Vorräte aufstocken

Nur wenige Stände sind hier zu entdecken, die meisten Händler bauen ihre Waren direkt auf ausgebreiteten Tüchern auf dem Boden auf. Überall riecht es nach Vieh und gammligem Stroh. Aber hier macht auch kaum einer sauber.
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Lianth
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Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Sonntag 8. Oktober 2023, 21:56

Einstiegspost von Lianth

Es war eigentlich nicht kalt heute. Man konnte in Grandea nicht vom besten Wetter sprechen, aber die Temperaturen zeigten sich angenehm. Wenn man allerdings die tropische Region des Urwalds Kapayu seine Heimat nannte, konnte man auch bei klassisch grandessarischem Wetter ein wenig ins Frösteln geraten.
Lianth Farnhain zog seinen Kragen höher. Der graubraune Stoff besaß bereits erste Flecken, aber in den letzten Wochen hatte es keine Gelegenheit gegeben, seine Sachen zu waschen. Er besaß zwar auch Ersatzkleidung, wollte aber erst zu jener wechseln, wenn es gar nicht mehr ging. Außerdem zeichneten ihn Tunika und Hose nicht sofort sichtbar als Heilkundigen aus. Nun, seine graubraunen Roben würden es in diesem Teil Celcias möglicherweise ebenfalls nicht tun. In Shyána Nelle hatte man ihn als Mann vom Fach erkannt, vorausgesetzt er kam einmal etwas raus. Die letzten Monate hatte er sich im Haus verkrochen, das er mit seinem Bruder Lavellyn teilte. Wie es dem Älteren wohl erging?
Lianth warf seinen langen, geflochtenen Zopf über die Schulter zurück. Seine Haare waren schon wieder grün. So hatte man ihn stets von seinem Bruder unterscheiden können, denn optisch kamen sie einander recht nahe. Beide naturell nussbraune, lange Haare. Beide besaßen sie die bernsteinfarbenen Augen ihrer Mutter. Vellyn war lediglich etwas größer als Lianth, was auch mit dem Ausbruch des Hybridenvirus' in seinem Körper zu tun haben mochte. Seitdem hatte der Elf gute zehn Zentimeter Körpergröße eingebüßt. Seine größere Furcht war es jedoch, dass sich Fell und eindeutig rattige Merkmale noch mehr ausbreiteten. Bisher beschränkten sie sich auf die Rückseite seiner Ohrmuscheln und den wurmartigen Schwanz in seinem Steiß. Er spürte wie sich die Verlängerung seines Rückens um die Hüfte legte. Manchmal kitzelte es, aber so konnte er dieses Stigma wenigstens vor ungewollten Blicken verbergen. Schon jetzt hatte er das Gefühl, von vielen der Bewohner beäugt zu werden. Lag es wirklich an seinen grünen Haaren? Oder musterten sie ihn, weil er hellhäutiger war als die vielen Dunkelelfen, die hier fast schon wie die Menschen ein- und ausgingen. Menschen...
Lianth sah sie im Grunde zum ersten Mal. Natürlich bewohnten auch einige von ihnen die schöne Stadt Shyána, seine Heimat. Aber da er ohnehin sein ganzes Leben eher zurückgezogen verbracht und gerade in den letzten Monaten kaum vor die Tür getreten war, wollten es Schicksal und Götter so, dass er sich diesen rundohrigen, stämmigeren Völkern erst jetzt wirklich bewusst wurde. Sie weckten bei ihm Faszination und Angst zu gleichen Teilen. Das galt aber auch für Grandea selbst. Die Hauptstadt des Königreiches unterschied sich stark von dem, was er aus Shyána Nelle kannte. Die Bauweise der Menschen fokussierte sich auf festungsartigen Stein, dicke Mauern und Fachwerk. Die Häuser strahlten nicht das Verspielte und Kreative aus, das er an seiner eigenen Heimat so schätzte. Ohnehin wirkte hier alles so ... farblos und düster. Lag es daran, dass er im Außenring unterwegs war?
Grandea teilte sich in zwei Bereiche auf, so viel wusste er bereits. Im Innenring war der Adel Zuhause, sowie einige der besser gestellten Dunkelelfen, die sich in der Stadt eingenistet hatten wie die Made im Speck. Im Innenring waren die Straßen sauber und hell. Es gab Parkanlagen und die Gebäude erinnerten wenigstens ein bisschen an shyáner Architektur. Es gab Statuen, Wasserspeier und kleine Springbrunnen, um die Fassaden zu zieren. Der Außenring hingegen ... nicht einmal in den ärmlicheren Bezirken seiner Heimat hatte Lianth derartiges Elend mitansehen müssen. Es fiel ihm schwer, seine Einkäufe auf dem Markt der einfachen Leute zu erledigen. Sein vorstehender Offizier, Kan'egh Vashnar verlangte es allerdings, denn er war es, der Lianth die nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung stellte. Dass der Shyáner sich binnen kürzester Zeit von ihm und seinem Soldatentrupp so abhängig gemacht hatte, bemerkte er bis heute nicht. Wo er zunächst noch geradezu blind fast in deren Klingen gelaufen war, stolperte er ihnen nun sogar freiwillig hinterher und das schon über einem Monat. Aber konnte er sie denn im Stich lassen? Nein. Nicht, nachdem er erfahren hatte, dass sie ihren eigenen Heilkundigen verloren, aber Verletzte in ihrer Truppe hatten.
Vor zwei Wochen waren sie in Grandea angekommen und endlich konnten die Versehrten unter Kan'eghs Befehl ein Lazarett aufsuchen. Während ihrer Zwischenstopps in kleinen Grenzposten, Dörfern und Gutshöfen hatten sie nur mit Glück überhaupt ein Bett erhalten. Lianth war froh, dass er den Schwerverletzten Faldorian in einem richtigen Lazarett hatte unterbringen können. Seither besserte sich der Zustand des Soldaten auch. Trotzdem benötigte er nach wie vor Pflege und nur aus diesem Grund hatte Kan'egh seinen Feigling mit etwas Geld in den Außenring geschickt.
Feigling... Der Begriff war dem shyáner Elfen nicht geläufig. Er verstand kein Lerium, aber er wusste inzwischen, dass Kan'egh oder die anderen Soldaten ihn damit meinten, wenn sie es riefen. Lianth ging davon aus, dass es Heilkundiger in ihrer Muttersprache heißen musste. Er traute sich nicht, sie auf seinen richtigen Namen hinzuweisen. Die meisten Dunkelelfen blickten furchtbar ernst drein. Lianth verstand es. Sie mussten hierher kommen, weil Krieg herrschte. Wer wollte schon daran teilnehmen? Es bedeutete Verletzte und Tote. Allein deshalb durfte der Elf noch nicht nach Hause zurück, selbst wenn er eigene Probleme besaß. Ein Mittel gegen die mutmaßlich fortschreitende Rattenverwandlung hatte er schließlich noch nicht finden können. Er kannte ja nicht einmal die Diagnose, dass es sich um den Hybridenvirus handelte! Vielleicht hätte er davon erfahren, wenn er offener mit seiner Veränderung umgegangen und die Klinik Shyánas aufgesucht hätte. Lavellyn riet ihm dazu, aber Lianth hatte zu viel Angst gehabt. Es dauerte schon lang genug, bis er es seinem Bruder gestanden hatte, obwohl das mehr ein Unfall war. Lavellyn hatte den Rattenschwanz und die pelzigen Ohren bemerkt.
Oh, Bruder. Ich hoffe, es geht dir gut. Ich werde bestimmt bald nach Hause zurückkehren. Aber noch nicht. Ich kann noch nicht ... hier gibt es viel zu tun. Lianth schaute sich um. Grandea war ein Pfuhl, angereichert mit Elend. Dabei kannte der Elf bisher nicht einmal die Gassen der Wohnviertel im Außenring. Beim Erreichen Grandeas waren er und die Soldaten Hauptmann Vashnar zielstrebig bis in den Innenring gefolgt. Seither war er zwei Mal in den Außenring und auf den Markt geschickt worden. Beim ersten Mal hatte er noch eine Wachbegleitung gehabt. Beim zweiten Mal durfte er allein gehen, denn alle wussten, ihr kleiner Feigling kehrte sicher zu ihnen zurück. Lianth besaß gar nicht die Ambitionen, davonzulaufen, nicht einmal mit Fuchsmünzen in der Tasche.
Oh, die Füchse! Er zückte den Beutel, den er von Kan'egh erhalten hatte und betrachtete sich den Inhalt. Er war spärlich. Das meiste hatte Lianth für einen Wollschal ausgegeben. Ein Schutz vor der Kälte, den er nun nicht mehr trug. Die hustende Großmutter am Rand des Marktes hatte ihn einfach dringlicher gebraucht. Lianth hatte ihr sogar ein paar Löffel von seinem Honig überlassen, damit ihr Hals etwas geschmiert wäre. Mehr hatte er nicht tun können, aber wenn er nun gute Heilkräuter und vielleicht sogar Aufgussmischungen fände, würde er zu der Alten zurückgehen und ihr einen Teil überlassen. Sie sollte nicht in der Kälte auf dem Boden sitzen, um Holzperlen zu verkaufen, schon gar nicht barfuß! Doch die Chancen standen schlecht. Nicht nur, dass ein Großteil seiner Finanzen bereits aufgebraucht war, aber der Markt bot nicht ansatzweise das an, was er für einen Spottpreis in Shyána Nelle hätte bekommen können. Es ist im Grunde kein Wunder, dass es hier so vielen der Menschen so schlecht geht. Sie haben nicht den gleichen Zugriff auf eine Vielfalt an Kräutern wie wir. Das war die einzige Erklärung, die für Lianth logisch erschien. Es half ihm jedoch nicht weiter. Wenn er sowohl ohne Heilkräuter als auch ohne Geld zu seinem Soldatentrupp zurückkehrte, würde Kan'egh mehr als einen Tadel für ihn parat haben. Allein der Gedanke sorgte bei dem Elfen für einen Schauer aus Unbehagen. Er grübelte schon eine Weile, wie er sein Problem lösen könnte und bemerkte dabei nicht, dass er nun schon die zweite Runde recht ziellos über den Markt schlenderte. Dabei knetete er den Geldbeutel gedankenverloren in seinen Händen.
Schließlich kam ihm eine Idee. Schlagartig hielt er inne. "Erde!", rief Lianth aus und hob entgegen seiner üblichen Muster den Kopf. Er streckte ihn wie eine Schildkröte aus seinem Kragen heraus, um sich umzusehen. Viele Stände besaß der Markt nicht und noch weniger konnte man wahrlich als Verkaufsstand bezeichnen. Die meisten Waren lagen auf Lumpen oder morschen Holzbrettern aus. Doch wenn Lianth nun einen Sack guter, reichhaltiger Erde erstehen könnte, würde ihm seine Magie aushelfen. Dann könnte er seine eigenen Heilkräuter ziehen, ohne auch nur eine weitere Münze ausgeben zu müssen! Natürlich würde es auch helfen, wenn er irgendwo an eine Schaufel und einen kleinen Eimer heran käme. Erde gab es hier genug, manche Pfade waren nicht gepflastert. Aber ob sich der teils von Blut und mehr noch von Unrat getränkte Boden für naturmagische Pflanzenaufzucht eignete, ließ sich vorab nicht sagen. Es wäre der letzte Strohhalm, nach dem der Shyáner Elf greifen würde. Noch versuchte er sein Glück darin, speziell zum Zweck zusammengestellte Erde bei einem der Händler zu finden. Seine Idee motivierte ihn sogar so sehr, dass er beim Weitergehen nicht einmal mehr die geduckte Kauerhaltung einnahm, in der er seine Heimat verlassen und den weiten Weg bis nach Grandea unternommen hatte.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Dienstag 10. Oktober 2023, 08:10

Es war wohl nicht nur das Wetter, das sich von seiner Heimat unterschied. Seit Lianth sich freiwillig den Schergen des Spähtrupps angeboten hatte, hatte der schüchterne Shyáner Dinge gesehen, die er vorher nie zuvor erleben durfte. Im Urwald Kapayu waren es immer angenehme, warme Temperaturen und die Blütenpracht schillerte in sämtlichen Farben. Es war ein Idyll für all die naturbezogenen Elfen, welche gerade die Abgeschiedenheit so sehr schätzten. Auch Lianth hatte jene sehr zu schätzen gelernt. Zusammen mit seinem Bruder, im Haus ihrer Eltern, gemeinsam und nur sich selbst verpflichtet. Es war wie eine Offenbarung, sich ausschließlich und mit allen möglichen Methoden auf Vallyn’s Genesung zu konzentrieren. Und der Erfolg gab dem Jüngeren Recht. Sein Handeln zahlte sich aus. Auch während er durch den Spähtrupp aufgegriffen wurde zahlte sich sein Handeln irgendwie… aus.
Während der Spähtrupp um Offizier Kan’egh Vashnar auf ihn Aufmerksam wurde, konnte ihm seine Ambition zu helfen auch das eigene Leben retten. Gleichwohl war es vermutlich seiner äußerst devoten und gefügigen Art zu verdanken, dass die Dunklen sich amüsiert sahen. Sie ließen Lianth nicht nur am Leben, sondern gewährten ihm auch, Faldorian zu behandeln, der ansonsten wohl Futter für Aasfresser hätte werden können. Als der Trupp weiterzog, durfte Lianth zum ersten Mal Bekanntschaft mit dem morgendlichen Nebel machen, wenn die Luft klirrend und die Sonne hinter dicken, grauen Wolken versteckt blieb. Sie hatten den Kapayu innerhalb mehrerer Tagesmärsche verlassen und waren auf freies Gelände getroffen. Während die Soldaten die ganze Zeit in ihrer schweren Rüstung marschierten, trugen sie zeitgleich den Verletzten, den sie ansonsten liegengelassen hätten. Keiner von ihnen war glücklich darüber gewesen, dass sie nun einen der ihren, einen Halbtoten, durch den Dschungel schleppen mussten. Und das einzig und allein, weil ein kleiner, verschüchterter Elf aus dem Urwald nicht aufhören konnte, um sein Leben zu kämpfen.

Doch wo die Truppe an Dunkelelfen einzig die Belastung sah, da hatten die Augen des Offiziers Vashnar erkannt, dass der Feigling durchaus nützlich sein konnte. Denn so, wie er sich um Faldorian bemühte und sogar Erfolg zu haben schien, hätten seine Männer durchaus eine erhöhte Überlebenschance. Und das ohne, dass der feige Elf nach einer angemessenen Bezahlung krähte! Kan’egh Vashnar wusste, dass sie jeden einzelnen von ihnen gebrauchen konnten. Zyranus war nicht unter der Belagerung zusammengebrochen. Man hatte die Armee vor den Toren der Magierstadt zerschlagen – auch wenn es wohl eher die eigenen Dämonen waren, die sich gegen sie wandten. Was auch immer dort genau vorgefallen war – es hatte unzählige Soldaten versprengt. Er selbst hätte dort sein sollen, doch wurde er in letzter Minute abbeordert, um in Grandea die Stellung zu halten und gegebenenfalls für Nachschub zu sorgen. Das hatte sich nun gehörig erübrigt und jetzt sandten sie immer wieder Spähtrupps aus, um nach Geflüchteten Ausschau zu halten. Dieses Mal ging ihnen keiner der ihren ins Netz, sondern ein schlotternder Elf mit heilerischer Kunst im Blut. Und Vashnar war durchaus gewillt, dem hellen Spitzohr seine Chance zu geben, bis er nur noch Ballast war. Zudem wusste Lianth so einiges über die Stadt der Elfen im Urwald. Gut verborgen lag sie. Und sie würde eines Tages einen strategisch wichtigen Punkt ergeben. Vashnar musste nur dafür sorgen, dass der ‚Feigling‘, weiterhin blieb.
Lianth hingegen ahnte nichts davon, das man ihn gehörig ausnutzte. Er war in seinem Element, wenn er Tinkturen brauen, heilsame Pasten anrühren und belebende Öle verschmieren konnte. Er wusste, was zu tun war, wenn der Bauch schmerzte oder der Fuß lahmte. Es war ihm zu verdanken, dass Faldorian wieder bei Kräften war. Zwar würde er noch ein Weilchen brauchen, bis er wieder voll einsatzfähig wäre, doch es grenzte an ein Wunder, dass er es überhaupt wieder sein würde. Es war Lianth’s Beharrlichkeit zu verdanken. Nun aber gingen seine Vorräte zur Neige. Er schonte seinen Kräuterbeutel nicht, wenn jemand Hilfe benötigte. Leider hatte Lianth aber nicht bedacht, dass er nun längst nicht mehr im Urwald Kapayu unterwegs war. Dort hatte er unzählige Orte zur Verfügung, an denen er einfach das wachsen lassen konnte, was er benötigte. Geschweige denn, dass er fand, was er nutzte. In Grandea war das jetzt nicht der Fall. Offizier Vashnar sollte Lianth lieber in einen Garten schicken, als in das Armenviertel. Bisher war Lianth einmal dort gewesen.

Der Geruch erinnerte ganz klar an Kloake, doch das Elend war noch vielfach schwerer. Hier gab es kaum einen vernünftigen Stein auf dem anderen. Windschiefe Türen und Fenster, kaputte Dächer, abgemagerte Männer, Frauen und Kinder, die in den entlegensten Gassen nach Nahrung suchten. Elendsviertel war noch eine Untertreibung! Lianth aber sah nicht die Verfehlungen eines korrupten Systems, sondern die Lage der Stadt als solches problematisch an. Sie hatten eben kein Grün um sich herum. Anders als die Menschen im Innenring. Dort konnte sich das geneigte Auge an wundervoller Blütenpracht erfreuen.. und vergessen, wie manche vor sich hinvegetierten. Lianth erinnerte sich an das Kleingeld, das er vom Hauptmann erhalten hatte. Er prüfte den Inhalt und musste feststellen, dass nicht mehr all zu viel übrig wäre. Die gesamte Liste, die er brauchte, konnte er zumindest nicht mehr einkaufen. Und der Wollschal, der nun eine Oma zierte? Lianth müsste erklären, warum er solche Ausgaben hätte, aber mit so wenig Kräutern zurückkehrte. Bis zum Marktplatz hatte der Elf den Weg gefunden. Es war nicht sehr schwer gewesen, denn hier gab es kaum viel mehr, außer die Wohnbaracken. Wenn man sie so nennen wollte. Ihm schwante mit einem Mal, dass er seine Liste nicht würde einkaufen können und das versetzte ihn in Nervosität. Er hatte geschworen, dass er nur die Kräuter holen würde und hörte noch sehr genau die Stimme des Offiziers: „Wenn du irgendwelche Tricks versuchst wirst du das nächste Mal zum Markplatz kriechen müssen, du Wurm. Verstanden?! Was nun? Man zweifelte keine Sekunde an dem Wahrheitsgehaltes der Worte des Hauptmannes, doch wollte man es denn riskieren, es wahrlich herauszufinden? Eine Idee musste her und während Lianth einen Plan austüftelte, hielt er seinen Geldbeutel offen in den Fingern. Es klimperte leise darin und weckte mitunter gute Ohren. Lianth wurde beobachtet. Während er ziellos zwischen den ‚Ständen‘ umherschlenderte, da folgten ihm braune Augen und richteten sich immer wieder auf das Säckchen. Erst als Lianth das zweite Mal an der kleinen Nische, zwischen einem Schuhputzer, der Fehl am Platz war, weil kaum jemand hier Schuhe trug und eines Standes für Wollarbeiten vorbeigehen wollte und endlich eine Idee für sein Problem entwickelte, da packten ihn plötzlich aber bestimmend ein paar Hände und zogen ihn flink ins Dunkel der Gasse. Faulige Zähne zeigten sich in einem bärtigen Grinsen, während der abartige Geruch von Verwesung in sein Riechorgan waberte.
„Erde? Ich bringe dich unter die Erde, wenn du mir nicht sofort deinen Beutel gibst!“, bellte der Angreifer und kam dichter. Er trug einen schäbigen, kleinen Dolch, der gewiss eher Wunden reißen, statt stechen konnte. „Her mit dem Geklimper!“, befahl der Unbekannte und schickte sich an, das Messer in Lianth’s Richtung zu schieben. Was jetzt? Lianth’s Unbedarftheit hatte gierige Finger geweckt. Jetzt aber musste er gut überlegen. Wenn er die Füchse nicht herausrückte, dann würde dieser Mann ihn verletzen und er mitunter an einer Sepsis elendig dahinsiechen. Der Dolch war vermutlich zu stumpf, um ernsthaft noch zu verletzen, aber ein Schnitt von der völlig verdreckten Klinge… aber wenn er ihm die Füchse überlies, würde der Hauptmann ihm gehörige Schmerzen verpassen… Zudem brauchte er die Füchse, um die Erde zu kaufen. Gerade war ihm die rettende Idee eingefallen, bevor der Gierlappen zupackte… „Na wird’s bald, Bürschchen?!“, pampte der stinkende Unhold ihn an und ließ ihm keine Zeit, um nachdenken zu können.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Mittwoch 11. Oktober 2023, 23:49

Sehr viele Eindrücke waren seit seinem Aufgriff im Urwald auf Lianth hernieder geprasselt. Zu viele, als dass er alle hätte wirklich verarbeiten können. Den nebelhaften Morgen und Abende beispielsweise hatte er in den ersten Tagen seiner Reise gar nicht mitbekommen. Zu viel Adrenalin war durch seinen Körper gerauscht und zu sehr hatte er sich darauf konzentriert, den schwer verletzten Faldorian zu pflegen. Er hatte auch nicht darauf geachtet, dass die Soldaten schimpften, weil sie ihren Kameraden schleppen mussten - Lianth verstand das Lerium ohnehin nicht. Erst mit Ankunft der Truppe in Grandea und als sein Patient sicher im Lazarett untergebracht worden war, hatte der Shyáner sich selbst überhaupt einmal erlaubt, mehr von seiner Umgebung zu betrachten. Die Reizüberflutung war einer Welle Eiswasser gleich über ihn hinweg geschwappt. Mit weit aufgerissenen Augen hatte er sich die befremdliche Architektur, die Bewohner und nicht zuletzt ihre Lebensweise betrachtet. Er hatte seinen eigenen Gefährten erstmals deutlichere Blicke zugeworfen. Wo Lianth nämlich nicht einmal Kontakt zu Menschen bislang gehabt hatte, so waren ihm dunkelhäutige Elfen noch unbekannter. Er verurteilte keinen von ihnen, sie faszinierten ihn vielmehr ... und machten ihm ein wenig Angst. Das war aber nicht ihrer Exotik geschuldet, sondern seiner eigenen introvertierten Art. Grundsätzlich sah der Elf in jedem Wesen ohnehin nur das Gute, selbst dann, wenn es nicht vorhanden schien. Er war zu gutgläubig, um Anderes bei den Soldaten oder ihrem Hauptmann Kan'egh Vashnar zu vermuten. Er hielt dessen ruppige Art für Stress, schließlich hatte der Mann eine Menge Verantwortung zu tragen. Vielmehr war Lianth ihm dankbar, dass er ihn mitgenommen und die Erlaubnis erteilt hatte, sich um einen seiner Leute zu kümmern. Und er war ihm nun auch dankbar, dass er eigenständig seine Vorräte aufstocken durfte. Dass das noch nicht geschehen war, aber kaum mehr Geld vorhanden, würde er Kan'egh später wohl oder übel erklären müssen. Zunächst in Sorge kam Lianth schließlich die Idee, nach frischer Erde zu suchen. Würde er einen Sack erstehen, bräuchte der Offizier ihn überhaupt keine Münzen mehr zu geben, denn Lianth könnte seinen eigenen, klenen Kräutergarten aufziehen. Aber selbst etwas angereicherte Erde zu finden, entpuppte sich in einem Bezirk wir dem Außenring von Grandea als wahre Herausforderung. Darüber hinaus lernte Lianth nun auch einen wahrlich dunklen Teil Celcias kennen. Seine Augen öffneten sich nicht nur für fremde Kulturen, sondern vor allem für den Zustand seiner Einwohner. Es brach ihm fast das Herz, all diese leidenden Menschen sehen zu müssen. Bei dem Großmütterchen hatte er es nicht ausgehalten. Ihr Husten sorgte dafür, dass sich sein Magen verkrampfte. Wie konnte er an ihr vorüberziehen, ohne ihr zu helfen und sei es nur, dass er ihr den Schal überließ? Jetzt fröstelte der Shyáner zwar selbst wieder etwas, aber er war jünger und vor allem kräftiger. Seine Gesundheit würde auch eine Erkältung überstehen. Er bedauerte den Verlust des Schals nicht, sondern erfreute sich daran, einer fremden Seele geholfen zu haben. Lianth wärmte sich nun an dem Gefühl in seinem Herzen und spazierte mit einem schwachen, aber ehrlichen Lächeln an den Stellen vorbei, die man nur in Grandeas Außenring als Markstände bezeichnen würde. Blumenerde fand er bislang nirgends und so spielte er bereits gedankenverloren mit seinem Geldbeutelchen, als der Tag eine erneute Wende nehmen sollte.

