Ort des Gedenkens

Der Wald wächst wie ein natürlicher Schutzwall um die Stadt Mantron. Die Bäume sind sehr widerstandsfähig und bieten neben Holz auch Zuflucht für einige Tiere dieser Gegend, die von den Mantronern gejagt werden.
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Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 16. November 2022, 14:14

Eleyna kommt von Im Herzen Mantrons


Der Himmel wurde immer heller und zeugte von einem kräftigeren Blau als noch am Vortag, denn keine einzige noch so dünne Schliere verfälschte jenes Licht, das die Sonne von dort senden konnte. Die Natur wurde immer lebendiger und während sie durch die Straßen Mantrons fuhren, zeigten sich auch immer häufiger fremde Gesichter, die aus ihren Hütten traten. Celestina grüßte und wurde auch winkend gerufen, vorwiegend von Frauen und Mädchen, während die kräftigen Männer und deren Söhne vermutlich allesamt längst nicht mehr zu Hause waren, wenn es keine zwingenden Umstände dafür gab.
Kurz, bevor sie den Rand der Stadt erreichten und in den sie umringenden Wald eintauchen konnten, dieses Mal in nordwestliche Richtung, fragte die Alte mit ruhiger Stimme, als hätte es keinen drohenden Disput gegeben:"Lag es wirklich am Eintopf?" Sie warf ihrer Nichte einen prüfenden Blick zu, ehe sie sich wieder auf die Tiere konzentrierte.
Auch, um ihr die Gelegenheit zu geben zu entscheiden, welche Antwort sie zu geben gedachte. Ob die andere etwas ahnte? Ob Laogh heimlich mit ihr gesprochen hatte? Wobei... er wusste ja schließlich auch nichts davon! Also... theoretisch...
Wie auch immer sie sich entschied, Celestina befand sich entspannt neben ihr in dieser halb sitzenden, halb liegenden Position und lenkte die Hunde gekonnt, als hätte sie nie etwas anderes in ihrem Leben getan. Ihre Mimik wirkte gelöst und ganz so, als genieße sie diese Art der Fortbewegung. Was auch verständlich war, denn es fühlte sich herrlich an, so mühelos über den Schnee zu gleiten, während die Hunde vor ihnen ihre kraftstrotzenden Körper im Einklang miteinander bewegten.
Der Wald selbst war auch hier eine wahre Traumlandschaft aus Schnee und Eis, während sie hie und da Spuren von tierischem Leben erkennen konnte. Mal ein paar Abdrücke oder ein von seiner Last befreiter Ast eines Strauchs, dort ein vorbei huschender Schatten und dergleichen. Und auch der Weg war gut, nicht ganz so breit wie der gestrige vom Hafen bis zur Stadt, aber auf jeden Fall gepflegt und ausreichend, um gut voran zu kommen.
Nach einiger Zeit allerdings wurde er allmählich schmaler und schließlich ließ Celestina die Tiere kurz anhalten. Auf den ersten Blick war es für eine Fremde nicht ersichtlich, warum sie das tat und weswegen sich die Umgebung änderte, denn der Wald an sich schien gleich zu bleiben. Trotzdem ließ die Alte die Hunde kurz verschnaufen und sah zu ihrer Nichte. "Ich bin mir sicher, dass du es von selbst tust, aber dennoch möchte ich dich bitten, ab jetzt leise zu sein und dich respektvoll zu verhalten. Wir fahren nun hinein in den Ort des Gedenkens.", erklärte sie ruhig und freundlich, ehe sie einen Moment lang verschmitzt grinste.
"Was aber nicht heißt, dass du schweigen musst.", fügte sie hinzu, ehe sie die Zügel wieder ergriff und den Tieren das Zeichen zum Weiterlaufen gab. Diese gehorchten bereitwillig, sodass ihre Fahrt weitergehen konnte.
Es dauerte nicht mehr lang und ihr fiel doch eine Änderung ihrer Umgebung auf, abgesehen von dem Weg, den sie nun langsamer nehmen mussten, weil er enger, ein wenig kurvenreicher und nicht mehr ganz so glatt war wie noch zuvor. Hatte Gunni nicht eine Bemerkung dazu gemacht? Jedenfalls konnte Eleyna erkennen, dass hier, in diesem Bereich des Waldes, die Bäume noch immer zahlreich wuchsen und die Natur beinahe so unberührt wirkte wie zuvor. Aber die Stämme hier waren nicht mehr alle ähnlich dick, da gab es zwischendurch auch hie und da dünnere oder überhaupt ganz junge Bäume, die so wirkten, als wären sie erst eine Handvoll Jahre alt. Seltsam...
Und einige von ihnen, das konnte sie vom Weg her erkennen, hatten sogar Zeichen ins Holz geschnitzt bekommen, obwohl ihr diese auf die Entfernung hin und im Vorbeifahren kaum etwas zu sagen vermochten. Nun ja, auch bei näherer Betrachtung wohl nicht, wenn sie die Zeichensymbolik der Mantroner nicht kannte.
Es war ein merkwürdiger Ort und zugleich auch ein wunderschöner, bei dem es wirkte, als solle man hier die verschiedenen Stadien der Natur erkennen können, dass es nicht nur ausgewachsene, mächtige Bäume gab, sondern auch welche, die sich erst dazu entwickeln sollten. Die Luft wirkte hier noch klarer, ohne sich wirklich kälter anzufühlen, und alles in allem herrschte eine sonderbare... Stimmung. Woher diese nur kam?
Und was sollte das überhaupt bedeuten? Ort des Gedenkens? Was sollte sie hier?!
Schließlich hielt Celestina den Schlitten an einer Stelle an, die für ihre Nichte wirken musste wie jede andere beliebige. Doch die Alte wirkte absolut sicher, als sie die Führungsleine weglegte und sich aus den Fellen schälte, um die Tiere als Lob und Anerkennung abzuklopfen, ehe sie die Leine an einem kräftigen Stamm am Wegesrand festband.
Danach drehte sie sich mit einem Lächeln auf den Lippen, das auch einen traurigen Zug hatte, zu ihrer Nichte um. "Komm. Jetzt ist es nicht mehr weit.", sprach sie gedämpft und deutete einladend auf den Wald hinter ihr. Sie wartete noch einige Momente, dann nickte sie und ging voraus, um die Jüngere zwischen die Bäume zu führen, vorbei an unterschiedlich alten Bäumen bis hin zu einer winzigen Lichtung, die als solche lediglich auffiel, weil einer der Stämme noch recht dünn wirkte im Vergleich zu den anderen.
Aber zu diesem wurde sie nicht geführt, sondern zu einem anderen, der hier schon eindeutig länger stand. "Hier ist es.", wisperte die Alte und legte sanft eine in einen gefütterten Lederhandschuh steckende Hand auf den Stamm. Sie lächelte traurig dabei und einen Moment wirkte es so, als kämpfe sie mit den Tränen.
Rasch blinzelte sie, ehe sie zurück zu der anderen sah. "Sieh ihn dir in Ruhe an, ich bin gleich wieder bei dir.", erklärte sie und war schon dabei zu dem dünnen Stamm zu gehen.
Von ihrer Position aus konnte Eleyna problemlos sehen, dass darin etwas geritzt worden war, auch wenn die einzelnen Linien von hier aus keinen Sinn ergaben. Was sollte das? Und wieso wirkte Celestina so traurig, als sie auch dieses Holz berührte und lautlos die Lippen bewegte, als würde sie zu jemandem sprechen?
Ob der Baum vor ihr ebenfalls ein Symbol trug? Und was würde es bedeuten? Würde sie es selbst ergründen können oder ihre Tante ihr eine Erklärung geben müssen? Wollte sie überhaupt nachsehen oder würde sie geduldig abwarten?
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Mittwoch 16. November 2022, 19:31

Erneut wurde sie von der Kälte der Eislande erfasst als sie mit ihrer Tante aus der Hütte trat. Noch immer war ihr Gesicht leicht gerötet, von ihrer kleinen Flucht nach draußen und Eleyna fror augenblicklich erneut. Die Zeit im Innern der Hütte hatte nicht annähernd ausgereicht, sie durchzuwärmen und auch wenn das Gespräch mit Gunni über das Reisen grundsätzlich nett gewesen war, konnten ihre Gedanken nicht vollends Ruhe geben. Auch hätte sie gern die Chance gehabt, sich mit Laogh zu unterhalten, so wie er es ihr angeboten hatte. Doch dafür war keine Zeit. Wie immer. Eleyna trat also hinter Celestina in den Schnee und folgte ihr zu dem Schlitten. Erneut waren die Tiere voller Vorfreude und sie Halbelfe musterte sie einen Moment. Sie empfanden offenbar Freude bei ihrem Tun. Sie schnaubte. Freude empfand sie schon lange nicht mehr in ihrer Arbeit, doch das war ein gänzlich anderes Thema. Seit sie herausgefunden hatte, dass ihre eigene Mutter ihren Vater ermordet und sie ihrer Heimat entrissen hatte, war es ein persönlicher Kampf. Eleyna bestieg das Gefährt, bevor sie schweigend darauf wartete, dass auch die Ältere ihren Platz einnahm. Zuvor hatte sie ihre beiden Töpfe gut verstaut und spürte durchaus auch schon die Wirkung. Warme Füße waren wirklich Gold wert, wenn man es Recht bedachte. Eleyna war Gunni dankbar für den Tipp. Ihre Tante ließ die Hunde anlaufen und schon kurz darauf, fuhren sie schneidig durch den Schnee und der Wind kühlte abermals ihr Gesicht aus. Eleyna schob ihre Kapuze über den Kopf und mummelte sich weiter in das Fell von Laogh ein, welches sie mitgenommen hatte, damit ihr dieses Mal die Nase nicht so abfror. Eine Weile fuhren sie durch Mantron, sodass die Mischlingselfe sich ein Bild von dieser Stadt machen konnte. Die Hütten wirkten alle ähnlich, unterschieden sich hier und dort in der Größe, waren aber alles Rundhütten mit verschiedenen Brauntönen. Immer wieder wurde die Alte gegrüßt, was ihren Stand und ihren Bekanntheitsgrad deutlich machte. Offenbar war Celestina hier vollends angekommen. Die Halbelfe beobachtete genau, dass sich meist Frauen und Kinder nach ihr umdrehten und die Männer teilweise – es sei denn, sie waren älteren Semesters oder kleine Kinder – nicht zugegen waren. Offenbar waren diese allesamt bereits mit dem Jagen oder Fischen oder anderen Dingen beschäftigt, während sich Mantron’s Tapfere um den Haushalt kümmerten. Nach einiger Zeit erreichten sie dann den Stadtrand und fuhren darüber hinaus. Der Wald war nach wie vor atemberaubend schön.
Eleyna hielt den Blick in die Natur und hatte offenbar keinen Bedarf an einem Wortaustausch mit der anderen. Viel zu sehr brütete sie ihre Gedanken aus und hätte doch so eine gute Möglichkeit gehabt, sich mit ihr zu unterhalten. Irgendwann unterbrach aber Celestina das Schweigen: "Lag es wirklich am Eintopf?", kam es von ihrer Seite und ließ Eleyna einen kurzen Blick zurück zu ihr werfen. Sie erfasste die prüfenden Augen, ohne länger hinsehen zu müssen. Sie wandte sich erneut ab und schaute zurück auf die weiße Eislandschaft. „Vermutlich eine Kombination aus der langen Schiffsreise und der Würze.“, antwortete Eleyna und blieb in ihrer misstrauischen Einsamkeit gefangen. Würde sie denn tatsächlich ihr das anvertrauen, was sie selbst so weit wie möglich von sich schieben wollte? Wohl war der Elfe nicht dabei. Ungesehen von der Alten, biss sie sich auf die Lippe und schloss für einen Moment die Augen. Es fühlte sich nicht gut an, ihre eigene Verwandte anzulügen. Doch welche Wahl hatte sie denn schon? Sie kannte sie im Grunde nicht. Und wenn jemand wusste, wie es war, Blutsverwandte zu haben, die einem nichts als Kummer brachten, dann sie. Auch wenn das Wissen, dass es sich hier um den Zweig ihres Vaters handelte, einiges an Sympathie mit sich brachte… Vertrauen war kostbar. Und sie hatte es in der letzten Zeit viel zu häufig verloren, um sich jetzt leichtfertig über solch wichtige Dinge zu unterhalten.

Eleyna beobachtete lieber die kleinen Hinweise und Spuren, die im Schnee so gut zu erkennen waren. Schweigsam und in sich gekehrt fuhr sie mit Celestina zu einem ihr unbekannten Ort und beherzigte dabei Gunni’s Rat, nicht weiter zu fragen. Nun – wenn sie stets im Unklaren gelassen wurde, dann musste sie sich wohl oder übel gedulden. Und dann konnte sie auch genauso gut, ihre eigenen Gedanken bemühen. Nach einer Weile wurden sie etwas langsamer, bis sie kurz anhielten. Eleyna kehrte mit ihrer Aufmerksamkeit zurück und musterte die Umgebung intensiver. Hier war nichts Außergewöhnliches. Die Elfe blickte in das gutmütige Gesicht ihrer Tante und schon lieferte ihr diese eine Erklärung: "Ich bin mir sicher, dass du es von selbst tust, aber dennoch möchte ich dich bitten, ab jetzt leise zu sein und dich respektvoll zu verhalten. Wir fahren nun hinein in den Ort des Gedenkens." Sie runzelte die Stirn. „Gedenkens?“, wiederholte sie fragend und sah sich abermals um. Erst jetzt fiel ihr auf, dass es hier einige Bäume gab, die gepflanzt aussahen, jünger und frisch. „Was wollen wir hier?“, platzte es dennoch aus ihr heraus, obwohl es Unsinn war, danach zu fragen. "Was aber nicht heißt, dass du schweigen musst.", gab sie ihr den Hinweis und Eleyna nickte leicht. Offenbar war ihre schweigsame Art aufgefallen. Vielleicht hatte Celestina damit gerechnet, dass sie Unmengen an Fragen stellen würde. Dass sie sie löchern würde und sie ihr Einhalt gebieten musste. Dass es nicht so kam, schien sie zu dieser Anmerkung zu bringen. Doch Eleyna wandte den Blick erneut ab, während sie sich den Weg weiter durch den Ort des Gedenkens suchten. Fragen… immer nur Fragen… Sie war es so leid. Die Elfe verfiel erneut in Schweigen. Sie hatte keine Lust mehr Fragen zu stellen, die ihr nur vertröstende Antworten bescherten. Sie würde fortan warten, bis man ihr freiwillig Erklärungen lieferte. Zudem war die Tatsache, dass sie offenbar zu einer Ruhestätte fuhren, etwas, was ihr Unbehagen schürte. Sie kannte niemanden in Mantron. Wieso war sie also hier? Sie hatte niemanden hier verloren… Und Celestina? Sie wollte ihr vielleicht zeigen, wer noch zu ihrer Familie gehört hatte… Doch Eleyna hätte das nicht gebraucht. Sie hätte viel mehr Antworten gebraucht, statt weitere Fragen zu öffnen. Allerdings war sie vernünftig und würde der Älteren gegenüber nichts erwähnen. Nein… Celestina besaß ihren Respekt. Wieso auch nicht? Die Frau war ihr stets sehr zuvorkommend begegnet. Nichts hatte Eleyna daran zweifeln lassen, dass sie ein gutes Herz besaß oder schlechte Absichten haben würde. Nein… Es lag lediglich daran, dass Eleyna vor neuen Offenbarungen gewappnet sein wollte. Sie wollte nicht erneut so überrumpelt werden. Also schwieg sie lieber. Wartete, beobachtete. So wie sie den Weg über beobachtete, und schließlich durchatmete, nachdem sie dann offenbar ihr Ziel erreicht hatten. Celestina erhob sich aus dem Schlitten und sie folgte ihr. Erneut runzelte sie die Stirn, während sie das leicht traurige Lächeln der Alten bemerkte. "Komm. Jetzt ist es nicht mehr weit.". Eleyna folgte ihr, doch hielt sie es nicht mehr aus: „Celestina?“, begann sie leise und hielt ihre Stimme gesenkt. Sie respektierte den Wunsch der Alten und auch so spürte sie, dass die Stimmung an diesem Ort irgendwie… andächtig war. „Wieso sind wir hier? Bitte… ich kann die Geheimnisse nicht mehr ertragen…“, offenbarte sie ihr nun doch.

Eleyna seufzte, während die Alte weiterging und sie ihr zwangsweise folgen musste. Celestina schien ganz genau zu wissen, wohin sie gehen musste, während alles für Eleyna erstmal gleich aussah. Bis sie sich der Schnitzereien bewusstwurde, die hier und dort auf den Stämmen von dickeren und dünneren Bäumen eingraviert waren. Sie musterte diese, bis die Weißhaarige stehen blieb und sie offenbar angekommen waren. Eleyna schaute auf den Baum und zurück zu ihrer Tante. „Was…?“, begann sie, doch ging Celestina auf den kleineren zu. Eleyna konnte sehen, dass dieser ebenfalls eine Gravur trug… doch was da stand, wusste sie nicht. Also widmete sie sich dem älteren Baum vor sich und sah einmal hoch in die Krone, bevor sie den Baum musterte. Sie beschlich ein seltsames Gefühl… Irgendetwas erfasste sie, von dem sie nicht sicher sagen konnte, was es war. Eleyna streckte eine Hand nach dem Baumstamm aus und berührte ihn vorsichtig. Sie beschlich das Gefühl, dass es sich hier um einen Friedwald handelte. Einem Ort, an dem die Mantroner ihren Verstorbenen gedachten. Doch… was sollte ausgerechnet sie hier? Ihr Blick kehrte zu Celestina zurück. „Sind das Mitglieder deiner Familie?“, fragte sie leise und versuchte der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Und sie meinte tatsächlich ihre Familie. Es ging ihr nicht über die Lippen, dass auch sie darin eingeschlossen war. Sie wollte nicht undankbar oder respektlos erscheinen, weshalb sie danach fragte. Ihre Augen hefteten sich auf die Rinde und suchten ganz automatisch nach einer Gravur. Mit langsamen Schritten umrundete sie den Stamm und achtete auch auf den Boden. Offenbar dachte Celestina, dass sie das hier sehen müsste. Aber warum? Warum sollte sie? Eleyna war nie in Mantron gewesen. Und sie hatte bis zum gestrigen Tag nichts aber auch gar nichts vermisst hier.
„Celestina… ich bitte dich, sag mir endlich, warum wir hier sind. Warum wir…“, sie presste die Zähne aufeinander. Eleyna war nicht dumm. Irgendetwas gab es, was ihr die Alte sagen wollte. Was sie ganz offenbar sehen musste… Doch die Gedanken, die sich in ihr aufbauen wollten, hielt sie mit aller Macht unter Verschluss. Nein! Sie durfte diese Büchse nicht öffnen. Sie war so lange unter all dem Ballast begraben. Es durfte jetzt nicht soweit kommen, dass ihr diese Reise gänzlich den Boden wegzog. Ihr Vater… ihr Vater war tot und das seit sehr, sehr langer Zeit… Vielleicht gab es einen Baum für ihn. Doch wenn dem so wäre… warum tat man ihr das an, sie hierher zu führen? "..Was willst du mir sagen?"

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 16. November 2022, 21:07

Dass der Schatten nur wenig Probleme mit der Kälte haben würde, das konnte sie sich denken. Und selbst wenn... vermutlich hatte er sich so lange kasteit, bis er auch darin perfekt wäre, nur dann zu frieren, wenn er es sich selbst gestattete! Die Vorstellung allerdings, wie er, vollkommen bloß, in einen eisigen See mit einer winzigen eisfreien Stelle sprang, um sich abzuhärten... Das wäre sicherlich ein sehenswerter Anblick gewesen!
Ihr hingegen setzte die Kälte zu, während man Celestina ebenfalls nichts davon anmerkte, dass sie keine gebürtige Mantronerin war, die es gar nicht anders kannte. Wobei... hatte sie gestern nicht etwas davon gesagt, dass ihr die Kälte rasch in die Glieder kroch und sie deswegen nicht lange draußen verweilen wollte? Nun, für diese Fahrt hatte sie sich vermutlich um einiges wärmer angezogen, um es aushalten zu können.
Ihr jedenfalls half der wärmende Topf zu ihren Füßen, sodass es unter den weichen Fellen rasch mollig warm wurde, während die Luft kalt in ihr Gesicht fuhr. Dagegen halfen Kapuze und Tuch auch nur bedingt, wenngleich weitaus besser, als wenn sie gar nichts davon gehabt hätte!
Zuerst jedoch ging es erst einmal durch einen weiteren Teil der Stadt, solange bis sie den Waldrand ereicht hatten und eindeutig dort eintauchen wollten. Bei dieser Gelegenheit gab Celestina eine Frage von sich, auf die sie vermutlich schon gewartet hatte. So kam die Antwort auch ohne lange darüber nachdenken zu müssen, ganz so, als entspräche es der Wahrheit.
Dennoch blieb der Blick der Alten noch einen Moment lang auf ihr ruhen, ehe sie wieder nach vorne sah. "Vermutlich.", meinte sie wenig überzeugt und bohrte aber nicht weiter.
Ob es sie nicht interessierte? Nein, wahrscheinlich arbeitete es durchaus in ihr. Jedoch respektierte sie ihre Nichte scheinbar ausreichend, um es ihr zu überlassen, wann sie darüber reden wollen würde. Oder sie versuchte es mit dieser umgekehrten Psychologie, indem sie so tat, als wolle sie es gar nicht genauer wissen, um die andere zum Reden zu bringen. Was auch immer ihre Intention sein mochte, sie gab Eleyna auf jeden Fall den Raum dafür, sich weiterhin auszuschweigen.
Auf diese Weise verging auch für sie die Zeit, bis die Alte kurz anhielt, um ihr eine Mahnung mitzugeben. Freundlich war dabei ihre Stimme und erweckte nicht den Eindruck, als würde sie ihre Nichte rüffeln wollen. Es wirkte schlicht und ergreifend wie eine simple Information, nicht mehr und nicht weniger. "Ja, Gedenken.", wiederholte sie mit einem Lächeln auf den Lippen und geduldigem Tonfall.
Ehe sie leise mit der Zunge schnalzte, wobei es der anderen überlassen blieb, ob damit die wieder loslaufenden Hunde oder ihre herausgeplatzte Frage gemeint war. "Geduld, mein Kind, Geduld. Es ist jetzt ohnehin nicht mehr weit.", sprach sie und beinahe könnte man meinen, ein kleines, belustigtes Funkeln wäre in ihren Augen auszumachen.
Ob sie sich das von Laogh abgeschaut hatte? Oder war die Bekanntschaft mit ihm der Grund, warum die Mischlingselfe bei ihrer Tante ähnliches zu erkennen glaubte? Jedenfalls bekam sie jetzt noch keine Antworten, sondern war weiterhin auf ihre eigenen Gedanken beschränkt, während sie immer weiter in diesen Bereich des Waldes hinein fuhren.
Solange, bis Celestina anhielt und sie ausstiegen, um die letzten Schritte zu Fuß zurück zu legen. Da hielt sie es kaum noch aus, sodass die Alte ihr einen mitfühlenden Blick zuwarf. "Ich weiß. Ich werde dir gleich Antworten geben, aber bitte, lass mich zuerst noch kurz etwas tun, das mir wichtig ist. Dann wirst du verstehen.", sprach sie ruhig und bedeutete der anderen, ihr zu folgen, tiefer hinein in diesen Abschnitt.
Bis diese sie vor einem Baum mehr oder weniger stehen ließ, um sich einem anderen, jüngeren zu zuwenden. So hatte Eleyna weiterhin Zeit für sich und all den Fragen, die in ihrem Kopf herum schwirrten. Sie besah sich den Baum, berührte ihn sogar und dennoch... Sein Geheimnis offenbarte sich ihr auch nicht. Und nun war es mit ihrer Geduld endgültig vorbei.
Während Celestina über den Stamm strich, bevor sie sich abwandte und langsam zu ihrer Nichte zurück kehrte, brach diese ein weiteres Mal das Schweigen. Kurz hielt die Alte inne und sah sich um, ehe sie nickte und den Kopf schüttelte. "Hier gedenken wir vor allem den Blutsverwandten meines Mannes."
Sie seufzte leise und ein Schatten der Trauer überzog ihr Gesicht, als sie einen Blick über ihre Schulter zurück warf. Ihre Gedanken schienen zu jenem jüngsten Stamm in dieser unmittelbaren Umgebung zurück zu kehren und zu dessen Bedeutung. Es dauerte und bedurfte einer konkreten Ansprache, bis sie sich langsam zurück in die Gegenwart zu kämpfen schien.
Bedächtig nickte sie und hielt ihr einladend die Hand hin. "Komm her, Kind.", sprach sie noch ein wenig gedämpft, bevor sie sich endgültig seelisch fangen konnte.
Sobald Eleyna direkt an ihre Seite und somit ein wenig um den Baumstamm herum gegangen wäre, deutete die Alte auf ein Symbol auf ihrer Augenhöhe, das hier eingeritzt worden war. Es bestand aus zwei Tierköpfen, die sich mit den Hinterhäuptern berührten und somit untrennbar miteinander verbunden schienen. Auf der rechten Seite war da ein Wolfs- oder Hundekopf, der auf etwas sah, das irgendwie an Schneeflocken erinnerte, unnatürlich vergrößert im Vergleich zu dem Tier, aber dadurch eben als das auszumachen, was sie darstellen sollten. Auf der anderen Seite allerdings... War das ein Fuchs? Und diese Wellenlinien... sollten die Wasser darstellen? Warum? Was bedeutete das?!
"Die Mantroner haben diesen Ort geschaffen, um sich an ihre Verwandten und Freunde zu erinnern, wenn sie nicht mehr sind. Weißt du, wenn hier jemand stirbt, wird er nicht in der Erde begraben wie andernorts, dazu ist der Boden meist viel zu hart durch den Frost und die Körper den wilden Tieren überlassen... Nein, das ist keine Lösung. Außerdem wird hier Ventha sehr verehrt, ähnlich wie in Andunie. Also gibt es Feuerbestattungen auf dem Meer. Dabei wird ein mächtiger, alter Baum gefällt und aus dessen Holz sowohl das Boot, als auch alles andere gebaut, das dazu notwendig ist. Aber wir wollen die Natur nicht ausrauben, dazu ist sie uns allen viel zu wichtig und unsere Lebensgrundlage. Somit haben die Mantroner vor vielen Menschenaltern die Tradition geschaffen, dass sie als Andenken an den Verstorbenen einen neuen Baum pflanzen und ein Symbol, das zu der Person passte, hinein zu ritzen, um anzuzeigen, für wen diese Pflanzung stattgefunden hat. Meist besteht das Symbol aus zwei Teilen, jenem, der für alle Familienmitglieder gleich ist, so wie der Hund mit den Schneeflocken, den du hier siehst. Der andere aber... der ist individuell.", erklärte sie langsam und strich nun mit ihren Fingerspitzen sanft die Linien des Fuchses nach, während sie ihre Hand dabei beobachtete.
In ihre Augen waren Tränen getreten und obwohl dieser Baum schon älter war... Das salzige Nass begann damit, eine einzelne Spur auf ihrem Gesicht zu zeichnen, ehe es in dem Stoff des Tuchs versickern konnte. "Vor vielen Jahren kam Laogh das erste Mal hierher nach Mantron und er brachte jemanden mit, der uns beiden wichtig ist... war..." Sie seufzte und schniefte verhalten.
"Beide waren mehr tot als lebendig, als sie hier ankamen. Laogh konnte ich in den Monaten danach langsam wieder aufpäppeln, bei deinem Vater hingegen..." Erneut brach sie den Satz ab und wischte sich nun ruppig über die feuchten Augen.
Jetzt endlich sah sie Eleyna wieder an, ernst und mitfühlend zugleich. "Ich möchte einfach, dass du weißt, dass es hier einen Ort gibt, an dem du um deinen Vater trauern kannst. Zu jeder Zeit, wann immer du willst. Diesen Baum hier habe ich für seine Seele gepflanzt und bin mir sicher, dass es auf diese Weise eine Verbindung zu ihm gibt, solange es jemanden gibt, der sich an ihn erinnern kann." Damit verstummte sie und überließ es ihrer Nichte, diese Information für sich zu verarbeiten.
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Mittwoch 16. November 2022, 22:28

