Der Zwergenhafen

Zu erreichen über die steinerne Treppe des Handels- und Marktviertels gelangt man zum unterirdisch gelegenen, schwimmenden Zwergenhafen. Die Schiffe sind nogroter Eigenbau und finden ihren Weg allein aus dem Berg. Wo genau sich dieser Ausgang befindet, wissen nur die Zwerge. Fest steht, dass ihre Schiffe meist im Blut- oder Mondmeer zuerst gesichtet werden.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Dienstag 11. August 2020, 21:04

In einer vollkommen anderen Situation, unter anderen Gegebenheiten hätte die junge Frau diesen Laut durchaus wohlig erschauern lassen können, den angestauten Druck loswerden zu können. Ohne, dass sie es sich natürlich vorstellen könnte und wollte. Aber im Moment war sie einfach nur zu tief verletzt und wütend auf ihn, als dass sie überhaupt glaubte, je wieder in Verbindung mit ihm in diese Richtung denken zu wollen.
Doch dieses Mal hatte sie über ihn triumphiert und hatte ihm gezeigt, dass er zu weit gegangen war. Auf eine Art und Weise, der sogar er nichts entgegen zu setzen hatte, sondern endlich einmal zu verstehen schien. Eine andere Wahl hatte er auch nicht, schließlich waren ihre Finger weiterhin um sein Bestes Stück geschlossen und hielten es, sodass sie sich beide zumindest nicht mehr als nötig einsauten.
Dass er sie los ließ, nahm sie zwar wahr, traute ihm allerdings nicht über den Weg, als dass sie selbst dasselbe getan hätte. Stattdessen schenkte sie ihm nicht einmal mehr den geringsten Seitenblick, sondern widmete sich dem Zwerg, der ihr immerhin versuchte zu helfen.
Trotzdem gefiel ihr nicht, was er ihr sagte. Ihre Stirn runzelte sich. "Was heißt das? Ich dachte, er kann das und wird das auch tun?", hakte sie mit einem unterschwelligen Hauch von aufkeimender Panik in der Stimme nach.
Sie war fest davon ausgegangen, dass es kein Problem sein würde, dass er sich sofort bei ihrer Ankunft um ihr... Problem kümmern würde. Einfach, weil... weil... weil sie es gewohnt war, dass ihre Anweisungen prompt erfüllt worden waren. Nur... hier war sie nicht länger eine Adelige, die beliebt und begehrt wurde, sondern nur irgendwer mit einer auffallenden Größe, den es an diesen Ort verschlagen hatte.
Diese bittere Erkenntnis sorgte dafür, dass sie die Lippen zu einem dünnen, blutleeren Strich zusammen presste und einen Moment lang mit den Tränen wieder zu kämpfen hatte. Ob sie dabei auch ihren Griff veränderte, bemerkte sie nicht einmal und würde es auch nicht, sollte er nichts dazu sagen.
Wie gut, dass der Zwerg abgelenkt war! So konnte sie ihrerseits ebenfalls zur Seite sehen und um Haltung ringen, ohne dabei gesehen zu werden, wie sie hoffte. Schließlich interessierte es auch ihren Begleiter höchst wenig, wie es ihr erging. Gut, dass sie bald getrennte Wege gehen könnten...
Fest, fast schon schmerzhaft kniff sie sich in die Nase, die sie sich noch immer aufgrund des Gestanks zuhielt, um wieder klarer denken zu können. Tief durchatmen empfahl sich in dieser Umgebung schließlich nicht.
Umso mehr hatte sie das Gefühl, sich verhört zu haben. Mehr als skeptisch sah sie zu ihm rüber und versuchte herauszufinden, ob sie sich seine Entschuldigung nur eingebildet oder er sie tatsächlich ausgesprochen hatte. Azura konnte es nicht erkennen und an ihr Wunschdenken wollte sie sich erst recht nicht mehr verlassen. Dazu hatte er sich bereits viel zu viel erlaubt.
Bei was sie sich jedoch sicher war, war seine Bemerkung, dass er fertig wäre. Als wäre er glühend heiß, lösten sich ihre Finger von ihm und sie wischte sich instinktiv die Hand an ihrer Hose ab, obwohl die wenigen Tropfen längst getrocknet waren. Die Erinnerung an dieses Gefühl hingegen blieb bestehen. Endlich würde sie aus dieser Höhle rauskommen!
Sie gab ihm gerade genug Zeit, um sich halbwegs wieder anzuziehen, dann zerrte sie mit aller Kraft an der Kette, um hinaus zu gelangen. Wobei sie zur Sicherheit auf den Boden starrte, um nirgends rein zu treten. Sollte ihm das nicht gelingen, war es nicht ihr Problem!
Dabei aber übersah sie den Zwerg und sollte er nicht reagieren, würde sie ihn unfreiwillig anrempeln. Als sie nach gefühlten Ewigkeiten draußen angekommen war, holte sie geräuschvoll tief Luft, ganz so, als hätte sie die gesamte Zeit über drinnen diese anhalten müssen.
Es dauerte einige Sekunden, bis sie sich beruhigt hatte, und allmählich auch daran dachte, dass währenddessen der Kleine wieder mit ihr gesprochen hatte. Langsam drehte sie sich zu ihm um und schüttelte den Kopf. Gleichzeitig zuckte sie mit den Schultern. "Ich kann schreiben und lesen, jedoch... nicht in allen Sprachen.", erwiderte sie und zuckte nochmals mit den Schultern.
Warum auch? Sie hatte nie ein Handwerk gelernt und es auch nicht benötigt, denn ihre Hauptaufgabe wäre es gewesen, einen Haushalt zu führen und über die Erziehung ihrer künftigen Kinder zu wachen. Selbst in der Wassermagie hatte sie es zu nichts gebracht, eben teilweise deswegen, weil es ihr Schmerzen bereitet hatte zu üben. Und ihren Körper würde sie gewiss nicht hergeben, für nichts und niemanden!
Inwieweit er jedoch eine Fähigkeit im Tausch anbieten könnte und wollte, wusste sie nicht und würde bestimmt auch keine Verantwortung dafür übernehmen. Dazu war das Vertrauen zwischen ihnen viel zu zerstört. Ohnehin kannte sie viel zu wenig von ihm, wenn man einmal von all seinen Möglichkeiten absah, sie zu verletzen.
Dass er hingegen dazu schwieg, war ihr nur recht. So ersparte er ihnen allen immerhin einen dummen, unpassenden Kommentar.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 12. August 2020, 18:46

"Kann er und wird er, Fräulein - sobald er Zeit hat." Der Zwergenwächter blieb gelassen. Er war deifnitiv nicht adelig und wie die meisten Zwerge ließ er sich von Forderungen eines Großlings nicht aus der Ruhe bringen. Azura konnte froh sein, überhaupt Hilfe zu erhalten, aber auch sie musste sich erst noch umgewöhnen. Ihr altes Leben war vorbei. Niemand trug ihr noch Dinge hinterher und war froh um einen einzigen Wimpernschlag. Niemand gönnte ihr den Luxus, den ihr Körper verdiente oder wenigstens Komplimente, wie sie ihre Ohren zeitweise so oft zu hören bekamen, dass selbst ihr Maß an Sättigung manchmal erreicht war. Nein, stattdessen hatte sie es plötzlich mit einer vollkommen fremden Umgebung zu tun, musste schmutzige Kleidung mehr als einen Tag lang tragen, konnte sich nicht waschen und noch dazu hatte sie einen Dunkelelfen an seiner empfindlichsten Stelle gehalten, während er sie mit seinem Urin besprenkelt hatte!
Wenigstens war diese Aufopferung belohnt worden und hatte Corax endlich zum Schweigen gebracht. Vielleicht lernte auch er und änderte sich nun? Es täte Azura sicher gut, nicht ständig eine Beleidigung oder blanken Spott von ihm ertragen zu müssen. Andererseits hatte es zwischen ihnen auch helle Momente gegeben, in denen er nicht nur nett, sondern gar verführerisch agiert hatte. Wieviel von dieser Umgarnung sie ihm künftig wohl noch glauben würde? Ob er überhaupt noch einmal derart mit ihr umging?
Für's erste aber war seine störrisch-dreiste Verhaltensweise in ein stilles Kämmerlein seiner Selbst gesperrt worden und Azura konnte den Ton angeben. Das tat sie auch prompt, denn länger hielt sie es wirklich nicht mehr in diesem Jaucheloch aus. Sie brauchte frische Luft. Rosenwässerchen konnte sie bei den Zwergen sicherlich nicht erwarten, aber einen aromatischen Wechsel musste sie nun dringend eingehen, wenn sie der Brechreiz nicht übermannen wollte. Also zog sie den Elfen mit sich aus der Nische heraus und machte auch vor dem Zwerg keine Rücksicht, der ihr im Weg stand. Unter einem Fluchen seinerseits rempelte sie ihn beiseite. Er folgte daraufhin mit einem Grummeln. Sein Kamerad stand draußen an einem kleinen Brunnen zum Zugang des eigentlichen Nogrot und wuscht sich Corax' Bewässerungsattacke von der Rüstung.
Azura holte tief Luft, füllte ihre Lungen und stieß verbrauchten Atem mitsamt all den Gerüchen aus, die ihr noch in der Nase hingegen. Nach einigen solcher Atemzüge ging es besser, was auch an dem fernen Aroma verbrannter Kohle lag, der von den vielen Schmieden kommen musste. Würden sie dorthin nun aufbrechen, zu diesem Ambossbart?
Der Zwerg hatte doch etwas Anderes angedeutet und zumindest ihm gegenüber benahm Corax sich nicht mehr anders. "Wo bringst du uns nun hin, Winzling", knurrte er und ließ all seinen Frust in der Stimme mitschwingen. Vielleicht hätte er sogar nach dem Wächter getreten, wäre der nah genug gewesen. Aber weil Azura ihn eben fast über den Haufen gerannt hatte, blieb er nun bei beiden Gästen auf Abstand.
"Folgt mir einfach. Keine Sorge, ihr seid nicht verhaftet. Noch nicht."
"Aye, zumindest das dunkle Spitzohr sollten wir in irgendeine Zelle stecken. Der benimmt sich ja wie der letzte Troll", maulte sein Kumpan vom Brunnen aus und erhielt ein Nicken.
"Machen wir, sobald das Fräulein und er getrennt sind. Sie ist ein bisschen pingelig, aber hat sich im Gegensatz zu dem Dunkelpilz hier benommen. Und du willst sie wirklich zu den Quellen bringen?"
"Aye. Ambossbart schmiedet uns die Hintern zu, wenn wir solche dreckigen Stinker in seine Schmiede bringen."

Erneut nickte der andere Zwerg. Dann winkte er Azura, weniger Corax, zu. "Mitkommen. Xaon Ambossbart muss warten. So wie ihr riecht, kann ich euch nicht da abladen." Und er stapfte los. Sein Kamerad ging voraus, bog auf halber Strecke aber in eine Seitenstraße ab, ohne sich zu erklären.

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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Mittwoch 14. April 2021, 16:00

Azura kommt von Der Schankraum


Hätte sie auf Zeit spielen und die andere mehr um den Finger wickeln sollen, ihr Vorhaben geschickter verpacken sollen, anstatt sich beeilen zu wollen, um rasch wieder zurück zu ihm zu gelangen? Hätte sie gar nichts sagen und die Elfe vielmehr unwissend dorthin locken sollen, wo sie nicht mehr ausgekommen wäre? Wo hätte das sein können? Bei der Heilerin gewiss nicht. Aber auf einem Schiff...? Ja, auf Seefahrt, da hätte es kein Entrinnen gegeben, jedoch legte ein Schiff nie sofort ab, sobald alle die Planken betreten hatten. Es bedurfte einer gewissen Zeit und in der hätte sie es herausfinden können. Die offenen Karten waren also besser gewesen und zugleich hatten sie nicht dorthin geführt, wohin die junge Frau es hatte haben wollen.
Lautlos seufzte sie und schlang die Arme um ihren Oberkörper, als benötigte sie diesen Halt und die Wärme, die er mit sich brachte. Bestimmt hätte sie es geschickter anstellen können, wenn sie mehr Zeit zum Nachdenken gehabt und damit gerechnet hätte, dass ihr der Wunsch ausgeschlagen werden könnte. Das jedoch war ihr nicht möglich erscheinen und deswegen...
Scharf sog sie die Luft ein, als plötzlicher Schmerz durch ihr Knie zuckte, und blieb instinktiv stehen. Irritiert und überrascht blinzelte sie in die Runde und benötigte ihre Zeit, bis das Bild bis in ihr Bewusstsein durchsickern konnte und einen Sinn ergab. Dadurch erkannte sie auch, was sie aus ihren Gedanken geholt hatte, ein Poller, um den für gewöhnlich Schiffstaue geschlungen und fest verknotet wurden. Der Stein war zwar nicht mehr scharfkantig, aber er hatte dennoch die Form eines Pilzes und die Höhe der Haube passte perfekt, um mit dem Knie dagegen zu stoßen.
Leicht schüttelte Azura den Kopf und trat darum herum, um sich darauf niederzulassen. Hier war nicht das Haus der Heilerin, das wusste sie, und ihr war auch klar, dass sie sich verlaufen hatte, weil sie abgelenkt gewesen war. Dennoch würde sie nicht sogleich den Rückweg antreten, denn trotz des fehlenden Himmels versprach ihr dieser Ort etwas, das sie schon lange vermisste.
Die See... Keine offenen Weiten unterm freien Himmel soweit das Auge reiche, aber salziges Nass, das gewiss auch hier den Gezeiten unterworfen wäre und dessen Rauschen wohltuend an ihre Ohren drang.
Mit einem hatte die Elfe definitiv mehr recht gehabt, als sie es ihr zugestehen wollte. Das Wasser zog sie an und beeinflusste ihr Gemüt. So auch jetzt, denn die gemächliche Regelmäßigkeit der kleinen Wellen half ihr ein wenig dabei, selbst wieder ruhiger zu werden und sich ein bisschen entspannen zu können.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Freitag 16. April 2021, 14:13

Azura lernte. Dass sie nun schon das zweite Mal nicht ihren Willen bekam, nagte an ihr. Es beschäftigte sie, denn derartige Situationen hatte es sehr lange Zeit in ihrem Leben nicht gegeben. Corax war überhaupt der Erste, der sich ihr widersetzt hatte und ihren Wünschen nicht gefolgt war, wenn sein Kopf etwas Anderes wollte. Allerdings hatte der Elf es stets unter einem Deckmantel unflätiger Dreistigkeit getan, so dass ihr wohl bislang nicht so bewusst war, dass auch er sie um ihren erfüllten Willen beraubt hatte. Xaon Ambossbart und auch Méllyn Kicherklang hingegen waren stets freundlich gewesen. Letztere gab sich sogar zuvorkommend, lockend, als besäße sie mehr Interesse an ihr. Von solchen Personen dann Ablehnung zu erfahren, verpasste der Adligen einen Stich ins Herz. Sie musste darüber nachdenken, konnte nicht loslassen und merkte somit auch nicht, dass ihre Schritte sie an ein anderes Ziel führten als Agnes' Arzneien und Allerlei.
Der Weg war ihr vertraut, denn neben jenem zu der großnasigen Zwergin zählte er zu einem der wenigen, die sie schon durch Nogrot gegangen war. So kam sie wiederholt am Hafen an. Auch hier musste sie sich etwas eingestehen, das sie nur schwer akzeptieren konnte. Méllyn hatte richtige Menschenkenntnis bewiesen. Sie ließ sich vom Wasser anziehen. Das sanfte Wiegen der Wellen, ihr Rauschen und quirliges Schlagen, beruhigten ihre Seele. Sie schenkten ihr das Gefühl, Kontrolle zu haben. Sie lenkten sie ab und ließen sie ebenfalls ruhig werden. Es half, einfach vom Steg aus auf das Wasser zu schauen. Sie vergaß darüber hinaus sogar, dass sie eben noch an einen der Poller gestoßen war. Das Wasser des Hafens, das laue Aroma von Salz in der Luft, empfingen sie mit so viel Vertrautem. Selbst die nogretischen Rufe der Zwerge ähnelten denen andunischer Seefahrer. Zwar beherrschte sie noch immer nicht deren Sprache, aber die gebellten Rufe konnten nur Befehle eines ersten Maates an die übrige Mannschaft sein. Jemand sollte die Fracht löschen, neu verladen, das Segel einholen oder das Deck schrubben. In jedem Hafen ging es doch so zu. Hier, tief im Berg, fehlte nur noch das Kreischen von Möwen. Stattdessen tummelten sich andere Geräusche unter die Kulisse. Lachen und damenhaftes Kichern von sehr freizügig gekleideten Zwerginnen, die ihre drallen Vorzüge geradezu den Männern entgegenstreckten, welche möglicherweise Monate auf See verbracht hatten. Einige folgten dieser Begrüßung willig bis zurück an den Strand und dort in eines der Gebäude, das Azura nach wie vor für eine Taverne halten mochte.
Endlich wurde ihr bewusst, wohin ihre Füße sie gebracht hatten. Ihr Blick wanderte über die vor Anker liegenden Schiffe. Sie musste feststellen, dass es doch Unterschied gab. Keines der Wassergefährte besaß hohe Masten und ihr Rumpf war mit Metall verstärkt worden. Sie besaßen auch nicht die Optik andunischer oder santronischer Handelsschiffe, welche manchmal in ihrer Heimat ebenfalls vor Anker lagen. Sie erinnerten sie vielmehr an eines dieser Raritätenspielzeuge, welches sie bei einem der andunischen Antiquitätenhändler gesehen hatte. Damals hatte der Mann von goblinischer Technik gesprochen und diese seltsame Metallkugel mit einem kleinen Schlüssel aufgezogen. Nach reichlich Rattern und Quietschen hatte die Kugel gefaltete Metallteile ausgebreitet, kleine Metallfüße ausgestreckt und war zu einem dicken Vogel geworden, der langsam mit den Flügeln schlug. Er konnte weder fliegen noch zwitschern, aber der Anblick eines sich bewegenden Metallwesens war durchaus beeindruckend gewesen. Und hatte nicht auch das Zwergenschiff ähnlich ausgesehen, das sie und Corax hierher gebracht hatte?
Corax ... vielleicht sollte sie zu ihm zurückkehren. Natürlich würde sie das, sobald sich ihr Gemüt etwas beruhigt hatte. Das Wasser half, ebenso wie das Kreischen von...
Raben? Einige der schwarzen Vögel zogen gerade Kreise über dem Hafen. Ihr Krächzen zog nicht nur Azuras Aufmerksamkeit auf sich. Die Tiere drehten vier Runden und verschwanden dann zwischen einigen Felsnischen, wo sonst höchstens Fledermäuse nisteten. Manche Zwerge begannen sofort, sich darüber zu unterhalten, andere zeigten noch immer mit ausgestrecktem Finger nach oben. Wie viele Nogroter wohl überhaupt Raben oder Vögel kannten? Jene, die immer im Berg lebten, mochten nicht einmal Sonnenlicht jemals gesehen haben. Es wahr unwahrscheinlich, dass sich Raben hierher veirrten. Wo kamen sie her?
"Herrin.."
Corax. Wo kam er her?! Aber er was es zweifellos. Da ging er den Steg entlang und auf Azura zu. Er war angezogen und schien sogar Ausrüstung mit sich zu führen. Sie erkannte mehrere Messer an seinem Gürtel. Eines davon war ein anständiger, aber schlichter Dolch. Die anderen erinnerten eher an Küchenmesser. Außerdem hatte er einen Rucksack über die Schulter geworfen, zusammen mit einem Umhang. Letzteren nahm er noch im Gehen ab und hielt ihn Azura hin, als er sie erreichte. Der Elf wirkte putzmunter, kein bisschen verschwitzt und schien vom Schmerz vollends befreit.
"Ich hab's satt. Lass uns von hier verschwinden, ja? Wohin du auch gehen willst, ich folge dir, aber die Zwergenstadt geht mir auf die Nerven."
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Samstag 17. April 2021, 15:50