Seine Sinne warnten ihn, aber Lianth achtete nicht darauf. Er war in den letzten Stunden bereits dazu übergegangen, jene lieber zu ignorieren. Wer durch die Kloake der Stadt spazierte, konnte froh sein, wenn sich die feine Nase irgendwann nicht mehr meldete. Das Riechorgan schwieg jedoch, wenngleich es eine feine Nuance eines anderen Aromagemischs aus Urin und Magensäure entdeckte. Es waren vielmehr die Spitzohren, die kurz aufzuckten, aber ehe der Elf reagieren konnte, packten ihn schon zwei Hände am Kragen und zerrten ihn in eine schattige Gasse. Schlagartig veränderte sich die Luft, als hätte man ihn über eine unsichtbare Grenze gezogen. Sie war fast greifbar. Dick und schwammig mit dem penetranten Wabern winziger Schmutzpartikel in ihrer Konsistenz. Es konnten aber auch Fliegen oder Läuse sein, die vom Kopf seines Ergreifers aus in alle Richtungen davon stoben. Lianth musste sich etwas vorbeugen, damit der Stoff an seinem Kragen nicht riss, denn der Fremde zerrte sehr kräftig daran. Schon konnte sich die Nase nicht länger ihrem Zweck entziehen. Der Gestank viel zu fauliger Zähne - vermutlich nur noch schwarze Stumpen im gammligen Fleisch - wehte Lianth entgegen, dass er gegen einen aufkommenden Brechreiz ankämpfen musste. Er quiekte fast schon rattenhaft auf, da streckte sich ihm zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit eine Klinge entgegen, als zöge er sie wahrlich an. Sofort hob Lianth beide Hände, dass das Geld in seinem Beutelchen munter klimperte.
"Ich bringe dich unter die Erde, wenn du mir nicht sofort deinen Beutel gibst!"
Der Elf musterte die Gestalt vor ihm, bevor sein Blick rasch zu seiner Hand huschte. "O-oh ... äh ... sicher ... w-warum nicht?", brabbelte er leise und viel zu nervös. Beinahe hätte er das Säcklein in den Schlamm fallen lassen, den man im Außenring Weg nannte. Lianth gelang es, ein wenig Abstand zu dem auf ihn gerichteten Dolch aufzubauen, ohne Anzeichen zu erwecken, er wollte fliehen. Er senkte den Arm mit dem Beutel, öffnete jenen und kramte nacheinander die verbliebenen Fuchsmünzen heraus. Dann streckte er dem Faulzahn schon das Lederbehältnis entgegen und rang sich sogar ein scheues Lächeln ab. Wenn der Mann dringend einen Beutel benötigte, würde er ihm seinen mit Freuden überlassen. Das Geld hatte er ja ohnehin vor auszugeben und wenn am Ende nichts übrig wäre, bräuchte er auch keine Börse mehr dafür. Kan'egh verzieh es ihm sicherlich, sobald er die Geschichte hörte. Gewiss brauchte der Mann den Beutel dringender als er und dann...
"Her mit dem Geklimper!"
"Aaaiiieeehhhh!" Lianth zuckte zusammen. Nun fiel der Beutel doch in den Matsch zu seinen Füßen, während der junge Elf Arme und ein Bein empor riss, bevor er sich trotz seiner Größe doch zu einem Häuflein zitternden Elends zusammenkauerte. "Oh-oh ... d-das G-geld ... a-auch? A-aber...", brachte er hervor und seine Stimme überschlug sich. Was jetzt? Er benötigte das restliche Geld für die Erde. Auch wenn er bisher noch keine gefunden hatte, konnte Lianth nicht mit leeren Händen zurückkehren. Andererseits schien der arme Mann mit Zahnproblemen wirklich Hilfe zu benötigen. Nicht nur einen Beutel brauchte er, sondern auch Münzen. Sicher, um seine Hygiene zu verbessern. Er roch einfach nur abartig.
Das war wirklich ein Problem. Aus Sicht des Shyáners galt es sogar als das schwerer wiegende Problem. So blieb er zwar zusammengekauert, selbst dann, als der Fremde noch einmal nachhakte, aber wenigstens brachte er es fertig, weiter mit ihm zu kommunizieren. Er versuchte es zumindest, denn das Gesicht verbarg Lianth bibbernd hinter gehobenen Armen. Die Finger krallten sich immer noch um die Münzen, wobei selbst mit wenig Kraftaufwand Abhilfe geleistet werden könnte. Doch soweit wollte der Shyáner es nicht kommen lassen. Es musste doch eine Lösung für beide geben.
"I-ich brauch Erde. G-gute Erde ... d-dafür brauch i-ich das G-g-geld. Aber ... wenn I-ihr ... Herr ... we-wenn Ihr wisst, wie wie wie ... also ich ... habt Ihr v-vielleicht E-erde für mich? Z-zum Bepflanzen? D-dann k-könnt Ihr d-das Geld g-g-g-gern haben." Plötzlich trat eine Seltenheit ein. Lianth fürchtete sich zwar entsetzlich, vor allem vor dem schmutzigen Dolch, sah darin aber auch die Not des anderen. Er kämpfte hier nur um's Überleben. Er brauchte gewiss Geld, um seine Klinge zu reinigen oder ersetzen zu können. Er brauchte es für seine Gesundheit.
Lianth senkte die Arme. Dann hielt er dem Mann die geschlossene Hand mit den Münzen hin und brachte einen fast ungestammelten Satz heraus, wobei seine Augen sorgenvoll im schönstern Bernstein glommen, dass sie mit dem Kupfer der Füchse in Konkurrenz treten konnten. "B-bitte. Nehmt das Geld, a-aber lasst mich Euch untersuchen. Ihr seht nicht gesund aus. Ich helfe Euch, o-ohne etwas zu verlangen. Außer Erde. Ich brauche wirklich dringend etwas Erde. Gute, f-fruchtbare Erde. Könnt Ihr da etwas tun, Herr? Dann will ich m-mir Auch Eure Zähne ansehen. Ich bin zwar kein Zahnreißer, aber ... mit E-erde könnte ich Mutterkraut und Weißen Gänsefuß wachsen lassen ... beides hilft bei Zahnleiden. E-es würde nur ein paar Tage d-dauern."
Das war das beste Angebot, das er dem Mann machen konnte. Holunder hätte wahrlich noch besser geholfen, aber einen ganzen Strauch zum wachsen und blühen bringen, würde mit nur einem Säcklein Erde nicht funktionieren. Außerdem dauerte es selbst mit Hilfe der Naturmagie lange. Da wäre dem Fremden sicher mit einer Zange eher geholfen. Zunächst einmal musste der Mann allerdings zustimmen und Lianth konnte nur hoffen, nicht gleich Bekanntschaft mit der dreckigen Dolchklinge machen zu müssen. Er meinte es wahrlich gut, denn nur dann war er mutig genug, so viele Sätze am Stück zu einem Unbekannten zu sprechen.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Samstag 14. Oktober 2023, 09:53

Wäre Lianth etwas mutiger, nur etwas schlagfertig oder zumindest nicht zu zuvorkommend, dann wäre er vielleicht niemals nach Grandea gekommen. Er hätte seine Kräuter im Kapayu gesammelt und wäre dann zurück du Vellyn gegangen, um mit ihm Tee zu trinken und seine Fortschritte zu begleiten. Sein Bruder fehlte ihm, aber er schrieb fleißig Briefe und berichtete von seinem unfreiwilligen Abenteuer. Lavellyn würde sich gewiss weit weniger Sorgen machen, wenn er ihn etwas daran teilhaben ließ. Vielleicht wäre er sogar stolz auf ihn? Lianth fühlte sich wohl. Nun, nicht unbedingt auf persönlicher Ebene, aber ganz gewiss mit seiner derzeitigen Position. Er durfte Faldorian behandeln und das tat er mit allem Ernst und allem Wissen, das er besaß. Wenn sie doch nur nicht in die letzte Hochburg verrottender Erde gekommen wären. Hier gab es keine Erde. Keine Natur. Nicht mal für einen Magier, wie er es war. Er konnte Pflanzen und Blumen sprießen lassen, wenn er wollte. Konnte eine Farbenpracht sondergleichen heraufbeschwören, aber… ohne Erde, ohne Natur? Das ging nicht. Die Pflanzen brauchten Nährstoffe und Zeit, ansonsten wäre alles nur fauler Zauber. Einem solchen fühlte sich Lianth auch kurz darauf ausgeliefert. Nur mühsam gelang es ihm, sich nicht zu übergeben, während der Atem des Mannes in seine Nase drang. Er wollte also den Beutel? Nun… gewiss. Lianth übergab den ledernen Beutel und der Angreifer glotzte wie eine Kuh wenn es blitzt. „Was soll ich ‘n damit?! HER mit dem Geklimper!“, polterte der Unangenehme und Lianth realisierte, dass er sein letztes Geld wollte.
Nun fuhr ihm wahrlich der Schreck in die Glieder und der Beutel fiel in den Dreck. Der Mann sah ihm nach, bevor er Lianth wieder anstarrte. Aber trotz seiner Schüchternheit, trotz seines ängstlichen Verhaltens, fasste Lianth just in dem Moment immens viel Mut. Er verhandelte auf einmal! "I-ich brauch Erde. G-gute Erde ... d-dafür brauch i-ich das G-g-geld. Aber ... wenn I-ihr ... Herr ... we-wenn Ihr wisst, wie wie wie ... also ich ... habt Ihr v-vielleicht E-erde für mich? Z-zum Bepflanzen? D-dann k-könnt Ihr d-das Geld g-g-g-gern haben." Es dauerte, weil er so stammelte, doch der Kerl mit dem Dolch wartete ab, war er selbst nicht unbedingt die hellste Kerze. „Du willst Erde?!“, spie er grunzend aus und der Dolch zitterte in seiner Hand. Der Atem war fürchterlich. Allerdings übertünchte er hervorragend, die sonstigen Ausdünstungen des Mannes. Seine dicke, schwere Pranke mit den kurzen, abgefressenen Fingernägeln, die vor Dreck nur so standen, hatte inzwischen ihren Platz auf Lianth’s Brust gefunden, um ihn an Ort und Stelle zu halten. Und während der Grobian noch nachdachte, was Lianth damit sagen wollte, geschah etwas anderes:

Lianth sah durch die Gefahr hindurch. Er übersah die Drohung, übersah das Bild, das dieser Mann nach außen trug. Lianth schaute hinter das grimmige Gesicht und den Dolch. „B-bitte. Nehmt das Geld, a-aber lasst mich Euch untersuchen. Ihr seht nicht gesund aus.“ „Ich geb dir gleich untersuchen, du kleiner… mieser… gieriger… Öhm.. was?!“ Der Mann hielt in seiner Schimpftirade inne. Er blinzelte perplex und starrte diese treuen, wundervollen Bernsteinaugen an. Ich helfe Euch, o-ohne etwas zu verlangen. Außer Erde. Ich brauche wirklich dringend etwas Erde. Gute, f-fruchtbare Erde. Könnt Ihr da etwas tun, Herr? Dann will ich m-mir Auch Eure Zähne ansehen. Ich bin zwar kein Zahnreißer, aber … mit E-erde könnte ich Mutterkraut und Weißen Gänsefuß wachsen lassen … beides hilft bei Zahnleiden. E-es würde nur ein paar Tage d-dauern.“ Die Worte waren zwar gestammelt, aber sie waren viel. Zeitgleich war der Mann so überrascht von Lianth’s Angebot, dass er tatsächlich den Dolch senkte, sich aufrichtete und die Hand von Lianth nahm. Der Druck auf seiner Brust verblasste. „Du… du willst mir das Geld geben UND mich behandeln?!“, fragte er und plötzlich klang er gar nicht mehr so gemein. Der Mann mit dem bärtigen Gesicht, dessen Haut wohl noch nie reinliches Wasser gesehen hatte, starrte Lianth weiterhin aus grünen Augen an. „Du willst nur Erde und… und dann kannst du…“, da geschah es. Das Gesicht des Mannes brach auf und unter all dem gruseligen Ausdruck, der gewiss auch nur durch die Situation befeuert wurde, da fing der Mann an zu schniefen! Tatsächlich, es schüttelte ihn, er versuchte es noch zurückzuhalten, doch dann fiel der Dolch zu Boden und seine Hände begruben sein Gesicht, während er weinte. „Das ist… das ist doch…“, stammelte nun er, ohne die Worte zu finden.
Plötzlich trat er auf Lianth zu und riss ihn von der Wand, an der er lehnte. Er zog ihn in eine wirklich herzliche aber stinkende Umarmung und drückte ihn ergriffen. Plötzlich geriet der Mann in vollen Elan. Er drückte Lianth wieder weg und seine Augen leuchteten. Von griesgrämiger Bedrohung war nun nichts mehr zu spüren. Ganz im Gegenteil, hat Lianth’s Angebot den Mann vollkommen verwandelt. „Komm, ich bin übrigens Farno.“, stellte er sich vor und führte Lianth die Gasse, in die er ihn gedrängt hatte, weiter. Die Münzen hat er bisher nicht eingesackt, sondern schien völlig überrumpelt von Lianth’s Großzügigkeit. Farno hinkte etwas beim Gehen und zog das rechte Bein nach. Lianth konnte erkennen, dass der Mann sich mal die Hüfte gebrochen haben musste und vermutlich war sie nie wirklich zusammengewachsen. Jetzt aber blieb er stehen und deutete auf ein winziges Fleckchen Erde inmitten von Unrat und Schutt. Es wirkte allerdings wie ein heiliger Ort, denn Farno präsentierte dem Elfen tatsächlich saubere Erde. Nicht viel und ein ganzer Strauch würde gewiss nicht darauf wachsen können, aber immerhin. „Da liegt meine Suse.“, schniefte der Mann und war auf einmal gar nicht mehr so furchteinflößend. Er wirkte regelrecht sanft. „Sie war immer bei mir“, schniefte er noch mal, drehte sich dann aber um und lächelte gammelig ins Gesicht des Elfen. „Kannst du haben! Und… guckst du dir auch meinen Hintern an? Ich hab da so ‘ne ganz fiese Stelle…“, begann er und Lianth ahnte, dass der Mann überall medizinische Baustellen haben würde.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Sonntag 15. Oktober 2023, 12:01

Nur Mut. Sein Bruder Lavellyn hatte ihm das mehr als einmal gesagt, ihn manchmal ein bisschen aufgezogen für seine irrationalen Ängste, am Ende aber immer zu ihm gestanden. Er hatte akzeptiert, wenn Lianth etwas zu viel war. Lieber kam er ihm mit Verständnis entgegen als mit für den scheuen Shyáner unmöglichen Forderungen, sich zusammenzureißen. Vellyn hatte immer gewusst, wie er den Jüngeren aus der Reserve locken konnte und war stets belohnt worden. Nur weil er ihn immer mit Respekt und Verständnis begegnet war, hatte Lianth sich überhaupt erst aus der heimatlichen Talsenke und in den Urwald gewagt. Bezahlte er nun damit? Nein.
Nur Mut, rief er sich selbst ins Gedächtnis. Der Bärtige vor ihm mit den viel zu fauligen Zähnen wollte ihm den Dolch sicher nicht zwischen die Rippen rammen. Wer war schon dermaßen aggressiv, das würde niemand freiwillig tun! Die Not trieb ihn dazu und so war es nun an dem Elfen, Verständnis aufzubringen. Es fiel ihm nicht schwer. Gern hätte er dem Mann sofort all sein Geld überlassen und noch mehr, damit es dem anderen nur etwas besser ginge. Leider musste aber auch ein Lianth Farnhain sich an gewisse Strukturen halten. Im Grunde handelte es sich nämlich nicht um die eigenen Finanzen. Sie waren ihm aus reiner Güte zur Verfügung gestellt worden, damit er seine Vorräte aufstockte, die er durch die Behandlung des Dunkelelfen Faldorian eingebüßt hatte. Lianth konnte Kan'egh Vashnars zuvorkommende Geste unmöglich abstrafen und mit leeren Händen in ihre Unterkunft zurückkehren. Wenigstens etwas Erde wollte er mitbringen. Das würde schon genügen, um am Ende das gleiche, wenn nicht sogar ein besseres Ergebnis zu erzielen. Nachdem der Elf nämlich bereits mehrere Runden über den kaum als Markt zu bezeichnenden Platz gedreht hatte, war sogar ihm schnell bewusst geworden, nicht alles zu finden, was er eigentlich benötigte. Es war nur sinnvoll, seine Heilkräuter selbst anzubauen und mit Hilfe seiner Naturmagie würde es deutlich schneller gelingen. Wichtig blieb jetzt nur, dass er das Geld gegen guten Nährgrund für seine Pflanzen eintauschen konnte. Darüber hinaus sorgte er sich aber auch um den fremden Mann. Es lag nicht allein an Lianths Ausbildung, gepaart mit dem Eid, den Schwachen und Notleidenden zu helfen. Es war sein Naturell, das zu tun. So bot er ihm vollkommen ohne Hintergedanken eine Untersuchung an ... und das funktionierte.
Nur Mut. Erneut bewies der Rat seines Bruders, dass es klug war, sich daran zu halten. Den Lohn musste man zwar zwischen den Pestilenzwolken der Fäule hindurch erst entdecken, aber Lianth sah ihn. Braune Augen erwiderten seinen Bernsteinblick voller Unglaube. Dann senkten sich der Dolch und die Hand, welche den Elfen gegen die Wand gedrückt hatte. Er fühlte sich sofort wohler. Es war einfach angenehmer, nicht derart harsch angepackt zu werden. Ihm war auch kaum noch übel ... dachte er. Denn plötzlich redete der Mann wieder und Lianth kämpfte um seine Selbstbeherrschung. So herzensgut er auch war, bei unliebsamen Gerüchen geriet auch er an seine Grenzen. Er versuchte, sich ausschließlich auf die Worte des Mannes zu konzentrieren und nicht auf den Dunst, der ihm diese Worte entgegen trug.
"Du ... du willst mir das Geld geben UND mich behandeln?!"
Lianth zuckte mit den Schultern und nickte zögerlich. "J-ja ... für ... etwas Erde?"
"Du willst nur Erde und ... und dann kannst du..."
Wieder hob Lianth die Schultern an, nickte. "Ja." Er wurde mutiger. Das Stammeln zog sich zurück. Dafür brachen ganze Dämme in der Mimik seines Gegenübers. Er schniefte hörbar. Sicherlich ruhte nicht nur in seinem Zahnfleisch reichlich Eiter. Der Mann gehörte in ein warmes Bett mit jeder Menge heißer Hühnerbrühe, Kräutertee und Zuwendung - nicht hier in den Unrat der Straße! Doch genau dorthin sank er nun, als er weinend vor Lianth stand. Jener wollte sich schon vorbeugen, da wurde er neuerlich gepackt. Dieses Mal drückte der Mann ihn jedoch nicht grob an die Wand, sondern zog ihn in eine Umarmung aus speckiger Kleidung, rauen Händen und einem Todesgemisch aus Schweiß, faulen Eiern und Krankheit. Lianth hielt den Atem an. Ehe er ohnmächtig wurde, ließ der Mann wieder von ihm ab. Der Elf rang um Luft, japste ein wenig und taumelte leicht. Jeder übermäßige Windhauch hätte ihn nun umgefegt.
"Komm, ich bin übrigens Farno."
Lianth hielt sich an der Wand fest. Dann sank er auf ein Knie herunter. "D-dein ..." Der Bärtige hinkte schon voraus, winkte aber, ihm zu folgen. Lianth griff nach dem Dolch, den der andere hatte liegen lassen. Langsam begleitete er ihn dann zu seinem persönlichen Versteck. Dabei musterte er die Bewegungen, analysierte baute sich ein erstes Bild all dessen auf, was er sich bei ihm anschauen wollte. Am Ziel angekommen hielt Lianth ihm jedoch zunächst den Dolch - Griff voran - entgegen. Jenen Dolch, den er eben noch beinahe in den Bauch gerammt bekommen hätte.
"F-Farno, Euer M-Messer..."
Die bärtige Eiterbeule antwortete nicht. Sie hatte sich vor einem kleinen Haufen Erde aufgebaut und als Lianth diesen entdeckte, funkelten seine Augen. Erde. Gute Erde, wie er mit knappem Blick sah. Es war nicht viel, aber ihre Farbe verriet nahrhafte Mineralien. Mit einem solchen Boden würde er Gutes wachsen lassen können. Dann erstarrte er, als er Farno sprechen hörte.
"Da liegt meine Suse. Sie war immer bei mir."
"Eure Suse...", wiederholte Lianth. Andächtig trat er an den Erdhaufen heran. Nein, keine Erde. Das hier war ein Grab. Es besaß nicht einmal einen Baum oder eine andere Markierung, die es als Ort der Erinnerung kennzeichnete. Es gab nur Farno, der sich erinnerte. Und jetzt würde Lianth auch dazu gehören. Er erinnerte sich, wie Vellyn und er unter dem Schluchzen der Mutter ihren Vater zu Grabe getragen hatten. Statt eines Steines oder verarbeitetem Holz hatte man ihm einen Holunderstrauch gepflanzt. Mit den Jahren brachte er eine immer bessere Ernte hervor, an der sich vor allem die Vögel der Talsenke gern labten. Manchmal setzten Vellyn und Lianth sich an den Grabesstrauch und ließen sich die Beeren ebenfalls schmecken. Sie sprachen nicht über ihren Vater, aber sie erinnerten sich in gemeinsamem Schweigen an ihn.
"Kannst du haben! Und ... guckst du dir auch meinen Hintern an? Ich hab da so'ne ganz fiese Stelle..." Farno riss den Shyáner aus seinen Gedanken. Lianth zuckte unter einem Quieken zusammen, das man durchals als Schreckreaktion auf die zu untersuchende Kehrseite interpretieren konnte. Der Elf hob ängstlich die Hände vor das Gesicht, als wollte er sich schützen. Nachdem er jedoch bemerkte, dass ihm nichts blühte, senkte er sie wieder und starrte Farno mitleidig an. Er schüttelte den Kopf.
"Ich kann die Erde nicht mitnehmen. Da liegt doch Eure Suse." Er sprach es aus, ohne einmal über seine eigenen Worte zu stolpern. Es war ihm ernst. Wie konnte er Graberde mitnehmen und damit auch die letzte Erinnerung, die Farno an seine liebe Frau, Mutter, Tochter ... an wen auch immer hatte, der ihm wichtig war? Suse. Es ist seine liebe Suse. Noch einmal schüttelte Lianth den Kopf. "Das k-kann ich nicht tun. A-aber wenn Ihr mich ... auf dem Grab ... was waren Suses L-Lieblingsblumen? Was sind Eu-Eure? Es wird schö-schön aussehen und i-ich nehme nur die Heilkräuter." Lianth ließ sich zu dem Grab nieder. Seine Kleidung war ohnehin schon schmutzig. In der Kaserne würde er sie endgültig gegen die Tunika wechseln und reichlich waschen müssen. Das hatte allerdings Zeit. Jetzt war er hier, legte mit einem prüfenden Blick zu Farno seine Hand auf den Erdboden und bröselte ein wenig davon durch. Es war sehr gute Erde. Suse hatte sie mit ihrem Opfer mit neuen Nährstoffen angereichert. Dann zog er seine schwere Ledertasche nach vorn. Er führte getrocknete Kräuter darin, besaß aber auch immer ein paar Samen. Mutterkraut würde er tatsächlich pflanzen können, davon gab es genug. Leider waren seine Bestände an Weißem Gänsefuß aber schon aufgebraucht. Er konnte nichts wachsen lassen, ohne eine Basis. Meist nahm er Samenkörner. Unkraut ließ sich zwar fast immer rufen, aber es kostete Kraft und es half bei seinem Vorhaben nicht, daraus ein Heilmittel herzustellen.
Er nahm seine Samenbeutelchen zur Hand. Mutterkraut, Kamille, Arnika und Beinwell, aber auch Ringelblume und Salbei. Vielleicht noch etwas Thymian für die angenommene Erkältung des Mannes. Das alles waren seine essentiellsten Kräuterchen. Da Schöne an der Naturmagie war, fern der Blüte- und Erntezeit wachsen zu lassen. Es kostete ebenfalls Kraft, aber das nahm Lianth in Kauf. Er würde seine Passion in den Wuchs der Kräuter fließen lassen, sofern Farno ihm erlaubte, sie auf dem Grab seiner Suse zu pflanzen. Und die Wunschblumen ... nun, die müsste er wirklich versuchen, aus Magie zu formen. Vielleicht gelang es, auch wenn er danach reichlich erschöpft wäre.
"Habt Ihr W-Wasser, Farno? Ei-eine Schale ... und dann macht Euch bitte frei, damit ich mir Euer rektales Problem ansehen kann." Das Stottern ließ nach, denn jetzt war Lianth in seinem Element. Wo andere sich voller Ekel abgewandt oder gar abgelehnt hätten, da sah er die Gelegenheit, Farno das Leben ein wenig zu erleichtern. Er spürte eine Welle unsäglichen Glücks, diesem armen, geschundenen Mann etwas Gutes tun zu können. Das brachte ihn zwischen dem Schmutz, dem traurigen Erdhaufen der verblichenen Suse, dem grauen Gestein und der harschen Mentalität Grandeas doch ganz offen zum Lächeln. Scheu zwar, aber ehrlich.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Freitag 20. Oktober 2023, 13:21