"Ich weiß. Ich werde dir gleich Antworten geben, aber bitte, lass mich zuerst noch kurz etwas tun, das mir wichtig ist. Dann wirst du verstehen." Eleyna blickte der Alten hinterher und schluckte. Sie nutzte die Zeit, um sich den Baum näher anzusehen, doch bevor sie ihn gänzlich umrundet hatte, kam Celestina wieder zu ihr. Sie fragte sie nach der Bedeutung der Bäume und, ob das ihre Ruhestätte wäre. "Hier gedenken wir vor allem den Blutsverwandten meines Mannes." Eleyna runzelte die Stirn, sagte jedoch nichts dazu. Es drängte sie endlich zu erfahren, was sie hier sollte. Die leise Ahnung, unheilvoll in ihrem Nacken, ignorierte sie. Ihr Blick glitt ebenfalls zu dem dünneren Baum und sie schluckte abermals. Offenbar war dieser Stamm bedeutend jüngeren Alters. Eleyna wusste nichts um die Tradition, doch sie konnte sich dennoch die Dinge zusammenreimen. Mitleid regte sich in ihr, denn offenbar hatte Celestina erst kürzlich jemanden verloren. Ihren Mann? Dann aber endlich, war es so weit und die Ältere wollte mit ihr reden. Sie folgte ihrem Ruf, sodass sie neben sie trat und auf den dickeren Stamm schaute, während Celestina begann, zu erklären. Sie folgte dem Fingerzeig und erst jetzt fiel ihr das Symbol auf. Ihre Augen musterten es, glitten über die feinen Linien und erfassten den Hundekopf, der sich die Schneeflocke besah. Es war hübsch, sie konnte nicht leugnen, dass jemand sich sehr viel Mühe gegeben und Talent bewiesen hatte. Ihr Eisblau wanderte zur Seite und erkannte das zweite. Eleyna’s Blick erstarrte für eine Sekunde. Ein Fuchs? Und dieser sah offenbar auf … Wasser? Ihr Magen fühlte sich mit einem Mal wieder flau an. Hätte sie doch etwas essen sollen? Ihr Herz klopfte und sie zwang sich regelrecht, die Augen von dem Symbol zu nehmen. Es rührte zu sehr an tiefbegrabenen Erinnerungen. Bilder wollten aufzucken, die sie mühevoll gedeckelt hielt. Sie wandte sich Celestina zu, um ihre ganze Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Sie erzählte ihr über die Tradition der Mantroner und wie es zu den Pflanzungen kam. Es leuchtete ihr natürlich ein und Eleyna schaffte es sogar sich dafür zu erwärmen, wie man hier die Toten ehrte. Es war wirklich eine schöne Idee. Doch… was hatte das alles mit ihr zu tun?

Eine leise Stimme flüsterte ihr zu, dass sie es sehr wohl wusste. Dass sie wusste, wieso sie hier war. Aber sie wollte das nicht. Plötzlich aber begann die Weißhaarige vor ihr zu weinen. Alles in Eleyna verkrampfte sich und ihr Magen rebellierte gegen die aufkommenden Bilder, die drohten sie zu überfallen. Eleyna presste die Lippen aufeinander und ertrug stumm den Gefühlsausbruch. "Vor vielen Jahren kam Laogh das erste Mal hierher nach Mantron und er brachte jemanden mit, der uns beiden wichtig ist... war..." Sie zuckte wie unter einem Peitschenhieb und wandte den Kopf so ruckartig wieder zum Stamm, dass man hätte glauben können, es knackte in ihrem Nacken. Sie wollte das nicht hören! "Beide waren mehr tot als lebendig, als sie hier ankamen. Laogh konnte ich in den Monaten danach langsam wieder aufpäppeln, bei deinem Vater hingegen..." „Hör auf!“, schnitt sie der Älteren die Worte ab und richtete ihre Augen auf eine unbestimmte Stelle irgendwo im Wald. Sie wirkte verbissen und unnahbar, doch Celestina ließ sich nicht beirren. "Ich möchte einfach, dass du weißt, dass es hier einen Ort gibt, an dem du um deinen Vater trauern kannst. Zu jeder Zeit, wann immer du willst. Diesen Baum hier habe ich für seine Seele gepflanzt und bin mir sicher, dass es auf diese Weise eine Verbindung zu ihm gibt, solange es jemanden gibt, der sich an ihn erinnern kann."„Sei still!“, zischte die Halbelfe und schloss die Augen. Die Gefühle waren zahlreich. Sie waren nie verwunden, sie waren nie vergangen. Eleyna hatte stets mehr und mehr Ausflüchte gesucht und gefunden, um sich nicht damit beschäftigen zu müssen. Um dem Wahnsinn Einhalt zu gebieten, der sich ihr als Kind bemächtigen wollte. Und jetzt, Jahre später, wurde sie so unvermittelt damit konfrontiert. Ihr wurde schlecht. Eleyna wich vor Celestina zurück und taumelte regelrecht einige Schritte. Sie fasste sich an den Bauch und presste die Augen zusammen. Der Schmerz war unbeschreiblich.

Als sie ihre Augen wieder öffnete, starrte sie direkt den Fuchs am Baum an. Ihr Herz überschlug sich fast vor Qual. „Wieso tut ihr mir das an?!“, hauchte sie und keuchte unter einer weiteren Welle des Schmerzes. Eleyna wandte sich ab und atmete einige Male tief. Laogh! Er! Sie musste sich auf etwas anderes konzentrieren! Sie richtete sich langsam wieder auf und hatte Celestina noch einen Moment lang den Rücken zugedreht. Doch dann wandte sie sich um. Ihr Gesicht wirkte emotionslos und glatt, während das Blau ihrer Augen noch eisiger wirkte. „Wie ist das möglich, was du sagst?“, sprach sie nüchtern und zeigte keine Anstalten mehr, dass sie etwas bei der Offenbarung empfand. „Mein Vater starb bei… Er starb bei dem Brand, den meine Mutter legte.“, teilte sie ihr schonungslos mit, ohne zu wissen, ob Celestina überhaupt davon wusste. „Wie kannst du behaupten, dass ausgerechnet Laogh ihn hierhergebracht hatte. Wann?“, verlangte sie fast schon gebieterisch zu wissen. Eleyna konnte das nicht. Sie ertrug das nicht. Sie musste sich vollkommen davon freimachen, denn ansonsten würde ihr das Herz zerspringen, wie es vor Jahrzehnten geschehen war. Und sie würde sich in die Vorstellung flüchten, dass sie ihren Vater sehen und mit ihm sprechen konnte. Dass er bei ihr wäre. Sie nie verlassen hätte. Und was half da besser, als sich darauf zu konzentrieren, was eine weitere Kerbe in ihrer Seele bildete? „Laogh soll meinen Vater gekannt haben. Wieso? Wieso hat er ihm geholfen? Das ergibt keinen Sinn. Das… Das würde bedeuten, dass er schon immer gewusst hatte… dass er…. Dass meine Mutter…“, Eleyna geriet über ihre kühlen Gedanken ins Stocken. Sie vermied es tunlichst den Baum anzusehen. „Er hat mir nie ein Wort gesagt. Er… er…“ Sie schluckte und ballte die Hände zu Fäusten. „Wieso quält er mich nur so?!! Wieso lasst ihr mich nicht einfach alle in Ruhe?! Ich brauche niemanden! Ich habe euch nie gebraucht! Ich bin… ich will… Ich …“, Eleyna bebte.

Sie musste sich so beherrschen, kämpfte einen immensen Kampf, nicht hier und jetzt unter der Last zusammenzubrechen. Sie wollte das nicht. „Ihr habt nicht das Recht, mir das anzutun!“, zischte sie und wandte sich von Celestina ab. Eleyna ging einige energische Schritte von ihr weg. „Mein Vater starb bei einem Brand. Wie ich später herausfand, hatte meine Mutter das Feuer gelegt, um mich mit nach Morgeria zu nehmen. Ich sollte dort…. Ausgebildet werden. Und jetzt erzählst du mir, dass er überlebt hat. Dass er… dass er mit Hilfe des Mannes bis hierhergekommen war, der auch mich… Nein. Genug!“, fauchte sie abermals und ging die Schritte weiter, um diesen Ort zu verlassen. „Fahr mich zurück, Celestina. Jetzt!“, verlangte sie und wirkte so verschlossen in ihrem Wesen, dass man nur erahnen konnte, wie sehr sie dieser Verlust bis heute quälte. Und die Erkenntnis, dass es die eigene Mutter war. Nun zu hören, dass ihr Vater eigentlich überlebt hatte… Eleyna verbot sich darüber nachzudenken. Wäre sie doch bloß niemals dem Schatten begegnet. Dann hätte sie weiter das machen können, was ihr half die Schuld gegenüber ihrem Vater einzulösen. Sie zu tilgen. Denn es war sie, die ihn das Leben gekostet hatte. Sie, der Mischling. Ein Experiment, wie Laogh ihr mitteilte. Nur ihretwegen musste ihr Vater sterben…

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 17. November 2022, 09:58

Für Celestina war dieser Ort von großer Bedeutung, das war ihr deutlich anzumerken. Außerdem lebte sie seit mittlerweile gut fünfzig Jahren in Mantron und es hätte dem Bild, das sie bislang geboten hatte, kaum entsprochen, wenn sie sich nicht auch auf diese neue Heimat eingelassen hätte mit all ihren Gebräuchen und Sitten.
Hinzu kam eben der Umstand, dass es hier auch inzwischen zwei Stämme zum Andenken von Personen gab, die mehr als wichtig in ihrem Leben gewesen waren. Zum einen war da noch der relativ junge Baum ihres verstorbenen Mannes, zu dem sie auch zuerst ging, um stumm Zwiesprache mit ihm zu halten. So, wie sie es immer tat, wenn sie hierher fuhr und das war in regelmäßigen Abständen, weil es ihr Trost und Kraft schenkte, seit sie nach seinem Tod selbst zurück ins Leben gefunden hatte.
Dann allerdings konnte und musste sie sich auf ihre Nichte konzentrieren und wollte ihr endlich jene Erklärungen geben, die sie ihr schuldete. In welch tiefes seelisches Verderben sie die andere damit jedoch stürzte... damit konnte sie nicht rechnen. Also zeigte sie ihr erst einmal das Symbol, das sie selbst entworfen und von dem damals besten Schnitzer in ihrem Bekanntenkreis hatte eingravieren lassen, ihrem Mann.
Jedes Mal, wenn sie es sah, wärmte es ihr Herz und machte sie zugleich unendlich traurig, weil es sie an andere... frühere Zeiten erinnerte. Nicht immer unbedingt die besseren, aber zumindest jene, in denen sie nicht auf ein langes Leben zurück blicken musste, sondern das Vertrauen der Jugend besessen hatte, die eine lange, rosige Zukunft vor sich gehabt hatte.
Somit musste sie auch für sich zuerst einen Bogen schaffen, an dem sie entlang gehen konnte, indem sie von der Bestattungstradition der Mantroner erzählte. Dieser Rahmen musste sein, damit Eleyna verstehen würde, was sie hier vorfand. Dass sich die Alte indes selbst damit quälte, weil auch sie voll von Erinnerungen war, davon zeugte die Träne, die hervorquoll und die sie nicht unterdrücken konnte.
Ihr Bruder... ihr großer Bruder fehlte ihr, seit sie ihn auf seinem letzten Weg begleitet hatte. Es war das eine gewesen, aus Andunie fortzugehen für die Liebe und die eigene Familie. Doch es war noch einmal etwas ganz anderes zu wissen, dass der geliebte Bruder niemals wieder eine Nachricht würde schicken können, weil er nicht mehr lebte. Noch schlimmer erging es ihrem Herzen in Bezug auf ihren Gatten, das allerdings sollte nicht die Sorge ihrer Nichte sein.
Die mehr als abweisend auf die Erzählung reagierte, als sie persönlicher wurde. Trotzdem ließ sich Celestina nicht beirren, wischte sich über die Augen und rang um Fassung, um die andere so ruhig und mitfühlend wie möglich anzusehen. Sie nahm ihr die Worte nicht übel, denn sie erkannte in dem plötzlich aufwallenden Zorn durchaus auch die auf diese Weise verschleierte Trauer. Oder glaubte es zumindest in dem Wissen, dass sie ein kleines Kind gewesen war, als es geschehen war.
So hielt sie schließlich tatsächlich inne und wartete, bis der Sturm abflaute... oder sich wie eine kräftige Welle brechen konnte, um wieder ruhiger werden zu können. Dennoch schnitt es auch ihr ins Herz bei dem Leid, das sie in den Augen ihres Gegenübers zu sehen bekam, als diese ihre Frage hauchte.
Die Mimik der Alten, sofern sie nicht von dem Tuch verborgen wurde, wurde weicher, noch mitfühlender. "Weil es Zeit ist, dass du Antworten bekommst.", erwiderte sie mit sanfter Stimme und wollte auf sie zugehen, um sie mütterlich in den Arm zu nehmen.
Da die Mischlingselfe sich jedoch abwandte, ließ sie ihr diese Freiheit. Langsam nickte sie, als die Jüngere wieder zu sprechen begann. "Das weiß ich, Kind. Ich habe Tag und Nacht versucht, seine Brandwunden zu heilen, habe mit allen gesprochen, die etwas darüber wussten, aber..." Nun kehrte auch der Schmerz in ihren Blick zurück und mit einem bedauernden Seufzen deutete sie ein Kopfschütteln an. "Es waren zu viele und zu schwere. Am Ende habe ich sein Leid nur noch lindern und bei ihm sein können."
Es war auch für sie eine äußerst harte Zeit gewesen, in der sie viel durchgemacht hatte. Doch das sollte Eleyna nicht bekümmern, denn sie konnte nichts dafür und sollte nicht noch mehr leiden. Es war Vergangenheit, auch wenn es sogar Celestina schwer fiel, es als abgeschlossen anzusehen. Die Wunden von damals in ihrem Herzen brachen eben auch bei ihr noch immer von Zeit zu Zeit auf.
Schon prasselten die nächsten Fragen auf sie ein und sie bemühte sich, ihren eigenen Kummer zu verdrängen, um der ruhige Fels in der Brandung zu bleiben, den sie ihrer Nichte nun bieten wollte, damit dieser Halt daran finden könnte. "Weil sie Freunde waren.", sprach sie langsam und mit Bedacht, als würde sie ahnen, dass diese Nachricht noch mehr auslösen könnte, als ohnehin schon.
Zwar wusste sie nicht, wie genau die Beziehung zwischen den beiden Spionen aussah, denn auch sie hatte gestern keine Gelegenheit gehabt, mit ihrem langjährigen Wegbegleiter zu sprechen. Außerdem kannte sie ihn gut genug und wüsste schon im Vorhinein, dass er sich dazu kaum herablassen würde, ihr Informationen zu geben, die er für sich behalten wollte. Aber sie konnte beobachten und deuten und das verriet ihr so einiges.
Nun allerdings schwieg sie und ließ ihre Nichte weiterhin toben. Nur einmal musste sie sich einmischen. "Wir dachten damals alle, es wäre ein Unfall gewesen und deine Mutter hätte nur noch dich retten können.", sprach zwar weiterhin ruhig, allerdings auch mit einer scharfen Klarheit in der Stimme, dass man gar nicht erst auf die Idee kämen konnte, dass dies nicht der Wahrheit entsprach. Das musste sie einfach klar stellen, denn niemals hätte sie tatenlos herum gesessen und zugelassen, dass eine vermeintliche Mörderin das Kind ihres Bruders bei sich behielt!
Daraufhin kam der Wunsch nach einer Rückkehr und Celestina nickte, um ihr wortlos bis zum Schlitten zu folgen. Erst, als ihre Nichte saß, griff sie nach ihrer Hand und brachte sie auf diese Weise gezielt dazu, sie wieder anzusehen. "Eines musst du noch wissen.", begann sie und würde jeglichen Versuch, ihren Fingern zu entkommen, mit Kraft vereiteln. Kraft, die sie sich beim Führen von Hundeschlitten in all den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet hatte.
"Laogh gibt sich bis heute die Schuld, dass er deinen Vater nicht retten konnte.", fuhr sie fort und seufzte erneut, als sie nun ihrerseits die Hand los ließ. "Bedenke das, während du ihm die Augen auskratzen willst.", schloss sie, machte die Führungsleine los und stieg selbst in den Schlitten.
Sobald sie sich mit den Fellen bedeckt hatte, gab sie den Tieren das Zeichen zum Aufbruch. Langsam und behutsam wendete sie das Gefährt und ließ die Hunde das gemächliche Tempo bestimmen, mit dem sie sich nun erst einmal fortbewegen würden, damit die Mischlingselfe Zeit hätte sich zu beruhigen.
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Freitag 18. November 2022, 23:14

Nicht jeder fand sein Seelenheil darin, an einen Ort zu kommen, um um die Verstorbenen zu trauern. Celestina hatte Eleyna etwas Gutes tun wollen. Sie hatte ihre Nichte an eben den Ort gebracht, der für sie Frieden bedeutete. Hier konnte sie nach allen Ehren der Mantroner an ihre Liebsten denken. Sie konnte ihnen nahe sein, sie berühren, wenn sie wollte. Das persönliche Zeichen war eine wertvolle Erinnerung und half ihr, sich an ihren Bruder und an ihren Ehemann so zu erinnern, wie sie es gern wollte. Doch leider schaffte sie damit ein bodenloses Loch der Qualen für die Jüngere. Eleyna kämpfte einen harten Kampf, sich nicht von ihrem Schmerz überrennen zu lassen. Sie war selbst von der Heftigkeit überrascht, denn ihre Fähigkeit, sich vor den Dingen zu verschließen, hatte gerade in diesem Punkt ganze Arbeit geleistet. Der Verlust ihres Vaters war wohl der größte Schmerz, den Eleyna je fühlen würde. Unvermittelt mit der Blutsfamilie konfrontiert zu werden, hatte einen großen Riss in ihr sorgsam aufgebautes Konstrukt aus Verdrängung und Abschirmung gerissen. Doch dass sie nun auch noch vor das Grabmal ihres Vaters gestellt wurde, ohne, dass sie sich damit hätte auseinandersetzen können, zog ihr buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Sie wollte von der schier endlosen Qual nicht überrollt werden. Sie wollte nicht hören, wie ihr Vater den Brand doch überleben konnte, um dann an den Folgen zu versterben – hier in Mantron. Und sie wollte nicht hören, dass es Laogh war, der sich seiner angenommen und ihn gerettet hatte. Weil sie die Schmerzen in ihrem Innern nicht aushalten konnte, kämpfte sie darum, sie wieder einzusperren. Sie weit in sich zu begraben, bereit sie nicht mehr herauszulassen. Eleyna hatte nicht das Gefühl, dass sie das überleben könnte, wenn sie wahrlich… fühlte. Seit 46 Jahren trug sie diesen Schmerz in sich. Seit 46 Jahren hat sie sich niemals damit wirklich auseinandergesetzt. Suchte ihre Zuflucht in waghalsigen Aufträgen, in Gefahrensituationen. Nur, um den Schmerz betäuben zu können. Und weil nach so langer Zeit die Gefühle nicht unbedingt leichter wurden, vergrub sie sie wieder. Und fragte stoisch die Fragen, die sich aus Celestina’s Erklärungen ergaben. Die Antworten waren nicht unbedingt dafür ausgelegt, dass sich Eleyna leichter in ihren Kokon zurückziehen konnte… Sie zerfetzten die harte Schale und schlugen Löcher in den schützenden Wall an Emotionslosigkeit. Sie kämpfte. Wie sie immer kämpfte.

"Das weiß ich, Kind. Ich habe Tag und Nacht versucht, seine Brandwunden zu heilen, habe mit allen gesprochen, die etwas darüber wussten, aber...", der sichtbare Schmerz in den blauen Augen der Weißhaarigen, erinnerten Eleyna daran, die Augen abzuwenden. Stur sah sie in die Baumreihen, die sie nicht mal wirklich erkannte. "Es waren zu viele und zu schwere. Am Ende habe ich sein Leid nur noch lindern und bei ihm sein können." Wut. Sie empfand Wut bei den Worten. Und Hass, Hass auf ihre Mutter. Ihr Vater muss gelitten haben… unvorstellbare Schmerzen. Ein Kloß bildete sich in ihrer Kehle und in ihrem Herzen zog es verräterisch. Die bloße Vorstellung ruinierte sie. Es würde sie zerstören, so glaubte sie. Also fragte sie stoisch weiter, bloß nicht anhalten, bloß nicht innehalten. Sie musste in Bewegung blieben, durfte nicht eine Sekunde aufhören dieses Thema so neutral wie möglich zu betrachten. Sonst wäre alles verloren. Eleyna fragte nach Laogh. Und wieso er es war, der ausgerechnet den Retter mimte! "Weil sie Freunde waren." Eleyna spürte, wie sämtliche Gefühle aus ihrem Innern wie weggewischt waren. Da war nur noch eine Leere. Ein Hülle ihrer selbst… Freunde?!! Ihr wurde augenblicklich kalt und ihr wich die Farbe aus dem Gesicht. Sie warf ihrer Tante einen Blick zu und runzelte die Stirn. Das konnte doch nicht sein! Das würde bedeuten, dass der Mann, dem sie das erste Mal vor Wochen begegnet war, der sie zu Arrond gebracht hatte und ihre Mutter kannte, ihren Halbbruder.. der sie verführt und… ihr einen Teil ihres Herzens gestohlen hatte… Was… was für ein krankes Spiel spielte er mit ihr?! Eleyna verschränkte die Arme und wollte so alles aussperren, was keinen Platz in ihrer aufgewühlten Gedankenwelt hatte. Sie musste hier weg. Sie musste weg… das war schon immer ihre Strategie. Weg von dem, was ihr Schaden zufügte. Sie war nicht wie Laogh. Er konnte seine Gefühle an und abstellen – doch sie? Sie…unterdrückte nur. Und es bedurfte nur eines kleinen Piekses, sodass sie aufspringen und alles offenbaren würde. Eleyna wiederholte Mantra-artig den Ablauf der Geschehnisse. Neutral. Nüchtern. Sie wollte keine Emotionen nach außen tragen und offenbarte ihrer Tante so vieles. Und mehr, denn sie rechtfertigte sich. Eisblaue Augen ruhten auf ihr. Doch Eleyna schnaubte und schüttelte langsam den Kopf. „Selbst wenn. Morgeria hätte euch verschlungen.“, versuchte sie irgendwie bittere Absolution zu erteilen. Ob es half, wusste sie nicht. Doch um nicht noch mehr zu sagen oder zu hören, verlangte sie die Rückkehr. Sie wollte nicht länger hierbleiben.