Warum hatten die Götter eigentlich beschlossen, dass ihr bislang so vorhersehbares, angenehmes Leben eine derart drastische Wendung vollziehen musste? Hatten sie befunden, dass sie genug Wiedergutmachung erlebt hatte für ihre ersten paar Jahre auf der Welt? Oder hatte die junge Frau sie verärgert? Nein, das konnte sie sich schwer vorstellen, sie hatte nicht gelästert oder ihnen sonst etwas getan, für das sie hätte bestraft werden müssen.
Und trotzdem befand sie sich nun hier, ihrer Unschuld und ihres Herzens beraubt, allein und ratlos, während ihr Blick sich auf die schwach rollenden Wellen haftete und in ihrem Kopf ein ordentlicher Trubel herrschte. Was sollte sie jetzt tun? Was konnte sie jetzt tun? Für die Krankenpflege war sie ungeeignet, das hatte sie äußerst eindrucksvoll bewiesen. Ganz zu schweigen davon, dass sie es auf Dauer vermutlich auch nicht tun wollen könnte.
Doch die Hilfe, die sie sich hatte holen wollen, wurde ihr verwehrt und sie begriff einfach nicht warum. Hinzu kam, dass sie weder Geld, noch eine Idee hatte, wo sie als nächstes hingehen wollen könnte. Sie könnte und sollte ihre Eltern suchen, das wäre wohl das Vernünftigste. Das Problem an der Sache war allerdings ihr bislang vorherrschendes Desinteresse an deren Aufenthaltsort. Azura hatte schlichtweg absolut keine Vorstellung, wohin die Reise sie geführt haben mochte, sofern ihnen unterwegs kein Unglück zugestoßen war. Somit war diese Lösung, so naheliegend sie auch sein mochte, auch wieder versperrt.
Ob ihr Begleiter eine Ahnung davon hatte? Nein, bestimmt nicht, schließlich waren ihre Eltern zu einer Zeit aufgebrochen, zu der er noch nicht in Andunie gewesen war. Jedoch... vielleicht, wenn sie der Armee in die Arme gelaufen waren, hatte er was von ihnen gehört? Und wenn ja... würde er sich noch daran erinnern? Wie lang war sie jetzt eigentlich unterwegs seit ihrer überstürzten Flucht aus ihrer Heimatstadt? Wie sollte sie eigentlich zu Geld kommen an diesem ungastlichen Ort?
Die junge Frau fühlte, wie sich immer mehr Fragen in ihrem Kopf bildeten, weil sie durch die Nähe zum Meer ruhiger wurde. Trotzdem war sie noch weit von der Lösung auch nur einer Frage entfernt. Wenngleich sie das im Moment nicht beunruhigte, dazu war der Einfluss des Gewässers zu groß auf ihr inneres Gleichgewicht. Lautlos seufzte sie bei der neuerlichen Erkenntnis, wie recht die Elfe mit ihrer Einschätzung gehabt hatte.
Nur... warum ging es ihr dann immer so schlecht, wenn sie mit ihrer Magie gespielt hatte? Wieso hatte sie das Gefühl, bei jedem Einsatz von Wasser in ihrem Inneren ihre eigene Lebenskerze zu löschen? Das war etwas, das sie noch nie begriffen hatte und ihre Mutter hatte sie nicht fragen können. Denn sobald sie das Gespräch versucht hatte, auf ihre magische Begabung zu lenken, hatte diese stets abgeblock oder rasch abgelenkt. Und nun war sie nicht hier, um ihr beizustehen. Sie musste dieses Rätsel also selbst entwirren oder es sein lassen.
Gedankenverloren wanderte ihr Blick im Hafen umher, nahm die Eindrücke hier wahr, die ihr teilweise bekannt waren, und zugleich auch nicht. Sie wälzte noch immer ihre Fragen, während sie einer Mannschaft beim Löschen ihrer Ladung zusah, als ein Geräusch es vermochte, in ihre Überlegungen zu dringen.
Langsam, fast schon träge blinzelte sie und hob allmählich den Kopf, bis sie in die Höhe sehen konnte. Ihre Stirn runzelte sich leicht. Nun gut, Möwengeschrei hatte sie bislang nicht vernommen, einer der größten Unterschiede zu dem Hafen in Andunie. Aber... seit wann gab es hier Raben? Sonst hatte sie keinerlei Vögel entdecken können, sofern sie überhaupt darauf geachtet hatte. Umso befremdlicher wirkten nun jene Tiere, mit denen sich auch ihr Begleiter eingelassen hatte.
Kalte Finger schlossen sich bei diesem Anblick unerbittlich um ihr Herz und sie musste schlucken. Irgendetwas stimmte hier nicht, schienen ihre Sinne zu rufen...
Eine bekannte Stimme holte sie aus diesem Gefühl hervor und zwang sie dazu, wieder auf die Wirklichkeit zu achten. Erstaunt sah sie dem Mann entgegen, der sich ihr näherte. Wie konnte das sein? Hatte er seine Fesseln abgestreift? Das war in seinem Zustand doch nicht möglich!
Erneut blinzelte sie und erhob sich langsam, während es in ihrem Kopf arbeitete. Sie musterte ihn, versuchte festzustellen, wie er es geschafft hatte, so... gesund in seinen Bewegungen zu wirken.
Ja, das war ihm schon öfters gelungen, er war meistens über seine körperlichen Grenzen hinaus gegangen und sie hatte es kaum bemerkt, ja, nicht bemerken wollen. Jetzt allerdings...
Ihr Blick glitt an ihm herab, als er sich näherte, und blieb kurz an den Waffen hängen, die auf einmal seinen Gürtel zierten. Woher...?
Er trat zu ihr und hielt ihr einen Umhang, den sie ebenfalls nicht kannte, hin. Noch etwas überrumpelt und mit einem unguten Gefühl in der Magengegend, griff sie danach und drückte den Stoff an sich. Ihr Blick suchte den seinen, während es hinter ihrer Stirn arbeitete. "Wie...?", flüsterte sie und schüttelte leicht den Kopf.
Was auch immer hier gerade geschehen war und woher er all diese Sachen hatte, alles in ihr schrie danach, höchst vorsichtig zu sein. Er hatte ihr Angst eingejagt mit seinen Geschichten, vor allem mit jener von Nadel und Faden, die er äußerst quälend eingesetzt hatte laut ihm. Wie wäre er dann erst im Umgang mit diesen Messern an seinem Gürtel...?!
Die kalten Finger schlossen sich fester um ihr Herz und das ungute Gefühl in ihrem Magen wurde zu einem regelrechten Klumpen, während ihr die Knie weich zu werden drohten. Mit einem Mal machte sie sich auch Sorgen um die Heilerin, obwohl ihr diese ebenfalls zeitweise auf die Nerven gegangen war.
"Ich...", begann sie, brach ab und wandte den Blick ab, instinktiv zum Meer hin. Dessen Rauschen sorgte dafür, dass ihre angespannten Sinne sich eine Spur weit beruhigten.
Tief atmete sie durch und setzte ein schiefes Grinsen auf, als sie scheinbar hilflos mit den Schultern zuckte. Irgendetwas stimmte hier nicht, davon war sie fest überzeugt, doch sie durfte es nicht einfach ansprechen. Zuallererst wollte sie jedoch nach der Heilerin sehen und von dieser erfahren, wie er sich aus seiner Fesselung hatte befreien können.
Oder... war das wieder nur ein Trick seiner angeblich nicht vorhandenen Magie? Sollte sie besser zu der Elfe in die Schenke zurück?! Ja, vielleicht, aber... wie? Freiwillig würde er sicher nicht zu ihr gehen! Obwohl... hatte er nicht gerade gesagt, er würde ihr überall hin folgen? Ja, das würde sie nützen, das musste sie nützen! Selbst, wenn er gerade nur so tat, als ginge es ihm gut und mit der wandelnden Nase wäre nichts passiert, die andere könnte es trotzdem entlarven. Denn Azura hatte keine Lust auf einen erneuten Zusammenbruch von ihm, nur, weil er keine Geduld mit sich selbst besaß!
Also nickte sie langsam und zwang sich dazu, den Umhang um ihre Schultern zu legen, auch wenn er dadurch kein Schutz mehr vor ihrer Brust war. "Eine Sache muss ich noch erledigen, dann nehmen wir uns ein Schiff. Komm.", bemühte sie sich um einen ruhigen Ton, drehte sich um, obwohl ihr Herz wie verrückt schlug, und wollte den Weg zur Schenke einschlagen. Hoffentlich würde sie sich nicht verlaufen!
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 18. April 2021, 13:06

Er war es wirklich. Jedenfalls glich er ihm bis auf's Haar, sah man davon ab, dass das letzte Bild ihres Begleiters das eines verschwitzten und fiebrigen Verletzten gewesen war, den man zu seiner Genesung zwingen musste. So wie er sich jetzt präsentierte, schien er nicht einmal an einem Kratzer zu leiden. Seine dunkle Haut schimmerte im Licht der Fackeln und Feuerkesseln, aber nicht vor Schweiß. Das Haar klebte ihm ebenfalls nicht länger an der Stirn, sondern zeigte sich auf widersprüchliche Weise in geordnetem Chaos und besaß die Farbe von Federn einer Nebelkrähe. Sollte Azura nach wie vor Zweifel hegen, ob es sich tatsächlich um Corax handelte, so wurden diese bei einem einzigen Blick in seine Augen fort gewischt. Niemand sonst, den sie kannte, besaß so schöne Juwelen von Seelenspiegeln. Harmonisch rot mit diesem verwegenen Blitzen darin, das von Selbstbewusstsein und Überheblichkeit strotzte. Darunter das schiefe Grinsen, mit dem er sie allein schon so oft hatte in Rage bringen können. Jetzt hinterließ es beinahe ein Gefühl von Erleichterung, denn es war schön, ihn so munter zu sehen. Er strotzte geradezu vor Tatendrang, aber er hatte sich auch für irgendetwas gewappnet. Der kalte Stahl an seinem Gürtel hinterließ in Azuras Herzen ebenfalls eine Kälte, ohne dass er die Klinge durch ihr Fleisch treiben musste. Sie konnte nur hoffen, dass dies niemals passieren würde. Für einen Moment sorgte sie sich, was aus der laufenden Nase von Zwergin geworden sein mochte. Gleichermaßen fragte sie sich, wie ihr Begleiter hatte so schnell genesen können und wie es ihm gelungen war, sich von den Fesseln zu befreien. Doch sie konfrontierte ihn nicht damit. Inzwischen kannten sie einander. Azura wusste, dass er ihr nicht antworten würde. Aber er offerierte ihr etwas Anderes. Er würde ihr folgen, wohin auch immer sie nun gehen wollte.
Was sie dazu bewog, erneut die Buntschelmin aufzusuchen, blieb fraglich. Etwas an Méllyn zog sie offenbar ebenso an wie Corax. Azura schien eine natürliche Affinität zu besitzen, sich in die Gesellschaft von Schelmen zu begeben. Keiner der beiden hatte grundsätzlich etwas dagegen. Die Schelme mochten nur einander nicht. Aber Corax hatte ihr eben gesagt, er würde ihr folgen. Selbst zu Méllyn Kicherklang? Azura ließ es darauf ankommen. Sie nickte Corax zu, nachdem er ihr den Umhang überreicht hatte. Er wäre wohl ein wenig kurz für Azura, gereichte er ihr doch gerade mal bis knapp über die Kehrseite, aber gegen Witterungen und Kälte könnte er einen guten Schutz bieten. Sie legte ihn an. Der Stoff roch nicht nach den rosigen Duftwässerchen ihrer eigenen, einstigen Garderobe, aber muffig war er auch nicht. Und er kratzte nicht, wofür ihre Haut nur dankbar sein konnte!
Dann forderte sie Corax auf, ihr zu folgen. Außerdem deutete sie an, mit einem Schiff von hier verschwinden zu wollen. Das missfiel dem Dunkelelfen. Er langte nach Azuras Handgelenk, um sie aufzuhalten. Sein Griff war fest, aber nicht grob. Der Elf strotzte vor Gesundheit. Jede seiner Bewegungen war fließend. Nichts deutete auf eine gebrochene Rippe hin. "Ein Schiff? Du willst schon wieder mit einer Horde stinkender Zwerge auf See?" Dann grinste er auf, so wie sie es kannte. "Ich kann gut verstehen, dass dir die Zeit in der Kabine gefallen hat, aber dieses Mal sollten wir zu Fuß reisen. Ein Tunnel führt zu einem großen Tor und jenes bringt uns zurück an die Oberfläche. Frische Luft, ein freier Himmel ... klingt verlockender, findest du nicht?"
Er forderte es nicht, sondern versuchte, sie zu überreden. Lernte er dazu? "Überleg's dir", fügte er an. Es schwang aber der deutliche Entschluss in seiner Stimme mit, dass er kein Schiffsdeck mehr betreten würde. Dahin war seine Beteuerung, ihr überall hin zu folgen, so schien es. Doch jetzt begleitete er Azura. Er ließ ihr Handgelenk los, indem er seine Finger an ihrer Haut entlang fahren ließ, bis zu ihren Fingern. Ein Angebot, seine mit den ihren zu verflechten. Lehnte sie ab, würde er eben an ihre Seite treten und gleich den Arm um ihre Schultern schlingen. "Was immer du noch vor hast, wir sollten uns damit nicht mehr allzu viel Zeit lassen. Diese Stadt nervt mich! Die Zwerge nerven mich! Außerdem will ich mit dir allein sein..."
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Montag 19. April 2021, 15:10

Ein Teil von ihr freute sich darüber, ihn zu sehen, und verspürte auch Erleichterung, dass er alleine gehen konnte, ja, sogar richtig schwungvoll unterwegs war. Da war er wieder, jener Dunkelelf, dem sie am liebsten ständig den Hals umdrehen wollte für jede noch so winzige Gemeinheit!
Auf der anderen Seite war da jedoch auch ein kleiner Dämon in ihrem Inneren, der seine Fragen unablässig stellte und sie zu verunsichern wusste, eben, weil er keine Ruhe geben wollte. Wie konnte es sein, dass er so frisch und unversehrt aussah wie vor seiner unnötigen Prügelei? Lag das an seiner Magie oder hatte die wandelnde Nase ein Wunder an ihm bewirkt? Beides keine Möglichkeiten, die ihr ein gutes Gefühl bescherten.
Azura wand sich innerlich, denn ihr Instinkt riet ihr zur Vorsicht. Warum dem so war, wusste sie nicht recht zu deuten. Vielleicht war es lediglich der Nachklang der Worte der Elfe, vielleicht aber auch etwas anderes. Abgesehen von den Waffen an seinem Gürtel, die jagten ihr definitiv einen unguten Schauer über den Rücken. Wobei... das hätte jedes spitze oder scharfe oder sonst wie gefährliche Ding in seiner Reichweite getan, nach dem, was er ihr erzählt hatte.
Während er sich ihr näherte und zum Aufbruch drängte, arbeitete es wie wild in ihrem Kopf. Ein Gedanke indes schälte sich immer klarer hervor und wurde zu einem Fixpunkt in dem gesamten Strudel. Irgendetwas stimmte nicht und die Elfe in der Schenke sollte ihr helfen!
Ja, diese hatte sie gehen lassen und ihr schon einmal gesagt, dass sie da nichts machen wollen würde. Aber... jetzt war es ein Notfall! Zumindest in ihren Augen, denn sie wollte vermeiden, dass er schon wieder zusammen brach, sollte er sich lediglich mit seiner Magie aufrecht halten. Und wie könnte sie diese besser durchbrechen als mit seinem Gegenteil, das noch dazu viel erfahrener war als er?
Oder stimmte das gar nicht und er hatte ihr immer nur etwas vorgemacht diesbezüglich? Nein, dafür hatte er viel zu glaubhaft gewirkt.
Sollte hingegen etwas mit der Heilerin sein, wäre auch die Elfe definitiv eine bessere Ansprechpartnerin, schien sie sich schließlich hier auszukennen und lebensklug genug zu sein, um zu wissen, was in solch einem Falle zu tun wäre. Ja, es war für sie rasch beschlossene Sache, was sie heimlich vorhatte, ganz egal, was er davon halten würde.
Mit dieser Entscheidung und der Nähe der ruhigen See legte sich auch allmählich der Trubel in ihrem Inneren, als sie den Umhang annahm und sich um die Schultern legte. Sie war besseres gewohnt und flüchtig war sie versucht, es auch an ihm auszulassen, doch dann hielt sie ihre Zunge im Zaum. Solange sie sich vollkommen sicher war, dass sie ihrem wahren Begleiter ohne irgendeinem faulen Zauber gegenüber stand, wäre es gewiss gesünder, Vorsicht walten zu lassen.
Also nickte sie ihm zu und blieb in der Erklärung ihrer geplanten Vorhaben vage, wollte so rasch wie möglich aufbrechen, um sich nicht selbst dieser Gelegenheit zu berauben. Er allerdings schien nicht zufrieden, sondern griff nach ihrem Handgelenk.
Sofort erstarrte sie und hielt einen flüchtigen Moment lang die Luft an. Was würde jetzt passieren? Würde gleich der Schmerz folgen oder würde er sie zu ihrem Glück zwingen, was auch immer er sich darunter vorzustellen vermochte? Nein, es war nur dieser Griff, wegen dem sie nicht weiter ging. Langsam drehte sie ihren Kopf und sah etwas fragend zu ihm hoch.
Seine ersten Worte waren noch neutral und damit hätte sie umgehen können, dann jedoch wurde er persönlich. Und fast beseitigte er damit auch wirklich ihre Zweifel, die sie partout nicht loslassen wollten. Leise und wenig damenhaft schnaubte sie. "Oh ja, ich habe selten so gut geschlafen und nichts mitbekommen.", gab sie zurück und rang sich ebenfalls ein Grinsen ab, ein bisschen schadenfroh, weil sie ihn in seinem männlichen Stolz erwischen wollte.
Um schließlich den Kopf leicht zu schütteln. "Und woher wissen wir dann, wo wir sind? Wo wir hingehen können? Mit einem Schiff haben wir auch Informationen und kommen in eine andere Stadt.", beharrte sie.
Außerdem wären sie dann auf der See und die war es, wegen der sie diesen Weg eigentlich bevorzugte. Sie wollte in der Nähe von Wasser sein, am besten unter dem strahlend blauen, unendlich weiten Himmel!
Plötzlich saß ihr der Schalk im Nacken, denn in ihren Augen blitzte es herausfordernd auf und ihre Lippen kräuselten sich zu einem nachsichtigen Lächeln. "Aber ich verstehe schon, dir verträgst die Wellen nicht, hm? Habe ich so gut geschlafen, dass ich verpasst habe, wie du seekrank bist?", stichelte sie in gewohnter Manier.
Innerlich atmete sie dennoch auf, als er seine Finger lockerte. Sie spürte diese an ihrer Haut entlang streichen und konnte einen leichten Schauer nicht vermeiden. Doch wollte sie lieber nicht daran denken, sondern fasste ihren Plan wieder ins Auge.
Sein Angebot, die Finger mit den seinen zu verschlingen, ignorierte die junge Frau. Dieses Mal allerdings, weil es für sie nicht im Bereich des Möglichen lag. Zu verwurzelt war sie in den Gepflogenheiten ihres Standes, da kam eine derartige Geste unter Freunden oder Liebenden eben nicht vor.
Er schien es ihr nicht krumm zu nehmen, obwohl er daraufhin seinen Arm um sie legte. Flüchtig erstarrte sie vor Überraschung, ehe sie schluckte. Doch seine Worte halfen ihr, sich wieder zu fassen, obwohl sie auch ihre Zweifel und Sorgen nährten.
Irgendwie... empfand sie seine Aussprache, seine Formulierungen als... anders? Als nicht ganz so, wie sie es erwarten würde nach all der Zeit, die sie aneinander gekettet gewesen waren. Oder lag das an den Intimitäten, die sie inzwischen miteinander geteilt hatten?
Wie auch immer, sie bemühte sich darum, es sich nicht anmerken zu lassen, sondern rang sich ein Grinsen ab. "Wer kann hier was nicht erwarten, hm?", gab sie mit einem leisen, koketten Unterton zurück und schlängelte sich erstaunlich geschickt hervor. Auch wenn ihr Herz wie wild pochte.
Tadelnd hob sie den Finger und wedelte damit kurz vor seiner Nase herum. "Wir waren Ewigkeiten aneinander gefesselt und kaum ist sie weg, klebst du an mir. Du weißt auch nicht, was du willst! Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich mich fragen müssen, ob du nicht eine Frau in Männerkleidern bist, so wankelmütig bist du gerade!", provozierte sie ihn und hoffte, sich damit nicht zu weit aus dem Fenster zu lehnen.
Aber wollte sie ihn heimlich zu der Elfe bringen, durfte er nichts davon ahnen. Sie musste nur darauf achten, dass er seine Waffen schön stecken ließ, auch jene eine, die ihr bislang eigentlich Freude bereitet hatte. Jedoch war sie viel zu ablenkend und auf offener Straße sowieso der falsche Ort dafür.
Also beeilte sie sich, voraus zu schreiten und ihm einen auffordernden Blick zu zuwerfen, dass er ihr, wie versprochen, folgen sollte. Hoffentlich würde das gut gehen!
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 21. April 2021, 13:44