Es war nicht immer einfach der gute Samariter zu sein. Wenn man ein Herz so groß wie das Tal Shyáná Nelle besaß und einfach jeder sich hineinschleichen und es sich bequem machen konnte. Wenn sie alle darin herumtrampelten und die Gastfreundschaft ausnutzten und nicht zu schätzen wussten. Allerdings erwartete Lianth nie etwas als Gegenleistung. Nicht direkt. Es war ihm ein inneres Bedürfnis zu helfen, zu heilen. Was wäre da dann der beste Lohn, wenn nicht der Dank als Funkeln in den Augen seiner Patienten? Der schüchterne Elf hörte die Stimme seines Bruders in seinem Kopf und er war es auch, der ihn stets durch den Alltag zu leiten verstand. Nur Mut haben… ‚nur‘. Was für einige ein Klacks zu sein schien, gehörte für Lianth zu den schwersten Aufgaben seines Alltags. Dass er überhaupt hier in Grandea war, dass er mit den Dunkelelfen mitgegangen war, dass er Shyáná Nelle verlassen und sich aus der Pflicht mit seinem Bruder herausgeschält hatte… das war mutig. Nicht viele Elfen seines Volkes hätten sich das getraut. Aber wenn jemand Hilfe brauchte, dann war Lianth auf einer Mission und jene verfolgte er ohne Wenn und Aber. So kam also auch Farno, der bärtige, übelriechende Stadtstreicher in den Genuss. Jener raubeinige Mann, der versucht hatte, Lianth sein Geld abzuziehen. Nur seiner Gutherzigkeit war es nun zu verdanken, dass Farno offenbar von allem abließ. Ja, er ließ sogar seinen Dolch fallen und schaute nicht mal mehr darauf, als er den Weg zu dem Erdhaufen wies. Der Weg war gar nicht weit, führte den Elfen aber noch tiefer in Unrat und Armut. Es war schon erstaunlich, wie manche Menschen überleben mussten und der Elf spürte, dass auch jemand wie Farno Mitleid erregen durfte. Seine Not lag ganz woanders und offenbar war er gar nicht so angriffslustig. Seine Armut, sein Zustand, das alles zwang ihn dazu, sich so zu verhalten. Wo nichts mehr übrig ist, wurde ein jeder irgendwann zum Verbrecher. Wenn Verzweiflung sich allmählich ausbreitete und das einst gute Herz zerfraß. Lianth sollte gut darauf aufpassen, damit ihm nicht irgendwann gleiches widerführe. Sein eigentlicher Angreifer, wandelte sich zum Führer und schließlich zum Geber. Er deutete auf den Erdhügel, der kaum als solcher wahrgenommen werden konnte, wenn man nicht mit der Nase drauf gestoßen wurde.
Farno aber stieß Lianth noch auf etwas anderes: Das schien ein Grab zu sein! Und die Erde besaß alle Merkmale dessen. Wer auch immer ‚die Suse‘ sein mochte, sie nährte die Erde reichhaltig an und schon ein Bisschen davon würde Lianth helfen können. "Ich kann die Erde nicht mitnehmen. Da liegt doch Eure Suse." Lianth war nicht gierig. Er war nicht mal egoistisch. Er würde lieber seinen Kopf in eine Schlinge stecken, als dem Mann nun auch noch das Grab seiner Suse zu nehmen. Offenbar dem einzigen Besitz in den schmutzen Händen. Farno aber schüttelte ein wenig den Kopf und es rieselte leicht. „Meine Suse liebte es, draußen zu sein! Die Natur, verstehst’e? Glaub nicht, dass’se was dagegen hätt‘.“, brummte er und schaute erneut auf das schmucklose Grab.

"Das k-kann ich nicht tun. A-aber wenn Ihr mich ... auf dem Grab ... was waren Suses L-Lieblingsblumen? Was sind Eu-Eure? Es wird schö-schön aussehen und i-ich nehme nur die Heilkräuter." Farno runzelte die Stirn. „Hä?“, fragte er geistreich und gleichermaßen eloquent. „Was willst’e?“, hakte er nach. Doch ob Lianth nun lang erklären könnte, dass er ein ganz passabler Naturmagier, dass er Heiler und Kräuterkundiger war und Farno das auch alles verstehen würde, blieb mal dahingestellt. Also wollte er ihm zeigen, was er meinte: "Habt Ihr W-Wasser, Farno? Ei-eine Schale ... und dann macht Euch bitte frei, damit ich mir Euer rektales Problem ansehen kann." Farno blinzelte abermals und brummelte vor sich hin, ehe er kurz zu allen Seiten schaute und sich dann erneut am schuppigen Kopf kratzte. „Hab kein Wasser. Kann aber hinpinkeln, wenn du willst. Muss eh.“, meinte er hilfreich und sollte ja ohnehin die Hose ausziehen. Doch zu Lianth’s Glück konnten seine feinen Elfenohren ein Tropfen wahrnehmen. Sein Augenmerk legte sich zügig auf die Quelle des Geräusches und tatsächlich befand sich unweit seiner Position ein Regenfass. Es fing das Wasser von den Dächern auf und diente offenbar vielen als Wasserquelle. Gerade als Lianth hinsah, konnte er ein kleines Mädchen erkennen, das unter seinem Blick zusammenzuckte, weil es neugierig herübergelinst hatte. Dann griff es den Eimer und eilte mit schwappendem Wasser davon. Farno folgte dem Blick des Elfen und schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Sicher. Wasser. Ich hol ’s.“, gab er zum Besten, ehe er kurze Zeit später mit Wasser zurückkehrte. Er stellte Lianth den Eimer dorthin, wo er es brauchte, ehe er sich die Hose aufmachte. Ungeniert und vollkommen schmerzfrei, ließ er alle Hüllen fallen, bevor er sich umdrehte und Lianth ein Furunkel präsentierte, das furchtbar rot und eitrig entgegenglotzte. Zum Glück für den Heiler, lag es gut einsehbar auf der rechten Pobacke und er musste nicht in dunklere Gefilde vordringen. Der entzündete Rand war gut abgegrenzt, sodass ein weiteres Nachschauen nicht nötig wäre.
„Und? Wie schlimm ist es?“, rief Farno und beugte sich leicht vor. Lianth erkannte außerdem, dass die Haut des Mannes trocken war. Sie schuppte leicht und deutete auf hohen Flüssigkeitsmangel hin. Auch war der Dreck überall und gewiss nicht hilfreich, wenn man sich vor Krankheiten schützen wollte. Wer ahnte schon, was Farno noch alles in seinem Körper ausbrütete. „Achso, Minze mochte meine Suse gern!“, antwortete er verspätet auf die Frage des Elfen. „Minze und Baldrian hat sie immer ganz verrückt gemacht!“, erinnerte er sich und lachte kurz auf. „Da war sie ganz wuschig, hat sich immer auf meinen Schoß gesetzt und war gar nicht mehr runterzubekommen!“, plapperte er weiter. Offenbar hatte Lianth einen neuen Freund gefunden. Farno entpuppte sich als folgsamer Patient, der einfach nur dankbar schien, dass man sich mal um ihn kümmerte. Er tat, was Lianth anordnete und erkannte ihn tatsächlich als Autorität an. Auch ließ er ihn am Grab seiner Suse tun, was immer er vorhatte zu tun.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Montag 23. Oktober 2023, 10:52

Was wirklich schwierig daran war, alles und jedem helfen zu wollen, entpuppte sich nicht als die Gefahr, ausgenutzt zu werden, sondern in der Stärke der eigenen Seele, sich dadurch nicht brechen zu lassen. Lianth war nie daran zerbrochen. Seine Güte blieb, seine Hilfsbereitschaft blieb. Vielleicht kam ihm da seine introvertierte Arte sogar zu Gute. Sobald er jemanden behandelt oder geholfen hatte, zog er sich still zurück. Er bekam im Grunde nie mit, was man hinter seinem Rücken tuschelte. Jetzt, in Grandea und unter dem wachsamen Blick von Kan'egh Vashnar konnte das noch witklich brenzlig werden. Lianth müsste sicherlich mit Ärger rechnen, denn er war jetzt schon zu spät dran - und er brächte weder Heilkräuter noch Erde, dafür aber kein Geld mehr mit! Die Erde, die Farno ihm anbot, konnte er nicht annehmen. Er hatte damit seine geliebte Suse begraben. Wer wäre er, diesen Boden fortzubringen? Das wäre Grabschändung!
Etwas darauf zu pflanzen hingegen schien ihm fast wie eine Ehrerbietung der Verstorbenen, vor allem, wenn er ihre Lieblingspflanzen wählte. Natürlich wollte er auch einige andere Dinge gedeihen lassen. Er hatte nämlich zugesagt, Farno zu helfen - natürlich. Jener besorgte Lianth gerade mehr oder minder frisches Wasser. Es kam gewiss aus keinem firschen Quell, der sich sauber durch ein Tal hatte ziehen können, aber es schwamm auch nichts von dem drin, was die feine Elfennase ringsum wahrnahm. Der Geruch intensivierte sich, als Farno die Hüllen fallen ließ. Lianth rümpfte die Nase. Irgendetwas an diesem Mann war gewaltig gereift und es handelte sich nicht um Käse. Hier stank es nach Eiter.
Farno wandte sich um. Schon wurde Lianth sich des Ursprungs seine Annahme bewusst. Dick wie wie ein Apfelkern mit angespannter Haut, die sich schon so dünn darüber wölbte, dass sie fast durchsichtig wirkte und einem dunkelroten, bereits entzündetem "Auge" als Scheitelpunkt glotzte ihn der wohl größte Furunkel an, den der Elf je an einem Hinterteil hatte erblicken müssen.
Lianths Züge nahmen sofort etwas Mitleidiges an. Er ekelte sich nicht, sondern zeigte Empathie. Es war so viel und er immer noch in seinem Element, dass das Stammeln sich kaum noch zeigte. "Ihr müsst starke Schmerzen haben, Farno. K-kein Wunder, dass Ihr so m-mürrisch wart, als wir uns begegneten." Lianth konnte die Logik des Mannes nicht ganz nachvollziehen. Er hatte Geld verlangt, doch das half nicht gegen einen Furunkel. Dann stutzte der naive Elf. Oh, sicher wollte er einen Heilkundigen beauftragen und ihn damit bezahlen! Das Messer hatte er mitgenommen, um sich diese Beule aufschneiden zu lassen. Nie käme er auf die Idee, dass Farno lieber ihn aufgeschnitten hätte. Lianth dachte nicht in solche Richtungen.
Er lächelte gegen den Rücken des Mannes. "Ihr habt g-getan, was Ihr konntet. Jetzt w-werde ich Euch helfen." Dann stockte Lianth doch noch. Er zögerte. Nur Mut ... du musst es ihm sagen. Ansonsten leidet er länger und es wird schlimmer. Tu es! Lianth atmete durch. "F-farno, ich komme n-nicht umhin ... es g-geht nicht a-anders. I-ich muss Eu-euren ... ich m-muss das a-aufschneiden. Es wird ... schmerz... schmerzhaft." Plötzlich zerrte er seine Tasche hervor und holte ein wunderschönes, blank poliertes Stück Holz hervor. Es war gänzlich unbenutzt. "Ich habe ein Beißholz! F-falls Ihr es n-nutzen müsst." Er bot es Farno an und kehrte in seine Sicherheiten zurück. Der Furunkel glänzte ihm prall entgegen. Dass er noch nicht geplatzt war, wunderte den Elfen beinahe, aber es war gut so. Auf diese Weise könnte er nun eine Entzündung verhindern.
Lianth packte aus, was er benötigte. Er bereitete sich vor. Er rollte ein Stück Leinenverband aus, um sauber darauf sein Skalpell, ein Fläschchen Wundalkohol, kleinere Fetzen Verband und eine Lage davon, sowie ein Döschchen abstellte. Letzteres beinhaltete eine Salbe mit Kamille und Ringelblume als Hauptbestandteil. Er hatte sie von seinem Bruder anrühren lassen, der als Apotheker deutlich fähiger in solchen Dingen war. Wärme erfüllte Lianths Herz beim Anblick der Salbe. Vellyn wäre nun sehr stolz auf ihn. Aber der liebe Bruder hatte ihm auch ein paar Samen überlassen.
Lianth hatte sich entschieden. Er würde Kamille, Beinwell und Arnika anpflanzen. Als Farno dann auch Suses Lieblingspflanzen nannte, lächelte er. "M-Minze ist per-perfekt! I-Ihr könnt immer ein B-B-Blättchen zwischen den F-Fingern reiben und dann daran r-riechen, wenn ... Eure Umgebung zu sehr ... r-riecht." Lianth stolperte in den letzten Zügen seiner Worte. Er wollte Farnos Heimat nicht als schmutzig und stinkend bezeichnen, auch wenn er damit den Nagel auf den Kopf getroffen hätte. Aber der Mann war so freundlich zu ihm und er konnte am allerwenigsten etwas daran, dass Grandea ein Pfuhl aus Fäkalien und Abfällen war.
Lianth suchte weitere Samenkörner zusammen. Ringelblume hatte er nicht, obwohl sie gerade für Farno nun hilfreich wäre. Auch Minze konnte er nicht auf "natürliche Weise" wachsen lassen. Ganz natürlich würde nichts entstehen. Er müsste seine arkanen Kräfte bemühen, damit die kleinen Halme aus den Körnchen sprossen und schneller ausgebildet wären als es von Florencia vorgesehen wäre. Doch sie hätte Celcia nicht die Naturmagie geschenkt, wenn sie diesen Prozess nicht gestattete. Außerdem würde es jemandem helfen. Für Ringelblume und Minze hingegen müsste Lianth einen Teil seiner eigenen Energie hergeben. Es würde ihn erschöpfen, beides entstehen zu lassen und er konnte nur darauf hoffen, dass Suse den Boden nachhaltig angereichert hatte. Doch den Pflanzen würde er sich später widmen. Jetzt war der Furunkel dran!
Nachdem der Elf einen Teil des Wassers in eine kleine Holzschale geschüttet hatte, ließ er mehrere Krümel getrockenter Kamille darin schwimmen. Wäre das Wasser heiß gewesen, hätte er nun einen angenehm duftenden, wohlschmeckenden Tee-Aufguss. So jedoch war es nur hilfreich, die beanspruchte Haut seines Patienten zu reinigen. Behutsam tupfte Lianth mit einem Stückchen Verband die Ränder des Furunkels entlang. Dann träufelte er ein paar Tropfen des Wundalkohols auf das Skalpell, um die Klinge zu reinigen.
Er erklärte jede seiner Taten, ob es Farno interessierte oder nicht. Er würde lediglich still bleiben, wenn dieser seine Abscheu oder Angst ob der Worte äußerte. Lianth stotterte nun kein einziges Mal mehr. Er war hochkonzentriert, vor allem auf seine Aufgabe. Wo er sonst trotz seiner Größe eher klein und scheu wirkte, da ragte er nun mit einem Selbstbewusstsein heraus, dass man kaum glauben mochte, dass es sich um denselben Elfen handelte. Seine Augen funkelten wie gelbgoldene Schätze. Dann setzte er das Messerchen an und schnitt. Die Haut riss spielend leicht entzwei. Sofort ergoss sich ein Teil des Eiters in die Freiheit. Lianth fing ihn mit seinen Fetzen aus Verband auf und stopfte einige davon in den nun neu entstandenen Krater. Der Stoff sog sich schnell mit der Eiterflüssigkeit auf. Es stank barbarisch. Vielleicht hätte ich die Minze doch vorher wachsen lassen sollen... Es war zum Glück nicht das Schrecklichste, was Lianth in seinem Leben behandelt hatte. Er hielt durch. Schließlich ging es darum, seinem Patienten Erleichterung zu verschaffen. Das gab ihm Kraft.
Sobald der Furunkelkrater ausgelaufen war, entfernte Lianth die Stoffstücke wieder und reinige die Stelle sowohl mit Wundalkohol - das musste arg brennen - als auch mit dem Kamillenwasser. Er tupfte es trocken und kreierte eine Kompresse, die er mit der Salbe einschmierte. Jene drückte er dem Mann an die offene Stelle, ehe er geschickt einen Verband anlegte.
"So. Fertig! Nun ... fast. Es w-wird ein paar T-tage dauern, bis das wieder h-heil ist. E-eine Narbe wird zurückbleiben, a-aber das ist ein g-geringer Preis. B-bitte Farno, versucht, Euch auf n-nichts Sch-Sch-Schmutziges zu setzen." Lianth griff nach einem Probendöschen aus seiner Tasche und klatschte einen kleinen Teil der Salbe hinein. Dann reichte er dem Mann diese Probe. "S-sobald Ihr den V-verband nicht mehr braucht, r-reibt Euch d-damit noch einige T-tage ein. Für die Haut! D-den Verband wechsle i-ich Euch morgen. Wenn ich d-die Kräuter ... hole." Einen Tag würden sie mindestens brauchen und auch nur, wenn er jetzt begann.
"J-jetzt zu Eurer Suse." Er reinigte seine Instrumente und packte alles wieder ein, was nicht mehr benötigt wurde. Das Säcklein mit den Samen blieb. Damit hockte Lianth sich nun zum Grab. Er suchte, wie angekündigt, Kamille und Beinwell heraus, sowie Baldrian, den Farno auch erwähnt hatte. Liebevoll drückte Lianth jedes einzelne Samenkorn in den Boden. Dann schüttete er ein wenig des Wassers aus dem Eimer darauf und legte seine flachen Hände auf die feucht gewordene Erde. Nun durfte Farno Magie sehen.
Naturmagie war um Längen nicht so beeindrucken wie die elementaren Geschwister aus Feuer, Erde, Luft und Wasser. Lianths Hände begannen lediglich ein wenig grünlich zu glühen. Es raschelte, als spielte der Wind mit reichlich Laub. Es roch nach frischem Gras und feuchtem Moos, nach einem Regenguss. Es duftete nach Suses nährreicher Erde und schon streckten sich winzige, frisch grüne Halme zwischen den elfischen Händen empor. Sie suchten den Himmel und die Sonne. Sie reckten sich mit geschenktem Leben. Lianth lächelte, doch schon bald stand ihm der Schweiß auf der Stirn. Er konnte Minze wachsen lassen und auch Ringelblume, aber es kostete Kraft. Vor allem dauerte es und am Ende sah Suses Grab zunächst aus, wie von Unkraut befallen.
Lianth zog die Hände zurück, betrachtete sein Werk und wusch sich die Erde von den Fingern. "M-morgen besuche i-ich Euch w-wieder. Für den V-verband und ... den Kr-Kräutern. W-was ich nicht mitnehme, könnt I-Ihr nutzen." Lianth lächelte offen und voller Herzlichkeit.
Farno hatte diesen Mann überfallen, vielleicht sogar verletzen wollen für ein paar Münzen und aus reiner Verzweiflung. Nun hatte jener Mann seinen Furunkel behandelt, Suses Grab in Ehren gehalten, ihm sogar einige Heilkräuter darauf zur Verfügung gestellt und obendrein hatte er doch noch das Geld bekommen. Der Elf hatte so viel gegeben, so viel verloren ... und er lächelte! Denn Lianth sah es ganz anders. Er hatte hier und heute, bei Farno, so viel gewonnen. Was für ein wundervoller Tag, um am Leben zu sein!
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Dienstag 24. Oktober 2023, 21:45