Der Entschluss stand fest. Also folgte sie dem Weg zurück, setzte sich in den Schlitten und wandte verschlossen das Gesicht in die andere Richtung. "Eines musst du noch wissen.", kam es plötzlich, gepaart mit einer Berührung ihrer Hand. Eleyna starrte auf die Geste und wollte ihre Finger befreien, doch Celestina bewies Kraft und ebenfalls einen immens starken Willen, sodass sie die Ältere mit einem Funkeln im Blick ansah. "Laogh gibt sich bis heute die Schuld, dass er deinen Vater nicht retten konnte. Bedenke das, während du ihm die Augen auskratzen willst." Plötzlich schwammen Tränen in Eleyna’s Augen. Sie presste die Lippen aufeinander und nahm ihre Hand, nachdem sie losgelassen wurde, energisch wieder zurück. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und starrte stur geradeaus. Er hatte Schuldgefühle… Er hatte sie, weil ihr Vater sein Freund gewesen war… Eleyna mahlte mit dem Kiefer und bekam einen zornigen Ausdruck. Wann hatte er ihr das sagen wollen?! „Freunde?!“, platzte sie plötzlich heraus. „Wie?! Wie kam es dazu?! Woher? Und wieso… wusste er davon, was geschehen würde? Wieso war da?!“, prasselten die Fragen auf ihre Tante nieder und Eleyna sah nicht ein Mal zu ihr hin. Aus Angst, sie könne sonst zusammenbrechen. Sie starrte auf die vorbeiziehenden Bäume… auf das Weiß der Landschaft, welches so beruhigend sein könnte. Wenn sie nicht innerlich zerreißen würde... „Wieso hat er mir das nicht erzählt…“, murmelte sie und schloss die Augen. „Wusstest du, dass ich Schuld an seinem Tod bin?“, kam es unvermittelt nach einer Weile des Schweigens von ihr. Eleyna klang noch immer so, als besäße seine keine Emotionen. Die Tränen waren nicht übergeschwappt, sie hatte sie erfolgreich niedergerungen. Wiedermal. „Ich bin ein Experiment. Ja… richtig. Eine Zucht, die meine Mutter durchführte. Und als ich alt genug wurde, …. Musste mein Vater sterben.“. Bitterkeit. Es lag so viel Bitterkeit in ihren Worten, dass ihre auferlegte Emotionslosigkeit schon beinahe etwas Tragisches hatte. „Ich habe sogar einen Halbbruder – Arvid. Er ist zur Hälfte Eiself. Er war die nächste Kreuzung. Um den resistenteren Mischling zu schaffen…“, erzählte sie weiter, ohne ihren Blick von der Umgebung zu nehmen. „Verstehst du, Celestina?“, sie wandte nun den Kopf und ihre Tante konnte die Schuld in ihr erkennen. Und doch blieb ihr Gesicht glatt. Unaufgewühlt. Als wäre sie innerlich tot. „Ich bin schuld, dass mein Vater… dein Bruder… gestorben ist. Nicht… Laogh.“, flüsterte sie fast, ehe sie den Blick wieder abwandte. Sie sah nicht so aus, als ob sie noch etwas sagen wollte. Sie starrte die Umgebung an und sah sie dennoch nicht. Sie vergrub sich in ihrem Innersten… weit weg von all den Gefühlen, all dem Schmerz und dem pechschwarzen Ballast von Schuld. Sie wollte nichts mehr fühlen…

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Sonntag 20. November 2022, 14:21

Auch die Alte wusste durchaus, dass es nicht jedem so viel geben konnte, hier an diesem Ort zu verweilen. Jonte war solch ein Beispiel, auch wenn sie das gern darauf schob, dass er nun einmal ein Mann war und deswegen nicht in der Lage war, seine Gefühle zu zeigen. Wie er mit Gunni und seinen Kindern umging, zeugte zwar vom Gegenteil, aber... es machte es ihr einfacher zu akzeptieren, dass noch immer sie diejenige war, die am ehesten zu dieser kleinen Lichtung kam.
Und Laogh, einmal im Jahr... Wobei er stets darauf beharrte, allein hierher zu kommen und nichts davon verlauten ließ, was genau er hier machte, ehe er stets erschöpft zurück gekehrte. Anfangs hatte sie ihm das noch ausreden wollen, jedoch war er derjenige, der sich letztendlich durchgesetzt hatte... und bei dem sie es tatsächlich auch akzeptiert hatte.
Jetzt hingegen hatte sie ihrer Nichte nicht nur diese Tradition der Mantroner näher bringen wollen, sondern ihr ebenfalls diesen Ort als Zuflucht bieten wollen, um ihr obendrein ein paar Antworten zu geben. Die Reaktion war... gelinde gesagt, heftig. Mehr, als Celestina erwartet hatte, und auch andersgearteter. Allerdings hatte sie in ihrem Leben schon so oft mit Trauer zu tun gehabt, dass sie einige Formen davon kannte und auch in diesem Benehmen jenes Gefühl zu erkennen glaubte.
Deswegen blieb sie so ruhig wie möglich, stellte ihre eigenen Gefühle hintan und wollte schlicht und ergreifend der Halt für die Jüngere sein, auch wenn diese nicht in der Lage dazu war, es anzunehmen. Im Gegenteil, es endete damit, dass sie viel zu rasch von hier fort wollte.
Ihre Tante akzeptierte es... dieses Mal! Sie selbst hätte Stunden an diesem Ort zubringen können und war überzeugt davon, dass auch die andere ihren Trost darin würde finden können, sobald sie dies zulassen würde. Aber im Moment war sie dazu offensichtlich nicht in der Lage und die Alte wollte sie nicht zu ihrem Glück zwingen.
Nun ja... nicht so offensichtlich zumindest, denn im Prinzip hätten sie sich diese unschöne Szene hier durchaus ersparen können, wenn sie davor schon geredet hätte. Jedoch war sie eben anderer Überzeugung gewesen und würde sich dafür auch nicht entschuldigen.
Stattdessen folgte sie der Mischlingselfe bis zum Schlitten, hatte allerdings noch eine wichtige Botschaft für sie, ehe auch sie einstieg und die Hunde langsam wenden und loslaufen ließ. Denn es war ihr wichtig zu betonen, dass Laogh in diesem Fall nicht der Böse war. Er hatte sein Bestes getan damals und sie hatte gesehen, wie sehr ihn die Schuld von innen aufgefressen hatte, obwohl es nicht an ihm gelegen hatte. Sie alle waren getäuscht worden und am Ende hatte es ihr Bruder mit dem Leben bezahlt, um zeitgleich in seiner Tochter weiter zu leben. Die Vergangenheit war nun einmal so geschehen und so schwer es auch fallen mochte, sie musste damit zurecht kommen.
So fuhren sie eine Zeit lang gemächlich durch diesen Teil des Waldes und schwiegen, bis es die Jüngere nicht mehr aushielt. Leicht erschrak Celestina bei dem ersten Wort und zog unwillkürlich an der Führungsleine, sodass die Hunde irritiert stehen blieben und sich hechelnd umsahen. Die Frau seufzte leise, deutete ein Kopfschütteln an und gab den Tieren das Zeichen, dass sie weiter gehen konnten.
"Das weiß ich selbst alles nicht, Kind, tut mir leid.", gestand sie ihr ehrlich und, nachdem sie sich überzeugt hatte, dass alles wieder seinen rechten Gang lief, drehte ihren Kopf zu ihrer Nichte. Ehrliches Bedauern stand in ihrem Blick deutlich zu lesen. "Er ist schwierig mit all seiner Geheimniskrämerei, ich weiß. Oft muss man ihm jeden einzelnen Faden mühsam aus der Nase ziehen. Aber wenn du die richtigen Fragen stellst und hartnäckig bleibst in deiner Geduld, wird er dir antworten.", gab sie ihr den Rat. Auf diese Weise hatte sie zumindest hin und wieder Informationen erhalten über Dinge, die sie unbedingt hatte wissen wollen.
Langsam wandte sie ihren Kopf zurück nach vorne und seufzte verhalten, denn es war trotz allem ein schwieriges Thema und auch sie hatte mit ihrer eigenen Trauer noch immer zu kämpfen. Bei ihr waren ebenfalls die ein oder andere Wunde aufgerissen, doch im Gegensatz zu ihrer Nichte hatte sie wenigstens von deren Existenz gewusst. Warum Laogh es Eleyna hingegen nicht erzählt hatte... wusste und verstand sie selbst nicht.
Dafür hatte sie vor einigen Jahren endlich etwas anderes begriffen. "Ich glaube, er hat es dermaßen verinnerlicht, dass sein Leben von seinen Geheimnissen abhängt, dass er nicht länger unterscheiden kann, wann das wirklich zutrifft und wann er offener sein sollte.", fügte sie in mitfühlendem Tonfall an.
Bis die andere eine ihrer Einsichten zum Besten gab. "Wie bitte?!", entfuhr es ihr heftig und übertrug sich auch auf die Führungsleine. Dieses Mal jaulte einer der Hunde sogar auf, als sie plötzlich stehen bleiben sollten. Schwänze zuckten irritiert und Ohren drehten sich, um auf jegliches Geräusch, das ihnen Aufschluss über diesen neuerlichen Halt geben könnte, zu achten. Nur eines der Tiere nutzte die Unterbrechung, um ungeniert sein Geschäft an Ort und Stelle zu verrichten. Celestina bemerkte es nicht einmal, sondern starrte ihre Nichte entsetzt an.
"Was redest du da?! Du warst ein Kind, ein kleines, unschudliges Kind! Du hast genauso wenig Schuld wie Laogh, das war alles das Werk dieser verfluchten, morgerianischen Hexe!", empörte sich die Alte und schüttelte entschieden den Kopf. Doch die Mischlingselfe war gefangen in ihren eigenen Gedanken und erinnerte sie daran viel zu sehr an Laogh, sodass sie zu spüren schien, dass sie auf diese Weise nicht zu ihr durchdringen würde.
Einige Momente lang sah sie noch schnaufend auf ihre Nichte, die den Blick abgewandt hatte, ehe sie sich langsam besann und die Hunde wieder losgehen ließ. Die nächsten Minuten schwiegen sie, während auch Celestina ein paar neue Informationen zu sortieren hatte. Vor allem eine war bei ihr hängen geblieben, da sie ihr angemessen schien, die verquere Logik ihrer Nichte durchkreuzen zu können. Denn sie selbst würde niemals akzeptieren, dass diese sich die Schuld für etwas aufbürdete, das sie gewiss nicht verschuldet hatte!
"Und dieser... dieser Halbbruder, den du erwähnt hast, dieser... Arvid?", begann sie langsam und achtete darauf, wann Eleyna aufmerken würde als Zeichen, dass sie ihr dennoch zuhörte.
Als es soweit war, warf sie ihr einen kurzen, fragenden Blick zu, ehe sie erneut nach vorne sah. "Was ist mit dessen Vater passiert? Hat sie den auch umgebracht?" Denn das wäre für sie die einzige logische Konsequenz und umso mehr ein deutlicher Beweis dafür, dass es sich bei Eleynas Mutter um eine Mörderin handeln musste, die einer schwarzen Witwe gleich agierte. Ein Zeichen, dass ihre Nichte absolut unschuldig daran wäre!
Wenngleich es auch für sie neu war, dass dieser angeheiratete Teil der Verwandtschaft um ein Mitglied erweitert worden war. Darüber hatte Laogh nichts erzählt... und sie hatte auch nicht wirklich danach gefragt. Ihr war nur wichtig gewesen zu wissen, ob es der Tochter ihres Bruders gut ging und ob sie lebte, um sie irgendwann einmal treffen und sehen zu können, was aus ihr geworden war. Mehr hatte auch sie nicht tun können, denn ihre eigene direkte Familie hatte sie hier in Mantron stets gebraucht.
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Montag 21. November 2022, 07:45

Mit der Vergangenheit abzuschließen würde bedeuten, dass sie akzeptierte, was geschehen war. Doch Eleyna konnte das nicht. Ihre ganze Existenz, das was sie war, fußte auf einer schrecklichen Lüge und einem grausamen Mord. Sie hätte hier in Mantron Frieden finden und Absolution erteilen können, doch wie könnte sie das? Ihr Vater war gestorben, weil er unnütz für ihre Mutter geworden war. Weil sie, Eleyna, alt genug und überlebensfähig geworden war. Er hätte dem Umzug nach Morgeria niemals zugestimmt… ihre Mutter hätte diesen nie rechtfertigen können, vor ihm. Andunie war ihre Heimat und ihre Mutter behauptete immer, dass es Liebe gewesen wäre. Ein fataler Irrglaube, wie sich für ihn und sie herausstellen sollte. Die Halbelfe konnte nicht einfach aufhören daran zu denken und ihr Leben weiterführen. Alles was sie tat, was sie konnte und ausmachte hätte einem völlig anderen Zweck dienen können, wenn sie damals nicht aus diesem brennenden Haus hätte fliehen müssen. Zusammen mit ihrer Mutter, die sie schützend gehalten und beruhigend auf sie eingeredet hatte. Sie glaubte, dass sie sicher wäre. Und war es seit diesem Tag nie wieder. Beständig in Angst und Kummer aufzuwachsen, zeichnete eine Kinderseele fürs Leben. Eleyna machte das Erlebte misstrauisch. Die Informationen, die sie peu a peu dazu erhielt, taten ihr übriges. Sie konnte den Tod nicht verwinden. Die Liebe zu ihrem Vater, zu seiner Herkunft, seinem Wesen, war immens gewesen. Und sie wurde nicht in Liebe aufgefangen, sodass sie Halt darin finden konnte. Man hatte sie nach Morgeria verschleppt, alleingelassen und dem Kummer keine Bedeutung beigemessen. Sie hatte sich allein zurechtfinden und erwehren müssen, sodass sie nun nicht mehr in der Lage war, sich jemandem einfach so zu öffnen. Und war Laogh damit sehr viel ähnlicher als sie erkennen wollte.

"Er ist schwierig mit all seiner Geheimniskrämerei, ich weiß. Oft muss man ihm jeden einzelnen Faden mühsam aus der Nase ziehen. Aber wenn du die richtigen Fragen stellst und hartnäckig bleibst in deiner Geduld, wird er dir antworten.",versuchte die Ältere sich in Diplomatie und erntete von der Halbelfe nur ein Schnauben. Noch immer hielt sie den Blick abgewandt, die Miene kühl und glatt. "Ich glaube, er hat es dermaßen verinnerlicht, dass sein Leben von seinen Geheimnissen abhängt, dass er nicht länger unterscheiden kann, wann das wirklich zutrifft und wann er offener sein sollte.", brach sie eine Lanze und Eleyna schwieg dazu. Obwohl sie ihr zustimmte, wenn auch innerlich. Laogh wusste nicht mehr, wie man zwischenmenschlich agierte. Er verlor sich in seinem geheimen Wissen und stieß ihr wieder und wieder und wieder vor den Kopf. Wenn er wenigstens ein wenig angedeutet hätte. Das ganze wäre sicherlich anders verlaufen. Das hätte den Schmerz nicht geschmälert, hätte ihr keinen Frieden gebracht. Aber wenigstens die Chance darauf, sich ein wenig wappnen zu können. Jetzt aber war da nur der eiserne Mantel, den sie über ihr Herz gelegt hatte. Damit die Schuld, die sie empfand, die Reue und die Bitterkeit all dessen nicht würde ertragen müssen.
Eleyna zog sich soweit zurück, dass sie Celestina auch sachlich und konkret neue Informationen geben konnte. Dass die andere sich darüber echauffierte, brachte sie nur bedingt dazu, zu ihr zu sehen. „Was redest du da?! Du warst ein Kind, ein kleines, unschuldiges Kind! Du hast genauso wenig Schuld wie Laogh, das war alles das Werk dieser verfluchten, morgerianischen Hexe!",beschied sie und Eleyna betrachtete die Hunde, die innehalten mussten. „Richtig. Aber ich war der Grund.“, fügte sie trocken an, ehe sie sich erneut abwandte. Sie fuhren einen Moment, bis Eleyna noch mehr preisgab.
Dass Celestina davon nichts gewusst hatte, wurde mehr als deutlich. Irgendwann würde die Spionin Celestina dafür sicher danken können, dass sie empathisch und behutsam versuchte, mit ihrem Sturkopf umzugehen. Dass sie sich so sehr bemühte, ihr einen sicheren Raum zu geben, in dem sie hätte sprechen können. Aber jetzt noch nicht. Das hart Erlernte trat in den Vordergrund und zeigte sich hartnäckig. "Und dieser... dieser Halbbruder, den du erwähnt hast, dieser... Arvid? Was ist mit dessen Vater passiert? Hat sie den auch umgebracht?" Die Spionin wandte ein wenig den Kopf und sah, statt zur Seite, nun geradeaus. „Das weiß ich nicht. Es läge nahe, wenn sie das einer schwarzen Witwe gleich getan hätte. Wir sind uns nur kurz begegnet. Ich wusste nicht, wer er war. Er jedoch hat es aufgrund irgendeiner Erinnerung herausgefunden. Er hat Laogh aufs Übelste beschimpft und war außer sich vor Zorn als er erkannte, dass Laogh mit mir reiste. Er schickte ihn irgendwohin…, nahm mir die Chance, meinen Halbbruder kennenzulernen, weil er glaubt, dass Arvid mich töten würde.“, offenbarte sie ihrer Tante weiter. „Laogh kennt meine Mutter gut, so wie es den Anschein hat. Ganz im Gegensatz zu mir…“, bemerkte sie noch und wandte wieder den Kopf zur Seite. Man konnte ihr anmerken, dass sie lieber über diese Dinge sprach als über ihren Vater und dessen Tod. Hier ballten sich nicht so viele Emotionen, auch wenn Eleyna unwahrscheinlich wütend auf Laogh gewesen war, weil er Arvid fortschaffte und sie außer Gefecht setzte. „Ich wollte nicht nach Mantron kommen. Ich wusste es nicht mal.“, begann sie dann doch noch mal, blieb aber in ihrer verschlossenen Haltung und sprach, als würde sie Celestina das Wetter beschreiben. „Ich hatte vor, meine Mutter zur Rede zu stellen. Er … wandte seine Methoden an und verschleppte mich auf das Schiff. Er wies sogar die Mannschaft an, mir nichts zu sagen… Was sie auch hielten, bis sein Zustand zu schlecht wurde.“, erzählte sie und holte tief Luft. „Für das, was meine Mutter getan hat, muss jemand sie zur Rechenschaft ziehen.“, murmelte sie und bekam einen düsteren Ausdruck im Gesicht. Eleyna verbarg den Kummer weiterhin und konzentrierte sich lieber auf das Verlangen, ihrer Mutter gegenüberzutreten.

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Dienstag 22. November 2022, 20:31

Celestina konnte sich nicht mal im Ansatz vorstellen, wie das Leben ihrer Nichte ausgesehen hatte und erst recht nicht, wie diese fühlen mochte. Dennoch wollte sie für die Jüngere da sein und ihr einen Platz in ihrem Heim ebenso wie an dem Ort des Gedenkens anbieten, den sie jederzeit annehmen durfte. Das sollte diese begreifen und solange würde sie Eleyna auch nicht gehen lassen. Nicht, um sie zu etwas zu zwingen, sondern um sicher zu gehen, dass zumindest in diesem Punkt eine Einsicht stattfinden würde.
Wie lange sie allerdings noch hier sein würde, unter den Lebenden, nun, das wussten höchstens die Götter. Jedoch bedeutete das nicht, dass mit ihr auch die familiäre Verbindung sterben müsste. Gerade Gunni, wenngleich nur ihre Schwiegertochter, schien sich mit der Halbelfe anfreunden zu können. Und da gab es noch viele andere, die sie ihr nach und nach vorzustellen gedachte!
Jetzt aber ließ sie ihr erst einmal die Freiheit, diesen wichtigen Ort wieder zu verlassen und nachdenken zu können, was sie hier gefunden hatte. Außerdem war es ihr wichtig, klar zu stellen, dass Laogh wohl nicht aus reiner Böswilligkeit diese Informationen für sich behalten hatte. Zwar mochte er es durchaus, Geheimnisse für sich zu behalten und andere damit zur Weißglut zu treiben, da machte sie sich nichts vor und kannte ihn inzwischen auch gut genug. Doch bei wirklich wichtigen Dingen war sogar er mitunter einsichtig genug, dass er etwas preisgeben musste. Meistens... Trotzdem empfand sie das Bedürfnis, ihn ein wenig vor der anderen zu verteidigen... oder sein Handeln wenigstens zu erklären, soweit sie es selbst verstehen konnte.
Als sie schließlich zu dem anderen, gravierenden Thema kamen, da Eleyna ihr zu dem Schatten keine Antwort gab, war es die Alte, die sich darüber aufregte. Für sie war es unverständlich, wie ihre Nichte nur so denken konnte! So schüttelte sie auch entschieden den Kopf. "Nein, du warst bestimmt nicht der Grund! Das waren nur deren Pläne!", brummte sie missmutig und starrte einige Momente lang dermaßen finster neben sich in den Schnee, dass es einem Wunder gleich kam, dass sich in diesem kein schwarzes Loch auftat.
Schließlich schnaubte sie und startete einen weiteren Versuch, um der anderen zu verdeutlichen, dass sie als kleines Kind niemals die Schuld dafür haben konnte. Bei der Antwort nickte sie langsam, um daraufhin den Kopf zu schütteln und am Ende hilflos mit den Schultern zu zucken. "Dann werden wir Laogh nachher in die Mangel nehmen und ein paar Antworten verlangen.", bemerkte sie erstaunlich ruhig und gefasst im Vergleich zu ihrem Ausbruch vorhin.
Was ihr Vorhaben fast schon unheimlich klingen ließ, besser gesagt, ziemlich unheilvoll... für den Meisterspion! Auf welche Weise sie wohl diese Antworten aus ihm hervor zu holen gedachte? Und würde sie diese Verbündete annehmen können und wollen? Oder würde sie lieber ihre Runden im Schnee drehen, allein und Gefahr laufend, sich zu verirren, außerhalb der warmen Hütte? Oder müsste sie sich vielmehr Sorgen um Laogh machen und ihn... etwa beschützen?
Indes sprach die Spionin weiter und ihre Tante nickte anfangs dazu, nahm es ihr offensichtlich nicht übel, dass sie nicht an diesen Ort hatte kommen wollen. Warum auch, wenn sie bislang nichts von diesem Teil der Familie gewusst hatte?
Dann allerdings schnaubte sie leise und wenig begeistert. "Und hat mit dieser langen Fahrt sein Leben aufs Spiel gesetzt, dieser sture Dummkopf! Warum hat er nicht bis ins Eisreich reiten können, um nur die kurze Überfahrt zu nehmen?", murrte sie missmutig, während in ihrem Blick die Sorge deutlich geschrieben stand.
Daraufhin seufzte sie jedoch tief und fuhr sich mit einer behandschuhten Hand übers Gesicht, als müsse sie Müdigkeit vertreiben oder Kälte... oder sonst etwas. Dem folgte ein langer Blick auf ihre Nichte, ehe sie langsam und nachdenklich fragte:"Wie willst du alleine das machen? Ich nehme nicht an, dass sie sich einfach entschuldigt, wenn du sie damit konfrontierst. Sie war bei deinem Vater anscheinend skrupellos. Wer sagt, dass du dich nicht in Gefahr begibst, wenn du zu ihr gehst und ihr dein Wissen verrätst?"
Das klang durchaus logisch, jedoch würde das bis zu ihr durchdringen? Abgesehen von dem Risiko, das sie allein für sich einging, musste sie jetzt auch daran denken, dass es nicht mehr nur um ihr Leben dabei gehen würde.
Ob Celestina schon etwas ahnte nach der morgendlichen Szene? Oder an... anderen Merkmalen, die ihr als erfahrener Mutter und Großmutter gewiss auffallen mussten? Hatte sie denn sonst schon irgendwelche Anzeichen, die ihr entgangen waren?
Als sie den Ort des Gedenkens verließen und der breiter werdende Weg davon kündete, ließ die Alte erneut die Tiere halten, wenngleich dieses Mal bewusst. Mit einem kleinen, erneuten Seufzen griff sie unter all den Fellen nach Eleynas Hand und drückte dieser kurz. Sollte ihre Nichte zu ihr sehen, würde sie einen ruhigen, warmen Blick erkennen, der auf sie gerichtet war.
"So, genug der schweren Gedanken. Wir machen hier eine kleine Rast. Hat sich dein Magen beruhigt?", wechselte sie das Thema und beobachtete die Jüngere aufmerksam. Ahnte sie etwas...? Und wie sollte sie jetz am besten darauf reagieren, um es sich mit ihrer Tante nicht doch noch zu verscherzen?
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Mittwoch 23. November 2022, 13:02

Celestina war der festen Überzeugung, dass einzig die Pläne von ihrer Mutter die Schuld an dem Schicksal ihres Vaters trug. Dass sie, Eleyna, nichts dafürkonnte. Eleyna verstand den Ansatz, sah es jedoch anders. Denn die Pläne sahen offenbar vor, dass ihre Mutter Kinder bekam, um sie zu Mischlingen zu machen, die eine neue Generation erschufen. Die mit Eigenschaften aus beiden Völkern zu etwas wurden, was man als Werkzeug einsetzen konnte. Genaueres wusste Eleyna über diese Machenschaften natürlich nicht, doch genügte es, um zu erkennen, dass ihr Vater lediglich starb, weil es sie gab. Er wurde damals auserkoren, diesen Plan unwissentlich zu unterstützen. Und als er nicht mehr gebraucht wurde, weil ihre Mutter sie nach Morgeria bringen wollte…. Der Gedanke war fest verankert und ihre Logik festgefahren. Sie war dem Aufwachsen in Angst und Trauer geschuldet. Zwar erfuhr Eleyna erst vor kurzem, von diesem Umstand, doch schon immer ging sie davon aus, sie Schuld daran gewesen war. Schuld an dem Feuer. Hatte sie damals nicht die Kerze vergessen zu löschen? Dass ihre Mutter sie allerdings bewusst verwendet hatte, das erfuhr sie erst deutlich später. Bis dahin war der Gedanke gereift. Die Schuld gereift. Eleyna ließ Celestina ein wenig am ausgestreckten Arm verhungern. Sie blockte nicht alles ab, schrie sie auch nicht an oder ignorierte sie. Aber sie ließ ihre Tante auch nicht wirklich an allem teilhaben, was sie empfand und dachte. Es war gewiss nicht fair, denn die Ältere gab sich wirklich Mühe, ihrer Nichte ein Beistand zu sein. Aber Eleyna war nicht in der Lage, das von jetzt auf gleich anzunehmen und zu würdigen. Viel zu lange musste sie allein durch das Leben gehen und erfuhr seit ihrem Umzug nach Morgeria keinerlei Liebe mehr. Ihre Mutter drillte sie, formte sie nach ihrem Willen und ließ sie ausbilden als das, was sie für am Besten hielt. Sie hatte gar keine Wahl. Einzig zur Hilfe kam ihr, dass sie so vieles von ihrem Vater hatte. Dass sie die Verbundenheit zu Andunie nie verlor und sich stets daran erwärmt hatte, sich unter das Volk der Menschen zu mischen, um die Illusion eines schönen Lebens aufrechtzuerhalten. Wie viele Stunden hat sie in andunischen Schenken verbracht, um dem fröhlichen Treiben der Menschen beizuwohnen und sich an ihrer Ausgelassenheit zu wärmen? Das hielt sie in einer Waage, die es ihr verwehrte herzlos und erkaltet zu agieren. Es war wohl ein Wunder, dass ihr Vater auch nach so vielen Jahren der Anker war, der sie auf dem richtigen Weg hielt. Der sie nicht kopflos werden ließ, auch wenn sie dazu neigte. Ihre Dunkelheit war da, aber ihre Wurzeln hielten sie in Schach.
"Dann werden wir Laogh nachher in die Mangel nehmen und ein paar Antworten verlangen.", bemerkte Celestina und ließ Eleyna aufsehen. Sie hob eine Augenbraue. „Du willst seinen schwachen Zustand ausnutzen?“, bemerkte sie Halbelfe und kurz huschte ein Schmunzeln über ihr Gesicht. Es hatte was. Aber sie war gar nicht groß daran interessiert, weitere Informationen zu erhalten. Sie brauchte Zeit, um sich über die Dinge klarzuwerden. Was wollte sie eigentlich? Sie wusste keine Antwort darauf. "Und hat mit dieser langen Fahrt sein Leben aufs Spiel gesetzt, dieser sture Dummkopf! Warum hat er nicht bis ins Eisreich reiten können, um nur die kurze Überfahrt zu nehmen?" „Er wusste, ich würde ihm niemals folgen. Er hat… sich an einem Punkt dazu entschieden, an dem ich mich von ihm abgewandt habe. Mit seinem Zutun verlor ich den einzigen Freund, den ich hatte. Es mag von beiden richtig gewesen sein – aber… sie nahmen mir die Entscheidung ab und ließen mich vollkommen allein zurück.“, erklärte sie leise und erinnerte sich an den Moment, da sie glaubte, Arrond habe sie verstoßen. „Ich wollte nach Morgeria. Mich meiner Mutter stellen. Nicht weglaufen.“, fuhr sie fort und atmete tief durch. „Er wollte das nicht zulassen, setzte mich außer Gefecht und als ich wieder aufwachte… waren wir auf dem Schiff.“, erklärte sie ihr weiter.

