Eine einsame Wanderung

Einst war dieser Landstrich grün und schön wie alle anderen. Doch als sich der Drache zum bislang ewigen Schlaf bettete, liegt dieses Gebiet unter einer glitzernden Schneedecke. Es ist kalt und frostig. Hier leben die Eiselfen, aber auch die tapferen Mantroner.
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Finja
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Eine einsame Wanderung

Beitrag von Finja » Sonntag 30. Oktober 2011, 13:26

[Einstiegspost]

Die Nacht war kalt gewesen, selbst für das Eisreich. Als Finja am Morgen den Handelsposten verlassen hatte, ahnte sie bereits, dass der Himmel klar bleiben und das Tageslicht die Temperatur nur geringfügig erhöhen würde - und genau so war es auch.
Es war gutes Schlittenwetter. Der Schnee hatte eine relativ harte Oberfläche, so dass Anuk kaum einsank und sie selbst auf ihren Schneeschuhen gut voran kam. Sie würde also nicht die ganze Zeit aufpassen müssen und konnte etwas mehr als sonst vielleicht ihren Gedanken nachgehen, während sie liefen. Kälte bedeutete hier Sicherheit, so paradox das auch klingen mochte, denn sie brachte Stabilität in den Schnee und verhinderte das Brechen der Eisfelder.
Die junge Eiselfe hatte gelernt, ihre Aufmerksamkeit zu teilen, wenn sie so wanderte. Der Fellrand ihrer Kapuze schränkte das Sehen ein und Geräusche drangen nur dumpf an die feinen Ohren, doch man lernte mit der Zeit, ungewöhnliche Laute zu erkennen. Sie hatte zudem Glück, denn ihre Augen waren ungewöhnlich scharf und in der Lage Bewegungen in weiter Ferne auszumachen. Alles in allem fühlte Finja sich sicher - vielleicht manchmal etwas zu sehr, doch war ihr auch nie eine ernsthafte Gefahr hier begegnet. Zumindest keine, der sie nicht hätte ausweichen können.

Nichts desto trotz beeilte sie sich, um noch vor dem Mittag zu der Gruppe Eisjäger aufzuschließen, die sie nur knapp verpasst zu haben glaubte. Es war mal wieder typisch und sie ärgerte sich nicht wenig. Sie hatte ihnen gestern abend nicht umsonst gesagt, dass es unsinnig wäre, so früh aufzubrechen. Was hatte man davon, wenn man im Halbdunkel herum stolperte? Nichts, denn die Robben würden ebenso noch nicht zu ihren Jagdplätzen unterwegs sein, jagten sie doch bevorzugt in der Abenddämmerung. Und wenn es zehnmal Tradition war. Es war dumm und sie hatte schließlich verkündet, dass sie keinen Wert darauf legte, dass man sie mitnahm, sie würde dann losziehzen, wenn sie es für richtig hielte.

Ob man sie nun tatsächlich ernst genommen hatte oder eher versuchte, sie zu erziehen? Jedenfalls hatte niemand es für nötig befunden, sie zu wecken. Anuk war beim ersten Tageslicht erwacht und hatte seine Herrin angestupst, bis sie aus ihren Schlummer gerissen worden war. Übertrieben genüsslich hatte sie dann ihren Tee getrunken, bevor sie ihre Ausrüstung gerichtet und sich auf den Weg gemacht hatte. Vielleicht hatte sie sich auch nur eingebildet, dass sie das ein oder andere Grinsen im Gemeinschaftsraum gesehen hatte. Jedenfalls war Finja zu stolz, um sich anmerken zu lassen, dass sie sich ärgerte, den Weg nun allein zurück legen zu müssen. Vor allem hatte sie nun Zeit, sich in Gedanken schon die Bemerkungen und das Gelächter auszumalen, das sie erwartete, wenn sie die Eisjäger einholen würde. Natürlich würde sie kein Wort sagen und so tun, als wäre nichts! Schließlich waren sie ja die Idioten und nicht Finja, die ausgeschlafen und guter Dinge sein würde. Und ihr Jagderfolg, den sie sich gerade für heute fest vorgenommen hatte, sollte ihnen schon das Grinsen aus den Gesichtern treiben.

Solche und noch ähnliche Gedanken gingen der junge Elfe noch lange durch den Kopf, während sie Stunde um Stunde den Spuren der Jäger folgte und sich dabei allmählich den Jagdplätzen der Robben an der Küste des Eiskanals näherte.