Er war schon einmal schwer verletzt worden und damals dem Tode näher gewesen als jedem noch so kleinen Lebenszeichen. Damals, als Azura auf einem Berg aus andunischen Leichen erwacht war, in einer Ecke des geschändeten Ventha-Tempels, im schwachen Schein des Mondlichts, das durch das zertrümmerte Tempeldach gedrungen war. Da hatte sie gelegen, angekettet an den Elfen und zusammen mit ihm zum Verroten fortgeworfen. Corax' nackte Brust war ihrer Zeit von einem diagonalen Schwertstreich gespalten gewesen und Blut hatte seine Haut besudelt. Seine Atmung war schwerer gegangen als unter Fieber im Bett der Großnase. Damals noch war ihr eine andere Frau zu Hilfe gekommen. Wie hatte sie noch gleich geheißen? Der Name war Azura nicht mehr geläufig, aber sie erinnerte sich dunkel noch an einen Trank, der ihr ausgehändigt worden war. Ein kleines Fläschchen, das sie Corax nur mit Widerwillen eingeflößt hatte und wäre er nicht unlösbar an sie gekettet gewesen, hätte sie den kostbaren Inhalt wohl für sich aufgehoben. So aber hatte der Trank der Stärkung ihn damals gerettet. Seine Wunde war wie durch Zauberei geschlossen worden. Im Gegensatz zu jetzt allerdings hatte er sich danach ob des Blutverlustes immer noch kraftlos gefühlt. Zu schwach, um zu kämpfen war es ihm lediglich gelungen, mit Azura bis zum Anwesen ihrer adligen Freundin zu gelangen, wo er sich einen Moment hatte ausruhen können, während sie sich passend für eine Flucht eingekleidet hatte. Damals war es wohl dem Schock ob Andunies Belagerung zu verdanken gewesen, dass sie beide genug Adrenalinreserven besaßen, um diese gefährliche Flucht zu begehen und unterwegs nicht ohnmächtig zusammenzubrechen.
Das hier war anders. Man könnte Mutmaßungen anstellen, ob Corax nicht erneut einen Trank der Stärkung bekommen hätte, der seine gebrochene Rippe hätte genesen lassen. Aber dann wäre er nach wie vor erschöpft gewesen! Stattdessen strotzte er fast schon vor Tatendrang und war bereit, Nogrot den Rücken zu kehren. Lediglich auf ein Schiff wollte er nicht mitkommen und schlug stattdessen eine Abreise über den Landweg vor.
Azura war dagegen. Doch bevor beide sich einem heftigeren Streitgespräch widmen würden, wollte Azura noch einmal Méllyn Kicherklang aufsuchen. Sie sorgte sich, dass Corax nicht wirklich so frisch und munter war wie er vorgab. Eine magisch Begabte, die noch dazu das arkane Gegenstück zu ihm bildete, würde da schneller erkennen, ob getrickst wurde. Dann könnte sie ihn für seinen selbstzerstörerischen Versuch schimpfen und er stünde in ihrer Schuld. Sie wäre nicht nur in der Lage, ihn auf das Schiff mitzuschleifen, sondern könnte vielleicht auch Méllyn dazu bewegen, die Reise auf sich zu nehmen. Dann hätte wenigstens eine erfahrene Person ein Auge auf Corax. Und vielleicht ... nein, darüber nachzudenken blieb noch genug Zeit. Erst einmal musste sie den störrischen Dunkelelfen an ihr Ziel bringen.
So störrisch gab er sich aber nach wie vor nicht mehr. Das machte ihr auf verdächtige Weise schon wieder Sorgen. Oder lag es an ihrer engeren Beziehung, dass er ihr bei den Sticheleien einen gewissen Freiraum schenkte? Denn er erwiderte nur: "Ich war nicht seekrank." Dann stutzte er. "Ich ... kann mich tatsächlich nicht einmal an die Reise erinnern." Sein Blick glitt über das Wasser und die Höhlenwände des Zwergenhafens empor. Dort verharrte er bei einer Nische, aus der ihm neben Dunkelheit noch mehr entgegen zu starren schien. Was es war, blieb ein Geheimnis, aber Corax wandte den Blick rasch wieder ab. Nicht einmal auf ihre unterschwellige Neckerei, ihn wie ein Kind am Rockzipfel der Mutter darzustellen, ging er mit einem Konter ein. Im Gegenteil. Plötzlich rückte er wieder dichter, auch wenn er einen zweiten Versuch unterließ, Azura wieder in seinen Arm zu ziehen. Trotzdem rückte Corax dicht genug auf, dass sein Oberarm ihre Schulter berührte.
"Ich bin nicht wankelmütig und nachdem du erneut auf mir geritten bist, sollte dir klar sein, dass ich alles andere als weiblich bin." Das klang schon mehr nach Corax. Vor allem, weil er seine Worte leicht knurrte. Trotzdem war es nicht die beste Antwort, die er je gegeben hatte. So sehr Mann war er nämlich auch schon lange nicht mehr. Es hatte dennoch genügt, um Azura glücklich zu machen - so sehr, dass es ihr Argument im Gespräch mit Méllyn gewesen war, in dem sie diesen widerlichen Schuft nach wie vor verteidigte. Und wozu? Er war unflätig und ungezogen, störrisch und gemein und...
"Entschuldige. Ich will einfach nur wirklich hier weg. Mit dir." Er sah sie nicht an, als er das sagte. Sein Blick huschte über die vor Anker liegenden Zwergenschiffe, den Hafen, die Felswände und Nischen. Unstet strich er mit den Fingern der abgelehnten Hand über die Griff seiner Messer am Gürtel. Auf dem Dolchknauf verweilte er dann. "Vielleicht hab ich gelogen ... dass ich froh wäre, dich so schnell wie möglich los zu sein..." Für einen Herzschlag schien die Welt still. Dann holte Corax Luft, drängte Azura mit Druck gegen ihre Schulter voran und sprach deutlich lauter: "Gehen wir, wohin du noch musst. Aber lass uns wirklich schnell machen. Diese verdammten Zwerge nerven mich!"


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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 29. Juni 2021, 19:13

Azura kommt von Durch die Gassen

Der Weg zurück zum Zwergenhafen gestaltete sich ereignislos. Azura musste sich zwar gelegentlich erneut durchfragen, um aus den düsteren Gassen Nogrots zurück auf die Hauptstraße zu gelangen - Corax knurrte jedes Mal auf, wenn sie sich an einen der Zwerge wandte - schlussendlich gelangte sie dadurch aber erfolgreich zurück zu der gewaltigen Steintreppe und hinab gen Strand. Hier stand sie nun. Ihr Begleiter befand sich immer noch in ihrer Nähe. Sie spürte seine Anwesenheit, auch wenn sie ihn nicht sah. Es war das gleiche Gefühl wie vor kurzem im Haus der Nase, als er mutmaßlich verschwunden war. Sie wusste, dass er ihr nahe war.
Im Hafen ging es nach wie vor geschäftig zu. Vermutlich war das immer der Fall, denn ohne einen Blick gen Himmel ließ sich die Tageszeit kaum bestimmen. Nach wie vor streiften gerüstete Zwergenpatrouillen über die wankenden und miteinander verbundenen Schwimminseln, die festen Docks auf ihren Holzpfählen oder das lange Stück der brückenartigen Version aus Stein, welche einem Finger gleich ins Wasser hinein ragte. Händler befanden sich immer noch auf den Schwimminseln, priesen ihre Waren an oder feilschten mit den Nogrotern.
Entlang der kleinen Gebäudemeile am Hafen fanden sich zunehmend Matrosen. Sie kehrten entweder in eine der Bars ein oder unterhielten sich mit zwergischen Damen, die man nur aufgrund ihrer offenherzigen Kleidung als solche erkannte. Viel zu oft entdeckte Azura hochgeschnürte, dralle Brüste. Eine solche Mode kannte sie aus Andunie, aber nicht von den Adligen. Hafenhuren kleideten sich so. Was ihr darüber hinaus zusätzlich auffiel, waren immer wieder Zwergengruppen, die sich suchend umschauten. Einmal zeigte ein Bärtiger aus einer solchen Truppe direkt in ihre Richtung. Die kleinen Leute unterhielten sich. Einige nickten, andere schüttelten die Köpfe.
Dann stieß eine unsichtbare Kraft sie in den Rücken. Corax. Er schubste sie gen Docks udn raunte leise: "Weiter, die Schiffe dort sehen gut aus." Er drängte sie zu einigen Handelsschiffen, die jenen der Zwerge nicht unbedingt glichen. Keines davon erinnerte an das Schildkröten-Modell, das Azura und Corax hierher befördert hatte. Das waren tatsächlich Handelsschiffe. Einige erkannte die Adlige als sarmaer Herkunft. Andere meinte sie bereits auch in ihrem Heimathafen mal gesehen zu haben, war aber nie interessiert genug, um sie als santronische Handelsschiffe zu erkennen. Doch dazwischen konnte sie auch eines geradezu herausstechen sehen. Ein andunisches Handelschiff, sofort erkennbar an den schönen Schnitzereien im Rumpf, die viel zu oft auch den Apfel als Motiv besaßen. So auch dieses. Um den Rumpf herum führte eine geschnitzte Borte, die welligem Haar glich. Äpfel und Apfelbaumzweige hatten sich darin verfangen. Die Borte führte einmal am gesamten Rumpf entlang und endete vorn am Bug de Schiffes in einer wunderschönen Galeonsfigur einer Frau, die ihren nackten Busen unter einem breiten Lächeln den Wellen entgegen streckte. Ihre Hände drückten sich nach hinten an den Rumpf, so dass die Apfelbaumzweige diese umschlangen und sie langsam in Besitz zu nehmen schienen. Oder sie hielten sie, damit sie die spritzende Gischt auf ihrem Holzkörper spüren könnte, sobald das Schiff in See stach. Der Anblick weckte Azuras Sehnsucht nach dem Wasser, welches inzwischen höhere Wellen schlug. Die Flut setzte ein. Schiffe, die abreisen wollten, würden bald ablegen und auch das andunische Handelsschiff befand sich darunter. Niemand schleppte mehr Ladung an Bord. Stattdessen konnte Azura die Matrosen an Segeln, Seilen und in der Takelage hantieren sehen.
Vor dem Schiff und direkt neben einer Planke, die an Bord führte, stand ein stolzer Kapitän. Er war definitiv kein Zwerg, seiner Größe nach zu urteilen, aber auch er verstand es, Bart zu tragen. Schwarz mit grauen Strähnen beim Kinn und an den Schläfen erweckten den Anschein, er habe Teile davon in Mehl getaucht. Sein wachsamer Blck ruhte auf den Arbeitenden an Bord. Er rauchte eine Pfeife und hatte die freie Hand im Steiß platziert. Sein Mantel war dunkelrot mit schwarzen Umschlägen und goldenen Knöpfen, ganz im andunischen Stil der Wappenfarben. Dazu trug er einen schwarzen Dreispitz und eine Klinge am Gürtel.
"Sprich ihn an", raunte Corax wieder in Azuras Nacken. Er klang irgendwie ... alarmiert. Er drängte zur Eile. "Spiel ihm deine Heil-Arie vor, aber nicht zuu auffällig. Sonst kommen die Zwerge noch auf dich zu, um dir zu helfen. Dann gelangen wir niemals auf ein Schiff."
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Donnerstag 1. Juli 2021, 12:59

Als ihm dämmerte, was soeben geschehen war, konnte sie sich ein feines, triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. Ebenso wie einen Blick, der besagte, dass er es ja so hatte haben wollen. Trotzdem widersprach sie ihm, als er die Distanz zwischen ihnen vergrößerte und immer mehr wie ein kleines, beleidigtes Kind wirkte. "Nein, ich habe dir nur gezeigt, zu was ich fähig bin.", erwiderte sie mit einem leisen Necken in der Stimme, denn sie genoss diesen Moment gerade sehr.
Endlich einmal hatte sie ihm ein Schnippchen geschlagen, hatte die Oberhand gewonnen und ihm damit demonstriert, dass sie weit mehr war als das wehrlose Wesen, als das er sie anzusehen schien. Ganz gleich, wie oft er sie Herrin nannte oder wie sehr sie ihn begehrte, wenn er mit seinen geschickten Fingern ihren Körper betastete. Meist war er es, der bestimmte, und nun war sie es einmal gewesen, die ihn an der Nase hatte herumführen können.
Der Moment des Triumphes wurde sogar noch größer, als er vor sich hin brummelte und sie damit zu einem mädchenhaftes und leicht schadenfrohen Kichern verleitete. "Wir werden sehen.", gurrte sie lockend und zwinkerte ihm zu, ohne daran zu denken, dass diese Rache durchaus verletzend ausfallen könnte.
Nein, sie nahm schlichtweg an, dass er es ihr mit gleicher Münze zurück geben würde... oder damit, sie etwas länger nach seinen Liebkosungen darben zu lassen, aber nicht mehr. Nicht, nachdem sie sich mehr oder weniger zuvor erst versöhnt und beschlossen hatten, zusammen zu bleiben.
Für wie lange und bis wohin eigentlich? Das wusste Azura nicht und wollte sich vorläufig auch nicht wirklich damit befassen. Es würde die Zeit schon zeigen... wahrscheinlich.
Seine nächste Bemerkung und vor allem sein gequäkter Nachsatz sorgten dafür, dass sie schmunzeln musste, während sie, beinahe schon todesmutig, auf ihn wieder zutrat und sich streckte, um seine Wange zu tätscheln. "Oh, schmollst du etwa, weil ich doch besser bin, als du glauben wolltest?", säuselte sie, um ihn damit erst recht aufzuziehen.
Es war fast schon niedlich mitanzusehen, wie er zu einem kleinen Rotzlöffel deswegen mutierte, obwohl er längst ein Mann war. Hm... wie alt er wohl eigentlich war? Viel wusste die junge Frau nicht von Elfen, doch irgendetwas in ihrem Hinterkopf war da, das von einem längeren Leben als jenes der Menschen zu wissen glaubte. Dennoch wäre jetzt vermutlich der falsche Zeitpunkt, um ihn danach zu fragen.
Ohnehin drehten sich ihre Gedanken schon wieder um ganz andere, tiefer gelegene Dinge, die sie auch endlich zur Sprache bringen konnte. Nein, sie gab sich mit seinem Zustand und dem daraus resultierenden Verzicht nicht zufrieden. Genauso wenig wie mit dem Umstand, dass ihre eigenen Finger bei ihm bei weitem nicht denselben Effekt erzielten wie umgekehrt seine.
Als sich auch weiterhin nichts regte, egal, wie sehr sie ihn zu streicheln und animieren versuchte, war es nun an ihr, beleidigt zu reagieren. Seine Erwiderung blieb unvollständig und sorgte dafür, dass sie leise schnaufte, als sie ihre Hand zurück zog.
"Wenigstens glaub ich an diese Möglichkeit!", warf sie ihm, definitiv jetzt ihrerseits, schmollend an den Kopf, ehe sie an ihm vorbei trat und hoch erhobenen Hauptes diese stinkende Gasse endlich wieder verlassen konnte. Sie sollte sich schleunigst konzentrieren und an ihrer Wirkung arbeiten, sonst würde ihr niemand die hilflose, verlorene Tochter aus gutem Hause auf der verzweifelten Suche nach einem Heimweg abnehmen!
Es dauerte dennoch seine Zeit, wenngleich ihre Umgebung, die nicht und nicht besser zu werden schien, ihr dabei kräftig unter die Arme griff. Zugleich war sie durch seine Nähe in ihrem Rücken, ohne dass sie ihn sehen konnte, derart abgelenkt, dass ihr Instinkt allein den rechten Weg zum Wasser nicht finden konnte.
Als ihr dann ein bärtiger Zwerg entgegen kam, machte sie kurzen Prozess und fragte ihn schlichtweg danach. Hinter sich hörte sie ein leises, kaum wahrnehmbares Knurren und sofort keimte eine Idee in ihrem Hinterkopf. Tatsächlich nickte sie dem Kleinen am Ende dankbar zu und hätte den Weg nun sicherlich problemlos gefunden, aber... Sie konnte es einfach nicht lassen und fragte noch ein paar Mal nach, als könne sie sich die Beschreibung einfach nicht merken.
Erst, als sie das nahe Gewässer mehr oder weniger spüren konnte, ließ sie dieses Spielchen sein und bewegte sich zügig, bis sie am Strand zum Stehen kam. Dort schloss sie erst einmal die Augen und atmete die salziger gewordene Luft tief ein. Sie tat ihr gut und half ihr ein wenig, ihren Kopf wieder zu klären und ihre Gedanken zu beruhigen.
Danach hob sie ihre Lider an und sah sich langsam um, auf der Suche nach einem geeigneten Opfer, das ihr ihre Geschichte am ehesten abkaufen und sie am schnellsten an ihr Ziel bringen würde. Sie war noch damit beschäftigt, als ihr Blick auf einer Gruppe Zwerge haften blieb, die sie offenbar entdeckt hatte und nun eifrig darüber redete.
Ihre Stirn runzelte sich leicht. Doch bevor sie mehr dazu herausfinden konnte, spürte sie einen Stoß in ihrem Rücken, der sie leicht nach vorne taumeln ließ.
"Lass das!", zischte sie erbost und konnte seinem Drängen trotzdem nicht entkommen. Er schob sie in eine Richtung, bei der sie gedanklich noch gar nicht angekommen war, weil sie sich erst einmal vordergründig auf jene Schiffstypen konzentriert hatte, die jenem ähnelten, mit dem sie gekommen waren.
Jetzt hingegen entdeckte sie andere Bauarten, die ihr teilweise sogar bekannt vorkamen. Bis sie mittendrin eines ausmachte, das ihr nicht nur den Atem verschlug, sondern sie unwillkürlich auch einen halben Schritt zurück taumeln ließ, bis sie gegen etwas... oder jemanden stieß, der sich dort befand.
Ihre Augen begannen zu glänzen, ihr Herz schlug schneller und wie von selbst drohten ihr die Tränen zu kommen. Nicht vor Angst oder Schmerz oder ähnlichem, sondern vor schierer Erleichterung. Oh ja, jetzt wusste sie, wo sie hinwollte!
Es hätte der Worte ihres unsichtbaren Begleiters gar nicht erst bedurft, schon schritt sie ungewöhnlich kräftig für eine adelige Dame aus und direkt in die Richtung jenes Schiffes. Neben dessen Planke, so konnte sie auf ihrem Weg erkennen, befand sich jemand, der so wirkte wie eine Person, die das Sagen hatte. Ihn steuerte sie instinktiv an, obwohl sie sich flüchtig fragte, ob ihr sein Gesicht, wenn sie es sähe, etwas sagen würde, und achtete auf sonst nichts mehr. Nein, sie verwandte all ihre Konzentration auf ihr Schauspiel und auf die Worte, die sie sich hastig in ihrem Kopf zurecht legte.
So überfiel sie den Mann mit dem dunklen Haar regelrecht, indem sie sich plötzlich schluchzend an seinen Arm untätigen hängte, nachdem sie sich ihm von hinten genähert hatte. "Oh, Venta sei Dank, dass ich Euch gefunden habe! Hilfe, ich brauche dringend Eure Hilfe!", jammerte sie mit einem erbarmungswürdigen Schluchzen in der Stimme, während ihr eine Träne, wie bestellt, über die Wange lief, kaum, dass sie Beachtung fand.
"Ich... ich muss dringend zu meinem Vater, so dringend! Oh bitte, bitte helft mir! Ich weiß sonst nicht mehr weiter!", klagte sie weiter ihr Leid und presste sich plötzlich eine Hand an den Mund, als könne sie nur auf diese Weise ihre Verzweiflung im Zaum halten, das so überaus deutlich aus ihrem Blick sprach.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 8. Juli 2021, 10:49

