Die Zeltstadt der dunklen Armee

Grandeas Armeen sind groß, doch dem König nicht groß genug. Dennoch lässt er nur potenzielle Elitekämpfer in seine Reihen aufnehmen und ausbilden.
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Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 1. November 2023, 22:23

Lianth kommt von: Vorräte aufstocken

Nachdem Lianth den Weg über das ‚Marktgelände‘ genommen hatte, fand er sich alsbald am Tor zum Innenring wieder. Misstrauisch wurde er beäugt, als er sich näherte und Durchlass begehrte. Vor ihm standen ein grandessanischer Soldat und ein Dunkelelf. Seit das Bündnis zwischen Dunkler Armee und Grandessa Gültigkeit besaß, traf man die Soldaten oft gemeinsam an. Aber Lianth wusste davon nichts, denn politisch gesehen war er äußerst unbegabt. Unter den wachsamen und strengen Augen der Soldaten, war es gewiss schwer zu zeigen, dass er durchaus berechtigt war, durch das Tor zu gehen. Immerhin unterstand er dem Offizier Vashnar persönlich! Aber das wusste vermutlich niemand und jetzt, da seine Gewandung auch den einen oder anderen Fleck gewonnen hatte und er selbst etwas derangiert aussah, musterte man ihn besonders eingängig. „Wieder so ein Bettler, der es versucht.“, hörte Lianth den Menschen sagen. Ein zustimmendes Brummen seitens des Elfen war zu vernehmen. „Wohin willst du?“, fragte jener mit kühler Härte in der Stimme. Dann aber hielt ihn der Grandessaner auf. „Moment, ist das nicht einer von euren?“, fragte er und der Dunkle trat näher an Lianth heran und überragte ihn, selbst wenn Lianth sich nicht in sein Schildkrötenhaus zurückzog. „Du hast Recht. Das ist der Feigling aus Shyána.“ Der Grandessaner nickte. „Lassen wir ihn durch“, bestätigte er und Lianth konnte passieren. Beide Augenpaare folgten ihm in seinem Rücken und er konnte noch hören, wie die beiden etwas tuschelten, bevor sie in Lachen ausbrachen.
Der Weg im Innenring war dann doch erheblich angenehmer. Lianth hatte zwar nur einen winzigen Teil dessen gesehen, doch selbst ihm musste auffallen, dass hier nicht im Geringsten die Armut herrschte, wie im Außenring. Hier waren die Wege mit Kopfsteinpflaster geebnet, sodass Kutschen mit edlen Pferden darauf fahren konnten, ohne sich die Achsen zu brechen. Gleichwohl gab es hier Villen und gar Anwesen von überdimensionalem Ausmaß, dass es ganze Parkanlagen gab, die sie umsäumten. Manche Villen waren eher große Häuser, andere wirkten pompös und wieder andere waren einfach nur übertrieben. Allerdings gab es hier auch eine Fülle an Blütenpracht. Auch wenn jene nicht mit der natürlichen Flora in Shyáná Nelle mithalten konnte, war es doch eine Wohltat für die Augen. Hier hätte Lianth gewiss reine Erde erhalten können, doch gab es keinen Markt und jemanden einfach so ansprechen und fragen? Nein, das kam einfach nicht in Frage. Selbst ohne seine Schüchternheit, hätte der Elf liebe Mühe gehabt, einfach so das gut betuchte Volk von Grandea anzusprechen. Die meisten von ihnen fuhren in Kutschen an ihm vorbei und wenn doch mal ein Paar flanieren wollte, dann waren sie meist von einer Entourage begleitet.

Lianth folgte dem Weg, den er kannte und wandte sich vom Tor nach rechts. Er musste ein gutes Stück laufen, denn die Zeltstadt der dunklen Armee hatte sich am östlichen Ende des Innenringes aufgebaut. Hier hatte man alte Villen abgerissen, um den neuen Verbündeten Platz zu schaffen. Die Zelte waren zahlreich und als Lianth die ersten Ausläufer erkannte, fiel ihm auf, dass es offenbar Vorbereitungen gab für eine Feier. Zumindest liefen so einige Bedienstete hin und her, schleppten große Bodenvasen mit Blumenbouqets in den Farben von Grandea und Morgeria. Ein anderer lief mit Wimpeln und der morgerianischen Fledermaus herum, um sie überall zu befestigen. Getränke wurden angeliefert in großen Eichenfässern, ein Konditor brachte eine Torte – ebenfalls in Gold, Purpur und Schwarz gehalten. Lianth aber zog es weiter, denn er wollte zu seinem Offizier. An dem großen Festzelt vorbei, fand er sich inzwischen relativ gut zurecht und schaffte es, das einzig sechseckige Zelt zu erreichen. Hier wehte an der Spitze die Fledermaus und zeugte davon, dass hier der Befehlshaber anzutreffen sei. Vor dem Zelt standen Wachposten, die Lianth nicht mal einen Blick schenkten. Der Elf war einfach keine Gefahr – und konnte sich somit ungehindert überall hinbewegen. Aus dem Inneren des Zeltes erklang bereits die dunkle Stimme des Offiziers Vashnars. „…Dann seht zu, dass das ganze zügig über die Bühne geht! Ich habe wichtigeres zu tun!“, grollte er und bevor Lianth die Plane zurückziehen konnte, wurde sie von drinnen beiseite gefegt und er unsanft umgerempelt, als ein Soldat in feierlicher Montur herausgestiefelt kam. „Platz da!“, blaffte der Grandessaner nur und schob Lianth unwirsch beiseite, um seiner Wege zu gehen. Die Zeltplane stand nun offen, sodass Kann’egh Vashnar einen Blick auf seinen Elfen werfen konnte. „Sieh an. Wen haben wir denn da? Das Hündchen kehrt zum Herrchen zurück. Und? Alles bekommen?“, fragte er, während er sich wieder seinen Schriften auf dem ausladenden Schreibtisch widmete.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Lianth » Freitag 3. November 2023, 15:23

Aus Sicht des Shyáners besaß er keinen Grund mehr, sich weiterhin im Außenring Grandeas aufzuhalten. Nachdem er Farnos Furunkel behandelt und einen kleinen Kräutergarten auf Suses Grab angelegt hatte, musste er sich nicht länger den Gerüchen und dem Elend dieses Stadtteils aussetzen. Denn er hatte die Möglichkeiten, zwischen beiden Ringen zu wechseln, ganz im Gegensatz zu den eigentlichen Bewohnern. Befremdlich kam es ihm schon vor, dass man gerade jene Bedürftigen, die es doch am nötigsten hatten, nicht in die besseren Stadtbezirke einlassen wollte. Dort gab es doch reichlich Platz, sowie den Willen, diesen auch anzubieten! Bestes Beispiel bot seine eigene Gruppe, in der er untergekommen war. Damit Kan'eghs und auch andere Soldaten der Dunklen ihre Zelte aufschlagen konnten, war es Grandeas Regierung nicht zu fein gewesen, ein ganzes Gebäude abzureißen. Für die Armen, Hungrigen und anderweitig Leidenden müsste es doch ebenfalls möglich sein! So ganz verstand Lianth es nicht. In Shyána wäre diese Ausgrenzung nicht vorgekommen, aber ihre Königin Miluiéth Federtanz galt ohnehin als besonders mildtätig. Wie es bei den Menschen aussah, wusste der Elf nicht zu sagen. Er hatte zwar Zugang in beide Ringe der Stadt, aber nicht bis hin in deren politisch höchsten Ränge. Das wollte er auch gar nicht. Intrigen und Ränkespiele kannte er nicht und vom Regieren verstand er nichts. Lianth beschäftigte sich lieber mit den wichtigen Problemen des Lebens. Eines davon hatte er gelöst. Farno würde nicht mehr unter seinem schmerzenden Furunkel leiden, sobald jener Krater abgeheilt wäre. Und auch seiner eigenen Probleme hatte Lianth sich annehmen können. Zwar war es ihm nicht möglich gewesen, auf dem Markt die passenden Kräuter zu finden, doch seine Idee, sie sich selbst zu pflanzen, würde bald Früchte tragen. Er hatte genug seiner eigenen Kräfte in die Erde fließen lassen, damit er morgen bereits die Heilkräuter würde ernten oder zumindest Ableger nehmen können. Und es hatte ihn nur die Hälfte der zur Verfügugn gestellten Münzen gekostet! Kan'egh wäre sicher stolz auf ihn, auch wenn der Shyáner es nicht darauf absah, Eindruck zu schinden. Im Grunde war es ihm sogar lieber, wenn er unauffällig blieb. Leider funktionierte das nicht immer.
Am Tor, das in den Innenring führte, fiel er sehr wohl auf. Es genügte nur ein misstrauischer Blick auf ihn, dass Lianth den Kopf senkte. Sein ellenlanger, geflochtener Zopf fiel ihm dabei schwer von der Schulter nach vorn, so dass die grünen Strähnen im sonst so nussbraunen Haar gut zur Geltung kamen. Die Naturmagie zeigte erneut ihre Spuren, indem sie nicht nur Suses Grab hatte ergrünen lassen. Dafür wiesen Lianths Heilkundlerroben inzwischen mehr braune Stellen auf. Flecken von Erde, Unrat, aber auch gelbliche Abdrücke von Farno geplatzter Eiterbeule hatten den Stoff als Leinwand für ihr Kunstwerk verwendet. Es sah nicht nur schäbig aus, es roch auch danach. So brauchte man sich nicht zu wundern, dass sowohl Grandessarer als auch Dunkelelf jemanden wie das naive Spitzohr nicht einfach in den Bereich der besser Betuchten durchlassen wollten.
"Wieder so ein Bettler, der es versucht."
Lianth schob den Kopf noch weiter zwischen die Schultern, indem er diese anhob. Er wirkte wie auf frischer Tat ertappt. Entweder nässte er sich gleich ein oder floh. Dass er nicht zitterte, überraschte beinahe. "I-ich...", brachte er leise und mit wenig Selbstbewusstsein hervor. Dabei hatte er alles Recht, in den Innenring eingelassen zu werden. Ein dunkelelfischer Offizier wartete bereits, doch viel wichtiger - aus Lianths Sicht - war sein Patient Faldorian. Nach ihm wollte er auf jeden Fall noch einmal sehen, bevor er sich umziehen und seine Roben waschen würde. Das waren die Pläne, die er sich auf dem Weg gemacht hatte. Jetzt sah es ganz danach aus, als würden sie am Misstrauen eines dunkelelfischen Soldaten zerschmettert werden. Wenigstens scheuchte jener Lianth nicht gleich zu den Bettlern zurück, für den er auch ihn hielt. "Wohin willst du?"
"I-ich... n-nur ... d-da rein ... i-ich muss doch... i-ich..." Verlegen umklammerte der Elf seinen eigenen Haarschopf und zupfte an den Flechten. Er zwirbelte sich Strähnen um die Finger wie eine Maid, der man ein Kompliment gemacht hatte. Nur errötete Lianth dabei nicht vor Scham, sondern wirkte zunehmend nervös. Er war doch problemlos mit den anderen Soldaten bis zur Lagerstatt gelangt. Er hatte den Bezirk in den Außenring ebenso frei betreten können. Warum funktionierte es nun nicht umgekehrt? Damit hatte er nicht gerechnet und sah sich als scheuer Geselle nun der größten Herausforderung des Tages gegenüber.
Wahrscheinlich wäre er doch noch umgedreht und einfach gegangen, hätte der Grandessarer nicht eingegriffen. Er erinnerte sich an das Gesicht, den langen Zopf, die spitzen Ohren, vor allem aber an die Feigheit, die jene Gestalt ausstrahlte. Ihm fiel vor allem aber ein, dass Kan'eghs Truppe dieses Elend auf zwei Beinen mitgeschleift hatte. Von ihm ging keine Gefahr aus. Vielmehr belustigte sein schüchternes Gebaren die beiden Soldaten am Tor wenig später, als sie Lianth hatten passieren lassen. Er hörte ihr Gelächter noch, nachdem er schon einige Straßen weiter war. Doch dann ließ er sich von der Schönheit des Innenrings ablenken. Hier hätte er deutlich schneller Erde gefunden, denn es gab sie in zahlreichen Blumentöpfen und auf beinahe jedem Anwesen, an dem er vorbei kam. Doch hier würde jemand wie Lianth es niemals wagen, danach zu bitten. Die Gebäude mit ihren hohen Zäunen und den vielen Türmchen, Erkern, Steinputten, Wasserspeiern und noblen Statuen in den weiten Gärten schüchterten ihn schon genug ein. Zu den Bewohnern jener Häuser konnte er nicht einmal längeren Blickkontakt aufbauen. Wann immer ihn ein adliger Grandessarer in seinem feinen Rüschenhemd, der Brokatweste und den gestriegelten Schuhen anschaute, senkte er den Blick. Wann immer eine der koketten Töchter oder Ehefrauen mit den weiten Reifröcken einen Knicks vollzog oder das Lächeln hinter einem Federfächer verbarg, beschleunigte der Elf unter verlegenem Murmeln seine Schritte. Er genoss die Fremdartigkeit Grandeas sehr. Es war eine faszinierende Stadt. Zugleich weckte sie in ihm auch den dringenden Wunsch, sich irgendwo in ein Kämmerlein zu verkriechen, in dem er für sich sein konnte. Würde das jedoch geschehen, käme er nicht mehr von allein heraus. Es bräuchte jemanden wie seinen Bruder, der ihn dann aus seinem Stubenhocker-Dasein erlöste. Aber Lavellyn Farnhain war nicht anwesend. Er wartete in Shyána Nelle auf die Rückkehr des Jüngeren.
Ich muss ihm noch einen Brief schreiben..., dachte Lianth, als er sich bis in die hinteren Winkel des Innenrings begab. Der Bereich, der für das Lager der Dunkelelfen vorgesehen war, hatte sich im Gegensatz zum Morgen verändert. Bei Lianthas Aufbruch waren deutlich weniger Personen anwesend gewesen. Sie alle arbeiteten, trugen Tische heran oder bereiteten die Umgebung vor, indem sie diese mit Wimpeln und Flaggen schmückten. Von überall her schaute ihn die morgerianische Fledermaus an. Lianth fand sie unheimlicher als das lebende Pendant dieser Tierchen. Fledermäuse waren im Grunde alles andere als Furcht einflößend, sondern vielmehr faszinierende Nachtwesen. Morgerias Wappentier wusste allerdings, ihn nervös zu machen. Nun, das war nicht schwer. Auch die Arbeitenden schafften es. Alles sah nach den Vorbereitungen für eine Feier aus. Das bedeutete, dass der Platz bald mit lachenden und grölenden Menschen und Dunkelelfen gefüllt wäre. Viele würden singen, mehr noch würden trinken und Lianth stünde irgendwo am Rand, um darauf zu warten, dass man Verletzte oder zu stark Betrunkene zu ihm brachte. Er presste die Lippen zusammen. Vielleicht galt er nicht unbedingt als der feierwütigste Elf, doch auch Lianth wusste es, ein Fest zu genießen. Doch er dachte bei derlei Festlichkeiten vordergründig an jene, die übertrieben. Sie bedeuteten Arbeit, vor allem aber die Sorge um ihr Wohlergehen.
Während der Elf auf das sechsseitige Zelt seines Hauptmanns zuschritt, bereitete er sich gedanklich schon darauf vor, den Abend wohl damit verbringen zu dürfen, Kohlestücke zu verteilen, damit die Betrunkenen ihren Mageninhalt hergaben, ohne daran zu ersticken. So tief in Gedanken versunken, bemerkte er nicht, dass er schon vor der Zeltplane stand, durch die man ins Innere gelangen konnte. Er quiekte rattenartig auf und zuckte heftig zusammen, als diese für ihn unerwartet beiseite geschoben wurde. Anschließend stieß man ihn zur Seite. Er konnte gar nicht genau registrieren, wer da mit kräftiger Pranke seine Schulter beinahe auskugelte. Schlimmer noch, Lianth reagierte für ihn typisch. "V-verzeihung...", nuschelte er und wich noch weiter zurück, machte sich etwas kleiner dabei. Jeder Dunkelelf im Lager musste ihn für einen frisch erbeuteten Sklaven Kan'eghs halten. Dass er hingegen vollkommen freiwillig den Anweisungen des Offiziers und auch dessen Truppe folgte, wussten nur Kan'egh und seine Männer.
"Sieh an. Wen haben wir denn da?" Lianth zuckte erneut zusammen, riss den Kopf hoch. So erhaschte er wenigstens noch einen flüchtigen Blick auf den grandessarer Soldaten, der ihn da eben beinahe aus dem Leben gestoßen hätte. Es blieb jedoch keine Zeit zum Starren. Sein Offizier rief nach ihm und der Elf folgte der Bitte gern. Mit kleinen Schritten betrat er das Zelt und erst dort wagte er es, den Kopf zwischen seinen Schultern herauszuheben, als sei er eine Schildkröte.
"Das Hündchen kehrt zum Herrchen zurück."
"H-Hauptmann V-Vashnar...", grüßte besagtes Hündchen. Wenigstens wedelte er nicht mit dem Schwanz. Dafür war Lianth um Längen zu scheu und dieses Mal konnte er wohl von Glück sprechen. Wer wusste schon, ob Kan'egh ihn nicht zu einem kopierten Exemplar machte, sollte er je die Hose vor ihm öffnen.
"Und? Alles bekommen?"
Lianth nickte. Dann schüttelte er den Kopf und nickte wieder. Kan'egh hatte bereits gelernt, dass er etwas Geduld mit seinem Feigling aufbringen musste, wenn er Antworten erhalten wollte. Glücklicherweise verlor Lianth in seiner Anwesenheit nach einer Weile einen Großteil seiner Nervosität, solange Kan'egh ihn nicht anschrie. Erneut nickte der Elf. "I-im G-Grunde schon. I-ich ... also ... m-morgen kann ich ... die K-Kräuter ernten, sch-schätze ich. A-aber es ist g-guter Boden. Ich k-kann a-all meine Vorräte a-aufstocken." Schon wühlte Lianth in seiner Tasche nach den verbliebenen Münzen. Er hielt sie Kan'egh offen entgegen. Es fehlten gut zwei Drittel, schließlich hatte er vor seinem Treffen mit Farno noch den Schal für das hustende Großmütterchen erstanden. "B-Braucht Ihr sonst n-noch meine Hilfe? W-wegen d-diesem lauten Mann von e-eben? I-ich könnte..." Nichts tun. Wer traute Lianth schon zu, mehr auszurichten, als wie Espenlaub zu schlottern? Solange es nicht darum ging, jemandes Leben auf medizinischem Weg zu retten, natürlich. Trotzdem bot er Hilfe an. Er hatte den Verdruss in Vashnars Stimme gehört. Vielleicht gelänge es ihm ja, die Laune des Dunklen wieder zu heben, sofern er wusste, wie und dazu befähigt war. Das konnte man Lianth wahrlich nicht absprechen. Er versuchte immer, für andere da zu sein.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Erzähler » Montag 6. November 2023, 22:07

Es war wohl Lianth’s Glück, dass er durch seine Schüchternheit trotzdem genug auffiel, dass ihn die Wache am Tor auch wiedererkannte. Denn sein Gestammel hätte ihn gewiss nicht durch das Tor gebracht und dann wäre guter Rat wirklich teuer gewesen. Bestechungsgeld hätte er nun nicht mehr übriggehabt und sowieso hatte der Hauptmann ihm dafür gänzlich zu wenig eingepackt. Die Preise in Grandea waren um einiges günstiger als es Lianth auf dem heimischen Markt gewohnt war. In Shyána aber waren die Elfen auch deutlich betuchter als die Armen im Außenring und mit seiner eigenen Börse, hätte er gewiss noch mehrere Schals kaufen können. Trotzdem ließ sich LIanth von dem Gelächter der Wachen nicht beeindrucken. Viel mehr partizipierte er daran, welch Schönheit es im Innenring zu entdecken gab. Er als Naturmagier war naturgemäß fasziniert von allem bunten, schönem und blühendem. Die Gärten hier waren gut gepflegt und es gab kaum etwas, was sein naturmagisches Auge hätte trüben können. Gewiss war hier auch mindestens ein Magier am Werk, denn so einige Blütenpracht gäbe es um diese Jahreszeit so nicht. Hier hätte er sich gewiss völlig entfalten können, doch was nutzte es, wenn er sich niemals getraut hätte, nachzufragen? Der Elf folgte dem Weg, den er inzwischen kannte und hoffte dabei immer wieder, dass ihn niemand, dem er begegnete ansprach. Immer wieder wurde er von Blicken getroffen. Meist waren es die Damen, die noch flanierten und dabei entweder am Arm eines Galan hingen oder gemeinsam mit mehreren Damen unterwegs waren. Grandea war wirklich ein Pflaster der Gegensätze. Die Kleider einer einzelnen Dame hier im Innenring hätte gewiss eine Familie im Außenring Monate ernähren können. Es war nicht gerecht. Aber was sollte er schon dagegen ausrichten? Die Blicke verschreckten den Elf, obwohl sie ihm nicht schlecht gesinnt waren. Er sah gut aus, hatte wundervolle Augen und das Grün seiner Haare machte ihn interessant. Ohnehin war ein Elf seiner Herkunft ein Unikat in Grandea, das vor den dunklen Vertretern nur so wimmelte. Doch Lianth stählte das nicht die Brust. Im Gegenteil: Am liebsten wäre er noch kleiner geworden. Jetzt aber fand er sein Ziel und musste sich noch einmal schmerzhaft schubsen lassen. Der Unhold aber nahm gar keine Notiz von seiner Verfehlung und ging seiner Wege. Lianth brauchte einen Moment, bis er durch die Worte seines Hauptmannes wieder auf Spur gebracht wurde. Auf dem Weg zum Zelt des Hauptmannes war ihm das Festzelt aufgefallen und er schmiedete bereits Pläne, wie er vermutlich seinen Abend zu verbringen hatte. "H-Hauptmann V-Vashnar...", zitterte die Stimme des Elfen und Vashnar hob eine Hand, mit der er wedelte. „Das war ein mal. Fortan sprichst du mich mit General Vashnar an. Die Menschen hier waren der Meinung, ich wäre die perfekte Besetzung für diesen Posten!“, erklärte er Lianth und der Beförderte erhob sich hinter dem Schreibtisch.

