Wo alles beginnt...

Verschiedene Baustile finden sich in Jorsan. Vom einfachen Fachwerkhaus über einstöckige, kastenförmige bis hin zu kleinen Nobelhäusern ist hier alles anzutreffen. Jorsaner Architekten wollen scheinbar jede Kultur zum Teil ihrer Stadt werden lassen.
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Re: Wo alles beginnt...

Beitrag von Erzähler » Sonntag 19. Februar 2017, 16:54

„Ach natürlich bin ich geblieben! Das wäre ich so oder so! … und um meinen Schlaf musst du dich nicht sorgen, ich habe mir schon oft mit einer Freundin dieses Bett geteilt als ich jünger war.“
Delilah schob die Bettdecke fort und schwang die Beine aus dem Bett.
"Es würde mich freuen, wenn wir uns duzen würden..."
Der Morgen startete gut und die vergangene Nacht, ohne jegliche Störung, hatte wohl auch einen Teil dazu beigetragen. Die beiden Mädchen waren guter Dinge, die eine offensichtlicher als die andere. Delilah hielt das feine Kleid in die Höhe, das sie von Verano bekommen hatte und warf es auf das Bett. Sie betrachtete es lange.
„Was meinst du? … soll ich es behalten oder mir lieber etwas von unseren einfachen Kleidern nehmen? Mir ist das … ähm… adelige Aussehen auf meiner Reise hierher zugutegekommen, aber wenn wir in die Akademie gehen wird es nur unnötige Fragen aufwerfen.“
Das stimmte und nicht nur das Kleid warf Fragen auf. Auch ihr Pferd war nicht wirklich standesgemäß und gerade Darna wusste da deutlich mehr um die lauernden Gefahren als die junge Novizin auch nur ahnen konnte.
„Der erste ist Gunther Brockhardt, er ist pelgarischer Inquisitor, befindet sich jedoch gerade in der Nähe von Rugta. Und dann gibt es noch Raphael, er ist bei den Templern und er war es, der damals meinen Ausbruch miterlebt und mich danach zur Akademie gebracht hat…Wir haben ihn gestern schon gesehen, er ist also definitiv in der Stadt und ich vertraue ihm sehr. Aber dennoch müssen wir … bedacht vorgehen, wenn wir dein Problem ansprechen.“
, beantwortete sie Darnas Frage nach ihren Kontakten zur Inquisition. Mit dem Kleid war es wohl ähnlich wie mit ihrem geliebten weißen Begleiter. Alles barg seine Vor-und Nachteile und vielleicht sogar Gefahren.
„Ich würde ihn nur ungern fortgeben…“
, murmelte Delilah vor sich hin, auch wenn gleichzeitig andere Fragen in ihrem Kopf auftauchten. Wo wollte sie ihn denn halten? Wie sollte sie für die Kosten aufkommen, die eine Pferdehaltung mit sich brachte. Es musste eine Lösung her und das Ross der Inquisition „zurück“ zu geben, ergab viel Sinn… außerdem vertraute sie Raphael… dennoch… die Verbindung zu brechen, die sie zu dem Tier aufgebaut hatte – stark durch Rukullas Zutun – würde ihr schwer fallen. Sehr schwer! Ganbu war ihr ein teuer Begleiter gewesen und das Band was die Geisteroma geknüpft hatte verband sie noch jetzt mit dem stolzen Tier. Irgendwann müsste sie wohl oder übel sich auch mit diesem Problem beschäftigen, aber jetzt gab es erst einmal ein Bad! Delilah genoss die Wärme und die ruhigen Minuten, die damit einhergingen. Sie wusch sich gründlich und schaffte es tatsächlich ihre Haare nach dem Bad zu bändigen. Delilah sah, wie tief Darna in ihre Gedanken vertieft war und schöne schienen es nicht zu sein… da begann sie leise vor sich hinzu singen:
„Es tagt, der Sonne Morgenstrahl
Weckt alle Kreatur.
Der Vögel froher Frühchoral
Begrüßt des Lichtes Spur.