Azura und Corax waren nicht länger durch das goldene Kettchen verbunden, das der Adligen all ihr Erlebtes überhaupt erst eingebrockt hatte. Aktuell sah sie ihren Begleiter nicht einmal, denn er hielt sich erfolgreich unter dem wundervollen Zauberstoff verborgen. Trotzdem wusste sie um seine Anwesenheit, spürte ihn in ihrer Nähe wie bisher auf ihrer Reise. Der Unterschied war, dass es ihr nicht mehr allzu unangenehm war. Vielmehr spendete er irgendwie Sicherheit. Das und ihr kleiner Triumph von vorhin in der Gasse, auf dessen Erfolgswellen die junge Frau noch immer fuhr wie das große andunische Schiff in ihrem Blickfeld. Hoffentlich brächte sie dieses in die Heimat zurück. Azura hielt direkt darauf zu und selbst Corax schien darauf zu pochen, genau jenes Schiff zu nehmen. Er stieß sie unsanft in den Rücken, drängte zur Eile. Die Zwergenstadt Nogrot schien bei ihm einen harten Eindruck zu hinterlassen, welchen er sofort abschütteln wollte. Azuras Planung sah ähnlich aus. Auch sie erhoffte sich neben einer komfortablen Schiffsreise gewisse Härte von ihrem Schuft, die sie mit ein wenig Übung vielleicht ... abschütteln würde. Sie hatte nicht vor, die gesamte Fahrt über an Deck zu stehen. Sie wollte sich auch mit Corax in die Laken kuscheln und an seinen illusionären Schelmenkünsten arbeiten. Nach wie vor war sie davon überzeugt, dass er ihre Freuden teilen könnte, wenn sie ihm nur einredete, er wäre noch bestens bestückt. Doch all das musste warten. Nichts davon würde Wirklichkeit, wenn sie es nicht an Bord des schönen Schiffes packte.
Endlich nah genug heran erkannte sie auch den Namen des Wassergefährts, welcher unterhalb der geschnitzten Borte in den Rumpf gebrannt worden war: Apfelblüte der Auqaden.
Überwältigt von der Schönheit des Schiffes wurde das Heimweh in Azura geweckt. Sie sehnte sich danach, auf der Apfelblüte ihren geliebten Apfelplantagen entgegen zu segeln. Zurück in ihre Heimat, die immer so lieblich roch mit einer Spur der salzigen Brise vom Hafen. Ihr Andunie, das sie mit Wein, Galanen und Gesang Willkommen heißen sollte. Ihre Heimat, die ... von Dunkelelfen erobert worden war. Nein, ganz gleich, ob dieses Schiff sie heim brächte oder nicht, dort erwartete sie nicht der vertraute Alltag. Auch hiervon emotional überschwemmt taumelte Azura mit Tränchen in den Augenwinkeln zurück. Sie stieß Corax an, doch statt sich zu beschweren, spürte sie nur einen unsichtbaren Arm, der sich um ihre Hüfte schlang. Sein Körper stützte sie, bis sie ihre Balance zurückgefunden hatte. DIe Umgebung um sie herum bekam ein paar Falten, als der magische Stoff sich verschob. Azura konnte die dunkle Hand sehen, welche ihren Bauch kurz streichelte. Dann zog sie sich zurück, ebenso wie der Rest von Corax. Aber er war immer noch da, ganz nah. Sie spürte ihn.
Von neuer Kraft erfüllte kehrte der Wille zurück, dennoch nach Hause zu fahren und zwar mit der Apfelblüte der Aquaden! Sie wusste, dass sie es wollte. Andunie rettete sich nicht selbst. Warten half nichts. Sie würde zurückkehren und ihr Heim wieder in Anspruch nehmen, dunkle Völker hin oder her! Einen hatte sie doch bereits um den Finger gewickelt, warum nicht mehr? Der Anblick des Schiffes schenkte ihr neuen Mut. Es wurde Zeit, ihren Plan umzusetzen.
Mit zügigen Schritten stapfte sie auf den mutmaßlichen Kapitän zu, der neben der Rampe stand, die jeden vom Steg aus an Bord bringen würde. Doch Azura hatte nicht vor, seinen Respekt zu verlieren, indem sie dreist über die Planke ging. Nein, sie wollte an sein Mitleid appellieren. So sprang sie den Mann fast schon an, klammerte sich an dessen freien Arm und eröffnete ihr Schauspiel. Dafür, dass er gerade so sehr von ihr überfallen worden war, blieb er allerdings überraschend ruhig. Langsam senkte er die Pfeife, wandte den Kopf und drehte dann den Oberkörper so, dass er Azura mustern konnte, ohne ihr den anderen Arm als Halt zu nehmen.
Sie kannte ihn nicht. An solch hellblaue Augen hätte sie sich erinnert. Wie Eisperlen stachen sie aus dem Unrat seines Gesichts heraus, das wettergegerbte Furchen und Sonnenbräune augwies. Die Augenwinkel wurden von kleinen Krähenfüßen umrahmt. Im ersten Moment wirkte sein Blick väterlich, doch bei genauerem Hinschauen entdeckte man darin etwas Analytisches. Dieser Mann besaß einen sehr wachen Geist und er prägte sich Azuras Erscheinung offenbar gerade äußerst genau ein. Dann hob sich dir Bartraupe unterhalb seiner Nase etwas an. Auch in die übrigen Haare seines ordentlich gestutzten Bartes geriet Regung, als er lächelte.
Achtsam löste er seinen Arm aus Azuras Fingern. Die Bewegung war auch hier gemächlich, doch hinter ihr verbarg sich eine Kraft, gegen die die Adlige nicht hätte ankommen können. Wenn er wollte, könnte dieser Kapitän sie einfach packen und ihr den Nacken brechen. Wahrscheinlich war er sogar stärker als ihr unsichtbarer Dunkelelfenbegleiter. Im Gegensatz zu diesem wusste der Andunier aber seine Gefühle zu kontrollieren. Seinen Arm legte er nun geradezu beschützerisch um Azuras Schultern und zog sie so etwas dichter an sich heran. Sie konnte das Meer auf seiner Kleidung riechen. Darunter mischte sich das sanfte Aroma seines Tabaks, der offenbar mit Minzblättern etwas gestreckt worden war. Außerdem nahm sie eine Spur Alkohol an ihm wahr. Nicht unangenehm wie bei einem feisten Säufer. Dieser Mann schien sich den teuren, edleren Getränken zuzuwenden und das vermutlich eher mit Genuss als Abhängigkeit.
"Moin", grüßte er sie mit einem nicht ganz andunischen Dialekt. Diesen hatte Azura gelegentlich schon bei fahrenden Händlern aufgeschnappt, jedoch eher bei deren Matrosen und nicht bei einem Kapitän. Man hörte sie manchmal so rufen, wenn man am Hafen entlang schlenderte. Hatte ihr Ziehvater ihr nicht sogar eins gesagt, dass man einen Piraten daran erkannte? Ob der Kapitän hier einer war? Er sah nicht danach aus.
"Ganz ruhig, bevor Euer Herz noch über Bord geht! Und jetzt macht mal die Schotten dicht, da läuft zu viel aus." Er nickte ihr zu, meinte wohl ihre Tränen. Es schien seine Art zu sein, sie beruhigen zu wollen. Die Worte kamen eher bei einer Seefahrerbraut an, aber der Kapitän besaß einen gewissen Charme, dass sie nicht ruppig erschienen. Er klemmte sich die Pfeife in den Mundwinkel, um die andere Hand freizuhaben und wischte nun ohne Scheu Azuras Tränen von den Wangen. "Aye, so ist's besser. Ihr seid ein wirklich gelungenes junges Ding, Hut ab vor Euren Eltern!" Sein Lachen rollte über Azura hinweg wie eine aufkommende Meeresbrise. Dann schob er sie auf halbe Armeslänge von sich, wandte sich ihr dabei vollends zu um sie erneut zu betrachten. "Seid Ihr mit Eurem Vater nach Nogrot geschippert und findet sein Schiff nicht mehr? Ihr seht andunisch aus, aber ich erkenn noch was Anderes in Euch. Aye, irgendetwas kommt mir bekannt vor. Kann nicht sagen, was genau. Hübsch anzuschauen seid Ihr." Er nickte. "Nun aber von vorn, aye. Erzählt mir von Eurem Problem und wie Euch der alte Käpt'n Gilles helfen kann. Das bin übrigens ich. Kapitän Edley Gilles. Mit wem habe ich die Ehre?"
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Dienstag 13. Juli 2021, 13:20

Irgendetwas war mit diesem seltsamen Ort, dass ihr Begleiter sich so verändert hatte und zum Aufbruch drängte. Oder es lag schlichtweg daran, dass er mehr oder weniger das genaue Gegenteil dieser Bewohner in Bezug auf die Größe darstellte. Wie auch immer, wenn er sich weiterhin so benahm, würde sie auf eine Erklärung dafür drängen. Wenn nicht... nun ja, es gab viel zu viel anderes, mit dem sie sich gedanklich zu beschäftigen hatte. Und beinahe alles hatte ohnehin mit ihm zu tun.
Trotzdem mochte sie es nicht, von ihm geschubst zu werden, ehe sie ihm zeigte, dass sie durchaus zu einem schnellen Tritt in der Lage war. Eilig steuerte sie das große Schiff an und mit jedem Schritt, den sie näher kam, wuchs die Sehnsucht nach ihrer Heimat, nach der leicht salzigen Luft, dem Blick hinaus auf die See und die beständige, vertraute Geräuschkulisse, während sie sich in dem Luxus wälzte, den ihr Stiefvater ihr geboten hatte.
Ihr Blick verlor an Schärfe und einen Moment lang musste sie mit ihren hochbrodelnden Gefühlen ringen, bevor sie sich wieder fassen und auf ihren Plan konzentrieren konnte. Dass ihr unsichtbarer Begleiter sie solange hielt und irgendwie... sie sogar zu trösten versuchte, nahm sie lediglich am Rande wahr. Aber immerhin bemerkte sie es und bei einer anderen Gelegenheit könnte sie sich durchaus dafür erkenntlich zeigen. Wie, das würde dann die Situation ergeben.
Jetzt hingegen durfte sie nicht einmal im Ansatz daran denken, sondern musste sich ganz der Gegenwart widmen, um ein glaubhaftes Bild der hilflosen, verzweifelten jungen Frau abzugeben, die auf diese Weise Unterstützung bekäme, ohne dafür bezahlen zu müssen. Mit all ihrem schauspielerischen Talent warf sie sich in Szene und regelrecht an diesen fremden Mann, in dem sie den Kapitän vermutete.
Er verlor seine Balance nicht, was vermutlich an einer ausreichenden Zeit auf See lag, denn ein Schiff war vieles, doch sicherlich nicht trittsicher. Auch wirkte er erstaunlich ruhig, während sie an ihm hing und herzzerreißend schniefte, als könne sie die Tränen nur auf diese Weise noch zurück halten.
Immerhin, er sah zu ihr, ohne ihr seinen Arm sogleich wieder zu entziehen, und ihr war, als würde er sie eher abschätzen, denn mitleidig mustern. Ob er schon viele derartige Attacken erlebt hatte oder ähnliche, die auf dasselbe Ziel hin aus waren? Oder entsprach diese Reaktion schlichtweg seinem Charakter, der sicherlich davon geprägt worden war, auch in brenzligen Situationen wie Stürmen und Unwettern auf dem Meer mit Ruhe zu begegnen?
Azura wusste es nicht einzuschätzen und das alarmierte ihren eigenen Instinkt. Etwas in ihr rief laut und deutlich danach, dass sie vorsichtig sein musste und ihre Worte nicht unbedacht wählen durfte. Auch durfte sie höchstens an der Wahrheit entlang schrammen, jedoch keine konkreten Details nennen.
Das zumindest nahm sie sich vor, während sie ihren Griff ein wenig verstärkte und sich konzentrierte, ein leichtes Zittern in ihren Körper zu bekommen wie bei höchster Gemütsaufwallung. Gerade noch rechtzeitig, ehe er sich nun doch ihrem Griff allmählich entzog. Nicht grob, allerdings bestimmt und sie reagierte darauf mit einem leisen, verzweifelten Kicksen, als wäre dies ihr letzter Versuch, ihre Tränen zurück zu halten.
Dann jedoch legte er tatsächlich den Arm um ihre Schultern und zog sie tröstend an sich. Eigentlich eine Geste und eine Nähe, die sie sonst nicht gerne duldete. Doch in ihrer Situation erschien es ihr als unerlässlich, diese Umarmung zu zulassen, solange sich seine Hand nicht in unschickliche Gefilde verirrte.
Sofort nahm sie den Duft nach der See wahr und musste ihre Augen schließen, um sich trotz allem nicht durch die erneut aufsteigende Sehnsucht zu verraten. Stattdessen konzentrierte sie sich ausgiebig darauf, eine große, dicke Kullerträne unter ihrem Lid hervorquellen zu lassen, die sich ihren Weg über ihre Wange nach unten bahnte. Auch schickte sie ein unterdrückte und dennoch hörbares Schluchzen hinterher, um glaubhaft zu bleiben.
Und dann sprach er, dass sie sofort heraushören konnte, dass er nicht Zeit seines Lebens in Andunie verbracht hatte. Irgendetwas in ihrem Hinterkopf verstärkte noch ihre Alarmbereitschaft, auch wenn sie es nicht konkret zu fassen bekam. Ohnehin hatte sie dafür gerade keine Zeit und musste lediglich darauf hoffen, dass es nichts zu schlimmes wäre.
Die Worte danach ließen sie zwar gehorsam nicken, aber zugleich quetschte sie noch ein Tränchen hervor. Da sie ihre Augen noch geschlossen hielt, zuckte sie leicht zusammen, als er zuerst die eine, dann die andere Wange berührte und sie trocken wischte. Mit leicht glasigem Blick vor lauter Tränen sah sie zu ihm hoch und erweckte damit einen äußerst schutzbedürftigen Eindruck. So hatte sie als kleines Kind oft ihren Stiefvater angesehen, wenn ihre Mutter ihr einen Wunsch abgeschlagen hatte. Am Ende hatte sie dadurch noch jedes Mal ihren Willen bekommen!
Als der Kapitän fortfuhr, gelang es ihr, eine feine Röte in ihre Wangen bei seinem Kompliment steigen zu lassen, während sie, scheinbar schamhaft, den Blick senkte. Er sollte sie für unschuldig und hilfsbedürftig halten, je mehr, desto besser! Dass dies auch nach hinten losgehen könnte... Nun, daran dachte sie nicht im Geringsten, zu sehr verließ sie sich noch immer auf ihren adeligen Rang, der für sie den vollkommenen Schutz darstellte. Dumm nur, dass sie nicht dazu gelernt hatte, dass es diesen Schutz eigentlich nicht gab, sondern lediglich auf Trug und Überheblichkeit basierte.
Endlich löste er von sich aus die Umarmung und hielt sie so, dass er sie gut mustern konnte. Azura schluckte leicht und sandte ein Stoßgebet an Ventha, damit diese ihr helfen möge, ihr Ziel zu erreichen. Bei der Frage nach ihrem Vater schüttelte sie leicht den Kopf und schniefte laut hörbar, als wäre diese Person dennoch der Grund für all ihr Leid.
Sie stockte lediglich flüchtig, als er meinte, etwas anderes in ihr ebenfalls erkennen zu können. Das irritierte sie und hätte ihr sicherlich zu denken gegeben, wenn sie eine ernsthafte Gelegenheit dazu gehabt hätte. So hingegen musste sie alles, was ihr dazu durch den Kopf zu schießen drohte, auf später verschieben.
"Kapitän Gilles...", murmelte sie langsam, als müsse sie das verarbeiten und wäre nicht so schnell darin, wie er ihren Überfall verdaut hatte. Erneut kickste sie und hob ihre Hand grazil an, um damenhaft nach einem Taschentüchlein an ihrem Gürtel zu greifen. Das sie natürlich nicht hatte und betont innehielt, um mit einem unterdrückten Schluchzen die Hand wieder sinken zu lassen.
"Verzeiht bitte, dass ich Euch so überfalle. Aber ich brauche unbedingt Eure Hilfe!", wisperte sie erstickt und schenkte ihm erneut einen Tränenreichen Blick, ehe sie ihre Augen wieder züchtig senkte, wie es sich für eine wohlerzogene Tochter aus gutem Hause gehörte.
"Mein... Mein Name ist..." Sie zögerte einen Moment lang, weil ihr ein Gedanke kam, und überspielte das gekonnt mit einem weiteren Kampf gegen die Tränen, sichtlich in dem nervösen, mehrmaligen Schlucken, das sie dabei ausführte. "Ich bin Ariane de Caja.", sprach sie leise und mit einem scheuen Blinzeln in seine Richtung weiter, während sie im Stillen sich für ihren Einfall selbst lobte.
Denn sie wusste nichts von diesem Mann, auch sein Name sagte ihr nichts ebenso wie sein Gesicht mit den eisblauen Augen, sodass sie lieber vorsichtig blieb. Also stellte sie sich als eine ihrer Freundinnen vor, um ihre wahre Identität und ihre Familie zu schützen, falls sie hier sich an den Falschen wandte. Adelig wie sie war Ariane sowieso gewesen und ihr Vater lebte auch noch... oder hatte es zumindest bis vor kurzem getan. Sie musste lediglich aufpassen, dass sie sich ab nun nicht selbst verriet.
"I... ich war zu Besuch bei... bei meiner Tante und dort hörten wir fürchterliche Gerüchte über Andunie. Aber mein Vater... mein geliebter Vater, er... er war in der Stadt, das weiß ich, und ich habe keine Nachricht mehr von ihm erhalten. Ich weiß, es war dumm von mir, aber... ich musste einfach heim! Aber unterwegs... diese verlausten Ungeheuer...", erzählte sie stockend und brach hier ab, als wäre es für sie zu schrecklich, darüber zu sprechen. Auch hielt sie sich einen Moment lang ihre Hand mit den zitternden Fingern vor die Lippen, wie um gegen einen neuerlichen Tränenausbruch anzukämpfen.
Wenige Atemzüge später griff sie mit beiden Händen nach seiner Pranke. "Oh bitte, helft mir, nach Hause zu kommen!", flehte sie absolut herzerweichend mit einem perfekt dazu abgestimmten Blick in seine hellen Augen.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Samstag 17. Juli 2021, 11:41

Kapitän Gilles war ein Fels in der Brandung. Groß, stark, unnachgiebrig. Genau das, wo eine Hilfe suchende, junge Frau Halt suchen würde, denn er bot nicht nur dies, sondern schenkte auch das Gefühl von sicherer Geborgenheit. Dieser Mann mochte langsam in den Herbst seines Lebens übergehen, aber das hieß nicht, dass er nicht auch für jüngere Damen attraktiv wäre. Tatsächlich verliehen ihm die ersten Alterserscheinungen eher Reife. Sie zeugten von Erfahrenheit in jeglicher Hinsicht. Dazu zählte auch der Umgang mit verstörten Frauen, was ihn vermutlich angesichts von Azuras Schauspiel so seelenruhig bleiben ließ. Nichts brachte ihn aus der Ruhe heraus. Er fand sogar Zeit, sein Pfeifchen von der Hand in den Mundwinkel wandern zu lassen. Und er nutzte die Zeit, die er sich selbst verschaffte, um die Frau in Nöten vor sich ausgiebig zu mustern. Dabei schienen seine eisblauen Augen direkt in Azuras Seele zu blicken. Es blieb nur zu hoffen, dass er dort ihre wahren Beweggründe nicht finden würde.
Edley Gilles ließ ihre Schultern los. Der Abstand blieb, doch war er nicht von ablehnender Natur. Der Kapitän wollte sich lediglich ein Bild von der Situation machen und auch darauf reagieren können. Nicht so galant wie all die edlen Herren, in deren Kreisen Azura sich so lange Zeit bewegt hatte, aber doch mit einer akzeptablen Routine holte der Mann ein zusammengefaltetes Taschentuch hervor. Er reichte es Azura. "Trocknet Eure Schotten, werte Frau. Und atmet tief durch, aye. Wir finden eine Lösung."
Das Taschentuch war aus weißer Baumwolle, was für einen einfachen Kapitän durchaus kostbares Gut sein konnte. Der Schneider hatte sich sogar die Mühe gemacht, knapp über dem Saum zwei wellenartige Linien aus dunkelblauem Garn einzuarbeiten und darüber die Initalen E.G. einzusticken. Die Buchstaben waren so grazil geschwungen, dass sie wie aufplatschendes Wasser erschienen. Eine wirklich kostbare Arbeit.
"Aye, das ist besser", sagte er schließlich. "Das Tuch wird Euer Gesichtsdeck schrubben, wenn ich mal nicht da bin. Behaltet es ruhig." Somit hatte Azura schon ohne viel Aufhebens ein Geschenk bekommen. Leider würde sie ein Taschentuch nicht an ihr Ziel führen. Doch dass der Kapitän sich um ihr Wohl sorgte, hatte sie nun erkannt. Er würde sich vielleicht auch dazu hinreißen lassen, sie - und Corax im Verborgenen - auf ihrem Schiff mitfahren zu lassen. Wenn sie nur noch ein wenig elender und verzweifelter wirkte, sollte das doch funktionieren! Stumm schickte sie ein Stoßgebet an die Göttin von Wind und Meeren, sie mochte ihr aushelfen.
Ventha erhörte sie oder in Kapitän Gilles wurde ein Beschützerinstinkt geweckt. Jetzt hieß es, ihn noch einmal auf ihr Problem aufmerksam zu machen. Ein bisschen lügen, aber nicht zu viel, denn sie würde sich ihre herbei gereimte Geschichte auch merken müssen. Je mehr Details sie hinzufügte, an desto mehr müsste sie sich erinnern. Aber es durfte auch nicht zu wenig sein, damit sie glaubwürdig blieb. Azura betrat den schmalen Grat ihres Lügenkonstruktes mit elegantem Damenschuh. Mit der Spitze trat sie auf den Namen einer andunischen Adelstochter und Freundin, von der sie nur hoffen konnte, dass diese beim Kapitän nicht bekannt war. Ihre Hoffnungen fruchteten. Er reagierte nicht wie jemand, dem der Name geläufig wäre. Stattdessen wiederholte er ihn nur.
"Ariane de Caja. Ich glaube, Euer Familienname ist mir einmal untergekommen." Zu dumm! Aber damit hätte Azura rechnen müssen. Wenn dieser Mann ein andunischer Kapitän war, der den Hafen mehr als nur einmal im Jahr anfuhr, musste er zwangsläufig die Namen einiger Höhergestellter kennen. Vielleicht hatte er aber bisher nicht persönlich mit ihnen zu tun gehabt. Es gab genug reiche Kaufleute und Adlige, die den Kontakt zu ihren Lieferanten, Händlern und gar eigenen Schiffsbesatzungen nur per Brief oder Sekretär aufrecht erhielten. Selbst ihr Stiefvater beschäftigte ganze Gruppen unter sich, deren Namen er nicht einmal kannte. "Ist Euer Vater von Adel oder ein einfacher Kaufmann, den man in höheren Stand gehoben hat?" Kapitän Gilles kannte sich also auch mit der Titulierung aus, wenigstens weit genug, um zu wissen, dass niemand einen Namen wie "de Caja" trug, ohne nicht mindestens aufgrund seines Reichtums als höhergestell angesehen zu werden. Die wirklich einfachen Kaufleute, die noch darauf hinarbeiteten, blieben anfangs meist bei ihrem eigentlichen Familiennamen. Irgendwann, sobald sie genug Ansehen und Gold in den Taschen hatten, fügten sie ihrem Namen entweder ein "von und zu" hinzu oder suchten sie einen ganz neuen Namen aus, der vom Klang her zu ihrem Stand passte. Natürlich alles auf bürokratisch geregeltem Wege, um nicht wegen falscher Titulierung im Kerker zu landen! Aber davon hatten wohl weder Azura noch Gilles genug Ahnung.
"Ich wusste aber nicht, dass Andunier Verwandte hier in Nogrot haben." Er ließ den Blick über den Hafen schweifen. Nahe der großen Steintreppe, die zur Stadt selbst empor führte, sammelten sich gerade einige Zwerge. Viele von ihnen waren gerüstet und reihten sich im Rund um zwei in ihrer Mitte, die offenbar Befehle an den Rest zu geben hatten. "Oder wart Ihr auf Besuch in Pelgar? Dann überrascht es mich, dass Ihr nicht den Landweg über den Ilfar gen Andunie gewählt habt." Er hob die Schultern. "Aber mir soll es Recht sein. So durfte ich Euch nun kennen lernen, Fräulein de Caja."
Er besaß nicht unbedingt die Etikette eines Galans, aber genug, um zu wissen, dass man nun eine höfliche Geste erwartete. So machte Kapitän Gilles einen halben Schritt zurück, nahm mit einer Hand seinen Dreispitz vom Kopf und lenkte ihn in einem Bogen bis an seinen Bauch heran. In ähnlichem Bogen verbeugte er sich dazu, so dass Azura Einblick auf seinen Haarschopf erhielt. Lichter wurde es dort noch nicht, aber an den Ansätzen waren ebenfall die grau melierten Spuren des Alters zu erkennen.
Als er sich wieder aufrichtete, den Hut zurück an seinen Platz setzte und Azura erneut mit diesen Eiskristallen von Augen musterte, folgte ein nachdenkliches Murmeln: "Verlauste Ungeheuer, hm? Nun, die werdet Ihr an Bord meines Schiffes nicht finden. Die Apfelblüte der Aquaden bietet nur Komfort und Ordnung, sowohl beim Mobiliar als auch der Mannschaft!" Er räusperte sich, fasste sich ans Revers und richtete so seinen Kapitänsmantel. Leiser fuhr er fort: "Nun, das ist zumindest die offizielle Bezeichnung. Ich kann nicht versprechen, dass einige meiner Männer nicht einschüchternd wären. Manchmal braucht es die eine oder andere starke Hand, so dass man die vernarbten Gesichter akzeptieren muss. Oder die Herkunft." Er blickte knapp über die Schulter zurück auf sein Schiff. "Tatsächlich kann wirklich nur die Kabine des Kapitäns den Komfort bieten, den ich einer so reizenden, jungen Dame wie Euch zumuten würde. Wärt Ihr mit diesem Angebot einverstanden? Das heißt, falls Ihr es Euch eine ÜBerfahrt bis nach Andunie leisten könnt." Sein Blick schwenkte zu Azura zurück, ruhte auf ihr und irgendeine Erwartung lag darin, die sie nicht ganz deuten konnte. Nach ihrer Geschichte konnte er unmöglich damit rechnen, dass sie weiterhin mit Reichtümern ausgestattet wäre, um eine Überfahrt zu bezahlen.
Eine unsichtbare Kraft legte sich mit angenehmer Wärme an Anzuras Rücken. Sie konnte das sanfte Rascheln von Stoff hören, aber niemanden sehen. Das ohnehin nicht, solange sie nicht den Kopf drehte. Aber Corax' vertraute Stimme raunte ihr flüsterleise ins Ohr: "Hier hast du dein Schiff und einen Kapitän, der dich reizend findet. Nimm das Angebot schon an. Worauf wartest du? Er wird dir schon sagen, was er dafür verlangt."
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Mittwoch 21. Juli 2021, 11:02