Dumpf brütete die Elfe wieder, sodass die Pause entstand in der Celestina sich offenbar ein wenig sammeln musste. Den Blick spürte Eleyna, erwiderte ihn aber nicht. "Wie willst du alleine das machen? Ich nehme nicht an, dass sie sich einfach entschuldigt, wenn du sie damit konfrontierst. Sie war bei deinem Vater anscheinend skrupellos. Wer sagt, dass du dich nicht in Gefahr begibst, wenn du zu ihr gehst und ihr dein Wissen verrätst?", wollte sie wissen. Eleyna antwortete einen Moment lang nicht. Es war nicht falsch, was sie sagte. Und doch… Sollte sie nichts tun? Sich verkriechen? „Oh ich wäre in Gefahr. Ich gebe mich keiner Illusion hin, dass ich ihr gewachsen wäre.“, meinte sie düster und ein Schatten legte sich auf ihre Züge. „Aber sie soll mir in die Augen sehen, wenn ich sie konfrontiere. Und sie soll wissen, dass ich es bin, die sie zu Fall bringt – ob ich nun mitgehe oder nicht.“, prophezeite sie und sagte sich selbst eine düstere Zukunft voraus. „Ich lasse sie damit nicht davonkommen. Und ich werde es sein, die sie eines Tages zur Rechenschaft zieht. Für den Verrat an meinem Vater. Für das Leben, das sie mir aufzwang. Für die Wahllosigkeit, die sie mir abverlangte, für die Dinge, die ich tun musste und die mich beflecken. Für meine Zukunft, die ich nie erleben werde. Glaub‘ mir, Celestina – ich bin mir wohlbewusst, dass ich das nicht überleben würde. Aber es ist das einzig richtige.“, erwiderte sie unheilvoll und offenbarte damit ihre Pläne. Sie würden vielleicht nicht morgen stattfinden, nicht in einer Woche oder einem Monat, aber sie würden… Eleyna war stur. Und geduldig, wenn es sein musste. Das würde sie jedoch nicht davon abhalten, irgendwann in das Netz der Spinne zurückzukehren, um es zu zerstören…Ungeachtet des ungeborenen Lebens in sich. Eleyna hatte es verdrängt. Denn das würde ihre Entscheidung auf wackelige Füße stellen. Und sie wusste ja nicht mal, ob es sich hielt. Ob es wirklich so war. Und sie wusste nicht, was sie davon halten sollte – schon immer hatte sie die düstere Vorahnung, keinen Lebensabend haben zu können. Keine Familie. Das waren Wünsche aus einer illusionären Vorstellung heraus geboren. Wunschdenken.
Sie fuhren aus dem Ort des Gedenkens hinaus und plötzlich hielt die Ältere den Schlitten an. Eleyna sah sich um, blickte dann zu ihrer Tante und empfing den warmen Blick durchaus. Es änderte nur nichts. "So, genug der schweren Gedanken. Wir machen hier eine kleine Rast. Hat sich dein Magen beruhigt?" Sie horchte in sich hinein. „Im Gegensatz zu heute Morgen, geht es. Aber ich habe trotzdem keinen Hunger.“, murmelte sie missmutig. Als ob sie jetzt ans Essen denken könnte. Oder die schweren Gedanken vertrieb… Sie wollte nicht Gefahr laufen, zu gemütlich zu werden. Das würde nur dazu führen, dass sie an den Baum dachte. An das Zeichen darin… die Symbolik. An die Tatsache, dass ihr Vater mit Laogh befreundet gewesen war. Und dass sich der Schatten ihr genähert hatte, obwohl er wusste, wer sie war. Sie schloss die Augen bei ihren Gedanken und ihre Finger griffen stärker um die Halterung des Schlittens. „Bitte Celestina. Können… können wir nur eine kleine Pause machen? Ich…“ sie seufzte und schloss die Augen. Es kostete sie viel Kraft, sich zu beherrschen. Dann änderte sich etwas: „Ich weiß, dass du mir nur helfen willst.“, begann sie zähneknirschend, „aber… aber ich ertrage das einfach nicht. Bitte.“, flehte sie und zeigte ihr damit, wie sehr sie damit zu kämpfen hatte, dass ihr Vater nicht mehr bei ihr war…

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 23. November 2022, 21:51

Die Alte war Mutter und Großmutter und entsprechend war ihre Sicht auf die Dinge der Welt. Für sie waren Kinder, vor allem je jünger sie waren, unschuldige Wesen, die beschützt werden mussten und nicht für etwas zur Rechenschaft gezogen werden konnten, für das sie eindeutig keine Schuld trugen. Und von dieser Meinung würde sie auch nicht abrücken, wäre sie früher schon nicht und im Alter nun erst recht nicht. Da würden zwei Sturköpfe aufeinander prallen, die sich in nichts nachstehen würden, darauf konnte sich die Mischlingselfe schon einmal gefasst machen.
Somit ließ Celestina auch nicht locker, ging jedoch nicht den direkten Weg der Konfrontation, sondern versuchte es mit Argumenten anderer Art, um ihrer Nichte die Augen zu öffnen. Das wollte sie allerdings keineswegs allein bestreiten und sie war fest entschlossen, sich Verbündete zu holen, selbst jene, denen sie zeitweise nur zu gerne den Hals umdrehen wollte.
Diesen einen Mann bezog sie jetzt auch in ihr Gespräch mit ein und bei der Reaktion warf sie ihr einen undeutbaren Blick zu, ehe sie dermaßen trocken erwiderte, dass es einen zum Lachen reizte:"Natürlich, warum sollte ich nicht?" Und zugleich wollte diese Vorstellung, wie die alte Menschenfrau den jung wirkenden Dunkelelfen mit allen Mitteln zum Reden bringen würde, auch ein anderes Gefühl wecken: Mitleid.
Tauschen würde sie vermutlich nicht mit ihm wollen, sobald Celestina ihn sich vorknöpfte. Einen kleinen Vorgeschmack darauf, was ihm blühen würde, hatte sie ja am vergangenen Tag schon miterleben dürfen. Dass sie nicht zimperlich mit ihm umging, war sehr schnell deutlich geworden. Jedoch auch, dass die beiden sich schon lange kannten. Inzwischen wusste sie ja auch mehr darüber.
Ob sie Laogh schon vor seinem Auftauchen in Mantron begegnet war? Wie er damals auf sie gewirkt haben mochte? Ob er sie auch... verführt hatte? Schließlich war er sicherlich schon lange ein Weiberheld und seine Wirkung auf die Damenwelt hatte sie am eigenen Leib erfahren... im wahrsten Sinne des Wortes! Auch wenn sie im Moment ganz andere Sorgen hatte, als sich darüber Gedanken zu machen.
Zugleich machte sich die Alte auch Sorgen um ihn, das war offensichtlich. Ihre Bemerkung indes löste eine Art Erklärung aus, die sie den Kopf schütteln ließ. "Männer!", schnaubte sie murrend. "Er wird seine Gründe gehabt haben, davon gehe ich aus. Und trotzdem... Männer! Dass diese blöden Mannsbilder immer glauben, das Denken für unsereins übernehmen zu müssen!"
Ob sie oft mit ihrem Ehemann darüber gestritten hatte, wer das letzte Wort hatte? Oder hatte sie subtilere Methoden angewandt, um ihren Willen zu bekommen? Abgesehen davon hatte sie mehrere Söhne und zumindest Jonte schien sich auch jetzt noch als wohl selbst baldiger Großvater ihr unterzuordnen. Wie auch immer sie es geschafft hatte, sie hatte ihre Männer sicherlich allesamt fest im Griff. Irgendwie sogar Laogh...
Ob sie ihre Tante nach dem ein oder anderen Kniff fragen sollte, einfach, um dem Schatten auch mal gehörig auf die Nerven gehen zu können damit? Keine schlechte Idee... für ein anderes Mal!
Ohnehin hatte die Alte ebenfalls schon andere Überlegungen angestellt, die sie auch aussprach. Ihre Stirn furchte sich bei der Antwort. "Wer sagt, dass sie damit davon kommen soll?", hielt sie dagegen und deutete ein Kopfschütteln an. "Aber warum musst du das alleine tun?", fuhr sie schließlich fort und warf ihr einen nachdenklichen Blick zu. "Was hält dich davon ab, dir Verbündete zu suchen, anstatt dich sinnlos zu opfern?"
Damit wandte sie sich wieder nach vorne und lenkte die Hunde soweit, bis sie diesen besonderen Waldabschnitt verlassen hatten, um den Schlitten im Anschluss daran zum Stehen zu bringen. Um eine direkte Frage zu stellen, die so gar nichts mit dem düsteren Thema zu tun hatte, das sie zuvor besprochen hatten. "Gut.", bemerkte sie nur auf das Gemurmel hin und wirkte nicht so, als hätte sie etwas anderes erwartet.
Kurzerhand schlug sie das Fell über ihrer Nichte zurück, dass diese sofort die mollige Wärme einbüßen musste, beugte sich vor und griff sich den warm eingepackten Topf mit dem Brei darin. "Papperlapapp! Das hat nichts mit ertragen oder sonst was zu tun!", erklärte sie unerbittlich, stellte das Paket auf Eleynas Schoß und holte den Löffel hervor, den sie der anderen auffordernd vor die Nase hielt.
"Jetzt wird erst einmal gegessen. Mir reicht ein Hungerhaken hier! Du musst ihm nicht in allen Dingen nacheifern. Außerdem wärmt dich das von innen und wird dir gut tun. Und wenn wir zurück sind, wird Jonte sicher schon da sein, um heißes Wasser zu holen. Glaub mir, es gibt nichts Besseres in Mantron, als ein heißes, richtig heißes Bad nach einer Schlittenfahrt!" Damit angelte sie sich ihren eigenen Topf, wenngleich sie bei sich selbst gnädiger war und die Felle lediglich anhob, anstatt sie dermaßen schwungvoll zurück zu schlagen wie bei ihrer Nichte. Was wohl bei diesem Unterschied dahinter stecken mochte? An Zufall war nur schwer zu glauben.
"Und jetzt schau nicht solche Löcher in die Gegend, sondern iss. Danach kannst du meinetwegen schweigen, schreien, toben, was du willst. Aber runtergeschluckt wird nur das Essen, nicht der innere Sturm.", fügte sie an und schob sich demonstrativ den ersten Löffel voll in den Mund, um mit gutem Beispiel voran zu gehen. "Und bevor du fragst, nein, ich werde in dieser Sache nicht nachgeben. Ich hab dir ein paar Jahre voraus, Kind, du kannst also getrost auf mich hören.", setzte sie nach und klang dabei erneut dermaßen trocken, dass man gar nicht erst auf die Idee kam, diese Worte nicht für voll nehmen zu wollen.
Wäre es also nicht besser und weniger kräftezehrend, wenn sie einfach nachgab und Celestinas Willen folgte? Sie hatte schließlich nicht gesagt, wie viel sie essen sollte! Auf der anderen Seite... was würde passieren, wenn ihre inneren Dämme brechen würden und zwar endgültig? Würde sie es sich leisten, vor ihrer Tante in Tränen auszubrechen und sich trösten zu lassen? Oder würde sie erst recht weglaufen, wie sonst auch?
Dabei hätte sie hier jemanden, der sich für sie interessierte, dafür, wie es ihr ging und nicht nur dafür, was aus ihr zu formen wäre! Nur... könnte sie das tatsächlich ertragen, endlich nicht mehr allein sein zu müssen?
Ihr Magen begann leise, wenngleich deutlich spürbar zu grummeln, ganz so, als wolle er sich auf die Seite der erfahrenen Frau schlagen. Konnte sie jetzt etwa schon ihren Körper beeinflussen, nach ihrer Pfeife zu tanzen?! Nun... vielleicht wären ein... oder zwei Bissen nicht ganz so verkehrt...
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Montag 28. November 2022, 09:46

"Natürlich, warum sollte ich nicht?". Eleyna hob den Blick und musterte ihre Tante einen Moment. Grundsätzlich wäre sie überhaupt nicht abgeneigt gewesen. Doch die Dinge verhielten sich inzwischen etwas anders. Zum einen war Eleyna sehr viel persönlicher involviert, als sie bisher angenommen hatte. Laogh’s Zutun hatte ihr eine neue Welt eröffnet, aber es machte auch deutlich, dass er sie wissentlich an einem dunklen Ort zurückgelassen hatte. Er wusste von Anfang an, wer sie war und zu wem sie gehörte. Er kannte ihre Familie – egal ob die andunische oder morgerianische Seite. Er wusste so viel über ihr Leben, so viele kleine Details, so viele Geschichten, die ihr selbst verborgen blieben. Und Eleyna empfand noch etwas, wenn sie daran dachte, dass er mit ihrem Vater befreundet, gewesen war: Neid. Er hatte Zeit mit ihm gehabt. Hatte mit ihm Dinge erlebt, ihn gekannt. Alles, was sie nicht gehabt hatte. Oder besser, viel zu kurz hatte genießen dürfen. Und zu allem Überfluss hatte er sie verführt. Trotz seines Wissens. Wieso hatte er das getan, wenn er doch eine gewisse Sympathie ihrem Vater gegenüber hegte? War das… ein perfides Spiel gewesen? Eine Trauerbewältigung der schrägen Art? Denn dass er trauerte, hatte Celestina klar gemacht. Jedes Jahr kam er hier her, jedes Jahr zum Todestag ihres Vaters. So viel konnte sich die Spionin auch zusammenreimen. „Lass gut sein, Celestina.“, bemerkte Eleyna und schüttelte minimal den Kopf. „Ich habe keine Lust ständig, um ein kleines Bisschen Information zu kämpfen. Soll er seine Geheimnisse mit ins Grab nehmen.“, bemerkte sie leise und wandte den Kopf wieder ab. Eleyna konzentrierte sich lieber auf die weniger emotionalen Dinge – auch wenn das gründlich schief ging. Sie berichtete der Älteren von Arrond und dem Verlust seiner Freundschaft, auf Kosten ihrer Sicherheit. Ihr Kommentar war spärlich und zeigte, wie emanzipiert sie war und wahrscheinlich auch werden musste. Wobei sie sich erinnerte, dass in Mantron die Frauen keineswegs so unterdrückt wurden, wie zum Beispiel in Sarma. Dennoch. Eleyna hegte auch kein Interesse daran, ein Männer-Frauen-Ding daraus zu machen. Viel zu viel untergruben die geflossenen Informationen ihre Seele und zwickten sie piesackend. Ihr Vater war mal hier gewesen. Ihr Kopf wandte sich langsam in die vage Richtung, aus der sie gekommen waren und in der der Baum stand. Er starb. Er starb aber nicht allein, sondern durfte in den Armen seiner Familie gehen. Sie spürte wie ihr eine Träne über die Wange rollte und wischte sie scheinbar gleichgültig beiseite. Das war etwas Gutes, das wusste sie. Aber sie konnte nicht länger darüber nachdenken. Viel zu sehr quälte der Schmerz sie weiterhin. Wenn sie doch endlich die Trauer zulassen und danach heilen könnte. Doch vermutlich würde das nie mehr geschehen. Dafür hatte sie es schon zu lange in sich begraben.

Und schon veränderte sich ihr Gesichtsausdruck auch wieder. Wurde von leidend, zu entschlossen. Sie teilte Celestina ihre Pläne mit, ihre Gedanken und ihren Willen, dass ihre Mutter nicht davonkommen sollte. "Wer sagt, dass sie damit davonkommen soll? Aber warum musst du das alleine tun? Was hält dich davon ab, dir Verbündete zu suchen, anstatt dich sinnlos zu opfern?" Eleyna schwieg einen Moment. Dann hob sie den Blick fest in das Gesicht der Weißhaarigen: „Ich opfere mich nicht. Aber es ist meine Angelegenheit. Warum sollte ich irgendwem das aufbürden? Ich bin seit meinem 6. Lebensjahr allein. Glaubst du, ich würde jetzt anfangen, Verbündete um mich zu scharen, die allesamt als Kanonenfutter für ein Unterfangen dienen, das ganz allein meine Sache ist?“ Sie wandte den Blick wieder zur Seite und schien noch einen Moment zu überlegen, ehe sie anfügte: „Es geht nicht darum, wer meine Mutter heute ist. Es geht auch nicht darum, dass sie offenbar ein Programm gestartet hat, das Mischlinge aus einem verqueren Glauben heraus entstehen lässt. Es geht darum, dass meine Mutter, meinen Vater auf dem Gewissen hat. Dafür brauche ich keine Verbündeten.“, wiederholte sie nachdrücklich und blickte auf den eigentlich so idyllischen Winterwald. Eleyna könnte sich hier gewiss wohlfühlen, wenn die Kälte nicht so beißend wäre. Doch auch das war derzeit eher nicht präsent in ihrem Kopf. Sie hielten an und erneut bestand Celestina darauf, dass sie etwas aß. Eleyna lehnte wie gewohnt ab und dachte, dass sie nun mit dem Thema in Ruhe gelassen werden würde.
Doch sie hatte sich getäuscht: "Jetzt wird erst einmal gegessen. Mir reicht ein Hungerhaken hier! Du musst ihm nicht in allen Dingen nacheifern. Außerdem wärmt dich das von innen und wird dir gut tun. Und wenn wir zurück sind, wird Jonte sicher schon da sein, um heißes Wasser zu holen. Glaub mir, es gibt nichts Besseres in Mantron, als ein heißes, richtig heißes Bad nach einer Schlittenfahrt!" Ihre Kiefer pressten sich aufeinander. Eleyna blickte auf das hingehaltene Essen und presste ihre Lippen noch etwas stärker zusammen. Dann hob sie den Blick und schaute in das gleiche kühle Blau, das auch sie besaß. Reichlich steif nahm sie die Schüssel schweigend ab. "Und jetzt schau nicht solche Löcher in die Gegend, sondern iss. Danach kannst du meinetwegen schweigen, schreien, toben, was du willst. Aber runtergeschluckt wird nur das Essen, nicht der innere Sturm. Und bevor du fragst, nein, ich werde in dieser Sache nicht nachgeben. Ich hab dir ein paar Jahre voraus, Kind, du kannst also getrost auf mich hören." Das reichte. Es reichte nicht dafür, dass Eleyna mit Feuereifer den Haferschleim aß. Nein, es reichte, dass sie die zurückgeschlagene Decke dazu nutzte, den Schlitten zu verlassen! Eleyna ließ Celestina stehen. Sie stampfte ohne weitere Worte, die Schüssel in der Hand, weg und in den kargen Wald hinein, bis sie weitgenug entfernt war, um den Schlitten in ihrem Rücken nur noch zu erahnen.
Die Spionin ging dann noch einige Schritte weiter und wurde nur allmählich langsamer. Ihr Atem bildete Nebel in der Luft, während ihre Schritte ein sanftes Stapfen erzeugten. Sie holte tief Luft, was zu einem leichten Brennen aufgrund der Kälte führte. Ihre Hände hatten sich fest um die Schüssel geklammert, doch das spürte sie kaum. Sie hatte das Weite gesucht, um nicht eine immense Dummheit zu begehen. Denn auch wenn Eleyna impulsiv und stur sein konnte, war sie in der Lage zu erkennen, dass es manchmal einfach die falsche Zeit für diese Eigenschaften war. Sie wusste und erkannte, dass ihr geholfen werden sollte. Einzig ihr Fehler war es, diese Hilfe nicht annehmen zu können. Sich einzulassen auf die sanften Seelenstreichler. Auf die liebevolle Strenge, die ihr nur zuteilwurde, weil sie das Kind des Bruders war. Von dem diese Familie wusste, dass es existierte. Aber Eleyna wusste es nicht im Umkehrschluss. Und nun stand sie hier, inmitten von Verwandten und sollte sofort ihre Persönlichkeit ändern? Das konnte sie nicht. Und sie konnte sich schwerlich bevormunden lassen. Konnte sie noch nie. Sonst hätte ihr Ausbilder sie damals wohl nicht nach Sarma geschickt – beziehungsweise war das ja ihre Mutter gewesen, damit sie ihre Schwangerschaft mit Arvid nicht mitbekam… Sie schloss die Augen.

Eleyna lehnte sich mit dem Rücken gegen einen dickeren Baum und lehnte gleichzeitig den Hinterkopf dagegen. Sie schaute in den grauen Himmel, der vermutlich bald Schnee verlieren würde. Der Wind war eisig und ohne die schützenden Felle im Schlitten, fror sie bedeutend schneller, trotz der warmen Kleidung. Doch das machte nichts. Es betäubte sie. Betäubte jegliches Gefühl. Eleyna spürte, wie sich ihr Atem beschleunigte, aufgrund der Gedanken, die sie nicht abschalten konnte. Erneut kullerten Tränen über ihre Wangen, ohne, dass sie darauf Einfluss hätte nehmen können. Sie brannten auf ihrer kalten Haut. Mit einem energischen Wischen vernichtete sie die Spuren ihres Innenlebens, das nach draußen drängte und hielt sich in Bewegung. Sie ging weiter weg und weiter. Immer weiter – wie sie es schon immer getan hatte. Sie kam an einen umgestürzten Baum, der sich offenbar der Witterung ergeben musste. Dort blieb sie abermals stehen, verlor jegliches Zeitgefühl und auch den Sinn, dass die andere entweder Sorgen quälten oder aber sie den Schlitten genommen hatte, um zurückzufahren. War ihr einerlei. Eleyna setzte sich auf den Baumstamm und schaute auf die Schüssel in ihren Händen. Inzwischen war die Temperatur deutlich abgekühlt, allerdings noch immer wärmer, als die Luft um sie herum. Noch einige Augenblicke, starrte sie darauf und öffnete sie schließlich. Ihre Finger waren steif, ihre Fähigkeiten zu greifen eingeschränkt. Doch Sie hob die Schüssel zu ihrer Nase, roch daran und spürte, wie ihr Magen knurrte. Er verlangte danach. Auch wenn ihr Kopf nicht wollte. Dennoch tauchte sie den Löffel ein und aß ihn. Widerwillig kauen, schluckte sie und verzog das Gesicht. Es schmeckte – das stand außer Frage, doch… es widerstrebte ihr, zu essen. Trotzdem schaufelte sie einen neuen Löffel voll in den Mund. Und noch einen… und noch einen. Bis es ganz leicht war und sie die gesamte Schüssel aufgegessen hatte. Sie verschloss die leere Schüssel wieder und schaute auf. Das warme Gefühl in ihrem Bauch breitete sich langsam aus und wärmte sie tatsächlich etwas durch. Allerdings vertrieb es nicht die Sorgen. Trotzdem rutschte sie von dem Baumstamm hinunter und folgte ihren Spuren zurück zum Schlitten.
Auf etwa der Hälfte, spürte sie ein Ziehen im Magen. Dann spürte sie eine Welle aus kaltem und heißem Schütteln aufsteigen. Eleyna blieb stehen, verzog das Gesicht und erbrach sich hinter einem Baum. Ihr Magen krampfte sich zusammen und entleerte sich. Sie hustete, ehe sie sich entkräftet gegen einen nahen Baum lehnte. Das Würgen hielt noch einen Moment an, ehe es endlich nachließ. Die Spionin schloss die Augen. Es war vermutlich zu viel Brei gewesen. Sie hatte sehr wenig gegessen in den letzten Tagen, zudem die Übelkeit… Nach einem Moment des Innehaltens, griff sie nach dem Schnee und wusch sich damit den Mund aus, bis das Gefühl darin wieder angenehm war. Dann erhob sie sich etwas zittrig, schaffte den Rückweg aber problemlos. Blieb nur die Frage, ob sie den restlichen Weg zu Fuß nehmen müsste, weil ihre Tante sie maßregelte für ihr Verschwinden, oder ob sie auf sie gewartet hätte.

