Cattie klopfte Isildur leicht gegen die Schulter und richtete sich wieder auf. Offenbar gefiel es ihr, auf der Theke zu stehen. Sie nahm das Angebot einer helfenden Hand nicht an. Während sie sich allerdings umwandte, um sich einen weiteren Krug Rum geben zu lassen - wie viel Alkohol hatte diese Frau schon intus?! - verzog Bryoja schmollend das Gesicht.
"Das ärgert dich?" Die Mantronerin rümpfte die Nase. "Es ist respektlos", wisperte sie zurück. "Ich bin eine Kriegerin der Tapferen. Ich habe schon mehr als sechs Eisbären erlegt, gegen wilde Schneegeparde und Walrosse erlegt. Ich bin keine ..." Sie verstummte jäh, als sich Isildurs Kopf auf ihre Schulter legte. Für einen Moment schloss Bryoja die Augen. Sie war versucht, ins Fell des Wolfs zu greifen, um ihn zu kraulen, aber ihre Hand zuckte nur. Zu mehr kam es nicht und schon gar nicht hier, unter all diesen raubeinigen, abgerissenen Gestalten. Außerdem brauchten sie beide ihre Konzentration. "Genug", hauchte sie Isildur daher zu und löste sich von ihm, ehe er den Kopf wieder heben konnte.
Die Aufmerksamkeit des Wolfselfen bekam ohnehin einen neuen Fokus. Die Aussicht, erneut auf ein Schiff zu gehen, behagte ihm nämlich gar nicht. Interessanterweise war es Otis, der sich plötzlich in das Gespräch einmischte. "Ich kann's bestätig'n, Cattie! Er eignet sich nich' als Seefahrer. Wird seekrank un' so."
"Wer hat dich schon nach deiner Meinung gefragt, Otis?" Der Pirat steckte den Kopf zwischen die Schultern. Cattie konnte eine so schneidende Stimme besitzen, wenn sie wollte. Damit hätte sie ihm ohne jegliche Probleme den Kopf abtrennen können!
Sie seufzte. Nein, einig waren sie sich wirklich noch nicht ganz. Mit dem Rum in der Hand kletterte sie von der Theke. Ein Stuhl sagte ihr jetzt mehr zu, auch wenn sie sich darauf lümmelte wie ein ungescholtener Taugenichts. Sie schwang bewusst ein Bein über die Seitenlehne und genierte sich auch nicht, dass man so ihre bewundernswerten Schenkel noch besser mustern konnte. "Otis zählt nicht zu meinen Leuten. Noch nicht. Der Kerl ist auf Probe hier, deshalb schick ich ihn euch mit. Dann kann er sich unter Beweis stellen. Ich nehme schließlich auch nicht jeden dahergelaufenen Mann auf!" Sie hob den Kopf. Ihr Blick wanderte an Isildur und Bryoja vorbei zu besagten Piraten auf Probe. "Der Wolf - Elf! - hat dir eine Frage gestellt! Beweg dein Schlappmaul, Otis! Kennst du dich in Santros aus?"
Er nickte nach kurzem Zögern. "Hab dort gelernt", murmelte er beiläufig, während seine Hand fast schon verlegen zum Hinterkopf fuhr. Er kratzte sich, wich dem Blick der Piratenanführerin aus. "Ich kenne Land- und Seewege in die Stadt des westlichen Sandes."
Cattie nickte. "Gut, dann kannst du sie auch zu Fuß hinführen, wenn Wölfchen - Elf! - nicht an Bord eines Schiffes reisen will." Sie musterte Isildur. "Ich kann euch keine Pferde stellen. Bin selten an Land unterwegs. Aber ihr müsst euch trotzdem beeilen. Wir haben nicht ewig Zeit und die Reise bis nach Santros wird euch sicherlich einige Tage oder Wochen kosten. Wenn ihr zu lange braucht, könnte ich gezwungen sein, vorher handeln zu müssen. Ich verspreche also nichts."
"Damit müssen wir uns wohl letztendlich abfinden", meinte Bryoja. Sie wandte sich an Isildur: "Vielleicht sollten wir dann zunächst in meine Heimat reisen und mitteilen, was wir bisher erreicht haben. Ich werde den Mantronern raten, Catties Schiffe nach Möglichkeit passieren zu lassen, da ein Bündnis ins Auge steht. Es wäre ein Entgegenkommen und Zeichen unserer guten Absichten. Von Mantron aus reisen wir dann weiter in dieses Santros. Ich bin noch nicht dort gewesen und weiß nicht, was uns erwartet. Wir sind also auf Otis' Hilfe angewiesen." Keine besonders schönen Aussichten, aber im Moment sah es eher so aus, als fügte sich der Pirat in sein Schicksal. Eine Flucht vor einem Wolf, dessen Schnauze meilenweit wittern konnte, schien keine Option. Er musste es ausbaden.
"Gut", stimmte Cattie zufrieden wirkend zu. "Dann sind wir uns endlich einig." Sie ließ sich einen Dreispitz reichen, den sie sofort wie eine Schlafmaske in ihr Gesicht schob. "Ihr könnt jetzt gehen. Es steht euch frei, in meinem Viertel zu bleiben. Ihr seid Gäste. Aber das Gespräch ist beendet. Hinaus!" Sie winkte beiden und damit waren die Dinge von ihrer Seite aus erledigt.