedes Mal schlug sie ihm ein wenig auf den Magen. Doch in diesem Moment überwog die Verwirrung und überdeckte das flaue Gefühl im unteren Bereich seines Körpers.
Vorsichtig sah sich Kazel um und rief die Namen seiner Freunde. Er begriff nicht, was geschehen war! In dem einen Moment hatte er sich noch im Chaos des Angriffs der Dunkelelfen zurechtfinden müssen, nur um sich im Nächsten an diesem unbekannten Ort wiederzufinden. Alleine… in einer Weite aus Nichts! Doch ganz so alleine, wie er anfangs glaubte zu sein, war er nicht.
Als Kazel die schlanke und erhabene Gestalt Schicksals entdeckte, war er sofort auf der Hut. Er hatte diese Frau noch nie zuvor gesehen und wusste weder, was sie von ihm wollte, noch weshalb sie ihn hergebracht hatte. Der junge Mann ahnte noch nicht, dass er kurz davor stand eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen, die sein ganzes Leben verändern sollte.
Nach einem kurzen Moment, der sich dennoch wie eine Ewigkeit anfühlen konnte, stellte sich die gereifte Frau als Schicksal vor und Kazel wurde bewusst, dass er sich in Gesellschaft einer ähnlichen, wenn nicht gar gleichwertigen Kraft der Ewigkeit befand, wie es sein Meister war. Nur hatte er zuvor noch nie von dieser als Person gehört, oder sie gesehen.
„N-nur Kazel“, korrigierte er sie dennoch, denn das Ablegen seines Namens hatte zumindest für ihn eine tiefere Bedeutung. Den Einwurf schien Schicksal jedoch kaum wahrzunehmen oder zu beachten. Ihre hellen Augen ruhten auf seiner Gestalt und sobald sich ihre Blicke trafen konnte er das bedrängende Gefühl spüren, dass sie alles über ihn wusste und seine Gedanken lesen konnte, als wären sie ein offenes Buch. Aber, ob dem so war, blieb zunächst unergründet!
Kazel erfuhr, was nach dem Moment seines Herausrisses im Anwesen der Geschwister Belyal Sinth geschehen war, doch konnte er dazu kaum einen Gedanken fassen, als – zu seiner Erleichterung - Tod erschien. Die kühle Aura, die dessen Gegenwart mit sich brachte, wirkte beruhigend auf den jungen Mann und endlich hatte er das Gefühl wenigstens einmal durchatmen zu können. Doch ein weiteres Mal war ihm bereits nicht vergönnt. Die beiden Eminenzen gerieten in eine Diskussion, die auch ihn als Thema identifizierte, was den Halbelfen nur noch verwirrter und verunsicherter zurückließ. Nichts in der letzten Zeit hatte darauf hingewiesen, dass es ein Problem mit ihm als Gesellen gegeben hatte. So kam diese ganze Situation wie aus dem Nichts und schlug über ihn ein, wie eine hohe Welle am Strand.
Kazel suchte instinktiv die Nähe von Tod, was dieser mit einem Blick zu ihm registrierte, bevor er sich weiter Schicksal zuwandte, die unerbittlich in der Diskussion ihres Anliegens schien. Und offenbar schienen ihre Worte, so hart sie auch wirkten, ein Gewicht zu besitzen, denen selbst der Gevatter nichts zu entgegnen hatte. Zu dessen Frust verstummte er und die Spinnerin der Geschicke nutzte ihre Chance. Sie wandte sich an den Mischlingself und erklärte Stück für Stück, was von ihm verlangt werden würde.
„Den nächsten Schritt?“, fragte Kazel anfangs, noch immer nicht wirklich schlauer geworden. Ihre Worte waren leider nicht so präzise, wie er vielleicht gehofft hatte, doch erfuhr er von Etappe zu Etappe mehr, so dass ihm das Ausmaß bewusst werden konnte. Manche Themen ließen sich eben nicht knapp erklären, besonders wenn durch dieses die Wendung eines, wenn nicht gar mehrerer Schicksale, herbeigeführt werden würde.