Es singt und jubelt überall,
Erwacht sind Wald und Flur.
Wem nicht geschenkt ein Stimmelein
Zu singen froh und frei,
Mischt doch darum sein Lob darein
Mit Gaben mancherlei
Und stimmt auf seine Art mit ein,
Wie schön der Morgen sei.
Zuletzt erschwingt sich flammengleich
Mit Stimmen laut und leis
Aus Wald und Feld, aus Bach und Teich,
Aus aller Schöpfung Kreis
Ein Morgenchor, an Freude reich,
Lysanthors Lob und Preis“

Es war ruhig im Hause Tesséras geworden. Ein jeder lauschte leise Delilahs feiner Stimme und es war ein wenig so, als schiene mit jedem Ton die Sonne etwas heller an diesem Tag. Die junge Lichtnovizin hatte einfach etwas an sich, dass Licht und Frieden in die Herzen der Menschen brachte, denen sie begegnete. Als sie sich dann alle auf dem kleinen Hinterhof trafen um die Pakete aufzuladen, da strahlte tatsächlich die Sonne auf sie nieder, wie sie es in diesem Jahr noch nicht getan hatte. Es versprach ein schöner Tag zu werden. Basilius bedankte sich gerade für die Übernachtung und lächelte etwas schief, was seinem Gesicht einen kleinen lausbübischen Ausdruck verlieh, der ihm aber ganz gut stand. Darna und Leon nickten bestätigend.
„Ihr müsst euch nicht bedanken, ich habe mir damit auch selbst einen Gefallen getan.“
, gab sie ganz offen zu und warf dem Haus einen liebevollen Blick zu.
„In einem Haus, in dem die Liebe wohnt, kann man gar nicht schlecht schlafen.“
, sagte sie eine alte Weisheit auf und lächelte breit in die Runde. Leon schaute in diesem Moment auf und lächelte zustimmend, wenn auch noch immer etwas verhalten. Sorgen schienen sein Gemüt zu beschatten und auch seine Augen hatten nicht mehr den gleichen Glanz früherer Zeiten. Delilahs Inneres zog sich zusammen, als sie sich der Aufgabe entsann, die sei noch zu erledigen hatte. Einem Sohn sagen zu müssen, dass sein Vater gestorben war. Delilahs Gesichtsausdruck verfinsterte sich das erste Mal an diesem Morgen, was ihr nicht sonderlich gut stand. Leon bemerkte diesen Ausdruck und hatte einen Moment lang einen fragenden Gesichtsausdruck, doch langsam wurde es Zeit aufzubrechen.
„Nun, wir haben eine Aufgabe für deine Großmutter zu erledigen. Wir sollten und beeilen und können uns ja noch unterwegs unterhalten. Ich bin immernoch der Meinung, wir müssen irgendwem unterrichten, dass Gefahren für das Reich sich zusammen ballen und das an mehreren Fronten, genauso wie im Inneren.“
Damit sah er Darna an und er blinzelte zweimal. Er sah sie an, als suche er irgendetwas, aber fand es nicht und Delilah fragte sich, ob er auf Darna die Kinderaugen angewendet hatte um etwas zu überprüfen. Verwundert sah Delilah nun selbst die Knappin an und wandte den Zauber der Kinderaugen auf sich selbst an um Darna zu betrachten. Blinzelnd stand sie vor Darna und sah die Knappin die Novizin in diesem Moment an, da sah sie einen kleinen hellen Schimmer über deren Iris huschen. Delilah sah indes die wunderschöne reine Aura, die Darna umgab. Sie war leuchtend blau mit einem leichten goldenen Funkeln, was vermutlich noch die Reste aktiver Magie zeigte, die auf sie gewirkt worden war. Oder Lysanthor mochte diese junge Frau einfach und hatte sie gesegnet. Es könnte aber auch andere Gründe haben, so gut kannte sie sich noch mit der Aurenauslesung nicht aus. In den letzten Monaten hatte sie sicher einiges an Lernstoff verpasst. Zumindest konnte sie nichts „böses“ oder dunkles an ihr erkennen, was Darnas Aussage bestätigte, dass sie nie Probleme gehabt hatte, z.B. einen Tempel zu betreten. Trotzdem musste da irgendwo doch etwas sein?!