So jemanden wie diesen Mann könnte sie durchaus gut in ihrem Leben gebrauchen, jemanden, der Ruhe und Halt zu geben in der Lage war, vor allem dann, wenn sie genau das Gegenteil war. Allerdings wäre das wahrscheinlich auch enervierend mit der Zeit, denn trotz all dem Wasser in ihrem Wesen war sie von einem hitzigen Gemüt. Sie benötigte die ständigen Reibereien und kleinen sowie größeren Streit mitsamt der feurigen Versöhnung danach. Das gab ihrem Tag die nötige Abwechslung und den Reiz, sodass sie wohl kaum Gefahr lief, sich jemanden wie den Kapitän dauerhaft an ihrer Seite zu wünschen. Da war ihr unsichtbarer Begleiter definitiv viel mehr nach ihrem Geschmack. Eben, weil sie ihm am liebsten fast dauernd den Hals umdrehen würde und er das auch erwiderte.
Jetzt indes musste sie sich konzentrieren und in ihrer Rolle bleiben, durfte sich durch nichts und niemanden ablenken lassen, um sich nicht unabsichtlich zu verraten. Deswegen auch ließ sie auch die tröstende Geste um ihre Schultern zu, obwohl ihr das normalerweise wenig behagte. Aber sie war gut in ihrer Rolle und wusste, worauf es dabei ankam.
Ohnehin ließ er sie bald wieder los, scheinbar gestärkt genug, um auf eigenen Beinen stehen bleiben zu können. Und überraschte sie im nächsten Moment, als er ihr tatsächlich ein Taschentuch reichte. Einen Atemzug lang war sie so perplex, dass sie nur verwirrt auf das Stückchen Stoff starrte, ehe sie es mit einem gemurmelten und betont verlegenen Dank annahm.
Elegant, wie es nur Damen von Adel zu tun vermochten, tupfte sie ihre Augenwinkel trocken und unterließ es, sich hinein zu schnäuzen. So sehr ihr letzteres auch ein Bedürfnis gewesen wäre, so etwas tat ihresgleichen nicht. Nein, so hilfreich und nützlich gezielte Bewegungen auch sein mochten, eine Dame von Stand tupfte trocken, kein Wischen, kein lautes Geräusch oder ähnliches. Wodurch die gesamte Prozedur auch langwieriger wurde, sodass er mit ihr beruhigend sprechen konnte.
Bei seiner großzügigen Geste stockte sie mitten in der Bewegung und warf ihm von unten einen Blick durch ihre noch feuchten, aber dennoch dichten Wimpern zu, ehe sie ein verlegenes Lächeln auf ihre Lippen zauberte und die Lider wieder senkte. "Ihr seid sehr gütig, Kapitän.", murmelte sie laut genug, dass er sie würde verstehen können.
Erst jetzt nahm sie sich die Zeit, um sich das unverhoffte Geschenk näher besehen zu können. Es war nicht aus feinster Seide, wie sie es gewohnt war und womit ihresgleichen gerne protzte, doch dafür nahm die Baumwolle die Flüssigkeit besser auf. Und die kleine Stickerei war hübsch und sauber gestichelt, sodass es durchaus seinen Wert haben mochte.
Womit sich ihr die Frage stellte, ob das alles werden würde, was er ihr an Hilfe angedeihen lassen könnte. War sie nicht gut genug gewesen? Oder hatte er andere Gründe, um sie womöglich nicht an Bord gehen zu lassen? Auf jeden Fall musste sie vorsichtig bleiben, behutsam vorgehen und vor allem, dicht genug an der Wahrheit bleiben, um nicht enttarnt zu werden.
Lediglich ihren wahren Namen wollte und würde sie nicht sagen, für den Fall der Fälle. Stattdessen borgte sie sich die Identität einer Freundin, von deren Hintergrund sie ausreichend zu wissen glaubte, um sich nicht damit blamieren zu müssen.
Der Kapitän zeigte auch kein Erkennen, zumindest nicht direkt, sodass sie innerlich aufatmete. Dennoch kam eine Replik, die erwartbar gewesen war. Langsam nickte sie und lächelte scheu. "Meine Familie ist nicht unbekannt, viele Güter tragen unser Wappen.", ergänzte sie und war innerlich froh über ihre Unterrichtsstunden über die andunische Gesellschaft.
Das war ihr oftmals leicht gefallen und da die echte Ariane zu ihrem Kreis gehört hatte, hatte sich auch ausreichend Wissen festigen können. Sie wäre sogar in der Lage, jenes Wappen zu beschreiben, doch solange es nicht notwendig wäre, würde sie es tunlichst unterlassen.
Die Frage nach der Herkunft der Familie de Caja hingegen ließ sie einen Moment lang innehalten und ernsthaft nachdenken. Möglich war beides, nun kam es darauf an, dass sie nichts mit der Geschichte der anderen höchsten Familien in Andunie durcheinander brachte. "Hm...", machte sie betont, um etwas Zeit zu schinden, da sie auch schon eine Ausrede genau dafür bereit hatte.
"Ich weiß, dass mein Großvater noch persönlich Handelsfahrten unternommen hat, jedoch bereits zu allen gesellschaftlichen Ereignissen geladen wurde. Aber Tante Irmela, die Schwester meiner Mutter, hat hinter vorgehaltener Hand dennoch immer über unsere niedrige Herkunft geschimpft.", versorgte sie ihn mit jenem Tratsch, der ihr selbst geläufig war und sie gleichzeitig vor einer klaren Antwort bewahren sollte. Also schenkte sie ihm ein weiteres, kleines Lächeln, dieses Mal mit einem entschuldigenden Zug darum.
Daraufhin schüttelte sie den Kopf. "Nein, nein, nicht hier. Es ist ein Landgut, ohne Verbindungen zu einer Stadt. Ich fürchte nur..." Sie biss sich flüchtig auf die Unterlippe, als würde sie sich dafür schämen. "... ich habe mich verlaufen. Dann bin ich hier gelandet und sah Euer Schiff, das Ventha geschickt haben muss.", fuhr sie fort, ehe sie seinem Blick folgte.
Auch sie bemerkte die Versammlung, die immer wieder zu wachsen schien und Rüstungen zeigte. Sie blinzelte leicht und atmete hörbar ein. "Droht uns hier etwa Gefahr?", hauchte sie ganz entsetzt, als wäre allein der Gedanke daran schon angetan dazu, sie in Ohnmacht fallen zu lassen. Erneut trat sie näher an den Kapitän heran, um ihm zu symbolisieren, dass sie völlig schutzlos wäre.
Er hingegen schien sich nun auf seine Erziehung zu besinnen, indem er ein wenig zurück trat und sich höflich vor ihr verneigte. Sie blinzelte und war davon ehrlich überrascht, hatte sich allerdings wieder gefangen, als er sich aufrichtete. Mit einem feinen Lächeln auf den Lippen wartete sie ab und knickste dann, obwohl es ohne ausladendem Rock ein ungewöhnliches Gefühl darstellte.
Danach sprach er wieder und machte ihr Hoffnung, dass sie ihr Ziel würde erreichen können, wenn ihr nun kein Fehler unterlief. "Ich hege keine Zweifel, dass Ihr Eure Männer gut im Griff habt und sie Euch mit Freuden gehorchen.", schmeichelte sie ihm, um ihn ihr noch gewogener zu machen.
Erneut senkte sie mädchenhaft den Blick. "Ihr seid zu freundlich, Kapitän, mir Eure Kabine anzubieten.", fuhr sie fort, ehe sie ihn, nicht allein gespielt, ein wenig irritiert ansah. Als fiele ihr daraufhin der Verlust ihres mitgeführten Vermögens, natürlich in Form von Kleidern und ähnlichem Tand, eine Dame trug kein Geld mit sich, wieder ein, ließ sie ihre Wangen zart erröten.
In diesem Moment spürte sie die Wärme in ihrem Rücken, den Körper, der ihr Halt zu geben versprach, und vernahm auch die leisen Worte. Das Gesagte verwirrte sie flüchtig.
Aber er konnte ja nicht verstanden haben, was sie gesprochen hatten, schließlich unterhielten sie sich in Garmisch und dessen war ihr Begleiter nicht mächtig! Oder...? Hatte er ihr das nur vorgespielt bisher...? Nein, das glaubte sie nicht. Vielmehr hatte er vermutlich nur deuten können, in welche Richtung die Unterhaltung verlief. Ohnehin konnte sie das jetzt nicht ergründen.
Trotzdem musste sie ihm zeigen, dass er sie ablenkte und dass das alles andere als ungefährlich für ihr gemeinsames Vorhaben wäre. Natürlich konnte sie ihm das nicht sagen oder ihn auch nur mit ihren Blicken suchen, sondern musste subtiler vorgehen. "Leisten...?", murmelte sie deswegen etwas verspätet und tat, als hätte sie gerade einen schlechten Stand und bräuchte einen besseren. Also hob sie ihren rechten Fuß leicht an und hoffte, dass sie zumindest eine dunkle, unsichtbare Zehe als kleine Mahnung erreichen könnte beim Absetzen.
Zeitgleich blinzelte sie in die Richtung des Kapitäns. "Mein Vater wird Eure Hilfe auf jeden Fall großzügig entlohnen, das kann ich Euch versichern!", fügte sie mit einem erleichterten Lächeln, als ob ihr diese Erkenntnis erst jetzt gekommen wäre, hinzu.
Und als käme sie gar nicht auf den Gedanken, dass er einen anderen Lohn fordern wollen könnte. Das war generell nicht in Azuras Vorstellungswelt, schließlich war sie, selbst mit ihrem Decknamen, eine Dame von hohem Stand! Ja, nicht einmal das Erwähnen der Kapitänskabine als einzige Möglichkeit für sie machte sie misstrauisch, weil sie es als selbstverständlich ansah, dass ihr stets nur mit dem Besten vom Besten geholfen wurde.
Stattdessen trat sie sogar wieder an ihn heran und wagte es sogar, ihre Hand federleicht auf seinen Unterarm zu legen, während sie mit hoffnungsvollem Blick zu ihm hoch sah. "Darf ich Euren Worten also entnehmen, dass Ihr mir helfen wollt, nach Hause zu kommen?", wisperte sie ergriffen, als hätte sie Angst, bei mehr Lautstärke diese positive Wendung ihres Geschicks zu zerstören.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 27. Juli 2021, 06:27

Neben seinem ruhigen Charme strahlte Kapitän Edley Gilles noch etwas aus, das ihn für die Damenwelt nur noch attraktiver machte: Beständigkeit. Es schien bei ihm keine Überraschungen zu geben. Er war der Fels in der Brandung, an den man sich auch im größten Wellensturm Venthas anlehnen konnte. Er würde noch da sein, wenn die Mannschaft von Bord ging, gefolgt von den Ratten. Und er würde mit seiner pragmatischen Art, verbunden mit seinem natürlichen Mannescharme genau das sein, was ein Frauenherz brauchte, um für ihn zu schlagen. Dass dieser Mann noch kein Ehesymbol am Körper trug, wollte man kaum glauben!
Andererseits mochte sein größter Vorteil auch der stärkste Punkt sein, um ihn für einen gewissen Frauenschlag uninteressant zu machen. Azura gehörte vielleicht dazu. Sie konnte nicht abstreiten, sich nicht von ihm angezogen zu fühlen. Seine bärige Statur, sein Gebaren und die Höflichkeit eines schlichten Mannes ließen ihn auch in ihren Augen attraktiv wirken. Aber würde sie auf Dauer mit einem Mann wie ihm glücklich werden? Azura schien Gegensätze zu suchen. Etwas, an dem sie sich stets auf's neue reiben konnte, ohne es dadurch zu schleifen. Ihr unsichtbarer Begleiter war so eine Person. Sie beide hielten sich nicht mit Sticheleien zurück, wenngleich von beiden Seiten längst nicht mehr so gewollt verletzende Worte fielen wie noch zu Beginn ihres Kennenlernens. Aber ausgereizt war dieses Feld noch nicht. Neckereien und spielerische Sticheleien entfachten zwischen Corax und Azura ein Feuer, für das zumindest die Andunierin brannte. Es waren die Gegensätze, die ihre Beziehung frisch hielt, ebenso wie Überraschungen. Eine solche schien Azura soeben aufgedeckt zu haben. Seit wann beherrschte der Dunkelelf denn Garmisch? Verstand er sie schon immer? Sein Hinweis, das Angebot des Kapitäns anzunehmen, war zu präzise gewesen! Er hatte sogar Gilles' Formulierung wiederholt. Reizend. Er fand sie reizend und dieses Wort war auch im Raunen ihres Begleiters gefallen. Folglich ließ daraus schließen, dass er sehr wohl ihre Heimatsprache verstand. Sie würde dem nochmal näher auf den Zahn fühlen müssen, doch für den Moment behielt er Recht. Wenngleich Corax drängte, das Schiff und der freundliche Kapitän waren ein Zeichen. Azura musste unbedingt auf die Apfelblüte der Aquaden gelangen, bevorzugt in einer noblen Kabine, damit sie sich ihres Standes entsprechend während der Reise würde erholen können. Das hatte ihr Kapitän Gilles nun angeboten und sie war in ihrer adligen Naivität bereit, es anzunehmen. Vorab plauderten beide noch ein wenig und Azura spielte ihre Rolle. Sie wollte diese unter keinen Umständen jetzt fallen lassen. Die Frage blieb, ob sie auch auf dem Schiff selbst weiterhin Ariane de Caja bliebe. Doch das müsste sich noch zeigen. Erst einmal hieß es, das Angebot nicht nur verbal anzunehmen, sondern endlich das Deck zu betreten. Der Kapitän hielt sie noch davon ab.
"Ein unabhängiges Landgut? Vermutlich in der Stillen Ebene", mutmaßte er, denn selbst wenn er kein Bauer war, wusste sogar ein Kapitän, dass man im Berg kein Land bewirtschaften konnte. Azura gestand nun auch, dass sie sich verlaufen habe. Er hob langsam eine Braue an. Skepsis legte sich auf seine Züge. Sie hatte etwas Falsches gesagt. Er kommentierte es mit einem beigefügten Brummen: "Da habt Ihr aber Glück gehabt, so ganz allein draußen. Ich hörte, das Land wird von dunklen Völkern überrannt. Auf meinem Schiff werde ich Euch allerdings persönlich beschützen, wertes Fräulein." Er neigte den Kopf im Versuch, wie einer der edlen Galane zu wirken. Es hatte bei ihm seinen ganz eigenen Charme. Vielleicht, weil das Geheuchelte fehlte. Kapitän Gilles machte einen aufrichtigen Eindruck. Nur seine hellblauen Augen stachen hindurch. Sie konnten bis tief in eine Seele blicken und sicherlich mehr als einschüchternd wirken, wenn er eine strenge Miene aufsetzte. Azura jedoch betrachtete er nun wieder mit wohlwollender Höflichkeit. Sie aber hatte gerade nur Augen für die sich ansammelnden Zwerge im Hintergrund. Jene, die eindeutig als Ordnungshüter Nogrots zu erkennen waren, weil sie über alle Maßen gerüstet und bewaffnet schienen. Kapitän Gilles beunruhigte es nicht. "Auch die Nogroter rüsten sich. Niemand will einen Feind in seiner Heimat haben. Im Gegensatz zu anderen Gebieten besitzen die Zwerge Zeit, sich vorzubereiten." Er seufzte nicht, aber in seinem Schweigen stand das Bedauern. "Zwerge verteidigen nur ihre eigene Heimat. Sie sind zu stur, um von selbst drauf zu kommen, dass es für alle von Vorteil wäre, wenn sie sich nur solidarisieren würden. Doch genug der Politik. Ich bin Seemann, aye." Er lachte knapp auf. Dann bot er nebst seiner Kabine Azura auch noch seinen Arm an. Nicht allzu geschickt, die Bewegungen der Jünglinge der höheren Gesellschaftskreise waren einstudierter. Routine führte sie. Der Kapitän hingegen ... er wusste, welche Handhabung es erforderte, führte diese aber eindeutig nicht bei jeder daher gelaufenen Dame aus. Dadurch hinterließ es einen deutlich aufrichtigeren Eindruck. "Wollen wir? Die Apfelblüte ist nahezu bereit, in See zu stechen." Es fehlte nur noch der unerwartete Gast und seine unsichtbare Begleitung! "Über die Kosten der Mitreise können wir später noch sprechen. Wir sollten die Gezeiten nicht verpassen, geschätzte Ariane de Caja."
Azura ging endlich auf das Angebot ein. Sie hatte das Gefühl, jemand in ihrem Rücken atmete erleichtert durch. Dann spürte sie Corax' Hand, die gegen ihren Rücken drückte, damit sie sich mit dem Kapitän in Bewegung setzte. Mit äußerster Behutsamkeit geleitete Gilles sie die wacklige Planke auf das Deck empor. Das Holz war frisch geschrubbt und frei von Algen, Muscheln oder sonstigem Unrat, den man an Bord erwartete. Die Mannschaft machte das Segel bereit. Es wurde noch nicht gesetzt. Das hatte in einer windstillen Höhlenbucht wie dem Zwergenhafen wenig Sinn, aber sobald man ausgelaufen wäre, würde es schnell gehen müssen. Alle warteten auf den Aufbruch. Der Kapitän ließ seinen Blick über die letzten Handgriffe schweifen. Dann nickte er einem seiner Seemänner zu, welcher fast schon so stattlich wie er selbst wirkte. Dieser Mann trug zwar keinen Mantel, sondern nur ein Leinenhemd, darüber aber eine dunkelrote Weste und um den Hals hatte er sich ein schwarzes Tuch gebnden. Es passte zu der schlappen Mütze auf seinem leicht gewellten Haar, welches die Farbe von Haselnüssen besaß. Ein Dreitagebart zierte seine Kieferpartie. Er kam auf Gilles zu, salutierte fast schon militant und musterte dann Azura.
"Käpt'n?"
"Wir haben eine Passagierin, die uns nach Andunie begleiten wird ... in meiner Kabine. Ich erwarte daher, dass die Mannschaft sich entsprechend verhält."
"Aye, Käpt'n."
"Sehr gut. Reicht die Zeit noch, um einige Rationen aufzustocken?"
"Nej, Käpt'n. Wir müssen mit der Flut geh'n, Käpt'n."