Wo andere ob der schmatzenden Geräusche, dem Gestank oder dem Aussehen vermutlich eilig die Flucht ergriffen hätten, da ging Lianth das Herz auf. Sicher roch auch er das ganze nicht gern, aber allein die Aussicht auf die Linderungen der Beschwerden, das Aufatmen des Patienten, wenn er geheilt wäre. Allein das ließ den Elfen mutig und furchtlos werden. Er griff beherzt seine Utensilien, bereitete sich fachmännisch und so professionell, wie es hier im Loch des Außenbezirkes ging, vor. Dabei ließ er größte Sorgfalt walten, denn wenn er erstmal in seiner Heilertätigkeit aufging, dann hielt ihn auch nichts davon ab, das nach bestem Wissen und Gewissen zu tun. Lianth bereitete seinen Patienten vor. Jener aber ahnte ja nicht, was das bedeutete. Und so gellte ein Schmerzenslaut durch die ohnehin wenig belebte Gasse. Inzwischen musste es Nachmittag sein, denn alles hatte viel Zeit gekostet. Lianth hatte lange auf dem Markt gesucht, nun hielt er sich am Gesäß von Farno auf und hatte auch noch Pflanzen wachsen zu lassen. Ihm lief die Zeit davon, das wusste er. Und doch konnte er nicht aus seiner Haut. Lianth nahm lieber eine Schelte unbekannten Ausmaßes auf sich, als Farno jetzt in seinem Zustand alleinzulassen. Und im Falle des rüpelhaften Mannes aus Grandea’s Schlund, zahlte sich seine Barmherzigkeit aus. Nun aber musste er dem plötzlich freundlich Gesinnten erstmal die Zähne ziehen, denn die Schmerzen, ob des Schnittes, merkte man dem armen Kerl deutlich an. Er keuchte, schnaufte und jaulte auf, während sich der Eiter über das Skalpell und das Tuch des Heilers ergoss. Farno hatte den Beißkeil nicht genutzt, bereute es aber, als er dann anstelle dessen seinen Finger nahm, um nicht laut aufzuschreien. Erst als der Druck fort war, kam der Geplagte wieder zu Atem. Lianth hatte sehr gute Arbeit geleistet. Die Stelle würde gewiss einige Tage brauchen, um wieder ganz zu verheilen, doch die penible Arbeitsweise, hatten Farno immerhin schlimmeres erspart. Der Mann zog sich wieder an und hörte dem Heiler dankbar zu, während er die kleine Salbendose entgegennahm.
Sofern Lianth es überhaupt bemerkte, konnte er feststellen, dass die Augen des Bärtigen ein wenig schwammen. Es wirkte wie Rührung, konnte aber natürlich auch der Schmerz sein, den er hatte erleben müssen. Den Appell, dass er sich nirgendwo hinsetzen sollte, wo es dreckig war, kommentierte Farno mit einem inbrünstigen Lachen und kräftigen Schulterklopfen für LIanth. „Hast’e dich hier mal genau umgesehen, Junge? Hier trittst du in Scheiße, wenn du nur kurz mal niesen musst! Aber… ich passe auf.“, versprach er und klopfte erneut auf Lianth’s Schulter. Dass Farno überhaupt noch viel Kraft besaß, verdankte er wohl einem raubeinigen Lebensstil. Grandea war ein Pfuhl, aber jener härtete die Bewohner auch zwangsweise ab. Andere, gerade im Innenring, wo auch das Lager von Vashnar lag . hätten vermutlich tagelang mit Fieber im Bett verbringen müssen. „Kommste morgen wieder, hm?“. Hakte er nach und betrachtete den schüchternen Elfen. „Ach was, schon gut. Du hast anderes zu tun, hm? Hab dich im Tross dieser Dunkelelfen gesehen!“, offenbarte Farno und winkte ab. Er spuckte ungeniert aus und verzog das Gesicht. „Haraxische Brut, sag ich dir. Pass bloß auf dich auf, Junge!“, mahnte er erörterte seine Meinung aber nicht. Auch das war typisch für das ärmere Volk in Grandea: Die Meinung wurde gebildet, aber nicht anhand fundierter Informationen geprüft. Es brachte wohl nichts, eventuell eine Umstimmung zu erwirken. Die Dunklen waren die Feinde. Wobei es in vielen Teilen der Welt eben auch stimmte. Hier in Grandea aber waren sie gar willkommen – jedenfalls weitestgehend. Es gab ein Bündnis mit ihnen, denn der König dieser Lande sympathisierte mit den Plänen jener, die aus der Dunkelheit zu kommen schienen. Nun aber ging es weder um Meinungen noch um Politik.

Es folgte die zweite Erfüllung von Versprechen, die Lianth an Farno gegeben hatte. Der Elf mit den nussbraunen Haaren verstaute seine Habe sorgsam zurück und widmete sich daraufhin der Erde, die Suse als letzte Decke diente. Sie fühlte sich warm an, weich und brauchbar. Lianth konnte die Beschaffenheit von Erde anhand seiner naturmagischen Begabung erkennen und fühlte, dass jene gut angereichert war. Farno trat ein wenig näher und beugte sich hinunter, um besser sehen zu können. Abwartend beobachtete er neugierig den Elfen und riss die Augen auf, als jener tatsächlich ein sanftes Glühen zu Stande brachte. „Potzblitz! Na, sieh einer an.“, vermeldete Farno mit einer Dunstwolke aus seinem Rachen. Lianth aber ließ sich nicht ablenken. Der Heiler spürte, wie seine Magie die Erde annahm, sie abtastete und sanft vordrang. Er konnte fühlen, dass es sein Wille war, der die Magie lenkte, sie zu einem sanften Schwingen brachte und schließlich dafür sorgte, dass sich das Saatgut früher als normal öffnete, die nasse Erde annahm und sich wohlfühlte. Das leise Rauschen der Blätter, ob tot oder lebendig um sie herum, kündete von dem Nutzen der allseits verbundenen Naturmagie. Lianth spürte, dass er imstande war, eben jene Kräuter emporzuziehen, ihnen die helfende Hand reichte, damit sie schneller wuchsen. Er konnte sie Stück für Stück ermutigen, ihre Blätter der Sonne emporzurecken und sich danach zu sehnen. Allerdings spürte er auch, dass er ein Teil jener wurde. Seine Magie verhalf den Setzlingen zu Leben und so fehlte sie ihm selbst. Sie würde sich regenerieren, doch das brauchte ebenso Zeit, wie die Pflanzen. Lianth betrachtete das Werk seiner Magie und war zufrieden.
Auch Farno schien zufrieden, obwohl das Grab der Suse bisher nicht so schmuckvoll aussah. Farno war es egal. Nun schniefte er doch noch mal ordentlich und wischte sich eine Träne fort. „Meine Suse wäre gern darin herumgestreift.“, schnäuzte er in ein ordentlich braunes Taschentuch, das er scheinbar gerade zufällig in seiner Hosentasche gefunden hatte. „Danke.“, brummte er und sah dann zu Lianth, der sich allmählich auf den Weg machen musste. Farno aber hielt ihn auf, bevor er gehen konnte. Er hielt die Münzen hin, die er Lianth abgenommen hatte. „Nimm sie zurück.“, sagte er und ließ die Münzen in die Hand des Elfen fallen. „Du hast mir geholfen. Dafür danke ich dir wirklich sehr!“, brummte er und lächelte schief. Das war es nun… Lianth hätte ausgeraubt werden sollen, hatte aber durch seine Art geschafft, dass aus einem griesgrämigen Halunken, ein gerührter Mann wurde. Jener stand nun am Grab seiner Suse und blickte auf die frischen Zweigchen, die sanft im Wind wehten. Es war ein Wunder, das Farno hatte erleben dürfen. Und ein Wunder für Lianth, der wieder mal alles gegeben hatte, um ein Lächeln zu ernten. Mit dem letzten Rest Münzen, konnte er sich nun noch mal auf die Suche begeben, um doch noch etwas Schadensbegrenzung zu betreiben, vielleicht wusste ja jemand eine gute Adresse für Kräuter oder aber er kehrte direkt zum Zeltlager zurück, indem die Dunkelelfen derzeit noch untergebracht waren.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Montag 30. Oktober 2023, 20:01

Warum zogen Soldaten freiwillig in den Krieg? Sicher nicht, um das Blut ihrer Feinde die der eigenen Haut zu fühlen, wenn es bei einem gelungenen Schwertstreich aus der Wunde ins eigene Gesicht spritzte. Ebenso wenig, um einen roten Matsch aus Gedärmen und anderen Innereien zu beobachten, die sich aus dem offenen Bauch auf den Erdboden verteilten. Garantiert nicht, um die letzten, halb geröchelten Atemzüge eines Kameraden zu erleben, während man ihn im Arm hielt und beim Sterben zuschauen musste. Nun, vielleicht trafen ein paar Aspekte auf sehr faldorgläubige Dunkelelfen oder so manch kranken Geist zu, aber sie waren nicht die Regel. Soldaten zogen aus, um entweder die Heimat zu verteidigen oder eine neue in einem frisch eroberten Landstück zu finden. In den meisten Fällen stritten sie für bessere Bedingungen für sich und ihr eigenes Umfeld. Es fühlte sich berauschend an, diese Ziele zu erreichen und sie waren die Strapazen, Blut und Massaker wert. Das zumindest glaubten viele, ohne an die Konsequenzen wie Albträume oder andere Belastungsstörungen zu denken.
Auch Lianth dachte nicht daran, was ihm noch blühen könnte, weil er seine ohnehin knapp bemessene Zeit damit verbrachte, einen Furunkel an Farnos Gesäß auszupressen. Er ignorierte ebenfalls den unliebsamen Geruch des Eiters oder das widerlich warme Gefühl, als sich die gelbliche Flüssigkeit zu Teilen auch über seine Finger ergoss. Seine Ambitionen wurden von dem Bedürfnis getrieben, seinem Patienten eine langfristige Erleichterung zu verschaffen. Farno würde ein besseres Leben führen können, wenn er erst einmal den Furunkel los und alles verheilt wäre. Das war es, wofür jemand wie Lianth trotz seiner scheuen Art kämpfte. Seine Schlachten wurden still in schmutzigen Gassen ausgetragen, in denen Menschen wie Farno ihm eigentlich ans Leder wollten und in denen er auf dem Grab einer anderen zahlreiche Kräuter sprießen ließ. Lianth war noch nicht in den Sinn gekommen, dass die alte Suse durchaus eine Katze sein könnte. Die Andeutungen passten, aber er machte sich keine Gedanken darüber. Vielmehr war er froh über die reichhaltige Erde, welche Nährboden für all die Kräuter sein würde, die er auf Grandeas Markt im Außenring nicht hatte erstehen können. Das sollte die Konsequenzen seitens seines dunkelelfischen Hauptmanns doch auf ein Minimum setzen, oder nicht?
Dafür opferte der Shyáner gern etwas Zeit, Salbe und Einsatz. Vor allem wurde er sofort belohnt und das nicht nur mit Kräutern. Farnos Augen schwammen und natürlich interpretierte der Elf Dankbarkeit für seine ärztliche Behandlung hinein. Er lächelte sacht. Nun war es jedoch getan und Lianth zog sich sofort in sein Schneckenhaus der Introvertiertheit zurück. Kaum, dass er seine Arbeit beendet hatte und seine Utensilien wieder einpackte, mied er Farnos Blick. Er duckte den Kopf auch wieder zwischen die Schultern, sprach leiser und auch das Stammeln würde zurückkehren. Spätestens als Farno ihn auf seine dunklen Freunde ansprach und sie als Grund nannte, warum er tags drauf wohl keinen erneuten Patientenbesuch abhalten würde.
"I-ich finde sch-schon einen Weg. I-Ihr m-müsst nochmal u-untersucht we-we-werden, Farno. U-und ich brauche ... doch auch ... d-d-d-die Kräuter." Jetzt steckte er den Kopf noch enger zwischen seine Schultern, als wagte er zu viel. Dabei hatten sie längst abgesprochen, dass Lianth sich bedienen könnte. Farno hatte ihm ja sogar die Erde zum Mitnehmen überlassen wollen, aber das konnte der Elf nicht tun. Es war Suses Vermächtnis. Sie gehörte hierher und nicht in die militärischen Unterkünfte der Dunkelelfen.
"Hab dich im Tross dieser Dunkelelfen gesehen!" Lianth nickte sacht, ohne aufzuschauen. "Haraxische Brut, sag ich dir. Pass bloß auf dich auf, Junge!"
"H-Haraxisch...", wiederholte Lianth, der mit dem Begriff nichts anfangen konnte. In Shyána Nelle praktizierte niemand Ritualmagie. Dort beschwor niemand Dämonen. Woher sollte er den Harax kennen? Natürlich kehrten hin und wieder auch Reisende in das versteckte Elfenparadies ein, darunter auch Magier anderer Richtungen als jene, die man in der Talsenke lehrte. Aber zum einen hätte Lianth dann selbst ein ausgebildeter Magus an der Shyáner Lehranstalt sein müssen und zum anderen hätte er sich mit anderen Magiern abgeben müssen. Ohne seinen Bruder war es ihm schon schwer gefallen, Kundschaft in der Apotheke überhaupt anzusprechen, um ihnen eine Untersuchung anzubieten. Ach, mein lieber Vellyn ... und nun bin ich hier. Ja, nun war er hier, mitten in Grandea, als Teil eines dunkelelfischen Trupps, während ein Einheimischer mit ehemaligem Furunkel am Hintern ihm riet, auf sich aufzupassen.
"S-Sie sind s-sehr n-n-nett. I-ich weiß n-nicht, w-w-w-was Ihr meint, Farno." Das konnte Lianth wirklich nicht nachvollziehen. Es lag vordergründig daran, dass Kan'egh Vashnar nicht umsonst seinen Posten bezog. Der Elf war gerissen genug, den fremdländischen Heiler nicht körperlich anzugehen. Er hatte Lianths Naivität und Gutherzigkeit schnell erkannt und nutzte beide Entdeckungen gespielt so aus, dass er seinen Willen erhielt, ohne auch nur einmal die Hand gegen den Elfen erheben zu müssen. Was auf Lerium hinter Lianths Rücken gesprochen wurde, stand auf einem anderen Blatt. Einem, dessen Schrift der Heilkundige nicht mächtig war. Farno hatte Recht, ihn zu warnen. Lianth sah nur nicht, wie sehr er auf den Mann hören sollte.
Beide Männer betrachteten den kleinen Kräutergarten auf Suses Grab, der aktuell noch mehr wie ein Feld aus Unkraut anmutete. Aber die Halme waren saftig, die kleinen Sprossen streckten sich begierig gen Himmel und wollten wachsen. Doch Lianth hatte genug Magie investiert. Den Rest würde die Zeit tun müssen. Vor morgen hatte es keinen Sinn, noch einmal nach den Pflanzen zu sehen. Dann aber könnte er sicherlich schon das eine oder andere Kraut soweit ernten, dass er zumindest seine Vorräte aufstocken könnte. Ein paar Tage mehr und er könnte sich Ableger mitnehmen.
"I-ich komme m-morgen wie-" Lianth wurde durch ein Dankeswort von Farno unterbrochen. Außerdem drückte der Mann ihm die Münzen zurück in die Finger, welche der Elf ihm eigentlich hatte überlassen wollen. Erstmals hob Lianth den Kopf an und richtete den vor Überraschung geweiteten Blick auf seinen Gegenüber. "A-aber...", nuschelte er und kam nicht viel weiter.
"Numm sie zurück. Du hast mir geholfen. Dafür danke ich dir wirklich sehr!"
Während verlegene Röte in die Wangen des Elfen stieg, senkte er die Lider, dass ein Kranz feiner Wimpern sich über das glückliche Bernstein seiner Augen legte. Er war selig. Farno war ihm wirklich dankbar und das warme Gefühl dieser Dankbarkeit breitete sich wie Balsam auf seiner Seele aus. Es bescherte Lianth warme Schauer. Er lächelte. Dann teilte er die verbliebenen Münzen auf, um einen von beiden kleinen Stapeln Farno hinzuhalten. "I-ich brauche n-nicht mehr a-alles, w-wenn ich m-morgen d-d-die Kräuter h-hole. U-und Ihr ... Ihr braucht es, Farno!" Wenn der Mann erneut ablehnte, würde der Elf ihn jedoch nicht drängen. Dazu fehlte ihm die Dominanz. Alles, was er wollte, war es, Farnos Leid ein wenig zu lindern. Das hatte er durch seine Behandlung geschafft und er würde es auch mit Münzen tun, denn er besaß sie und somit konnte er teilen. Er würde immer sein letztes Hemd geben, wenn es anderen dadurch besser ging und selbst dann noch lächeln, nachdem er anschließend schlotternd auf eine Erkältung zuhielt.
"I-ich muss l-los. B-bis morgen ... Farno." Mit einem letzten verlegenen Auflächeln verbeugte Lianth sich ein wenig zu tief, dass es genauso unbeholfen herüberkam wie er sich anstellte. Dann machte er sich auf den Weg. Es bestand keine Notwendigkeit mehr, den Markt erneut aufzusuchen. Mit Suses Grab würde Lianth an alle Kräuter herankommen, die er jetzt nicht zu Kan'egh mitnhähme. Dass er so gesehen mit leeren Händen und viel zu spät zu seinem Zeltlager und in mögliche Probleme hineintappen würde, war dem arglosen Elfen nicht bewusst. Vielmehr war sen Herz beseelt von der Hilfe, die er hatte geben können und seine Schritte beflügelt von der Freude, die es ihm selbst bescherte.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 1. November 2023, 22:24

Lianth entschied sich, dass es nun Zeit wäre zu seinem Offizier zurückzukehren. Er hatte einen wundervollen Morgen erlebt und war glücklich. Ihm war gar nicht bewusst, dass dieses Glück sich durchaus in Gefahr befand. Lianth’s Auftrag war klar und unmissverständlich gewesen: Zum Markt gehen, keine Dummheiten machen und mit dem, was er für die Behandlung brauchte wiederkehren. Auf dem direkten Wege! Nichts davon hatte Lianth erreicht, aber wen kümmerte es, wenn er doch das Leben eines Fremden besser machen konnte? Und das hatte er! Er, Lianth, hatte in Grandea einer armen Seele Freude geschenkt und nicht nur das! Er hatte auch einen passablen Ort gefunden, an dem er seinen Vorrat etwas aufforsten konnte. Na, wenn das nicht Grund genug war, dass Kan’egh Vashnar sich milde zeigen würde. Farno hatte den Teil der Münzen entgegengenommen und sich überschwänglich bei dem Elfen bedankt. Plötzlich war er nicht mehr der griesgrämige Halunke, sondern ein viel zu großer, kräftiger Bär, der alle Grenzen der zwischenmenschlichen Zurückhaltung sprengte. Er hatte Lianth gedrückt und sogar etwas hochgehoben, dass die Utensilien in seiner Tasche nur so klapperten. Dann hatte Farno ihn entlassen, kräftig auf die Schulter geklopft und ein „Na dann, bis Morgen“, gebrummt. Es klang nicht sehr glaubwürdig, aber in Grandea geschahen manchmal Zeichen und Wunder. Lianth aber setzte seinen Weg endlich fort und fand sich, nach einigen Sackgassen, dann doch endlich auf dem richtigen Weg.

Lianth weiter bei: Die Zeltstadt der dunklen Armee
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 13. Dezember 2023, 13:37

Lianth kommt von: Am Scheideweg

Der Weg zur Stadtmauer war nicht sonderlich gefährlich, wenn man nicht hervorragend darin war, sich die Füße zu brechen an unwegsamem Gelände. Tatsächlich war auch der Wall oberhalb der Mauer mehr als spärlich besetzt. Grandea beschützte seine äußeren Bewohner nicht so gut, wie die Inneren und somit hatte Lianth dahingehend auch keine Schwierigkeiten, ungesehen zu dem kleinen Tor zu gelangen. Der Elf musste derweil feststellen, dass die Krähen ihn nicht einfach durch das nächstbeste Tor hinausgeführt hatten. Beim Näherkommen konnte er erkennen, dass es sich mehr um eine Luke handelte und nun verstand er vielleicht auch, warum er sich einmal hatte, klein zusammenkauern müssen und mehr auf den Knien gerutscht war. Diese Luke war ganz offensichtlich eine Art Müllschacht. Seine Nase erinnerte sich an den Geruch als er näherkam. Ja, sie waren also durch den Müllschacht nach draußen gekommen und unter seinen Stiefeln knirschte es auch vermehrt. Er würde Abfälle wie Schalen und Kompostmüll erkennen, die die Menschen in Grandea nicht mehr haben wollten. Dabei handelte es sich mehr um biologische Abfälle, die sonst vermutlich zu einer noch größeren Rattenplage führen würden, wenn man sie innerhalb der Stadtmauern entsorgte. So aber hörte Lianth es hier und dort rascheln und Quiecken, wenn er aus Versehen gegen etwas Essbares stieß und damit einige Ratten und Mäuse aufscheuchte. Es waren derzeit nicht sonderlich viele, denn die Tageszeit verhinderte ein wenig, dass sich die Nagetiere ungestört gütlich tun konnten, aber die eine oder andere besonders hungrige Ratte war dann doch da. Sobald sich Lianth der Luke näherte und sie schließlich auch hochklappte, starrte ihn dann eine besonders fette Ratte an.
Sie hob das Näschen und schnupperte in seine Richtung. Sie glotzte ihn aus den runden Knopfaugen an und war für einen Moment paralysiert. Offenbar hatte er sie erschreckt, doch anstatt wegzulaufen, starrte sie nur. Sie schnupperte und schließlich senkte sie ihr Näschen wieder und sprang aus der Luke. Sie lief mit dickem Wackelpopo zu seiner Fußspitze, stellte sich mit den Vorderbeinen darauf und sah zu ihm hoch. Dann quietschte sie erneut und verschwand in einem Haufen Apfelschalen. Sie hatte gar keine Angst vor ihm gezeigt und bewies, dass sie nicht scheu sein musste. Oder hatte sie in Lianth etwas erkannt, was er verleugnen wollte?