Sowohl Schicksal, als auch der Gevatter führten den jungen Mann, der langsam aber sicher Kopfschmerzen zu bekommen schien, an die Kernproblematik heran. Er erkannte nicht sofort, was man von ihm wollte – was überhaupt zu ändern war. Sein Leben hatte sich doch zum Guten gewandt. Er hatte eine Liebe gefunden, die von ihm Nachwuchs erwartete, Freunde und Bekannte, die sein Leben bunt gestaltet und voll verschiedenster Emotionen bereichert hatten. Und er hatte eine Art … verwurzelte Heimat bei Tod höchstpersönlich gefunden, der für ihn an eine Vatergestalt am nächsten kam. Kazel war zufrieden gewesen – vielleicht sogar glücklich. Doch laut Schicksal waren eben diese Verbindungen plötzlich problematisch.
„Das kann nicht nur deine Seele gefährden, sondern auch die Strukturen Celcias aus dem Gleichgewicht bringen und damit das Schicksal allen Lebens bedrohen.“
Kazel sah stirnrunzelnd auf. „Warum das? Wie ... ich meine, wie könnte das Gleichgewicht ganz Celcias aus den Fugen geraten, nur weil ich ... das Leben mit meiner Familie fortsetze, bis ...?", fragte er nach, ehe sich ihm die Antwort von selbst erschloss. Eine andere Kälte griff nach seinem Herz und diese war bei weitem weniger angenehm, wie die des Todes.
Seine Gefühle für das Leben auf Celcia mussten… eine gewisse Neutralität mit sich bringen. Doch Kazel war bewusst, dass er diese kaum … nein, eigentlich gar nicht garantieren könnte. Er hatte sich immerhin schon in das Leben und den Tod von Janay und dadurch seinen ungeborenen Kindern eingemischt. Doch war das nicht normal…? Mischten sich nicht Leben, Tod, Schicksal und auch all die Götter ständig ein?
„Tod und sein Gehilfe müssen verlässlich sein! Ihr steht am Ende, verwaltet die Zeit, die das Leben den Seelen geschenkt hat.“, betonte Schicksal noch einmal mit fester Stimme und Kazel ergänzte mit langsam sinkendem Herzen:
„Und wir dürfen keinen aktiven Einfluss darauf nehmen, wer länger leben darf und wer nicht.“ Die Frau nickte und schien zufrieden, dass der Geselle begriff. Er hatte sich bereits eingemischt und das Gleichgewicht vor Kurzem ins Wanken gebracht. Und vielleicht war dies nun… eine verspätete Quittung, auch wenn er bereits einen Preis gezahlt hatte.
Aber was würde das nun bedeuten? Was verlangte Schicksal von ihm? Dass er es zukünftig unterlassen würde? Tief im Innern ahnte er bereits, dass es damit nicht getan sein würde.
Kazels hilfesuchender Blick zu Tod brachte ihm dieses Mal leider auch keine Antworten. Diese musste er sich selbst geben und das, was sich ihm als Antwort erschloss, gefiel ihm ganz und gar nicht!
„Ich soll meine Gefühle aufgeben?“, wisperte er im Wissen, dass er das nicht tun konnte. Allein der Gedanke schnürte ihm die Luft zum Atmen ab.
„Dann ... eigne ich mich gar nicht für diesen Posten“, gab der junge Mann weiter kleinlaut zu. Beinahe zeitgleich konnte er spüren, wie sich der knochige Griff an seiner Schulter, in einer Geste stummen Protests verstärkte.
Und überraschender Weise schüttelte auch Schicksal daraufhin mit dem Kopf. Sie machte kurz Anstalten ihm ebenfalls eine Hand auf die Schulter zu legen, doch zog sie sie wieder zurück, so dass sie unter dem dunkelblauen Umhang verschwand.
„Ganz und gar nicht! Gefühle zu haben, zu kennen und zu verstehen ist für dich als Tods Geselle eine fundamentale und wichtige Eigenschaft. Allerdings… besteht eben darin eine der großen Herausforderungen! Alle Gefühle zu kennen, nachempfinden zu können, die Seelen zu verstehen und dennoch Neutralität zu wahren ist keine leichte Aufgabe und die Wenigsten sind dazu in der Lage diese zu wahren. Die Meisten würden daran zerbrechen.“ In ihrem Blick konnte man nicht ablesen, was sie bei diesen Worten empfand – ob sie überhaupt etwas empfand - doch wanderte er kurze Zeit zu Tod, als würde sie ehren und honorieren wollen, was er in jeder Sekunde seiner Ewigkeit leistete.