Kan’egh Vashnar war ein stattlicher Dunkelelf. Er war muskulös, was durch die zahlreichen Kämpfe kaum ein Wunder war. Zudem hatte er schwarzes Haar und schwarze Augen. Eine Narbe zog sich über seine linke Gesichtshälfte und er hatte einen Ausdruck, der ihn gewiss nicht weich erscheinen ließ. Die dunkle Stimme passte zur Optik und war stets kräftig und niemals unsicher, so wie Lianth. Beide Elfen im Raum waren die puren Gegensätze und doch hatten sie im Laufe zueinandergefunden. Nun, mehr oder weniger freiwillig. Und zumindest Lianth glaubte, dass der Dunkle seine Fähigkeiten schätzte. Immerhin ließ er Faldorian in seiner Obhut. Dass der Verwundete aber zurückgelassen worden wäre und Vashnar ihn längst ausgetauscht hatte, dass ahnte Lianth dann doch nicht. Zu unschuldig war seine Weltanschauung und es bedurfte wohl noch so einige Zaunpfähle, bis der Elf einmal einen Gedanken fasste, der auch das spiegelte, was Wirklichkeit war. Andererseits brauchte es manchmal vielleicht eben solche Individuen, die noch an das Gute glaubten, ganz gleich wie düster es um sie herum wurden. Die ein Leuchtfeuer der Hoffnung waren. Jetzt aber musste Lianth erstmal Rede und Antwort stehen. "I-im G-Grunde schon. I-ich ... also ... m-morgen kann ich ... die K-Kräuter ernten, sch-schätze ich. A-aber es ist g-guter Boden. Ich k-kann a-all meine Vorräte a-aufstocken." Lianth verhaspelte sich beinahe, als er die Münzen eilig hervorkramen wollte. Er hielt sie Vashnar hin und jener warf einen knappen Blick darauf. „Und was hast du von den anderen Münzen gekauft?“, fragte er scharf. Ihm entging nicht, dass Lianth mit nichts zurückkehrte und Münzen fehlten. "B-Braucht Ihr sonst n-noch meine Hilfe? W-wegen d-diesem lauten Mann von e-eben? I-ich könnte..." „Deine Hilfe?!“, schoss er scharf und obwohl er nicht laut wurde, war seine Stimme ein wohlgesetzter Pfeil. Er traf. „Ich denke wir beide wissen nur zu gut, dass ich meine Angelegenheiten besser selbst regle. Faldorian kostet jeden Tag Geld. Genau wie du – Elfenbürschchen.“, ließ er keinen Zweifel daran, dass er verärgert über Lianth war.
„Was hast du von dem Geld gekauft, hm? Hast dich zu einer dieser billigen Huren gelegt, dachtest du ich merke nicht, das Geld fehlt?“, blaffte er ihn streng an. Der Dunkle ging zum anderen Ende des Zeltes. Es war bedeutend größer als das, was die Soldaten erhielten, aber er war auch der Befehlshaber. Und er musste hier gegebenenfalls Gäste empfangen, sodass das Zelt auch recht schmuckvoll ausgestattet war. Sein Schreibtisch war eine wahre Zier und mit Intarsien bestückt. Zudem hatte der jetzige General auch eine Feuerstelle in seinem Zelt, das ihm das ganze etwas angenehmer machte. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt und dämpfte rohe Schritte erheblich. Es gab einen kleinen Schrank, auf dem einige Flakons mit Alkohol standen und hinter dessen Türen einige Pergamente lagen. Im hinteren Zeltteil, zu dem der General gerade lief, befand sich ein mit Stoffen abgetrennter Bereich. Dahinter gab es ein komfortables Bett mit Fellen und Kissen. Zudem stand hier noch ein Schrank für die Garderobe des Soldaten. Zu jenem ging er nun und verschwand hinter die Abtrennung. Er zog sich ganz natürlich aus, und ließ die pragmatische Lederrüstung auf sein Bett fallen, bevor er sich etwas Festliches überzog. Ganz in Schwarz war er nun gekleidet, was ihm ein äußerst Unheimliches aber auch erhabenes Aussehen verpasste. Vashnar trat wieder hinter dem Blickschutz hervor und richtete sich die Ärmel. „Ich werde auf meiner Ernennungsfeier erwartet.“, ließ er Lianth wissen. „Du wirst die fehlenden Münzen abarbeiten.“, entschied er kühl und trat vor einen Spiegel, um sich zu mustern, während er weitersprach: „Es fehlen 6 Füchse und du wirst dafür meine Korrespondenz fertigen.“, trug er ihm auf. Lianth war ein gebildeter Elf und des Schreibens mächtig. „Ich habe Notizen dort hinterlegt, die alle in feiner Schrift verfasst werden müssen.“, er deutete auf einen immens hohen Stapel an losen Pergamenten. Daneben lag auf seinem Schreibtisch die Schreibfeder und ein Tintenfass.
„Du findest Briefpapier in der Schublade links.“, erklärte er weiter. „Ich will kein Geschmiere und keine Flecken oder gar Schreibfehler, verstanden?!“, mahnte er den Elfen, dem langsam klarwerden musste, dass diese Aufgabe die ganze Nacht dauern könnte. Er würde also nicht auf dem Fest als Heiler auftauchen müssen. Er würde hier sitzen und sich die Schulter verspannen, bei all der Handschreibarbeit. „Wenn ich zurückkehre, ist das erledigt!“, befahl der General und sah dann zu Lianth, nachdem er sich festlich hergerichtet hatte. „Und wehe du wühlst in meinen Unterlagen. Ich merke das.“, warnte er ihn noch und würde dann das Zelt verlassen, sobald er von Lianth die Versicherung erhalten hatte, alles zu tun, was er ihm auftrug. Da saß er nun und hatte einen Stapel Papiere vor sich, die er alle samt in feiner Schrift verfassen und schließlich adressieren musste. Dabei hatte er weder gegessen, doch etwas getrunken. Und gereinigt hatte er sich auch nicht. Ein kurzer Blick in den abgetrennten Bereich verlockte Lianth allerdings, dass dort eine Waschschüssel bereitstand. Ob er es wagen sollte? Wie auch immer er sich entschied… Er würde noch so einiges zu tun haben und mit seinen Eiterfingern sollte er gewiss nicht das feine Pergament anfassen. Dabei war sein Ausflug zum Markt doch ein Erfolg gewesen… Aber der General brauchte seine Hilfe, nicht wahr?
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Lianth » Dienstag 7. November 2023, 14:31

Kan'egh Vashnar war ein beeindruckender Mann. Er schüchterte Lianth schon aufgrund seiner Erscheinung ein, denn mit seinen schwarzen Haaren, der gleichfarbigen Haut und einem Blick, geschaffen aus Finsternis, verströmte er eine ganz eigene Dunkelheit. Er schien jegliches Licht, jede Farbe einfach durch seine bloße Anwesenheit zu schlucken. Die Narbe im Gesicht verunstaltete ihn dabei nicht, sondern gab ihm zusätzlich einen Hauch Gefährlichkeit. Alles in allem gab er trotz seiner ureigenen Düsternis ein graziles Bild ab. Er war schön, so wie es jedes Exemplar der elfischen Völker war, ganz gleich aus welcher Richtung sie schlugen. Lianth selbst besaß diesen optischen Charme, auch wenn es ihm bestimmt zuletzt auffallen mochte. Er traute sich ja manchmal nicht einmal, sein eigenes Gesicht im Spiegel anzusehen, wenn er sich besonders scheu fühlte und am liebsten einfach nur unter seiner Bettdecke verkrochen hätte. Seltsam, dass er dieses Bedürfnis in Hauptmann Kan'eghs Gegenwart nicht verspürte.
"Das war einmal. Fortan sprichst du mich mit General Vashnar an."
Lianth blinzelte. Dann breitete sich ein ehrliches Lächeln auf seinen Zügen aus, das seine Augen erreichte, die vor Stolz und Freude für den anderen etwas wuchsen. "Oh, m-meine Glückwünsche ... G-general!" Lianth folgte dem Mann mit dem Blick, bis er jenen senken musste, um die Münzen hervorzukramen. Kan'egh war schließlich an Ergebnissen interessiert. Doch jene sah er nicht, sondern nur, dass Geld fehlte, aber die Heilertasche nicht mit Vorräten gefüllt worden war. "I-Ihr müsst hart gear-arbeitet haben, dass Ihr Euch e-eine Beförderung v-verdient habt." Und deshalb bot Lianth auch sofort seine Hilfe an. Ihm war der verärgerte Ton seines Hauptmanns - nun Generals - nicht entgangen. Vielleicht war der Arme schon gestresst und überfordert von seinem neuen Posten. Da wollte der Shyáner gern unter die Arme greifen, wenn er konnte. Leider erntete er dafür nichts als Spott. Beschämt senkte er den Kopf, kratzte sich in einer Übersprungshandlung und aus Verlegenheit die Wange und murmelte mehr für sich: "O-Oh. Natürlich. Ähm ... ja ... es geht schließlich nicht um heilkundlerische Unterstützung. D-da bin ich wohl recht nutzlos." Es betrübte Lianth nicht. Er sprach nur die logische Erklärung aus, weil sein gutherziges Gemüt nicht glauben konnte, dass es einen anderen Grund für Kan'eghs Hohn hätte geben können. So nahm er es dem Dunkelelfen auch kein bisschen übel, dass jener über statt mit ihm lachte. Aber Kan'egh war im Grunde nicht einmal gut gelaunt. Ärger beschrieb sein Gemüt aktuell recht gut, denn nicht nur seine Beförderung schien ihm ein Dorn im Auge zu sein, sondern auch der gepflegte Soldat, sowie dessen Heiler.
"Faldorian kostet jeden Tag Geld. Genau wie du - Elfenbürschchen."
"D-das ... tut m-mir leid. I-ich versuche, w-weniger zu essen, dann..."
"Was hast du von dem Geld gekauft, hm? Hast dich zu einer dieser billigen Huren gelegt, dachtest du, ich merke nicht, das Geld fehlt?" Lianth würde antworten, wahrheitsgemäß. Warum auch nicht? Er sah keinen Grund, seinen General anzulügen. So dachte er nicht. Aber die Richtung, die Kan'egh ihm unterstellte, ließ ihn erst einmal japsen. Würde ihm seine Tasche nicht einmal quer über den Rumpf hängen, er hätte sie nun vor Schreck fallen gelassen. Sein langer Haarzopf machte einen großen Schlenker um den Körper, als Lianth einen halben Schritt zurückwich. Er starrte Kan'egh aus weit aufgerissenen Augen an, dass man die Pupillen für im Bernstein eingeschlossene Insekten halten konnte. Sein Mund klappte ihm auf und die Kinnlade herunter. Er war im ersten Moment überhaupt nicht in der Lage, mit dem Vorwurf mehr anzufangen als entsetzt zu sein. Ein Ertappter sah zumindest anders aus. Falls Kan'egh genug Elfenkenntnis besaß, würde er es leicht erkennen. Lianth spielte den Schreck nicht.
"I-i-i-i... iiiiiiiich...." Er lief hochrot an, allein weil der andere ihn für derart verrucht hielt, nicht nur von fremdem Geld etwas Egoistisches zu tun, sondern es auch noch für ein Stelldichein auszugeben.
Da Vashnar auf diese Weise nun erst einmal warten musste, nutzte er die Zeit, um sich umzuziehen. Lianth und er waren beide Männer. Sie konnten einander nichts abschauen, außer der Shyáner dem Dunklen vielleicht einiges an seinem prachtvollen Muskelspiel. Doch allein aus Höflichkeit und auch um sich etwas zu beruhigen wandte der Heiler sich halb ab. Er legte eine Hand auf sein Herz, schloss die Augen und gemahnte sich innerlich zur Ruhe. Er dachte an die himmelblauen Gewässer seiner Heimat mit den glitzernden Wasserspritzern zwischen den Kieseln. Er erinnerte sich an die kleinen Pinien-Alleen, die er gern bei Sonnenschein durchwanderte, um für sich zu sein und er dachte an die Kräutergärten Shyánas, die so lieblich dufteten. Außerdem rief er sich das Bild seines Bruders ins Gedächtnis. Vellyn hätte ob einer solchen Bemerkung sicher jauchzend aufgelacht ... vielleicht sogar zugegeben, dass der General ihn erwischt hätte. Sein Bruder war aufgeschlossener, in allen Dingen.
"Ein Schal", sprach Lianth schließlich aus und öffnete die Augen wieder. Er wandte sich Vashnar zu, der nun gänzlich in schwarz gekleidet war. Einen Moment lang betrachtete der Shyáner ihn. "I-ich hab einen Schal gekauft. F-für ein krankes Mütterlein. S-sie war dankbar zu h-hören, dass die D-Dunklen sich so sehr u-um die ... die einfachen Leute im A-außenring scheren." Lianth lächelte. Immerhin hatte er für einen besseren Ruf seiner Truppe gesorgt, auch wenn das nie seine Absicht gewesen war. Er wollte einfach nur, dass die alte Dame gesunden könnte. Wenn es noch kälter würde, überstand sie einen Tag ohne Schal vielleicht nicht. Der gutmütige Elf war wirklich nicht mehr zu retten. Er würde jedoch mit den Konsequenzen seines Handelns leben müssen.
"Du wirst die fehlenden Münzen abarbeiten." Lianth nickte. "Es fehlen sechs Füchse und du wirst dafür meine Korrespondenz fertigen." "O-oh ... i-ich bin nicht s-sicher, ob ich..." Er atmete erleichtert aus, als Kan'egh ihn aus seiner aufkommenden Sorge erlöste. Er musste nichts selbst formulieren. Vielleicht hätte er nicht den passenden Ton getroffen oder eine Formulierung gewählt, die bei den dunkelelfischen Verwandten möglicherweise auf Ärger stieß. Mit Notizen jedoch würde es funktionieren. Er sollte vordergründig auf Schönschrift achten und das würde ihm sicherlich gelingen. Solang er keine Empfehlung für ein Heilkraut oder Medikament bei seinem Bruder ausstellte und es unterschreiben musste, besaß er eine sehr liebliche Handschrift. Nur seinen eigenen Namen krakelte er in unleserlichen Bögen zu Papier - das schien ein allgemeines Problem unter Medizinern zu sein und Lianth bildete keine Ausnahme.
"Ich werde mir Mühe geben ... G-general!" Er lächelte ambitioniert, sah es nicht einmal als Strafe an. Er würde ihm helfen und viel wichtiger war, dass er es auch konnte. Er würde sich richtig ins Zeug legen, so schön wie eh und je zu schreiben. Selbst als er den riesigen Papierstapel erblickte, rutschte ihm das Herz nicht in die Hose. Papierkram war ihm doch wesentlich lieber als an den Feierlichkeiten teilzuhaben, Natürlich gönnte er sie Kan'egh. Der Elf hatte sich seinen neuen Posten gewiss verdient! Aber Lianth war auch heilfroh, nicht anwesend sein zu müssen. Die Schreibarbeiten waren der perfekte Vorwand, um sich den Rest des Tages im Zelt aufzuhalten und dennoch etwas Nützliches zu tun. Ohja, er freute sich. Er war erleichtert. Falls Kan'egh das Gegenteil erhoffte, wurde er enttäuscht. Sein Schoßhündchen von einem Elfen würde ihm vermutlich noch glücklich die Schuhe küssen, wenn er in den Unrat der Stadt getreten wäre!
"Wenn ich zurückkehre, ist das erledigt!"
"Ja!", erfeierte sich Lianth, dieses Mal etwas überschwänglich laut zu sprechen. Er erschreckte sich vor sich selbst, zuckte zusammen und zog daraufhin den Kopf etwas unbeholfen ein. Doch Kan'egh ignorierte das geflissentlich. Ihm waren andere Dinge wichtiger. "Und wehe, du wühlst in meinen Unterlagen. Ich merke das."
"Ja, mach ich! Äh ... i-ich meine ... m-mach ich nicht. A-also wühlen ... i-ich hab verstanden ... i-ich arbeite und w-wühle nicht ... General!" Zumindest einem gefiel der neue Titel und er nutzte ihn bewusst, um den anderen stolz zu machen. Sicher hörte Kan'egh die Früchte seines Schaffens gern. Er verließ das Zelt und Lianth war endlich allein. Die Anspannung fiel von ihm ab. Er atmete tief durch. Dann setzte er seine Tasche ab und stellte sie neben den Schreibtisch. Dort würde er nun wohl die nächsten Stunden arbeiten. Wie aufgetragen wandte er sich der Schublade zu, in welcher er Papier finden sollte, doch plötzlich...
"Oh ... ohweh ... so geht das nicht", murmelte er zu sich selbst, als er seine eitrigen Finger bemerkte. Und auch die Robe war schmutzig. Dagegen konnte er kaum etwas tun, es sei denn, er zog sich rasch in seinem eigenen Zelt um. Aber dann fehlte ihm vielleicht Zeit, die er zum Arbeiten brauchte. Schönschrift benötigte eine Menge Zeit! Nein, die Robe würde bleiben, aber die Hände musste er sich waschen. Er würde all das Papier ruinieren, wenn er mit Eiterfingern schrieb und Kan'egh hatte ausdrücklich fleckenfreie Ergebnisse verlangt.
Nach kurzem Zögern wandte der Shyáner sich der hinteren Ecke des Zeltes zu, wo der Dunkelelf sich umgezogen hatte. Die Waschschüssel würde schon ausreichen, um das gröbste zu reinigen. Wenn nicht, kam er wohl nicht umhin, sein eigenes Zelt aufzusuchen - reseptive das, welches er mit den anderen Soldaten teilte. So oder so, er musste sauber werden. Vorher konnte er mit der Arbeit nicht beginnen.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Erzähler » Freitag 10. November 2023, 22:50

Jeder andere hätte sich geduckt und wäre vielleicht zu Boden gekrochen, wenn der General sich erhoben und vor einem aufgebaut hätte. Kan’egh Vashnar war wohl ein besonders stattliches Exemplar von einem kriegerischen Dunkelelfen. Er war kampferprobt, hart und unnachgiebig. Er vereinte in sich Angst, Schrecken und auch Respekt. Er war schnell in seinem Urteil, äußerst intelligent und ein geachteter Anführer. Er war kein feister Emporkömmling, der sich durch das Stiefellecken hochgearbeitet hatte. Kan’egh Vashnar war verdient auf diesem Posten. "I-Ihr müsst hart gear-arbeitet haben, dass Ihr Euch e-eine Beförderung v-verdient habt." Der General bedachte ihn schon gar nicht mehr mit einem Blick, sondern kümmerte sich um seine Garderobe. Dem Elfen hätte er alles erzählen können, jede noch so abstruse Strafe auferlegen können. Er wäre noch immer dankbar und ernsthaft erfreut über sein Schicksal. Manchmal staunte Vashnar über so viel Optimismus. Er selbst war durch eine äußerst harte Schule des Lebens gegangen und hatte sich über die Jahre diesen Ruf und die Haltung erarbeitet. Er wusste genau, woher er kam und wohin er ging. Für ihn gab es keine Zufälle, keine Ausnahmen und keine Störungen. Dass er Lianth im Tal eingesammelt hatte, war seinen Fähigkeiten in Heilkunde zu verdanken. Der General war kein Idiot. Auch ihm war klar, dass sie nur überlebten, wenn sie auch wieder zusammengeflickt werden konnten. Und nachdem sie dermaßen vor Zyranus versprengt worden waren, war ein Heiler mehr oder weniger vielleicht sogar entscheidend. Dass sich der Shyáner dabei als so folgsam und handzahm entpuppte, machte die Sache für ihn bedeutend leichter. Er war lenkbar und merkte es nicht einmal. So wandte er sich dem ehrlich erfreuten Mann zu, der wohl in vielen Dingen eher einer Maus… glich und zeigte wieder, wie hart und gerecht er vorging. Gerecht jedenfalls für sich. Er brummte ihm Strafarbeit für die fehlenden Münzen auf. Die Erklärung, er habe einer alten Vettel einen Schal gekauft, kommentierte er gar nicht. Das war unter seinem Niveau und er hatte keine Zeit für solche Kindereien. Wenn er ihr helfen musste – gut. Dann musste er jetzt die Konsequenz seines Handelns ertragen. Er ermahnte ihn, nicht zu schnüffeln und nur seine Strafarbeit zu erledigen. "Ja, mach ich! Äh ... i-ich meine ... m-mach ich nicht. A-also wühlen ... i-ich hab verstanden ... i-ich arbeite und w-wühle nicht ... General!" Vashnar hob eine Augenbraue und schüttelte über das mickrige Männlein den Kopf. "Ich bin mir sicher.", brummte er und ging dann ohne weitere Worte an ihm vorbei. Er ließ ihn allein, sodass sich Lianth endlich etwas entspannen konnte.
Der Elf war allein und das war wohl etwas, das ihm mehr Freude als alles andere machen konnte. Er hätte ohne zu murren Aufstellung beim Fest bezogen, um seine Fähigkeiten feilzubieten, aber hier, allein im Zelt zu bleiben, war das schönste, was ihm nun hätte passieren können. Zumal sein eigenes Zelt gar nicht ihm gehörte. Er musste es sich mit fünf anderen Soldaten teilen und die erlaubten sich immer wieder erhebliche und manchmal nicht ungefährliche Scherze mit ihm. Nein… Hier im Zelt des Generals war es besser. Einsam und ruhig. Genau das, was er nun für seine bevorstehende Aufgabe brauchte. Der Shyanér aber musste sich vorweg waschen. Daran führte kein Weg vorbei, wenn er die Korrespondenz nicht verdrecken wollte. Kurzerhand glitt er hinter die Abtrennung im Zelt und fand sich im halbwegs persönlichen Reich des Generals von Grandea wieder. Das Bett war üppig ausgelegt mit Fellen und Kissen. Es war ordentlich, wie man es von einem Soldaten erwartete. Darunter befanden sich zwei Reisetruhen, die Lianth schon bei ihrer Herreise aufgefallen waren. Offenbar gab es dort die persönliche Habe des General’s zu finden. Im Kleiderschrank konnte man einige feine Stücke entdecken. Aber auch bedeutend praktischere Ensembles gab es. Der General konnte vom König bis zum Feind jeden treffen und wäre passend angezogen. Was Lianth aber nur interessierte, war die Waschschüssel. Sie war leer und gereinigt und neben ihr stand ein Krug mit frischem Wasser. Warm war es nicht, aber es würde genügen, um sich den groben Schmutz von den Fingern zu reiben. Er sollte nur daran denken, dass er alles wieder herrichtete, bevor er noch einen Rüffel erhielt. Neben der Waschschüssel stand auch noch eine kleine Flakonsammlung. Sie waren kaum länger als ein Daumen und man roch verschiedenste Gerüche. Ansonsten gab es nicht viel Interessantes zu entdecken. Unterhalb des Schränkchens, auf dem die Schüssel stand, fand Lianth Handtücher. Dann aber musste er sich endlich ans Werk machen.