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Re: Eine einsame Wanderung

Beitrag von Erzähler » Montag 14. November 2011, 05:13

Es war nicht ganz so gelaufen, wie Finja sich das gedacht hatte. Obwohl sie einleuchtende Argumente besaß, für die nächste Robbenjagd erst später aufzubrechen, so hatte sie am Morgen feststellen müssen, dass die anderen Jäger bereits losgezogen waren.
Sehr zu ihrem Missfallen, aber das Wetter war heute wirklich nach ihrem Geschmack. Beständig und die Eisdecke war stabil. Ebenso, wie der noch relativ frische Schnee, der erst gestern gefallen war.
Zur Abwechslung war es schon seit dem Morgen wirklich schön, die blasse Sonne stand recht tief am Himmel und schickte ihre goldenen, wenn auch kaum wärmenden Strahlen über das Eisreich.
Eigentlich gab es für sie keinen Grund, schlechter Laune zu sein, aber sie ärgerte sich doch mehr über die ‘Uneinsichtigkeit’ der Anderen, wie ihr lieb war und wie sie es zugeben würde.
Das keiner sie geweckt hatte, war wohl ebenso durch das gute Wetter zu erklären. Sie wollte spät aufbrechen und ihren Willen bekommen, dann sollte es so sein. Denn durch das hervorragende Wetter, hatte sie keine Schwierigkeiten zur Gruppe später hinzu zu stoßen und die Ältesten in der Gruppe konnten sich sicher sein, dass ihr nichts geschehen würde.
Hätte sie sich also gestern bei Annikó nach dem Wetter erkundigt, wäre ihr die ‘Schmach’, so wie sie es ein wenig empfand, erspart geblieben.
Alles Jammern und Meckern nutzte dennoch nichts, sie musste ihren Weg ‘alleine’ durch die weißen Weiten zurücklegen, ein wenig langweilig, aber sie kam sie wenigstens nicht Drumherum, ihre Fähigkeiten zu schulen.
So wechselte sie zwischen dem Wappen gegenüber des Gelächters der Anderen, dem aufmerksamen Beobachten ihrer Umgebung und dem Genießen des Wetters.
Anuk jedenfalls gefiel dieser Ausflug, für ihn war es weder Arbeit noch eine anstrengenden Tätigkeit. Er genoss den Tag in vollen Zügen und rannte herum, wie ein junger Schneehüpfer. Immer mal wieder hier und dort, jagte er kleinen Verwehungen nach, schnappte nach rutschendem Schnee oder tollte um die Beine seiner Freundin … Tier musste man sein, dann blieben einem die ganzen Gedanken fern. Ein herrlicher Anblick.
Immerhin kam sie heute gut voran, noch etwas Positives, was sie dem Tag abringen konnte und so brauchte sie nicht einmal die Stunden, die sie eingeplant hatte. Schon aus der Ferne konnte sie mit ihrem geübtem Blick die Jäger an der Küste des Eiskanals erblicken. Sie hatten die Gunst des Tages genutzt und sich teilweise bis auf die Schollen hinaus gewagt. Der Wind blies nur ab und an böig vom Meer, dies verhieß gute Chancen, dass sie heute mit reichlich beute heimkehren würden.
Beste Gelegenheit also, dass Finja ebenso ihre Chancen nutzte und wieder einmal ihren Wert unter Beweis stellte. Sie konnte sich sogar überlegen, ob sie heute ausschließlich mit dem Speer jagte oder sich tatsächlich weiter am Fallenstellen versuchte.
Einer der Jäger war, wie immer, zum Wachen abgestellt und winkte ihr nun ausladend zu, da sie sich bis auf 300 Schritt genähert hatte. An der Bewegungen konnte sie eindeutig ihren ältesten Bruder Imion erkennen. Besonders von ihm würde sie sich vermutlich einiges anhören müsse. Sie hatte schon ‘schlimmeres’ überstanden und setzte ihren Weg unbeirrt, festen Schrittes fort. Anuk hingegen hatte es nicht mehr neben seiner Freundin gehalten und stürmte freudig auf den großen Elfen zu, der ihn ebenfalls freundlich begrüßte, sich dann aber wieder gewissenhaft um seine Aufgabe kümmerte.
Wie sie an ihm vorbei kam, schenkte er ihr sein breitestes Grinsen, was heraufbringen konnte.
“Na, Schlafmütze … hast du es auch endlich hier her geschafft?”
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