Sobald sich Lianth durch den Müllschacht gezwängt hatte, was etwas schwierig war, da er eine kleine Steigung überwinden musste, gelangte er tatsächlich wieder in den äußeren Ring. Hier am Müllschacht waren derzeit keine Menschen zu sehen, was sein Glück war. Hier war sowieso kein Ort für lange Aufenthalte, stank es doch und einige hatten dann doch die letzte Hürde des Luken-Öffnens nicht geschafft, sodass einiges an Unrat daneben gelandet war. Aber Lianth war drin! Und er würde nur um die nächsten Häuserecken gehen müssen, um den ‚Markt‘ zu sehen, den er bereits kannte. Er wusste, zu Farno würde es dann nicht mehr weit sein und hier waren derzeit auch keine Elfen zu sehen, die wütend nach den Dieben suchten. Allerdings entdeckte Lianth, dass einige der Marktstände, die ohnehin schon desolat aussahen, vollkommen zerstört waren.
Menschen waren nicht auf den Straßen. Niemand bot seine Waren an. Stattdessen lagen hier und dort zerstörte Waren herum, achtlos und ohne Würde. Und sobald sein Weg ihn etwas weitergetragen hatte, fand er einen verdreckten Stofffetzen. Er würde ihn als eben jenen Schal wiedererkennen, den er der Oma gekauft hatte. Das Husten war nirgendwo zu vernehmen, stattdessen, sollte er den Schal überhaupt finden und sich näher anschauen, fand er hier und dort dunkelbraune Flecken, die eindeutig auf eine Verletzung hindeuteten. Die Frau hatte geblutet. War es nun der Husten, der sie doch dahingerafft hatte? Der die Lunge so angegriffen hatte, dass sie an ihrem Blut erstickte? Oder … oder war es doch, wie die Krähen sagten und die Dunkelelfen suchten mit allen Mitteln? Es sah jedenfalls nicht danach aus, dass die Soldaten besonders behutsam mit allem umgingen. Und so konnte er mit einem beklemmenden Gefühl aber recht unbehelligt, außer von eigenen Gedanken, den Weg zu Farno’s Plätzchen finden. Das Grab von Suse lag unberührt da und auf der Erde reckten sich die Kräuter empor, die Lianth angepflanzt hatten. Von Farno aber fehlte jede Spur bisher.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Donnerstag 14. Dezember 2023, 14:38

Farno war die treibende Kraft, die Lianths Gewissen genug plagte, dass er sich entgegen des Rats der Krähen auf den Weg machte. Ansonsten hätte er still wie ein Mäuschen in der Lagerhalle verbracht, all seinen Mut zusammennehmen müssen, allein bei Nachteinbruch hinauszuschleichen und sich auf einem unbekannten Weg Richtung Alberna aufzumachen. Doch der Halunke aus dem Armenviertel brauchte medizinische Pflege. Wenigstens einmal noch wollte Lianth den offenen Furunkelkrater untersuchen, um sicherzustellen, dass Farno keiner Entzündung erlag. Außerdem könnte er so seine Vorräte von den Kräutern auf Suses Grab aufstocken. Sie würden zwar nicht mehr in den Dienst von General Vashnar gestellt werden, aber für einen Heilkundigen war ein guter Stock an Vorräten niemals verkehrt.
Vashnar ... noch immer konnte Lianth nicht ganz glauben, dass der Dunkelelf wahrlich dermaßen bösartig sein sollte. Aber Lianth glaubte auch nicht an das Böse. Es war ihm so fremd wie das übrige Celcia. Doch wenn er sich weiterhin in die düsteren Gefilde dieser Welt vorwagte, würde er zwangsläufig damit konfrontiert werden. Die Krähen hatten das verhindern wollen, indem sie ihn zurückließen. Aber würde er höhere Überlebenschancen haben, wenn man ihn einfach so aussetzte wie einen Welpen am Straßenrand?
Arglos nahm der Elf den Weg zur Stadt auf. Das Gelände war hügelig, aber es störte ihn nicht. Sein Tritt war sicher. Lianth hatte schon viele Ausflüge in den Urwald Kapayu unternommen. Niemals war er weit vorgedrungen, sondern nur zu bekannten Sammelplätzen für wichtige Kräuter, aber Straßen existierten dorthin nicht. In der nächsten Umgebung rund um die Talsenke fanden sich hier und da noch Trampelpfade zwischen den tropischen Bodenpflanzen, aber damit endete es auch schon. Selbst Shyáner bevorzugten größtenteils die Fortbewegung über die breiten Bäume mit ihrem Geäst. Sogar Lianth kletterte manchmal dort herum, wenn er den Aufstieg schaffte. Für die meisten Kletterpartien fehlte es ihm an Kondition und Kraft. Er hatte lediglich festgestellt, dass er die Balance besser halten konnte, seit er über den unliebsamen Rattenschwanz verfügte. Jener schien wie eine lange Stange sein Gleichgewicht zu stärken. Trotzdem hielt Lianth ihn sogar dann lieber verborgen, wenn er allein unterwegs war. Auch jetzt war das hybridische Körperteil sicher um seine Hüfte geschlungen, dass es wie ein fleischiger Gürtel die Unterwäsche gegen den Körper drückte. Darüber hing seine Robe, bereits am Saum gut zerschlissen und an vielen Stellen schon staubig und schmutzig. Das hinderte aber eine vorwitzige Ratte nicht daran, Lianth als interessanter anzusehen als die Luke, aus der sie gekrochen kam.
Sobald er jene nämlich erreichte und erkennen musste, dass es sich eher um eine Einbahnstraße handelte, denn ein Tor gen Stadt, zögerte der Elf. Er war sich nicht sicher, ob er wirklich diesen Weg wählen sollte. Als die Ratte ihn hinter der Luke aber so ruhig und kein bisschen furchtsam mit ihren großen, schwarzen Knopfaugen anschaute, wusste er die Antwort.
"Ihr seid so klein und fürchtet euch überhaupt nicht", murmelte er und da er sich unbeobachtet fühlte, mangelte es auch an Nervosität, die ihn stottern ließ. Vor Tieren fürchtete er sich nicht, jedenfalls nicht vor Ratten. Das war seltsam, wo doch gerade ein solcher Nager für seine eigene Misere verantwortlich, ebenso wie für den Tod seines Vaters. Aber es handelte sich nicht um diese Ratte, die nun ohne Scheu ihre Pfoten gegen Lianths Robe presste und zu ihm hoch schnupperte.
Der Elf blickte herab. Er beugte sich sogar ein wenig vor, ohne selbst zu wissen, warum er sich von dem Tierchen so angezogen fühlte. Er lächelte sogar scheu. "H-Hallo..." Lianth griff in seine Tasche. An die Wegzehrung der Krähen wollte er noch nicht heran. Diese würde er noch brauchen, aber er besaß reichlich Samen. Nicht alle waren dafür bestimmt, von seiner Hand in den Boden zu finden, aber die Ratte würde sie verteilen - nachdem sie einen Weg durch den Darmtrakt genommen hätten. Als Lianth aber bereits ein paar Körner hervorgeholt hatte, huschte die Pelznase schon wieder davon. Lianth schaute dem mit Fell besetzten Hintern nach, der wie eine Watschelente ausladend wackelte, während der Nager wieder im Müll verschwand. "F-für dich und deine Freunde", nuschelte der Elf und warf ein paar Samenkörner vor den Haufen an Abfällen. Anschließend machte er sich an den Aufstieg zurück in die Stadt.
Er erkennte die Resterampe als solche wieder. Er erinnerte sich an den Tunnel, bei dem er sich hatte ducken müssen. Das hier war er, nur der Weg zurück erwies sich als etwas schwieriger. Lianth quetschte sich durch den kleinen Schacht und krabbelte auf der anderen Seite der Mauer wieder hinaus. Inzwischen passte er gut in das Armenviertel herein. Er roch nun nicht nur stark danach, sondern sah auch so aus. Die Robe würde selbst nach mehrmaligem Waschen nicht mehr ganz zu retten sein. Da bräuchte es schon einen fähigen Schneider. Seine Haare - inzwischen wieder angenehm nussbraun - hatten sich größtenteils aus dem Zopf gelöst. Lianth zog die Bänder ab, die die Mähne zusammenhielt und wickelte sie um sein Handgelenk. Er würde sein Haar später neu flechten, wenn er etwas Zeit und Ruhe fände ... und Wasser. Sein Bedürfnis, ein erfrischendes Bad zu nehmen, stieg. Doch noch hatte er eine Pflicht zu erledigen.
Er streifte sich die offenen Haare nun hinter die Ohren, als zöge er einen fransigen Vorhang beiseite. Sie reichten ihm schließlich bis zum Steiß und umschwangen ihn weiterhin bei jedem Schritt. Da Lianth nicht viele Wege kannte, machte er sich sofort gen Marktplatz auf, sobald er Anzeichen fand, wo jener lag. Irgendwann erreichte er den Platz, aber die wenigen improvisierten Stände hatten sich noch einmal reduziert. Verkäufer und Bettler fand er überhaupt nicht mehr vor. Alles lag irgendwie verlassen da und hinterließ einen trostlosen Eindruck. Lianth schaute sich um. Er entdeckte niemanden, glücklicherweise auch keine Soldaten. Dafür stach ihm der Schal wie Blutstropfen auf einer weiten Schneedecke sofort ins Auge. Er war hier ohnehin der größte Farbklecks in der Umgebung, obgleich er von Schmutz verunreinigt worden war. Lianth wollte schon danach greifen, als er andere Flecken darauf sah. Sie waren ihm vertraut wie nichts Anderes. Ein Heilkundiger erkannte selbst trockenes Blut. Er hielt in seiner Bewegung inne, musterte die Form der Flecken. Waren sie klein und liefen eher spitz zu, könnten sie vom Wegspritzen eines Gegenstandes sein, der den Träger mit einem Schlag getroffen haben mochte ... oder ... aufgeschlitzt. Natürlich ging Lianth nicht von vornherein davon aus. Er kannte diese Form auch nur, weil hin und wieder ein Shyáner sich versehentlich in den Finger schnitt oder von einem Handwerksgerät getroffen worden war. Niemals würde er dahinter vermuten, dass jemand auf die Großmutter losgegangen wäre, die den Schal eigentlich tragen müsste. Aber die Annahme des Elfen ging ohnehin erst einmal in eine andere Richtung. Die alte Frau hatte so stark gehustet, dass es vorzustellen war, dass ihre Lunge dem Leiden erlegen war. Wenn die Flecke auch Spuren von Eiter aufwiesen, klebriger wirkten und eher eine hingehustete, breite Form besaßen, wüsste er Bescheid. Wie auch immer jedoch seine Schlussfolgerungen aussähen, er hob den Schal nicht mehr auf. Die alte Dame schien ihn nicht mehr nutzen zu können und schlimmstenfalls holte Lianth sich nun eine Krankheit davon. Das konnte er nicht gebrauchen, denn andere brauchten ihn. Die Krähen nicht, Farno schon.
Also setzte er seinen Weg zu dem Mann und seiner Suse fort. Letztere fand er wie erwartet vor: Ein Grab, eigentlich liebevoll umsorgt und inzwischen überwuchert mit zahlreichen Kräutern, Blumen und auch ein wenig Unkraut. Der Anblick erwärmte Lianths Herz. Langsam trat der Elf bis an Suses letzte Ruhestätte heran. Er senkte sogar andächtig den Kopf, aber anstatt sich nun zu bedienen, ließ er den Blick in die Umgebung schweifen. Wo steckte Farno?
"Äh ... hallo?", raunte Lianth. Es war viel zu leise, als dass man auf ihn aufmerksam werden könnte. Aber für mehr reichte es nicht. "F-F..." Du hast es bis hierher geschafft. Und er braucht dich. Nur Mut! Lianth schloss einmal kurz die Augen, lauschte auf sein Innerstes. Er hörte, wie sich sein eigener Herzschlag beruhigte. Er besann sich auf seine Atmung. Er fand etwas mehr Ruhe zurück und konnte sich sammeln. Dann hob er den Blick erneut und mit ihm endlich die Stimme: "F-Farno? B-bist du ... seid I-Ihr hier? I-ich ... äh ... mh..." Schon verließ ihn der Mut wieder. Er schob den Vorhang aus Haaren nochmal hinter ein Spitzohr und umklammerte den Lederriemen seiner Tasche. Der Blick huschte verstohlen umher, fand sich dann aber wieder auf den Kräutern vor seinen Füßen. "I-ich ... kannn mich d-doch nicht einfach .... bedienen..." Nein, das würde er nicht tun. Vielleicht brauchte Farno einige Kräuter, die Lianth ihm wegnehmen könnte. Andererseits wuchs da gerade genug auf dem Grab, dass er sich durchaus etwas abzupfen könnte. Zaghaft streckte er die Hand nach einem Strauch orange blühender Ringelblumen aus; etwas, das zu dieser Jahreszeit üblicherweise nicht vorkam.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Sonntag 17. Dezember 2023, 20:14

Es gehörte schon gehörig Mut dazu, wenn man sich einfach so von eigentlich wildfremden Leuten aus der Stadt bringen und dann zurücklassen ließ. Lianth war unbedarft, daran ließ sich wohl nicht rütteln. Aber er war auch einfach ein strahlendes Leuchtfeuer in diesen dunklen Tagen und Stunden und es tat ab und zu gut daran erinnert zu werden. Nicht immer war alles verloren. Nicht immer herrschte das abgrundtief Böse. Lianth selbst hatte jenes noch nicht am eigenen Leib erfahren und selbst wenn, hätte er dem ganzen sicherlich noch eine positive Note abringen können. Der Elf mit den hübschen, nussbraunen Haaren war ein Beispiel für das Gute im Leben. Und er berührte sein Umfeld. Auch wenn ihm das selbst nicht bewusst war, so schaffte er es doch tatsächlich, nicht nur Zweifler zu erschaffen mit seiner Art, sondern auch Bewunderer. Leider war die Zusammenkunft der Krähen und Lianth viel zu kurz, um ihm zu zeigen, dass sein scheinbar naives Verhalten nicht nur sauer aufstieß, denn so schnell die Krähen in sein Leben getreten waren, waren sie bereits daraus wieder verschwunden. Lianth war allein. In seinen Gedanken fand er in solchen Situationen immer Trost in den geführten Gesprächen mit seinem Bruder. Er war ihm der wohl wichtigste Halt, teuerste Freund und Einzige, der um Lianth Bescheid wusste. Ohne Vellyn’s Worte, die derweil zum Mantra geworden waren, wäre der Elf wohl nicht so weit gekommen. Nun waren sie es, die ihn dazu brachten, doch noch mal Grandea aufsuchen zu wollen. Was er beim General nicht geschafft hatte, würde er bei Farno schaffen. Ansonsten könnte er womöglich Wochen lang nicht schlafen, weil er sich fragen müsste, ob der Mensch an einer Infektion vergangen wäre. Der Weg zurück war kaum der Rede wert. Erst als er den Müllschacht wieder entgegengesetzt hinaufklettern musste, gelangte er an seine Grenzen. Kondition hatte er in den letzten Jahren nicht aufbauen müssen, der viel umhergerannt war er nicht wirklich. Wozu auch? Die Ratte allerdings war etwas, das Lianth zu beschäftigen wusste. Er war ein Tierfreund und hatte in ihrer Gegenwart keine Ängste. Er nahm sich sogar die Zeit, dem Tier eine kleine Dreingabe mitzugeben und auch wenn die Ratte sich schnell wieder absetzte, kehrte sie dennoch noch mal zurück und schnappte sich die Körner, die Lianth ihr hinterließ. Nun aber musste er den Weg zurück zu Farno finden und stellte beim Zurücklegen der Strecke fest, dass es hier im Viertel noch karger war als sowieso schon. Während im Reichenviertel ordentlich aufgetrumpft wurde, hier und dort Damen und Herren flanierten, da fand man nur ab und an mal jemanden auf der Straße vor. Die meisten drückten sich doch eher in etwas windgeschützte Hauseingänge oder hinter windschiefen Türen. Der Markt war indes zerstört worden. Offenbar waren die Soldaten auf ihrer Suche bereits hier durchgekommen. Lianth fand am Boden den Schal der Alten, die sein Herz gerührt hatte und für die er Münzen vom Budget genommen hatte. Anfassen wollte er ihn indes nicht, denn er erkannte Blut darauf und versuchte zu verstehen, woher jenes kam. Tatsächlich erkannte Lianth, dass die Alte offenbar ihrer Lungenerkrankung erlegen war. Man hatte sie weggeschafft, wobei sie den Schal dann verloren haben musste. Die getrockneten Blutstropfen aber waren dann doch prägnant. Die Alte musste sie ausgehustet haben und so tat er gut daran, dass er den Schal liegen ließ. Blut aus dem Körper war niemals ein gutes Zeichen und stellte stets ein erhöhtes Infektionsrisiko dar. Die restlichen paar Schritte waren schnell gegangen und Lianth fand zumindest das Grab von Suse vor. Leider fehlte von Farno jede Spur und der Elf musste abermals Mut zusammenklauben, wo doch eigentlich längst keiner mehr sein dürfte. Aber Lianth war stärker, als er von sich selbst je behaupten würde. "F-Farno? B-bist du ... seid I-Ihr hier? I-ich ... äh ... mh..." Seine Stimme war kaum mehr als ein Fiepen, aber es reichte offenbar, damit jemand aufmerksam wurde.

Plötzlich, während Lianth noch die Finger nach den Ringelblumen reckte, polterte es unwirsch und eine Katze kreischte mit einem Mal. Dann blieb alles wieder ruhig. Offenbar war die Katze nur gegen eine Tonne gestoßen, hatte jene umgeworfen und war dann vor Schreck weggelaufen. Trotzdem pumpte das Herz. Denn die Anspannung ließ sich nicht leugnen, wenn man bedachte, dass offenbar ein ganzes Heerlager nach den Dieben – und Lianth – suchte. Nachdem sich die Situation wieder beruhigte, trat aus dem Dunkel aber eine Gestalt. Hochgewachsen, ungewaschen, grimmig dreinblickend. Erst als sie den Häuserschatten gänzlich verließ, blickte Lianth in das Gesicht von Farno. Der Mensch betrachtete Lianth einen Moment nachdenklich, doch dann erhellte sich das Gesicht leicht. „Doktor!“, begrüßte er ihn und spuckte einmal zur Seite aus. „Biste ja doch wieder da, hm?“, sagte er und kam näher. Lianth konnte gleich erkennen, dass es dem Menschen besser gehen musste. Sein Gang war leichter und aufrechter, seine Hautfarbe etwas gesünder und auch seine Laune war nicht mehr so grimmig. Trotzdem lag in dem Blick des Mannes etwas, das eigentlich alarmieren sollte. Etwas war da, etwas war anders. „Deine Kräuter sind gewachsen, kannste dir nehmen!“, bestätigte Farno Lianth’s Vorhaben und trat noch näher. „Ganz schöne Unruhe da draußen, was?“, wollte der Mensch das Gespräch nun auf die derzeitige Situation lenken, während er neben Lianth zum Stehen kam und ihm die schwere Pranke auf die Schulter wuchtete. „Verrückte Zeiten, Doktor!“, erwähnte er und spuckte erneut aus. Offenbar hatte er ein wenig Kautabak ergattern können – woher auch immer. Seine Spucke war jedenfalls dunkel und gelblich und sonderte einen süßlichen und eher unangenehmen Geruch ab. „Biste hier für meinen Hintern?“, fragte der Mann und offenbarte Lianth dann direkt auch schon mal nackte Tatsachen. „Ist voll gut geworden, dank dir.“, beteuerte er und wirkte dabei etwas… verhalten. Nachdem Lianth sich alles gut angesehen hatte und gegebenenfalls noch etwas Salbe verteilte, zog sich Farno wieder an und deutete auf das Grab. „Bedien dich doch“, bot er an und warf Lianth einen Seitenblick zu. Er schien darauf zu warten, dass Lianth sich den Kräutern widmete. Irgendwie war der Mann eigenartig.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Mittwoch 20. Dezember 2023, 04:21