Ysara kommt von: Wer sagt, man muss Feste feiern, wie sie fallen?

Vor dem Zelt:

Den Weg zum Zelt des Generals zu finden, war nicht schwer. Es war der zentrale Punkt des Lagers und das einzige, große und sechseckige Zelt. An seiner Spitze wehte die Fledermausflagge und gebot jedem Ankömmling Respekt zu wahren. Das Zelt war bedeutend größer als die anderen und sah so schon bedeutend komfortabler aus. Sicher… wenn man den einstigen Hauptmann zum General beförderte, dann durfte man ihn nicht mit normalem Zelt abspeisen. Zudem würde er gewiss zu seinem neuen Titel auch ein Anwesen erhalten. Vielleicht musste es noch renoviert werden. Wie auch immer die Wohnsituation des Generals aussehen mochte – Glück für die Krähen. In ein Anwesen war bedeutend schwerer einzubrechen. Tatsächlich war es bereits ein wenig dunkler geworden. Die Nacht war noch entfernt, aber Regenwolken verhangen den Himmel und dämpften das Licht. Es musste später Nachmittag sein, vielleicht früher Abend, denn überall entzündeten sich allmählich die Feuer. Es wurde kälter und auch Ysara spürte das in ihrem Kleid. Zeit für einen Mantel hatte sie nach ihrer Scharade nicht mehr gehabt. Kurz bevor sie sich dem Zelt nähern konnte, wurde sie durch einen leisen Pfiff abgefangen. Ihre Aufmerksamkeit glitt automatisch dorthin, weil ihr dieses Zeichen so vertraut war. Die Blonde entdeckte Elian, Tami und Sadia hinter einem Versorgungszelt hockend. Es war schwer hier ein gutes Versteck zu finden, denn überall gab es weitere Zelte und demnach aus Patrouillen. Doch gerade war niemand zugegen. Vermutlich auch, weil die Dunklen wussten, dass ihr General derzeit anderweitig beschäftigt war. War die Katze aus dem Haus, tanzten die Mäuser auf dem Tisch. Keiner der Soldaten würde streng Dienst nach Vorschrift machen. So fehlte nun auch die Bewachung vor dem Eingang des Zeltes. „Da ist es.“, hörte sie Sadia flüsternd mitteilen. Elian musterte die Umgebung und sah wie immer äußerst angestrengt aus. Einzig Tami wirkte unruhig. „Lasst uns endlich losschlagen!“, scharrte sie metaphorisch mit den Hufen. „Warte! Wir müssen erst wissen, ob die Luft lange genug rein ist!“, mahnte Elian und erntete ein Augenrollen seitens Tami. Sadia sah zu Ysara und grinste. „Reife Leistung. Wer war dieser seltsame Kerl?“, wollte sie wissen und wurde von Elian getadelt: „Echt jetzt? Du willst JETZT darüber reden?“, fragte er sarkastisch und Sadia verzog kurz den Mund zu einer Grimasse. Sie zwinkerte Ysara dann grinsend zu und verschob das Gespräch stumm auf später. Danach beobachteten sie allesamt das Zelt des Generals.

Im Zeltinneren:

Wo sich abenteuerlustige Augen auf das Äußere des Zeltes richteten und man innen nichts davon ahnte, da starrten treue Augen auf den scheinbar nie enden wollenden Stapel an Notizen. Lianth hatte übereifrig dem General seine Hilfe angeboten und hätte alles für ihn getan. In seinen Augen war der Mann jetzt schon überspannt und viel zu belastet, als dass er alles selbst wuppen könnte. Der Elf glaubte, dass er hier eine wirklich gute Tat vollführte und war mit einem gewissen Eifer dabei. Leider hatte der General eine wahre… Sauklaue. Jede Notiz entpuppte sich als Meisterwerk, wenn es darum ging, sie zu entziffern. Er hätte alle geheimen Informationen einfach so aufschreiben können und keiner hätte sie je erraten. Lianth hatte große Mühe, die ihm gestellte Aufgabe zügig und gewissenhaft zu meistern. Inzwischen waren die Finger seiner Schreibhand von der Tinte verfärbt und der Nacken, so wie die Schulterpartie schmerzten. Wie lange hatte er nun schon hier gesessen? Er verlor jedes Zeitgefühl und konnte nicht mal nach draußen sehen. Vielleicht würde etwas frische Luft guttun, aber dann würde der Wind noch alles durcheinanderwirbeln. Zudem wusste Lianth nicht, wann der General wiederkehren würde. Ein Fest konnte lange dauern, manchmal bis in den nächsten Morgen. In Shyáná wurden Feste immer sehr ausschweifend und fröhlich gefeiert. Allerdings war es dort auch warm und … friedlich. Man erfreute sich an Musik und gutem Wein. Man schätzte anregende Gespräche und Kunst… Es war ein buntes Treiben, bei dem man sich durchweg wohlfühlen konnte und teilweise waren diese Feste auch über die Grenzen des Tals hinaus bekannt. Wie es wohl hier aussah? Lianth hatte keine Ahnung, wie andere sich amüsierten. Er war aus seinem Tal herausgekommen und in einem Zelt gelandet. Ab und an durfte er seine Nase in das Armenviertel stecken, aber sonst…? Er war ein Gefangener und wusste es nicht mal. Nun saß er seit Stunden gebeugt über der Strafarbeit, die er gar nicht als solche erkannte und entzifferte Letter für Letter. Es ging nur schleppend voran und gegessen hatte er auch schon lange nicht mehr. Der Stapel mit den Notizen war immer noch größer als der fertige. Er würde vermutlich die ganze Nacht hier noch sitzen, wenn der General schon längst in seinem äußerst gemütlichen Bett läge.
Mit einem Mal fröstelte es Lianth. Ein Blick zum kleinen Kamin bestätigte, dass er Holzscheite nachlegen musste. In einem Korb neben der Feuerstelle, befanden sich noch genau zwei Scheite. Er würde wohl nicht nur das Wasser auswechseln und frisch holen müssen, sondern auch Feuerholz. Sobald er jedenfalls fertig geworden wäre.

Vor dem Zelt:

Auch nach einer Weile bemerkten die lauernden Krähen nichts Ungewöhnliches. Zu lange warten sollten sie natürlich auch nicht, denn mit jeder Minute, die verstrich, liefen sie Gefahr, dass sie doch noch erwischt wurden. Tami war eh schon ungeduldig und auch Sadia wollte endlich losschlagen. Elian aber setzte noch mal an: "Also, dadurch, dass wir die Pläne geändert haben, könnt ihr zu dritt ins Zelt gehen und ich bleibe hier und passe auf, das ihr keine ungebetenen Gäste erhaltet! Der General wird jetzt erstmal auf dem Fest beschäftigt sein und dank Cassian, wird man dich auch nicht so schnell vermissen, Ysi.", lobte er die fünfte Krähe dann doch noch mal. Sie alle würden ihren Freund und Komplizen vermissen, doch es nützte erstmal nichts. Jetzt galt es den General um diesen ominösen Schatz zu erleichtern. "Also, alle bereit? Jemand noch Fragen?", wollte er wissen, holte sich von jedem der dreien ein Kopfschütteln und Nicken ab und nickte dann selbst: "Dann los!", gab er das Signal und Sadia, sowie Tami setzten sich in geduckter Haltung in Bewegung, um das Zelt endlich auch von innen zu sehen.

Im Zelt:

Noch bevor Lianth sich entscheiden konnte, ob er ein Holzscheit nachlegte oder doch lieber erst noch etwas frische Luft hereinließ, um einen klaren Kopf zu bekommen, da wehte mit einem Mal der Vorhang beiseite und er sah sich plötzlich drei jungen Frauen gegenüber. Die eine war schwarzhaarig, hatte dunkle Augen und einen entschlossenen Gesichtsausdruck. Die andere wirkte nicht minder entschlossen, hatte aber rote Haare und Sommersprossen, während die dritte im Bunde bedeutend edler anmutete. Sie trug ein wunderschönes, grünes Kleid, das ihre Reize mehr als in Szene setzte und das blonde Haar zu einer kunstvollen und dennoch natürlich wirkenden Frisur gemacht. Ihr Kleid wies am Saum einige Flecken auf, während ihr grüner Blick wachsam das Innere des Zeltes erfasste. Keine von ihnen war auch nur im entferntesten eine Dunkelelfe und keine von ihnen hatte er jemals zuvor hier gesehen.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Ysara » Sonntag 12. November 2023, 16:56

Ysara hatte ihr Ziel klar vor Augen. Sie sorgte für Ablenkung in dem großen Zelt, in dem die Feier zu Ehren des Generals stattfand, damit ihre Freunde dieses unbemerkt verlassen und sie zu ihrem eigentlichen Plan übergehen konnten. Die grünen Augen funkelten die violetten Iriden des Elfen Nandos wütend an, der sich eher amüsiert von ihrer Szene zeigte und richtig feststellte, dass auch Ysara gerade nichts auf die Manieren gab, über deren Fehlen sie sich Nandos gegenüber aufregte. Doch der Blondschopf kam erst richtig in Fahrt und warf ihm so einiges lauthals an den Kopf, um die Aufmerksamkeit aller Gäste auf sich und weg von den Krähen zu lenken. Eigentlich hatte sie beabsichtigt, ihm den Wein in ihrem Glas ins Gesicht zu schütten, doch nicht nur die scharfe Stimme ihrer Mutter im Hintergrund, die ihren Namen durch das sonst plötzlich stille Zelt zischte, hielt sie davon ab. Man mochte Ysara zwar nachsagen, dass sie keine Manieren besaß, aber sie war nicht unmenschlich und sie ergötzte sich nicht an dem Leid oder Nachteil anderer. Im Grunde hatte Nandos ihr auch nichts Schlimmes getan. Er hatte sie unfreiwillig zum Tanz gezwungen, aber Ysara war sich durchaus bewusst, dass das ihr jetziges Auftreten nicht rechtfertigte. Es bot sich aber einfach als Gelegenheit an, um ihre Krähen hier heraus zu schleusen. Sie zögerte nur einen Bruchteil einer Sekunde, als sie den Elfen mit den inzwischen vor der Brust verschränkten Armen ansah und den Trotz in seinem Blick erkannte. Davon abgesehen wirkte er jedoch überraschend ruhig und insgesamt ziemlich unbeeindruckt von ihrem Gebaren. Spontan änderte sie also ihren Plan und täuschte einen Ohnmachtsanfall vor, bei dem sie zu Boden sank. Da sie die Augen geschlossen hatte, sah sie nicht das Zögern von Nandos und dass sich der Elf letztlich dagegen entschied, ihr zu helfen. Seine Worte hörte sie aber sehr wohl. „Das passiert, wenn man sich zu sehr aufplustert, werte Damen.“ Ysara schnaubte im Stillen verärgert und hätte ihm nur allzu gerne einen Konter gegeben! Statt Sorge zu äußern, klang er vollkommen ruhig und erweckte bei der Blonden einen überheblichen Eindruck. Sie hörte es kurz über sich rascheln, als der Elf dann einfach über sie hinweg stieg, traute sich aber nicht, die Augen zu öffnen und sah somit auch nicht, dass er einfach ging. Sie blieb angespannt liegen und hörte irgendwo ihre Mutter erneut ihren Namen rufen, diesmal jedoch mit ehrlicher Sorge in der Stimme. Als sie jemand berührte, öffnete Ysara gespielt erschöpft und daher langsam die Augen. Dann sah sie zu ihrer Überraschung Cassians Gesicht vor sich und nicht Nandos. Ein Lächeln zeigte ihre ehrliche Freude darüber, ihn an Stelle des Elfen mit den violetten Augen zu sehen. Bereitwillig ließ sie sich von Cassian auf die Beine helfen und genoss die Nähe, die er ihr unter dem Mantel der Hilfsbereitschaft zuteilwerden ließ. In seinem Arm wirkte sie mit einem Mal ziemlich handzahm und lehnte sich an den Erben, als er sie stützte, während sie aus reinem Eigennutz weiterhin die erschöpfte Dame spielte, die nur frische Luft benötigte. Sie genoss die Nähe, die er ausstrahlte, und das Kribbeln in ihrem Bauch, das er neuerdings weckte.

Selbst, als sie das Zelt schon verlassen hatten und Cassian sie zu dessen Rückseite führte, verweilte die Krähe weiter in seinem Arm. Am liebsten hätte sie den restlichen Tag so mit ihm verbracht, aber das ging natürlich nicht, und als er die Nähe letztlich auflöste, sah Ysara zu ihm hinauf „Das war ziemlich bühnenreif.“ "Vielen Dank, auch für deine heldenhafte Hilfe. Jetzt hast du auch eine kurze Pause", schmunzelte sie zufrieden und sah sich noch einmal genauer um, ob ihnen auch niemand gefolgt war. „Ich habe kurz gedacht, dass du ihm den Wein ins Gesicht schüttest!“ "Das wollte ich eigentlich auch. Er ist ein Idiot", antwortete sie frei heraus und grinste für einen Moment. Dann sah sie, dass Cassian ernst wurde und ihr schien erst jetzt wieder einzufallen, wieso sie eigentlich hier draußen waren. „Pass ja auf dich auf, Ysara. Was auch immer ihr vor habt… sie dürfen euch nicht erwischen. Sie würden nicht lange zögern und sie bekämen Recht…“ "Keine Sorge. Uns hat noch keiner erwischt. Nach fünf Minuten sind wir wieder draußen", sagte sie leicht dahin und überspielte die Anspannung, die seine Worte durchaus in ihr auslösten. „Leb‘ Wohl…“ Ysara sah das traurige Lächeln auf seinen Lippen und die Sehnsucht in seinem Blick. "Warte", hielt sie ihn noch auf und griff nach seiner Hand, bevor sie sich noch einmal vergewisserte, dass keiner der Gäste hier draußen war. Seine Worte klangen so endgültig , dass sie sie nicht stehen lassen konnte. "Sag sowas nicht. Wir sehen uns später.." Sie lächelte ihn aufmunternd an und war überzeugt von ihren Worte, war sie doch stets ein positiv eingestellter Mensch. Hinzu kam, dass sie eher selten an sich und ihren Fähigkeiten zweifelte. Ysara machte einen Schritt auf Cassian zu und umarmte ihn dann, während sie den Kopf für einen Moment an seine Schulter lehnte. Es war nur eine kurze, aber innige Umarmung. Dann löste sie sich so schnell, wie sie die Nähe aufgebaut hatte. "Jetzt darfst du zurück", erlaubte sie ihm sacht lächelnd und versuchte, zu verbergen, wie sehr sie das alles eigentlich bedrückte. Er musste zurück in die Höhle des Löwen und es war ihm anzusehen, dass auch er wusste, dass sie nie wieder zusammen Abenteuer erleben würden. Dennoch blieb Ysara im Grunde positiv. Sie hatte gelernt, das zu schätzen, was sie hatte, und daran hielt sie sich. Seine bevorstehende Hochzeit würde sie wohl erst gänzlich begreifen, wenn es so weit war. "Erzähl' meiner Mutter, dass ich noch einen Moment frische Luft brauche." Sie blickte Cassian noch einen Moment nach, dann wandte sie sich seufzend in die Richtung des Zeltes des Generals, in die er ihr zuvor gedeutet hatte.

Sie brauchte nicht lange suchen und fand das sechseckige Zelt recht schnell. Ihr Blick glitt die Zeltplane hinauf, bis zur morgereanischen Fledermaus und weiter zum düsteren Himmel. Es wurde dunkel und kalt, ein Grund mehr, das jetzt schnell durchzuziehen. Da drang ein bekannter Pfiff an ihre Ohren und Ysara brauchte nicht lange, um ihre Krähen hinter dem Versorgungszelt zu entdecken. Automatisch ging sie in eine geduckte Haltung und gesellte sich zu den dreien. Um den Dreck, der am Saum ihres Kleides haftete, machte sie sich keine Gedanken. Er würde sich nur mit den Spuren des verkippten Weißweines vermischen. Tami war wie immer voller Tatendrang und wollte am liebsten sofort loslegen. Elian war aber schneller als Ysara und bremste seine Schwester aus. Die Blonde hob noch eine Hand, als Zeichen, das ebenfalls für Ruhe sorgen sollte. "Nicht so voreilig", mahnte auch sie und fing dann Sadias Blick auf. „Reife Leistung. Wer war dieser seltsame Kerl?“ Erneut war es Elian, der versuchte, Ruhe und eine gewisse Ernsthaftigkeit in die Gruppe zu bringen. „Echt jetzt? Du willst JETZT darüber reden?“ Ysara grinste ihn an und schaute dann zu Sadia. "Ein übereifriger Kerl. Aber ich glaube, ich konnte den Herrn Xallaghar erfolgreich vergraulen", witzelte sie und machte auch ihrer besten Freundin gegenüber deutlich, dass sie nicht erfreut über diesen Elfen war. Ihr fiel erst jetzt auf, dass sie ihn nach ihrer Szene gar nicht mehr gesehen hatte. Dann hatte sie wohl alle Ziele, die sie mit der Szene beabsichtigt hatte, auch erreicht. Das weckte eine gewisse Zufriedenheit, ihr Fokus kehrte jedoch schnell wieder zurück zum Zelt und sie wurde wieder ernst. Das, was sie hier vorhatten, war kein Spiel mehr. Der General war ein finsterer Kerl und sie wollten ihm einen Schatz entwenden. Zusammen mit den Krähen beobachtete sie eine Weile das Geschehen vor dem Zelt. Ysara behielt die Laufwege im Auge, konnte jedoch überhaupt keinen Dunkelelfen sehen. Elian schlug also vor, dass sie zu dritt ins Zelt gingen und er hier draußen aufpasste, während er noch einmal Cassians Mitwirken anerkannte "Im Zweifelsfall kann er vielleicht noch etwas Zeit schinden", warf Ysara nachdenklich ein, wusste aber auch, dass seine Möglichkeiten begrenzt waren. Trotzdem war es vielleicht ganz gut, jemanden auf der Feier zu wissen, der den General beobachtete und zur Not auf ihrer Seite stand. Das hoffte Ysara zumindest. Klar war nämlich auch, dass Cassians Loyalität am Ende seiner Familie galt. "Also, alle bereit? Jemand noch Fragen?" Ysara nickte erst und schüttelte kurz darauf den Kopf. Dann sah sie zu Sadia und dann zu Tami. "Dann mal los, Mädels", murmelte sie und bewegte sich dann, wie die beiden anderen instinktiv in einer geduckten Haltung, um sich unbeobachtet bis zum Zelt zu schleichen und dieses genauso unbeobachtet zu betreten.

Ysara strich die Plane des Zelteingangs zur Seite und huschte direkt in das Innere des Zeltes, das im Gegensatz zur nachmittäglichen Kühle angenehm warm war. Die grünen Augen suchten instinktiv und schnell das Zeltinnere ab, nahmen die Umgebung in sich auf und .. den anwesenden Elfen. Ysaras Herzschlag setzte gefühlt für einen Moment aus, als sie den Fremden sah. Ihr Blick huschte kurz zu der dunkelhaarigen Sadia an ihrer Seite. Mist! Was macht der denn hier?! Ihr Blick sprach Bände und huschte schnell zurück zu dem Elfen. Ihr Blick verweilte einen Moment auf den grünen Haaren und unter normalen Umständen wäre ihr vielleicht sogar ein erstaunter Pfiff herausgerutscht. Jetzt aber war keine Zeit für Komplimente. Dass jemand in diesem Zelt war, traf die blonde Krähe tatsächlich unvorbereitet. Nichts vor dem Zelt hatte darauf hingewiesen, dass sich noch jemand im Inneren befand. Seine Gestalt verwirrte sie gleichzeitig aber auch, denn es war offensichtlich, dass er kein Dunkelelf war, und sie fragte sich, was ein 'normaler' Elf im Zelt des Generals tat. Ihre Augen musterten ihn ohne Scheu, während sie versuchte, selbstbewusst aufzutreten und nicht zu zeigen, wie sehr sein Hiersein sie verunsicherte. Als sich ihre Blicke trafen, hob sie beide Hände vor die Brust. Ihre Handflächen zeigten in seine Richtung und suggerierten, dass sie ihm nichts tun wollte. "Guten Abend, Herr", ergriff sie dann einfach das Wort, bevor sich die Stille in die Länge ziehen konnte oder er auf die Idee kam, nach Wachen zu rufen. "Keine Sorge, wir wollen nichts Böses", sagte sie schnell noch, um ihn zusätzlich davon abzuhalten, Alarm zu schlagen. Sie musterte ihn und versuchte einzuschätzen, was er hier im Lager der Dunkelelfen machte. Wie ein Gefangener sah er nicht aus. War er ein Diener? Oder doch jemand von höherem Ansehen? Zumindest hatte sie ihn absichtlich förmlich angesprochen, was ihn hoffentlich dazu verleitete, sie nicht als aufmüpfigen Feind anzusehen. Der blonden Grandessanerin in dem festlichen grünen Kleid und mit dem goldenen Schmuck war hingegen offensichtlich anzusehen, dass sie zur Gesellschaft der Feier gehörte, die gerade zu Ehren des neuen Generals stattfand.