„Was meint ihr also? Wo sollten wir nach der Schneiderei zuerst hin? An wen sollten wir uns wenden?“
, frage Leon in ihre Gedanken hinein und Darna antwortete prompt:
"Habt ihr dazu schon irgendetwas beratschlagt?"
Delilah erinnerte sich an die Stimmen der beiden jungen Männer im unteren Geschoss und stellte sich sogleich dieselbe Frage. Doch anstatt einer Antwort erhielten sie eine kleine Beobachtung. Leon und Basil sahen sich kurz an, Basil errötete leicht an den Ohrspitzen und verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Leon hingegen sah aus als wäre er vollkommen unschuldig und wüsste überhaupt nicht, was Darna meinte. Vielleicht hatten sie sich am Abend eher über ein anderes Thema unterhalten, das sie nicht mit den Damen erörtern wollten.
Es folgte dann aber doch ein ausführlicher Bericht der Knappin und der verwirrende Moment verging.
"Es gibt im Prinzip mehrere Möglichkeiten. Wenn es nicht möglich ist, Magi Sixtema hierher zu holen, die Idee an sich aber nicht schlecht zu sein scheint, dann wäre es dir vielleicht möglich, stattdessen Magus Quarturus zu kontaktieren? Würde das Sinn machen?"
Sie sah dabei zu Leon und dieser legte nachdenklich den Kopf schief. Sein eigener Meister schien für dieses Problem vielleicht nicht die erste Wahl zu sein.
"Oder Fräulein Delilah könnte versuchen, zu Templer Raphael vorgelassen zu werden. Wir sprachen schon darüber, dass die Existenz des Pferdes dabei ganz nützlich sein könnte. Egal, wie wir uns entscheiden: Wir müssen möglichst im Vertrauen und zunächst ohne dass es große Wellen schlägt, Personen kontaktieren, denen wir vertrauen und die vor allem unserem Wort vertrauen, sonst geht vermutlich alles nur in einem völlig chaotischen Wust unbegrenzter Fragen unter, und dann wird es garantiert irgendwo irgendwen geben, der dazwischen krakeelt, dass man diesem Unsinn nicht glauben dürfe."
Die letzten Worte klangen bitter - es sprach die Erfahrung mit Gernot und diversen anderen Begebenheiten am Grafenhof daraus. Basil ließ Darna nicht aus den Augen und schien instinktiv verstanden zu haben, wovon sie sprach.
"Auch der Hof des Grafen der Wehr wäre in dieser Hinsicht natürlich eine nützliche Adresse. Meister Roderich würde uns glauben... Oder seine Gnaden Talarion. Wobei dieser .. 'gefährlich' werden könnte, weil wir, was mich angeht, zu leicht vom Thema Rugta abschweifen könnten... Oder, sollte er am Hof anwesend sein, würde auch mein Ritter, Hagen von Weilenscheidt, mir Glauben schenken und mich ernst nehmen. Jeder von ihnen wiederum fände bei seiner Hochgeboren Graf von Aarenhorst genug Gehör, damit diese Informationen an die richtigen militärischen Stellen gelangen. Es könnte aber schnell viel Staub aufwirbeln... Wir sollten damit rechnen, dass wir fast unmittelbar danach für eine gewisse Zeitspanne im Zentrum streng nachfragender Aufmerksamkeit stehen."