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Dienstag 29. November 2022, 12:52

Für Celestina hatte sich nur wenig geändert mit dem Auftauchen ihrer Nichte, die sie zuletzt als kleines Kind gesehen hatte. Es war ihr eine Freude, nun erleben zu dürfen, zu welch hübscher Frau sie geworden war, und eine Herzensangelegenheit, ihr diesen wichtigen Ort im Wald zu zeigen, an dem sie selbst trauern konnte.
Die Vergangenheit der Jüngeren hingegen war etwas, das ihr durchaus zusetzte, wenngleich es ihr wie eine Geschichte aus einer fernen Welt vorkam. Sie war seit damals hier in Mantron, hatte diese Insel nie wieder verlassen, weil es für sie keinen Grund gegeben hatte, und somit war viel an ihr vorüber gezogen, das andere mitten hinein gestoßen haben mochte. Trotzdem wollte sie der Mischlingselfe zeigen, dass sie bereit war, sich auch mit dieser, für sie dermaßen fremden Materie zu beschäftigen und ihr mit Rat zur Seite stehen zu wollen. Oder wenigstens mit einem offenen Ohr, dem sie sich anvertrauen konnte.
Dass die andere hingegen damit haderte, sich überhaupt zu öffnen, konnte sie sich lediglich im Ansatz vorstellen. Nicht, weil es ihr in dieser Position anders ergangen oder sie viel vertrauensseliger gewesen wäre. Nein, es lag schlichtweg daran, dass sie als Matriarchin daran gewöhnt war seit langem, dass ihre Familie mit den Sorgen und dem Kummer zu ihr kam. Selbst Laogh, den sie als teilweises Mitglied betrachtete, hatte sich das ein oder andere Mal ein wenig geöffnet und sie an seinen inneren Zwisten teilhaben lassen. Wenngleich es für gewöhnlich eher anders herum gewesen war, vor allem, seit ihr Gatte verstorben war. Dennoch konnte sie auch bei ihm behaupten, ein gewisses Maß an Vertrauen zueinander aufgebaut zu haben.
Das wollte sie nun auch für Eleyna, ja, sie erwartete es fast schon, obwohl sie zumindest gewillt war, ihr dafür etwas Zeit zu geben. Bei dem Dunkelelfen hingegen hatte sie weniger Verständnis und wollte das deutlich machen.
Die Reaktion sorgte dafür, dass sie ihre Stirn runzelte, wenn auch ohne etwas darauf zu erwidern. Die andere wirkte... resigniert, vielleicht sogar verärgert. Was war zwischen den Beiden vorgefallen, außer seine übliche Geheimniskrämerei? Die Alte machte sich ihre eigenen Gedanken dazu, während sie weiterhin den Schlitten lenkte.
Nach einiger Zeit lenkte ihre Nichte das Gespräch wieder in Richtung der morgerianischen Hexe und Celestina stellte ihr einige Fragen dazu. Bei der Erwiderung schnaubte sie leise und warf der anderen einen schrägen Blick zu. "So, dann ist es also kein Opfer, wenn du das Ganze lieber allein angehst und dich in deinen Glauben daran verrennst? Dass du nicht einmal die Idee zulassen willst, nicht allein sein zu müssen?", hielt sie vermeintlich ruhig dagegen.
Während in ihrem Blick ein kleines Feuer zu glimmen schien. Woher es wohl kam? Vielleicht von früher, aus ihrer Jugend? Aus einer Zeit, in der sie durchaus auch eine rebellische Seite gehabt hatte, weil sie diese damals brauchte, im Gegensatz zu jetzt, wo sie ihre Position längst gefestigt hatte?
"Denk einmal darüber nach, ob das Verhalten deiner Mutter wirklich nur dich betrifft und nicht auch andere mit einbezieht. Nicht nur dir fehlt dein Vater und nicht nur du scheinst aus ihren... Plänen zu entstammen.", sprach sie weiter und das immer energischer, schärfer. Zugleich ballten sich ihre Hände fester um die Führungsleine, dass der Leithund ein leises Winseln ausstieß, denn die Tiere spürten diese Veränderung sofort und reagierten darauf.
Die Alte schnaufte ähnlich wie ein Stier, den man zu seiner eigenen Sicherheit gezähmt und angebunden hatte, ehe sie bewusst ihre Finger entspannte. Es brachte nichts, wenn die Hunde in ihrer Irritation einen Fehler begehen und einen Unfall bauen oder sich gar verletzen würden. Dennoch haderte sie mit diesem Thema.
Wie gut, dass die Umgebung sich veränderte und ihr obendrein wieder ins Gedächtnis rief, was sie ebenfalls auf dieser Fahrt hatte erreichen wollen. Also ließ sie die Tiere anhalten und forderte ihre Begleitung dazu auf, endlich zu essen.
Plötzlich jedoch schien sich ein Schalter in der Jüngeren umzulegen, denn diese stand auf und stampfte, ohne ein weiteres Wort zu sagen, mit dem Topf in der Hand davon, einfach so! Was für eine Frechheit! Celestina starrte ihr ungläubig nach und konnte nicht wirklich fassen, was sie da gerade erleben musste.
Irgendwann, die andere war längst in der Ferne zu einem Schemen für ihre altersschwachen Augen geworden, schnaufte sie und brummte:"Dann geh doch und frier dir den Arsch ab!" Ungeduldig begann sie selbst, Löffel für Löffel von dem noch warmen Brei in sich hinein zu schaufeln, während sie missmutig vor sich hin schimpfte. Ganz so, wie man sich eine verärgerte Großmutter vorstellen mochte, deren Kinder und Enkelkinder meinten, ihr auf der Nase herumtanzen zu müssen, weil die Jugend es nun einmal immer besser zu wissen glaubte.
Allmählich erreichte das Essen ihren Magen und bescherte ihr von dort aus eine wohlige Wärme, die dafür sorgte, dass ihre Bewegungen langsamer und ruhiger wurden. Als sie ihrerseits fertig war, sah sie einige Momente lang regungslos in das leere Gefäß, ehe sie tief seufzte und es verschloss, um es wieder im Schlitten zu ihren Füßen zu verstauen. Ach, sie hatte im Prinzip keinen Grund, böse auf ihre Nichte zu sein. Die Arme hatte seit ihrer Ankunft vor nicht einmal einem Tag so viel erfahren... Kein Wunder, dass es ihr irgendwann zu viel wurde und sie Abstand brauchte! Wäre ihr wahrscheinlich nicht anders ergangen!
Dennoch empfand sie es als unhöflich, sich einfach so aus dem Staub zu machen. Aber wenigstens kam so etwas wie Verständnis in ihr auf, das dafür sorgte, dass sie erst einmal abwarten wollte, ob Eleyna nicht nach einiger Zeit zurück kehren würde. Das ließ sich ohnehin gut für ein kleines Nickerchen nutzen, das sie zu nehmen gedachte, nachdem sie sich tiefer in die Felle gekuschelt hatte. Den Hunden konnte sie vertrauen, sie würden eher Laute geben, um sie zu wecken, wenn sich etwas veränderte, anstatt einfach loszulaufen.
Also schloss die Alte die Lider und döste ein wenig vor sich hin, versuchte dabei, schöne Erinnerungen aus der Vergangenheit vor ihrem inneren Auge erscheinen zu lassen. So bemerkte sie nicht, wie viel Zeit verging, ehe einer der Hunde zu fiepen begann, denn seine Ohren waren viel besser als die ihren und er konnte das rhythmische Würgen leise vernehmen.
Blinzelnd öffnete Celestina ihre Augen und merkte erst jetzt, während sie langsam wieder wacher wurde, wie kalt ihr inzwischen geworden war. Wie spät es wohl inzwischen sein mochte? Ein Blick zum Himmel verriet ihr nicht viel, außer, dass die Wolken sich verdichtet hatte und es ratsam wäre, möglichst bald in die Hütte zurück zu kehren.
Auch sie nahm sich, wenngleich mit steifen Gliedern und einem leisen Seufzen, etwas Schnee und wischte ihn sich über die Wangen, um den letzten Rest Müdigkeit zu vertreiben. Zuvor hatte sie sich umgesehen und keine unmittelbare Bedrohung erkannt, somit behielt sie auch die Ruhe.
Erneut begann das Tier zu fiepen und dieses Mal stimmten auch zwei weitere mit leisem Bellen mit ein, während das Jüngste aufstand und mit dem Schwanz leicht zu wedeln begann. Es näherte sich jemand und dieser Jemand war ihnen bekannt. Sofern sich also niemand aus ihrer Nachkommenschaft zufällig in der Nähe aufhielt, wäre es vermutlich ihre Nichte, die endlich zurück kehrte.
Die Alte mummelte sich wieder stärker in die Felle ein und zählte langsam im Stillen bis hundert, so lange wollte sie noch warten. Sie kam nicht bis zum Ende, als sie endlich selbst die Nichte sehen konnte, wie sie zurück gestapft kam.
Je näher ihre Schritte sie führten, desto deutlicher konnte sie die andere sehen und auch die Blässe in deren Wangen, was zu einem neuerlichen Stirnrunzeln führte. Doch der Topf war geschlossen und sie hatte viele Gedanken zu bewältigen, weswegen sie diese ungesunde Farbe diesem Umstand zuschrieb. Von dem Erbrechen hatte sie nichts mitbekommen und die Kälte konnte einem ohnehin jegliche Farbe rauben. All das führte dazu, dass sie nicht die richtigen Schlüsse ziehen konnte.
Dennoch wartete sie ab und nickte lediglich knapp, als die Jüngere wieder zu ihr in den Schlitten stieg. Nachdem diese sich gut zugedeckt hatte, nahm Celestina die Führungsleine in die Hand und gab den Tieren das Zeichen zum Aufbruch.


Eleyna kehrt zurück zu: Im Herzen Mantrons
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Mittwoch 21. Dezember 2022, 22:29

Eleyna kommt von Im Herzen Mantrons

Eleyna hatte sich kurz im abgetrennten Bereich frisch gemacht. Noch immer saß der Streit tief in ihren Gliedern und sie musste sich regelrecht auf ihre Morgentoilette konzentrieren, um nicht wieder in den Strudel der Gedanken abzudriften. Tatsächlich würde sie dafür noch genug Zeit haben, wenn sie erstmal am Rande des Frostwaldes war und den Weg auf sich nahm. Ohne Wissen darum, was Laogh dazu bewog, sie an diesen Ort zu zitieren. Und das gepaart mit einer seltsamen verschwommenen Geste, die sie irgendwie mit ihm assoziierte. Da war dieser vertraute Geruch gewesen… nicht recht greifbar aber es sprach etwas in ihr an. Eleyna folgte Gunni und als sie die Grenze erreicht hatten, wandte sie sich noch mal an die Frau von Jonte. „Danke, dass du dir die Mühe machst, extra für mich, Gunni. Das ist wirklich sehr nett von dir und ich hoffe, es gibt irgendwann etwas, womit ich mich vielleicht revanchieren kann.“, meinte sie ehrlich. Nur weil Eleyna der Meinung war, dass sie allein besser dran wäre, hatte sie keine Bedenken, der anderen einen solchen Gefallen zu schulden. Eleyna besaß trotz aller Schwärze, die durch ihre Adern durch Morgerianisches Blut floss, ein empathisches und mitfühlendes Wesen. Nur leider hatte sie niemanden, dem sie dieses auch zuteilwerden lassen konnte. Sich von Gunni endgültig verabschiedend, nahm sie die Hundeleinen nun selbst in die Hand. Sie erinnerte sich daran, wie Celestina den Schlitten geführt hatte und auch Gunni hatte sie dabei beobachtet, sodass sie zumindest einige Kniffe ableiten konnte. Trotzdem war das Fahren damit alles andere als mal eben schnell gelernt. Einzig ihren geübten Sinnen und ihrem Talent, schnelle Lösungen für gewisse Dinge zu finden, war es geschuldet, dass sie den Schlitten halbwegs lenken und ihrem gedachten Weg folgend, händeln konnte. Allerdings war der Weg weniger entspannt, wie mit dem Jungen ins Dorf selbst oder mit Celestina durch den Wald. Eleyna fehlte die Souveränität und so merkte sie bald schon, dass ihre Schultern ein wenig verkrampft waren und schmerzten. Sie versuchte sich zu entspannen und tatsächlich fiel ihr das Lenken stetig leichter. Die Hunde waren hervorragend geschult und hörten auf jede Nuance, die von Eleyna kam. Leider auch auf die, die sie gar nicht beabsichtigt hatte.

Denn mit jedem Zug der Hunde näher an den Ort des Gedenkens, flossen ihre Gedanken wieder dahin und lenkten sie vom Fahren des Schlittens ab. Sie war wirklich nicht mehr sie selbst und stand zeitweise neben sich. Sie dachte sogar kurz daran, dass Laogh sie an eben jenen Ort töten würde, um symbolisch ein für alle Mal zu beenden, was er mit der Freundschaft zu Lauram begonnen hatte. Andererseits… Sollte er es doch versuchen. Sie war zäh und würde sich von ihm kaum kleinkriegen lassen. Jedenfalls war das mal so. Inzwischen war die Lage eine andere. Während sie in Pelgar noch glaubte, dem Feind gegenüberzustehen, war es jetzt so, dass er viel mehr war und je sein würde. Und sie sich mit Gefühlen konfrontiert sah, die nicht gesund für sie sein konnten, denn er hatte viel zu viel Macht über sie. Selbst jetzt… wo sie ihm folgte, weil er rief. Eleyna hatte sich abwenden wollen. Hatte gehen wollen, sodass er nicht seinen Willen bekam. Andererseits gab es da noch einiges, was sie ihm sagen wollte. Bevor sie dann ging. Eleyna schaffte es tatsächlich den Schlitten an eben jenen Ort zu führen, den sie von Celestina gezeigt bekommen hatte. Kurz bevor sie ihn allerdings richtig erreichte, hielt sie wieder inne und folgte dem Weg zu Fuß weiter, wie ihre Tante es ihr gesagt hatte. Denn sie wollte gewiss nicht respektlos wirken. Mit jedem Schritt aber in Richtung des Baumes, spürte sie eine bleierne Schwere. Etwas wollte sie davon abhalten, weiterzugehen. Kalt war ihr indes nicht, denn das Führen des Hundeschlittens war tatsächlich kräftezehrend und nervenaufreibend gewesen. Dafür fuhr die klirrende Kälte mit jedem Schritt wieder unter ihren Mantel und kühlte die Wärme ab. Von einiger Entfernung konnte Eleyna dann die beiden Bäume sehen, die Celestina so wichtig waren. Sie schluckte unvermittelt und spürte diese aufkommende Panik in sich. Dieser Knoten, der sich inzwischen so etabliert hatte, dass ein Lösen ihren Untergang bedeuten konnte. Eleyna wandte den Blick von dem Baum ihres Vaters ab und fand recht schnell Laogh.
Er stand mit dem Rücken zu der Gedenkstätte und schaute auf das Meer hinaus. Eleyna wurde langsamer. Sie musste an dem Baum vorbei, wenn sie näher an ihn heranwollte, doch sie spürte, dass sie das kaum konnte. Hier stehenbleiben konnte sie aber auch nicht, denn dann hätte sie stets den Baum im Sichtfeld. Die Spionin zwang sich dazu, nicht auf das Zeichen mit dem Fuchs zu achten… Nicht an die Worte zu denken, die Celestina sagte… Sie starrte den Rücken von Laogh an und hielt sich dann etwas weiter rechts, um den Gedenkbaum zu umrunden, ehe sie ihn schräg hinter sich wusste, aber nicht mehr direkt sehen musste. Hier blieb sie stehen und verschränkte langsam die Arme vor der Brust. Der Wind frischte auf und zerrte an ihrer Kleidung. Hier waren sie also. Nun würde sich zeigen, ob er es beenden wollte und sie hier ihren metaphorischen oder wahrhaftigen Tod fand…

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Freitag 23. Dezember 2022, 13:24

Gunni hatte sie bei der ausgesprochenen Erkenntnis voller Mitgefühl und leiser Sorge angesehen, jedoch nichts dazu gesagt, weil sie es als unpassend empfunden hätte. Ohnehin wirkte die Ältere ziemlich mitgenommen und das tat ihr leid für diese.
Dennoch würde sie sich nicht aufdrängen, sondern zurückhaltend abwarten und ein offenes Ohr haben, wenn es gebraucht wurde. In der Hinsicht war sie bei weitem nicht so fordernd wie ihre Schwiegermutter, aber mindestens genauso aufmerksam, sollte es notwendig werden. Auch wenn sich die Frage stellte, ob Eleyna das erkennen und vor allem in Anspruch nehmen wollen würde.
Erst einmal ging es indes darum, auf die Beine zu kommen und den Tag zu beginnen. Gunni ließ ihr den Freiraum, nickte ihr zu und hatte ihr Angebot zur Mitnahme ein Stück des Weges gemacht. Alles andere musste nun von der Mischlingselfe kommen.
So dauerte es noch ein wenig, bis sie in die Kälte aufbrechen konnten. Der Tag war etwas wolkenverhangen und fühlte sich genau deswegen nicht ganz so eisig an, solange kein Wind aufkommen würde. Noch war es ruhig, doch wie lange würde es so bleiben? Wie spät war es überhaupt?
Hoffentlich verfuhr sie sich nicht oder wurde von ihm so lange in was-auch-immer verwickelt, dass sie in der Dunkelheit den Weg zurück finden müsste! Oder er sorgte gleich dafür, dass sie draußen bei dem Baum erfror, so, als kleine Rachenummer wegen der Ohrfeige... oder aus sonst einem Grund. Oder würde er sie wieder provozieren, bis sie ihm an die Gurgel ging? Hatte er das im Sinn? Dass sie ihn ausgerechnet an jenem Ort, an dem er Jahr für Jahr um den Freund trauerte, um die Ecke bringen würde? Und... könnte sie das denn? Vielleicht aber wollte er dieses Mal tatsächlich einfach nur... reden? Warum, beim Harax, hörte sie überhaupt darauf und kam schon wieder angelaufen, nur, weil er sie rief?!
Die Fahrt bis zum Rand der Stadt war kurz und bei den Worten der Älteren musste Gunni lächeln. "Ach was, das ist ja keine Mühe! Aber ja, du könntest etwas für mich tun.", meinte sie, als sie ausstieg. Nachdem sie das Fell wieder geglättet hatte, damit es der Fahrerin nicht so schnell kalt werden konnte, sah sie diese an.
"Lächle öfters. Das steht dir." Damit zwinkerte sie ihr zu und ging einfach, noch bevor eine Antwort kommen konnte. Na, so was!
Und jetzt also ab in den Wald, sich selbst und bald auch dem Schatten ausgeliefert? Blieb ihr wohl keine andere Wahl...
Solange Jontes Weib noch an ihrer Seite war, konnte sie Möglichkeiten finden, ihren eigenen Gedanken zu entfliehen. Doch sobald sie allein den Schlitten lenkte, war sie ihnen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, obwohl sie sich eigentlich auf den Weg konzentrieren sollte. Auch waren die Hunde, trotz aller guten Erziehung, empfindlich und reagierten des Öfteren mit einem verunsicherten Fiepen auf diese ungewohnte Führung der Leine.
Wenigstens schienen sie den Pfad selbst halbwegs zu kennen und besserten eigenständig kleinere Fehler bei der Lenkung aus, sodass sie auf dem festgetretenen Schnee blieben und nicht irgendwo in den Wald hinein liefen. Ein Verirren hier wäre noch schlimmer bestimmt als die Begegnung mit Laogh! Nun ja... vermutlich... Sie wusste schließlich noch immer nicht, was dieses Schauspiel dieses Mal sollte und was auf sie zukommen könnte.
Es dauerte seine Zeit und forderte ihre Aufmerksamkeit, bis sie neben sich Spuren im etwas tieferen Schnee ausmachen konnte. Fußspuren eines Zweibeiners!
Moment... er war doch nicht etwa... zu jenem speziellen Baum selbst gelaufen? War er denn verrückt geworden?! Schon mit dem Schlitten brauchte es mehr als eine Stunde, in dem Tempo, das sie die Tiere laufen ließ, sogar über zwei! Wie war das dann erst zu Fuß? Zwar hätte das Wetter durchaus unfreundlicher sein können, aber trotzdem! Noch dazu in seiner körperlichen Verfassung! Wollte er sich jetzt etwa selbst umbringen oder was sich damit selbst beweisen? Dass er sogar zum Abkratzen zu stur wäre, wenn er es nicht wollte?! Diesem Kerl musste man mal wirklich den Kopf zurecht rücken, das ging so nicht!
Schlussendlich erreichte sie in etwa jene Stelle, an der sie halten musste. Tatsächlich konnte sie, zumindest ansatzweise, eine dunkle Gestalt in dem Baumdickicht erkennen und da es nur einen Volldeppen im Moment hier gab... war sie vermutlich richtig.
Sollte sie die Hunde eigentlich mit der Leine an irgendeinem Stamm in der Nähe befestigen oder wäre das ein Frevel? Konnte sie sich darauf verlassen, dass die Tiere nicht wegliefen? Wie hatte Celestina das am gestrigen Tag gemacht?
Wie auch immer Eleyna sich entschied, wenig später stapfte sie langsam in Richtung des Treffpunkts und konnte allmählich deutlicher erkennen, dass die Gestalt in dem dunklen Pelz ihr den Rücken zukehrte. Wie lange er wohl hier auf sie gewartet hatte? Ob er eigentlich schon festgefroren war? Beinahe reizte die Vorstellung von kleinen Eiszapfen, die aus seiner bestimmt längst laufenden Nase hingen, zum Kichern. Doch die Unsicherheit, was auf sie zukommen würde, würde das wahrscheinlich verhindern.
Sollte sie das Wort ergreifen oder warten, bis der Herr sich dazu bequemte? Hören musste er sie, denn Geräusche konnte sie zwangsläufig bei diesem Untergrund nicht vermeiden, selbst, wenn er keine elfischen Spitzohren besessen hätte. Wie würde er reagieren, wenn sie sich einfach neben oder vor ihn stellte?
Sie entschied sich, erst einmal Abstand zu halten, nachdem sie es geschafft hatte, den Baum ihres Vaters halb zu umrunden, und wartete mit verschränkten Armen. Der Wind frische auf, spielte mit jedem leichten Gegenstand, ob es nun das Fell des Mantels oder der dünne Ast eines Gedenkbaumes war.
Und Laogh tat... nichts. Mal wieder! Was sollte das denn jetzt? Zuerst zitierte er sie her und anstatt wenigstens so zu tun, als hätte er sie bemerkt, ignorierte er sie. Oder... war ihr scherzhafter Gedanke vorhin ernster gewesen, als vermutet? Lebte er denn noch?!
Die Sorge in ihr begann zu wachsen und immer stärker darauf zu drängen, näher zu treten und nachzusehen, ob mit ihm alles in Ordnung war. Jedoch... ehe es soweit kam, zeigte er selbst, dass noch Leben in ihm steckte. "Nun, gemessen an der Effektivität deiner flachen Hand auf meiner Wange, möchte mein Kinn vorerst keine Bekanntschaft mit deinem rechten Haken machen.", sprach er leise und dennoch irgendwie... spöttisch? Ernsthaft?! Was war das denn für eine Gesprächseröffnung und Begrüßung?
Er drehte langsam den Kopf und auch in seinen Augen war ein Hauch jenes Schalks, der ihr so oft schon entgegengeblitzt war. Und tatsächlich konnte sie im Moment auch nur die Augenpartie von ihm sehen, denn alles andere hatte er mit Fell und Tuch sorgfältig verhüllt, um sich vor der Witterung zu schützen.
Dann allerdings schwand dieser bekannte Ausdruck oder eher jener Abglanz davon und machte einem ungewohnten Ernst Platz. "Du bist also schwanger.", kam die nächste verbale Keule mit viel Schwung auf sie zu.
Und Eleyna? Wie würde sie reagieren? Lohnte es sich überhaupt zu versuchen zu leugnen? Oder würde sie kurzerhand auf dem Absatz kehrt machen und verschwinden gemäß ihres eigenen Entschlusses?
Wie lange wusste er eigentlich schon davon? Er klang viel zu... ruhig, ganz so, als ob es nichts Neues für ihn wäre. Oder hatte er lediglich zu seiner alten Verfassung zurück gefunden?
Jetzt war guter Rat somit sehr teuer. Wie würde ihre Entscheidung ausfallen?
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Samstag 24. Dezember 2022, 00:24

Die Gedanken, die sich Eleyna während der Fahrt durch den frostigen Wald machte, waren um eine Spur klarer als noch am Abend direkt nach dem Streit und der daraus resultierenden Angst, dass das Kind bereits verloren wäre. Eleyna wusste, dass es so nicht würde weitergehen können. Ihre Verfassung war mehr als schlecht und das in vielerlei Hinsicht. Gunni hatte gesagt, sie solle öfter lächeln, denn das würde ihn gutstehen. War es wirklich so selten geworden? Eleyna erinnerte sich, dass sie früher oft in den Tavernen in Andunie gesessen hatte, um sich heimlich an der Frohnatur der Einwohner zu erfreuen. Die ungezwungene Art, der herbe Humor, nicht selten hatten sie diese Dinge hinter ihrer Fassade schmunzeln lassen. Es war das echte Leben gewesen. Pur und sorgenfrei. Oder besser gesagt: Für den Moment sorgenfrei. Eleyna wusste natürlich, dass sie nicht die Einzige in ganz Celcia war, die Probleme und Hindernisse umschiffen musste. Doch diese Menschen schafften es sie für einen gewissen Zeitraum mit Gesang, Gelächter und Geselligkeit zu verbannen. Und sie beneidete die Andunier für diese Fähigkeit. Gunni hatte Recht, auch wenn sie sich dessen wohl nicht bewusst war. Eleyna hatte aufgehört zu lächeln und wenn, dann war es voller Sarkasmus oder von Wut beseelt. Die Halbelfe presste die Lippen aufeinander. Sie verkümmerte, das konnte sie spüren, während der eisige Wind an ihr vorbeiwehte und die Hunde sie tiefer und tiefer in den Frostwald zogen. Was für ein Leben wäre das wohl für das Ungeborene in ihrem Leib? Was konnte sie diesem unschuldigen Wesen schon bieten? Eleyna’s Ausdruck wurde düster und auch wenn die Landschaft noch immer ausgesprochen schön war, hatte sie dieses Mal kein Auge dafür. Zudem musste sie sich konzentrieren, wohin sie fuhr und darauf aufpassen, die Hunde nicht völlig zu verwirren, weil sie auf jede kleine Nuance in ihrer Lenkung reagierten. Doch auch wenn sie unkonzentriert war und immer wieder an den gestrigen Abend dachte, brachten die Schlittenhunde sie sicher dorthin, wo sie hinwollte. Es war nicht ganz der Ort, an dem auch Celestina am Vortag gehalten hatte, doch Eleyna konnte nach einigen Schritten bereits einen Schemen ausmachen und wusste, um wen es sich dabei handelte. Kurz musste sie sich von der Frage ablenken lassen, ob er den ganzen Weg zu Fuß gekommen war. Um dann einen etwas besorgteren Blick auf seinen Rücken zu werfen, denn das würde er gewiss nicht einfach so wegstecken. Zudem war es wieder kalt, wenn auch windstill.
Eleyna fror was sicher nicht allein der Wetterlage geschuldet war. Sie wollte weder an diesem Ort sein noch sich von Laogh vorführen lassen. Warum sie seinem Ruf folgte, war ihr nicht klar, doch es gab noch so viel Unausgesprochenes zwischen ihnen und das musste geklärt werden. Auch oder gerade für sie. Eleyna musste sich über so vieles klarwerden, dass sie ja irgendwo mal anfangen musste und warum dann nicht bei der größten Baustelle, die derzeit in ihrem Leben existierte? Allerdings brauchte sie einige Augenblicke länger, um vom Schlitten zu dem Baum zu kommen, der ihr beinahe den Boden unter den Füßen weggerissen hätte. Nun musste sie ihre gut erlernten Fähigkeiten, zu ignorieren, einsetzen, um überhaupt weiterzugehen. Schon von Weitem konnte sie diesen unsäglichen Baum erkennen und wandte den Blick tunlichst ab. Ihr Herz klopfte, während sie näherkam und die Gedenkstätte ihres Vaters dann links hinter sich ließ. Sie brachte noch ein paar wenige Schritte zwischen sich und den Baum, ehe sie, die Arme verschränkt, stehenblieb. Nun waren die blauen Augen auf den Rücken des Dunklen gerichtet und sie musste sich nach einer kleinen Weile des Stillschweigens fragen, ob er überhaupt noch etwas mitbekam. Vielleicht waren ihm aber auch seine Ohren abgefroren. Immerhin musste er bereits seit Langem hier stehen… Eleyna erinnerte sich an die Verabschiedung, die sie für Sekunden aus ihrem tiefen Schlaf gerissen hatte. Das musste ein paar Stunden, bevor sie tatsächlich geweckt wurde, gewesen sein.