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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Lianth » Montag 13. November 2023, 11:48

Jeder seiner Verbündeten, Handlanger und Artgenossen hätte sich ehrfurchtsvoll verbeugt, wäre auf die Knie gefallen und hätte ihm die Stiefel geküsst, sobald Kan'egh Vashnar sich auch nur rührte. Jetzt erhob sich dieser muskulöse Dunkle und Lianth, der von den morgerianischen Soldaten nur als Feigling beschimpft wurde, blieb stehen. Ausgerechnet er kroch vor dem frisch ernannten General nicht zu Kreuze. Das hatte leider nichts mit Mut zu tun, sondern war seiner naiven Art geschuldet. Er sah in Kan'egh vielleicht noch keinen engeren Freund, aber durchaus einen Verbündeten, der ihm nicht nur half, die Welt zu sehen, sondern gütig genug war, seine Soldaten nicht sterbend im Urwald zurückzulassen. In Lianths Augen war er ein herzensguter Mann, dem man Respekt zollen sollte, den man zugleich aber auch wie einen Freund sehen durfte. Außerdem kannte sich der Shyáner Elf mit Titeln nicht sonderlich aus. Er lebte in einem elfischen Königreich, das stimmte. Hieß das, das er jemals auch nur Kontakt mit einer Noblen, Adligen oder der Königin selbst gehabt hatte? Nein. Es wäre möglich gewesen, aber Lianths Naturell bestand seit je her darin, sich im Hintergrund zu halten. Da hätte sein Bruder Vellyn mehr Chancen gehabt.
Dass es nicht seinen sofortigen Tod durch General Vashnars Klinge bedeutete, konnte er allerdings ebenfalls auf diese weltfremde Naivität zurückführen. Der Dunkelelf sah in dem anderen keine Gefahr. Lianth war ein dummer, kleiner Feigling und zurecht das aktuelle Schoßhündchen des Anführers. Er fraß ihm aus der Hand, würde diese eher ablecken statt zu beißen und suchte nach humanen Ausreden für grausame Taten seinerseits. Er war absolut manipulierbar. Kan'egh Vashnar fürchtete keine Sekudne lang einen Hinterhalt. So wandte er sich vollkommen arglos ab, um sich umzuziehen und durfte dafür im Stottern aus Komplimenten des anderen baden. Zum Dank erhielt Lianth die Aufgabe, sich um die schriftliche Ausarbeitung der Korrespondenz des Generals zu kümmern. Es war seine Strafe, dass er mit den zur Verfügung gestellten Münzen keine Heilkräuter, sondern einen Schal für irgendeine Bettlerin des Armenviertels erworben hatte. Dem Geld weinte Vashnar offensichtlich keine Träne nach, aber dass sein Hündchen die Befehle missachtet hatte, duldete er nicht. Glücklicherweise war es überraschend einfach, Lianth eine Strafe aufzubrummen als anderen. Er nahm sie sogar mit gewissenhaftem Ernst an. So kam es, dass der hybridische Elf wenig später allein im Zelt stand. Er musste jedoch schnell feststellen, dass er seine Aufgabe nicht erfüllen könnte, solange zumindest seine Hände mit Schmutz und Eiter aus Farnos Furunkel beschmiert waren.
Lianth wusch sich in der Schüssel des Generals, ging zunächst aber nicht los, um das Wasser auszutauschen. Es hatte eine geringere Priorität. So setzte er sich an den Schreibtisch des Generals und ... schrieb. Eigentlich tat er auch das nicht. Stunden verbrachte der Shyáner damit, Kan'eghs Sauklaue zu entziffern. Es dauerte ewig, bis er den Notizen einen flüssigen, annehmbaren Text entnommen hatte, der auch das aussagte, was Vashnar vermitteln wollte. Erst dann konnte Lianth sich überhaupt darum kümmern, es in seiner schönsten Schrift auf Papier zu bringen. Er hatte nicht einmal ein Fünftel des Stapels abgearbeitet, als die hereinbrechende Dunkelheit auch das sechseckige Zelt erreichte. Er bemerkte sie eher, weil ihm plötzlich fröstelte. Das Feuer war auf zwei kleinere Glutnester herunter gebrannt.
Der Shyáner streckte sich und rieb dann erst einmal seinen Nacken. Dort machte sich eine Verspannung breit, weil er die letzten Stunden in verkrampfter Sitzhaltung verbracht hatte. Seine Handkante und den kleinen Finger zierten Tintenflecke, ebenso wie sein Kinn, als er sich geistesabwesend mit der Feder ein paar Mal nachdenklich dagegen getippt hatte. Langsam erhob er sich, streckte sich erneut und legte anschließend Holz nach. Bei einem Blick auf seine Finger fiel ihm wieder ein, dass er das Wasser austauschen musste. Niemand würde ihn aufhalten, wenn er etwas aus dem nahe gelegenen Brunnen holte. Diese Aufgabe hatte er Kan'egh nun schon mehrfach abgenommen. Er wusste, dass der Dunkelelf eher verärgert wäre, wenn ihm kein frisches Waschwasser zur Verfügung stand. So griff der Shyáner die Kanne und wandte sich der heruntergeklappten Zeltplane zu, um nach außen zu gelangen.
Er erstarrte. Er hatte den Luftzug gespürt, bevor seine Augen das ungewohnte Bild der beiseite geschobenen Plane verarbeiteten und ihm neue Informationen an den Verstand sandten. Er rührte sich nicht, glotzte mit aufgerissenen Augen auf die Gestalten, die wiederum ihn musterten. Wahrscheinlich fiel das waldgrüne, zu einem langen Zopf geflochtene Haar aufgrund seiner Farbe zuerst auf. Nicht etwa, weil es ein wenig zerzaust wirkte. Wer lief schon mit grünen Haaren herum?! Da konnten die bernsteinfarbenen Augen nur bedingt konkurrieren, obgleich der Blick daraus tief erschreckt war. Dieser Mann wurde von mehr Unsicherheit erfasst als Ysara sie plötzlich in den eigenen Knochen spüren mochte. Instinktiv schrumpfte Lianth in sich zusammen, steckte den Kopf zwischen die Schultern und ja, er senkte auch den Blick. Er konnte jenem aus den Augen der Blonden nicht standhalten. Seine Haltung vermittelte eine fast schon beschämte Gestalt und man konnte den Eindruck gewinnen, er sei der unerlaubte Eindringling hier, welchen man auf frischer Tat ertappt hatte. Zunächst drehte Lianth den leeren Wasserkrug nervös in den Händen. Dann senkte er auch diesen, stellte ihn zurück zu der Waschschale und kam aus Kan'eghs Privatbereich des Zeltes hervor. Nach wie vor mied er den Blick der jungen Frau, sah ihre schlichtende Geste dadurch auch nicht. Alles, was seine Augen ausmachten, waren der schmutzige Saum seiner braungrauen Roben und die eigenen Stiefelspitzen. Getrockneter Schlamm und Unrat klebte daran.
So wie er sich gab, war es kein Wunder, dass die Krähen ihn vorab nicht bemerkt hatten. Lianth war still. Selbst jetzt gab er kaum einen Mucks von sich und die letzten Stunden an Schreibarbeiten hatten nicht dafür gesorgt, dass er verdächtige Geräusche nahe des Zelts hätte erzeugen können. Ruhig wie ein Mäuschen war er und stand da wie jene, deren graues Fell ihnen keinen extrovertierten Ruf verpasst hatten. Dabei war er alles andere als grau. Als Shyáner konnte er sich durchaus als ansehnlich bezeichnen, aber das traf wohl auf die meisten Elfen zu. Haare und Augen fielen gerade bei Menschen besonders auf, ebenso wie die Spitzohren und auch wenn er sich etwas zusammenkauerte, konnte man die guten 1,80 Meter nicht klein reden.
"Guten Abend, Herr"
Endlich kehrte Leben in Lianth ein, wenn auch nicht wie erwartet. Er quiekte fast wie die graue Maus, als die man ihn sehen konnte. Dabei zuckte er zusammen, als wäre ihm jemand auf die Füße getreten und hopste dadurch einen halben Schritt zurück. Plötzlich bemerkte er jedoch, wie sein Auftreten ausfallen mochte. Er räusperte sich, griffelte unsicher an einigen Strähnen an seinem Zopf herum, behielt den Blick weiterhin gesenkt. "Äh ... j-ja? G-guten ... Abend", murmelte er. Endlich wagte Lianth einen flüchtigen Blick. Nun bemerkte er überhaupt, dass die blonde Frau nicht allein gekommen war. Ihre Begleiterinnen wirkte lange nicht so zurechtgemacht wie sie mit dem hübschen Kleid und dem Schmuck. Lianths Kopf interpretierte sofort eine Edle samt Dienerinnen. Vielleicht hatte die kleine Gruppe sich verlaufen. Vielleicht hatten sie aber auch jemanden hier gesucht.
Aufrichtig verlegen kratzte der Elf seine Wange knapp über dem halb verwischten Tintenfleck auf seiner Haut. Er versuchte sich an einem höflichen Lächeln, doch es misslang und so sah er unbeholfener aus als er letztendlich war. Immerhin riss er sich zusammen, auch weil er an die Worte seines Bruders dachte. Nur Mut ... sei höflich. Sie wollen dir nichts tun, sie brauchen deine Hilfe. Du hilfst doch gern anderen...
"J-ja...", wisperte er sich nun auch hörbar selbst Mut zu. Seine Augen huschten über die fremden Gesichter. Dann senkte er den Blick wieder zurück auf seine Stiefel. "D-der Hauptmann i-ist sch-schon auf seiner F-F-Feier", entschuldigte er Kan'eghs Abwesenheit. Plötzlich zuckte Lianth zusammen, japste und verschluckte sich beinahe an seinem eigenen hastigen Atemzug. "D-Der G-General!", stieß er aus. Dann kräsuelte ein echtes Lächeln seine Lippen, meißelte sich in die Mundwinkel und seine Augen leuchteten sogar. Ohja, er freute sich wirklich für Kan'eghs Ernennung. Der Dunkelelf hatte es sich gewiss verdient. "E-er ist jetzt G-General. Er f-feiert ... i-ich k-könnte etwas ausrichten, falls ... f-falls ihr ihn nicht s-selbst ... e-er feiert .... d-draußen ... irgendwo." Und Lianth war froh, nicht unter den Feiernden sein zu müssen. Es war so ruhig und friedlich hier gewesen. Schon diese drei Damen machten ihn viel zu nervös.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Ysara » Montag 13. November 2023, 20:23

Für einen Augenblick starrten sich Lianth und Ysara einfach nur an. Sie konnte noch einen Blick in die erschrockenen, bernsteinfarbenen Augen erhaschen, aus denen er sie so überrascht anstarrte, wie sie sich fühlte. Doch statt Empörung oder Ärger zu äußern, wich der Elf ihrem Blick dann plötzlich aus und machte sich ein Stück kleiner. Ysara nahm jedoch nicht den Blick von ihm, vielmehr hob sich vor Überraschung und Irritation über sein Verhalten eine Augenbraue. Schließlich waren sie und die anderen beiden doch diejenigen, die unbefugt in das Zelt eingedrungen waren. Dennoch war er es, der sich klein machte und einen unterlegenen Eindruck erweckte. Offenbar war er wirklich ein Diener von Vashnar und war, ihrer Vermutung nach, vielleicht durch eine harte Schule gegangen. Ysara blieb angespannt und wachsam, während sie ihn ganz genau im Auge behielt. Er stand im hinteren Teil des Zeltes und sie befürchtete bereits, dass es dort ein Schlupfloch geben könnte, durch das er entwischen konnte. Doch schließlich stellte er nur die Kanne in seiner Hand ab und trat dann etwas näher zu ihnen hervor. Das war beruhigend, aber bevor er doch noch auf dumme Ideen kam, ging Ysara lieber zum 'Angriff' über und nahm das Wort an sich. Seine Gestalt machte nicht den Eindruck eines Herren, aber sie musste sich dringend gut mit ihm stellen und redete ihn daher als solchen an. Zu ihrer weiteren Überraschung quiekte er als Erstes auf ihren Gruß und wich zurück, als wäre sie ihm auf die Füße getreten. Er sah so eingeschüchtert aus, dass Mitleid in Ysara aufkeimen wollte. Sie konnte sich nicht gänzlich dagegen wehren, aber sie wusste auch, dass sie weiter misstrauisch bleiben und sicherstellen musste, dass er nicht nur vorgab, so unterwürfig zu sein, um im nächstbesten Augenblick aus dem Zelt zu huschen und sie zu verraten.
"Äh ... j-ja? G-guten ... Abend" Die Art, wie er dann zögernd zu ihr hinauf schaute, ließ jedoch einen winzigen Teil ihrer Anspannung aus ihrem Körper weichen. Er erinnerte sie ein wenig an Darron, ein neuer Diener in ihrem Hause, der bei jedem Blick, mit dem man ihn bedachte, zusammen zuckte, weil er Angst vor einer Zurechtweisung hatte. Ysara lächelte ihm daher ganz reflexartig zu, wie sie es auch Zuhause tat, um den Bediensteten etwas Mut zu machen. Sie versicherte ihm außerdem, dass sie nichts Böses im Schilde führten. Schon seltsam, dass sie nun diejenige war, die auch noch versuchte, ihn mit Worten und kleinen Gesten zu beruhigen. Das ließ sie fast vergessen, dass sie hier die Diebin war, die unbefugt in das Zelt getreten war. Ysara schaute kurz erneut zu der Dunkelhaarigen an ihrer Seite und dann zu der Rothaarigen, die offensichtlich die Jüngste von ihnen dreien war. Ysara warf ihr einen Blick zu, der sie um Zurückhaltung bat. Tami hatte normalerweise eine lose Zunge und sie wollte unbedingt vermeiden, dass sie den Elfen noch mehr einschüchterte oder verschreckte.

Dann glitt der grüne Blick zurück zu Lianth und sie erwiderte seinen schüchternen und flüchtigen Blick ihrerseits offen. Geduldig wartete sie, bis er seine Stimme wiedergefunden hatte. "D-der Hauptmann i-ist sch-schon auf seiner F-F-Feier" Plötzlich zuckte er jedoch zusammen und japste nach Luft, was Ysara einen ordentlichen Schrecken einjagte. Sie war so angespannt, dass die Regung ausreichte, um auch sie zum Zusammenzucken zu bringen. Reflexartig drehte sie den Kopf zur Zeltplane in ihrem Rücken herum, in Erwartung des Generals, doch dann sah sie, dass niemand hinter ihr war. Ebenso schnell schaute sie zurück zum Elfen und als er sich berichtigte, verstand sie endlich, dass er nur den alten Titel für den jetzigen General verwendet hatte, woraufhin ihr ein Stein vom Herzen fiel. "D-Der G-General!" Ysara murmelte etwas Unverständliches, das ihre Erleichterung zum Ausdruck brachte und fuhr sich mit den Händen nervös über das Kleid, während sie das plötzlich fröhliche Lächeln auf den Lippen des Elfen sah. Er freute sich offenbar über die Beförderung. "E-er ist jetzt G-General. Er f-feiert ... i-ich k-könnte etwas ausrichten, falls ... f-falls ihr ihn nicht s-selbst ... e-er feiert .... d-draußen ... irgendwo."
"Natürlich ist er das", pflichtete sie ihm zunächst freundlich bei und überlegte einen Moment. Offenbar war er wirklich General Vashnars Diener, aber die Haltung des Elfen erweckte in ihr den Eindruck, dass seine Anstellung ihm nicht behagte und er gelernt hatte, vor dem General zu kuschen. Obwohl dieses kurze Lächeln sie durchaus irritierte, als er von der neuen Position des Generals sprach. Ob er wohl freiwillig hier war, um einem Dunkelelfen zu dienen? Aber wer würde das schon tun? Er wirkte wenig selbstsicher, eher eingeschüchtert, und seine Erscheinung im Gesamten weckte dann doch Ysaras Mitleid, aber auch Neugierde. Aber in erster Linie war sie wegen ihrer eigenen Pläne hier. Cassian hatte von einem Gegenstand erfahren, der ihnen den Weg zum größten Schatz auf Celcia weisen würde und dieser Gegenstand sollte sich im Arbeitsbereich des Generals befinden. Und nun stand sie hier in seinem Zelt und ihr Blick huschte für einen Moment zu dem Schreibtisch, in dem sie das Ding, von dem sie nicht mal wusste, was genau es war, vermutete.

Dann wandte sie sich wieder an Lianth und überging seine Unsicherheit mit ruhiger Stimme. "Ich bin Seraphina Arretea. Du hast bestimmt schon von meiner Familie gehört", log sie ihm einfach und ohne schlechtes Gewissen ins Gesicht. Zumindest ihren Begleiterinnen war klar, dass sie nicht zum ersten Mal einen Namen benutzte, der nicht ihrer war, und einen Familiennamen annahm, der gar nicht existierte. Selbst sie mit ihrer Bildung kannte nicht alle einflussreichen Namen, daher hoffte sie einfach, dass der Elf noch weniger Wissen darüber besaß und nicht wusste, dass es keine bekannte Familie mit diesem Namen in Grandea und außerhalb davon gab. "Wir pflegen seit langer Zeit eine tiefe Freundschaft mit deinem Herrn. Ich sprach gerade noch mit ihm während des Festes. Er sieht ganz wunderbar aus heute, nicht wahr? Während wir sprachen, fiel ihm ein, dass er seine Rede vergessen hat und er bat mich, sie schnell für ihn zu holen. Er hat natürlich gerade Wichtigeres zu tun, es sind viele Gäste zu begrüßen und wichtige Konversationen zu führen." Ysara wirkte so ehrlich, während sie sprach, und versuchte, einen freundlichen, aber auch selbstbewussten Eindruck zu erwecken. Tatsächlich wurde sie mit jeder Minute, die verstrich und in der Lianth nicht nach den Wachen rief, mutiger. Sie schaute kurz Tami und dann Sadia an, die sie beide mit keinem Wort erwähnte. Ihre Freundinnen mussten jetzt wohl oder übel ihre Dienerinnen mimen. Ysara machte eine Pause und ging dann einfach zum Schreibtisch des Generals hinüber. Vor dem Tisch hielt sie jedoch noch einmal inne und wandte sich erneut zu Lianth. "Gestern stand ich noch hier und ging die Rede mit ihm durch. Wir müssen uns verpasst haben", setzte sie noch einen drauf. Sie zielte darauf ab, sich so selbstsicher wie möglich zu geben und sich ganz selbstverständlich durch das Zelt zu bewegen, als wäre sie nicht das erste Mal hier. Das würde ihre Geschichte hoffentlich glaubwürdiger machen. Gleichzeitig hoffte sie inständig, dass der Elf nicht rund um die Uhr an dem General klebte und so das Zeitfenster, in dem sie angeblich mit dem General geredet hatte, im Bereich des möglichen lag. "Darf ich?", fragte sie ihn selbstsicher um Erlaubnis, um ihm das Gefühl zu geben, dass er etwas mitzuentscheiden hatte, während sie mit der Hand kurz zum Tisch deutete. Gleichzeitig hoffte sie, dass ihre Art ihn vielleicht etwas überrumpelte und er sich gezwungen sah, ihr das nicht auszuschlagen - oder aufgrund ihrer Worte das Gefühl bekam, es einfach nicht entscheiden zu dürfen.
"Wie heißt du? Bist du schon lange im Dienst des Generals?", fragte sie dann, gespielt beiläufig, aber durchaus ehrlich interessiert. Es machte sie durchaus neugierig, was ein Elf wie er hier im Lager zu suchen hatte. Vielleicht weckte ein beiläufiges Gespräch auch sein Vertrauen und lenkte ihn von dem Umstand ab, dass sie einfach so das Eigentum seines Herren durchsuchen wollte. Es war aber nicht nur eine reine Ablenkung, denn Ysara interessierte sich tatsächlich auch für die einfache Bevölkerung.