Wo Lianths Augen aus Bernstein gemacht zu sein schienen, so musste sein Herz aus Gold bestehen. Auf jeden Fall war es leicht und voller Hoffnung, denn es hatte sein ganzes Leben lang angereichert werden können mit guten Dingen. Natürlich hatte auch er schreckliche Ereignisse in seinem Leben durchgemacht - der Tod seines Vaters und seine eigene Infizierung mit dem Hybridenvirus waren zwei davon - aber nichts davon hatte ihn bisher erschüttern oder ihm die Hoffnung nehmen können, in allem und jedem das Gute zu sehen. Dass er dadurch Einfluss auf andere nahm, war ihm gar nicht bewusst. Er ging seinen Weg, wenn auch meistens geduckt und den Blicken anderer ausweichend. So kam es viel zu oft vor, dass seine wenigen Kontakte von kurzer Dauer waren. Jüngst ließ sich das Zusammentreffen mit der Krähenbande nennen. Der Elf hatte sie alle bereits ins Herz geschlossen, würde die Erinnerungen an sie aber kaum zu Rate ziehen, um sein Herz zu erwärmen oder sich neuen Mut zu machen. Dazu waren die fremden Gesichter zu flüchtig gewesen. Er hatte schließlich weder Ysara noch Tami, Elian oder die anderen besser kennen lernen können. Im Grunde gab es nur eine Person, zu der er lang genug eine Beziehung hatte pflegen können, um daraus Kraft zu schöpfen. Vellyn war ihm stets ein wichtiger Eckpfeiler in seinem Leben und eine große Stütze gewesen. Nun wurde es Zeit, zu ihm zurückzukehren. Sicherlich sorgte sich sein Bruder schon immens. Vielleicht hatte er Suchtruppen ausgsandt und andere begaben sich nun unnötig wegen Lianth in Gefahr. Allein die Vorstellung hätte ihm Magenkrämpfe bereitet, aber er konnte im Moment noch nicht an seinen Bruder denken. Das Ziel stand zwar groß vor ihm, doch vor Nachteinbruch würde er es gar nicht angehen. Er hielt sich an den Rat der Krähen. Leider hätte er sich auch an ihre Warnungen halten sollen, doch da trat die Sturheit eines Heilkundigen an die Oberfläche, der trotz allem seine Patienten nicht im Stich lassen würde. Bevor er sich auf den Rückweg nach Hause und zu Lavellyn machen würde, wollte er noch einmal in den Außenring Grandeas. Farno wartete. Der Mann benötigte eine Nachuntersuchung und Lianth konnte die Kräutervorräte gebrauchen.
Als er Suses Grab erreichte, fand er die Früchte seiner Magie in vielen verschiedenen Grüntönen, mit Blättern, Knospen und Blüten vor. Von Farno fand sich allerdings keine Spur. Zögernd und viel zu leise rief der Elf nach dem Mann. Als sich zunächst nichts regte, wandte er sich dem Grab zu. Dort wuchsen genug Blüten der Ringelblume, Katzeminze, Salbei und andere Kräuter, von denen vor allem er profitieren würde. Er nähme gewiss nicht alles. Farno konnte sich so einen eigenen Vorrat anlegen und ihn unter den Armen verteilen. Lianth lächelte bei dem Gedanken. Selbst wenn er den Halunken nun nicht mehr antraf, so sah er doch, dass er hier Gutes bewirkt hatte. Schon streckte er die Finger nach einer der orange schillernden Blüten aus, als das Kreischen einer Katze ihn zusammenzucken ließ. Er machte sich klein, kauerte sich geradezu verängstigt zusammen, als hätte die Raubkatze ihre Beute gefunden. Dem schrägen Maunzen folgte ein Poltern. Dann war es wieder still, abgesehen vom Rauschen in seinen Spitzohren. Lianth spürte zudem sein Herz. Es schlug kräftig, pumpte Adrenalin in seine Blutbahnen, dass ihm ganz schwindlig wurde. Wie gut, dass er bereits hockte, sonst wären ihm die Beine wohl eingeklappt. Er atmete tief durch, als ein Schatten auf ihn fiel.
Wie schon Wochen zuvor im Urwald Kapayu stand jemand vor ihm. Dieses Mal wurde jedoch keine Schwertspitze auf seine Kehle gerichtet. Stattdessen erkannte Lianth ein vertrautes Gesicht, das dafür sorgte, dass sich das seinige etwas aufhellte. "F-Farno", stieß er geradezu erleichtert aus. Weniger, weil er einen Feind befürchtet hätte, als vielmehr, dass es dem Mann gut ging. Farno erwiderte den Gruß mit einem lauten "Doktor!" und Lianth schmunzelte sacht. Er erhob sich, klopfte verlegen etwas Staub von seiner Robe, was im Gesamten jedoch nur bedingt half. Der Elf war doch inzwischen recht verdreckt.
!Bist'e ja doch wieder da, hm?"
"Na-Natürlich, ich ... m-muss d-doch nach dir ... s-sehen. D-dein Fu-Furunkel." Und währen Farno ihm noch das Angebot machte, sich an den Kräutern zu bedienen, beiläufig das Chaos erwähnte und die Hüllen wie schon beim ersten Mal recht ungeniert fallen ließ, bereitete Lianth seine Nachuntersuchung vor. Er reinigte sicht die Hände so gut es ihm möglich war, bevor er einen Blick auf den Krater von Farnos Kehrseite nahm. Er wirkte zufrieden, lobte unter Stammeln und trug dennoch ein weiteres Mal Salbe auf.
"Verrückte Zeit, Doktor!"
"Ah ... äh ... d-das ist m-meine Schuld, f-fürchte ich. Ei-ein Missverständnis. V-vielleicht kriege i-ich es aus ... d-der Welt geschafft." Lianth trug eine letzte Schicht Salbe auf und ordnete Farno an, die Hose wieder hochzuziehen. Dann blickte er ein wenig unglücklich drein. "V-vielleicht a-auch nicht. Der a-arme Ge-General ... a-aber ich m-muss n-nach Hause." Er erhob sich und schwang seine Tasche wieder um die Hüften. "I-ich kann auch n-nicht nochmal kommen. A-aber alles s-sieht gut aus. D-du w-wirst keine P-Probleme mehr k-kriegen, solange d-du dich regel-regel-regelmäßig wäschst." Dann lächelte Lianth so warm, so offenherzig. Es erreichte seine Augen, brachte sie zum Leuchten wie flüssigen Honig und er schaffte es sogar, Farno einmal direkt dabei anzuschauen. "I-ich freue mich so, d-dass ich dir helfen konnte."
Farnos Dank wirkte ehrlich, aber auch etwas verhalten. Lianth blieb arglos. Er erfreute sich darüber hinaus nämlich daran, dass er sich einen Teil der Kräuter pflücken konnte und nickte, als Farno ihn noch einmal daran erinnerte. Doch niemals hätte der Elf zugegriffen, bevor er sich nicht um seinen Patienten gekümmert hätte. Da es jenem nun bestätigt gut ging, wandte er sich Suses Grab zu. Mit geradezu zärtlicher Berührung strichen seine Finger über einige Blätter und Zweige. "Ich schneide euch ganz behutsam, keine Angst. Ihr werdet gut nachwachsen", wisperte er in seiner Muttersprache zu den Pflanzen. Zwar wusste er nicht, ob Florencias Schöpfung auch das elfische Lyrintha verstand, aber er hatte sich schon immer gern so mit den Kräutern und Blumen unterhalten. Es klang einfach lieblicher als Celcianisch. Fast wie eine Melodie und einige Druiden der Shyáner Haine behaupteten, gewisse Musik half Pflanzen beim Wachsen. Da er selbst kein Instrument spielte und niemals in der Öffentlichkeit zu singen wagte, versuchte Lianth sein Bestes auf diese Weise. Somit war er vollkommen abgelenkt mit den Pflanzen beschäftigt. Er zückte zwar seine kleine Kräutersichel, aber selbst wenn eine Gefahr in seinem Rücken lauerte, würde er nicht einmal daran denken, sich mit der Sichel zu verteidigen. Denn das hieße, einen anderen zu verletzen und als Heilkundiger kam das nicht in Frage. Aber vielleicht war Grandea auch nicht so düster, dass es ihm ausgerechnet jetzt etwas oder jemanden aus dem Hinterhalt auf den Hals hetzte. Andererseits standen die Chancen angesichts der vorherigen Erlebnisse in Vashnars Festzelt, sowie Farnos seltsames Verhalten sehr gut, dass die Stadt sich noch von ihrer schlechtesten Seite zeigen würde. Und Lianth? Der war arglos wie eh und je.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Freitag 22. Dezember 2023, 21:19

Es widersprach allem, was Lianth von sich selbst aus tun würde. Er würde nicht einfach einen Plan fassen, ihn ausarbeiten und dann in einer Nacht- und Nebelaktion auch durchziehen. Lianth war nicht dafür gemacht, sich in waghalsige Unternehmungen zu begeben, es sei denn, er konnte wahrlich glänzen. Konnte mit seinen Kenntnissen Leben retten oder zumindest erleichtern. So war es für ihn auch keine Frage, die unterschiedlichen Hindernisse zu überwinden, denn Farno brauchte ihn. Dass er den Halunken nicht sofort am Grab seiner Suse vorfand, verunsicherte ihn für einen Moment. Er wollte nicht einfach nehmen, was ja eigentlich ihm gehörte und längst abgesprochen gewesen war. Lianth war zu höflich, sich nun zu nehmen. Zudem wollte er sich vergewissern, dass der Mann nicht doch noch eine Infektion erlitt. Nachdem ihn eine Katze gehörig erschreckt hatte und das Adrenalin pumpen ließ, zeigte sich endlich doch noch der Bettelarme. Farno begrüßte Lianth als Doktor und ließ ihn ungeniert, wie eh und je sein Hinterteil untersuchen. Während Lianth untersuchte, sprach Farno auf die ‚verrückten Zeiten‘ an und Lianth fühlte sich tatsächlich bemüßigt, gleich mit der Tür ins Haus zu fallen. "Ah ... äh ... d-das ist m-meine Schuld, f-fürchte ich. Ei-ein Missverständnis. V-vielleicht kriege i-ich es aus ... d-der Welt geschafft." „Deine Schuld?“, hakte der Mann nach und schnaubte. „Aha… so so. Ausgerechnet du, hm?“, sagte er brummig, bevor Lianth Entwarnung gab, für eine Entzündung. "V-vielleicht a-auch nicht. Der a-arme Ge-General ... a-aber ich m-muss n-nach Hause. I-ich kann auch n-nicht nochmal kommen. A-aber alles s-sieht gut aus. D-du w-wirst keine P-Probleme mehr k-kriegen, solange d-du dich regel-regel-regelmäßig wäschst." „Keine Sorge, Doktor, ich versau das schon… nicht.“, nuschelte er nun etwas zaghafter und kratzte sich am Hinterkopf, dass es rieselte. Farno zog sich wieder an und blickte auf den Elfen, der sich behutsam den Pflanzen näherte. Sein Blick brannte sich beinahe in die Fingerspitzen des Heilers, doch dann hustete Farno und wandte sich ab. Lianth war so damit beschäftigt, die Pflanzen zu beruhigen, damit sie keine Angst vor seiner Sichel hatten, dass er nicht mal bemerkte, wie sich aus den Schatten drei weitere Gestalten schälten. Schwarz gerüstet und groß, mit dunklen Helmen auf ihren Köpfen, traten Soldaten des Generals ins Licht. Einer schnellte vor und packte Lianth, sodass seine Sichel hinunterfiel. Ein zweiter eilte hinter den Elfen und trat ihm schmerzhaft in die Kniekehlen, damit er zu Boden sinken musste. Der Dritte aber baute sich erhaben vor dem kleineren Elfen auf und blickte aus den Höhlen seines Helmes auf ihn nieder. Kalte, milchig weiße Augen betrachteten Lianth ohne jegliches Mitgefühl. „Der General sucht dich.“, kam es seltsam blechernd von dem Elfen, während die anderen schmerzhaft seine Arme vom Körper spreizten. Farno stand etwas schräg hinter dem Sprechenden und knibbelte an seinen Fingernägeln herum. Er biss sie ab und wirkte nicht sehr zufrieden mit der Szene. Aber er unternahm auch nichts weiter, sodass die Vermutung nahelag, dass er die Dunklen davon überzeugt hatte, dass Lianth sich bald einfinden würde. Sie mussten nur warten…

Die Krähen sollten Recht behalten und Lianth nun schmerzhaft erfahren, dass nicht immer alle nett waren. Farno aber rieb sich immer wieder den Nacken, konnte Lianth kaum ansehen. Er fühlte sich verantwortlich – war es nun auch! – aber dennoch wirkte er nicht besonders zufrieden. „Du bist ein elendiger Dieb, Feigling! Dafür wirst du bestraft werden, dann sind wir dich endlich los.“, zischte der Weißäugige und wandte sich daraufhin an Farno. Er warf dem Mann ein Säckchen Gold zu, das jener mit beiden Händen ungelenk fing. Farno’s Blick verklärte sich etwas bei dem Gewicht und dem Klimpern. Dann lächelte er selig. Einer der Elfen, die Lianth am Arm festhielten, ruckte stark an dem Heilerarm, dass es schmerzhaft sein müsste. Dabei hob Farno den Blick wieder und betrachtete Lianth unstet. Lianth wurde auf die Beine gehievt und dann hatte er gar keine andere Wahl, als sich mit den anderen, stärkeren Elfen mitzubewegen. „Danke für den Tipp!“, gab der Weißäugige noch preis und ließ Farno dann stehen.
Jener sah Lianth nach, wie der aus der Gasse gebracht wurde. War nun alles vorbei? Jetzt würde es Lianth an den Kragen gehen, zuvor aber würde er noch die Krähen ins Unglück stürzen. Lianth und seine Geiselnehmer waren gerade bis zum Markplatz gekommen, als ein eigenartiges Geräusch an ihre Ohren drang. Es wurde schnell lauter und lauter und hatte etwas Uriges. Ein Gebrüll, dann ein inbrünstiger Schrei und schon Rumpelte es in Lianth’s Rücken, während der Weißäuige mit einem Mal gegen einen anderen Dunklen stieß und offenbar überrascht war. Auf seinem Rücken hatte sich Farno mit einem Mal festgekrallt und versuchte den Dunkelelfen zu Fall zu bringen. „Nicht den Doktor!“, rief der bärtige Mann und schlug mit der Faust auf die Schulter des Soldaten ein. Sein Gebrüll brachte auch andere neugierige Blicke ein, sodass sich allmählich eine Traube versammelte, um dem Spektakel zuzusehen. „Sie wollen den Doktor mitnehmen!“, rief Farno, der inzwischen attackiert wurde, seitens der Soldaten, die Lianth festgehalten hatten. Sie alle versuchten jetzt, den wildgewordenen Furunkel-Mann abzuwimmeln und achteten gar nicht mehr auf Lianth. Dann brach die Meute ringsherum los und stürmte ebenfalls auf die drei Soldaten ein. Sie hämmerten mit Fäusten und kleineren Steinen auf die Helme der Soldaten ein, versuchten sie zu Fall zu bringen. Einer der Soldaten schaffte es, ein Schwert zu ziehen und fuchtelte herum, damit die Armen von Grandea auf Abstand blieben. Inzwischen war es ein wahrer Pulk, der sich da um sie versammelt hatte. Und Lianth? Was tat er?
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Montag 25. Dezember 2023, 11:57

Obwohl längst am Vortrag besprochen und eigentlich ohnehin sein, denn er hatte sie mit der ihm innewohnnenden Naturmagie zum Sprießen gebracht, hielt Lianth sich zurück, die Kräuter von Suses Grab zu pflücken. Er brauchte die Sicherheit einer neuen Bestätigung des Mannes, der als Hinterbliebener über jenes Grab wachte. Er sah es als Zeichen des Respekts an, diese erneut einzuholen. Umso erleichterter zeigte sich der Shyáner, als Farno endlich auftauchte. Nicht nur, dass er sich nun dessen Erlaubnis zum Sammeln noch einmal holen konnte, er durfte auch nach dem Krater an seinem Hintern schauen. Der einstige Furunkel sah gut aus. Die Haut wwar weder gespannt, noch glänzend. Hier entwickelte sich keine Entzündung und Lianth atmete darüber wahrlich erfreut aus. Er war so stolz auf seinen Patienten. Farno hatte sich die Worte zu Herzen genommen und bemühte sich, gesund zu bleiben. Was gab es Schöneres für einen Heilkundigen als das in Form eines abheilenden Furunkels an einer fremden Kehrseite zu betrachten? Andere Mediziner hätten Dutzende bessere Beispiele nennen können. Für Lianth aber stellte diese Nachricht ein wahres Hochgefühl des Tages dar. Jetzt konnte er sich mit neuen, pflanzlichen Vorräten eindecken, Grandea wieder verlassen und in der Lagerhalle auf die Nacht warten. Sein Herz füllte sich mit neuem Mut, als er sich über die Ringelblumen beugte und die kleine Sichel zückte. Sie blitzte einmal silbern auf, zeigte noch die Spiegelung eines dunklen Gesichts in ebenso dunkler Rüstung, aber da war es bereits zu spät.
Unter Farnos bedauerndem Blick und den schmatzenden Geräuschen seines Kautabaks in einer Backentasche, verließen drei Gerüstete die Schatten. Einer davon war in Windeseile bei dem Elfen, um ihn zu packen. Aber selbst wenn sie sich ihm gemächlich genähert hätten, wäre es ihnen wohl gelungen. Lianth war arglos, kannte keine Hinterhalte und zeigte sich darüber aufrichtig überrascht. Er quiekte mit schriller Stimme auf, dass das Geräusch ein paar Vögel aufscheuchte. Zeitgleich entglitt ihm die Sichel. Schon erreichte der zweite Dunkle ihn und beförderte ihn in eine demütige Hochhaltung, die Resultat eines Tritts in seine Kniekehlen war. Lianth atmete gepresst, um den Schmerz auszuhalten. Seine Augen wanderten über die drei Gestalten, Schreck geweitet, denn er konnte nicht verstehen, warum sie ihn so behandelten. In seiner kleinen, heilen Welt einer einstigen paradiesischen Talsenke rechtfertigte nichts, einem anderen pyhsischen Schaden zuzufügen.
Bernstein wurde von kaltem Weiß erwidert. Für den Moment vergaß Lianth seinen Schrecken und fragte sich, ob sein Gegenüber vielleicht erblindet war. Da er sich aber so selbstsicher in dieser Umgebung bewegte und ihn vor allem so gezielt anstarrte, verwarf er den Gedanken wieder und damit kehrte auch die Scheu zurück. Er hielt dem Blick nicht stand, senkte den seinen und knibbelte am Ärmelsaum seiner Robe herum.
"Der General sucht dich."
"O-oh ... Ihr k-kommt v-von Vash- ... von G-General Vashnar", stellte er fest. Seltsamerweise erleichterte ihn das. Der gute General hatte ihn gesucht. Sicher, um das Misverständnis geklärt haben zu wollen. Aber dann musste Lianth an die Worte der Krähen denken. Vashnar würde mir nichts antun, oder? Aber ... sie hatten alle schreckliche Sorge. Sie haben sogar ihr Heim verlassen, um nicht gefunden zu werden und mich aus der Stadt gebracht. "E-er will mir d-doch nichts B-böses, oder?", hakte der Elf nach und erntete gewiss abfälliges Grinsen oder höhnische Blicke über so viel hoffnungsvolle Naivität.
Lianth kniff beide Augen zusammen, als man ihn an den Armen zog und dadurch in eine noch demütigere Haltung herab drückte. Es schmerzte. Es war so unnötig. "B-bitte...", murmelte er, jedoch reagierte niemand darauf. Vermutlich war er zu leise, wie üblich. Man überhörte das sanfte Fiepsen des Introvertierten. Sicherlich konnte Kaltherzigkeit kaum ein Grund sein. Das existierte in Lianths Welt nicht. Niemand besaß ein kaltes Herz. Er traute es nicht einmal dem Weißäugigen zu, nur weil sein Blick auf ihn selbst so harsch ausfiel.
Auf Farno achtete der Shyáner im Moment nicht. Er sah dessen inneren Konflikt über sein Vergehen nicht. Denn es bestand längst kein Zweifel mehr, wer die Wachen des Generals gerufen und für etwas Kautabak davon überzeugt hatte, dass der Heiler noch einmal hier aufkreuzen würde. Farno hatte ihn gut eingeschätzt und Recht behalten. Er hatte Lianths Gutmütigkeit ausgenutzt und durfte nun zusehen, wohin es führen sollte. Verrat war immer nur dann erträglich, wenn man nicht Zeuge der Konsequenzen werden musste. Dabei schaute Lianth nicht einmal zu ihm herüber, weder Hilfe suchend noch unter hasserfülltem Blick. Er war vor lauter Angst vollkommen auf die Dunkelelfen fixiert.
"Du bist ein elendiger Dieb, Feigling! Dafür wirst du bestraft werden, dann sind wir dich endlich los."[/i]
"O-oh, d-das ist ein M-Missverständnis, ich w-werde es G-general Va... sh... nar..." LIanths Augen weiteten sich noch etwas mehr. Er hob den Blick, wagte es, diesen mit dem des anderen Elfen zu kreuzen. Er blickte ihm direkt in das Weiß seiner Augen hinein. "E-endlich l-los? A-aber ... w-wir sind R-Reisegefährten ... F-Freunde..." Er konnte nicht glauben, was er da hörte. Eine Schwere ergriff ihn, drückte ihn tiefer als die beiden Wachen es konnten, die seine Arme hielten. "I-ich ... b-bin k-kein ... M-Monster", murmelte er leise, aber voller Kummer. Sie mussten den Pelzflaum auf seinen Ohren bemerkt haben oder jemand hatte doch den wurmartigen Rattenschwanz gesehen. Vielleicht beim Waschen, auch wenn Lianth sich bemüht hatte, das stets allein zu tun, um keinen ob seiner Krankheit zu verschrecken. Er wusste ja selbst nicht, ob sie ansteckend wäre, rechnete aber damit. Zwar hatte Lavellyn keine Anzeichen von Veränderungen gezeigt in all der Zeit, aber er selbst musste es von seinem Vater abbekommen haben. Nach all den Jahren fand er immer noch nicht den Zusammenhang zwischen dem Rattenbiss und seiner hybridischen Wandlung. Wie auch, wenn er sie nicht als solche erkannt hatte? In seinen eigenen Augen war er ... krank. Krank, aber kein Monster. Noch nicht...
"Danke für den Tipp!"
Lianth hob den Kopf erneut, dieses Mal jedoch nicht so weit. Er hörte den Dank des Weißauges, der nicht ihm galt. Er gehörte zu Farno, ebenso wie das Säcklein mit klimpernder Münze, welches sein Patient nun auffing. Lianth verstand. Er schaute Farno an. Noch immer fehlte jeglicher Hass in seinem Blick. Vielleicht lag es auch einfach an der Farbe seiner Iriden. Wie konnte köstlicher Honig, zauberhafter Bernstein, auch hasserfüllt schimmern? Beiden Vergleichen wohnte doch eine selige, warme Ruhe inne, so auch jetzt. Lianth verstand und ... zeigte Verständnis.
Gern hätte er Farno noch einige Worte gesagt, doch die Wachen blieben hart. Sie hievten ihn zurück auf die Füße, ignorierten sein Ächzen. Die Kniekehlen brannten immer noch. Der Schmerz pochte bei jedem Schritt, aber Lianth musste nun mit ihnen mitgehen. Sie schleiften ihn ansonsten noch an seinen Armen über das Pflaster. Er fügte sich - natürlich tat er das! Lianth war niemand, der Widerstand leistete und selbst wenn, wäre er einem der Elfen allein schon haushoch unterlegen gewesen.
"I-ihr hättet m-mich einfach f-fragen können ... i-ich wäre doch ... mitgekommen...", wisperte er. Sie hätten hier zusammen mit Farno warten und reden können. Lianth wäre mitgegangen. Ohja, natürlich wäre er das! Er sah noch immer eine Chance darin, alles aufzuklären, wenn er und Vashnar sich nur aussprachen. Ja, die Krähen hatten ihm eine Karte gestohlen, aber nicht aus Selbstbereicherung. Sie wollten ein Abenteuer erleben, eine Schatzsuche aufbrechen. Der Weg war das Ziel. Sie mussten keinen Schatz selbst finden. Jedenfalls schätzte Lianth sie nicht so ein und die beiden Anführerinnen hatten genug Vernunft gezeigt. Der Weg war zu gefährlich für sie. Morgeria schien gefährlich. Nur Tami hatte sich von der Idee nicht abbringen lassen, aber Ysara war schon bei Lainth so bedacht gewesen, ihn aus dem gröbsten heraushalten zu wollen. Sie planten auch nicht mehr nach Morgeria zu gehen, so wie Lianth es zuletzt wahrgenommen hatte. Sie könnten Vashnar die Karte zurückbringen und ebenfalls mit ihm reden. Es würde sich alles klären. Niemand musste dermaßen grob sein wie die Elfen, die ihn gerade die Gasse entlang schleppten.
Aber Lianth fehlte der Mut, sein Anliegen vorzubringen. Die Sorge, man habe sein krankhaftes Rattengeheimnis - seine Abnormität - entdeckt, betäubte ihn. Er hatte Angst vor den Konsequenzen. Er hatte Angst davor, mehr Schmerzen erleiden zu müssen oder verjagt zu werden. Er hatte Angst, Vellyn nie wieder zu sehen. Bruder...
"Nicht den Doktor!" Der Schrei traf den Shyáner, bevor es der Ruck nach vorn schaffte. Hinter ihm rumpelte es, als Farno wie ein Wahnsinniger heran stürmte und sich auf einen der Dunkelelfen stürzte. Weißauge stolperte gegen seinen Kumpanen, während Farno auf seinem Rücken hing und sich Wut schnaubend fest klammerte. "Sie wollen den Doktor mitnehmen!", rief er aus, wurde immer lauter. Er machte ordentlich Tumult und das Chaos nahm seinen Lauf. Drie Dunkelelfen in Rüstung hatten ordentlich zu kämpfen, Farno vom Rücken ihres Anführers zu bekommen. Sie ließen Lianth endlich los, um sich gegen Farno zu wehren. Der Shyáner aber stand mit großen Augen am Rand des Klumpens aus Armen, Rüstung, Beinen und Gezeter. Er betrachtete das Spektakel, anstatt einzugreifen oder - besser - zu rennen.
Umstehende, entweder von Farno mitgebracht oder von seinem Geschrei angelockt, schauten ebenfalls zu. Sie aber fanden einen Weg aus ihrer anfänglichen Starre. Sie waren Grandessarer, mehr noch, sie gehörten zum Abschaum des Außenrings. Sie kannten Farno und Dreck hielt fester zusammen als alles andere. Er klebte, vermischte sich zu weitaus Größerem, dem ein einziger Besen in glänzender Rüstung nicht mehr Herr werden konnte. Mit einem Mal stürmte eine ganze Traube aus Verarmten auf die Dunkelelfen. Sie rissen an ihnen und an Farno. Sie fuchtelten mit den Armen, verteilten Prügel mit den Fäusten und schrien gemeinsam noch lauter, dass es Lianth in den Spitzohren klingelte. Nicht nur seine waren betroffen. Elfen besaßen allesamt ein feines Gehör, ob dunkel oder nicht. Die Gerüsteten mussten einiges aushalten, als Steine gegen das Metall ihrer Helme geschlagen wurden. Es geschah weniger, um ihnen die Schädel zu spalten, sondern vielmehr, um sie ob des Klirrens und Krachs benommen zu machen.
Eine Wache löste sich endlich, fand genug Platz, ihr Schwert zu ziehen und hier trat der Moment ein, da ein Heilkundiger rot sah. Er sah es, bevor es geschehen konnte, weil er um die Folgen einer gezogenen Waffe in der Nähe von viel zu viel ungeschütztem Fleisch wusste. Der menschliche Körper war ein Wunderwerk der Natur. Er hielt sich selbst durch ein ausgeklügeltes System aus Organen, Knochen, Muskeln und Körperflüssigkeiten am Leben. Er konnte einer Menge standhalten, aber gegen geschmiedeten Stahl war er machtlos. Lianth sah rot und wie er es sah. Er würde eine Menge zu tun bekommen, wenn nun einige der Leute durch einen Schnitt verletzt würden. Aber wenn sie starben...
"A-aufhören ... b-bitte...", versuchte er es im Guten, doch sein Stimmchen kam allein schon gegen das Geschrei aller nicht an. "Bitte ... ihr verletzt euch!" Die Gefahr, das Risiko zu vieler Verletzter verschluckte sein Stottern. Lianth berührte einen der Armen an der Schulter, aber jener bemerkte es nicht einmal. Er sah einen Dunkelelfen unter dem Ansturm von Farnos Bekannten und Freunden langsam untergehen.
"GENUG!" Lianth stampfte mit dem Fuß auf. Sein zerzaustes Haar erbebte, ehe sich grüne Strähnen aus dem Nussbraun lösten und kringelten wie die Auswüchse einer Schlingpflanze, die im Schnelldurchlauf zeigte, wie sie am besten an einem Baum empor schlängelte, um sich dort festzuhalten. Tatsächlich geschah genau das. Lianth rief seine naturmagien Kräfte herbei, denn er wusste, dass sein Stimmlein allein nichts bewirken konnte. Sie hatten ihm schon vorher nicht zugehört. Nun entfaltete er die Kräfte von Florencia und Phaun, weckte ihre Gaben im Boden unterhalb der spärlich ausgelegten Pflastersteine. Er suchte nach etwas, das hier im Außenring ebenso wenig verging wie der Schmutz auf der Haut der Mittellosen. Er suchte das Unkraut, er rief es an, er lockte es, ihm zu helfen. Wenn sich im Boden noch etwas Leben befand, würde es gelingen. Er konnte nur darauf hoffen, dass die Natur ihn erhörte und ihre Halme ausstreckte. Er baute darauf, dass sich gleich einzelne kleine Stränge zu großen, fleischigen Pflanzenarmen aus dem Boden hoben, die Steine aufrissen und sich um die Gliedmaßen der Kämpfenden legten. Er wollte niemanden verletzen. Er wollte den Pulk nur davon abhalten, genau das einander anzutun. Der Gefährlichste von ihnen wäre nach wie vor der dunkelelfische Schwertschwinger, aber die Pflanzen könnten sich vielleicht auch um sein Handgelenk legen, ohne selbst einen Teil ihrer Fasern unter scharfer Klinge zu verlieren. Lianth wollte kein Blut sehen. Heiler wollten allgemein keine Verletzten sehen. Sie waren glücklich, wenn sie ohne Patienten blieben, denn das bedeutete, dass alle auf ihr eigenes Wohl Acht gaben. Wenn das nicht geschah, musste er eingreifen. Er, der scheue kleine ... Doktor.
"Es reicht, ihr verletzt euch alle noch!", stieß er nun deutlich weniger schüchtern aus. "Es gibt keinen Grund hierfür. Diese Soldaten machen nur ihre Arbeit, i-ihr s-solltet n-nicht..."
Der Mut verließ ihn wieder. Er hatte seinen Standpunkt klar gemacht. Sobald aber - aus welchem Grund auch immer - etwas Ruhe in die Runde einkehrte, sah der Heiler in ihm keinen Anlass mehr, laut zu werden. Entweder hingen nun alle in Unkrautranken, gehindert am Bewegen oder sie hatten sich erschreckt und waren geflohen. Oder aber sein magischer Versuch war von mehr als einem Schwert niedergestreckt worden. Ganz gleich wie es ausging, solange niemand verletzt worden war, kehrte Lianth in seine alte Rolle als zurückhaltendes Mauerblümchen zurück. Er wollte nur noch eine Sache klarstellen: "W-wenn es n-nicht bis in ... in die N-Nacht dauert, k-komme ich g-gern zu General Vashnar mit. I-ihr hättet n-nur fragen m-müssen."
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 28. Dezember 2023, 10:45