Gerade wollte sie das Wort erheben als seine Stimme ertönte: "Nun, gemessen an der Effektivität deiner flachen Hand auf meiner Wange, möchte mein Kinn vorerst keine Bekanntschaft mit deinem rechten Haken machen." Eleyna starrte ihn an. Erst brauchte er wieder ewig lange, um auf sie zu reagieren, sodass sie bereits ohne jegliche Worte gehen wollte. Und dann entgegnete er ihr Spott? Nach allem, was er gestern getan und gesagt hatte, hielt er das für angemessen? Vielleicht war der Sturz doch heftiger gewesen als angenommen. Eleyna sortierte noch ihre Gedanken, als er sich zu ihr umwandte und sie einen Blick auf seine violetten Augen erhaschte. Die Mischlingselfe suchte darin nach einem Funken Anstand, doch sie erkannte nur jenen Schalk, der ihr bereits des Öfteren entgegnet worden war. Sie jedoch… reagierte nicht. Ihre Miene blieb ausdruckslos, ihr Mund geschlossen. Eleyna hatte gewiss keine Lust sich hierher zitieren zu lassen, um sich dann auch noch seinen Allüren auszusetzen. Abwartend starrte sie ihm ins Gesicht und wollte damit erreichen, dass er weitersprach. Dass er sich erklärte und ihr sagte, was sie hier sollte. Wenn sie schon im Rücken dieses brennende Mahnmal wusste, das ihr zusätzlich Kraft raubte. Sie musste ihre Gedanken davon abhalten, nicht ständig daran zu denken, dass ihr Vater mit Laogh zusammen nach Mantron geflüchtet war… Und dass er hier qualvoll an den Folgen der Verbrennungen verstarb. Das durfte sie jetzt nicht beschäftigen! Und Laogh bot – wie so oft – die nächste Offenbarung und lenkte sie damit gehörig ab und zu einem neuen Thema hin, das sie ebenso wenig diskutieren wollte. Sein Ausdruck änderte sich mit einem Mal und er wirkte regelrecht ernst… Als wolle er eine ehrliche Antwort, ohne Hintergedanken ohne umeinander Herumgetanze. "Du bist also schwanger.", kamen die Worte und Eleyna’s Blick wanderte nicht einen Millimeter von seinen Augen ab.
Sie stand weiterhin da und zuckte nicht mal dabei. Jetzt zeigte sich, dass sie gut in dem sein konnte, was man sie lehrte. Allerdings grub sie ihre Fingernägel der rechten Hand in ihren linken Oberarm, dass sicher selbst Kleidung Abdrücke entstehen würden. „Was soll der Unsinn?“, fragte sie dann nach scheinbar Äonen an Pause. Eleyna rührte sich weiterhin nicht, denn im Grunde erwartete sie noch immer eine Erklärung. Dass er sie auf die Schwangerschaft ansprach, war allerdings etwas, was sie innerlich aufwühlte. Doch sie durfte sich davon jetzt nicht ködern lassen. Er wusste es nicht. Er startete einen Schnellschuss und las ihre Reaktionen darauf, um Aufschluss zu bekommen. Vielleicht hatte er bereits seit geraumer Zeit einen Verdacht… Aber wissen konnte er es schlicht nicht. Eleyna verlagerte ihr Gewicht auf ein anderes Bein und schüttelte den Kopf. „Hast du mich nur deswegen herbestellt? Um das zu sagen? Tja, ich muss dich enttäuschen – deine Informationen sind nicht korrekt und… was würde es dich auch angehen?“, schoss sie scharf, ehe sie den Kopf schüttelte. „Ich weiß gar nicht, wieso ich hergekommen bin…“, murmelte sie und öffnete ihre Arme, damit sie sich mit der Hand über das Gesicht streichen konnte. „Das war ein Fehler. Ich habe deine Botschaft verstanden Laogh. Keine Sorge – ich werde dich nicht aufhalten.“, meinte sie und erneut bot ihre Stimme eine gewisse verletzte Kälte. Aber ja… er hatte sich gestern wahrlich ins Zeug gelegt, sich zu lösen… Nun – sollte er! Sie tat ihm den Gefallen.

„Das hat keinen Zweck.“, meinte sie dann resigniert und wandte sich tatsächlich von ihm ab. Allerdings hatte das zur Folge, dass sie direkt auf das Muster im Baum starrte und reglos stehenblieb. Sie konnte nichts weiter tun als auf das Zeichen zu sehen und ließ sich für einen Moment von den aufkommenden Gefühlen lähmen. Eleyna presste die Augen zusammen, ballte die Hände zu Fäusten und wandte den Kopf zu Seite, damit sie es nicht sehen musste. Dann setzte sie sich in Bewegung, auch wenn jeder Schritt mühevoll und anstrengend war, aufgrund der Trauer, die sich in ihrem Innern auftürmte. Eleyna schaffte es gerade neben den Baumstamm, ehe ihre Beine ihr den Dienst versagten. Sie sank in den Schnee und lehnte ihre Stirn gegen die Rinde des gepflanzten Totems. „Sag mir endlich, wieso du hier auf mich wartest…“, verlangte sie leidend und holte tief Luft. Die Trauer fraß sie innerlich auf, sie hätte nicht kommen dürfen. Nicht nach gestern… Was hatte sie erwartet? Dass sie das aushalten könnte? Nachdem sie so durchlässig geworden war? Eleyna ließ ihre Deckung fallen und lehnte weiterhin mit geschlossenen Augen gegen den Baumstamm. „Was schert es dich, Laogh?…“, murmelte sie und offenbarte damit eben jenen anderen Teil, die Schwangerschaft, der sie in den Abgrund ziehen könnte. Eleyna versuchte krampfhaft die jahrelang aufgestaute und nie zugelassene Trauer davon abzuhalten, sie zu übermannen, deshalb warf sie nun anderen Ballast ab. Und auch wenn sie sich geschworen hatte, ihm nichts zu sagen… Sie konnte nicht noch mehr schultern und in sich hineinfressen. Eleyna erhob sich reichlich steif aus dem Schnee und hielt sich an dem Stamm fest. Sie stützte sich einen Moment, ehe sie sich davon abstieß – „Das soll nicht deine Sorge sein. Ich hätte nicht kommen sollen.“, wiegelte sie ab und den Schwung nutzte, um weiter voranzukommen – von ihm weg.

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 29. Dezember 2022, 21:32

Es war alles andere als ein leichter Gang, den sie auf sich genommen hatte, um dem Ruf desjenigen zu folgen, der sich nicht dafür entscheiden zu können schien, was er nun wollte. Einmal wollte er reden, dann wieder stieß er sie brutal mit Worten von sich, um sie bei der nächsten Gelegenheit erneut zu sich zu holen.
Warum? Und warum ausgerechnet hier?! Was wollte er dieses Mal von ihr? Würde sie es noch verkraften können? Wie sollte sie sich denn wappnen, wenn sie keine Ahnung hatte, was auf sie zukommen würde?
Trotzdem war sie gekommen und stapfte nun, mit den letzten seelischen Kraftreserven, durch den Schnee in seine Richtung, der ihr weiterhin den Rücken zugewandt hatte. Wie fast immer ignorierte er sie so lange, wie er es wollte, bis... bis er mit einer spöttelnden Bemerkung daher kam. Was sollte das denn jetzt wieder? Wollte er sie kränken? Oder... die Stimmung zwischen ihnen heben?
Ganz gleich, was seine Beweggründe sein mochten, sie verfehlten ihre Wirkung. Die Mischlingselfe gab sich unbeeindruckt, ging nicht darauf ein und somit verpuffte jegliche locker scheinende Wirkung vollends. Auch in seinen Augen erlosch der schalkhafte Funke und machte jenem Ernst Platz, der so selten darin zu finden war.
Doch auch seine nächsten Worte waren alles andere als... angemessen, obwohl sie bei weitem nicht nach einer Frage klangen. Es war eine Feststellung und trotzdem... Nein, er konnte es nicht wissen, definitiv nicht! Juna hatte sie gegenüber den anderen nicht verraten und er selbst war am Abend noch immer bewusstlos gewesen. Oder...? Hatte er unbemerkt gelauscht? Was käme als nächstes?
Er beobachtete sie bei ihrer Reaktion, auch bei jener, die eben nicht kam, davon konnte sie ausgehen. Bis er sich schließlich... von ihr abwandte und wieder nach vorne sah. Ganz so, als warte er nicht länger auf eine Antwort... oder darauf zu zusehen, wie sie ihn einfach stehen lassen würde.
Konnte sie das denn? Gehen, einfach so? Ihn hinter sich lassen und nach vorne blicken? Nur... wohin dann? Nein, die Spionin blieb und ergriff das Wort. Ungesehen von ihr hob sich eine Augenbraue unter der Vermummung an, sonst kam vorerst... nichts.
Er ließ sie reden und wartete, solange, bis sie zuerst ihre Wut und schließlich ihre Resignation verbreitet hatte und gewillt war, sich von ihm endgültig abzuwenden. Erst da drehte er sich langsam wieder zu ihr um... und überholte sie mit wenigen Schritten seiner langen Beine. Dabei bewegte er sich fast schon verboten geschmeidig für all die äußeren Umstände, die sein Können beeinflussen mussten.
Ob er es mit Absicht tat, um sie daran zu erinnern, wie faszinierend er wirken konnte? Oder wollte er den Schein für seinen eigenen Stolz wahren, damit sie seine neuerliche Schwäche ja nicht zu Gesicht bekäme?
Jetzt jedenfalls trat er an den Baum ihres Vaters heran, hob seine behandschuhte Linke und... und strich mit den Fingern beinahe zärtlich über die Stirn des Fuchses. Als hätte er ihr gar nicht richtig zugehört oder ihren Worten keine Beachtung geschenkt, meinte er plötzlich:"Juna ist eine hervorragende Hebamme, heißt es. Du kannst dich ihr anvertrauen, ganz gleich, wie du dich entscheidest." Nun drehte er doch seinen Kopf und sah sie erneut mit diesem speziellen Ernst an, der wirkte, als käme er aus einem ehrlichen Gefühl heraus.
"Und keine Sorge, sie würde mir eher die Ohren abreißen, als mir etwas darüber zu verraten, was du tust." In einem anderen Tonfall hätte diese Aussage in ihrer Flapsigkeit so typisch zu ihm gepasst, dass es einen hätte schmunzeln lassen können. So hingegen, mit diesem Ernst... klang es tatsächlich so, als entspräche die angekündigte Reaktion der Realität.
Da sie ihre Cousine ebenfalls kennen gelernt hatte und um deren Durchsetzungsfähigkeit wusste... Ja, solch ein Szenario wäre von beiden Seiten aus denkbar. Und er? Würde er sich überhaupt die Mühe machen, sich zu erkundigen? Warum kümmerte er sich eigentlich darum? Nur, weil er an der Zeugung beteiligt gewesen war? Weil er mit ihrem Vater befreundet gewesen war? Oder weil... weil es ihn interessierte? Nein, besser gar nicht an diese letzte Option denken!
Sein Blick hatte sich indes zurück auf das Emblem gerichtet, dessen Konturen er langsam nachzog, als sähe er es zum ersten Mal. "Du hast Recht, es hat keinen Zweck.", erklärte er schließlich und seine Stimme wurde mit jeder Silbe kühler.
Am Ende drückte er sich von dem Baum weg und sah von oben auf sie herab, als rühre es ihn nicht im Geringsten, dass sie in den Schnee gesunken war, weil die Beine ihr den Dienst versagt hatten. "Komm wieder, wenn du bereit bist, die richtigen Fragen zu stellen.", beschied er sie nun, als wolle er erneut mit der Klinge ihr Herz zerfetzen.
Was sollte das nun schon wieder? Hatte er sie nicht schon genug verletzt? Was wollte er überhaupt von ihr hören?! Und was war mit ihr? Sollte sie sich auf ihn stürzen? Wäre das denn klug? War er tatsächlich wieder so gut beisammen, wie er ihr suggerieren wollte? Oder wollte er eine erneute Bewusstlosigkeit riskieren, damit sie ihn hier liegen lassen müsste, im Schnee, dem sicheren Tod geweiht? War es das? Vielleicht sollte sie wirklich schlicht und ergreifend gehen!
Oder... oder sie holte tief Luft, bombardierte ihn mit Fragen über Fragen, in der Hoffnung, die in seinen Augen Richtige wäre dabei und erhielte eine Antwort? Würde sich dieser Energieaufwand denn lohnen? Hatte sie denn noch mehr zu verlieren...? Ergab noch irgendetwas Sinn?
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Samstag 31. Dezember 2022, 21:47

Niemand hätte sie darauf vorbereiten können, dass sie in dieser Form durch die Mangel gedreht wurde. Dass es besonders einen Mann geben würde, der ihr wirklich alles abverlangte und zusätzlich auch eben jener war, der ihre Gefühle weckte. Eleyna hatte sich wahrlich eine schlechte Kombination ausgesucht, denn sie spürte, wie sehr sie am Ende war. Die Belastung, alles ständig hinunterzuschlucken drohte sie in den Abgrund zu ziehen. Vielleicht war es das, was sie hoffte, finden zu können, während sie dem Ruf des Einen folgte. Es war der letzte, vielleicht verzweifelte Versuch, sich Antworten zu holen, sie zu erhalten und somit ihrer sich immer drehenden Seele Absolution zu erteilen. Die Spionin wusste weder vor zurück, während sie sich bemühte, nicht sofort alles von sich preiszugeben. Sie stand im kalten Wind, die Arme verschränkt und abwehrend, aber auch Wärme suchend. Die Halbelfe versuchte sich gerade nicht anmerken zu lassen, dass Laogh sie mit seiner Frage überrascht hatte. Allerdings wusste sie auch, dass er es schlicht nicht wissen konnte. Dennoch bemühte sie sich um Kühle und Distanz. In ihrem Innern aber sah es völlig anders aus, denn Eleyna spürte, wie ihre Mauer bröckelte und sich zu teilen begann. Ihre schützende Hülle bekam deutliche Risse und es war nicht allein Laogh zu verdanken, dass das so war. Auch der Baum in ihrem Rücken glühte beinahe gleißend hell in ihre Seele, die sie doch versuchte vor dem Schmerz zu schützen. Eleyna spürte, wie es sie Kraft kostete, nicht daran zu denken. Allerdings spürte sie auch, dass sie das nicht schaffen würde… alles löste sich auf und entglitt ihren Händen. Sie wandte sich ab und starrte auf den Baum, der sich ihr unweigerlich in den Weg schob. Eleyna wurde abermals davon getroffen und konnte kaum noch die Kraft zum Bewegen finden. Ihre ganze Existenz war eine Lüge und alles hatte sich verändert. Sie war doch gut zurechtgekommen in ihrem Leben. Es war nicht das Beste, aber es reichte.
Und vor allem war sie in der Lage gewesen, das alles zu händeln. Jetzt aber war das vollkommen anders, sodass sie es nicht mal mehr schaffte, sich an dem Baum vorbei und zum Schlitten zu bewegen. Sie sank in den Schnee und brach am Grund des Stammes zusammen. Eleyna offenbarte das, was er bereits ahnte und was tat er? Er trat an ihr vorbei, um sich an dem Stamm zu erinnern, so, wie er es wohl schon all die Jahre getan hatte.

Die Elfe aber starrte auf seine Füße und litt. Sie litt wie ein getroffenes Tier, doch er blieb kühl und unnahbar. Eleyna wollte von ihm endlich einfach nur Antworten haben… seine Worte aber erreichten nicht mal ansatzweise ihr Herz. Resigniert schloss sie die Augen und lehnte ihren Kopf gegen die scharfkantige Rinde. „Was tust du nur…“, wisperte sie und öffnete die Augen wieder. "Komm wieder, wenn du bereit bist, die richtigen Fragen zu stellen."… Eleyna starrte regungslos auf seine Beine. Seinen Blick brauchte sie nicht zu sehen, sie hörte bereits seine Worte. Die Elfe atmete… einmal… zweimal. Dann kämpfte sie sich mühsam in den Stand und hob mit schweren Lidern den Blick. „Was?“, kam es japsend von ihr und er konnte regelrecht zusehen, wie er sie zerstörte mit seinen Taten. Eleyna starrte Laogh an als wäre er der Leibhaftige. „Ich soll…“, sie wirkte langsam. Aber sie war auch endgültig am Ende. Augenringe zeugten deutlich von den Torturen der letzten Zeit. Von der seelischen Qual, die sie fühlte. Eleyna schloss die Augen und brach den entsetzten Blick zu ihm ab. Hatte er das wirklich gesagt? Sie könnte ihm applaudierten, denn er hatte es geschafft, sie endgültig dahin zu bringen, wo er sie haben wollte. Eleyna nickte leicht und wischte sich unwirsch eine Träne von der Wange. Dann öffnete sie ihre Augen wieder. Sie funkelten zornig, denn sie hasste ihn in diesem Moment. Hasste ihn für seine Macht über sie. Für seine Arroganz nach ihr zu treten, während sie am Boden lag. „Es ist vorbei, Laogh…“, murmelte sie und straffte ihre Schultern. „Ich hatte geglaubt, dass es da… etwas geben würde zwischen uns. Dass du… mehr in mir sehen könntest. Aber ich habe mich geirrt. Ich war eine Närrin, dass ich es so weit habe kommen lassen. Würdest du etwas für mich empfinden, dann würdest du mich nicht wieder und wieder zu Fall bringen. Du würdest mir erklären, woher du meinen Vater genau kennst und wie alles sich damals zugetragen hatte. Du würdest versuchen mir zu helfen, statt mich stets zu belehren. Mich zu demütigen, mich zu maßregeln… du würdest eine andere Reaktion zeigen, aufgrund dessen, dass ich unser Kind unter dem Herzen trage, als mir Juna zu empfehlen. Du würdest aufhören, selbst wenn wir allein sind, dich unnahbar und kalt zu verhalten, als würde dir das alles nichts ausmachen. Du würdest mir zeigen, dass es dich quält, dass du meinen Vater nicht hattest retten können!“, sie presste die Lippen aufeinander und keine einzige Träne vergoss sie noch für ihn. „Aber nein… ich war eine Idiotin. Scher dich nach Morgeria zurück und vergiss, dass wir uns jemals begegnet sind. Bereue meinetwegen wieder.“, zischte sie ihn an, nutzte den Ruck, der durch ihren Körper ging und wandte sich von ihm ab. Eleyna war es nun, die zur Klippe ging und am Abgrund auf das Meer hinausstarrte. Die Weite vor ihren Augen, den Abgrund aber vor ihren Füßen. Wie lange würde es noch halten, dass sie den Blick in die Ferne und nicht vor ihre Füße in die Tiefe richtete?! Sie war fertig mit ihm, er hatte alle Register gezogen und ganze Arbeit geleistet. Ob er stolz auf diesen Ausgang sein konnte? Wen scherte es? Eleyna hatte genug… und er deutlich gezeigt, dass sie ihm nicht genug wert war, um sie endlich auf Augenhöhe zu behandeln.

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 5. Januar 2023, 13:03

Warum behandelte er sie eigentlich auf diese Weise, lockte und köderte sie, bis sie verwundbar war, um sie dann derart niederzuschmettern, dass sie kaum noch vom Boden wieder hochkommen konnte? War es besonders grausames, perfides Spiel von ihm, trotz seines Wissens darum, dass sie die Tochter seines angeblich engsten, aber eben schon lange verstorbenen Freundes war?
Seine Art der Rache an ihrer Mutter, über deren Kind, weil er an die Übeltäterin selbst nicht ran kam? Nein, das war zu abwegig, dazu war er viel zu gut in dem, was er tat. Wenn er Gwyn d'Yaincre ein Haar hätte krümmen können, dann hätte er das auch getan, ganz gleich, wie ebenbürtig sie ihm sein mochte... oder eben auch nicht. Wer wusste das schon so genau zu sagen?
Lag es also daran, dass er ein reinrassiger Dunkelelf war, der niemals gelernt hatte, anders mit anderen umzugehen? Möglich, jedoch nicht vollkommen wahrscheinlich, sobald man ihn mit Mundl ebenso wie mit Celestina und ihrem Nachwuchs gesehen hatte. Vielleicht war es lediglich eine Maske und er konnte sie nicht lange aufrecht erhalten, allerdings... nein, es musste in ihm auch so etwas geben, das man fast schon als gute Seite bezeichnen könnte. Ein wenig davon war auf dem Schiff in der Kajüte aufgeblitzt und hatte sie dazu gebracht, sich ihm viel zu sehr zu öffnen. Und obendrein war er kein typischer Vertreter seiner Rasse und empfände es garantiert sogar als Beleidigung, wenn man ihn darauf aufmerksam machen würde.
Nur... was war dann sein gottverdammtes Problem?! Wieso musste er ihr gegenüber so sein?! Dass es Zufall und unbewusst sein könnte, würde ihm niemand, der ihn auch nur ein bisschen erlebt hatte, abkaufen. Dahinter steckte doch System! Nun ja... wenigstens hinter dem größten Teil, wenn man ihm zugute halten wollte, dass er es eben nicht anders handhaben konnte nach all der Zeit an der einsamen Spitze.
Und trotzdem! Wenn er schon unbedingt ein Arschloch sein wollte, dann sollte er aufhören damit, es manchmal eben nicht zu sein! Damit sie diesen Funken Hoffnung endlich begraben könnte...
Sah er denn nicht, dass sie längst am Boden war, als sie sogar physisch neben dem Baum niedersank in den Schnee? Nein, er schien gerade keinen Blick für sie zu haben, sondern nur und ausschließlich für jenes Symbol, das der Erinnerung an ihren Vater diente. Seine Worte hätte er sich sparen können, denn sie waren kalt und unbarmherzig, so wie die Kälte ringsherum. Das brachte endlich die Dämme in ihrem Inneren zum Brechen, nach einer gehörigen Portion Zeit der Überraschung.
Er erwiderte ihren Blick nicht, sondern starrte lediglich stur vor sich hin, ließ sie mal wieder ins Leere wüten und wirkte absolut unbeeindruckt. Erst, als sie mit Schwung an ihm vorbei trat, war es, als kehrte das Leben in ihn zurück. Trotz des schneeigen Untergrunds schaffte er es, sich vollkommen lautlos zu drehen, um sie beobachten zu können. Abwartend und lauernd. Worauf? Das wusste vermutlich nur er, denn er zuckte maximal mit den Fingerspitzen, als sie dem Abgrund vor sich viel zu nahe kam. Doch sie hielt rechtzeitig inne und hatte somit keinerlei Anhaltspunkt dafür, dass er bereit gewesen wäre, sämtliche Energiereserven zu mobilisieren, um sie vor dieser einen Dummheit zu bewahren.
Stattdessen atmete er unhörbar durch und begann damit, sich langsam und verboten geräuschlos zu nähern. Lediglich seine Stimme bot eine Vorstellung davon, wo er sich in etwa gerade befand. Oder wusste er sie auch in dieser Hinsicht zu täuschen? Sie würde es einzig und allein erfahren, wenn sie den Kopf drehte und ihn noch einmal ansehen würde. Oder sie würde stur stehen bleiben, ihm den Rücken zudrehen und ihm die Gelegenheit offenbaren, ihr eine neuerliche Waffe in den Rücken zu stoßen.
Was machte es schon? Sie war fertig mit ihm, so, wie sie es ihm gerade an den Kopf geworfen hatte. Und er? War er es auch mit ihr? Oder was würde nun folgen? Immerhin, das, was er nun aussprach, klang fast schon... vielversprechend? Zumindest ausreichend, um ihm erneut an die Gurgel gehen zu wollen, oder?
"Was willst du denn hören? Wovon soll ich erzählen? Von großen Heldentaten, abenteuerlichen Handelsfahrten, herzerwärmender Romantik mit Freundschaft auf den ersten Blick und alles für immer besiegelnde Blutsbruderschaft?", sprach er betont theatralisch und schnaubte daraufhin abfällig. Auch wenn sie ihn nicht ansehen oder wenigstens im Augenwinkel beobachten sollte, könnte sie sich sehr gut übertrieben ausladende Gesten bei seinen Worten vorstellen.
"Die Wahrheit ist so banal wie das Wetter. Ich war verletzt, dein Vater hat mich aufgelesen und zusammen geflickt. Punkt. Ende. Das war's!" Dabei zuckte er scheinbar gleichmütig mit den Schultern, als wäre seine knappe Schilderung bar jeglicher, mitunter ungewöhnlicher Informationen.
Wieso war er verletzt gewesen, wo und wann? Wo hatte ihr Vater ihn gefunden und wie hatte der Dunkelelf es geschafft, sich von ihm versorgen zu lassen? Wodurch hatte daraus eine Freundschaft entstehen können, die offenkundig bei dem Schatten einen tiefen, bleibenden Eindruck hinterlassen hatte? Wie passte das alles in ihre verquere Welt?!
"Er wollte unbedingt in alles und jedem eben das Gute sehen.", fuhr der Meisterspion nach einer flüchtigen Pause fort und warf ihr, unabhängig von ihrer eigenen Haltung, einen schiefen, äußerst bezeichnenden Blick zu.
Im nächsten Moment allerdings... packte er plötzlich ihre Schultern, wirbelte sie herum, dass ihre Fersen gefährlich nach an den Abgrund gerieten, und zog sie flugs in eine feste, verboten wärmende Umarmung. Ein Arm schlang sich dabei um ihren Schultergürtel, die Hand des anderen lag auf ihrem Hinterkopf, sodass sie ihm gar nicht auskommen konnte, sondern mit der Stirn an seiner Brust lehnte, unter der sie, trotz allen Fells und sonstiger schützender Kleidungsschichten sein Herz beständig schlagen spüren konnte.
"Und jetzt hör endlich auf zu schlucken und heul' endlich los. Mir gehen langsam die Ideen aus, damit die Flut raus kommt.", murmelte er mit einem Mal ganz weich und sanft, das man sich vorkommen könnte, in einem falschen Stück zu stecken. Dahin waren die Kälte, die Wut, die Angriffslust und was er sonst noch alles getan hatte, um sie zu verletzen.
War das der Grund für sein abweisendes Verhalten gewesen? Hatte er sie so sehr verletzen und vertreiben wollen, um ihr auf diese seltsame Art... zu helfen, ihren Gefühlen freien Lauf zu lassen? War die Antwort darauf tatsächlich dermaßen simpel? Oder wollte er sie schon wieder reinlegen, um erneut und mit Genuss nachtreten zu können? Könnte sie das jetzt denn überhaupt noch, sich ihm öffnen? Oder käme die Welle ganz von allein und sie wäre machtlos darin, sich gegen seinen Willen aufzulehnen? Was würde passieren, wenn sie sich aus diesem Griff befreite und ihn stehen ließ?
Wenn sein Geruch nur nicht so angenehm in der Nase kitzeln würde und seine Arme um ihren Körper nicht so wohlig warm wären...
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Freitag 6. Januar 2023, 13:40

In Anbetracht dessen, dass ihr Leben eine reine Katastrophe war und sich wohl niemals anders wenden würde, hielt Eleyna erstaunlich lange durch. Weder der Umzug nach Morgeria, das Aufwachsen dort oder die harte Ausbildung hatten sie gebrochen. Ihre Aufträge hatten sie zeitweise gefordert aber niemals gebrochen. Der Mord, den sie beobachtete, aber nicht verhinderte, lastete auf ihrer Seele, aber sie blieb stark. Ihre sechsmonatige Folter hatte ihren Körper gezeichnet und sie gelehrt, niemanden zu vertrauen, doch sie stand immer noch erhobenen Hauptes. Eleyna hatte viel erlebt und erduldet und war dennoch immer noch sie. Bis die dunkle Armee sich entschloss vorzurücken und ihre Pläne umzusetzen. Von denen sie viel zu spät erfuhr, um sie noch rechtzeitig an Arrond heranzutragen. Sie konnte nur feststellen, dass Pelgar gefallen und ihr Freund verschwunden war. Die Sorge um ihn war echt und nachhaltig. Sie hatte immense Angst gehabt, den einzigen Menschen zu verlieren, dem sie noch vertrauen konnte, auch wenn ihre Arbeit es ihr schwer machte. Vermutlich war ihr die Freundschaft zu Arrond deshalb so wichtig gewesen… Sie hätte das Band gehütet wie einen Schatz, denn mehr hatte sie in ihrem Leben nicht gehabt. So war es nicht verwunderlich gewesen, dass sie sich direkt in die Höhle der Löwen begab, um alle Informationen über Arronds Verbleib herauszufinden. Und lief ausgerechnet Laogh in die Arme… Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte sie gespürt, dass sie bei ihm äußerst vorsichtig sein musste. Seit dem waren unzählige Stunden und lange Wochen vergangen in denen so viel mehr geschehen war. Alles hatte sie geschluckt, hatte zwar gewütet und gezetert, hatte mit den Fäusten getrommelt und mit dem Fuß gestampft, doch es brachte nichts… Alles schien an ihm abzuprallen und ihn noch wortkarger zu machen. Und sie mehr und mehr in den reißenden Strudel zu ziehen. Er wusste so vieles, das ihr verborgen blieb. Sie musste stets auf sein Wohlwollen hoffen, dass er sie nicht am ausgestreckten Arm verhungern ließ. Ihre Familiengeschichte war weitaus verschachtelter als sie angenommen hatte. Wie konnte das alles so spurlos an ihr vorbeigehen? Wie konnte sie nichts merken… War sie zu naiv gewesen? Oder hatte sie sich soweit von Morgeria und ihrer Mutter entfernt, um gar nicht erst in die Verlegenheit zu geraten, etwas zu erkennen? War das Selbstschutz? Nun… wie auch immer. Eleyna hatte in den letzten Tagen und Wochen viel zu viel erfahren müssen und begriff, dass es nie aufhören würde. Zu allem Überfluss aber mischten sich auch noch leidliche Gefühle für den Meisterspion ein. Diese machten es ihr unmöglich die Dinge zu ertragen. Und vor allem machten sie es ihr unmöglich, sich von Laogh zu lösen… Selbst seinem Ruf, nachdem er sie so angegangen war, folgte sie noch in leiser Hoffnung, er würde endlich aufhören damit sie so zu quälen. Doch weit gefehlt. Er stach immer wieder zu. Wie ein wildgewordener Mörder, der sich daran ergötzte, dass der Leib nur noch zuckte, weil das Messer aus der Haut gezogen wurde.