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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Lianth » Montag 13. November 2023, 23:30

Ysara und ihre beiden Begleiterinnen hatten deutlich mehr Gelegenheit, den Elfen ausgiebig zu mustern. Lianth hingegen suchte nach Vertrautem, das ihm zumindest ein geringes Sicherheitsgefühl bescherte. So haftete sein Blick meistens auf den eigenen Schuhen, dem Haar, seinen Fingern oder der Robe, die er dazwischen knetete. Man brauchte nicht einmal das Klischee-Gehirn eines Trolls haben, um zu erkennen, dass von diesem Spitzohr keine Gefahr ausging. Lianth war allerdings auch erkennbar keiner der Dunkelelfen, die sich mit dem Königreich verbündet und inzwischen geradezu in Grandea eingenistet hatten. Dass er im Zelt des morgerianischen Generals stand, war die große Überraschung. Ysara hatte zu wenig Informationen und konnte ihn nur für einen Diener oder Gefangenen halten. Sie tippte auf Ersteres, allerdings interpretierte sie in Lianths Gebaren hinein, dass man ihn jeden noch so kleinen Fehltritt wohl spüren ließ. Er gab sich überaus unterwürfig, fast schon wie der ungewollte Eindringling hier. Und er sprach leise! Er stammelte! Ein Kind könnte ihn erschrecken. Es war fast schon bemitleidenswert.
Trotzdem blieb er freundlich. Außerdem schrie Lianth auch nicht um Hilfe. Nein, dazu war er viel zu verschüchtert. Wenn, dann hätte seine durchaus melodische Stimme einen hilferuf gefiepst. Er besaß etwas Nagerhaftes, obgleich man ihm weder eine Spitznase noch die passenden Zähnchen andichten konnte. Dafür hinterließ er einen zu ... welpenhaften Eindruck. Ysara hingegen verlor nicht vollständig ihr Misstrauen. Sie kannte das grandessarische Pflaster, sowohl mit noblen als auch Straßenschuhen. Sie war nicht so blauäugig wie Lianth. Der Elf witterte nämlich keinen einzigen Verdacht. Er reagierte sogar auf ihr freundliches Lächeln geradezu ... verlegen. Schon wich er erneut Ysaras Blicken aus, friemelte an etwas in seinem Gesicht herum, das kein verschmierter Tintenfleck war. Bernsteinsplitter. Sie klebten ihm auf der Haut, untermalten so nicht nur seine Iriden, sondern schenkten seinem Gesamtbild mehr Anmut. Er hätte sich damit durchaus auf dem Fest sehen lassen können. Es fehlten lediglich etwas Waschwasser, Seife und eine vornehmere Garderobe. Man konnte jedoch nicht abstreiten, dass der Shyáner angenehm anzuschauen war. Mit etwas mehr Selbstbewusstsein könnte er sicher auch ein Herz für sich gewinnen und zwar auf andere Weise, als nur dessen Mitleid zu erregen.
Verschüchtert strich er sich ein paar der grünlichen Strähnen hinter die Ohren, nachdem er sich wieder beruhigt hatte. Das Lächeln, die ehrliche Freude über den neu erworbenen Titel von Kan'egh Vashnar, stand ihm gut zu Gesicht. Überhaupt schien er kaum Angst zu verströmen, wenn er von diesem Dunkelelfen sprach, der auf dem für ihn ausgerichteten Fest wie die Finsternis persönlich erschienen war. Gegenüber den drei Frauen wirkte Lianth wesentlich angespannter und das war er auch. Es würde seinen höflichen Umgang mit ihnen nicht schmälern, aber dass es sonst niemanden gab, der sich den Mädchen annahm, belastete ihn und sorgte für enormen Druck. Am liebsten hätte er sich hinter den Stapeln an Notizen verkrochen, die er schon so lang und ergiebig durchgearbeitet hatte. Doch ihm blieb nichts Anderes übrig, als Konversation zu betreiben. Es war niemand sonst hier. Unbeholfen versuchte er sich daran, den Damen mitzuteilen, dass der General - sofern sie ihn suchten - auf seiner Feierlichkeit zu finden wäre. Es gelang nur mäßig. Allein sein Gestammel könnte für einige bereits Grund genug sein, das Gespräch abzusbrechen. Beschämt schob Lianth die Schultern noch etwas höher, um seinen Kopf klein zu halten. Dabei hatte er gar keinen Fehler begangen.
Das schien auch die Fremde zu erkennen. Sie blieb geduldig mit ihm. "Ich bin Seraphina Arretea. Du hast bestimmt schon von meiner Familie gehört." Lianths Kopf schob sich nur noch tiefer zwischen seine Schultern. Er schüttelte ihn leicht und jetzt röteten sich sogar seine Wangen vor Scham. "N-nein", gab er kleinlaut von sich. Es fehlte nur noch, dass er vorab zusammenzuckte, aus Furcht, gleich mit einem Stockhieb bestraft zu werden. Lianth aber war kein Sklave, kein Gefangener und wohlbehütet in Shyána Nelle aufgewachsen. So weit ging es dann doch nicht. Trotzdem fühlte er sich unwohl, weil Seraphina ihren Namen so rigoros offenbart hatte. Sollte er ihn denn kennen? Aber er stammte nicht von hier! Woher sollte er Wissen über die wichtigsten Persönlichkeiten Grandeas haben? Er war doch nur ein kleiner Heilkundiger, der eigentlich bereits wieder in seinem Heim und bei seinem Bruder sein sollte. Nur ein Elf, der zum richtigen Zeitpunkt den falschen Leuten gefolgt war und sie nach wie vor für gute Leute hielt.
Seraphina besaß gottgleiche Geduld mit ihm. Sie blieb sogar freundlich, wenngleich ihr Selbstbewusstsein wie eine Welle Eiswasser über Lianth hinweg schwappte. "Wir pflegen seit langer Zeit eine tiefe Freundschaft mit deinem Herrn."
"M-Mein ... w-wer?" Lianth wagte einen Blick nach oben. Vielmehr geschah es aus dem Reflex der Überraschung heraus, weil er nicht wusste, wen die Blonde meinen könnte. Endlich betrachtete er einmal etwas genauer ihr Gesicht, wenigstens lange genug, um ihre Gesichtszüge etwas studieren und ihr Alter einschätzen zu können. "Ich sprach gerade noch mit ihm während des Festes. Er sieht ganz wunderbar aus heute, nicht wahr?"
"Oh .... ohhhhhh! I-Ihr meint den G-General." Jetzt ging ihm ein Lichtlein auf. Es erhellte nicht nur seine Züge, sondern legte sich erneut als warmes Lächeln auf sein Gesicht. Lianth nickte zaghaft. "J-ja, er s-sieht wundervoll aus. R-richtig ... generalisch." Es bestand kein Zweifel mehr. Der Grünschopf mit den Bernsteinaugen bewunderte Kan'egh Vashnar, war stolz auf dessen Erfolge und freute sich aufrichtiger darüber als es wohl die eigene dunkelelfische Mutter desselben getan hätte. Nichts Schlechtes lag in seinen Worten, keine versteckten Hintergedanken oder bösen Absichten. Lianth war einfach nur ein gutmütiges Seelchen im Gewand kindlicher Naivität. Er würde Vashnar niemals etwas Boshaftes unterstellen, aber er hatte ihn auch noch nicht grausam handeln sehen. Alles, was der Shyáner bisher miterlebt hatte, war die Güte, am Leben gelassen zu werden, um einen der verletzten Soldaten zu versorgen. Er interpretierte viel zu viel Herz in den General hinein. Yasara kam das nun aber zu Gute.
"S-Seine Rede sucht Ihr?" Lianth schreckte auf. Sein Blick huschte umher, als könnte er sie nun schneller ausfindig machen. Wie konnte Kan'egh sie nur vergessen haben? Ohje, er war sicher sehr aufgeregt. Ich würde sterben, müsste ich vor all den Leuten eine Rede halten. Kein Wunder, dass er sie vorher aufgeschrieben hat. Es sind bestimmt eine Menge komplizierter Worte, die behält man nicht einfach so im Kopf. Ohje, der arme Kan'egh! Er wird schlottern wie Espenlaub. Sicherlich ist er schon ganz nervös. Er tut mir leid. Ich ... ich muss helfen! Nur Mut, Lianth, nur Mut. Seraphina und ihre Begleiterinnen sind nett. Sie werden mich schon nicht fressen.
Er holte tief Luft, gemahnte sich zur Ruhe. Im Geiste rief er sich die Apothekerstube seines Bruders und dessen Gesicht in Erinnerung. Lavellyns Lächeln vor seinem geistigen Auge zu sehen war immer etwas, bei dem er Geborgenheit und Ruhe fand. Sein Bruder war schließlich immer für ihn da gewesen. Als er die Augen wieder öffnete und durch das Zelt wandern ließ, entdeckte er Yasara schon beim Schreibtisch. Sofort kehrte Panik in den Shyáner zurück.
"Oh ... oh bitte!", rief er aus, lauter als bisher, wenngleich seine Stimme nicht einmal Zimmerlautstärke erreichte. Hastig eilte nun auch er zum Schreibtisch. Glücklicherweise stolperte er nicht, aber er legte sofort beide Hände auf die Unterlagen und sein geschriebenes Werk. Er hatte sich die letzten Stunden so sehr mit dem Schriftverkehr seines Generals abgemüht und war noch weit von einem Ende entfernt. "B-bitte ... i-ich muss das ... fertig bekommen. Wenn e-etwas durch-durcheinander gerät, dann ...", nuschelte Lianth in aller Rechtfertigung. Seine Stimme kehrte in leisere Regionen zurück und schließlich verstummte er. Der Kopf senkte sich erneut. Er verlor all den Mut, den er sich zusammengesucht hatte. Was ging es Seraphina schon an? Was kümmerte es sie? Es gab Wichtigeres! Kan'egh Vashnar wartete auf seine Rede. Lianth konnte die Korrespondenzen auch noch später fortsetzen. Dann bekäme er diese Nacht eben gar keinen Schlaf, aber das war sein Problem und nur seines.
Langsam zog er die Hände von den Papieren zurück. Noch aber stand er vor den Schubfächern des Schreibtisches. "Darf ich?", kam auch prompt die Frage der Besucherin. Lianth folgte, machte Platz. Trotzdem hob er einen seiner Finger zögerlich an. "Äh...", gab er von sich, schaute zur Seite und Richtung Boden. Die Hand senkte sich wieder. "General Vashnar h-hat mich a-angehalten ... i-ich soll nicht in s-seinen Unterlagen ... herum ... wühlen..." Lianth schloss die Augen. Das war wirklich ein Dilemma. Wie sollte er helfen, die Rede zu finden, wenn er nicht suchen durfte? "A-aber", drang es plötzlich wie eine Offenbarung über seine Lippen. Er hob den Kopf. Sein Blick leuchtete nun wahrlich wie Bernsteine. Seine Pupillen waren eingeschlossene schwarze Perlen darin. Sein Lächeln aber mochte wervoller sein als die Edelsteine seiner Seelenspiegel. "I-Ihr seid ja nicht ich!", entkam es ihm überglücklich. "I-ihr k-könnt suchen, ohne dass ... dass ich seine B-bitte m-mit Füßen trete." Schon wies er einladend auf den Schreibtisch. "I-ich glaube, e-es ist nicht verschlossen- B-bitte, Fräulein Seraph-phina. I-ich hoffe, die R-rede ist hier irgendwo."
Oh, welch Stein fiel ihm doch da gerade vom Herzen. Er lächelte immer breiter und seliger, denn sein kleiner Ausweg allein machte ihn nicht nur glücklich, sondern auch der Gedanke, dass er auf diese Weise Kan'egh und auch Seraphina würde helfen können. Nichts erwärmte sein Herz mehr als solche Momente.
"Wie heißt du? Bist du schon lange im Dienst des Generals?"
Yasara erschreckte ihn dieses Mal nicht. Beschwingt vom Glück seiner Lösung fasste der Elf neuen Mut und schaffte es sogar, fast stotterfrei zu antworten. Je länger er sprach, desto mehr verabschiedete sich das Gestammel. "L-Lianth. Mein N-Name ist ... Lianth Farnhain. Aber ich diene dem ... General nicht. Ich hab ihn nur begleitet, u-um Faldorian zu behandeln. Ich bin Heilkundiger. Ich helfe hier."
Im Zelt befand sich nur kein Verletzter und den Tintenflecken nach zu urteilen mochte Lianth entweder lügen oder zu Schreibarbeiten verdonnert worden sein.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Erzähler » Dienstag 14. November 2023, 06:44

Beim Betreten des Zeltes, war Ysara die erste gewesen. Sadia und Tami hatten sich erst nach ihr hineingeschoben und zumindest Sadia hatte sich noch vergewissert, ob sie dabei auch nicht beobachtet würden. So war es keine Überraschung, dass sie beinahe in Ysi hineingelaufen wären, als jene überrascht dastand. Da war ein Mann im Zelt, mit dem keine von ihnen gerechnet hatte. Sie hätten weitaus früher am Tag Beobachtungen anstellen müssen, um den Elf zu sehen. Nun aber war er da und er behinderte ihre Pläne. Ysara aber schaltete schnell. Wo Lianth noch seinen Mut überhaupt finden musste, da schlug der Tatendrang in Ysara um und sie machte sich die Situation zu eigen. Die erkannte schnell, dass der andere eher unterwürfig und eingeschüchtert wirkte. Auch machte Lianth keinen Eindruck, einen hinterhältigen Plan zu verfolgen. Es wäre die Starbesetzung für einen Leibwächter, wenn er die Ängstlichkeit lediglich spielen würde, nur, um im rechten Moment zuzuschlagen. Aber das war er nicht. Lianth war verschreckt.
Drei Damen, davon eine sichtlich aus dem Innenring, während die anderen ihn eher an den Außenring erinnerten. Die Dunkelhaarige hatte einen festen Ausdruck im Gesicht. Ihr brauner Blick ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Sie wirkte ruhig und besonnen, aber es brannte ein Feuer in ihren Augen. Sie hatte Sommersprossen, dunkle, wellige Haare und stammte nicht gänzlich von hier. Sie sah nicht aus, als wenn sie ursprünglich aus Grandea käme, auch wenn Lianth dafür wissen müsste, wie es anderswo auf Celcia aussähe. Die andere wirkte bedeutend feuriger. Sie hatte rote Haare, zu frechen Zöpfen gedreht und allein ihr Gesicht zeigte, dass sie die Jüngste war. Ihre dunkelblauen Augen hatten Lianth ausgiebig gemustert, bevor sie während der paar Worte zwischen ihm und Ysara durch das Zelt wanderten. Sie sah sich um. Erst nach ein paar gestammelten Worten, kehrte ihr Gesicht zurück zu Lianth, der mit seinem Gebaren deutlich machte, dass er hier nicht herumschnüffelte. Bei der hellen Freude über die Beförderung des Dunkelelfen aber schnaubte sie und setzte gerade an, etwas darauf zu erwidern, da fing sie Ysara’s Blick auf. Sie verstummte. Nicht freiwillig, aber sie akzeptierte, dass die Blonde jetzt das Reden übernahm. Sadia und Tami hielten sich ausnahmsweise mal höflich zurück. So sehr eine jede von ihnen etwas beizutragen hätte, war klar, dass Ysara jetzt erstmal übernahm. Ihr empathisches Gemüt verschaffte Lianth eine kleine Verschnaufpause, sodass er wenigstens für ein Müh aus seinem Schneckenhaus kommen konnte. Der Elf wurde ganz aufgeregt, als die Krähe den Schreibtisch des Generals in Augenschein nahm. Ysara konnte erkennen, dass der Tisch massiv war. Es war eine schöne Arbeit und derjenige, der ihn gebaut hatte, hatte Liebe in sein Werk gesteckt. Auf der Tischplatte befanden sich reichlich Notizen, die Lianth soeben verteidigte. Ein Stapel waren Kritzeleien, ein anderer leeres Pergament und wieder ein anderes feinsäuberliche Kuverts, die Lianth bereits geschafft hatte. Der Tisch selbst besaß eine lange, schmale Schublade in der Mitte. Sie war mit einem Schloss versehen und ließ sich nicht aufschließen. Links und rechts, die massiven Beine, befanden sich Schranktüren, ebenfalls abgeschlossen. In dem Gewühl auf dem Tisch fanden die grünen Augen nicht so schnell einen Schlüssel, der passen könnte. Rechts vom Schreibtisch stand noch die kleine Kommode, die voller Pergamente war. Eine Mischung aus Karten, Berichten und Ausgabenrechnungen. Die Handschrift des Generals war eine wahre Sauklaue. Lianth wusste darum, hatte er sie nicht die ganze Zeit über lernen müssen, um die Notizen in Reinschrift bringen zu können. Etwas von wichtigem Inhalt hatte der Elf nicht gefunden bisher. Langweilige Korrespondenz über Danksagungen oder Versetzungen. Sadia und Tami standen links und rechts vom Eingang und behielten jenen im Auge. Bis sich Tami nicht mehr langweiligen konnte, sodass sie sich allmählich, langsam und schlendernd im Zelt zu bewegen begann.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Ysara » Mittwoch 15. November 2023, 17:52

Die junge Gradessanerin gab Lianth kaum Gelegenheit, sich unbeobachtet oder gar unbeachtet zu fühlen. Erst behielt sie ihn wegen ihres Misstrauens im Auge. Im Laufe ihres Wortwechsels dann aber auch aus einer Berechnung heraus, wenn man es so wollte. Ysara versuchte, die selbstbewusste Adelige zu mimen, die ganz klar im Sinne des Generals handelte und sie durfte keinen Raum für Zweifel darüber zulassen. Allerdings war da auch ehrliche Neugierde. Ysara lernte immer gern neue Personen kennen, die Abwechslung in ihr Leben brachten. Es tat ihr tatsächlich auch ein wenig leid, den anderen mit ihrer Maskerade so zu überfahren, aber das gehörte nun zu ihrer derzeitigen Rolle und hatte oberste Priorität. Immer wieder sah sie, wie er sich durch die Haare fuhr und den Blick nur vereinzelt und dann schüchtern hob. Als er das Gesicht etwas mehr hob, fielen ihr die Bernsteinsplitter in seinem Gesicht auf. Er hatte also auch einen Sinn für Schönheit und Ysara war sich sicher, dass er mit einer anderen Haltung auch einen ganz anderen Eindruck hinterlassen würde. Seine beschämte Gestalt, die leisen Erwiderungen und sein Stottern berührten sie trotz ihrer Schauspielerei im Inneren. Sie war emphatisch und genau genommen viel zu gutherzig für eine Frau mit ihrem Ansehen. Sonst hätte sie wohl nie die Krähen gegründet und sich seitdem immer wieder für die Armen und Benachteiligten eingesetzt. Doch den Drang, den Unterdrückten zu helfen, musste sie nun in den Hintergrund schieben. Ysara stellte sich Lianth unter anderem Namen vor und ihr entging nicht die verlegene Röte in seinem Gesicht, als er zugab, ihren Namen nicht zu kennen. Sehr gut, dachte sie noch und fühlte sich in ihrem Vorhaben direkt bestärkt, sodass sie gleich dazu überkam, ihre Beziehung zu seinem Herren zu unterstreichen. "M-Mein ... w-wer?" Ysara stockte kurz, redete dann jedoch zügig weiter, um den Eindruck der rigorosen Adeligen nicht zu verlieren. "Oh .... ohhhhhh! I-Ihr meint den G-General." Die Blonde nickte bestätigend. "J-ja, er s-sieht wundervoll aus. R-richtig ... generalisch." Da war es wieder, sein Lächeln, das nun auch Ysara klar als Bewunderung für Kann’egh Vashnar einordnen konnte. Sie fragte sich unweigerlich, was diesen Elfen mit dem dunkelelfischen General verband. Wie konnte er so.. nett über ihn sprechen? Selbst Ysara war klar, dass das nicht aufgesetzt war, sondern er ganz ehrlich reagierte. Sie fragte sich, woher seine Loyalität dem General gegenüber rührte. Noch immer schloss sie aus, dass Lianth ihm einfach nur freiwillig und aus persönlicher Güte diente.

"S-Seine Rede sucht Ihr?" Ysara nickte erneut und verharrte noch vor ihm. Ob er es ihr glaubte? Ob er sie nun als Lügnerin enttarnen würde? Plötzlich schien er über etwas nachzudenken. Die Blonde wollte ihm nicht zu viel Zeit dafür geben, bevor ihm vielleicht einfiel, dass sein Herr gar keine Rede vorbereitet hatte. Deshalb schritt sie schon selbstsicher zu dem Schreibtisch hinüber, in dem sie den Gegenstand ihrer Begierde zu wissen glaubte. "Oh ... oh bitte!" Sie konnte die Panik in Lianth' Stimme förmlich über die Entfernung zwischen ihnen hinweg spüren. Ysara merkte, wie ihre Hände plötzlich kalt wurden. Alarmiert drehte sie sich zu dem Elf herum und behielt gerade noch so ein professionelles Lächeln auf den Lippen. Bitte lass ihn den Köder schlucken, dachte sie noch und fühlte sich überhaupt nicht so ruhig, wie ihr Blick hoffentlich wirkte. Der Elf eilte zu ihr hinüber und sie folgte seinen Bewegungen mit den Augen, als er seine Hände beinahe schützend auf die Notizen legte, die sich auf dem Tisch befanden. "B-bitte ... i-ich muss das ... fertig bekommen. Wenn e-etwas durch-durcheinander gerät, dann ..." Sie sah die Tintenflecke auf seinen Fingern, mit denen er die Unterlagen bedeckte, ehe ihr Blick auf einen Ausschnitt eines fein säuberlich beschriebenes Pergament fiel, das sich darunter verbarg. "Du kannst schreiben?", fragte sie frei heraus, mit ehrlicher Überraschung und zum ersten Mal sprach auch sie ohne aufgesetzte Arroganz. Da war kein Gehabe in ihrer Stimme mehr, nur ehrliche Verblüffung. Er konnte nicht nur schreiben, sondern sie erkannte auch eine fehlerfreie Federführung. Die wenigsten Diener, die sie kannte, konnten schreiben und wenn dann bestimmt nicht so schön wie er. Sie blickte ihn einen Moment prüfend an. Wie lange er hier wohl schon saß und diese Schreiben verfasste? Doch Lianth war verstummt und schaute auch jetzt lieber die Blätter an als die Frau, mit der er redete.
"Schon gut. Ich pass' auf", meinte sie plötzlich gutmütig und unterdrückte ein Seufzen. Im Inneren fühlte sie sich hin und her gerissen. Sie musste unbedingt ihr Ziel erreichen, sie hatten nicht viel Zeit, was ein Grund dafür war, dass sie ihn so überfahren hatte. Aber sie wollte ihn auch nicht verschrecken und eigentlich wollte sie ihm auch keine Probleme bereiten. Dass sie ihm solch eine mit ihrer Aktion bereiten könnte, wurde ihr erst in diesem Augenblick bewusst, als er seine Schriften verteidigte - und das für seine Verhältnisse wohl ziemlich dringlich, wie sie seiner Reaktion entnahm. Es zuckte in ihren Fingern und sie war kurz davor, dem Elfen beruhigend eine Hand auf seine zu legen. Doch sie hielt sich zurück. Es war gar nicht so leicht, jemand rigoroses zu spielen, wenn man eigentlich ein weiches Herz hatte. Ysaras Blick huschte kurz an Lianth' vorbei zu den Schubfächern, vor denen er stand, sodass sie ihn fragte, ob sie wohl daran dürfte. "Äh… General Vashnar h-hat mich a-angehalten ... i-ich soll nicht in s-seinen Unterlagen ... herum ... wühlen…" Ysara bemühte sich um einen festen Ausdruck in den Augen. Mist. Jetzt wird es kompliziert, dachte sie. "Verstehe", murmelte sie jedoch und lächelte fein, während sie versuchte, ihre ältere, arrogante Schwester zu imitieren. Ihre liebliche Stimme war manchmal am gefährlichsten an ihr, weil sie dadurch unterschwellig, aber durchaus verständlich machte, dass sie unzufrieden mit den Umständen war. Ysara war klar, dass sie vorsichtig mit Lianth umgehen musste. Sie dachte darüber nach, wie sie den Elfen umstimmen konnte. Da schien ihm etwas einzufallen und plötzlich sah er sie mit einem Leuchten in den Augen an, während sie den Blick fragend erwiderte. "I-Ihr seid ja nicht ich! I-ihr k-könnt suchen, ohne dass ... dass ich seine B-bitte m-mit Füßen trete." Sie blinzelte kurz verdutzt, dann aber durchströmte sie eine große Erleichterung. "Das stimmt. Du bist scharfsinnig." Ihr entwich ein kurzes Grinsen, weil sie nicht ganz glauben konnte, dass er sich tatsächlich gegen den Befehl des Generals stellte. Sie folgte mit den Augen seiner einladenden Geste zum Tisch. "I-ich glaube, e-es ist nicht verschlossen- B-bitte, Fräulein Seraph-phina. I-ich hoffe, die R-rede ist hier irgendwo." Nicht nur Lianth fiel ein Stein vom Herzen. Ysara betrachtete einen Moment sein Gesicht, auf dem sich ein seliges Lächeln zeigte. Dann entwich ihr unbewusst angehaltener Atem leise, aber durchaus hörbar, immerhin standen sie direkt nebeneinander. "Das ist sehr freundlich von dir", meinte sie ehrlich, auch wenn sie sich immer noch etwas schwer damit tat, die Situation so anzunehmen. Beim Anblick von Lianth, als sie in das Zelt hereingekommen war, hätte sie niemals damit gerechnet, dass er ihr auch noch helfen würde.