Das Chaos war einfach perfekt. Obwohl es das nicht hätte sein müssen. Lianth war so eine liebliche Seele von Elf, dass er seinen Peinigern noch den roten Teppich ausgerollt hätte, um sie trockenen Fußes zum Schafott zu begleiten. Er selbst wäre natürlich nebenbei gegangen, um den Teppich nicht noch zu beschmutzen. Kein Groll, kein Ärger verließ seine Züge, als er Farno musterte. Jener erhielt einen kleinen gefüllten Lederbeutel und Lianth verstand. Der Mann hatte Sorgen und nutzte eine ihm sich bietende Chance. Das war schon in Ordnung! Was wiederum nicht in Ordnung war, waren die Worte, die der weißäugige Dunkle für ihn fand. Lianth konnte nicht fassen, was er gehört, hatte: "E-endlich l-los? A-aber ... w-wir sind R-Reisegefährten ... F-Freunde...“ Ein Schnauben machte diese Annahme zunichte. "I-ich ... b-bin k-kein ... M-Monster“, versuchte er noch dagegenzuhalten und glaubte, dass die Ablehnung daher rührte, dass er ein Hybrid war. Einen Rattenschwanz besaß und Flaum an den Ohren. Dabei war es so viel simpler. Die Welt war grausam, die auf ihr lebten waren grausam. Lianth musste irgendwann erkennen, dass nicht er das Problem darstellte, sondern diejenigen, die glaubten, sie wären mehr wert, stärker, klüger oder einfach zu mehr berechtigt. Danach aber wurde der Elf relativ grob abgeführt. Auch hier machte es keinen Unterschied, dass Lianth sich niemals gewehrt hätte. Die Elfen taten, was sie tun sollten. Dabei achteten sie nicht auf Individualismus. Lianth war kein Freund und wurde dementsprechend auch nicht besser behandelt als alle anderen, die sich in den Fängen des Generals befanden. "I-ihr hättet m-mich einfach f-fragen können ... i-ich wäre doch ... mitgekommen...", versuchte er sie milde zu stimmen, doch wurde sein Fiepsen geflissentlich überhört. Die Order lautete: Findet und bringt mir diese Ratte! – Und damit war nicht mal die Anspielung auf seine Infektion gegeben. Lianth war eine listige Ratte, weil er den General getäuscht hatte mit seiner Arglosigkeit. Er war die Ratte, die Fremden geholfen hatte, etwas aus dem Zelt zu stehlen. Er war die undichte Stelle. Er war der Verräter. Lianth hatte keine sanfte Behandlung zu erwarten und das machten die schraubstockartigen Griffe um seine dünnen Arme nur all zu deutlich. Allmählich machte sich eine Angst in ihm breit. Er verstand plötzlich, dass die Lage ernster war als sonst und dass man ihm gar nicht zuhörte. Wie sollte er denn das Missverständnis aus der Welt schaffen, wenn keiner zuhörte?! Ihm blieb doch nur das Reden… mit Stottern, aber Worte. Ein Schwert führte er nicht und glaubte nicht daran, dass das in der Lage war, die Dinge zu bereinigen. Sein Bruder war ein starker Anker für Lianth, der ihn aber auch in die Tiefe ziehen könnte. Wenn ihm das Herz schwer wurde, bei dem Gedanken daran, Vellyn nie wiederzusehen und er nicht mal erführe, was aus Lianth geworden war.

Der kleine Tross aus bekümmertem Elfen und dunklen Schergen erreichte den Marktplatz. Und dann wurde das Chaos perfekt. Farno hatte sich an sein gutes Herz erinnert und war auf den Rücken des Weißauges gesprungen. Er wollte seinem ‚Doktor‘ helfen und besann sich darauf, dass er ihm nichts Schlechtes getan hatte. Selbst im Angesicht der Bedrohung, die Farno noch am gestrigen Abend selbst darstellte, hatte er Hilfe angeboten und Milde walten lassen. Farno konnte nicht mitansehen, wie er abgeführt wurde und auch noch Verständnis hatte dabei. Dabei entstand allerdings ein solches Gewusel, dass Lianth kurz die Orientierung verlor. Zudem brachte Farno’s Gerufe auch noch andere dazu, sich diesem Kampf anzuschließen. Die drei Soldaten hatten alle Hände voll zu tun und wehrten sich tapfer gegen die Überzahl an Angreifern. Allerdings waren die Karten schlecht gemischt. Die Bewohner des Armenviertels waren beherzt, aber nicht bewaffnet. Während die Soldaten ausgebildet und bewaffnet waren! Nachdem sich Weißauge von Farno mit einem kräftigen Ruck befreien konnte, zog jener das Schwert, das an seinem Gürtel hing. Sofort wichen die Bewohner wütend schimpfend zurück. Fäuste wurden geschwungen, Rufe gellten durch den Markt, die Lianth nicht verstand. Garmisch hatte er nicht gelernt. Doch der Elf hatte ohnehin ganz andere Probleme als unflätige Flüche zu lernen. Er sah das Aufblitzen der Spitze des Schwertes. Dann hörte er, wie weiterer Stahl aus der Scheide gezogen wurde und auf jene, unschuldige Menschen gerichtet wurde. Die Soldaten würden Gebrauch von ihren Waffen machen, denn sie waren darauf trainiert. Den Tulmult würden sie notfalls mit roher Gewalt niederringen. Lianth konnte das nicht zulassen. "GENUG!", rief er doch tatsächlich mit fester Stimme. Und stampfte mit dem Fuß auf. Dann musste er härtere Geschütze auffahren. Lianth wusste, dass man ihm nicht zuhörte. Zeit seines Lebens war er damit konfrontiert, dass die Leute über ihn hinwegpolterten und ihm nicht die Chance gaben, seine Gedanken vorzutragen. Er brauchte zu lange, war zu leise… Die Menschen hatten keine Zeit. Auch die Krähen hatten irgendwann eine Entscheidung eilig treffen müssen. Und nun stand er hier und lief doch in die Falle, die sie vorausgesagt hatten. Aber hatte helfen müssen! Und jetzt half er auch. Das Nussbraun seiner Haare verschwand vollständig und wurde zu grün, als er seine arkanen Kräfte anrief. Er spürte mit magischem Näschen die unkaputtbaren Stängel unterhalb des Drecks auf, auf dem sie alle standen. Er fand jedes noch so kümmerliche Kraut. Doch eben jene waren die widerstandsfähigsten. Auch Lianth war im Umkreis nur ein kleines Pflänzchen, aber eben jenes Pflänzchen war es nun, das dem Tulmult Einhalt gebot. Aus seinen Haaren wurden grüne Strähnen, die sich etwas verlängerten und kringelten, als wären sie selbst Pflanzen. Doch seine wahre Magie geschah im Erdreich. Hier bohrten sich die grünen Zweige und Halme aus dem Schmutz und reckten in atemberaubender Geschwindigkeit ihre Köpfe heraus. Sie wuchsen und wuchsen als hätte jemand magische Bohnenranken gepflanzt. Die Menschen schrien vor Verwunderung und Angst, stoben auseinander. Einige flüchteten im Anbetracht der magischen Flora, andere wichen nur paralysiert zurück. Auch die Dunklen wichen zurück und so schaffte Lianth einiges an Platz zwischen den Kontrahenten. Er spürte, wie die Naturmagie sich mehrte und mehrte. Wie seine Kraft in den Boden floss.

Hier und dort wickelte sich eine Schlinge um die Hand eines Menschen oder den Arm eines Dunklen. Sie konnten sich nicht mehr bewegen, während die Auswüchse weitere festhielten. Einige dieser Ranken fanden ein jähes Ende, als der eine Dunkle sein Schwert durch sie trieb und die Magie beendete. Doch es half nichts, denn die Magie wirkte weiter und irgendwann standen alle inmitten eines Rankenspektakels, das sich mitten im tristen Grandea zeigte. Als es vorbei war, hingen einige Menschen, unter ihnen auch Farno und Weißauge im Rankengeflecht und Lianth als Zentrum des Ganzen darunter. Die hohen, fleischigen Unkrautranken hatten die Menschen teilweise in die Höhe gehoben. Jetzt kehrte Stille ein, während sich hier und dort der Boden unter Bersten geöffnet hatte, um Platz zu schaffen. Auch einige Häuser hatten Schaden genommen, wenn dort eine Ranke herausgekrochen waren. Steine lagen bröselig herum, doch verletzt hatte sich dabei niemand. Noch nicht. "Es reicht, ihr verletzt euch alle noch! Es gibt keinen Grund hierfür. Diese Soldaten machen nur ihre Arbeit, i-ihr s-solltet n-nicht..." Lianth verlor seine Kraft und mit ihm zogen sich auch die Ranken langsam zurück. Sie setzten die Unglücksraben zurück auf den Boden ab und verkrochen sich in eben jene Löcher, aus denen Lianth sie beschworen hatte. "W-wenn es n-nicht bis in ... in die N-Nacht dauert, k-komme ich g-gern zu General Vashnar mit. I-ihr hättet n-nur fragen m-müssen." Man starrte ihn an. Alle. Doch dann erwachte der weißäugige Dunkle aus seiner Starre und deutete auf ihn. „Er hat uns angegriffen! Ergreift ihn!“, rief er und die anderen mussten sich noch von Schlingen befreien, die sie ein Stück des Weges mitzogen, weil sie nicht loslassen wollten. „Oh nein!“, hörte Lianth dann plötzlich eine vertraute Stimme in seinem Rücken. „Du gehst nicht mit ihnen mit!“, rief sie ihm zu und sobald er sich umwandte, um nachzusehen, wer sich dort befand, sah er in die hellbraunen Augen der rothaarigen Krähe. Tami stand da und starrte überrascht auf die Szenerie. Doch dann winkte sie Lianth zu sich. „Komm mit mir, Lianth!“, rief sie und hinter ihr tat sich eine Gasse auf. „Komm!“, bat sie und hielt ihm die Hand hin. Er musste sie nur ergreifen wenn er denn wollte. Denn die Schergen kamen soeben auf die Beine und hielten ebenfalls auf ihn zu.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Donnerstag 28. Dezember 2023, 18:46

Was brauchte es, um die Grausamkeit der Welt zu erkennen. Für ein wohlbehütetes Shyáner Elfchen wie Lianth eines war mussten in jedem Fall schlimmere Dinge geschehen, als dass man ihn von drie dunkelelfischen Wachen packen und bis über den Markplatz von Grandea schleifen ließ, weil man ihn des Diebstahls an General Vashnar bezichtigte. Er glaubte sogar dann noch an das Gute in den schwarzen Herzen der Wächter, als deren Anführer mit ihm Klartext sprach und froh war, ihn bald los zu sein. Das erschreckte Lianth zwar, doch auf andere Art und Weise als vom Weißauge gewünscht. Es erschütterte ihn nicht, dass man ihn des Verrats bezichtigte und für einen listigen Dieb hielt. Dass die Truppe ihn nicht als Reisegefährten oder gar Freund ansah, sondern in ihm nur noch einen Feind erkannte - ein Monster - ging dem armen Elfen durch Mark und Bein. Spätestens als Hauptmann Weißauge die Bezeichnung der Ratte für ihn verwendete, rannte jemand mit einem Vorschlaghammer in den kleinen Laden voller Kristallgläser, der Lianths reine Seele darstellte. Er zuckte zusammen, verlor an Farbe und in seinen Iriden flackerte es verräterisch. Er schluchzte, ließ den Kopf hängen, während sein Magen sich etwas zusammenkrampfte. Auch spürte er den unnatürlichen Auswuchs seines Rattenschwanzes, wie jener sich enger um den Oberschenkel kringelte, als wollte er ihm deutlich machen, dass er eben kein Monster war, sondern herzallerliebst ... mit Schwänzlein ... und Flaum auf den hinteren Ohrmuscheln.
Lianth ließ sich abführen. Er leistete weder davor noch jetzt Widerstand, aber nun wirkte er zutiefst getroffen. Wo er vorher eher furchtsam geduckt durch's Leben ging, da begleitete er die Elfen nun vor Unglück gebeugt. Er ließ Kopf und Schultern hängen und seine Augen schwammen. Wahrscheinlich hätte er sich tränenreich in sein Schicksal gefügt, um Vergebung für seine - nicht existenten - Missetaten gebeten und jede Strafe angenommen im Glauben, danach wäre alles wieder im Reinen und er könnte mit Vashnar und seinen Männern einen Neuanfang beginnen. Das Schicksal aber wollte es anders. Genauer gesagt, das Gewissen eines Halunken wollte es anders. Lianth hatte Farnos Herz schon einmal berührt und der Mann mit dem Furunkel hatte nicht bereut, den naiven Elfen verschont zu haben. Jetzt jedoch bereute er. Dieses kleine Spitzohr warf ihm doch tatsächlich den verständnisvollsten Blick zu, den Farno wohl seit Suses Dahinscheiden jemals wieder bei einem anderen gesehen haben mochte. Lianth verzieh ihm nicht, weil es für ihn nichts zu verzeihen gab. Er verstand, dass Farno große Not litt und deshalb sogar ihn auslieferte für eine Hand voll Münzen. Er verstand es so gut, dass es wehtat. Es stach den Mann in den Hinterkopf und drückte kleine Nadeln in sein Herz und sein Gewissen. Er handelte. Farno besprang Weißauge und plärrte so laut über den halben Platz, dass wenige Momente später Dutzende Anwohner dazugestoßen waren und zu helfen versuchten. Doch Lianth sah nicht die Möglichkeit einer Flucht, wie Farno sie ihm hatte bieten wollen. Er sah nur die Not. Er sah Blut, das vergossen würde, wenn nur einer seine Waffe zum falschen Zeitpunkt schwang. Er sah die Gefahr und zu viele potenzielle Opfer, als dass er sich gleichzeitig um alle kümmern könnte. Menschen könnten hier sterben. Er musste etwas unternehmen, damit es nicht dazu kam. All diese Leute würden sich von dem Schrecken kaum erholen. Er selbst gab ein gutes Beispiel ab. Es hatte so lang gedauert, bis er den Tod seines Vaters verkraftet hatte. Seine Mutter hatte sich nie ganz davon erholt, auch wenn sie es nicht offen zugab. Lianth sah es, wich dem aus. Seelenleid aufgrund von Verlust war nichts, das er mit pflanzlicher Hilfe heilen konnte. Aber er konnte die Mächte der Natur nutzen, um hier ein Unglück zu verhindern. So rief er seine magischen Kräfte herbei, ließ jedes noch so kleine Samenkorn im Boden aufplatzten, ließ auch die winzigsten Halm den Kopf zwischen den Pflasterfugen hervorpressen. Er schuf einen kleinen Rankenwald, in dem sich nicht nur die Helfenden verhedderten. Auch die Soldaten wurden von den Ranken eingenommen. Sie konnten nicht alle abschlagen. Irgendwann hingen wie wie Fliegen im Spinnennetz über Lianths Kopf und starrten böse auf ihn herunter. Er machte seinen Standpunkt klar, doch da Ruhe auf dem Platz eingekehrt war, verlor er auch wieder den Mut. Seine Magie zog sich zurück, setzte die Streitenden ab. Dann starb sie, die Hoffnung auf ein friedliches Miteinander.
"Er hat uns angegriffen! Ergreift ihn!"
Lianth hob beschwichtigend die Hände. Ein paar letzte Unkrauthalme ahmten seine Bewegung nach. "N-Nicht doch, i-ich..." Er wich zurück. Die Wut des weißäugigen Elfen machte ihm Angst, dass ihm ganz übel wurde. Warum dachte er so bösartig über ihn? Lianth würde niemals einen anderen angreifen und bestimmt nicht, um ihm ein Leid anzutun. Er hatte doch gerade das verhindern wollen. Was verstand der Dunkelelf nur daran nicht?
"B-bitte, w-wir k-könn-können d-d-das kl-klä..." Seine Stimme zitterte, überschlug sich und er klang fast wie ein Jüngling im Stimmbruch. Er quiekte zwischen den Atemzügen. Die Situation war für ihn genau das, was Ysara und Elian vorausgesagt hatten: Überfordernd. Es war zu viel für sien Gemüt, weil er nicht verstand. Er konnte diese Aggression nicht nachvollziehen, aber er würde gepackt und fortgebracht oder vielleicht sogar an Ort und Stelle sterben, wenn er jetzt nicht handelte. Doch LIanth bekam keinen Ton mehr heraus. Er war den Tränen nahe, so sehr fürchtete er sich.
Plötzlich riss ihn eine vertraute Stimme aus seiner Starre. Er schaute über die Schulter hinter sich. Die Menge teilte sich etwas und Tamis roter Schopf kam zum Vorschein. Wenn Glück sich als Honig äußerte, dann glänzten Lianths Augen nun in der Süße eines strebsamen Bienenstocks. "Liebe Tami", wisperte er, ohne zu merken, dass er ins Lyrintha gewechselt hatte, da streckte sie ihm auch schon die Hand entgegne. Er musste nur zugreifen und mir ihr Fliehen. Aber Lianth schaute nochmal nach vorn. Er war ein Feigling, doch er floh nicht. Er versuchte es stets im Guten ... aber selbst er erkannte nun, dass es auf Celcia Ecken gab, an denen Gutes sich versteckte. Es trieb ihm die Tränen in die Augen.
"I-ihr ... s-seid s-sehr g-g-g-gemein!", stammelte er den Soldaten entgegen. Man konnte durchaus daran zweifeln, dass jemand wie er in der Lage war, so erfolgreich gegen den General vorgegangen zu sein, dass er ihm hatte etwas unter der Nase hinfort stibitzen können. Entweder war der Shyáner gerissener als er vorgab oder General Vashnar würde sich vor mehr als nur einigen wenigen rechtfertigen und beweisen müssen, dass er seinen Rang wahrlich verdient hatte. Mit einem statuierten Exempel an Lianth, seinem feigen Schoßhündchen, könnte ihm das gelingen. Aber Lianth folgte erstmals der Rolle, in die er von den Dunkelelfen seit Wochen gedrängt worden war. Er wurde zum Feigling. Er wandte sich um und gab Fersengeld, sprang zwischen den verbliebenen Anwohnern hindurch, stieß hier und da jemanden an und entschuldigte sich unter Wimmern, Schluchzen und einem Hilfe suchenden "Taaaaaa-a-a-a--a-a-aaaaamiii!"
Dann bekam er ihre Hand zu fassen. Er klammerte sich daran, überholte sie beinahe im Lauf und musste abbremsen, da er den Weg nicht kannte. Sie musste ihn führen, doch Lianth ließ nicht los. "H-Hilf mir!", bettelte er mit fiepsiger Stimme, während ihm Tränen die Wangen herunter rannen. "D-die ... s-sind ... warum sind d-die so?! I-ich hab A-A-Angst!" Er würde Tami nicht loslassen. Er würde laufen, wo auch immer sie ihn hinführte. Und er würde diesen Moment lange nicht vergessen, an dem er Elfen hatte kennenlernen müssen, die ... böse waren. Sein Magen verkrampfte sich schmerzlich.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Samstag 30. Dezember 2023, 08:18