Eleyna spürte, wie ihr alles entglitt. Wie die Mauern Risse bekamen und sie Mühe hatte alles zusammenzuhalten. Und dann sagte er die alles entscheidenden Worte, die sie davon überzeugten, sich schlicht und einfach geirrt zu haben. Die leise Stimme in ihrem Kopf, die behauptet hatte, er könne sie nicht nur als reinen Auftrag ansehen, dafür wäre er zu umsorgend, lachte höhnisch, denn sie musste einem Irrtum aufsitzen. Nein… er empfand nichts für sie, sonst würde er nicht so handeln. Die Erkenntnis brachte sie in eine seltsame Ruhe, die gleichwohl alle Gefühle wegfegte. Ihr Kopf war leer, ihre Sinne hatten Schwierigkeiten sich zu fokussieren. Genug war genug, sodass sie ihm ihre Sicht der Dinge offenbarte und gleichzeitig klar machte, dass sie sich in seinen Motiven schlicht geirrt hatte. Sie sagte ihm, dass sie verstanden hatte. Und das hatte sie. Sie bedeutete ihm nichts. Oder nicht genug, wie auch immer. Es war nicht die erste und nicht die letzte unsägliche Verbindung die sie löste, sodass sie ihn fortschickte. Solle er tun, was immer er tun musste. Aber ohne sie, so wie er es wollte. Eleyna hatte sich abgewandt und trat deutlich zu nahe an den Rand des Abgrunds hinunter. Ein Sprung würde sie sofort töten, sollte sie rutschen, würde sie wohl ordentliche Blessuren davontragen und eventuell überleben. Doch das war gar nicht in ihren Gedanken.
Sie starrte an den Horizont, während sie inständig hoffte, er möge sich verziehen. Er sollte bloß nicht noch mal nachtreten, denn so langsam wusste sie nicht mehr ein noch aus. Doch er ging nicht. Er verschwand nicht geräuschlos und sie sahen einander nie wieder. Er nutzte diesen Ausweg nicht… Wieso? Stattdessen näherte sich seine Stimme, wie sie sehr wohl hören konnte. "Was willst du denn hören? Wovon soll ich erzählen? Von großen Heldentaten, abenteuerlichen Handelsfahrten, herzerwärmender Romantik mit Freundschaft auf den ersten Blick und alles für immer besiegelnde Blutsbruderschaft?" Doch sie rührte sich nicht. Einzig ihre Finger krallten sich angespannt in ihren Arm und ihre Schultern spannten sich an. „Verschwinde endlich.“, zischte sie genervt, denn seine Worte waren nichts wert. Er hatte nicht begriffen. Für ihn war das alles ein lustiger Zeitvertreib, eine kleine Spielerei am Rande seiner großen Pläne. Doch sie war kein Spielball… für sie ging es um alles in dieser Geschichte. Und er versetzte ihr mehr und mehr die Todesstöße, die sie schlussendlich zu einer Handlung treiben könnten, die sie niemals für möglich gehalten hätte. "Die Wahrheit ist so banal wie das Wetter. Ich war verletzt, dein Vater hat mich aufgelesen und zusammen geflickt. Punkt. Ende. Das war's!" Sie hob leicht den Kopf.

Sie hörte zu und wusste es dennoch besser. Er versprühte mit jedem seiner Worte Gift. Er stieß er sie von sich, dann fing er sie wieder ein… wieder und wieder und wieder. Sie war es so leid, sodass sie nur die Lippen aufeinanderpresste und sich ihre Schultern noch mehr anspannten. "Er wollte unbedingt in alles und jedem eben das Gute sehen.", betonte er gewisse Vorzüge ihres Vaters. Eleyna vergrub mit düsterem Gesichtsausdruck ihre Emotionen. Sie starrte verbissen auf irgendeinen Punkt am Ende der Welt und versuchte seine Worte einfach auszublenden. So entging ihr der bezeichnende Blick seitens des Schattens, doch auch das hätte nichts mehr geändert. Sie wollte seiner giftigen Stimme nicht mehr zuhören.
Doch mit einem Mal war sie nicht mehr Herrin über ihre eigenen Bewegungen. Sie spürte seine Hände an ihren Schultern und kurz darauf drehte sich ihr Fokus um die eigene Achse, während ihre Fersen keinen Boden mehr unter den Füßen spürten. Eleyna riss die Augen auf vor Schreck, denn für den Bruchteil einer Sekunde glaubte sie, er stieße sie den Abhang hinunter. Sie spürte bereits das seltsame Gefühl des Fallens in ihrem Bauch und ihre Hände krallten sich in den Stoff an seinen Armen. Dann aber wurde sie in eine schützende Umarmung gezogen. Seine Arme legten sich um sie, während ihr Gesicht an seine Brust gedrückt wurde. Eleyna’s Herz klopfte wie wild. "Und jetzt hör endlich auf zu schlucken und heul' endlich los. Mir gehen langsam die Ideen aus, damit die Flut raus kommt.", drang eine sehr viel weichere Stimme an ihr Ohr und ließ sie ungläubig erstarren. Eleyna krallte sich noch immer reichlich angespannt an seiner Kleidung fest und lauschte dem gleichmäßigen Schlagen seines Herzens. Es war so ruhig, so … unbekümmert. Sie hasste ihn. Und sie liebte ihn. Ihr Atem entwich ihr gepresst, denn der Schreck saß tief. Sie hatte geglaubt, nun wäre es zu ende. Noch immer rauschte ihr wilder Herzschlag in ihren Ohren, die die Wärme seiner Umarmung nicht mal spüren konnten. Eleyna war wie erstarrt und schmiegte sich nicht gelöst und erleichtert in seine Arme. Nein… er konnte spüren, dass sie haderte. Dass er zu weit gegangen war und sie jetzt nicht einfach seine Nähe brauchte, um sich zu öffnen. Die Mischlingselfe brauchte noch einen Moment, in dem sie sich festhielt bei ihm. In dem ihre Finger ihn trotz allem unter all dem Fell suchten und immer wieder nachgriffen. In denen sich nur wenig die Anspannung löste und sie mit zwei tiefen Atemzügen seinen eigenen Duft einsog. Sie hatte ihm gestanden, was sie empfand. Zwar hatte sie es nicht so klar formuliert, doch die Botschaft war dennoch angekommen. Jetzt aber konnte er sehr wohl spüren, wie sie einen neuen Kampf führte. Und wie er verlor…

Eleyna stieß sich leicht in seiner Umarmung ab. Sie wehrte sich gegen seine Arme. Ihr Blick kletterte seinen Hals hinauf zu seinem Gesicht, während sie so viel Abstand zu ihm gewinnen wollte, wie er es zuließ und sie nicht in ihrem Rücken dem Abhang zu nahekäme. „Bemüh‘ dich nicht…“, murmelte sie kraftlos und er erhielt Einblick in ihrem Gesicht darauf, dass er viel zu weit gegangen war. Dass er es übertrieben hatte mit seiner verqueren Art ihr helfen zu wollen. Sie wollte sich weiter lösen und trat noch einen Schritt zurück, ehe sie minimal spürte, dass ihr Fuß keinen Halt mehr finden würde, wenn sie diesen Schritt tat. Also schloss sie wieder zu ihm auf, wollte seitlich an ihm vorbei, um sich von ihm zu lösen. „Mein Vater hat etwas Gutes in dir gesehen und dir das Leben gerettet…“, griff sie einen anderen Faden auf. „Eure Freundschaft war stark und ist es noch..“, murmelte sie und hielt sich wirklich wacker. „Ich verstehe, dass du meine Mutter für das was sie tat hasst. Und dass du mich dafür verantwortlich machst, was passiert ist. Ich tue es ja selbst. Wir sind uns einig. Aber… Deine Rache hast du bekommen. Dein Handeln, deine Worte... all das geht nicht spurlos an mir vorbei denn... ich.. empfinde etwas für dich, Laogh.“ ,vermutlich ging ihm das runter wie Öl und schmeichelte seinem Ego immens. Doch Eleyna war nicht in Stimmung, ihm Paroli zu bieten. „Jetzt kannst du mich damit zurücklassen und dein Leben wieder aufgreifen. Es ist genug, wirklich. Ich… ja, du hast es geschafft. Ich bin am Ende und du hast ganze Arbeit geleistet.“, nickte sie. Sie klang so nüchtern dabei und ganz so, als würde sie einen trockenen Lagebericht vortragen. "Du stößt mich weg, nur um mich danach noch mehr an dich zu binden... Ich war unvorsichtig und... das wird mir zum Verhängnis - vielleicht habe ich es verdient, aber...“, sie legte ihre Hände auf ihren Bauch und senkte den Blick darauf. „Das Leben darin nicht.. Nimm ihm nicht die Chance zu leben…“, spielte sie auf den Stressfaktor an, der ihr beinahe schon eine Entscheidung abgenommen hätte. Ja, Eleyna glaubte wirklich, dass er es aus Rache an ihrer Mutter so weit getrieben hatte. Dass alles darauf abzielte, sich für den Tod ihres Vaters, seines Freundes zu rächen. Und wie sie Celestina bereits mitteilte, war sie doch schlussendlich der Grund für seinen Tod. Wäre sie nicht entstanden, würde er wohl noch leben… Eleyna hob den Kopf und ließ ihn sehen, dass sie seinetwegen litt. Das war sein Sieg. Aber sie blieb weiterhin stark und lief dieses Mal nicht in die Falle, die sie glaubte vor sich zu haben, um noch mehr Gefühle aufkommen zu lassen.

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Samstag 7. Januar 2023, 20:31

Ob er sich eigentlich darüber im Klaren war, was sie bereits alles auszuhalten vermochte und wie stark sie innerlich sein musste, weil sie noch nicht zusammen gebrochen war? Ob er es honorierte? Oder war es ihm vollkommen gleichgültig? Womöglich stellte er Vergleiche zu sich selbst an, bei denen sie so oder so zwangsläufig scheitern musste? Oder... schlimmer noch, war sie vielleicht zu seinem Studienobjekt geworden, ohne, dass sie Einfluss darauf gehabt hätte?
Was wollte er denn noch hier? Man sah deutlich die Spuren der Verwüstung ihrer Seele und trotzdem ließ er sie nicht stehen. Wollte er noch weiter nachtreten, bis sie tatsächlich freiwillig in den Abgrund vor ihr springen würde, um sich und das ungeborene Leben zu beenden? War das sein Ziel? Damit endlich Sühne herrschte nach dem sinnlosen Tod ihres Vaters, für den er sie verantwortlich machte?
Alles wies in diese Richtung und bot gar keine andere Erklärung. Dabei hatte er sich stets dermaßen vielschichtig gezeigt, dass unter der offensichtlichen immer mindestens eine Handvoll weiterer lauerte, bereit zutage zu treten, sobald es für ihn opportun erschienen war! Warum also vermutete sie jetzt nichts weiter als diese eine Möglichkeit? Weil es persönlich wie nie geworden war und sie dermaßen tief getroffen hatte, dass es kaum noch grausamer gehen mochte. Nun ja, sah man einmal von ihrem Verhältnis zu ihrer Mutter ab...
Und er? Er wirkte, als hätte er immer noch nicht genug, nachdem er sie schon so nahe an den Rand getrieben hatte, dass sie deutlich vor Augen hatte, wo die Tiefe auf sie lauerte. Im Gegenteil, wenngleich er zuvor noch die richtigen Fragen verlangt hatte, um gewillt zu sein, Antworten zu geben, so war er es tatsächlich er, der auf sie zuging. Verbal und körperlich, letzteres allerdings dermaßen leise, dass sie ihn nur anhand der Stimme hören konnte, solange sie nicht in seine Richtung sehen würde.
Hätte sie es getan, hätte sie ausweichen können. In der Theorie, denn in Wahrheit wusste er sich so hinter ihr aufzubauen, dass als einziger Ausweg nichts weiter als der Sprung geblieben wäre. So allerdings ersparte sie sich selbst diesen Fluchtimpuls, als er auch schon nach ihren Schultern griff. Würde er sie jetzt etwas in den Tod stoßen?! Nein, er drehte sie zu sich und zog sie in seine tröstende, schützende und vor allem wärmende Umarmung, die er beschlossen hatte, ihr jetzt zu spenden.
Hinzu kamen seine Worte, die schlichtweg viel zu schön klangen, zu sehr nach dem, wonach sich ihr Herz sehnte, als dass sie diesen Glauben schenken konnte. Oder auch seine Stimme, weich und einlullend, erreichte nicht, was er offensichtlich haben wollte. Warum überhaupt? Reichte ihm all der Schmerz nicht, den sie ihm schon gezeigt hatte? Musste er sie auch noch absolut in Tränen aufgelöst erleben, um endlich zufrieden zu sein und sie in Ruhe zu lassen?!
Er konnte seine Worte gar nicht ernst meinen, das war nichts weiter als ein nächster, übler Trick! Blöd für ihn, dass sie ihn durchschaut hatte, dessen war sie sich sicher. Es konnte... nein, es durfte gar nicht anders sein!
Und wieso schlug sein Herz dermaßen ruhig und beständig, während ihres wie wild herum trommelte? Konnte er nicht einmal seine Kontrolle über seinen Körper sein und sie spüren lassen, dass auch ihm etwas nahe ging? Was anderes sonst also konnten seine Worte sein als ein weiteres Netz, um sie einzufangen und mit weiter zu spielen?
Während sie steif in seinen Armen stand und ihre Gedanken wälzte, sich eben nicht lösen konnte, da starrte er über ihren Kopf hinweg ausdruckslos in die Ferne, schien nichts zu sehen und nichts zu hören. Solange, bis sie sich regte... und sich zu wehren begann. Er lockerte seinen Griff, aber nur äußerst langsam.
Was sollte diese Machtdemonstration jetzt schon wieder? Wollte er ihr zeigen, dass er entschied, wann sie sich lösen durfte und wann nicht? Es konnte schließlich nicht die einfache Erklärung sein, dass er sie lediglich vor dem Abgrund bewahren konnte. Das wäre zu... banal, wie er selbst dieses Wort eben erst bemüht hatte.
Dafür kehrte sein Blick aus der Ferne zurück und senkte sich in ihr Gesicht herab. Der Ausdruck darin könnte einen frösteln lassen, denn er verriet absolut nichts von dem, was ihre Reaktion bei ihm auslöste. Wäre sie nicht so aufgewühlt und verletzt durch sein Benehmen in der letzten Zeit, hätte es sie vielleicht aufmerken lassen, denn dieses Verhalten hatte sie schon mehrfach bei ihm erlebt. Immer dann, wenn etwas gedroht hatte, ihm nahe zu gehen, hatte er diese Maske bemüht, um sich ja nicht in die Karten sehen zu lassen.
Nur einmal verengten sich seine Augen leicht und blitzte ein Hauch von Zorn darin auf. Ob sie es bemerkte? Oder übersah sie es? Jedenfalls ließ er sie nicht so einfach ziehen, solange sie sich in Richtung des Abgrundes bewegte. Erst, als sie die Richtung änderte und an ihm vorbei wollte, anstatt sich in die Tiefe zu stürzen, lockerte er seine Umarmung.
Sie redete noch immer, sah ihn aber längst nicht mehr an, während in seinen Blick die Ausdruckslosigkeit und Neutralität zurückkehrten. Beinahe hatte sie es geschafft, war fertig mit ihrer Antwort und schaffte es tatsächlich, so gut wie aus seiner Reichweite zu sein, als... als er im letzten Moment ihr Handgelenk packte. Wie ein Schraubstock schlossen sich seine langen, schlanken Finger um sie und auch ohne Druck auszuüben, wusste er, wie er zugreifen musste, um ihr zu spüren zu geben, dass sie ihm so leicht nicht entkommen würde. "Ist dem so?", kam sein Lieblingssatz in einer provozierenden und zugleich unheimlichen Ruhe.
Langsam, wie an einer Schnur gezogen, drehte sich sein Kopf in ihre Richtung, bis er sie über die Schulter hinweg ansehen konnte. "Du meinst also, meine Gedanken zu kennen und darüber urteilen zu können.", fuhr er fort und wandte sich ihr immer mehr zu. Obwohl er keine direkte Bedrohung ausstrahlte, seine Art der Reaktion war dermaßen angsteinflößend, dass sie sicherlich geflohen wäre, wenn er es zugelassen hätte.
Wehrte sie sich wenigstens gegen sein Griff, so aussichtslos es auch erschien? Oder war sie wie erstarrt und harrte dem, was als nächstes folgen würde? Rechnete sie mit dem absoluten und finalen Vernichtungsschlag? Oder würde sie mit weiteren Worten versuchen, ihm die Möglichkeit zum Fortfahren zu nehmen? Ganz gleich, was auch immer sie versuchte, sie entkam ihm nicht.
Plötzlich zog er an ihrem Arm, dass sie zwangsläufig durch den unerwarteten Schwung gegen seinen Körper prallen musste. Es war das einzige Zeichen seiner Schwäche, das anscheinend auch er nicht vollkommen verbergen konnte, dass er einen minimalen Schritt zurück machen musste, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. Jedoch währte diese Reaktion nicht länger als ein Wimpernschlag, ehe sein freier Arm sich erneut um ihre Taille schlang und ihr ein Entkommen verwehrte.
Gleichzeitig ließ er endlich ihr Handgelenk los, um nach ihrem Kinn zu greifen und es in die Höhe zu drücken. "Meine Meinung bilde ich noch immer selbst, damit das klar ist!", verkündete er raunend und tat etwas, womit sie wahrscheinlich nicht gerechnet hatte. Und das sie vermutlich noch weniger zulassen würde, wenn er sie nicht überrumpeln würde damit.
Denn bevor sie sich noch wehren konnte, lagen seine Lippen schon auf den ihren, und er schenkte ihr einen Kuss so voller Zärtlichkeit und Gefühl, das es wahrlich dazu angetan war, Dämme brechen zu lassen. Ob sein Plan dieses Mal funktionierte? Ob sie endlich die Tränen fließen lassen könnte, wie er es verlangte? Die Zeit schien einen langen Moment über still zu stehen und die Umgebung unwichtig zu werden.
Solange, bis er sich von ihr soweit löste, dass er ihre Lippen freigeben und sie wieder ansehen konnte. Dabei wirkte er vollkommen unberührt von jenem Kuss, den er ihr gerade hatte zuteil werden lassen, zumindest, soweit sie das bei seiner Vermummung beurteilen konnte. Sein Herz schlug noch immer beständig weiter, lediglich in seiner Hose rührte sich... nichts. Nichts von dem, das ihr so viele Freuden schon zu bereiten gewusst und mit dem er sie durchaus zu triezen gewusst hatte. Mit Absicht? War das seine perfekte Kontrolle über sich selbst oder ein Zeichen davon, dass er tatsächlich nichts für sie empfand?
"Und jetzt noch einmal von vorne. Dein Papi war ein Gutmensch, du bist genauso naiv und ich bin der böse, böse Onkel, der alles dafür tut, dass du endlich flennst. Jetzt kapiert?", sprach er leise, dafür umso eindringlicher, während sein Arm sie weiterhin umschlungen und an sich gedrückt hielt. Dafür hatte er die andere Hand gelöst, als wolle er es ihr überlassen, ob sie ihn ansehen oder sich an ihn lehnen wollte. Welch eine Qual der Wahl!
"Und jetzt halt endlich die Klappe und leg los, sonst verfrachte ich dich in den Schlitten, bring dich zu Gunni und sag ihr, du meldest dich freiwillig zum Zwiebel schneiden für die verdammte Hühnerbrühe." Flüchtig blitzte ein schwacher Abglanz jenes bekannten Spotts in seinen Augen auf, den er für gewöhnlich zu zeigen entschied. "Die ich dir übrigens übel nehme. Nur, damit wir uns da richtig verstehen!" Die Sanftheit seiner Stimme nahm den Worten ihre Schärfe, wenngleich sie davon ausgehen konnte, dass er nicht scherzte.
Trotzdem ließ er seine Worte einen Moment lang sacken, ehe er hinzufügte:"Also, du hast die Wahl!"
Damit lag es nun an ihr, wie sie reagieren würde. Auch wenn fraglich war, was von seinem Verhalten jetzt wieder zu halten war... Was war davon echt und was gespielt? Gab es bei ihm überhaupt einen Unterschied? Wusste er eigentlich selbst noch, wann er etwas ehrlich meinte?
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Sonntag 8. Januar 2023, 01:11

Eleyna wusste nicht mehr, was wahr und was es nicht wäre. Ihre Sinne, ihre Gedanken, ihre Hormone waren in den letzten Wochen auf eine solch harte Probe gestellt worden, dass ihre Fähigkeiten die Wahrheit zu finden, erheblich geschwächt wurden. Man könnte es wohl gezielte Folter nennen, wenn man einer bösen Zunge diese Macht zugestehen wollte. Doch Laogh hatte Eleyna seit sie sich begegnet waren systematisch verwirrt, im Unklaren gelassen und soweit manipuliert, dass sie gar nicht anders konnte als ihm zu zuhören. Seine Fähigkeiten waren unübertroffen und hatte sie anfangs noch geglaubt, ihm widerstehen zu können, musste sie jetzt bitter erkennen, dass sie sich fatal geirrt hatte. Er hatte es geschafft, dass sie Wahrheit nicht mehr von Lüge unterscheiden konnte und dass sie nicht mehr sah, was seine wahren Beweggründe waren. Alles drehte sich. Alles war falsch und undurchsichtig und wenn sie glaubte, Klarheit zu erlangen, dann verwischte er diese Spur mit falschen Pfaden. Eleyna war am Ende angekommen. Sie hatte sich viel zu sehr geöffnet und was anfangs eine Affäre hätte sein sollen, wurde nun zu etwas vollkommen anderem. Viel komplizierter und ungesund, wenn man es von außen betrachtete. Es war wie Gift… es verdarb schleichend und er, der das Gegenmittel hätte, rührte keinen Finger. Die Spionin zeigte ihm deutlich, dass sie nicht mehr bereit war, sich das anzutun. Seine Nüchternheit und scheinbare Ignoranz waren es, die sie von ihm wegtrieben und sich so an den Abgrund stellen ließen, dass es den Anschein machte, sie wollte dem ganzen nun ein Ende bereiten. Würde er einschreiten? Und wenn er es täte… würde er es um ihretwillen tun? Oder weil sie sein Kind in sich trug? Oder einfach nur, um sein Gewissen zu beruhigen, nicht dabei gewesen zu sein, wenn sich ‚jemand‘ das Leben nahm? Sie würden es nicht herausfinden, nicht heute. Eleyna war fertig mit ihm, nicht aber mit ihrem Leben. Sie wollte ihm lediglich demonstrieren, dass er zu weit gegangen war. Unnötig weit. Doch er ließ sich davon nicht beeindrucken. Er umschlang sie, mit seinen Armen und forderte endlich die Tränen, für die er selbsternannt hart schuftete. Doch sie verwehrte ihm das. Mehr noch, sie lehnte ab! Eleyna wollte nicht bei ihm noch mehr brechen. Er hatte nicht verdient, sie noch mehr leiden zu sehen. Wieso pochte er nur so darauf? Warum gab er sie nicht frei und würde seinem Tagewerk nachkommen? Hatte er das nicht ohnehin viel zu lange aufgeschoben? Was kümmerte ihn denn die Tochter seines besten Freundes, der vor viel zu langer Zeit verstorben war? Ihn kümmerte doch sonst nichts… es berührte ihn nicht.