Richtig schlau wurde sie aus dem Elf und seinen Beweggründen aber immer noch nicht. Wenn er ihr schon half, wollte sie wenigstens seinen Namen wissen. "L-Lianth. Mein N-Name ist ... Lianth Farnhain. Aber ich diene dem ... General nicht. Ich hab ihn nur begleitet, u-um Faldorian zu behandeln. Ich bin Heilkundiger. Ich helfe hier."
"Freut mich, Lianth Farnhain", meinte sie ganz automatisch, aber nicht weniger freundlich. Ihr fiel auf, dass er nicht mehr ganz so hilflos vor sich hin stammelte und offenbar langsam auftaute. "Ein Heilkundiger..?", wiederholte sie fragend. "Wo bist du denn dem General über den Weg gelaufen? Und das heißt, du bist hier.. freiwillig?" Prüfend sah sie Lianth an, als müsste sie sich vergewissern, dass sie das richtig verstanden hatte. Dann aber sah sie zu ihren Begleiterinnen hinüber und konnte ihnen förmlich ansehen, dass sie nervös wurden vor Tatendrang. Tami begann schon, im Zelt herum zu tigern. Ysara machte Anstalten, die große Schublade am massiven Tisch zu öffnen, doch sie wurde schnell enttäuscht. Sie war verschlossen. Mist! Sie versuchte ihr Glück an den Schranktüren, aber auch diese waren verschlossen. "So ein..", setzte sie verstimmt an, beendete den Satz dann aber im letzten Moment lieber still für sich in ihren hübschen Kopf. .. Drecksschrank!
"Er ist verschlossen", teilte sie Sadia und Tami mit und sie spürte, wie langsam erneut eine Nervosität in ihr aufstieg. Sie wusste nicht, wie viel Zeit ihnen blieb, aber sicher war, dass sie irgendwann ablief. "Du hast nicht zufällig den Schlüssel, Lianth?", fragte sie den Elfen und klang diesmal eher formlos als verstimmt wie vorhin. Und falls er ihre Frage verneinte, was sie befürchtete, wandte sie sich an ihre Dienerinnen. "Am besten helft ihr mit, ihn zu suchen. Bevor der General seine Geduld verliert.." .. und unverhofft zurück in sein Zelt kommt. Wenn sie zu dritt alle Schränke durchsuchten, würden sie hoffentlich schnell Erfolg haben. Ysara begann auch gleich mit der kleinen Kommode, die rechts vom Schreibtisch stand und begann, sie recht zurückhaltend zu durchsuchen. Am liebsten hätte sie sie einfach schnell durchwühlt, aber sie sollten so wenig Spuren wie möglich hinterlassen, damit Kann’egh Vashnar möglichst spät auffallen würde, dass seine Habseligkeiten durchsucht und ein Teil entwendet worden war - wenn sie denn, so die Hoffnung, erfolgreich sein würden.

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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Lianth » Donnerstag 16. November 2023, 07:21

Lianth konnte nur aufgrund der nobleren Aufmachung Ysaras mutmaßen, dass die beiden anderen Frauen ihre Gefolgschaft oder sogar Dienerinnen waren. In Shyána Nelle folgten Zofen den adligen Elfen, aber davon verstand das Spitzohr selbst nur wenig. Es hatte sich nie wirklich in diesen Kreisen bewegt und edles Blut pflegte selten einen Besuch in der kleinen Apothekerstube seines Bruders zu machen. Wenn es Königin und Hofstaat gesundheitlich schlecht gegangen war, suchten sie das Shyáner Hospital auf oder ließen sich von den königlichen Ärzten pflegen.
Auf dieser Ebene galt Lianth damit als recht unbelastet, was Standesvorurteile betraf, aber seine introvertierte Art hatte ihn ohnehin niemals eine Persönlichkeit in diese Richtung entwickeln lassen. Für ihn befanden sich auf einmal eben nicht eine Adlige und ihre Zofen im Zelt, sondern drei junge Frauen, die er nicht kannte. Viel sah er von ihnen ohnehin nicht, wenn er den Blick weiter gen Boden gerichtet hielt. Es gab nur wenige Momente, in denen er ihn hob. Es fiel ihm schwer, andere anzusehen, denn er fühlte sich stets unwohl dabei, ohne einen Grund nennen zu können. Es bereitete ihm einfach Unbehagen. Doch für den Moment standen seine Bedürfnisse im Hintergrund. Er lauschte Ysaras Ausführungen und treudoof wie er war fiel er natürlich sofort darauf herein. Lianth witterte keine Lügen, denn er sah keinen Grund, dass man unehrlich mit ihm umgehen sollte. Seinerseits blieb er schließlich auch aufrichtig. So konnte man ihm nicht nur die Freude über des Generals Beförderung offen ansehen, sondern auch dessen Sorge, als er erfuhr, dass jener ohne Rede zu seiner eigenen Ernennungsfeier gegangen war. Weitaus mehr Sorge bereitete Lianth dann aber doch die Möglichkeit, dass Ysara mit einer unbedachten Suche die letzten Stunden harter Arbeit durcheinander bringen könnte. So stellte der Shyáner sich todesmutig zwischen die Blonde und seine Stapel an Korrespondenzen.
"Du kannst schreiben?"
Lianth starrte. Die Frage riss ihn dermaßen aus dem Konzept, dass er Gelegenheit erhielt, Ysara einmal genauer zu mustern, weil er seine Augen nicht von ihr lösen konnte. Er glotzte sie an wie das Rindvieh, während man es zur Schlachtbank führte. Lianths Wimpern wiesen nur nicht die tiefe Schwärze auf, die sonst einen Kranz um treue Kuhaugen bildeten. Seine Wimpern waren lieblicher, heller. Sie passten perfekt zu den fein geschwungenen Brauen, welche in Überraschung gehoben waren. "Äh...", gab er von sich. Dann aber siegte ein um's andere Mal die Unsicherheit. "I-Ihr n-nicht? Äh..." Er hatte nie darüber nachgedacht, dass auf Celcias Boden auch Geschöpfe mit weniger Zugang zu Bildung wandelten. In Shyána Nelle wuchsen alle so wohlberhütet auf, dass es ganz natürlich war, ihnen auch Lesen und Schreiben beizubringen. Beides war so wichtig, ebenso wie kleinere Rechenaufgaben. Nur jene, die sich wirklich gewissen rationalen Praktiken widmeten, gingen zu entsprechenden Lehrmeistern, um sich mit Welten jenseits aller Vergnügungen hinzugeben. Mathematik, Physik ... kaum greifbar für Lianth, zumindest nicht in den Tiefen von Shyánern, die beispielsweise Architektur als ihr Steckenpferd ansahen. Sogar sein Bruder Lavellyn hatte den einen oder anderen Kurs besucht, um den Umgang mit Messwaagen, Dosierungen und Zusammenstellungen all seiner kleinen Experimente zu perfektionieren. Die Vorstellung, sein lieber Bruder hätte all das lernen müssen, ohne Schreiben zu können, war absurd.
Verlegen senkte der Elf die Lider. "Was ist das nur für eine Welt, in der man Euch den Zugang zu Büchern und Briefen verwehrt?", murmelte er und war so betroffen, das er eine Hand von den Notizen herunter zog, um sie auf seinen Bauch zu drücken. Die Ungerechtigkeit der grandessarischen Gesellschaft erschreckte ihn nicht nur, es bereitete ihm Magengrummeln. "D-das ... tut ... mir s-sehr leid", brachte er stockend hervor. Dass er es absolut aufrichtig meinte, durfte Ysara keine Sekunde später erkennen, als er doch noch einmal den Blick auf sie richtete. In seinen Augenwinkeln schimmerte es verräterisch feucht. Diese bemitleidenswerte, schüchterne Gestalt hatte ... Mitleid mit ihr! "W-wie wollt Ihr denn d-dann Kan'eghs R-Rede erkennen können? Oh, ich ... ich muss Euch helfen! I-ihr schaut in den Schubladen nach u-und ich ... ich lese Euch vor!"
Die Möglichkeit, sie unterstützen zu können, wischte seine scheue Ader beiseite. Lianth zeigte erneut mehr Mut als er sich selbst zutraute, denn er trat nun an Ysaras Seite. Jene beschäftigte sich bereits mit der breiten Schublade, anschließend mit den Schranktüren des Schreibtisches. Zu ihrer Enttäuschung war alles gut verschlossen. Kan'egh Vashnar hielt Ordnung. Er vertraute darauf, dass Lianth nicht in seinen Unterlagen herum stöberte, aber nicht nur, weil der Elf ein zu mickriges Schoßhündchen wäre, um ihm diese kriminelle Ader anzudichten. Er sicherte sich ab, auch gegen den Shyáner. Kan'egh ging keine Risiken ein. Deshalb war er zum General ernannt worden.
Lianth hingegen teilte nun seine Profession mit, so dass er von seinem blonden Gegenüber gleich mit ein paar Fragen gelöchert wurde, während sie weiterhin darum kämpfte, eines der Fächer aufzubekommen. "Ein Heilkundiger...? Wo bist du denn dem General über den Weg gelaufen? Und das heißt, du bist hier ... freiwillig?"
Erneut entlockte sie dem Spitzohr damit einen verwirrt überraschten Blick. Und erneut weckte es seine Unsicherheit. Er spielte mit einzelnen Strähnen seines Zopfes, ehe er ihn im Ganzen über die Schulter zurück schob und nur noch ein paar vorwitzige Haare hinter das Ohr. "Äh ... Kan'egh h-hat mich nicht fern von m-meiner Heimat g-getroffen. Im Urwald Kapayu. I-ich war ... ich hab ..." Lianth verstummte. Er war eine ehrliche Haut, aber selbst er besaß Geheimnisse. Dass er sich in die gefährlichen Urwälder aufgemacht hatte, um nach Pflanzen zu suchen, die ihm bei seinem Hybridenproblem helfen könnten, wussten nur sein Bruder und er. Oh, lieber Vellyn. Ich muss dir noch schreiben!
"I-ich ... sein Soldat war verletzt. Ich konnte doch nicht ... ich bin Heiler, natürlich bin ich mitgekommen! Ohne mich hätte der gute Faldorian es gar nicht bis hierher geschafft. Aber er ist auf dem Wege der Besserung, so dass ich General Vashnar ein wenig zur Hand gehen kann, bis mein Patient vollständig genesen ist." Lianth hatte das Gestammel gänzlich verdrängt. Wenn er über seine Tätigkeit sprechen konnte, fühlte er sich sicher. Denn dann wusste er genau, was er tat und sagte. Es war sicheres Gefilde, in dem er sich vollauf geborgen fühlte. Dann glühten seine Augen wie kleine Sonneuntergänge, die sogar den Splitterschmuck auf seiner Haut in den Schatten stellten. Etwas Selbstsicheres trat in seinen Blick, die Haltung wirkte weniger geduckt. Aber kaum, dass er dieses Gelände wieder verließ, kehrten auch alte Gewohnheiten zurück.
"Du hast nicht zufällig einen Schlüssel, Lianth?" Ysara kam bei dem Schreibtisch einfach nicht weiter, aber ihr lief die Zeit davon. Da Lianth sich bislang als so hilfsbereit und ehrlich erwiesen hatte, war es nur plausibel, ihn direkt zu fragen. Leider musste der Elf verneinend den Kopf schütteln. Er brauchte keinen Schlüssel, wenn ihm doch verboten worden war, herum zu schnüffeln. Auch das war plausibel. Papiere, Feder und Tinte hatte Kan'egh ihm vorher zur Verfügung gestellt und Lianths Zeit sehr gut eingeschätzt. Der Elf wäre auch ohne das Auftauchen der drei Mädchen noch lange nicht mit seinen Pflichten fertig. Ihm würde auch das Papier nicht ausgehen. Es gab absolut keinen Grund für ihn, nach mehr zu verlangen. Aber sein General benötigte seine Rede.
"Oh ... ohweh", murmelte Lianth. Er berührte bekümmert seine Lippen mit den Fingern, hinterließ auch dort einen sanften Tintenabdruck, aber bemerkte es nicht. "Mein a-armer General. E-er muss wegen d-der Feier so n-nervös sein, dass er ... vergessen hat, Eu-Euch den Schlüssel zu überlassen. Ohweh!" Und nun? Diese drei Frauen sind extra hierher gekommen, um ihm zu helfen. Was jetzt? "W-wenn Ihr ohne ... es w-würde Eurem R-Ruf ebenso sch-schaden wie dem seinen, n-nicht wahr?" Das ist wirklich schlecht. Kan'egh wird sich vor all den Feiernden furchtbar blamieren. Oh, sie werden ihn auslachen und er wird beschämt hierher zurückkehren, sich unter der Decke verstecken und leise weinen. Dann muss ich ihm Tee kochen und den Rücken tätscheln ... ich werde noch weniger Zeit haben. seinen Schriftverkehr zu verfassen. Ohje, ohje ... das ist eine wahre Krisensituation. Und Seraphina? Sie wird sicherlich als unzuverlässig verschrien. Dabei bemüht sie sich so sehr! Lianths Augen hüpften von Ysara, zu Tami und Sadia. Er dachte fieberhaft nach, wie man die Situation nun retten könnte. Aber selbst im Fieber hatte so manche gute Seele eine Offenbarung. Und auch wenn Lianth der Gedanken nicht gefiel, so sah er doch schnell ein, dass es hier kein Entkommen gäbe. Es standen so viele Reputationen auf dem Spiel, wenn er nun nicht über seinen Schatten sprang. Nur Mut ... du schaffst das ...
Lianth atmete durch. "Ich tu's", teilte er dann recht zusammenhanglos mit, bedachte man, dass keine der Damen seine Gedanken hatte lesen können. Er griff sich in Herzhöhe an die Robe und deutete vor Ysara eine leichte Verbeugung an. "I-ich helfe Euch! Ich gehe zum ... zum General und lass mir den Schlüssel au-aushändigen. I-ich beeile mich. Er wird f-froh sein, wenn wir uns schnell darum k-kümmern, dass w-wir seine R-rede beschaffen. Oh, a-aber ... b-bitte..." Lianth deutete auf die Stapel an Umschlägen. Notizen und begonnenen Briefe in seiner feinen Handschrift. "B-bringt nichts d-durcheinander ... i-ich bin schnell wieder zu-zurück!"
Er ahnte nicht, was er im Begriff war zu tun. Nicht nur, dass er drei Diebinnen allein im Zelt des Generals zurücklassen wollte, Lianth war drauf und dran, sie durch seine Aktion direkt beim General zu verraten. Dieser würde keine Seraphine Arretea kennen. Er würde keine Rede vermissen und sicher auch keinen Schlüssel zu seinen Schreibtischfächern herausrücken. Aber der Elf war arglos. Er war hilfsbereit. Und er würde allen Mut zusammennehmen, um seinem General als auch der Adligen samt Gefolge eine Blamage zu ersparen - ungeachtet der Tatsache, dass ein mit Tinte beschmierte, nicht fein ausstaffierter, heilkundiger Shyáner in einem Festzelt von Dunkelelfen und Grandessarern vermutlich am Ende gar keinen guten Ruf mehr besaäße. Im schlimmsten Fall würde sein Leben dort enden, aber das kam Lianth nicht in den Sinn. Warum auch? Warum sollte jemand den Anlass sehen, ihm etwas anzutun? Er würde ja nur nach einem Schlüssel fragen, leise und wenig auffällig. Es würde schon gut gehen. Er musste nur mutig sein.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Erzähler » Freitag 17. November 2023, 12:30

Es war eine Verkettung von unglücklichen Gegebenheiten, dass die drei Krähen ausgerechnet auf Lianth gestoßen waren. Auf beiden Seiten führte das zu größerer Anspannung und einer Vorsicht, die auch schnell in einer Eskalation hätte enden können. Einzig Ysara’s empathischer Umgang mit der Schüchternheit des Elfen war es zu verdanken, dass sie nicht Alarm schlugen und jemand auf sie aufmerksam wurde. Aber auch Lianth war ein entscheidender Faktor. Niemals wäre er auf die Idee gekommen, dass sich die drei Frauen unbefugt in das Zelt des General’s geschlichen hatten, um einen Diebstahl zu begehen. Niemals hätte er geglaubt, man könne ihn austricksen und versuchen, mit seiner Hilfe an das Gewünschte zu gelangen. Lianth’s Gutgläubigkeit war es ebenfalls, die sich gepaart mit der Vorsicht von Ysara zu einem Gemisch verband, dass ihnen beiden Zeit einräumte. Ysara erreichte mit ihrem forschen Auftritt, dass Lianth nicht einmal zweifelte an dem Wahrheitsgehalt ihrer Worte. So konnte sie sich recht frei bewegen und war schon drauf und dran, nach dem zu suchen, was sie finden wollte als endlich doch etwas mehr Energie in den Elfen kam. Er konnte nicht zulassen, dass die Fremde nun in den Dingen wühlte, die ausdrücklich tabu waren. Aber Lianth war so eine treue Seele, dass er eben die Dinge auch genau auslegte. Es ging nicht darum, dass jemand wie Kan’egh Vashnar Geheimnisse haben könnte, die für keine Augen bestimmt waren, sondern nur, dass er die Ordnung halten wollte. Und Lianth wurde aufgetragen, sie nicht durcheinanderzubringen. Er fand ein Schlupfloch, das Ysara aufatmen ließ.
Er erteilte ihr also offiziell die Erlaubnis, sich nach der vermeintlichen Rede umzusehen. Leider musste die Blonde feststellen, dass die Schubladen und Schränke abgeschlossen waren. Einen Schlüssel aber besaß auch Lianth nicht. Und die Frage danach, brachte ordentlich Schwung in die Angelegenheit. Während Ysara noch darüber nachdachte, wie sie jetzt weitermachen könnten, da keimte in Lianth eine neue Idee und er fasste allen Mut, den Vellyn ihm hatte mitgeben können zusammen und wollte etwas richtig gutes tun! Er wollte helfen. Den Frauen UND seinem General. Er würde über seinen Schatten springen und endlich einmal Mut zeigen, wo andere es ihm nicht mal zutrauten. Doch. Lianth entschied sich und sprach auch sogleich seinen Entschluss aus:

"Ich tu's!“ Sadia und Tami blickten zu dem Elfen. Erstere von beiden hatte bereits den halben Weg zum Schreibtisch auf sich genommen, um Ysara zu unterstützen, als sie innehielt und zweifelnd auf das Häufchen Elf blickte. "I-ich helfe Euch! Ich gehe zum ... zum General und lass mir den Schlüssel au-aushändigen. I-ich beeile mich. Er wird f-froh sein, wenn wir uns schnell darum k-kümmern, dass w-wir seine R-rede beschaffen. Oh, a-aber ... b-bitte... B-bringt nichts d-durcheinander ... i-ich bin schnell wieder zu-zurück!" „Ähm!“, kam es wenig hilfreich von Sadia und ihre Augen flogen zu Ysara. In der ersten Schrecksekunde war es Tami, die sofort reagierte. Sie setzte ein breites Grinsen auf und tänzelte leichtfüßig zu Lianth. „Liii-aaanth, mein Freund – wir sind doch Freunde, oder? – wie wäre es, wenn du mir mal kurz da drüben hilfst?“, versuchte sie den Elfen abzulenken. Dabei legte sie ihm einen Arm um die Schultern, als wären sie dicke Freunde und versuchte ihn mit sich zu ziehen. „Weißt du, ich habe seit Tagen da so ein Kribbeln im linken Fuß, ich weiß gar nicht was es ist, aber es macht mich etwas verrückt.“, plapperte Tami, die rothaarige Jüngste der drei, weiter. Sie sah frech aus, mit ihren Sommersprossen, den hellbraunen Augen, die vor Schalk nur so funkelten. „Weißt du, ich glaube der General schätzt es gar nicht, wenn wir ihn jetzt stören und dann auch noch mit leeren Händen zurückkehren.“, versuchte sie ihn davon zu überzeugen, dass das eine schlechte Idee war. Sie drehte Lianth mit dem Rücken zu Sadia und Ysara und blickte ihm fest in die Augen. Wenn er versuchte auszuweichen, dann folgte sie ihm mit ihrem Lächeln und fing seine Augen immer wieder ein. „Das sind aber sehr hübsche Steinchen da, hast du die gemacht?“, plapperte Tami weiter und wirkte tatsächlich aufrichtig dabei. „Weißt du, ich könnte auch mal wieder eine neue Frisur vertragen. Ich bin ja stäääändig nur damit beschäftigt Seraphina hinterher zu laufen, damit SIE super aussieht. Aber was ist mit mir, verstehst du? Ich meine, sieh dich an – du könntest auch mal ein gepflegtes Bad vertragen, nicht wahr? Und isst du überhaupt genug? Woher kommst du noch mal? Ich finde ja alles außerhalb von Grandea Urwald“, sie lachte und redete ohne Punkt und Komma. Tami war… einfallsreich. Sie bombardierte Lianth mit so vielen Worten, dass man glaubte, sie führte gerade ein Militärmanöver durch.