Gilles nickte. Er verstand. "Dann strecken wir die Rationen etwas. Es wird schon gehen. Erster Maat Havel -"
"Aye, Käpt'n?"
"- erwartet mich am Ruder in wenigen Minuten. Ich zeige unserem Gast noch ihren Schlafplatz. Dann fahren wir raus."
"Aye, Käpt'n!"

Havel, der erste Maat des Schiffes, salutierte erneut und machte sich dann zum Heck der Apfelblüte auf. Dort fanden sich zu beiden Seiten einer schon an einen Raum erinnernden Erhöhung des Schiffes Treppen. Jene führten zum Ruder empor, das man hinter einen massig mit Schnitzereien versehenen Ballustrade knapp ausmachen konnte. Darunter fand sich eine einzige viel zu massiv wirkende und durch Holz und Eisenscharniere verstärkte Tür. Auf jene führte Gilles Azura nun zu und öffnete sie mit einem kleinen Schlüssel aus Messing, welchen er aus einer Manteltasche holte. Dann bat er Azura einzutrefen. Schon fand sie sich in einem ausladenden Raum wieder, der eindeutig die Kabine des Kapitäns sein musste. Er nahm das komplette Heck ein und das erste, was Azuras Aufmerksamkeit auf sich zog, war der breite Schreibtisch aus dunklem Kirschholz, welcher vor einer Fensterwand stand. Das Glas war wabenartig aus milchigen Mosaikgläsern zusammengestellt, von denen jedes einzelne Stück die Größe eines Handtellers besaß. Jedes für sich ließ nur bedingt Licht hindurch fallen, aber in ihrer Gesamtheit erhellten sie den Raum auf eine so zauberhafte Weise, dass es an hereinfallendes Mondlicht erinnerte. In jenem wabernden Licht stand nun der Schreibtisch des Kapitäns. Wuchtig und breit präsentierte er sich. Das dunkle Holz war poliert, dass es glänzte. Die Front des Schreibtisches war ebenfalls mit Schnitzereien verziert worden. Das Bildnis zeigte ein edles Handelsschiff, das Azura ebenfalls als andunisches Modell erkennen könnte. Es hielt sturmhohen Wellen stand, aus denen ein gefährlich anmutender Kraken und sogar ein Wal heraus lugten. Ineinander gekringelte Wolkenwirbel zierten den Tischrand, nur getrennt durch vereinzelte eingeschnitzte Blitze. Allein dieser Tisch musste ein Vermögen wert sein! Und noch mehr solchen Reichtum hielt der Kapitän in seiner Kabine verborgen. Auch der hohe Lehnstuhl hinter dem Schreibtisch mit seiner dunkelroten Polsterung auf dem Sitz, der Rücken- und den Armlehnen lud nicht nur zum Verweilen ein, sondern ließ mutmaßen, dass er sehr bequem sein würde. Da bereitete selbst das Studieren der Dutzenden Schriftrollen und Karten auf dem Schreibtisch sicherlich Vergnügen.
Einzig die breite Eule neben dem Schreibtisch bereitete etwas Unbehagen. Sie hockte auf einer hölzernen Stange. Es musste sich um irgendeinen großen Kauz oder eine Jagdeule handeln, so streng sie aus den tellergroßen Augen zu Azura herüber und direkt in ihre Seele schaute. Da konnte sie von Glück sprechen, dass das Tier nur ausgestopft und somit leblos war. Trotzdem bot es einen außergewöhnlichen Anblick, denn laut den meisten Geschichten hielten Seefahrer sich eher bunt gefiederte Papageien, die manchmal sogar sprechen konnten. Diese Eule würde keinen einzigen Laut von sich geben.
Nebst weiteren Schätzen von ähnlich skurriler Art, unter denen sich beispielsweise aufwändig geknüfpte Teppiche santronischer Herkunft befanden oder ein ganzes Tee-Service, das an die Königreiche Jorsan und Grandessa erinnerte, fand sich allerlei Krimskrams überall auf kleinen Beistelltischen, Kommoden und Wandregalen. Azura konnte den skeletteierten Schädel eines kleinen Tieres entdecken, daneben mehrere Flaschen mit Rum, Whiskey und anderen harten Spirituosen. Sie entdeckte ein Fernrohr, das nicht so schön poliert war wie der Schreibtisch, denn an einigen Stellen hatte das Metall dunklere Patina gebildet. Sie fand wenige Sitzkissen in einer Ecke, die goldene Ränder und Quasten besaßen. Aus einem Bücherregal quollen nebst allerlei schriftstücken auch die Knochen irgendeines Ungetüms heraus, zusammen mit aufgerolltem Leder. Ein weiteres Prachtstück aber boten die überkreuz aufgehängten Prunksäbel an der einzig freien Wandstelle der Kabine. Keine der beiden Klingen würde sich zum Kämpfen eignen wie selbst Azura wusste. Ihr Ziehvater pflegte in seinem Arbeitszimmer ebenfalls zwei Schwerter über Kreuz über dem Kamin aufzuhängen. Er lachte immer und meinte, dass man im Falle eines Angriffs nicht auf sie zurückgreifen, sondern lieber ein Fleischermesser aus der Küche holen sollte. Hätte Azura beim Überfall der dunklen Völker doch wenigstens das getan! Aber immerhin war ihr Kopf nicht geendet wie jener dieser armen Kreatur, die nun den Raum oberhalb und zwischen beider Säbel einnahm. Wie eine Trophäe an der Zimmerwand eines Jägers hatte Kapitän Gilles dort den befremdlichen Kopf irgendeiner ... Fisch- oder Frischgestalt aufgehängt. Die blaue, inzwischen ledrig gewordene Haut wies hier und da noch einige Schuppen aus, welche schillerten, wenn Licht darauf traf. Die Augen waren übergroß, glänzten tiefschwarz, aber ihnen fehlte das Leben und so hinterließen sie eher Unbehagen im Betrachter. Eine Nase besaß der Kopf eigentlich nicht, wohl aber zwei Atemlöcher dafür. Das galt auch für die Ohren, die keine richtigen Muscheln besaßen, sondern geschwungene Hautlappen, die eher einer Fischflosse gleich kamen.
"Gefällt dir mein kleines Reich, Ariane?", fragte Kapitän Edley und riss Azura somit aus dem Staunen heraus. Er grinste nicht, doch der Triumph ihr imporniert zu haben, schimmerte in seinem eisblauen Blick. Mit der freien Hand deutete er einen einladenden Bogen an, welcher an einem dunkelroten Vorhang endete. "Falls du dich ausruhen möchtest, Verehrteste, findest du dahinter mein Bett. Es ist groß und bequem. Außerdem sind die Seiten gepolstert, so dass du dich bei hohem Wellengang nicht verletzen würdest. Ich lasse dich nun eine Weile allein. Ich muss die Abfahrt regeln und Befehle an den Navigator, den Ersten und Zweiten Maat und meinen Ruderer geben. Danach ... werde ich mich dir voll und ganz widmen." Er bedachte Azura mit einem langen Blick. Schließlich holte der Kapitän Luft, löste sich von ihr und verabschiedete sich mit einem stummen Lächeln. Die Tür fiel hinter ihm ins Schloss. Azura hörte aber nicht, dass er einen Schlüssel drehte. Eine Weile lang hörte sie überhaupt nichts, von den gedämpfteren Geräuschen des Hafens selbst abgesehen.
Dann tauchte Corax' Gesicht aus dem Nichts schwebend neben ihr auf, als er den magischen Stoff in den Nacken schob. "Das hat ja ausnahmsweise einmal funktioniert und du darfst sogar in einem Bett schlafen. Was nun?", fragte er.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Dienstag 27. Juli 2021, 13:38

Sofern seine Herkunft und seine finanzielle Situation gepasst hätten, wäre er sicherlich der ideale Heiratskandidat für sie gewesen. Ruhig, beständig, ein Fels in der Brandung, etwas älter und dennoch von ansehnlicher Erscheinung, kurzum, jemand, bei dem ein junges, unerfahrenes Mädchen hoffen konnte, keine unangenehmen oder abstoßenden Überraschungen im ehelichen Gemach erleben zu müssen.
Da er jedoch nicht so wirkte, als könne ihn noch sonderlich viel verändern, wäre er noch etwas weiteres und damit hätte Azura mit der Zeit sicherlich ihre Probleme bekommen: Er war viel zu ruhig, schlimmer noch, vermutlich sogar langweilig und seinen beständigen Mustern verhaftet. So, wie er im Moment wirkte, schien ein Streit oder selbst eine etwas lebhaftere, heftige Diskussion ausgeschlossen zu sein. Alles in allem also ein Mann für die Ehe, aber nicht für die Leidenschaft.
Nicht so, wie die unsichtbare Gestalt in ihrem Rücken, der das genaue Gegenteil darstellte. Und durch seine Selbstverstümmelung in dieser Konstellation sogar der perfekte Liebhaber gewesen wäre. Doch sie befanden sich hier nicht in Andunie und sie nicht auf dem Heiratsmarkt unter ihresgleichen, sondern in einer für sie noch immer fremden Stadt, die sie ebenfalls immer dringlicher zu verlassen gedachte. Mit einem andunischen Schiff, ganz, wie sie es sich erhofft hatte, und einem Kapitän, der ihr ihre hilflose Rolle abzunehmen schien.
Um diesen Erfolg nicht gefährden, durfte sie sich nicht auf das Geraune hinter sich einlassen, das ohnehin dazu angetan war, sie unbotmäßig abzulenken. Gerade noch rechtzeitig konnte sie sich fangen und lediglich in dem Versuch eines unauffälligen Schrittes, der hoffentlich auf den unsichtbaren Zehen landete, reagierte sie darauf. Ansonsten konzentrierte sie sich bestmöglichst auf den Kapitän vor sich.
Dass sie in diesem Skepsis zu wecken begann, stellte sie mit leisem Schrecken fest und musste sich auf die Zunge beißen, um nicht sofort und viel eifrig eine Erklärung abzuliefern, die ihre Lüge umso deutlicher enttarnt hätte. Stattdessen nickte sie leicht und ließ ihre Augen bewusst wieder mehr schimmern, als wollten ihr die nächsten Tränen kommen. "Wahrhaftig, großes Glück! Noch dazu mitten in der Nacht und gehetzt von diesen verlausten Monstern, die alles niedergebrannt haben, was sie nicht tragen konnten. Glaubt mir, ich war noch nie so froh über einen Höhleneingang wie dieses Mal!", erzählte sie theatralisch, wie es nur Frauen tun konnten, die sich mit dem erlebten Schrecken brüsten wollten.
Und sie hoffte inständig, dass sie damit nicht den nächsten Fehltritt gewagt hatte! Allerdings war es nur logisch, dass es auch eine Höhle sein musste, die zu diesem Ort hier in die Tiefe führen würde, oder? Hatte ihr Begleiter nicht diesbezüglich etwas angedeutet? Nun... es war zu spät, ihre Worte zurück zu nehmen und sie musste auf ihr schauspielerisches Talent vertrauen ebenso wie auf seine Unwissenheit über einen anderen Zugang als den Hafen.
Im nächsten Moment hatte sie den Anstand fein zu erröten und ihm ein kleines, scheues Lächeln zu schenken. "Ich bezweifle, dass mir auf Eurem Schiff ein Unheil geschehen könnte, Kapitän Gilles.", schmeichelte sie ihm, während ihr Herz einen kleinen Hüpfer machte. Nicht, weil er ihr so gut gefiel oder sie sich gar irgendwelche Chancen bei ihm ausrechnen wollte, schließlich hatte jemand anderes derzeit ihre Gefühle für sich reserviert. Ob dieser jemand es nun verdiente oder nicht! Nein, es rührte sie lediglich, wie sehr er sich gerade um höfliche Gesten bemühte und dabei zwar mitunter unbeholfen, allerdings dafür umso ehrlicher wirkte.
Daraufhin fesselten die sich sammelnden Zwerge ihre Aufmerksamkeit und sie kam nicht umhin, sich nach diesem Aufmarsch zu erkundigen. "Mir wäre es lieber, niemand müsste sich rüsten.", murmelte sie und schauderte leicht, weil Erinnerungsfetzen aus ihrer Heimatstadt in ihren Geist drängten.
Das unerwartete, wohl klingende Lachen des großen Mannes holte sie rechtzeitig daraus zurück, sodass sie sich nicht verlieren, sondern wieder fangen konnte. Da bot er ihr auch schon seinen Arm an und mit einem Hauch von Lächeln nahm sie diesen an, um sich auf die Planken helfen zu lassen.
Noch einmal hielt er sie davor mit seinen Worten zurück. Die junge Frau senkte ihren Blick und nickte leicht. "Ihr könnt gar nicht ermessen, wie sehr ich Eurer Hilfe zu Dank verpflichtet bin!", gestand sie ihm und musste dabei nicht einmal lügen, nur ein bisschen übertreiben.
Dann ging es endlich auf das Schiff hinauf, anfangs mit einer Hand in ihrem Rücken, die ihr das Gefühl der Vertrautheit gab und sie zugleich noch einmal tief durchatmen ließ. Wenn sie einmal abgelegt hätten, gäbe es für sie vorläufig kein Zurück mehr. Nur... gab es das denn jetzt überhaupt? Nein, eine wirklich sinnvolle Alternative hatte sie nicht. Außerdem wollte sie auf das Schiff, wollte das Schwanken unter ihren Füßen spüren und der See so nah wie möglich sein.
Also ließ sie sich helfen, obwohl sie durchaus schon das ein oder andere Mal solch eine Pracht erklommen hatte und sich dadurch nicht ganz so ungeschickt anstellte, wie sie fand. Im Vergleich zu einem Matrosen oder Kapitän wirkte sie sicherlich unbeholfen, doch gewiss nicht ganz so schlimm wie eine reine Landratte!
Wie es wohl ihrem Begleiter dabei erging? Gerne hätte sie sich umgedreht und nach ihm geschaut, konnte es sich allerdings mit der stummen Mahnung verbeißen, dass er ohnehin unsichtbar war. Zu sehen bekommen hätte sie nichts, allenfalls Misstrauen geweckt, das sie sich nicht leisten konnte!
Als sie an Deck angekommen waren, blieb sie stehen und sah sich, weiterhin am Arm des Kapitän, mit ehrlichem Staunen um. Sie kannte viele Schiffe, einige wenige hatte sie auch betreten, und dennoch konnte sie sich immer wieder für deren Machart begeistern. Wie ein kleines Kind wirkte ihre Miene, offen und unverstellt, während sie versuchte, sogleich alle Geheimnisse und Konstruktionen zu entdecken.
Darüber bemerkte sie kaum, dass sich ihnen ein Mann näherte, bis dieser zu sprechen begann. Azura fühlte sich ein wenig ertappt, obwohl sie gar nicht direkt im Fokus gestanden hatte, und biss sich mit einem entschuldigenden Grinsen auf die Unterlippe. Dabei lauschte sie der kurzen Unterhaltung und atmete innerlich auf, dass scheinbar alles von ihrem Plan geklappt hatte.
Nach einem weiteren Salutieren wurden sie wieder sich selbst überlassen. Dennoch folgte ihr Blick dem Mann und wanderte weiter zu den kostbaren Schnitzereien, die er dabei passierte. "Beeindruckend...", wisperte sie unbewusst und machte damit umso deutlicher, dass dieses Staunen ehrlicher Natur war.
Wenig später kam sie aus diesem Zustand kaum heraus, als sie die Kabine betreten konnte, die ihr für die Überfahrt zur Verfügung stand. Mit leicht geöffnetem Mund verharrte sie in der Tür und musste erst ein paar Mal durchatmen, um sich dieser Pracht stellen zu können.
Erst dann wagte sie sich langsam tiefer in den Raum, sah von hier nach da und wieder woanders hin, bis ihr Blick schließlich an dem prachtvollen Tisch hängen blieb. Obwohl die Höflichkeit es geboten hätte, dass sie zuerst um Erlaubnis bat, konnte sie nicht widerstehen, mit der Spitze ihrer Finger zärtlich über die polierte Fläche mit der Maserung darin zu streichen, während sie das Möbelstück langsam umrundete.
Als sie bei dem Stuhl angelangt war und dort mit ihrem Begreifen fortfuhr, hielt sie endlich inne und sah zu dem Eigentümer. Ihre Lippen kräuselten sich leicht. "Ihr versteht es, einer Dame die Sprache zu rauben. Eure Geschäfte müssen gut laufen, Kapitän!", bemerkte sie anerkennend und überlegte sich, wann und wie sie am besten das Gespräch auf seine Herkunft lenken könnte. Womöglich wäre er über diese eine gemeinsame Reise hinaus hilfreich, für was auch immer.
Ihr Blick wanderte weiter und traf schließlich auf die ausgestopfte Eule. Ihre Augen weiteten sich etwas, allerdings nicht, weil sie sich fürchtete. Zwar hatte sie es stets vorgezogen, mit Falken auf die Beizjagd zu gehen, konnte jedoch auch anderen Raubvögeln durchaus etwas abgewinnen. Langsam trat sie näher und musterte das Tier, ehe sie erneut zu dem Kapitän sah. "Gute Freundin oder bemerkenswerte Zierde?", fragte sie mit ehrlichem Interesse und strich beinahe schon liebevoll über das Gefieder des Flügels.
Aber lange hielt ihre Aufmerksamkeit nicht vor, viel zu viel gab es in diesem Raum noch zu entdecken, während sie wiederum anderes, vor allem die Knochenteile, lieber weniger beachtete. Bis ihre Augen die Prunksäbel fanden und darüber etwas...
Die junge Frau stockte kurz und einen flüchtigen Atemzug lang verzog sich ihr Gesicht vor Ekel, ehe sie sich wieder in der Gewalt hatte. "Was ist das denn?", fragte sie, trat auch ein Stück weit näher, doch zu dicht wagte sie sich nicht heran.
Obwohl sie die gesamte Zeit über den Raum inspiziert und gezielt Fragen gestellt hatte, zuckte sie nun leicht zusammen, als er sie ansprach. Wie eine ertappte Diebin errötete sie ein wenig und blinzelte ihn verwundert an. Moment mal! Wann hatte sie ihm denn eine vertraulichere Anrede angeboten? Was war ihr entgangen, während sie sich umgesehen und gestaunt hatte? Hatte sie sich denn irgendwie verplappert?!
Noch damit beschäftigt, hörte sie seine weiteren Ausführungen und wusste nicht so recht, wie sie am besten darauf reagieren sollte. Irgendetwas war hier merkwürdig! Und dann, nach einem letzten Lächeln, ließ er sie allein.
Die junge Frau starrte blinzelnd auf die geschlossene Tür und nach gefühlten Ewigkeiten begann sie langsam den Kopf zu schütteln. Bis plötzlich ein Gesicht in ihrem Augenwinkel auftauchte, dessen Mund sie prompt ansprach. Sie gab einen leisen, erschreckten Laut von sich, da sie ihren Begleiter kurzfristig regelrecht vergessen hatte, und legte eine Hand auf ihr Dekolleté, als müsse sie ihr schneller schlagendes Herz daran hindern, heraus zu hüpfen. "Musst du mich so erschrecken?!", zischte sie, noch ganz in ihrer Muttersprache verhaftet, wie ihr im selben Moment auffiel.
"Ich meine, musst du...", begann sie und besann sich dann eines Besseren. Den kleinen Schrecken überwunden, stemmte sie die Hände in die Hüften und sah ihn herausfordernd an. Wie gerne hätte sie ihn jetzt mit ihren Fragen malträtiert und ihm auf jede nur erdenkliche Weise die Antworten abgetrotzt, die sie haben wollte. Doch sie besann sich eines anderen und passte ihre Strategie sofort an.
"Was nun? Nun werde ich dir erst einmal deine langen Ohren noch länger ziehen!", säuselte sie in einem betont lieblichen Tonfall, der so gar nicht zu ihren Worten passte. Aber sie wollte ihn testen und herausfinden, ob er tatsächlich Garmisch verstand und wenn ja, wie viel davon. Auch setzte sie dabei ein lockendes Lächeln auf, wandte sich ihm zu und hob ihre Arme, als wolle sie diese um seinen Nacken legen, um ihn, als Zeichen des Erfolgs, zu küssen.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 10. August 2021, 19:21