Eleyna wollte sich von ihm lösen und er ließ es soweit zu, als dass sie an ihm vorbeitreten und zwei Schritte machen konnte, ehe sie seine Finger um ihrem Handgelenk spürte. Sie warf einen überraschten Blick zurück und runzelte düster die Stirn. Seine Ruhe war alarmierend und kräftezehrend gleichermaßen. Wie konnte es sein, dass all diese Dinge, all das was sie ihm vorwarf, was sie ihm zeigte, ihn nicht im Geringsten zu kümmern schienen? Eleyna wehrte sich gegen seinen Griff, wenn auch nur halbherzig aufgrund der Nähe zur Klippe. "Du meinst also, meine Gedanken zu kennen und darüber urteilen zu können." Sie seufzte. „Nein. Es ist nur das, was du mir zeigst.“, korrigierte sie und auch sie ereilte eine seltsame und vor allem stoische Ruhe. Sie wehrte sich abermals gegen seinen Griff. Allerdings zog er mit einem Mal daran, sodass sie unweigerlich die wenigen Zentimeter zu ihm überbrücken musste und gegen ihn stieß. Sofort aber griff Eleyna nach dem Fell an seiner Brust, mit der freien Hand, denn sie spürte, wie er taumelte. Ihr flüchtiger Blick lies Besorgnis erkennen, denn der Abgrund war nicht weit und sie erkannte, dass sie ihn nicht stürzen sehen wollte. Doch sie wurde abgelenkt von diesen Gedanken, als er ihre Taille umschlang und ihr Kinn anhob. "Meine Meinung bilde ich noch immer selbst, damit das klar ist!", Sie ruckte an ihrem Kinn, entkam ihm aber nicht. „Und welche Meinung sollte das se-“, seine Lippen erstickten ihre Frage im Keim. Die Zärtlichkeit des Kusses entging ihr nicht und sie schloss halb die Augen als hätte sie eben nicht mit ihm gebrochen. Die Zeit stand still, während sie die liebevolle Liebkosung empfing und sich auf einmal gar nicht mehr wehren wollte. Ihre Augen schlossen sich automatisch, während der Kuss einen Moment andauerte. Er war wundervoll, das konnte sie nicht zerreden. Laogh wusste sehr wohl, wie er sie immer wieder einlullte und er nutzte ihre Gefühle für sich aus. Sie öffnete die Augen wieder und als sie seine Unbeteiligung in seinem Gesicht erkannte, verlor sich das schöne Gefühl sehr schnell wieder.
Eleyna ließ den Blick sinken und spürte das verräterische Brennen in ihren Augen. Er empfand nichts für sie. Es waren Spielsteine, die er an ihr ausprobierte und herausfinden wollte, welcher am geeignetsten wäre sein Ziel zu erreichen. Sie schloss abermals die Augen und die nächsten Worte trieben die brennenden Nadeln tiefer in ihre Nervenbahnen. Er war herablassend und überging zudem so einige wichtige Aspekte ihrer… ‚Unterhaltung‘. Dass sie Gefühle für ihn eingestand, mochte nichts für ihn bedeuten, doch für sie… sie hatte sich überwunden. Und er hatte nicht mal mit der Wimper gezuckt.

Er ließ sie los, sodass sie das Kinn senken und schließlich mit der Stirn gegen seine Brust kippen konnte. Sie hatte die Augen geschlossen, während seine Worte weiter über sie hinwegspülten und sie quälten und quälten. Er versuchte es mit Spott. Mit Hohn. Er bemühte Gleichgültigkeit und einer gewissen Lockerheit, die einfach nicht angebracht waren. Eleyna lehnte ihre Stirn weiter gegen seine Brust, weil sie einfach keine Kraft mehr hatte. Sie reagierte nicht auf seine Witzeleien. Sie zuckte nicht mal mit den Schultern oder gab sonst Hinweis darauf, dass sie ihn gehört hatte. Eine ganze Weile standen sie so da und fast hätte man glauben können, dass Eleyna festgefroren war. Dabei lauschte sie seinem Herzschlag, der sich nicht ein Mal änderte. Langsam rutschten die inzwischen herausgerutschten, schwarzen Strähnen über ihre Schläfen zurück, als sie den Kopf hob. Sie suchte seinen Blick, während sie keine Anstalten machte, sich von ihm zu lösen oder sich zu wehren. Es war als habe sie eine Entscheidung getroffen und würde alles auf eine Karte setzen. „Empfindest du etwas für mich, Laogh?“, flüsterte sie ihm beinahe entgegen und hielt ihren Blick suchend in seinem fest. Ihre Augen schimmerten, das konnte er sehen. Sie war nicht weit entfernt von dem, was er wollte, doch die Frage war jetzt, würde er ihre Trauer um jeden Preis wollen oder erteilte er ihr Absolution, die ihr Frieden schenken konnte? Trotz der Felle, die sie trug und die sie warmhalten sollten, fror Eleyna und stand gleichzeitig vollkommen nackt vor ihm. Er wusste alles. Sie hatte es gesagt. Sie empfand etwas für ihn. Sie trug sein Kind unter ihrem Herzen. Und alles, was sie wollte, war, dass er bar jeglicher Maske, jeglichen Spotts oder Hohns, ehrlich war. Nur sie und er mit dem stummes Zeugnis eines Menschen im Rücken, der sie auf seltsame Weise miteinander verbunden hatte... Es würde sich zeigen, ob er es konnte.

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Sonntag 8. Januar 2023, 20:58

Wann hatte der Schatten das letzte Mal eigentlich kein Spielchen mit irgendjemandem getrieben, sondern war ausschließlich ehrlich und aufrichtig gewesen? Ob er sich überhaupt noch daran erinnern konnte? Und welche Bedingungen herrschen mussten, damit er so etwas wieder täte? Oder hatte er das womöglich noch nie...? Nein, das war gänzlich abwegig, wenigstens als Kind hätte er doch so etwas...
Wobei, nein, er stammte aus Morgeria, war offensichtlich reinrassig und... na ja, da konnte man sich ausmalen, wie seine Kindheit gewesen war. Vermutlich war sie auch der Grund dafür... oder wenigstens ein Teilgrund, dass er eben so war, wie er war. Und sie würde das niemals ändern können, geschweige denn, dass er das für sie tun wollen würde.
Er konnte also nur noch hier sein, um sie weiter zu quälen, richtig? Alles andere wäre ausgeschlossen! Die Frage lautete somit eher, wann er endlich genug davon hätte, sie fertig zu machen. Oder gäbe es womöglich trotz allem noch Hoffnung auf eine andere Option? Besser, sie gab sich keine irrigen Annahme hin, dann konnte er sie nicht noch tiefer treffen, nicht noch persönlicher werden.
Hätte sie ihn bloß niemals an sich heran gelassen, nicht einmal, als er unnachgiebig, sie Stück für Stück um den Finger gewickelt hatte! Ihr Instinkt hatte sie schließlich vor ihm gewarnt. Warum nur hatte sie nicht darauf gehört? Ach ja, richtig, weil er das gar nicht est zugelassen hatte. Weil er es darauf angelegt hatte und nun hatte sie den Schlamassel. Sie war schwanger von ihm und ihm obendrein absolut verfallen, mehr, als er überhaupt verdiente.
Und er? Er nutzte diese Position weidlich und absolut schamlos aus, nahm mal diese, mal jene Rolle ein, ganz, wie es ihm gerade passte und ohne Rücksicht auf sie. Hatte er sie gestern erst nicht von sich gestoßen und sie vertreiben wollen? Ja, jetzt hatte er es geschafft und was war? Plötzlich zog er sie wieder in seine Arme, ließ sie nicht gehen, sonden verlangte sogar von ihr, dass sie sich ihm öffnete und sich bei ihm ausheulte. Als ob sie das jetzt so ohne weiteres könnte!
Auch nicht, als er sie von dem Abgrund wegzog, dafür sorgte, dass sie diesem nicht allzu nahe kam. Um dann wiederum sie nach einem kurzen Lösen dermaßen schwungvoll an sich zu ziehen, dass er selbst in Wanken geriet. Es war lediglich kurz und kaum merklich, aber es zeugte von seiner körperlichen Schwäche, die er bisher in ihrem Treffen hier meisterlich überspielt hatte.
Dabei musste er bereits seit Stunden nach einem unendlich langen Fußmarsch hier sein und seine Verfassung konnte das eigentlich gar nicht zulassen. Wie machte er das nur, dass man ihm nichts ansah davon, wie sehr er sich im Griff haben musste, um diese Maske zu wahren? Im Prinzip etwas, das sie durchaus von ihm lernen und in ihrem zukünftigen Spionendaseinvorteilhaft nutzen könnte. Wenn sie das alles überhaupt noch wollte... und wenn sich ihr eine Wahl denn stellte.
Sollte sie jemals wieder lebend aus dieser Begegnung heraus kommen. Er schien nämlich alles daran zu setzen, dass dem nicht so wäre. Zuerst verlangte er von ihr Tränen, dann ließ er sie halb gehen und zog sie zu sich zurück, um ihr diese unheimlich neutrale Miene zu zeigen. Einzig seine Worte waren nicht dazu angetan, ihn absolut unbeteiligt wirken zu lassen.
Bei ihrer Korrektur verengten sich seine Augen minimal einen Moment lang, sollte sie tatsächlich hinsehen. "Wieder falsch!", grollte er fast unhörbar und bewegte auch seine Lippen kaum dabei.
Stattdessen zwang er sie dazu, ihn direkt anzusehen und ihm viel zu nahe zu sein, um sie küssen zu können. Sanft, voller Gefühl und so, wie ein Mädchen es sich nur erträumen könnte. Es ließ ihr Herz schneller schlagen und ihre Knie weich werden. Und er? Was verspürte er dabei? Nichts, wie es schien, denn sein Körper blieb vollkommen im gleichen Trott! Es war frustrierend, so unendlich enervierend!
Dabei hätte sie es besser wissen und nur ein wenig rationaler denken müssen. Schon des Öfteren hatte er gezeigt, je unbeeindruckter er reagierte, je mehr er seine betonte Gleichgültigkeit zur Schau stellte, desto stärker brodelte es in ihm. Doch wie sollte sie überhaupt denken können in seiner Gegenwart?
Damit nicht genug, machte er den Moment wieder zunichte mit seinen folgenden Worten. Sie hätten so gut zu seiner sonst üblichen spöttischen Art gepasst, die Formulierung war nahezu perfekt. Allein seine Mimik und sein Tonfall passten nicht dazu und zeugten davon, dass er es viel ernster meinte, als es klingen sollte. Das war zu viel und zerstörte die Stimmung abrupt wieder zwischen ihnen, die er mit seinen Lippen geschaffen hatte.
Sie brach den Blickkontakt ab und lehnte sich mit der Stirn gegen seine Brust, ohne sich länger gegen seine Umarmung zu wehren. Seine Augen sahen dabei stur gerade aus und er rührte sich keinen Millimeter, selbst seine Atmung schien er bewusst zu reduzieren, sodass sie bald glauben könnte, es wäre eine Statue, an der sie lehnte und Halt sowie Wärme suchte.
Bis sie irgendwann die Kraft fand, den Kopf langsam wieder zu heben. Er... reagierte nicht, sondern starrte weiter auf jenen Punkt in der Tiefe des Waldes, den nur er zu erkennen vermochte. Auch dann noch, als sie eine letzte, geflüsterte Frage stellte. Nichts regte sich bei ihm und hätte sie seinen vertrauten, ruhigen Herzschlag nicht gespürt, hätte sie sich Sorgen darüber machen müssen, ob er noch lebte.
Nein, sie würde keine Reaktion von ihm bekommen. Was hatte sie denn erwartet? Enttäuschung und das Gefühl von Verlust drohten in ihr hochzusteigen und wollten sie zum Aufgeben verleiten, als... als er einen tiefen Atemzug machte. Langsam, wie in Zeitlupe, kehrte sein Blick aus jener Welt zurück, in der er sich befunden zu haben schien, und wanderte zu dem ihren, den er prompt gefangen zu halten wusste.
"Mehr, als gut ist für uns.", kam es schließlich über seine Lippen und dieses Mal schaffte er es nicht zu verbergen, wie viel Überwindung ihn dieses Geständnis kostete. Doch er ließ ihr keine Gelegenheit, diese Botschaft zu begreifen, denn schon senkte er sich ihr erneut entgegen und schenkte ihr einen zweiten Kuss von jener sanften, atemberaubenden und Gedanken vernebelnden Art. Wenngleich es dieses Mal viel länger dauerte, ganz so, als wolle er das Gesagte prompt wieder aus ihrem Gedächtnis löschen.
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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Eleyna d'Yaincre » Dienstag 10. Januar 2023, 22:07

Wenn sie im Vorfeld geahnt hätte wie sich das Treffen mit dem Meisterspion entwickelte, sie wäre vermutlich gleich wieder umgedreht. Sie hätte das nicht auf sich genommen, sondern lieber den Ausweg gewählt und auf Gefühle dieser Art verzichtet. Doch bereits während er sich ihr auf so vehemente Weise genähert hatte, hatte Eleyna geglaubt widerstandsfähig zu sein. Sie wollte es darauf ankommen lassen, denn sie brauchte ihn und sein Wissen, um ihren eigenen Plan zu verfolgen. Dass sie allerdings nur seiner Spielerei auf den Leim ging, konnte sie zu Beginn nicht wissen. Sie war ihm schließlich nie begegnet zuvor und auch wenn es sie im höchsten Maße gewundert hatte, dass er sofort körperlich wurde, glaubte sie damals noch daran, dass er sie verwirren wollte. Dass es Taktik war und nichts weiter. Rückblickend jedoch konnte man sich schon die Frage stellen, wieso er ausgerechnet ihr so nachstellte. Ob sie zu Beginn nur eine Trophäe gewesen war? Wieso dann fortführen, was er längst gehabt hatte? Eleyna war nicht mehr im Stande zu ergründen, was er bezwecken wollte. Er hatte sie nachhaltig verwirrt und ihre Familiensituation soweit ausgenutzt, als dass sie seelisch nicht mehr in der Lage war, sich abzuschotten. Das Training der Spionage versagte auf kompletter Linie, denn Eleyna war am Ende mit ihren Gefühlen. Hier zeigte sich womöglich, dass sie eben mehr ihres Vaters Tochter war als ein Abkömmling morgerianischer Wurzeln. Sie war weder gefühlskalt noch abgebrüht. Nein, sie war unbeherrscht, liebte und litt offen und gleichzeitig so in sich zurückgezogen, dass es wahre meisterliche Arbeit bedurfte, um aus ihr auch nur einen Funken herauszubekommen, der die Lunte entzündete und schlussendlich dafür sorgte, dass sie ihre Gefühle nach außen trug. Dann aber bitterlich. Eleyna hatte lange durchgehalten, sich in sich zurückgezogen und war dem Mienenfeld an Gefühlen ausgewichen, so gut es ging. Allerdings war irgendwann einfach genug. Sie hatte am Abend zuvor eigentlich versöhnlich mit ihm reden wollen, doch seine Art, die Dinge anzugehen, hatten sie in einem Maße verschreckt, dass sie wahrlich aufbrechen wollte. Dass sie gehen und nicht zurückschauen wollte. Die Entscheidung war bereits gefällt, doch der Morgen danach lockte sie dann doch an diesen Ort. Diesen unsäglichen Ort, der sie viel zu viel erinnerte und ihr vor Augen führte, was sie nie wieder würde haben können. Die Familie in Mantron war ihre und doch auch irgendwie nicht. Sie waren da aber sie kannte sie nicht. Es fehlte eine familiäre Bindung, die sie, Eleyna, nicht einfach so aufbauen konnte. Dafür war sie dann doch zu lange allein. Sie bemühte sich, die anderen als das zu sehen, was sie waren, aber es misslang dann doch immer wieder.
Sie waren Fremde. Fremde mit einem eigenen Leben, eigenen Geschichten und vor allem einem Umfeld, in das sie nicht hineinpasste. Sie mit ihrer Mutter, die nur darauf wartete zu erfahren, wo sie war. Die mit Sicherheit bereits hörte, dass ihre Tochter eine Doppelspionin gewesen war und sich nun versteckte. Da war der Maulwurf in Santros gewesen… Ob die Spinne in ihrem Netz die Botschaft bereits erhalten hatte? Eleyna würde nicht darauf warten, dass sich ein Meuchelmörder nach Mantron verirrte, um sie zu finden und dabei jeden auf seinem Weg zu ihr zu töten. Nein. Ihr Leben war eines in Einsamkeit. Und doch… doch wollte sie einen aller letzten Versuch starten, etwas anderes zu glauben. Aber Laogh ließ sie abblitzen.

Er gab ihr Spott und Hohn, er gab ihr Schweigen und Ignoranz. Er ließ sie nicht herein in sein Herz, wo sie doch flehentlich Unterschlupf finden wollte. Denn auch wenn sie anfangs glaubte, gewappnet zu sein, hatte er es geschafft, dass sie sich für ihn öffnete. Er erhielt Zugang zu ihrem Herz und sie musste wissen, ob auch sie einen winzigen Platz erhielt. Oder, ob er wahrlich nur Masken verwendete. Die Spionin gab ihren Widerstand auf, während sie sich an ihn lehnte und um Kraft rang. Sie hörte auf zu kämpfen, sich zu ärgern und ihn verantwortlich zu machen. Sie hörte auf, sich gegen seine Worte zu verteidigen oder ihm Wahrheiten entlocken zu wollen… Dann würde es hier enden. Es musste sein. Die Spionin aber startete einen allerletzten Versuch. Sie hatte nichts weiter zu verlieren, weshalb er ihr auch jetzt klar und unmissverständlich den Todesstoß versetzen konnte. Hier und jetzt, während niemand zuhörte, niemand zugegen war. Hier, wo alles begonnen hatte und sich ihre Schicksalsfäden ineinanderschlangen, um an diesem Punkt zu enden. Sie hob den Blick und stellte die alles entscheidende Frage. Und er…? Er …. Reagierte nicht. Mehr noch, er ignorierte sie.
Eleyna’s Herz wurde schwerer, doch im Grunde kannte sie die Antwort bereits. Noch einen Moment verdaute sie das erfahrene und kämpfte mit ihrer Enttäuschung, ihrem Schmerz. Sie sammelte Kraft, sich von ihm zu lösen und schließlich zu gehen. Für immer. Er musste ihren leichten Ruck gespürt haben, denn bevor sie tatsächlich die Verbindung abreißen konnte, regte er sich. Eleyna blickte in das Gesicht des Schattens und fing seinen Blick auf. Sie wappnete sich für den finalen Schlag. Für das Ende dieser Reise und die Gefühle, die sie kaum vorhersehen konnte. Sein violetter Blick biss sich an ihrem Blau fest, sodass sie wie erstarrt zu ihm empor blickte und sich nicht zu rühren wagte. Als wären sie aus der Umgebung herausgelöst, wurden sämtliche Geräusche leiser. Als dürfe sie nicht verpassen, was gleich über seine Lippen kam. Und dann teilten sie sich endlich, um die endgültig letzten Worte zu formulieren: "Mehr, als gut ist für uns.". Eleyna’s Blick weitete sich, während der Sinn ihr noch ins Hirn sickerte.
Doch er war bereits weiter, denn er zog an ihr und senkte seine Lippen auf die ihren, dass sie noch einen Moment in sein Gesicht starrte, während sich ihre Lippen wie von selbst den seinen entgegenschmiegten. Sekunden verstrichen, in denen seine Worte nachhallten, ehe sie aufseufzte und die Augen verschloss. Erleichterung legte sich in ihren Kuss, während dieses Mal eine einzelne Träne aus ihrem Augenwinkel floss. Diese gehörte nur ihm. Ihm und seiner Überwindung, sie nicht am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen. Eleyna lehnte ihren Körper so weit sie konnte, gegen seinen, während ihre Hände seine Brust empor glitten und sein Gesicht zwischen sich nahmen. Sie erwiderte diesen ungemein zärtlichen Kuss mit der Zuneigung, die sie für ihn empfand und schlang daraufhin einen Arm um seinen Nacken, während sie auf Zehenspitzen stand. Immer wieder liebkoste Eleyna die Lippen von ihm und wollte nicht mehr damit aufhören. Er konnte spüren, wie erleichtert sie war. Wie sehr ihr das Geständnis half und sie zusammenführte. Denn es war das eine ihm zu sagen, dass sie etwas empfand. Der Kuss aber verdeutlichte, dass was sie bereits auf dem Schiff empfunden hatte. Keiner hatte das gewollt. Doch es war passiert. Eleyna löste sich für einen Moment atemlos von seinen Lippen, brachte aber kaum Platz zwischen sich und ihn. Sie öffnete die Augen und sah von seinen glänzenden Lippen hoch in seine. Sie strich ihm mit dem Daumen über seine Unterlippe und ein feines Lächeln bildete sich auf ihren Zügen. Dann aber senkte sie sich ihm abermals entgegen für einen weiteren, äußerst innigen Kuss, der sämtliche zuvor insofern ausstach, als dass sie ihre Gefühle für ihn freiließ.

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Re: Ort des Gedenkens

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 12. Januar 2023, 20:28

Ob eigentlich alles so gekommen war, wie er das geplant hatte? Nein, vermutlich nicht. Welches Vorhaben hatte er überhaupt gehegt, als er sie hierher zitiert hatte? Eine Aussprache? Dass sie tatsächlich zu einem heulenden Bündel wurde, so, wie er es zuvor noch verlangt hatte? Oder ein weiterer Streit so wie am gestrigen Abend mit dem endgültigen Bruch zwischen ihnen, den er ohnehin nicht zu zulassen wollen schien?
Was auch immer es gewesen sein mochte, er würde es vermutlich kaum preisgeben, da er sich ständig auf die neuen Begebenheiten einzustellen wusste. Das machte er auch jetzt dauernd und zugleich auf eine Weise, dass man kaum in der Lage war herauszufinden, was hinter seiner Stirn tatsächlich vorging.
Wie konnte es generell sein, dass er dermaßen unbeteiligt wirkte? Ging ihm ihr Leid so sehr am Allerwertesten vorbei, wie er tat? Doch warum dann diese ganzen Inszenierungen und dieses ständige An-sich-binden? Oder beschäftigte es ihn viel zu viel, sodass er eben jene Maske der Gleichgültigkeit zur Schau tragen zu müssen glaubte, um keinen Blick auf sein wahres Inneres zu ermöglichen?
Schon des Öfteren war er unnatürlich ruhig geworden, wenn sie einen wunden Punkt getroffen hatte. War es hier wieder so? Merkte er denn nicht, dass es die falsche Strategie war, um sie für sich zu gewinnen? Sie bettelte regelrecht um einen Strohhalm, damit sie nicht endgültig ertrank, und er wirkte nicht so, als würde er ihr diesen bieten wollen... oder können.
Ja, womöglich konnte er gar nicht anders, als sie ständig vor den Kopf zu stoßen. Wahrscheinlich hatte er nie gelernt, wie man mit anderen umging, ohne sie auszunutzen und kaputt zu machen. Was ihr Vater wohl in ihm gesehen hatte? Andererseits... Mundl hatte nur in den positivsten Tönen von dem Schatten gesprochen, von Hilfe zur Selbsthilfe und einem Vertrauensverhältnis, dass man sich gegenseitig sogar ordentlich necken konnte. Wie passte das alles zusammen?
Warum konnte er sich ihr gegenüber nicht... offener zeigen, so wie schon auf dem Schiff? Ob es vielleicht mit... seiner speziellen, feinen Narbe nahe seines Herzens zusammen hing? Würde sie jemals erfahren... erfahren wollen, wie es dazu gekommen war?
Im Moment war es wichtiger, viel, viel wichtiger, eine andere Information zu erhalten. Diese eine, die darüber entscheiden würde, wie es mit ihnen beiden weiter gehen würde. Nein, nicht wie, sondern ob! Was wollte er noch von ihr? War es der Umstand, dass sie schwanger von ihm war? Woher wusste er das eigentlich? Oder gab es einen anderen Grund? Hing es mit ihrer Mutter oder vielleicht mit Arvid und irgendwelchen sentimentalen Gefühlen zusammen?
Sie stellte ein letztes, wirklich letztes Mal eine Frage, auf deren Antwort er sie eine gefühlte Ewigkeit warten. Dann jedoch... kam sie, drangen Worte über seine Lippen, die ihr Herz zuerst erstarren und schließlich vor Freude wild hüpfen ließ. Zwar könnte man über seine Formulierung durchaus diskutieren, allerdings hatte das noch Zeit.
Da war zuerst sein Kuss, der sie dahin zu schmelzen lassen wusste, vor allem jetzt, nachdem er es endlich einmal ausgesprochen hatte. Dann kamen noch seine Hände dazu, der eine Arm hatte sich um ihre Taille geschlungen und die dazugehörige Hand lag auf ihrem Hüftknochen. Die andere befand sich auf ihrem Hinterkopf und wanderte nun tiefer, um ihren Nacken sanft zu massieren. Und zu guter Letzt war noch sein gesamter Körper, an den sie sich schmiegen und dessen Wärme sie wahrnehmen konnte in einer Umgebung, die eigentlich viel zu kalt für derartig lange Ausflüge draußen war.
Indes lösten auch ihre Finger ihren Griff, wanderten an ihm höher, glitten von seinem gut gefütterten Mantel das Tuch hinauf, das er irgendwann für seinen ersten Kuss vorhin herunter gezogen hatte, so selbstverständlich und beiläufig, dass es in all dem anderen Gefühlschaos untergegangen war. Und weiter zu seinem Kiefer bis hinauf zu seinen kühl gewordenen Wangen. Wenn sie ausreichend Aufmerksamkeit hatte, könnte sie fühlen, dass seine Haut dort stoppelig war. Hatte er etwa eine Gänsehaut? Oder... oder war er ungepflegt genug, dass sich sein Bartwuchs meldete? Ein beinahe schon komischer Gedanke in ihrer Situation und auch nicht bedeutsam genug, um gegen den Kuss zwischen ihnen ankommen zu können. Obendrein schlang sie auch schon ihren Arm um ihn und zog ihn noch näher an sich, als sie es ohnehin schon waren.
Bis sie kurzfristig den Lippenkontakt unterbrach, um zu ihm hochzusehen. Er hingegen hatte seine Augen geschlossen, die Lider soweit gesenkt, dass seine Wimpern erfolgreich verbargen, ob er überhaupt noch etwas sah oder nicht. Doch wie sie ihn kannte, würde ihm garantiert nichts entgehen. Also reckte sie sich ihm schon wieder entgegen, ehe er die Initiative ergreifen konnte, und setzte fort, was sie zuvor begonnen hatte.
Tatsächlich fühlte es sich noch viel intensiver und vor allem befreiter an, während sich auch bei ihm etwas... regte. Ja, wirklich, unter all dem Fell konnte sie endlich spüren, dass sein Körper sich nicht immer seiner Kontrolle zu hundert Prozent unterordnete. Auch ihm schien das aufzufallen, denn sein Griff wurde fester und sein Zungenspiel herausfordernder, leidenschaftlicher, atemberaubender.
Bis er irgendwann, zwischen zwei hektischen Atemzügen, grummelte:"Wir sollten zurück fahren. Ich denke nicht, dass du Eis am Stiel haben willst. Auch wenn du herrlich wärmen kannst." Und schon küsste er sie wieder und presste sie an sich, anstatt ihr die Gelegenheit zu geben, auf seine Worte auch nur irgendwie reagieren zu können.
Wie gut, dass er Handschuhe trug, denn sonst hätte er es sich gewiss nicht nehmen lassen, ihr einen Vorgeschmack darauf anhand von kalten Fingern spüren zu lassen. So jedoch könnte er es nicht unbemerkt tun, da er sich zuerst dieser schützenden Hülle entledigen müsste und das würde sie ja mitbekommen. Also... theoretisch! Wenngleich bei seinem intensiven Zungenspiel das nicht so sicher im Vorhinein gesagt wäre!
Allerdings schien er im Moment auch nicht daran zu denken, sondern all seine Energiereserven in den Kuss zu stecken. Was dazu führte, dass ein kaum merkliches Zittern seine Knie zu erfassen begann. Wären sie beide sich nicht gerade derart nahe, hätte sie es bestimmt nicht mitbekommen und er hätte es leicht verbergen können. So hingegen... Wie lang stand er überhaupt schon hier?!
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