In der Zeit aber war Sadia aus ihrem Schrecken erwacht und am Tisch des Generals. Sie griff flink in eine ihrer Taschen und zog dann einen Dietrich und Spanner heraus. Ohne groß darüber nachzudenken, schob sie beides in das Schloss der ersten Tür und knackte das Schloss ohne viel Aufwand. Sofort ging Sadia eilig in die Hocke und durchsuchte den Schrank. Auch hier fanden sich nur Pergamente, die meisten auf Lerium verfasst und trotzdem konnte man erkennen, dass es sich offenbar um Kalkulationen handelte. So ein Heerlager kostete eben auch enorm viel Geld. Während Sadia den Schreibtisch durchsuchte, plapperte Tami auf Lianth ein und Ysara durchsuchte das Schränkchen. Sie fand vor allem Karten. Sie fand Karten von Grandea, von Pelgar und von Kosral. Aber sie fand auch eine Karte, die nicht mit dem Namen des Ortes beschriftet war und dennoch ziemlich detailliert wirkte. Was interessant war, war die Tatsache, dass an einem Ort auf der Karte ein kleiner Punkt war. Erst sah es nach einem Schmierfleck aus, doch dann wurde Ysi bewusst, dass er mit Absicht dorthin gezeichnet worden war. Am Rand standen einige Notizen, die halb verblasst wirkten und bei Feuerschein sichtbarer wurden. Als hätte sich jemand die Mühe gemacht, die Informationen zu verbergen. Es blieb allerdings kaum Zeit, jene zu entziffern, denn Sadia rief gerade nach Ysara. „Komm mal Y… Seraphina.“ Auch Tami’s Blick wanderte zu den anderen Frauen und scheinbar hatte Sadia etwas gefunden. Sie hatte auch die Schublade unterhalb der Tischplatte geöffnet gehabt und dort lediglich einige Münzen und Verdienstorden gefunden. Auf der anderen Seite aber fand sie dann tatsächlich etwas interessantes. Als auch Tami endlich den armen Lianth in Ruhe ließ und sich zu ihren Freundinnen gesellte, da hatte Sadia ein ganzes Bündel an Briefen in der Hand.
Sie blätterte gerade die Vorderseiten durch und runzelte die Stirn. Ysara fiel gewiss auf, dass die Handschrift feinsäuberlich war und der Adressat in Shyáná Nelle wohnte. Ein gewisser ‚Lavellyn Farnhain‘, sollte jene Briefe bekommen. Auch Lianth würde wohl den Packen an Briefen erkennen können, sobald er sich von Tami erholt hatte. Untersucht hatte er sie derweil nicht, weil sie ihn vollkommen überrumpelt, hatte mit ihrem Gerede. Vielleicht fiel ihm ja jetzt auf, dass er genarrt worden war. So oder so waren die Briefe in der Hand der Brünetten eindeutig seine, die er doch an seinen Bruder hatte schicken wollen. Was für die Frauen aber sehr viel interessanter war, hielt Sadia in der anderen Hand. „Schaut mal“, bemerkte sie leise und deutete auf eine Pergamentrolle, die kleiner als die gefundene Karte war aber feinsäuberlich mit einem Siegel versehen war. Das Siegel, welches auch auf dem Schreibtisch des Generals zu sehen war und offenbar seiner Handschrift entsprang, war bereits gebrochen, sodass Sadia die Rolle entfaltete und die ersten Worte darauf zu sehen waren. Erstaunlicherweise waren sie nicht in Lerium verfasst, sondern in Garmisch. Der erste Teil war unleserlich verschmiert: „...Unschätzbarer Wert. Wir haben bereits begonnen, alles zusammenzutragen und an Ort und Stelle vorzubereiten.“, stand dort. Doch bevor Sadia weiterrollen konnte, hörten die drei Frauen ein Pfeifen. Es war das Signal von Elian, dass sie Ärger bekommen würden. Und tatsächlich… Schritte waren zu hören, die sich dem Zelt näherten. Dann blieben sie vor dem Eingang stehen und bewegten sich nicht mehr. Offenbar war die Wache vor dem Zelt zurückgekehrt und versperrte den Weg hinaus. Und als wäre das nicht genug Aufregung, folgte gleich noch das nächste Unheil: Weitere Schritte näherten sich und als sie noch hörten, wie die Wache etwas einwenden wollte, da wurde schon die Zeltplane zurückgeschlagen und der Grobian, der Lianth im Vorfeld bereits geschubst hatte, stand mit einem Mal bei ihnen. Seine roten Augen erfassten erstaunt und überrascht die Lage. Die drei Frauen am Schreibtisch, mit den Briefen und der Rolle in den Händen und Lianth. Dann verdunkelte sich sein Gesicht. "Was zum...?!", schnaufte er mit eiskalter Stimme aus, während seine Hand bereits zum Knauf seines Schwertes wanderte.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Ysara » Samstag 18. November 2023, 14:27

Der Elf weckte Ysaras Neugier. Genau genommen hätte ihr sein Schicksal und seine Motive egal sein können, denn er hatte nichts mit ihren Plänen zu tun und war nur zufällig auch hier. Aber er war nun auch mal ganz anders als die Menschen, mit denen sie sich sonst umgab oder abgeben musste. Die meisten von ihnen gingen doch mit vollstem Selbstvertrauen durch die Welt - Ysi selbst und auch ihre Krähen konnte man davon nicht ausnehmen. Und eine Vielzahl von jenen aus dem Innenring setzte noch eine ordentliche Prise Arroganz obendrauf. Lianth aber war ein Elf, der überhaupt nicht in Grandea und schon gar nicht in das Zelt eines dunkelelfischen Generals reinpasste. Verblüfft stellte die Blonde dann auch noch fest, dass er sogar schreiben konnte. Lianth starrte sie daraufhin an und schaffte es sogar, sie diesmal länger als ein paar Sekunden anzuschauen. Offenbar hatte sie ihn mit ihrer Frage aus dem Konzept gebracht, aber er interpretierte in diese Frage etwas anderes hinein. "Äh… I-Ihr n-nicht? Äh…" Ysara erwiderte den Blick einfach nur, während sie nicht umhin kam, die Stirn zu runzeln. Für einen Moment mussten sich die beiden ungleichen Gestalten ziemlich irritiert betrachten. "Was ist das nur für eine Welt, in der man Euch den Zugang zu Büchern und Briefen verwehrt?"
"Was..?", fragte sie zuerst, bevor sie verstand, was er fälschlicherweise glaubte. "Nein, das hast du miss..", wollte sie klarstellen. Aber als sich Lianth plötzlich eine Hand auf den Bauch legte, als hätte er Schmerzen, schloss sie den Mund wieder und musterte ihn. "D-das ... tut ... mir s-sehr leid" Ysara sah das ganze Ausmaß von Mitleid in seinem Blick, mit dem er sie bedachte. War das da eine Träne in seinem Auge? "Ist alles in Ordnung mit dir?", fragte sie gleichzeitig verunsichert, aber auch mit ehrlicher Sorge. Ging es ihm nicht gut? Plötzlich durchströmte sie die Sorge, dass sein Unwohlsein zu einem weiteren Problem führen könnte. "W-wie wollt Ihr denn d-dann Kan'eghs R-Rede erkennen können? Oh, ich ... ich muss Euch helfen! I-ihr schaut in den Schubladen nach u-und ich ... ich lese Euch vor!"
Jetzt war es Lianth, der Ysara kurzzeitig aus dem Konzept brachte, bis sie verstand, worauf er hinaus wollte. Sie rüttelte gerade an der großen Schublade in dem massiven Schreibtisch und stellte fest, dass sie verschlossen war. Sie schaute Lianth kurz an. "Nein, das hast du falsch verstanden. Ich kann durchaus lesen, aber.. ja, ich brauche deine Hilfe trotzdem!" Sie nickte ihm schnell zu, bevor er noch einen Grund fand, sein großzügiges Angebot wieder zurückzuziehen. "Wir müssen diese Rede finden!" Und mit Rede meinte sie die Schatzkarte - oder was auch immer dieser Gegenstand war, der sie zu einem solchen Schatz führen würde.

Während sie noch versuchte, die anderen Schränke zu öffnen, fragte sie Lianth weiter darüber aus, was ihn dazu brachte, freiwillig dem General zu dienen. Von ihren anfänglichen Zweifeln waren jedoch keine mehr übrig. Er hatte ihr ganz offen seine Hilfe angeboten und das nahm sie natürlich dankend an. "Äh ... Kan'egh h-hat mich nicht fern von m-meiner Heimat g-getroffen. Im Urwald Kapayu. I-ich war ... ich hab …" Ysara kämpfte derweil mit der nächsten Tür und verfluchte diese im Inneren. Trotzdem höre sie Lianth mit einem Ohr zu und sie hörte auch, wie er plötzlich stockte. Sie dachte über seine Worte nach, aber sie kannte nur ein Elfenvolk, das im Kapayu lebte. "Du stammst aus Shyána?!", warf sie in sein Stocken ein und überging absichtlich den Umstand, dass es etwas gab, worüber er nicht reden wollte. Ysara schlussfolgerte schnell und warf ihm einen Blick zu, um sich nach der Richtigkeit ihrer Vermutung zu vergewissern. Gleichzeitig grinste sie zufrieden und der Umstand, dass sie es so schnell erfasst hatte, sprach wohl eher wieder für ihre Bildung und dass sie durchaus belesen war. Doch was machte ein Shyáner Elf so weit entfernt von seiner Heimat? Lianth versuchte sich in einer Erklärung. "I-ich ... sein Soldat war verletzt. Ich konnte doch nicht ... ich bin Heiler, natürlich bin ich mitgekommen! Ohne mich hätte der gute Faldorian es gar nicht bis hierher geschafft. Aber er ist auf dem Wege der Besserung, so dass ich General Vashnar ein wenig zur Hand gehen kann, bis mein Patient vollständig genesen ist."
Ysara hörte ihm noch immer zu, wurde jedoch zunehmend ungeduldiger und nervöser. Sie schlug gerade mit der flachen Hand gegen die wenig kooperierende Schranktür. Dann richtete sie sich auf und stemmte die Hände in die Hüften. "Ich würde gern mit dir plaudern Lianth. Und es interessiert mich wirklich brennend, wieso du deine behütete Heimat für einen Soldaten verlässt, um dich dann auch noch freiwillig den Dunklen anzuschließen..", begann sie und wirkte plötzlich gar nicht mehr so damenhaft. "Aber ich brauche den Schlüssel!" Die Zeit rann davon! Das und die steigende Nervosität führten dazu, dass sie ihn ganz offen nach dem Schlüssel fragte. Er wollte helfen? Jetzt konnte er es. Doch der Elf schüttelte den Kopf. Natürlich hatte er keinen Schlüssel. Wieso sollte er auch? Ysara war ins Plaudern verfallen und hatte im Affekt das Erste ausgesprochen, das ihr in den Sinn gekommen war. Denn sie musste auch weiterhin den Schein einer hilfsbereiten Dame wahren und konnte, direkt neben ihm stehend, kaum offensichtlich zeigen, dass sie das Schloss lieber schnell knacken würde.
"Oh ... ohweh" Ysara schaute sich einen Moment hilfesuchend nach Sadia und Tami um. "Mein a-armer General. E-er muss wegen d-der Feier so n-nervös sein, dass er ... vergessen hat, Eu-Euch den Schlüssel zu überlassen. Ohweh!" Der Blick aus den grünen Augen wanderte zurück zu Lianth' Gesicht. "So arm ist dein General gar nicht..", setzte sie an, besann sich dann aber darauf, nicht zu sehr aus ihrer Rolle zu fallen. Sie war nicht hier, um Lianth die Augen über die Dunklen zu öffnen. Dass sie etwas gegen diese hatte, konnte er jedoch zweifelsfrei bemerken, denn der Ärger über diese und seine Naivität färbten ihre Worte. "W-wenn Ihr ohne ... es w-würde Eurem R-Ruf ebenso sch-schaden wie dem seinen, n-nicht wahr?" Es wurde immer deutlicher, dass Lianth tatsächlich nur aus reiner Herzenswärme handelte. Anders konnte sich Ysara nicht erklären, dass er sowohl ihren als auch den Ruf des Generals retten wollte. Sie zögerte einen Moment, nickte dann aber und räusperte sich. "Es war einfach zu viel los, dass wir beide gar nicht daran gedacht haben", bekräftigte sie seine Vermutung.

Sie schaute gerade zum Zelteingang, um sich zu vergewissern, dass sie noch unter sich waren, als Lianth erneut sprach. "Ich tu's." Sie sah fragend zurück zu dem Elfen und sah, dass er eine Hand auf sein Herz legte und eine Verbeugung andeutete. "I-ich helfe Euch! Ich gehe zum ... zum General.." Da entglitten Ysara die Gesichtszüge. "Nein!", fiel sie ihm ins Wort, doch er redete schon weiter. ".. und lass mir den Schlüssel au-aushändigen. I-ich beeile mich. Er wird f-froh sein, wenn wir uns schnell darum k-kümmern, dass w-wir seine R-rede beschaffen. Oh, a-aber ... b-bitte… B-bringt nichts d-durcheinander ... i-ich bin schnell wieder zu-zurück!" Ysara stand wie vom Donner gerührt da und starrte Lianth ungläubig an, sodass ihr auch Sadias Blick entging, die auf dem Weg zu ihr war. Alle Alarmglocken in ihrem Kopf begannen gleichzeitig zu schrillen. Der Elf durfte auf keinen Fall dieses Zelt verlassen! Schon gar nicht, um den General nach dem Schlüssel seiner geheimsten Geheimnisse zu fragen. Als sich Lianth vom Fleck bewegen wollte, schnellte Ysaras Hand vor und sie griff nach dem Ärmel seiner Robe, um ihn zurückzuhalten. Da stand nun endgültig keine hochwohlgeborene Dame mehr vor ihm, sondern nur noch eine Diebin, die die Entdeckung fürchtete. Bevor sie ihm jedoch sagen konnte, dass das nicht nötig war, hörte sie Tamis flötende Stimme auf sie zukommen. „Liii-aaanth, mein Freund – wir sind doch Freunde, oder? – wie wäre es, wenn du mir mal kurz da drüben hilfst?“ Erst als die Rothaarige einen Arm um Lianth legte, schien sich Ysara erst richtig bewusst zu werden, dass sie ihn festgehalten hatte. Ihre Finger lösten sich von seiner Robe. Doch die Anspannung wollte nicht mehr von ihr abfallen. Sie blickte Tami dankbar in die Augen und wartete nicht lange, als die Rothaarige den Elfen mit sich zog. Sie verfolgte das Gespräch, oder vielmehr den Monolog nicht, denn ihre gesamte Aufmerksamkeit lag nun auf dem Schränkchen. Sie hatten viel zu viel Zeit mit Plauderei verbracht. Sie widmete ihre volle Aufmerksamkeit nun den Pergamenten in dem Schrank, während Sadia neben ihr ein Schloss nach dem anderen knackte. Durch Ysaras flinke Finger glitten derweil verschiedene Karten, die sie aufgrund der Beschriftung schnell den Orten zuordnen konnte. Daher fiel es ihr besonders auf, dass eine von ihnen nicht beschriftet war. Sie nahm sie vorsichtig in die Hände und betrachtete sie genauer. Es stand keine Ortsbezeichnung darauf, aber es gab einen schwarzen Punkt, eine Markierung.. Ysaras Herz begann vor Aufregung schneller zu schlagen. Dann handelte es sich also wirklich um eine richtige Schatzkarte? Wie aufregend! Sie hielt die Karte kurz in die Richtung des Feuers und erkannte, dass die Notizen am Rand durch den Flammenschein dahinter lesbarer wurden. Es war jedoch keine Zeit dafür, diese jetzt zu entziffern.
„Komm mal Y… Seraphina.“ Die Angesprochene sah fragend auf. Bevor sie sich aber erhob, legte sie die restlichen Karten wieder ordentlich übereinander, so wie sie sie in dem Schrank vorgefunden hatte, damit nicht auf den ersten Blick auffiel, dass jemand die Sachen durchwühlt hatte. Die vermeintliche Schatzkarte aber faltete sie zusammen, während sie zu Sadia ging und betrachtete, was sie entdeckt hatte. Sie schaute auf das Bündel Briefe, die sie gefunden hatte und legte einen Finger auf ein Kuvert, um es zu lesen. "Lavellyn Farnhain", las sie murmelnd vor, sodass auch Tami eine Ahnung davon bekam, was sie entdeckt hatten. Ysara runzelte die Stirn und blickte zu Lianth hinüber. "Du hast die geschrieben?", stellte sie fest und es war eher eine rhetorische Frage.

Sadia kam zu ihrem nächsten Fundstück: ein kleines Pergament, das einmal mit dem Siegel des Generals versiegelt worden war. Diesmal las sie die in Garmisch geschriebenen Worte jedoch still für sich und nicht laut für Tami vor. Sie wusste nicht, ob Lianth Garmisch sprach und sie wollte ihn nicht noch auf die Idee bringen, dass sie nicht wegen der Rede hier waren. Als sie dann plötzlich Elians Pfiff hörte, ruckte Ysaras Blick alarmiert zu Sadia hoch und dann hinüber zu Tami. Ihr Blick aus den grünen Augen sagte alles. Scheiße! Schon konnten sie die Schritte vor dem Zelt hören. "Pack sie ein", flüsterte sie noch Sadia in ihrer Muttersprache zu und deutete mit dem Kopf auf das Pergament in ihrer Hand. Sie würden die Worte sowie die Notizen am Rand der Karte später lesen. Dann schob Ysara die gefaltete Karte durch den Ausschnitt ihres grünen Kleides in tiefere Regionen, wo sie hoffentlich vor Blicken gut verborgen lag, bevor sie hörte, wie die Zeltplane in ihrem Rücken zurückgeschoben wurde. "Ruhig bleiben", mahnte sie leise, aber es war nicht recht zu deuten, ob sie zu ihren Freundinnen oder zu sich selbst sprach. Die Krähe drehte sich zum Eingang des Zeltes herum und sah zwar nicht, wie befürchtet, den General selbst, aber einen anderen Dunkelelfen. Und sein Anblick reichte aus, um Ysaras Herzschlag zu beschleunigen. Ihre Hände wurden augenblicklich feucht und kalt, während sie einen Schauer spürte, der über ihren Körper rauschte. Was hatte Cassian ihr vorhin noch mit auf den Weg gegeben? „Sie dürfen euch nicht erwischen. Sie würden nicht lange zögern und sie bekämen Recht…“ Die grünen Augen verharrten einige Momente auf dem Schwert des Dunkelelfen, zu dem seine Hand schon rutschte, während seine Stimme so eiskalt war, wie sich ihre Hände anfühlten.
"Begrüßt ihr so die Gäste eures Generals? Ihr wollt doch nicht etwa einer Dame und ihren Dienerinnen drohen?!" Ysara gab sich redlich Mühe, eine resolute Miene aufzusetzen, die auch ihre Mutter gerne ausstrahlte - und in den meisten Fällen mit Erfolg. Aber sie war nicht ihre Mutter und sie war nicht gefeit vor der Angst vor den Dunklen. Das hier war kein Spiel mehr. Ysara spürte pure Angst in sich aufsteigen, denn sie wusste, dass sie keine Chance gegen diesen Dunkelelfen hatten, wenn der erst einmal beschloss, ihnen nicht zu glauben und das Recht des Generals zu sprechen. Sie versuchte sehr, tapfer zu sein, aber ihre Stimme zitterte leicht, was man jedoch auch dem Ärger einer Dame und weniger der Angst einer Diebin zuschreiben konnte.

