Rasputin Sturmwasser verließ mit Asmodeus im Schlepptau die Halle des Königs. Dieser schaute ihnen nur flüchtig hinterher, widmete sich dann dem fragenden Blick seines Sekretärs und erteilte ihm offenbar sogleich einige harsche Befehle, denn man hörte die Stimme des Königs noch weit in den Gang.
Myra Zhai war es, die ihre Augen nicht vom Rücken des Dämons ließ, bis er die Halle verlassen hatte. Ein Mundwinkel zuckte und sie lauschte ebenfalls einer Stimme - einer Inneren, die ihre Seele beruhigte oder das, was noch davon übrig war. Hätte Asmodi sein Feuer nur bei ihr angewandt, es wäre einiges ans Tageslicht gekommen. So aber blieb verborgen, was noch niemand in diesem Königreich und vermutlich nicht einmal das Volk Morgerias ahnte.
Die Flügeltüren zum Thronsaal schlossen sich. Rasputin flanierte durch den Korridor, er schlug jedoch eine ganz andere Richtung ein. Schließlich wollte man auch zur Kaserne gelangen und die befand sich im Palasthof, umgeben von starken Mauern. Seine Miene war ebenfalls undurchdringbarer Stein, was durch den dichten Bart nur gestärkt wurde. Der Magier zog die Brauen zusammen, schaute aber nicht zu seinem Begleiter zurück. Selbst dann nicht, als der Kater auf dessen Schultern einmal einen gelangweilten Laut von sich gab.
"Ich habe Euch eigenhändig aus dem Ritualkreis gezogen, Asmodeus. Ich bin mit Euch vor den König getreten und stand unentwegt an Eurer Seite. Glaubt Ihr tatsächlich, binnen dieser Zeit hätte ich jemand nach Kosral entsenden und Hâgen Véllin hierher schleifen lassen können? Wir haben einen Pakt, Dämon, aber verlangt keine Wunder!" Seine Stimme drang schneidend aus seiner Kehle, eine Warnung an den vorlauten Dämon, der von seiner Seite her auch noch nicht gezeigt hatte, ob er sich als Feldherr wirklich eignete. Doch das dürfte er gleich unter Beweis stellen.
"Du solltest den Schein der Harmlosigkeit aufrecht erhalten, mein Freund", säuselte plötzlich Geisbart am Hals des Dämons, während man die Gänge des Palastes hinter sich ließ. Seine katzenhaft schnurrige Stimme war ein leises Raunen, das beinahe unter den Schritten beider Männer unterging. "Umso verheerend bedrohlicher wirst du wirken, weil man dir dann schreckliche Taten nicht zutraut ... aber du wirst schon das Richtige tun, Haraxier." Schnurrend leckte sich der Kater über die Schnauze, putzte sich die Barthaare und beobachtete, wie sie den Kasernenhof betraten. Hier saßen Dunkelelfen und Grandessaner zusammen. Hier hockten Soldaten, unterhielten sich oder trainierten miteinander. Es hatte ein bizarr friedliches Bild. Mensch und Elf verstanden sich offenbar. Jedenfalls machte es den Eindruck.
Rasputin, der am obersten Absatz einer Steintreppe hielt, die zum Hof hinunter führte und somit von allen antretenden Soldaten gut im Blick wäre, ließ seinen eigenen Blick über das Lager gleiten. Als Magus kannte er sich in Kriegssituationen und Strategien wenig aus. Das würde der Feldherr übernehmen, sich aber zuvor auch mit den Offizieren der einzelnen Militäreinheiten absprechen müssen. Einen konnte Rasputing gerade ausmachen und da tauchte noch ein Zweiter auf. Sehr gut, dass man sie an den wallenden Umhängen in Purpur und Gold erkennen konnte. Er winkte beide heran und nach kurzem Blickaustausch folgten die Männer seiner Aufforderung. Eine schlanke Frau, sowie ein tiefbrauner Dunkelelf mit schwarzem Haar näherten sich ebenfalls. Dieser könnte Asmodeus zumindest vom Schnitt der Haare gefallen, denn auch er trug die kurzen Borsten als Bürstenschnitt. Die Frau wirkte neben seiner kräftigen Statur nicht minder zierlich, im Gegenteil. Agil und trainiert war ihr narbiger Körper, was man sehr gut sah, da die lediglich ein dünnes Leinenhemd trug, dem die Ärmel fehlten. Ihr hellbraunes, fast blondes Haar hatte sie zu einem wirren Zopf zusammengebunden, von dem überall Strähnen herab hingen. Der Blick ihrer Augen zeugte von Erfahrenheit in Kriegen, denn er war stumpf und kalt. Auch der Dunkelelf blickte so. Lediglich die beiden wie Veteranen ausschauenden Männer - einer bärtig und dunkelhaarig, der andere ein Mann mit schlohweißem Haar, aber noch nicht sehr alt wirkend - bewahrten eine nicht zu brechende Ruhe, wie es schien.
Noch ehe die vier an Asmodeus und Rasputin heran treten konnten, beantwortete der Ritualmagier die Frage des Dämons - oder auch nicht. "Woher wollt Ihr wissen, ob ich dies nicht bereits tue, Asmodeus? Eure wahre Gestalt werden die Soldaten zu Gesicht bekommen, wenn Ihr Hâgen erledigt. Wir ziehen nach Kosral und von dort gen Zyranus, kommen aus dem Schutz des Waldes." So viel Taktik besaß dann wohl auch Rasputin.
Er neigte das Haupt vor den vier Kriegsoffizieren und stellte sie vor. "Leutnant Rufus Celtim, Feldwebel Lence Dragnir." Die beiden Männer neigten nacheinander die Köpfe. Jetzt erkannte man wohl auch, dass Dragnir trotz der Haare jünger war und einen faszinierenden Blick besaß, denn die grünen Augen waren geschlitzt wie jene einer Schlange. "Waffenmeisterin Riska Kell und ... Euren Namen kenne ich leider nicht, Herr Elf."
"Dhamón, wertloses Gewürm." Trotz der Beleidigung schickte der Dunkelelf die Worte als freunliches Säuseln heraus, ehe er sich bequemte, auf Celcianisch zu antworten: "Dhamón Lyndwurm. Man nennt mich den Klingentänzer."
"Erfreut", entgegnete Rasputin Sturmwasser mit ähnlicher Neutralität, aus der Verachtung troff. "Ich möchte Euch jemanden vorste... ach nein, er kann es selbst tun." So zeigte er auf Asmodeus. Der Feldherr konnte und sollte nun für sich selbst sprechen.