Bei den ganzen Adelstiteln, die Darna in ihre Erläuterungen einflocht, wurde Delilah ganz schwindelig und sie musste sich ein leises Lächeln verkneifen, als ihr wieder bewusst wurde, dass sie als einzige Bürgerliche zwischen drei Adeligen stand. Eine absurde Situation, die ihr jüngeres Ich nicht für möglich gehalten hätte. Das Leben spielte schon komisch. Doch während sie lächelte hatte Leon während der letzten Erwähnung von 'strenger nachfragender Aufmerksamkeit' ebenfalls sein Gesicht mal nicht ganz unter Kontrolle – was selten vorkam. Seine Lippen wirkten plötzlich etwas schmaler und ehe man noch mehr sehen konnte, kniff er sich in den Nasenrücken, als hätte er noch leichte Kopfschmerzen. Delilah spürte vielleicht, dass ihm bei dem Gedanken an eine intensivere Befragung nicht wohl war, also half sie ihm hier erst einmal und ergriff das Wort.
„An wen wir uns bezüglich der Situation in Rugta wenden sollten, wisst ihr mit eurer militärischen Ausbildung vermutlich besser als ich. Zu deiner persönlichen Situation…“
Sie blickte Darna an.
„Würde ich mich am liebsten an Magi Sixtema wenden. Sie erschien mir bisher immer als eine sehr sanfte Frau, die in jeder Situation versuchen würde zu helfen. Selbst wenn sie nicht weiß, wie sie dir helfen könnte, weiß sie sicherlich jemanden, der es kann und an den sie uns weiterleiten kann.“
Sie sah diesbezüglich auch Leon noch einmal an, ob er andere Erfahrungen gemacht hatte und dieser nickte bestätigend.
„Desweiteren vertraue ich Raphael und wenn du es wünscht, dich an die Inquisition zu wenden, ist er unser bester Mann, doch…wie ich bereits gestern meinte, er ist ein Templer … auch wenn er ebenso bemüht ist immer das Richtige zu tun, auch abseits seiner Profession, weiß ich nicht, was mit dir passieren wird, wenn die Inquisition von deinem Problem erfahren sollte... Doch ich glaube fest daran, dass Raphael mir zuhören würde und versuchen würde, die bestmögliche Lösung zu finden, die er kennt… er brachte mich damals nicht zur Inquisition als er meinen Ausbruch sah…“
Aber das war auch eine andere Situation, setzte sie in Gedanken hinzu. Sie war niemals besessen gewesen und damit hinkte der Vergleich. Sie war Omniel gegenüber offen und freundlich gewesen, aber Raphael, genau wie Brockhardt, behandelten besessene Personen da sehr anders. Delilah dachte an Omniel und Raphaels Verfolgungsjagd und auch an ihre Diskussion mit Gunther, als er ihrem Mitgefühl und ihren Drang zu helfen, wenn derjenige das Böse in sich bekämpfte, mit so großem Unverständnis begegnet war. Er hatte es als Naivität und jugendliche Einstellungen, die vergehen würden, abgetan. Delilah jedoch glaubte immer noch fest daran, dass der sanfte Weg stets der Richtige war, wenn man die Wahl hatte, ihn gehen zu können und das war ihre große Stärke. Sie glaubte immernoch an die Macht des Guten.

Damit standen ein paar Fakten also fest und Pläne wurden geschmiedet. Egal ob sie sich mit der Akademie oder der Inquisition in Verbindung setzen wollten, Delilah würde den Erstkontakt herstellen müssen, was sicher gut sein würde, da sie so als eine Art Puffer erst einmal vor sondieren konnte, wie die entsprechenden Personen, also Magi Sixtema oder eben der Templer Raphael reagieren würden. Wenn sie jedoch zu Arenhorst, Talarion oder Weilenscheidt gehen würden, musste sich Darna dem direkten Weg stellen und jede Möglichkeit für einen taktischen Rückzug wäre verbaut.
„Wir sollten den weißen Hengst erst einmal hier lassen, dann könnt ihr... kannst du später über ihn entscheiden.“
, warf Basil ein.
„Semmel schafft den Wagen auch allein und es sind ja auch nur kurze Strecken innerhalb der Stadt.“
Damit ließ er leicht die Zügel auf die Kuppe des Pferdes klatschen und Semmel setzte sich sofort in Bewegung.

(weiter bei: 'Mortimers Nadelkunst ')
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