Lianth hatte gewiss nicht damit gerechnet, dass er binnen kurzer Zeit in seinen Grundfesten erschüttert würde. Er hatte einen festen Glauben an das Gute im Leben und würde auch dann noch Gründe für falsches Verhalten finden, wenn er zum Galgen gebracht würde. Der Elf aus dem Urwald war weltfremd. Allein das brachte ihm schon Unmengen an Ärger ein. Immerhin war er einfach so mit einem ganzen Tross Dunkelelfen mitgelaufen. Und er hatte mehr Glück gehabt, dass jene eine wie auch immer geartete Verwendung für ihn gehabt hatten. Er legte das als Freundlichkeit aus, doch es war wohl einfach nur ein Zufall gewesen. Die Schergen, die ihn jetzt ergriffen hatten, die waren alles andere als freundlich. Sie hatten ihre Befehle und dazu gehörte nicht, sich mit dem Festzusetzenden zu unterhalten. Sie hörten nicht zu. Und während Lianth sich anders und unter einem magischen Ausbruch Gehör verschaffte, verfehlte er sein Ziel um ein paar Millimeter. Zwar wurden die schwertschwingenden Kampfhandlungen durch die Natur unterbrochen, aber darüber hinaus glaubten diese Dunkelelfen nun, dass Lianth sie hatte angreifen wollen. Sie sahen in ihm eine Gefahr. Ausgerechnet in ihm. Seine Angst und seine Nervosität wurden zu einem nicht geringen Teil durch das Hybridvirus in seinem Blut genähert. Sein Rattenschwanz wickelte sich um seinen Oberschenkel und drückte dort fester zu. Die Panik war kaum aufzuhalten. Lianth verstand, dass er in diesem Szenario nichts erreichen konnte. Wo seine Freundlichkeit noch dafür gesorgt hatte, dass Farno sich als guter Mensch erkannte, da befeuerte er bei den Soldaten nur das Gegenteil. Sie glaubten einen Scharlatan vor sich zu haben. Einen Lügner, der ihnen nur etwas vormachte. Und der in Wahrheit die Kraft der Natur entfesseln konnte, um ihnen nachhaltig zu schaden. Dass keiner von ihnen ernsthaft verletzt wurde, übersahen sie.
Die Menschen von Grandea’s Armutsviertel hatten sich derweil zerstreut. Auch sie hatte der magische Ausbruch des Elfen erschreckt, aber sie glaubten nicht, dass er ihnen hatte schaden wollen. Sie blickten Lianth nicht mit Abscheu an. Sie waren erstaunt über seinen Versuch, ihnen zu helfen. Gutes zu tun war nicht immer leicht, aber es keimte in den Herzen derer, die damit konfrontiert wurden. Und irgendwann würde dieses Gute kleine Blätter tragen, vielleicht eine süße Frucht. Der erste Schritt war gemacht und auch bei Farno hatte Lianth bewirkt, dass er das Richtige tun wollte. Trotzdem war keine Zeit mehr und während die Situation sich über ihm zusammenzog, wie ein drohendes, unheiliges Gewitter, da hörte er einen rettenden Anker aus der Menge. Tami war gekommen und sie war es, die ihm jetzt die Hand entgegenstreckte.

Die Krähe mit dem roten Haaren war wie ein Leuchtfeuer innerhalb der trüben Masse einiger weniger und Lianth wusste, bei ihr wäre er sicher. "I-ihr ... s-seid s-sehr g-g-g-gemein!", echauffierte er sich mit dem Elan eines Kindes, doch dann drehte er sich um und… floh. Er taumelte mehr, als dass er rannte und hier und dort stieß er in seiner Angst auch jemanden an, der sich mit einem Schnaufen beschwerte, doch das war nebensächlich. Er verletzte niemanden ernsthaft und erreichte die Hand der Krähe, die auf ihn wartete. "Taaaaaa-a-a-a--a-a-aaaaamiii!", rief er ihr entgegen und die Rothaarige umschloss seine schwitzige Hand mit ihren Fingern. „Lauf weiter!“, gab sie ihm das Kommando und er überholte sie sowieso schon vor nackter Panik. „Er will fliehen!!“, rief Weißauge und deutete auf die beiden. Sein Ausspruch hatte sie für einen Moment perplex zurückgelassen, doch dann erwachten sie aus ihrer Starre. Farno zerrte noch mal an ihren Rüstungen, versuchte sie aufzuhalten, doch sie wehrten ihn mit einem gezielten Stoß ab. Der Bärtige taumelte und verlor den Halt, fiel auf seinen Hosenboden, tat sich aber nichts Ernsthaftes. Mit seiner Flucht rettete Lianth wohl auch den Bewohnern hier das Leben. Ihnen galt nicht die Aufmerksamkeit und als er sich entschied, Tami angsterfüllt zu folgen, löste er auch die Augen der Soldaten von den Angreifenden. "H-Hilf mir! D-die ... s-sind ... warum sind d-die so?! I-ich hab A-A-Angst!" Tami griff Lianth‘s Hand fester und drückte sie mit einem kurzen Lächeln und einem Aufblitzen ihrer Augen. „Los jetzt!! Wir verschwinden!“, sagte sie mit fester Miene und nickte ihm zu. Sie strahlte Zuversicht aus.
Tami war von den Krähen diejenige, die sich immer gern in das Abenteuer hineinwarf. Jetzt zog sie den Elfen mit sich durch die Gasse und Lianth lief durch schmatzende, matschige Pfützen und Furchen von Fuhrwerk. Tami aber zögerte nicht. Sie wusste, wohin sie laufen wollte, und so führte sie Lianth durch die Gassen Grandeas. Hinter ihnen hörten sie ihre Verfolger. Sie keuchten unter dem Gewicht ihrer Rüstung und waren dadurch auch etwas langsamer. Ein Vorteil für Tami und Lianth.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der auch ihnen der Schweiß auf der Stirn stand und die Lungen brannten, drückte Tami den Elfen in einen engen Hauseingang. Sie stülpte sich eine Kapuze über und presste Lianth in die Enge und Dunkelheit.

„Leise jetzt“, raunte sie ihm flüsternd zu und versperrte ihm mit ihrem Körper die Sicht. In seinem Rücken spürte er das Holz des Einganges, in seinem Gesicht kitzelten ihn einige Strähnen des roten Haares. Sie standen beinahe Nase an Nase, doch schirmte sie so auch sein grünes Haar ab. Tami versuchte nicht zu hektisch zu atmen und presste die Lippen aufeinander. Sie war Lianth so nahe, dass er einige Schweißperlen auf ihrem Gesicht gut erkennen konnte. Dann hörte er Schritte. Schwere Schritte. Sie kamen immer näher und näher und standen dann tatsächlich einige Meter vor ihnen. Aber die Soldaten blickten in die andere Richtung, wenn sie sich jetzt nicht bewegten, würden sie vielleicht nicht entdeckt. Mit einem stummen Flehen in den braunen Augen, blickte Tami Lianth ins Gesicht. Regen setzte mit einem Mal ein und wurde schnell stärker. Er prasselte in die Pfützen am Boden und half ihnen, Geräusche zu dämpfen, die sie verraten könnten aber auch, ihre Spuren zu verwischen. Der Soldat stand eine Weile da und schaute sich um. Dann drehte sich sein Körper, Lianth konnte es über Tami’s Schulter hinweg sehen, und würde sie gleich entdecken. „Hast du was?!“, rief einer der anderen Soldaten. Offenbar hatten sie sich aufgeteilt und suchten nun getrennt. Weißauge war nicht zu sehen oder zu hören. „Noch nicht!“, rief der Soldaten, der sie gleich entdecken würde. „Dann weiter!“, rief wieder der andere und ihr Soldat setzte sich grummelnd in Bewegung. Das Wetter war schlecht, diese Stadt stank und sie suchten einen halbgaren Elfen. Man sah ihm seinen Unmut an. Jetzt durften sie keinen Mucks machen, denn er ging relativ dicht an ihnen vorbei. Tami drückte sich noch enger an den Elfen und vergrub tatsächlich ihr Gesicht an seiner Schulter, innerlich betend, dass man sie nicht entdecken würde.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Lianth » Samstag 30. Dezember 2023, 15:36

Er stolperte mehr, als dass er lief, doch hielt mit Tami gut Schritt. Seine Hand klammerte sich an ihre wie ein Schraubstock. Lianth hatte Angst, immense Angst. Wenn er Tami als führende Kraft nun versehentlich verlor, was würde dann geschehen? Er wollte es sich nicht ausmalen. Noch immer kämpfte er mit der Reaktion des weißäugigen Soldaten. Jener hatte kein bisschen mit sich reden lassen wollen. Im Gegenteil, er hatte in Lianths naturmagischer Intervention sogar einen Angriff gesehen, dabei wollte der Shyáner doch nur Schlimmeres verhindern. Nun wurde er gejagt - schon wieder und dieses Mal wurde ihm langsam klar, dass seine Verfolger nicht bereit waren zu reden. Diese Erkenntnis machte ihm Angst. Sie erschütterte seine Grundfeste. Er konnte es nicht nachvollziehen, konnte nicht verstehen. In Shyána Nelle ging man mit niemandem so um! Wenn die Ordnungshüter in Form der Palastwache einmal jemanden mitnehmen mussten - aus welchem Grund auch immer - so blieb man auf beiden Seiten höflich und kooperativ. Zumindest funktionierte es in Lianths Welt auf diese Weise. Er hatte sich schließlich seines Lebtags lang noch keines Verbrechens schuldig gemacht. Andernfalls wäre selbst ihm möglicherweise in den Sinn gekommen, nicht auf die Obrigkeit zu hören, sondern Heil in der Flucht zu suchen. Dann hätte er erkennen dürfen, dass selbst in seinem idyllischen Paradies nicht immer alles eine Welt aus Regenbögen und friedlichem Miteinander war. Immerhin zeigte Celcia es ihm jetzt auf, bevor er noch in sein endgültiges Unglück gelaufen wäre. Doch nicht einmal Tami wünschte sich das für ihn und so hielt sie Lianths schwitzige Hand fest im Griff und zerrte ihn schlussendlich mit in eine der Gassen. Er keuchte, als sie ihn rücklings gegen eine Wand drückte oder handelte es sich um eine Tür? Er spürte Holz im Rücken. Mehr noch aber spürte er plötzlich die Nähe der Krähe, welche ihr rotes Gefieder so dicht gegen ihn presste, dass einzelne Strähnen davon ihn in der Nase kitzelten. Lianth drehte den Kopf weg, um weder sie noch sich selbst durch ein Niesen zu verraten. Er kniff die Augen zusammen und versuchte, so flach wie möglich zu atmen.
Seine Elfenohren vernahmen die Schritte früher als Tamis Sinne es je gekonnt hätten. Er war eher alarmiert als sie und konnte demzufolge einen Bruchteil früher reagieren. Letztendlich hatten sie beide die gleiche Idee. Wo Tami sich immer dichter an ihn presste und ihre Kapuze über die auffällige rote Mähne warf, zog auch Lianth die Kapuze seiner Kutte über. Dann neigte er seinen Kopf gegen den ihren, damit sie zu einer einzigen, vermummten Gestalt wurden. Überraschend ungeniert schlang der Elf seinen Arm einmal um Tamis Taille, krallte sich fest und drückte sie dicht an sich, dass sie sein wild pochendes Herz einfach wahrnehmen musste. Es schlug so laut, so intensiv! Lianth fürchtete, es konnte sie beide verraten. Es war eine Kriegstrommel inmitten stiller Einöde. Er atmete einmal tief durch, um seine Panik herunterzuschrauben. Danach hielt er still, die Augen geschlossen, die Ohren gepitzt. Er lauschte auf die Schritte und die Rufe der Soldaten. Er spürte ihre Nähe, dass sich ihm sämtliche Häärchen auf den Ohren, im Nacken und sogar am Ansatz seines Rattenschwanzes aufstellten. Jener lag immer noch fest um seinen Schenkel geschlungen, dass ein Teil von ihm von Tami sicherlich als dicke Wulst unter der Robe zu spüren war. Wie sie es interpretierte, musste sie selbst wissen. Lianth ging nicht darauf ein, jetzt besonders nicht! Die Gefahr war zu groß, als dass seine Gedanken in pubertäre Nervosität abdrifteten. Zumal nicht einmal gesagt war, ob er überhaupt jemals in diese Richtung dachte. Etwas über ein Jahrhundert alt und nicht einmal hatte er sich mit der Liebe beschäftigt. Gefielen ihm Frauen überhaupt? War er eher auf Männer aus? Im Moment lautete die Antwort: keines von beiden. Im Moment wollte Lianth lediglich überleben. Er hatte solche Angst. Er schwitzte und es fiel ihm schwer, einen ruhigen Atmungsrhythmus beizubehalten. Nicht einmal die Mut machenden Worte seines Bruders halfen jetzt. Denn Mut half ihm hier nicht weiter. Es ging darum, nicht entdeckt zu werden. Er konnte nur zu Florencia und Phaun beten, sie mochten ihren Segen über ihn und die junge Krähe legen.
Lianth wurde erhört. Jedenfalls geschah ein Wunder der Natur. Regen setzte ein, prasselte in das Armenviertel Grandeas herab, weichte dessen Straßen nur noch mehr auf und verwandelte die Wege zwischen den ramponierten Häusern in wahre Schlammgruben. Unrat, alte Binsen und andere Abfälle wurden die Straßen entlang gespült. Bald konnte man die braune Erdmasse nicht mehr von anderen unliebsamen Dingen unterscheiden, welche das arme Volk in Ermangelung eines besseren Ortes oftmals einfach vor die eigene Haustür kippte. Wo der Regen in Shyána Nelles Wäldern den Duft der Bäume, Sträucher und nasser Gräser emporsteigen ließ, da verstärkte er in Grandea nur die pestilenzartigen Aromen eines zu lang verwahrlosten Stadtbezirks. Es roch nach allem, nur nicht wohltuend. Vielmehr schienen hier das faulige Fleisch in Kombination mit seit Jahrzehnten vergessenen Essensresten, einem starken Stück altem Käse und allerlei Ausscheidungen um die Wette zu eifern, wer den Harax nach Celcia bringen konnte. Trotzdem war der Mief nicht Lianths und Tamis größtes Problem. Zwar schauten die Soldaten noch nicht in ihre Richtung, hatten sich aber ebenso wenig wieder auf den Weg gemacht. Die Gefahr war noch nicht vorbei.
"Hast du was?!"
"Noch nicht!"

Lianth presste die Lippen fest aufeinander. Er kniff die Augen ebenso fest zusammen. Seine Hand verkrampfte sich. Er merkte gar nicht, wie fest er bei Tami zulangte und wo. Er versuchte, ein Zittern gleichermaßen zu unterdrücken wie den Impuls, einfach loszulaufen. Als er vor lauter Verkrampfung Blut schmeckte, weil er sich die eigene Lippe aufgebissen hatte, zuckten ihm die Ohren erneut.
"Dann weiter!" Schritte vermischten sich mit dem Prasseln des Regens. Wo die Tropfen aber einen gleich bleibenden Rhythmus auf Dächer, Erdboden und in geschaffene Pfützen plätscherten, wurden die schweren Stiefel der Soldaten etwas leiser. Oder bildete Lianth es sich nur ein, weil er sich so sehr wünschte, sie mochten einfach gehen? Er wagte nicht, an seiner und Tamis Kapuze vorbeizuschauen. Er wagte nicht einmal, die Augen zu öffnen und sog nur minimal einen neuen Luftzug in sich auf, denn gänzlich auf das Atmen konnte er nicht verzichten.
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Re: Vorräte aufstocken

Beitrag von Erzähler » Dienstag 2. Januar 2024, 11:12

Erneut musste der Shyanér Elf fliehen. Er war in seinem ganzen Leben noch nicht so viel gerannt, wie hier in den letzten Tagen. War es nun das Leben, das ihn bisher geschont und nun ins kalte Wasser geworfen hatte? Oder die unglückselige Begegnung mit den Krähen, die alles durcheinanderbrachte? Lianth verbot sich solche Urteile, denn er erkannte in niemandem etwas Schlechtes. Etwas, das ihm nun beinahe das Leben hätte kosten können. Er wollte lediglich für Frieden und Harmonie sorgen, aber er musste erkennen, dass nicht jeder immer vom Richtigen und Guten ausging. Die Soldaten von General Vashnar glaubten noch an einen Angriff, wenn man ihnen vollkommen nackt und unbewaffnet gegenüber stehen würde. Dabei lag der Fehler nicht bei Lianth, sondern der eingeimpften Aggression allem anderen gegenüber. Es war sogar fraglich, ob Weißauge und seine Schergen selbst überhaupt glaubten, dass Lianth eine Gefahr darstellte, oder ob sie nur blind Befehlen folgten. Lianth würde nicht dazu kommen, das in Erfahrung zu bringen. Panisch und voller Angst ergriff er die Hand der rothaarigen Krähe und ließ sich von ihr führen. Sie war das Vertraute in allem Unbekannten, egal wie lange sie sich kannten. Tami war zurückgekehrt, um ihm zu helfen. Sie war da, für ihn. Und so ließ er sich mitziehen, stolperte hier und dort, taumelte, doch er ließ sie nicht los und Tami hielt ihn. Sie führte Lianth durch den Dreck Grandea’s und bewies ihm damit, wie gut sie sich hier auskannte. Sie zögerte nicht, sie wusste, wohin sie wollte. Nur einmal mussten sie innehalten, denn ihnen war der Weg für einige Atemzüge versperrt. Jene nutzten sie, um sich zusammen in eine Nische zu drücken und einander so nahe zu sein, dass man es fast schon als unzüchtig hätte betrachten können. Aber es musste sein, denn ihre Verfolger waren nah. So schlang Lianth seinen Arm um die dünne Tami und zog sie noch den letzten Rest Distanz an sich heran. Tami öffnete überrascht die Augen, als sich etwas Festes gegen ihr Bein presste. Mit einem kurzen Moment des Staunens, starrte sie Lianth ins Gesicht und tastete trotzdem nur die geschlossenen Lider ab. Ihr Herz klopfte. Sie schickte ihre Aufmerksamkeit für einen Moment dorthin, wo sich das fleischige Etwas gegen ihren Schenkel presste und konnte nichts dagegen tun, dass ihre Fantasie sich auf unangemessene Weise ausdehnte. Sollte der schüchterne Elf tatsächlich… ? Sie schluckte. Als Jüngste der Krähen hatte sie so gar keine Erfahrungen gemacht bisher. Sie war zwar mutig und schlagfertig, aber sie war eben auch noch ein Kind. Tami wusste nicht recht, wohin mit ihrem Gedankenkarussell, da lehnte Lianth seinen Kopf gegen ihren und entlockte ihr einen wohligen Schauer. Das war neu. Höchst ungewohnt und seltsam. Allerdings wurden ihre Gedanken wieder auf das vordergründige Problem gelenkt, als sie die Wache in ihrem Rücken hören konnte. Jetzt mussten sie ausharren. Lianth war sichtlich nervös – oder war es doch die Nähe zu der Rothaarigen? Nein … so dachte Lianth nicht und trotzdem war sein Tun für Tami irritierend. Denn nachdem den Regen einsetzte und die Stimmen der Soldaten erklangen, zog Lianth den Griff noch enger und verkampfte seine Finger in… Tami’s durchaus wohlgeformten Po.

Die Krähe japste kurz auf bei dem Gefühl, das sich bei ihr zumindest sehr wohl einstellen wollte. Sie war in dem perfekten Alter, war derzeit aufgewühlt, ob des Abschieds aus ihrer Gruppe, der Ablehnung durch Ysara und den heimlichen Gefühlen für Cassian, der unerreichbar für sie war. Tami keuchte und Röte schoss in ihre Wangen. Sie starrte Lianth ins Gesicht und prüfte, ob er es meinen könnte, wie sie es glaubte. Aber sie fand nichts Verräterisches darin. Im Gegenteil: Lianth wirkte voller Angst und Panik, sodass Tami ihre pubertären Gedanken beiseiteschob und ein wenig näher an sein Ohr rückte mit ihrem Mund. Sie waren sich so verdammt nahe, dass jeder an nichts anderes gedacht hätte als an Unzüchtigkeiten. Einzig Lianth’s Unschuld war es wohl zu verdanken, dass auch Tami einen kühlen Kopf behielt. Trotz der Position seiner Hand an ihrem Gesäß. „Beruhige dich“, säuselte ihre leise Stimme in sein Ohr. Ihr Atem umschmeichelte seine Ohrmuschel, während ihre Wange gegen seine lehnte. „Wir haben es gleich geschafft…“, flüsterte sie weiter und hob langsam eine Hand zwischen ihnen. Sie streifte Lianth’s Wulst am Bein, auch wenn das unbeabsichtigt war und fand, dann Halt an seiner Brust. Tami legte ihre Handfläche auf seine Herzgegend und flüsterte weiter. „Ich helfe dir… sie werden uns nichts tun. Wir sind schlauer und ich kenne mich besser aus“, flüsterte sie und lehnte kurz zum Zeichen ihrer Ehrlichkeit ihre Wange gegen seine. Allerdings schien sie zu merken, dass das durchaus gewisse Reize auslöste.
Denn auch als der Soldat schon weg war, lehnte Tami noch gegen Lianth und spürte der Wärme seiner Haut nach. Erst dann blinzelte sie, nahm ihren Körper von seinem fort und trat einen Schritt zurück. Sie räusperte sich ein wenig verwirrt, bis sie sich umwandte. Ihre Augen suchten das dreckige Viertel noch mal ab, dann aber griff sie wieder seine Hand und zog ihn weiter mit sich. „Nicht mehr weit!“, rief sie und führte Lianth weiter. Weg von den schmutzigen Gassen, weg von den Soldaten, die in die andere Richtung gegangen waren. Weg von dem Regen, der sich offenbar in den Kopf gesetzt hatte, sich ordentlich einzuregnen. Ihre Schritte schmatzten nur so auf dem Boden, manchmal schlitterten sie auch auf Matsch weg, doch Tami führte Lianth sicher zum Müllschlucker, durch den auch er gekommen war. Eine alte Vettel schob gerade etwas hindurch, eilte sich dann aber, wieder in das windschiefe Haus direkt danebenzukommen. Ob des Regens, nahm sie keine Notiz von Tami und Lianth und so konnten sie ungehindert Grandea verlassen.

Lianth weiter bei Der Scheideweg
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