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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Lianth » Sonntag 19. November 2023, 12:09

Lianth zählte nicht zu den Persönlichkeiten, die auffallen sollten. Er trat der Welt ohne jegliche Selbstsicherheit entgegen, wenn er sich denn überhaupt aus seinem Schneckenhaus wagte. Und auch wenn er gerade jetzt optisch besonders auffiel, dass man ihn als ansehnlich bezeichnen könnte, wäre er unter seinesgleichen vermutlich maximal gehobener Durchschnitt. Ob Ysara es erkannte? Nun, sie hatte Lianth sofort als shyáner erkannt. Er nickte und senkte fast beschämt den Blick, ob ihres Einwurfs. Als gäbe es einen Grund, sich für seine shyáner Herkunft zu schämen. Trotzdem stand ihm das Rosige seiner Wangen recht gut zu Gesicht. Es passte sich harmonisch in sein übriges Erscheinungsbild ein. Lianth legte Wert auf ein gepflegtes Äußeres, weil es für ihn als Heilkundigen auch notwendig war - seine Hände reinigte er oft. Aber er strebte nicht die Perfektion an wie andere, die man anschließend kaum mehr vom Spiegel fortbewegen konnte und deren Hosen bei jedem Abbild des eigenen Gesichts sofort zu eng wurde.
Lianth fiel dennoch auf, vor allem Ysara.
"Ich würde gern mit dir plaudern, Lianth. Und es interessiert mich wirklich brennend, wieso du deine behütete Heimat für einen Soldaten verlässt, um dich dann auch noch freiwillig den Dunklen anzuschließen..." "E-er ... war verletzt. Lebensgefährlich verletzt!" Verwirrung ob ihrer Aussage kämpfte mit einer Spur Ärger, dass es Lebewesen geben könnte, die dann nicht mitgegangen wären, um zu helfen. Letzteres trat jedoch nur durch einen seicht schärferen Ton in seine Stimme und schwand sofort wieder, denn im Grunde unterstellte Lianth es Ysara gar nicht, so zu denken.
Er war definitiv anders. Er fiel definitiv auf. Weder Aussehen noch scheues Verhalten würden ihr so sehr in Erinnerung bleiben wie seine Art. Er hob sich ab aus diesem grauen Sumpf adliger Heuchelei, bitterer Armut und dunkelelfischer Grausamkeiten. Er war nett und hilfsbereit. Letzteres ein wenig zu intensiv, denn seine selbstlose Ader könnte sie alle binnen kürzester Zeit in Schwierigkeiten bringen. Letztendlich zeigte Lianth sich nämlich auch als äußerst naiv. Nicht nur, dass er Ysara und den beiden anderen Krähen sofort ihre Edelrolle samt Dienerinnen abnahm, er glaubte auch, ohnen Gutes zu tun, wenn er statt ihrer den General aufsuchte. Er war bereit seinen eigenen Ruf zu riskieren, um den ihren zu wahren, nur weil sie sich als Adlige ausgab. Dass er allerdings Kan'egh Vashnar direkt aufsuchen wollte, stellte ein Problem für das Trio dar. Eines, das Ysara nicht so schnell allein ausbaden konnte. Glücklicherweise hatte sie die selbstbewusste Plaudertasche in spe mitgenommen.
Lianth erstarrte in seiner Bewegung, als er seinen Namen in lieblicher Dehnung durch das Zelt schwingen hörte. Seine Elfenohren zuckten. Bevor er überhaupt den Kopf Richtung Quelle drehen konnte, stand sie vor ihm und legte ihm sogleich einen Arm um. Er versteifte sich, duckte den Kopf zwischen die Schultern und starrte, während Tami versuchte, ihn in eine andere Ecke des Zeltes zu befördern.
"Liii-aaanth, mein Freund - wir sind doch Freunde, oder? - wie wäre es, wenn du mir mal kurz da drüben hilfst?"
"Äh ... w-wir kennen u-uns doch n-noch gar nicht so gut ... v-von Freunden w-würde ich ni-... h-helfen? Oh, sicher", murmelte er und ließ sich mitziehen. Tami wusste bereits, wie sie ihn ködern konnte. Er folgte auch ihr sofort, warf nur noch einmal einen flüchtigen Blick zu Sadia und Ysara zurück. Beide machten sich wieder am Schreibtisch zu schaffen. NIemand forderte ihn auf, den General aufzusuchen, aber auch er wurde aufgrund der verrinnenden Zeit nun nervöser. Der arme General brauchte seine Rede!
Tami hingegen traf erneut voll ins Schwarze. Binnen weniger Silben erhielt sie die volle Aufmerksamkeit des Elfen. "Weißt du, ich habe seit Tagen da so ein Kribbeln im linken Fuß, ich weiß gar nicht, was es ist, aber es macht mich etwas verrückt."
"Es könnte ein eingeklemmter Nerv sein, der die nötige Blutzufuhr verhindert. Im schlimmsten fall könntest du auch viel zu viele Süßspeisen in den letzten Jahren zu dir genommen haben. Das schädigt dich, verletzt deine Adekanäle, durch die das Blut fließen muss. Es kommt nicht mehr dort an, wo es soll. Bei den Füßen passiert das am ehesten, denn die Aderstränge in den Beinen sind am längsten, bieten somit die meiste Fläche, um geschädigt zu werden. Ich sollte mir deine Zehen anschauen. Sind sie schwarz? Hast du Taubheitsgefühle in ihnen? Ich habe meine Knochensäge in meiner Tasche, ich kann eine Amputation durchführen, aber vermutlich ist es wirklich nur ein eingeklemmter Nerv. Ich will dir schließlich keine Angst machen. Die meisten Symptome sind harmlos. Trotzdem darf man auch die Ausnahmen nicht unberücksichtigt lassen. Aber ich bekomme das schon hin. Bitte, würdest du dich hinknien und deine Schuh ausziehen? Ich schau mir das sofort an." Plötzlich stutzte er. "O-oh ... i-ich ... äh ... hätte Euch h-höflicher a-ansprechen sollen. E-es ... tut mir l-l-leid. Verzeiht. Ich ... m-manchmal ... vergesse i-ich mich etwas." Er hatte nicht einmal gestottert bei seinen Schauergeschichten über medizinische Durchbrüche. Jetzt aber stammelte Lianth erneut, wurde immer kleiner und man sah ihm an, wie sehr er schon darunter litt, Tami möglicherweise gekränkt zu haben. Verlegen ließ er die Wimpern wie einen Schleier über seine Augen niedersinken. Die heilkundlerische Selbstsicherheit schwand, sankt zusammen mit seinem Kinn herab, das seinen Weg bis auf seine Brust fand. Der Mut suchte sich wohl eine winzige Ecke bei seinen eigenen Füßen. Er friemelte nervös am Saum seines Robenärmels herum.
Tami nutzte die Gelegenheit, um weiter zu plappern. Sie lenkte Lianth damit nicht nur noch mehr ab, sondern schien auch sich selbst ein wenig zu beruhigen. Was der Elf alles zu ihrer Gesundheit gesagt hatte, klang nicht erbaulich. Wer wollte schon einen Zeh verlieren?! Kribbelte dieser nicht bereits, obwohl sie sich das nur ausgedacht hatte? Vielleicht war sie doch krank? Rasch redete sie weder, ehe es Lianth gelänge, sie zu verunsichern!
Der Elf war nun auch artig. Er nickte alles ab, schüttelte ab und an den Kopf und nuschelte ein leises "Hm". Blickkontakt hielt er keinen mehr. Wie ein gescholtener Hund stand er vor Tami, größer wohl als sie und doch so klein und in sich zusammengesunken. Er war ein spitzohriges Häuflein Elend, das man in eine warme Kuscheldecke packen und ihm einen Baldrian-Tee in die Finger drücken wollte.
"Du könntest auch mal ein gepflegtes Bad vertragen, nicht wahr?"
"Äh ... j-ja ... w-wir waren lange u-unterwegs u-nd o-ohne die Möglichkeiten. I-ich..."
"Und isst du überhaupt genug?"
"H-heute? Nun ... äh ... n-nein?"
"Woher kommst du nochmal? Ich finde ja, alles außerhalb von Grandea Urwald."
"Shy... mh..." Lianths halb genuschelte Antwort ging in Tamis Lachen unter. Sie hörte ihm doch ohnehin nicht zu und er versuchte gar nicht, auf sich aufmerksam zu machen. Im Gegenteil, er wurde bei so viel geballtem Redefluss immer kleiner und ruhiger. Sein Stimmchen war zu einem Wispern zusammengesunken, wenn es überhaupt noch mehr als kurze Laute von sich geben konnte. Er fiepste seine Antworten und der eigene Blick richtete sich fokussiert auf seine Schuhe. Ihm war unwohl, nur wusste er nicht, wie er sich am besten zurückziehen konnte. Tami überfiel ihn mit dem schlimmsten Feind, den ein Introvertierter haben konnte: Redefluss. Lianth perlte schon Schweiß auf der Stirn.
Er wurde von außen erlöst. Die Retterin Sadia rief ihre Begleiterinnen zu sich. Ihr war es gelungen, die Schubladen des Schreibtisches zu knacken. Jetzt konnten sie sich nicht nur über die Beute hermachen, sie fanden auch Dinge, die selbst den Elfen interessieren könnten. Er stand allerdings nach wie vor wie ein im Regen zurückgelassenes Kätzchen auf der anderen Seite des Zeltes und fingerte an seiner Kleidung herum. Erst als der Name seines Bruders fiel und Ysara ihn direkt ansprach, ruckte Lianths Kopf empor.
"Du hast die geschrieben?"
"W-was?" Sie konnten Lavellyn nicht kennen. Er hatte seinen Namen nicht genannt. Er befand sich sicher und weit weg in Shyána Nelle. Woher kannten sie ihn? Das riss Lianth weit genug aus seiner Starre, um sich dem Schreibtisch zu nähern. Er brauchte allerdings keinen genaueren Blick auf das Bündel in Ysaras Händen zu werfen, um es zu erkennen. Er nickte gedankenlos, während seine Augen auf die Größe von kleinen Untertellern heranwuchsen. Die Pupillen flackerten im Bernstein. "J-ja, d-das sind m-meine Briefe an m-meinen Bruder. A-aber..." Er streckte seine Hand in absolutem Unglauben danach aus. "W-was machen die hier? K-Kan'egh h-hat sie doch a-alle ... i-ich h-hab sie ihm ... gegeben. I-ich ... Vellyn w-weiß gar n-nicht, dass i-ich ..." Er wurde blass. Was machte eine solche Nachricht mit jemandem, der einem anderen und dessen Zuverlässigkeit blind vertraut hatte? Erstmals in seinem Leben trat jemand sein gutmütiges Herz mit Füßen ... und Lianth erfuhr davon. Er verstand es nicht. Er konnte und wusste nicht, mit dieser Information umzugehen. So stand er wie ein Geist im Raum, die Hand noch immer nach den Briefen ausgestreckt, aber unfähig, sie entgegen zu nehmen. Sie würden einfach fallen, sollte Ysara sie herüber reichen. Vielleicht kam sie aber auch nicht mehr dazu, denn plötzlich ertönte ein Pfiff. Drei von vier Anwesenden wurden hellhörig. Der mit den besten Ohren, um ihn wahrzunehmen, starrte noch immer vor sich ins Leere.
Schon schlug jemand die Zeltplane zurück. Nicht der General oder eine Wache traten ein, obgleich hinter dem feisten Gesicht des Mannes eine solche wieder ihren Posten bezogen hatte. Es war der Mann, der sich Stunden zuvor von Kan'egh verabschiedet und Lianth dabei grob beiseite geschubst hatte. Der Dunkelelf sondierte das Innere des Zeltes mit feurigem Blick, der die Röte seiner Iriden nur noch mehr unterstrich. Er heftete sich auf die Anwesenden. Lianth erwiderte ihn nicht.
Selbst als der neu Hinzugekommene nach Antwort verlangte und sich schon für einen Angriff wappnete, reagierte er nicht. Die Briefe ... sollten doch Vellyn erreichen. Lieber Bruder, weißt du denn gar nicht, wo ich bin? Wie lange war ich jetzt fort? Machst du dir Sorgen? Suchst du nach mir? Vellyn ... warum ... sind meine Briefe noch hier?!
Lianth bekam den kleinen Wortwechsel zwischen dem Elfen und Ysara nicht mit. Er hörte ihre Stimmen nur gedämpft, nahm den Inhalt jedoch kein bisschen wahr. Stattdessen erfüllte ihn die Sorge um seinen Bruder, der nun über zwei Wochen lang in völliger Ungewissheit zu Hause gesessen haben musste. "I-ich ... muss nach H-Hause...", sagte er, doch seine Worte waren kaum mehr als ein erschrecktes Flüstern. Ein besorgtes Flüstern, hin- und hergerissen zwischen der Sorge um seinen Bruder und der Pflicht dem verletzten Faldorian gegenüber, die ihn überhaupt erst bis hierher gebracht hatte. Und sein General?
"Ohje, die Rede! General Vashnars Rede! H-habt i-ihr sie i-inzwischen ge-gefunden?" Endlich sah er auf, suchte die Blicke der drei Frauen, fand aber nur den roten des Grobians. "Äh ... s-seid g-g-gegrüßt..." Er riss ab, als Lianth erneut seine Stiefelspitzen in Augenschein nahm.
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Re: Die Zeltstadt der dunklen Armee

Beitrag von Erzähler » Montag 20. November 2023, 21:17

“Was zum?!“ Zwei Worte. Die Zeit wurde langsamer, die Sekunden dehnten sich. Lianth stand wie gebannt da und starrte auf das Bündel an Briefen in der Hand der dunkelhaarigen Krähe. Ysara starrte derweil auf den Dunkelelfen, der seine Hand gefährlich nahe seines Schwertschaftes brachte. Tami hob den Blick just in dem Moment an und öffnete den Mund, als wolle sie etwas sagen. Sadia drehte den Kopf und verstaute im selben Moment die gefundenen Schätze in eine eingenähte Tasche gut versteckt unter ihrer Weste. Der Dunkelelf starrte mit zornfunkelndem Blick auf die drei Frauen. Lianth bemerkte er in dieser Sekunde noch nicht. Alle vier standen einander wie auch immer geartet gegenüber und spürten die Dehnung der Zeit. Ysara rutschte beinahe das Herz in die Hose, doch sie durfte jetzt nicht versagen. Sie war die erste, die in der normalen Zeit weiterlief: "Begrüßt ihr so die Gäste eures Generals? Ihr wollt doch nicht etwa einer Dame und ihren Dienerinnen drohen?!" Die Augen des Elfen trafen auf die Grünen. Sein Blick durchbohrte die Adelige, die eine Diebin war, die eine Adelige mimte. Sein Griff wurde stärker und er zog das Schwert einen Müh weiter aus der Scheide. Dann fror die Zeit wieder ein. Lianth brauchte Äonen, um sich aus seiner Schockstarre zu lösen. Er konnte nur noch daran denken, dass der General seine Briefe nicht wie versprochen weitergeleitet hatte und Vellyn demnach nicht mal wusste, dass Lianth wohlauf war. Sein Bruder, sein geliebter Bruder wusste nicht, wo er verschwunden war. Es brach das gutmütige Herz in zwei Teile. Dann löste auch Lianth sich aus der Zeitstarre und fasste einen Entschluss: Er musste nach Hause! Vellyn musste Bescheid wissen! Doch so sehr sich Lianth nun einem Problem gegenübersah, sein General hatte eben auch eines. "Ohje, die Rede! General Vashnars Rede! H-habt i-ihr sie i-inzwischen ge-gefunden?“ Sein Kopf ruckte sich herum und er bemerkte nun auch endlich den Eindringling. Er wusste, dass jener ihn umgerempelt hatte. Das beruhte jedoch nicht auf Gegenseitigkeit, wie sich noch zeigen sollte. Die gedehnten Sekunden liefen wieder schneller weiter und die Augen des Dunklen erfassten auch Lianth. "Äh ... s-seid g-g-gegrüßt..." Freeze. Es entstand eine Pause im Gefüge der Zeit und keiner von ihnen rührte sich, keiner sagte etwas. Das hier war eine äußerst brenzlige Situation, die für keinen von ihnen verständlich war. Der Dunkle sah bei weitem nicht so aus, dass er irgendetwas von feinen Damen oder gestotterten Worten ernstnehmen wollte. Die Knöchel seiner Schwerthand traten hervor, als er den Griff umschloss und dann den scheinbar ewig langen, tödlichen Stahl zog. Ein Klirren ging von der Reibung aus und war der Startschuss für alles weitere:

„EINDRINGLINGE!“, rief der Dunkelelf in schaurigem Lerium und selbst ohne dieser Sprache mächtig sein zu, ging es einem jeden durch Mark und Bein. Hier war kein Blumentopf mehr zu gewinnen! Tami war schon immer schnell gewesen, denn sie war doch diejenige, die stets aus brenzligen Situationen nur mit dem Kopf durch die Wand entkam. Die rothaarige Rotzgöre spulte die Zeit nach vorn und wandte sich blitzschnell um. Mit nur einem Satz hatte sie ein Messer gezogen, war an die Zeltwand gegenüber gelangt und schnitt noch im Sprung die Plane kaputt. „HIER!“, rief sie ihren Kumpaninnen zu und wusste, sie waren ein eingespieltes Team. Keine von ihnen würde zögern, wenn die Dringlichkeit in ihren Stimmen dazu ermahnte, jetzt zu vertrauen, statt zu zögern. Sadia brauchte nicht lange. Auch sie war aus der Starre entkommen, griff Ysara am Handgelenk, um auch sie zu bewegen. Es gab eine Zeit, um zu reden. Und eine, um zu handeln. Jetzt war definitiv letztere angesagt! Während Sadia sich sicher sein konnte, dass Ysara wusste, wohin sie zu gehen hatte, war es die dunkelhaarige Krähe, die nicht direkt auf das Schlupfloch in der Zeltwand im hinteren Teil des Zeltes zuhielt. Nein, sie hatte die Briefe von Lianth gepackt und drückte sie ihm nun energisch gegen die Brust. „Gib sie ihm selbst!“, schnarrte sie in seine Richtung, packte den treuen Elfen an den Schultern und drehte ihn mit in Richtung Schlupfloch. Tami war schon hindurch und auch Ysara würde gewiss bereits auf dem Weg nach draußen sein. Alles ging wahnsinnig schnell und Sadia griff beherzt zu, damit Lianth sich bewegte. Die junge Frau hatte erkannt, dass der Dunkelelf in ihrem Rücken keinen Unterschied machen würde und gerade, als sie mit Lianth zwei Schritte nach vorn getaumelt war, sauste die Klinge in Tötungsabsicht hinter ihnen lang und verfehlte sie nur knapp. „Lauf, Lianth!“, rief sie ihm zu und dann auch den anderen Krähen. „Lauft!“.
Tami war draußen und sah sich hektisch um. Elian schlitterte gerade auf sie zu, half Ysi noch aus dem Zelt und packte dann nach Lianth, der von Sadia immer noch etwas geschoben wurde. Dann folgte die Dunkelhaarige. „Er will uns töten! Lauft!“, rief sie abermals und schon war der Elf zu hören, wie er ihnen nachsetzte. Tami war die erste und gab den Weg an. Im Gänsemarsch rannte die Truppe aus flüchtenden und Lianth durch die Zeltreihen und schlug Harken. Immer im Schlepptau den Dunkelelfen, der wild brüllte und das halbe Lager aufweckte. „Diebe!“, rief er stetig aus und allmählich bekam die Sache einen herben Geschmack. „Wir müssen hier weg!“, rief Sadia als Schlusslicht, dicht hinter Lianth. Immer wieder wurde der Elf mitgezogen, wenn er stehenbleiben wollte oder von Sadia etwas getrieben. Sie mussten weg! Es gäbe keine Chance zu entkommen. Tami rannte, als wäre der ganze Harax persönlich hinter ihnen her.

Zielsicher fand die Rothaarige einen Weg durch den Wirrwarr der Zelte und führte sie immer weiter und weiter. Verstecke gab es hier nicht, denn dort, wo sie vorbeiliefen und der Dunkle ihnen folgte, da erwachte das Zeltlager zum Leben. Ein ganzes Heer aus Dunkelelfen und ihren Anhängern und sie als Beute… Das Adrenalin kochte und trieb sie allesamt weiter. Um die nächste Biegung kam Tami schlitternd zum Stehen und zumindest Elian prallte beinahe ungebremst in sie hinein. „Sackgasse, Rattenscheiße!“, fluchte sie und Elian tippte seiner Schwester auf die Schulter. Nun führte er die Truppe an und sie rannten ein Stück zurück, um einen weiteren Weg einzuschlagen. Immer wieder mussten sie vor einem Trupp Soldaten anhalten und kehrtmachen, denn die Aufregung blieb natürlich nicht unbemerkt. „Links!“, rief Sadia nun und hatte den nächsten Weg gefunden. Sie übergab Lianth an Ysara und wetzte nun voraus. Sie schlängelte sich und ihre Mitflüchtenden gekonnt durch ein etwas größeres Zelt, das scheinbar die Küche darstellen sollte. Zumindest stand hier eine ziemlich dicke Orkfrau, die gerade den Kochlöffel hob und ihnen verdutzt nachblickte, als sie teilweise drumherum, oben drüber oder unten durch ihren Küchentisch flüchteten. „Heee!“, kreischte sie erbost und fing gerade noch den wackelnden Eintopf auf. Bis sie dann schrie, weil sie sich die Flossen verbrannt hatte. Die Krähen hielt das nicht auf und auch Lianth sollte merken, sollte er sich bemüßigt fühlen, der Frau die Brandwunden zu heilen, dass hinter ihm immer noch der Dunkle war, der unablässig mit seinem Schwert nach ihnen schlug. Das hier ließ sich nicht bereden. Das war bitterer Ernst, auch für den schüchternen Elfen! Sterben oder den – nun vier – Unbekannten folgen! Während Sadia noch die Führung innehatte, lenkten sie ihre Schritte immer näher an das Festzelt heran. Dort war der Ausgang aus diesem Heerlager und Sadia, so wie Ysi, Elian und Tami wussten, dass es der kürzeste Weg zum Tor zwischen Innen- und Außenring war. Sie mussten daran vorbei, wenn sie einen Vorsprung haben wollten.
Aber natürlich bedachte die zweite Anführerin der Krähen auch, dass Ysara nun nicht einfach durch das Festzelt spazieren konnte. Oder? Sie musste binnen Sekunden überlegen, denn gerade liefen sie allesamt auf das Festzelt zu. Man hörte noch die Musik. Hier war der Trubel noch nicht angekommen, aber das würde er. In drei… sie liefen… zwei…. Auf den Eingang zu, den Cassian und Ysara genommen hatten, um ‚frische Luft zu schnappen‘… eins… Und Sadia lief tatsächlich mitten durch die Festgesellschaft. Doch im Zelt selbst wurde sie etwas langsamer. Ihr Atem ging schnell, ihr Herz pumpte unablässig. Sie sah sich hektisch um, fand dann aber einen Weg: Mitten durch die tanzenden Gäste! Sie hatten ihre Verfolger langsam, aber sicher etwas abgehängt und zumindest durch das Hakenschlagen einen Vorsprung erreicht. Sie alle standen nur kurz nach Sadia im Festzelt. Verschwitzt, schwer atmend. „Weiter!“, rief Elian ihnen zu und setzte sich nach Sadia in Bewegung. Sie suchten sich einen Weg durch die Tanzenden und waren so schnell aufgetaucht, dass das Überraschungsmoment erneut auf ihrer Seite war. Ysara musste natürlich haraxisch aufpassen, dass sie nun niemandem in die Arme fiel, der sie erkannte. Aber alles ging so wahnsinnig schnell und auch Lianth hatte keine Chance mehr, sich weiter zu wehren oder gar den General auf sich aufmerksam zu machen. Er wurde von Tami an der Hand gehalten und weitergezogen. Die Krähen ließen niemanden zurück! Mit viel Geschick und der einen oder anderen Erfahrung in ihrer Karriere als Diebe, gelang es den Krähen das Festzelt tatsächlich mitten durch die Gäste wieder zu verlassen und so den Weg zwischen den Kutschen hindurchzunehmen. Hinter ihnen hörten sie mit einem Mal, dass die Musik aussetzte und es einen Aufschrei gab. „Was hat das zu bedeuten?!“, hörte zumindest Lianth die Stimme des Generals donnern und offenbar wurde er von einem Haufen Soldaten gerade eben instruiert, dass er ausgeraubt worden war. „FINDET SIE!“, rief er noch und dann brach Chaos im Festzelt aus. Einige der Gäste strömten in Panik aus dem Zelt und liefen zu ihren Kutschen. Meist waren es die Grandessaner, die sich in Sicherheit begeben wollten, als nach ihnen ein ganzer Tross an Soldaten folgte, der ausschwärmte, um die Diebe – und Lianth zu finden. Nun brauchten sie ein Versteck und was wäre da besser geeignet als das Nest der Diebe?

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