Warum Edley Gilles Kapitän und nicht bereits irgendein angeheirateter Galan in andunischen Adelskreise war, wirkte nicht ganz richtig. Er trat hier doch wie der Traum aller Schwiegermütter und -väter auf. Selbst die Braut würde sich an einem solchen Mann erfreuen, nicht nur was seine Ansehnlichkeit betraf. Er zeigte sich auf seine ganz eigene Weise durchaus charmant, war höflich und zumindest Azura zuvorkommend. Einzig der Altersunterschied mochte einen kleinen Wermutstropfen an jene Damen bedeuten, die sich einen Mann ihrer Altersklasse erhofften, doch auch das konnte man mit dem Argument fundierter Erfahrenheit aushebeln. Warum Azura nun hingegen nicht bereits am Arm des Kapitäns dahinschmachtete, lag gewiss nicht an ihm. Der Grund folgte ihr auf leisen Sohlen, verborgen unter einem Stück magischen Tuches, das ihn unsichtbar machte. Er gab auch keinen Ton von sich, als sie alle die Kabine des Kapitäns betraten. Wohin sich Corax verkroch, war Azura nicht klar. Er konnte so still sein!
Hingegen fiel die Skepsis offenbar nicht von Gilles ab. Er hakte zumindest noch einmal nach: "Höhleneingang? Euch beeindruckt nicht einmal der ansehnliche Landzugang des Zwergenreiches Nogrot mit seinem massigen Tor?" Er schmunzelte. "Extravagant, werte de Caja. Euch muss man Größeres bieten. Und ich bin sicher, Ihr werdet Euch auf eine zufriedenstellende Art bei mir bedanken können." Dann gab er ihr Zeit, sich in seinem Heim auf See umzuschauen. Endlich zeigte sich die Rolle der Ariane de Caja beeindruckt. Es gab viel zu sehen und zu entdecken. Besondere Aufmerksamkeit erhielten allerdings zwei Stücke der Sammlung. Zum einen die ausgestopfte Eule, bei der Kapitän Gilles nur die Schultern hob und kommentierte: "Weder Freundin noch Zierde, sondern das Geschenk eines Geschäftspartners, der erwartet, dass ich es in meiner Kammer ausgestellt halte. Aus Respekt tue ich genau das." Und vermutlich auch, um weitere Verhandlungen mit diesem Geschäftspartner zu fördern. Nichts half besser, seinen Willen durchzusetzen, als ein wenig Schmeichelei. Das wusste Azura wie keine zweite und so überging sie auch den Wechsel des Kapitäns vom höflichen auf das vertraute Ansprechen. Was kümmerte es sie, ob er sie duzte, solange er sie nur wohlbehalten zurück nach Andunie brächte - auf dem Seeweg!
Außerdem hatte sie nicht viel Zeit, sich damit zu befassen, denn das andere Herzstück der Sammlung rief mit schändlicher Fratze nach ihr. Ein solcher Anblick konnte für so manchen schon Albträume hervorrufen und auch bei Azura weckte das Bildnis dieser frosch- oder fischähnlichen Monsterfratze Unbehagen.
Kapitän Gilles trat an ihre Seite und erneut legte er der Adligen einen Arm um die Schultern. Seine Körperwärme unter dieser kräftigen Statur eines Beschützers drang zu ihr durch. "Das, meine liebe Ariane, ist der Kopf eines Aquaden. Diese Bestien der Meere überfallen Schiffe, versenken sie und stehlen dann nicht nur die Ladung. Sie entführen die Mannschaft in ihr Unterwasserreich, um die Seemänner zu versklaven und die Haare von Seefahrerinnen abzuschneiden, damit ihre eigene Gattung sie tragen kann." Gilles legte eine Pause in seine Erzählung. "Sie trennen das Haar zusammen mit der Kopfhaut ab." Wieder eine Pause, um die Dramatik zu steigern. Außerdem zog er Ariane so ein Stück enger an seinen stählernen Körper. Unter dem Kapitänsmantel verbarg sich nach wie vor der Traum einer ganzen Frauenwelt. Ob der Kapitän Hautbilder und Narben besaß? Gewiss war er nicht verstümmelt, das wäre nun ein zu großer Zufall. "Dieses Monster wird dir aber keinerlei Furcht mehr einjagen können. Es starb durch meine Hand und ich werde sie schützend über dich erheben, sollten wir während der Reise Probleme bekommen, Teuerste."
Dann ließ er sie allein, denn an Deck gab es nun Pflichten zu erledigen, damit die Apfelblüte der Aquaden überhaupt in See stechen konnte. Die Aquaden hatten es dem Kapitän offensichtlich angetan, wenn er nicht nur ihren Kopf als Beutestück aufhängte, sondern auch sein Schiff nach ihnen benannte und das in einer eher fraglichen Art und Weise. Als würde er sie veherrlichen. Aber vielleicht war es Gilles' ganz persönlicher Humor. Azura wusste es nicht, würde es nun auch nicht erfahren. Sie war - aus Sicht des Kapitäns - nun allein. Dass sie bereits einen ... speziellen Beschützer ihre Begleitung nannte, ahnte also niemand. Corax trat in Erscheinung. Er grinste auf, weil Azura sich so erschreckt hatte.
"Wenn du dich immer so erschreckst, werde ich damit nicht aufhören", erwiderte er. Er nutzte Celcianisch, aber er musste ihr Gamrisch verstanden haben. Eindeutig! Und dass sie auch weiterhin ihre Muttersprache nutzte, schien ihn nicht zu stören. Im Gegenteil! Corax lauschte deutlich aufmerksamer, fast konzentriert. Wie gut beherrschte er die Handelssprache der Andunier wirklich? Sie sprach mit lieblicher Zunge, der Inhalt ihrer worte war allerdings eher der einer Mutter, die das Kind für eine kleine Frechheit über das Knie legen wollte. Corax schnaufte voll Hohn.
"Ich halte es für keine gute Idee, wenn wir uns hier und jetzt ein wenig ... vergnügen. Der Kapitän könnte jederzeit zurückkommen, ganz gleich, ob du nun meine Ohren oder andere Körperteile ... streckst?"
Er verstand sie. Es gab keinen Zweifel mehr. Aber Corax schien die Sprache nicht in all ihrer Vollendung zu verstehen und offenbar nicht selbst sprechen zu können. Langziehen und strecken waren in ihrer Bedeutung durchaus unterschiedlich, je nach Kontext. Zudem hatte er aufmerksamer zugehört als sonst. Er musste sich auf das gesagte Garmisch konzentrieren, um es übersetzen zu können. Sogar so sehr, dass er keine Gelegenheit erhielt, Azura in ihren Annäherungsversuchen aufzuhalten. Schon hing sie an ihm, die Arme um seinen Nacken gelegt und drückte ihm einen Kuss auf. Diese Sprache war ihm allerdings vertraut. Entgegen seiner Worte erwiderte er den Kuss mit der Leidenschaft, die Azura inzwischen von ihm kannte. Er verführte und umgarnte sie mit seiner Zunge, legte die Hände an ihre Hüften und streichelte sie, wanderte zu ihrem Hintern, um den Stoff der Tunika dort durch Walgen und Kneten ein wenig zu zerknittern.
Und dann biss er so kräftig in ihre Lippe, dass die Haut unter seinem Zahn platzte und Azura den metallischen Geschmack ihres eigenen Blutes wahrnahm. Mit einem besitzerischem Funkeln in den blutroten Augen löste er sich von ihr. "Du bist meine Herrin und ich bin dein, ganz und gar", knurrte er.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Freitag 20. August 2021, 09:01

Sobald sie die Zeit und Sicherheit hätte, würde sie sich wahrscheinlich den ein oder anderen Gedanken zu diesem Kapitän machen, der auf ihr Schauspiel hereinfiel und ihr tatsächlich die gewünschte Hilfe anbot. Im Moment hatte sie dafür allerdings keine Gelegenheit und tat auch viel besser daran, sich zu konzentrieren, um sich nicht selbst unabsichtlich zu verraten. Ein Teil dieser Anspannung fiel von ihr ab, ohne dass sie sich dessen bewusst gewesen wäre, als sie die Planken des Schiffs betreten durfte.
Jetzt mussten sie nur noch ablegen und sie hätte es wahrlich geschafft! So lange würde die Reise nach Andunie nicht dauern, so hoffte sie, und da sollte es wenig Schwierigkeiten geben, die Fassade ausreichend aufrecht zu halten. Ein größeres Risiko wäre in dieser Hinsicht wohl vielmehr ihr unsichtbarer Begleiter, wenn er unvorsichtig werden würde, doch auch das glaubte sie nicht ernsthaft. Es stand zu viel auf dem Spiel und bis auf einen kleinen Ausrutscher vorhin mit seinem Geraune hatte er sich wie nach Plan verhalten.
Lediglich die Sache mit ihrer Flucht, die sie spontan hatte erfinden müssen, sollte sie besser noch ein wenig genauer überdenken, sobald sie dazu käme. Schließlich hatte sie keine Vorstellung davon, wie man auf dem Landweg zu diesem Ort gelangen konnte, und rasch eine Variante erfunden, die für sie schlüssig wäre.
Sein Nachhaken verunsicherte sie, obwohl sie sich darum bemühte, es sich nicht anmerken zu lassen. Wenn sie allein wäre, würde sie ihren Begleiter danach ausfragen müssen, um sich nicht weiter in etwas zu verstricken, das ihre Tarnung auffliegen lassen könnte. Immerhin hinderte es den Kapitän nicht daran, sie in seine Kajüte zu führen, und da sie hier mit ehrlicher Bewunderung den Reichtum und Luxus bewundern konnte, ließ sie dieses Thema bevorzugt fallen. Sie musste nichts vertiefen, das ihr Ungemach bereiten würde.
Also sah sie sich um und konnte sich die ein oder andere Bemerkung nicht verkneifen, die sowohl zu ihr selbst, als auch zu ihrer neuen Rolle passte. Vor allem die ausgestopfte Eule hatte es ihr angetan, denn auch sie hatte in ihrem Heim oftmals mit Raubvögeln zu tun gehabt. Zwar mit eleganteren Falken, aber sie hatte nie Angst vor diesen Räubern der Luft gehabt, sondern sie teilweise sogar beneidet, wenn sie flogen und einen weitaus besseren Blick in die Ferne hatten als sie am Boden.
Seine Antwort auf ihre Frage ließ sie leicht nicken und die Hand wieder zurück ziehen, mit deren Fingern sie über das Gefieder hatte streichen wollen. "Ihr habt wenig Gelegenheit zur Beizjagd, natürlich. Ihr seid sicher ein vielbeschäftigter Mann.", erwiderte sie nachdenklich und zugleich schmeichelnd, da sie auf seinen Erfolg anspielte, der zu solch einer Ausstattung führen musste.
Dabei schenkte sie ihm einen flüchtigen Seitenblick, ehe sie ihre Tätigkeit wieder aufnahm und den Raum weiter begutachtete. Und etwas entdeckte, das sie mit einer Mischung aus Faszination und Ekel anzog.
Daraufhin trat der Kapitän zu ihr und legte kurzerhand den Arm um ihre Schultern. Eine Geste, die sie gerne abgeschüttelt hätte, doch noch hatten sie nicht abgelegt, weswegen sie es zwangsläufig ertrug. Außerdem lenkte er sie mit seinen Worten ab.
Langsam nickte sie. "Aquaden... Darüber habe ich auch schon gelesen und hielt es für eine Mär.", murmelte sie und schluckte schwer.
Unwillkürlich hob sie ihre Hand zu ihrem Kopf, griff nach ihrer wie durch Zauberhand zurückgekehrter Haarpracht. Diese zu verlieren... Nein, sie hatte es einmal erleben müssen und wollte das nie mehr wiederholen!
Der Mann neben ihr fuhr indes fort und ein feiner Schauer rieselte über ihren Körper bei dieser Vorstellung. "Grauenhaft!", hauchte sie und fragte sich unwillkürlich, ob er mit Absicht übertrieb, um ihr diese furchtbaren Bilder in den Geist zu pflanzen, oder ob er das selbst erlebt hatte.
Nein, er wirkte unversehrt und besaß eine aufrechte Haltung. Er wäre wohl kaum jemand gewesen, der sich versklaven ließ... Und alles andere wäre gewiss nichts weiter als eine Übertreibung, um wohliges Gruseln hervorrufen zu können. Die Geschichten, die sie gelesen hatten, hatten vielmehr von einer Art verzauberter Welt gehandelt, sicherlich romantisiert und dennoch...
Seine Stimme drang durch ihre Gedanken und sorgten dafür, dass sie ihn mit etwas größeren Augen ansah und blinzelte, allerdings durch die eigene Ablenkung nicht sofort zu einer Antwort fähig war, sodass er die Kajüte verlassen hatte, ehe sie erneut den Mund aufgemacht hatte. Irgendwie... bekam sie allmählich ein komisches Gefühl bei ihm.
Was mochte er von ihr nur denken? Glaubte er ihr ihre Lügen noch oder gab er ihr bereits auf diese subtile Art zu verstehen, dass er bevorzugt seinen Zweifeln anhing? Wieso hatte er zu einer vertraulicheren Anrede gewechselt und sie auch noch umarmt, obwohl dies nicht mehr notwendig gewesen war? Was würde er von ihr als Bezahlung erwarten? Doch nicht etwa...?
Unwillkürlich schluckte die junge Frau und wurde von ihren Überlegungen durch ihren Begleiter abgelenkt, der es darauf anlegte, sie gehörig zu erschrecken. Bei seinem zufriedenen Grinsen verfinsterte sich ihre Miene sofort und sie hätte ihm nur zu gerne eine Schimpftirade an den Kopf geworfen.
Dann aber kam ihr eine andere Idee, die wenigstens etwas zwischen ihnen klären könnte, das bislang noch gar nicht Thema gewesen war. Und tatsächlich, er verstand sie! Er verstand, wenn sie in ihrer Muttersprache sprach, und hatte das wahrscheinlich schon die ganze Zeit. Oh, was sie ihm für Bezeichnungen um die Ohren geschleudert hatte, in der Annahme, er würde damit nichts anfangen können! Oder reichten dafür seine Kenntnisse trotz allem nicht, weil sie recht... speziell waren?
Sie schluckte leicht und spürte, wie eine feine Röte in ihre Wangen stieg. Dennoch hielt sie das nicht davon ab, sich ihm zu nähern, ihm ihre Drohung vorzusäuseln und dadurch endgültig den Beweis zu haben, dass er des Garmischen mächtig war. Nicht ausreichend scheinbar, um es selbst sprechen zu können, doch genug, um sie zu verstehen... größtenteils!
Trotzdem wechselte sie ebenfalls wieder ins Celcianische, einfach, weil sie es im Umgang mit ihm gewohnt war. "Pass nur auf, dann streck ich dir nichts mehr, sondern zupf es dir gleich aus!", drohte sie grollend und spürte, wie in ihrer Brust ein weiteres Mal mehrere Gefühle miteinander rangen.
Schlussendlich gewann jenes Bedürfnis die Oberhand, die Nähe zu ihm zu nutzen, wenn er ihr schon keine Gegenwehr leistete, sodass sie sich streckte und seine Lippen suchte. Eigentlich hatte sie ihn damit lediglich ablenken wollen, um tatsächlich grob an seinen Ohren zu ziehen. Da er allerdings den Kuss sogleich erwiderte, vergaß sie dieses Vorhaben. Stattdessen wurden ihre Knie weich und sie schmiegte ihren gesamten Körper an ihn, während sie seine Hände fast schon überdeutlich an ihrer Kehrseite fühlen konnte.
Es hätte so schön und der Beginn von viel mehr werden können, wenn... ja, wenn er nicht wirklich gemein geworden wäre. Azura spürte die Pein an ihrer Lippe und fuhr mit einem Schmerzenslaut zurück. Verwirrt sah sie ihn an, während sie Blut zu schmecken bekam und ein leidvolles Pochen in ihrer Unterlippe wahrnehmen musste.
Langsam, wie von Fäden gezogen, hob sie ihre Hand an, berührte mit den Fingerspitzen das Zentrum dieses neuen Gefühls und sah danach verständnislos auf die rotgefärbte Haut. Seine Stimme erreichte zwar ihre Ohren, der Sinn seiner Worte drang jedoch nicht bis in ihren Geist. Wie losgelöst von der Welt starrte sie auf das Blut... ihr Blut, das ihre Fingerkuppen benetzte und weiterhin pochend aus der kleinen, schmerzenden Wunde austrat.
Nur ganz langsam konnte sie ihren Blick davon heben und irritiert sowie fassungslos zu ihm hinsehen. "Was hast du...?", keuchte sie. Weiter kam sie nicht, denn schon verdrehte sie die Augen und sackte bewusstlos in sich zusammen.
Normalerweise war sie härter im Nehmen und bislang war sie durchaus in der Lage gewesen, Blut zu sehen. Aber dieses Mal war es ihr eigenes, ihre gesamte Lippe pochte inzwischen aufgrund dieser unerwarteten Wunde und sie hatte noch immer viel zu viel zu verarbeiten, als dass sie völlig in sich ruhend gewesen wäre, um diese neuerliche Herausforderung zu meistern. Kurzerhand also beschloss ihr Geist sich zu verabschieden und sie in wohlige, stille Dunkelheit zu hüllen.
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Montag 30. August 2021, 17:08

Ein schmerzliches Pulsieren ihrer Unterlippe, der metallische Geschmack ihres Blutes auf der Unterlippe sorgten dafür, dass Azura das Bewusstsein verlor. Sie konnte Blut sehen, solange es nicht ihr eigenes war. Aber Azura vertraute ihren Geschmackssinnen nicht. Sie hatte ja an ihre Lippe greifen und dann die wenigen Blutstropfen auf ihrer Fingerkuppe ansehen müssen. Das tiefe Rot, fast so schön wie die Augen ihres Gegenübers, ließ ihre Knie ebenfalls weich werden. Doch wo er ihr Herz zum Rasen brachte, da fühlte es sich nun an, als setzte alles in ihrem Körper aus. Bevor ihr die Sinne schwanden, konnte sie noch ein genervtes Knurren aus dem Mund des Dunkelelfen hören. Dann empfing sie die Totenstille der Bewusstlosigkeit. Nicht einmal den sanften Aufprall auf dem Kabinenboden hatte Azura bemerkt.
Corax schaute auf sie herab. "Ernsthaft? Das war zu viel für dich?" Er ging in die Knie, um sie auf seine Arme zu heben. Was Corax darüber hinaus mit Azura anstellen mochte, entging ihr. Wenigstens sanfte Manthala ihr aber nicht erneut bizarre Taumgebilde. Da war nur Schwärze, für eine lange Zeit. Irgendwann drangen jedoch erste Wahrnehmungen zu ihrem Geist durch.
Da war zum einen ein nicht nobel weicher, aber durchaus bequemer Untergrund, der ihren liegenden Körper trug. Ihre Zehen fühlten sich frei an. Jemand musste ihr das Schuhwerk ausgezogen haben. Ihre Kleidung trug sie allerdings noch und so spürte sie den einfachen Stoff der übergeworfenen Decke nur an den Händen und Teilen ihres Gesichts, sofern sie sich darin einkuschelte. Ihr Kopf ruhte auf einem ebenso schlichten Kissen. Nichts davon roch muffig, aber auch nicht parfümiert wie sie es aus ihrem Zuhause in Andunie kannte. Dafür nahm sie eine salzige Nuance bei jedem Einatmen wahr. Seeluft. Hinzu mischte sich ein feines, alkoholisches Aroma, welches jedoch nicht an stinkenden, billigen Fusel erinnerte, sondern eher an den teuren Schnaps-Schrank ihres Stiefvaters. Dort verwahrte er edle Tropfen, sowie eine Schachtel Tabak, den er gemeinsam mit Kaufleuten oder Händlern zu genießen pflegte, wenn er sich dabei ein Geschäft erhoffte. Nur diese markant kernige Note, die sich ihr unterschwellig näherte, hatte nichts mit den Erinnerungen an ihren Vater gemein.
Jemand beugte sich über sie. Jemand berührte ihre Wange und strich eine Strähne mit schwieligen Fingern aus ihrem Gesicht. Dann legte sich etwas an ihre Lippen. Erst sanft, dann fordernder. Jemand versuchte, sie wach zu küssen und ahnte wohl nicht, wie gut es wirkte. Ob im positiven oder negativen Sinn, würde sich noch zeigen müssen. Azura allein entschied, welche Richtung es nähme, sofern sie sich nicht weiter ohnmächtig stellte. Falls sie sich allerdings erhofft hatte, dass ihr widerlicher Schuft von einem Dunkelelfen einen versöhnlicheren Versuch wagte, sie zu küssen, wurde sie enttäuscht. Die Stimme des Kapitäns Edley Gilles drang tief und dunkel zu ihr durch. Sein Atem streifte dabei ihr Gesicht, roch zum Glück nicht unangenehm.
"Was hast du nur mit deiner Lippe angestellt, Ariane?" Eine Pause entstand. Erwartete der Kapitän eine Antwort? Offenbar nicht. Er sprach weiter: "Wir sind ausgelaufen. Das Schiff hat sogar schon den Untergrund verlassen. Nogrot liegt hinter und die See vor uns. Es wäre nun an der Zeit für dich, aufzuwachen und deine Überfahrt ... zu ... begleichen. Ohja, es wäre allerhöchste Zeit." Er raunte ihr sinnlich ins Ohr, einem dicken Brummbär ähnlich. Dann schoben sich seine ebenfalls bärigen Arme unter ihren Körper und hoben sie an, so dass sie gegen seine Brust lehnte. Eine bärige Brust, nackt und haarig.
Kapitän Gilles war ... nackt. Er saß mit ihr in seinem Alkoven-Bett, hielt sie im Arm und genoss ihre Nähe an seinem nackten Oberkörper. Wenigstens hatte er die Hose noch an, wenngleich sie ihm durch ihre Sanftheit wohl langsam zu eng wurde.
Und wo steckte Corax?
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Freitag 3. September 2021, 12:37

Eigentlich hätte sie sich durchaus als robust bezeichnet und als jemand, der ziemlich viel auszuhalten wusste, wenn es denn sein musste. Aber dieses Mal war es schlichtweg zu viel. Der ganze Streit, das kindische Verhalten beider Schelme und die Sache in der Gasse selbst, das hatte wieder einmal ziemlich an ihren Nerven gezerrt. Hinzu kam die Erleichterung darüber, ein Schiff gefunden zu haben, das sie nach Andunie bringen würde. Zumindest glaubte sie fest daran, in der Hinsicht nicht angelogen worden zu sein.
Alles in allem also ausreichend Gründe, dass sich ihr Bewusstsein beim Anblick ihres eigenen Blutes und des Schmerzes in ihrer Unterlippe kurzerhand verabschiedete. Sie sank in wohltuende Schwärze, frei von jeglichem Gefühl und jedweder notwendigen Aufmerksamkeit für ihre Umgebung. Ja, nicht einmal den Umstand, dass sie fallen gelassen und nicht aufgefangen wurde, bekam sie noch mit.