Nach einigen Sekunden kehrte ihr klarer Blick allerdings wieder zu Kazel zurück. Sie sah an der Bewegung seiner meeresblauen Augen, dass er angestrengt nachdachte und der Antwort immer näherkam. Doch vielleicht war es nötig, dass er es ausgesprochen hörte und deshalb übernahm Schicksal diesen Part:
„Wenn du den Weg des Gesellen fortführen möchtest, musst du das Opfer bringen, deine Erinnerungen an dein bisheriges Leben bereitwillig abzulegen, denn du musst dafür vollkommen wertfrei und unbeeinflusst sein!“
Kazel hörte und begriff nun die Tragweite und hatte das Gefühl, als würde man ihm den Boden unter den Füßen wegziehen und selbst Tods knochige Finger, die in einer väterlichen Geste auf seiner Schulter ruhten, konnten ihm dieses Mal weder Halt, noch Trost spenden.
Schicksals Worte hallten von ganz alleine in seinem Kopf und wirkten immer verwaschener und undeutlicher, weil er sich gegen die Erklärung zu wehren begann. Das, was von ihm verlangt wurde war noch viel schlimmer, als er es sich ausgemalt hatte.
Tod spürte den Griff in seine Kutte und hätte seinen Gesellen wohl am liebsten von dieser Bürde befreit. Doch auch seine Aufgabe war es nun dies zu ertragen und mitzutragen.
„Das ist grausam! Meine Kinder“, ächzte Kazel und beide Entitäten sahen ihm schweigend zu, wie er verarbeitete, was gerade geschah. Gerade Worte würden hier nicht helfen, denn sie würden nichts an den Fakten ändern.
„Sie werden ohne Vater groß werden, so wie ich es tun musste. Ich wollte diesen morgerianischen Fluch durchbrechen, dieses lieblose Aufwachsen. Ich will doch für sie da sein. Und Janay? Sie ... wartet doch auf mich. Ich hab ihr gesagt, dass ich zurückkomme, aber wenn ... wenn ich sie alle vergesse ... ich liebe sie doch! Ich würde sie vergessen. Das ... das ist GRAUSAM!“ Kazel kauerte sich zusammen, weinte und bebte.
Die Fingerknochen der Hand des Gevatters schabten aufeinander, als er diese in einer unterdrückten Reaktion fest ballte. Schicksals Blick blieb ruhig, doch auch ihr könnte ein kleiner Funke Mitleid angedichtet werden. Zumindest stellten sie Kazel in Aussicht, dass er seine Erinnerungen zurückerhalten konnte, wenn er bemerkte, dass das Schicksal als Geselle nichts für ihn sein würde. Doch das vermochte seine Qualen kaum zu mildern. So furchtbar das alles war begriff Kazel, dass die Forderung keinem Akt der Bosheit entsprang, sondern die Ordnung eines ewigen Kreislaufs sicherstellen sollte. Gleichzeitig wollten sie sichergehen, dass er nicht das falsche Schicksal für sich wählte und sich irgendwann in Einsamkeit verlor. Dennoch war es schwer zu akzeptieren – schwer sich zu einer Entscheidung durchzuringen. Denn irgendwen würde er dadurch verlieren und zurücklassen. Seinen Gefühlen nach sogar im Stich verlassen – verraten! Dieser Gedanke war für Kazel unerträglich.
„Vielleicht hilft es, wenn du das alles als Chance siehst, das Schicksal - das Leben - zu finden, das wirklich das deine und für dich bestimmt ist!“, riet ihm Tod und versuchte dabei weder emotionslos, noch emotionsgeladen zu klingen. Auch für ihn war die Situation aufwühlend. Und Kazel ahnte dies, denn er lag mit seinen Annahmen gar nicht so falsch. Die Welt der Lebenden war voller Seelen, deren Leben sich kreuzten – zum Guten, wie auch zum Schlechten. Die Seite der Ewigkeit war dagegen eher überschaubar und würde nicht viel Größer werden.

Langsam und kraftlos kehrte Kazel zurück auf seine Füße und betrachtete seine Hände. Zweifel kehrten zurück, irdische Lasten, mit denen er aufgewachsen und im Leben mehrfach konfrontiert worden war. Es war ein natürlicher Prozess, ein Schritt zur Entscheidung und zur Verarbeitung. Doch es machte die Angelegenheit für den Elfenmischling natürlich nicht leichter. Ohne seine Freunde… ohne seine Erinnerungen, wer war er dann noch?
„Mein Schicksal ... das gab es doch gar nicht. Ich bin ein Mischling, ein Elf mit Mischblut, unrein und zu keinem Blut zugehörig. Wesen wie ich haben keinen Wert und sind überhaupt nicht für das Leben bestimmt, nicht wahr?“ Während Tod seinen Gesellen nur ansah und scheinbar nach Worten suchte, erklang seitens Schicksal ein Schnauben.
„Papperlapapp, so ein irdischer Unsinn!“, unterbrach sie Kazels negative Gedanken. Um ihren Mund legte sich ein strenger Zug und auch ihre Augen tasteten kritisierend über das Gesicht des jungen Mannes.
„Dein Schicksal gab es schon immer! Jede Seele entsteht gleichwertig und hat ein angeborenes Schicksal und es sind lediglich die Sterblichen, die sich das Leben durch solch triviale Denkweisen, wie dem Reinheitsgehalt von Blut und Rassentrennung verkomplizieren! Als Geselle solltest du es mittlerweile besser wissen! Du bist von Geburt an nicht einen Funken weniger wert als andere. Deine Seele hat sich sogar auf besondere Weise entwickelt, wie deine Seelenwaage beweist – sonst hätte dich Tod niemals für würdig und fähig erachtet!“, echauffierte sie sich, woraufhin Tod verhalten räusperte. Doch konnte er nicht anders, als Schicksal in diesem Punkt zuzustimmen.
„Wir wissen, dass in der Welt der Lebenden, zu der du eben noch gehörst, so gedacht und gelebt wird. Allerdings und Schicksal wollte dir das vermutlich mit ihren Worten sagen, bist du als Weltenspringer Teil unserer Seite und … hast hier einen Platz an dem solche Oberflächlichkeiten keinen Wert besitzen.“ Es waren eigentlich nette Worte, die bewiesen, dass Kazel von ihnen beiden in der Rolle als Geselle gesehen wurde. Doch, ob der aufgebrachte Elf darin Trost oder Stärke finden könnte, war eine ganz andere Frage.
„Hab ich denn wirklich eine Wahl? Ist es denn wirklich meine Entscheidung, wenn ich mich füge, weil das Leben mich nicht so haben will? Ich wähle damit aber doch auch nichts Neues. Es ist keine Chance, oder? Ich ...Ich entziehe mich doch nur meiner eigenen Verantwortung. Ich habe Janay Leben eingepflanzt und nun soll ich sie damit allein lassen ... mich nicht einmal mehr an sie oder unser gemeinsam geschaffenes Leben erinnern?!“ Es war schwer und sowohl Schicksal, als auch der Gevatter wussten, wie schmerzhaft und belastend diese Situation für ihn war. Es war auch für die beiden Entitäten nicht einfach seinem Gefühlsausbruch zuzusehen und zuzuhören, denn in ihren Augen mochte Kazel noch zu eindimensional denken.
„Entweder lasse ich die Frau, die ich liebe, meinen ersten und einzigen Freund und viele, die auf mich hoffen, sowie zwei Kinder - mein eigen Fleisch und Blut! - im Stich ... oder... oder ich lasse dich im Stich ... und die Ewigkeit, die du in Einsamkeit verbringst. Schon viel zu lang. Du ... hast Hoffnung in mich gesetzt, dieser Einsamkeit zu entgehen, die Verantwortung zu teilen, um es uns beiden leichter zu machen. Du ... gibst mir einen Platz, an dem ich mich fühle, als gehöre ich dorthin. Weil es egal ist, wie ich unter der Kutte aussehe. Wer ich bin.“ Kazel hatte nun seinen Meister direkt angesprochen und dieser legte seinem Schüler beide Hände auf die Schultern.