Umso merkwürdiger war das Erwachen, als ihr Geist wenig später allmählich aus dieser heimeligen Dunkelheit emporstieg. Zuerst war sie absolut desorientiert, wusste nicht so recht, wo sie sich befand und warum, geschweige denn, wessen Nähe sie so ungefragt wahrnehmen konnte. Von weiteren Details wie starken, haltenden Armen oder haariger, bloßer Brust ganz zu schweigen!
Hinzu kam ein sanftes, irgendwie vertrautes Schaukeln, das ihr Bewusstsein wiederum beruhigte und sie dazu einlud, tiefer zurück in die Schwärze zu sinken. Irgendetwas in ihrem Hinterkopf klingelte und erinnerte sie daran, dass sie sich auf einem Schiff befand. Wasser... ja, Wasser musste in der Nähe sein, sie womöglich sogar umgeben und deswegen konnte sie sich wohl fühlen. Wenn... ja, wenn sie allein gewesen wäre.
In ihrem Gesicht begann es allmählich zu arbeiten, zeugte davon, dass sie versuchte, ihre Gedanken zu sortieren und zu begreifen, ohne dabei derzeit noch die Kraft zu finden, ihre Augen zu öffnen, um auch sehen zu können, was hier geschah. Langsam jedoch bemerkte sie einen gewissen Druck auf ihren Lippen, das sich zu diesem beständigen, leichten Pochen gesellte.
Ihre Stirn runzelte sich, während sie sich zu verstehen bemühte. Irgendetwas stimmte hier nicht, das spürte sie deutlich! Wenn sie nur endlich herausfinden würde, was das war...
Dafür erklang eine bekannte und trotzdem noch nicht allzu oft gehörte Stimme an ihrem Ohr und schien ihr einen gewaltigen Stoß in Richtung Aufwachen verpassen zu wollen. Ihre Mimik verzog sich leicht und ein leiser Laut, eine Mischung aus Stöhnen, Seufzen und Abwehrhaltung, kam ihr über die Lippen.
Doch das Timbre erklang erneut und schaffte es dieses Mal, sie soweit in die Wirklichkeit zurück zu holen, dass ihr ein auf Garmisch gemurmeltes "Was...?" entschlüpfte. Ihre Lider zuckten und einige Sekunden später, während ihr Körper bewegt wurde, konnte sie endlich die Kraft finden, sie blinzelnd zu öffnen.
Prompt wurde ihr ein wenig schwindelig, sodass sie mit einem kaum hörbaren Stöhnen die Augen wieder schloss und einige Atemzüge verstreichen ließ, bevor sie einen weiteren Versuch unternahm. Dieses Mal gelang es ihr besser und sie konnte sich daran wagen, sich umzusehen.
Viel Holz war um sie herum, aber nicht ausschließlich. Da war auch eine weiche Unterlage, die vermutlich das Bett darstellen sollte. So ganz war ihre Erinnerung noch nicht zurückgekehrt und wie sie hierher gekommen war, wusste sie ohnehin nicht. Am meisten irritierte sie jedoch dieser haarige, bloße Oberkörper, an den sie gelehnt worden war.
Jetzt erst durchzuckte Erkenntnis ihr Hirn über die Worte, die sie vorhin vernommen hatte. Mit einem Mal riss sie die Augen auf und entwickelte plötzlich beinahe wieder ihre alten Kräfte, indem sie ihre Hände hob und sich hastig von der Person wegdrückte, die sich ihr hier unschicklich näherte. Ehrlich entsetzt sah sie zu dem Mann auf, der sich neben ihr befand und den sie endlich wieder als den Kapitän, der bislang recht freundlich zu ihr gewesen war, erkennen konnte.
Rasch versuchte sie, Abstand zwischen sie beide zu bringen, soweit ihr das in diesem Alkoven möglich war, und bekam dabei sogar die Decke zu fassen. Obwohl sie sich nicht nackt fühlte, zog sie diese instinktiv hoch und versuchte, sich damit zusätzlich zu bedecken. "Kapitän Gilles!", keuchte sie seinen Namen und schüttelte heftig den Kopf, dass ihre zerzausten Haare noch mehr an Form verloren. "Was soll das?! Was fällt Euch ein?!"
Tatsächlich war sie bislang nicht auf die Idee gekommen, die Überfahrt mit ihrem Körper zu bezahlen, und würde das sicherlich auch nicht tun, obwohl er das zu glauben schien. Nein, sie hatte sich zwar auf ihren widerlichen Schuft, der sie ruhig davor hätte beschützen können, eingelassen, aber das war freiwillig und aus Lust geschehen. Sie war schließlich keine Käufliche und würde niemals so tief sinken, um auch nur einen Gedanken an diese Möglichkeit zu verschwenden! Wie konnte dieser Mann also...?!
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Samstag 11. September 2021, 21:29

Das sanfte Schaukeln beruhigte Azura nicht, weil es einlullend wirkte, sondern weil sie tief in ihrem Unterbewusstsein das Wissen besaß, dass sich nur ein Schiff so bewegen konnte, wenn es mit seinem Bug die Wellen teilte und sich eine Bahn durch Gischt spritzende Wellen suchte. Es teilte sie, schwamm und tanzte auf ihnen, ohne dabei unkontrolliert von ihrer Kraft umhergerissen zu werden. Es war kein hilfloses Blatt im Wind, sondern ein Reiter auf Naturelementen. Es strotzte der See, die so wild und gefährlich sein konnte, machte sie sich dabei Untertan und beruhigte so nicht nur die Fluten, sondern auch Venthas Gemüt. Kein Wunder, dass Azura sich so sehr von Wasser angezogen fühlte. Sie war ebenfalls nie ein Blatt im Wind gewesen. Sie war ein Schiff, oben auf den Wellen, den Blick auf den Horizont gerichtet. Nur nicht jetzt. Jetzt fühlte sie sich eher desorientiert wie eine winzige Barke inmitten eines Sturms. Da konnte auch der Fels in der Brandung in Form kräftiger Arme und einer haarigen Männerbrust nichts gegen das Unbehagen ausrichten, im Gegenteil. Wer hielt sie hier?!
Langsam dämmerte es ihr. Sie erkannte ihn weder an der Kraft seiner Pranken, die ihren Körper umschlossen, noch an seinem Geruch. Sie erkannte den Kapitän der Apfelblüte der Aquaden an seiner Stimme. Rau wie die See, unter der das Meeresungeheuer lauerte, von dem sie aus Sagen und Legenden wusste. Auf seine Weise vielleicht faszinierend anzusehen, aber im Grunde gefährlich - ähnlich wie die Aquadentrophäe an der Bordwand der Kapitänskabine.
Dann schmeckte sie die Gefahr, denn Gilles presste ihr seine nicht minder rauen Lippen auf die eigenen. Er kostete sie, leckte mit der Zunge an ihrer Haut entlang und suchte einen Weg zu der ihren. Es war auf seine Weise aufregend, aber nicht zu vergleichen mit Corax. Auch er mochte sich seiner Zeit einfach einen Kuss gestohlen haben, doch besaß jener eine andere Art von Schneid. Seine verwegene Dreistigkeit war anders gewesen, hatte Azuras Lippen zum Prickeln und Brennen gebracht. Wie fühlte es sich jetzt an? Was empfand sie bei Gilles?
Zunächst war da nur das dösige Erwachen aus der Ohnmacht. Dem folgte die Erkenntnis, wer sie hier küsste, wiederum gefolgt von empörter Überraschung. Wie konnte er es wagen?! Sie war die Adlige Ariane de Caja. Jedenfalls glaubte er das, oder nicht? Wie konnte ein einfacher Kapitän es wagen, eine mutmaßlich Adlige Tochter in Nöten so ungefragt anzugehen?
Doch es kam noch schlimmer. Zwar drückte Azura sich von der gestählten Männerbrust fort, doch seinem Griff konnte sie nichts entgegensetzen. Kapitän Gilles war stärker als sie, vermutlich auch stärker als Corax. An den Docks hatte sein Mantel es perfekt verstanden, seine Muskeln zu verbergen. Dieser Mann könnte ihr Genick brechen, wenn er wollte. Offenbar war das aber nicht sein Wunsch. Trotzdem hielt er sie etwas fester, als sie ersten Widerstand zeigte. Der Abstand, den sie gewann, war erschreckend gering.
Azura blieb nichts Anderes übrig als die echauffierte Adlige zu spielen. Wieviel davon wirklich gespielt war, wusste nur sie selbst. Sie zerrte den Deckenstoff an sich empor, als wollte sie eine Blöße verbergen, die glücklicherweise noch nicht vorhanden war. Zugleich verlangte sie nach einer Antwort für das schroffe Verhalten des Kapitäns.
Edley Gilles musterte sie mit blitzenden Augen. Sie erinnerten nicht an Rubine, selbst wenn man die Farbe außer Acht ließ. Seine Augen leuchteten nicht wie Edelsteine auf. Sie waren kalt, obgleich Azura wachsende Begierde in den Pupillen erkennen konnte. Doch Kapitän Gilles beherrschte sich selbst sehr gut. Er verfiel nicht seinem Begehren, er nutzte es wie eine Waffe in seiner Hand. Mit jener und einer unsagbaren Kraft zog er an der Decke und Azura wieder dicht an sich heran. Weder Kratzen noch Beißen hätte bei der harten Muskelmasse seiner Arme nun geholfen, als er sie von dem Stoff der Decke befreite und sich bereits am Stoff ihrer Tunika zu schaffen machte, noch während er sprach: "Wir waren uns doch einig. Du, meine schöne Ariane, fährst auf meinem Schiff mit bis nach Andunie. Die Kosten der Überfahrt klären wir, sobald wir in See gesetzt sind. Nun, meine Apfelblüte segelt. Es wird Zeit für meinen Lohn ... und da du kein Geld mit dir führst..." Er lachte auf. Es kam einem düsteren Grunzen gleich. Seine Pranke schob sich unter den Stoff ihrer Kleidung, umfasste ihre weiblichen Rundungen. Wenn er zudrückte, würde er bis durch ihren Brustkorb stoßen und ihr kleines Herz zerdrücken. So fühlte es sich an. Fernab jeglicher Verführungsspiele wie Corax sie mit ihr getrieben hatte. Wo steckte ihr widerlicher Schuft überhaupt?
"Ich bin ohnehin mehr an dir als an deinem Geld interessiert. So reife Früchtchen hatte ich lange nicht mehr an Bord. Du könntest auch bei mir bleiben, aye? Meine Meeresbraut werden, dich mir und den Wellen hingeben - dann müssen wir gegenüber deiner Eltern nicht einmal verschweigen, wie du die Überfahrt bezahlt hast, hrhrhr." Wieder lachte er. Jetzt fehlte das widerliche Grunzen. Es klang düster, dass es einem eine Gänsehaut bescheren konnte.
Edley Gilles drückte gegen Azuras Brust, zog zugleich mit seiner freien Pranke an ihrer Schulter, um sie in die Laken zu befördern. Er beugte sich mit all seiner Masse bereits über sie. Aber wäre es so schrecklich? Vielleicht könnte eine solche Erfahrung auch aufregend sein. Mit Corax hatte sie es genossen. Der Kapitän erweckte ebenfalls keinen unerfahrenen Eindruck. Was könnte er alles mit ihr anstellen, sofern sie sich auf ihn einließ und was alles, wenn sie sich nun wehrte? Eines stand fest: Azura musste einen Weg wählen, denn sie schien allein. Wo auch immer ihr bissfreudiger Dunkelelf sich jetzt herum trieb, er schien nicht eingreifen zu wollen. Oder ... zu ... können?
Kapitän Gilles verdeckte einen Blick auf die Kajüte selbst. Hinter ihm konnte jegliche Szene ein Bild ergeben. Vielleicht war Corax wirklich nicht da. Vielleicht doch und wenn ja, wäre es besser, ihn nicht vorzufinden. Dunkle Szenarien begannen im Kopf und waren meist schrecklicher als die Wirklichkeit. Ungewissheit zeichnete solche Bilde mit den blutigsten Farben und konnte sadistischer sein als Azura widerlicher Schuft.
"Gib dich mir hin, Ariane de Caja", raunte der Kapitän, lenkte so die Aufmerksamkeit wieder auf sich. Er knetete ihre Brust immer fordernder. "Werde meine venthagleiche Braut der See."
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Azura » Freitag 1. Oktober 2021, 14:23

Sie hatte sich schon in ihrer Heimatstadt am wohlsten gefühlt, wenn sie im Hafen in der Nähe des Meeres sein konnte. Auch der Ausblick aus ihrem eigenen großzügigen Gemach auf das glitzernde Wasser hinaus hatte sie oftmals beruhigt, getröstet oder ihr schlichtweg in sich ruhende Kraft vermittelt. Doch nichts kam ihr so schön und entspannend vor, wie wenn sie sich selbst auf See befand. Zwar hatte sie es noch nicht mit einer Schwimmeinheit direkt in der salzigen Flüssigkeit versucht oder gar mit tauchen, das war für sie stets undenkbar gewesen. Aber allein dieses gleichmäßige Schaukeln, das man nicht verhindern konnte, weil das Meer schlichtweg die stärkere Naturgewalt war, tat ihr wohl.
Zumindest solange, wie sie sich nicht mit einer äußerst unangenehmen Realität auseinander setzen musste. Zuerst sträubte sich ihr Geist, im Endeffekt jedoch konnte sie sich nicht auf Dauer der Wahrheit entziehen. Einer äußerst unwillkommenen, die sie nicht sogleich begriff.
Als es ihr indes zu dämmern begann, erwachte ihr Wille zum Widerstand und ihre Empörung, wenngleich noch nicht mit voller Wucht. Ungefragt hielt sie ein Mann in seinen Armen, der ihr zwar auf dieses Schiff geholfen hatte, allerdings bedeutete dies noch lange nicht, dass er diesen Übergriff wagen durfte. Was erlaubte er sich überhaupt?!
Und als wäre das nicht schon ungehörig genug, musste sie auch noch feststellen, dass sie ohne ihre Einwilligung geküsst wurde. Vielleicht, nur vielleicht hätte es ihr gefallen, hätte sie ihre Einwilligung dazu gegeben und wäre bei vollem Bewusstsein gewesen, sobald es passiert wäre. Auf diese Weise hingegen...
Nein, das war nicht nur empörend, das war der reinste Skandal! Als ob sie sich von jedem Mann einfach so behandeln lassen würde! Das entschied nur sie allein, sofern es sich nicht um ihren künftigen, standesgemäßen Ehemann handeln würde! Was bei dem Kapitän definitiv nicht der Fall war, ganz gleich, wie nobel seine Kajüte ausgestattet sein mochte.
Entsprechend begann sie sich gegen seinen Griff zu sträuben, obwohl ihr mit leisem Schrecken vor Augen geführt wurde, wie wenig das im Endeffekt brachte. Ihre nächste Fluchtmöglichkeit war die Decke, die sie hochzog und sich damit vor seinen Blicken zu verbergen suchte. Abgesehen von ihrem Mundwerk, das ebenfalls wieder erwacht war und zum Ausdruck brachte, was sie von seinem Handeln hielt.
Was ihn alles andere als zu beeindrucken schien, denn anstatt sie freizugeben, wie es sein sollte, zog er sie wieder heran. Damit nicht genug, wurde er noch vielmehr übergriffig!
Einen Moment lang stockte ihr der Atem vor Schreck und Empörung, sodass sie nicht verhindern konnte, dass er unter ihre Tunika vordringen konnte. Als sie die warmen, harten Finger aber an ihrer Brust fühlen konnte, lief es ihr eiskalt den Rücken hinunter. Das war anders als das, was sie bislang erlebt hatte, und überhaupt nicht dazu angetan, ihr Herz vor Freude schneller schlagen zu lassen.
Die Worte wären beinahe über sie hinweggeschwappt vor lauter Entsetzen, das ihr das Rückgrat hoch kroch, wäre da nicht sein Lachen gewesen. Dieses holte sie nicht nur aus ihrer Starre, sondern sorgte obendrein dafür, dass die Wut in ihr hochschäumte wie die Gischt bei höherem Seegang. Ihr Gesicht verdüsterte sich wie das Wasser, sobald sich Wolken vor die Sonne schoben, und zugleich spürte sie eine Kälte in sich hochsteigen, die jegliche anderen Emotionen betäubte, solange es notwendig wäre.
Zwar konnte sie sich körperlich noch nicht rühren, dazu war er viel zu kräftig und zielstrebig, doch endlich, als sie sich zu ihrem großen Bedauern bereits unter ihm befand, konnte sie damit beginnen, sich zur Wehr zu setzen. Sie machte sich bewusst steif und verdrängte jegliche leibliche Empfindung, um sich ganz auf das zu konzentrieren, womit sie durchaus sich zu verteidigen wusste, ihre scharfe Zunge.
"Deswegen also wolltet Ihr Euch einer hilflosen Frau annehmen, die sich in ihrer Verzweiflung an Euch gewandt hat? Um sich auf sie zu legen und ihr Gewalt anzutun? Ist es das, was ein rechtschaffener Kapitän für gewöhnlich tut?!", fauchte sie und starrte ihm mit einem Ausdruck direkt in die Augen, der empfindlichere Gemüter mit Leichtigkeit hätte einschüchtern können.
"Wir waren uns einig, dass Ihr so freundlich seid und mir helft, nach Hause zu kommen, damit mein Vater Euch diese Überfahrt vergelten kann. Von meinem Körper war nicht die Rede und wird es auch niemals sein! Ihr solltet Euch also lieber auf Eure guten Manieren besinnen, wenn Ihr es nicht noch bitter bereuen wollt, mich derart schäbig behandelt zu haben!", drohte sie und meinte es in diesem Moment auch absolut ernst.
Wie hingegen die Vergeltung aussehen sollte, nun... das war absolut offen. Eigentlich sollte sie gekränkt darüber sein, dass jemand Gewisses nicht schon längst helfend eingegriffen hatte, jedoch verbot sie sich jeglichen Gedanken an ihn in diesem Moment, um sich ganz ihrem Widerstand widmen zu können. Auch ob und was ihr Stiefvater deswegen würde unternehmen könnte, war absolut offen, weil sie nicht einmal wusste, was aus ihm geworden war und die Schandtat selbst könnte er jetzt ohnehin nicht verhindern.
Bliebe ihr im Endeffekt allein ihre Magie und diese war auch für sie selbst gefährlich, wenn sie diese zu sehr anwenden würde. Sowieso konnte sie auf Anhieb nichts Flüssiges in ihrer direkten Nähe ausmachen, das sie gegen ihn hätte verwenden können, ohne dafür ihre Hände verwenden und dabei riskieren zu müssen, dass er es unterbinden würde. Alles andere würde somit dazu führen, dass sie erneut Schmerzen oder gar eine Ohnmacht herbeiführen würde. Wobei ihr das weitaus mehr recht wäre als das, was dieser Kapitän ihr anzutun gedachte.
Warum sie hingegen derart ruhig blieb und die Angst gar nicht erst ihre Gedanken erreichen ließ... Sie wusste es nicht zu sagen, bis auf jene Kälte, die sie weiterhin fest im Griff hatte. Eventuell half der Umstand, dass sie sich auf einem Schiff auf hoher See befand, das ihr die Ruhe und Kraft dafür gab. Damit allerdings könnte sie sich später befassen, wenn die Gefahr gebannt wäre.
Was sie stattdessen unbewusst bereits erreichen konnte, obwohl sie es noch nicht wirklich wahrnahm, war, dass die Wellen sich verstärkt hatten und das Schaukeln zunahm. Noch bei weitem nicht riskant oder sonstwie auffällig, jedoch vorhanden für jemanden, der das Meer beobachten und nicht abgelenkt sein mochte.
Erneut wurde der Mann auf ihr deutlich und ein kräftigeres Schaukeln erfasste das gesamte Schiff, als eine etwas kräftigere Welle dagegen brandete. "Nein!", zischte sie ihm entgegen mit all ihrer Ablehnung, die sie gerade empfand. "Und jetzt geht von mir runter!", verlangte sie noch dazu, als wenn sie eine echte Wahl hätte.
Und was, wenn er auf den Beischlaf bestehen und sich einfach nehmen würde, was er haben wollte, ganz gleich, was sie davon hielt? Darüber wollte sie wahrlich nicht nachdenken!
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Re: Der Zwergenhafen

Beitrag von Erzähler » Freitag 15. Oktober 2021, 08:38

weiter bei Sonstige Orte Celcias -> Auf hoher See -> Unter Venthas Willkür
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