„Du hast recht! Allerdings sollst du deine Entscheidung nicht für mich treffen. Es ist wichtig, dass du sie für dich triffst – das wählst, was für dich das Richtige ist und mit dem du Leben und die Ewigkeit begehen kannst. Um mich brauchst du dir keine Gedanken zu machen“, riet der Gevatter ihm noch einmal dringend und obwohl seine Stimme, wie üblich recht monoton klang, meinte er seine Worte vollkommen ehrlich.
Nun lag es an Kazel und die beiden Wächter hielten sich zurück.
„Meine Erinnerungen verlieren ... Niemandem Lebewohl sagen zu können...“ Würde der Mischling je eine Entscheidung treffen können, bei der sein Herz nicht gefühlt entzweigerissen wurde? Ihm war bewusst, dass er mit dem Gedächtnisverlust auch all seine Schuldgefühle verlieren würde. Er würde sich an niemanden aus seinem irdischen Leben mehr erinnern können. Ihn selbst erwartete dahingehend sogar Erleichterung! Doch war das gerecht? All die, die ihm etwas bedeuteten und er ihnen, in Unwissen und steter Sorge und der Frage, was passiert war zurückzulassen?
Auf der anderen Seite sah Kazel auch das größere Ganze. Und auch seine Rolle. Er identifizierte sich mittlerweile selbst als Geselle von Tod und erkannte die Bedeutung dieser Position. Er besaß nicht nur das Pflichtgefühl, sondern sah es auch als Teil seiner Aufgabe das Gleichgewicht mit zu schützen.
„Vielleicht ist es gut, wenn ich all das vergesse. Dann wiegt die Schuld dieser Entscheidung nicht so schwer, denn ... ich kann Celcia nicht im Stich lassen. Ihr habt Recht. Eine Welt mit all ihren Schicksalen wiegt schwerer als meine eigenen Bedürfnisse ... und Janay, meine Kinder, meine Freunde ... sie leben in dieser Welt.“ Schicksal und Tod sahen sich einen Moment an, denn sie verstanden, dass Kazel zu einer Entscheidung gekommen war, so schwer sie ihm auch fiel.
„Ich werde sie alle vergessen.“ Bei diesen Worten hielten alle die Luft an. Vermutlich breitete sich in Tod und Schicksal große Erleichterung aus, doch zeigten sie es aus Respekt vor Kazels Entscheidung und seinem Opfer, das er dafür brachte nicht. Gerade der Gevatter schien vom Leid seines Schülers mitgenommen.
„Bitte, macht schnell, was immer zu tun ist ... bevor es mein Herz zerreißt“, flehte Kazel und Schicksal zögerte nicht, indem sie vor ihn trat. Raschelnd öffnete sich ihr nachtblauer Umhang und sie hob die Arme, um ihre Handflächen auf seine Wangen zu legen. Ihre Haut war angenehm warm und er konnte die altersbedingten Unebenheiten ihrer Finger spüren.
„Kazel, Tod hat mit dir eine gute Wahl getroffen!“ Er wusste es nicht, doch solch ein Lob war von Schicksal gesprochen etwas Besonderes. „Wenn du wieder zu dir kommst, wirst du zurück im Diesseits sein. Mach dir keine Sorgen – wie versprochen werde ich dir jemanden zur Seite stellen, der dir hilft dich neu zu orientieren!“ Schicksal strich ihm mit den Daumen die Tränenspuren von den Wangen.
„Vielleicht erfüllt sich das Schicksal, in das ich meine Hoffnung lege doch noch!“ Mit diesen rätselhaft klingenden Worten machte sie seinem Leid ein Ende. Ihre Finger zogen sich sanft von seinen Wangen zurück und ihre rechte Hand vollführte eine seitliche Bewegung durch die Luft mit der Kazel das Bewusstsein verlor und in eine erlösende Dunkelheit fiel.

Kazel weiter bei: Die Grasland-Siedlung - Neuanfang
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