Zwischen Jersa und Rugta

Dieser Landstrich ist so hügelig, dass man vergeblich nach einem flachen Stück Erde suchen wird. Tagsüber eine saftige Landschaft mit Wiesen, Wäldchen und Grasebenen. Doch nachts kommen die Nebel über das Reich und mit ihnen unheimliche Schrecken.
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Samstag 30. August 2014, 03:56

Bei den Göttern!
Delilah schrie. Ihr junger Körper erlitt Qualen und Schmerzen einer Stärke, die sie nicht ertragen konnte und die sie überwältigten. Jede Zelle wehrte sich gegen den eisigen Griff des Wassers. Die vorherigen Behandlungen waren NICHTS gewesen zu der Pein, die sie jetzt erlitt.
Das Mädchen hatte das Gefühl von den goldenen Wogen in Stücke gerissen zu werden. Jeder Knochen brach, jedes Gelenk zersprang... oder fühlte es sich nur so an? Sie wurde verbrannt und erfror gleichzeitig, sie kannte den Unterschied nicht mehr.
Ihr ganzes Sein wollte der Tortur entfliehen und je tiefer sie kamen, je schlimmer der Schmerz wurde, umso mehr kämpfte ihr Körper während ihr Geist raste. Hilfe, sie brauchte Hilfe!
Doch Veranos Griff hielt sie fest umklammert.
Warum tat er das? Wollte er ihr wirklich helfen... oder sie doch töten, ertränken in diesem flüssigen Metall, zu Eis werden lassen...
Hatten die Götter sie denn verlassen? Würde Ventha sie nun wirklich vom Antlitz der Erde wischen? Womit hatte sie sie erzürnt... oder war es ihr Geliebter Lysanthor, dessen Licht sich doch im Wasser spiegelte? Verzweiflung durchströmte Delilahs Adern, Panik spreizte ihre roten Flügeln.
Heiße Tränen zogen ihre Spuren über ihr Gesicht, sie unterschieden sich stark von der Eiseskälte der Quelle. Endlos schien ihr Strom aus den verängstigten braunen Augen, deren Licht erloschen war.
Sie schrie immer noch, wehrte sich, schlug, versuchte dem tödlichen Wasser zu entkommen.
In ihrer Todesangst bemerkte das Mädchen nicht, dass sie es war, die ihren Körper steuerte...
In ihren Ohren rauschte das Wasser, hallte der Schrei. Vor ihren Augen flimmerten die Lichter. In ihrem Körper rissen die Organe, platzte die Haut, zerfloss ihr Sein in flüssigem Gold.

„Ich tauche dich jetzt unter. Du musst es einatmen! Ich lasse dich nicht ertrinken! Vertraue mir!“

Nein! Nein! Nein! Sie riss verängstigt die Augen auf, krallte ihr zarten Finger mit der Kraft der Verzweifelten in seine Ärmel, sie war so schwach geworden in der Zeit... noch schwächer als sie vorher schon gewesen war... Da spürte sie wie er sie untertauchen wollte.
Ein letzter verzweifelter Schrei verließ ihre Lippen. „MOMA!“

Das Wasser schlug gnadenlos über ihr zusammen, das Gold umgab sie, stach in sie, zerrte an ihr, drängte in sie. Sie schlug, strampelte, flehte zu den Göttern, zu Lysanthor... Ihre Lungen brannten, ihr Körper starb, lebte, wurde zerschlagen... was auch immer. Doch er verlangte nach Luft, drängte immer stärker, bis er selbst den Reflex des Atmens auslöste und sie spürte wie der Tod auch noch in die letzten Fasern ihres Körpers eindrang. Er wollte sie haben...
Ihre Gegenwehr erstarb abrupt als der letzte Fetzen Wärme aus ihr herausgepresst war, als der Schmerz zu groß war, über sie hereinbrach und sie immer tiefer fiel...
Den letzten Wimpernschlag lang sah sie Veranos dunklen Schatten, dann Fetzen von Gesichtern, die sie wohl mal geliebt hatte oder noch liebte? Dunkelheit.


Hitze. Kochend heiß fühlte sich das Wasser an in dem sie lag, doch ihr Bewusstsein erhob sich nur langsam aus der tiefen Stelle ihres Kopfes in der es sich vergraben hatte. Sie lag unbequem ihr Körper richtete sich als wäre es das Natürlichste der Welt in eine bequemere Position auf. Geschwächte Arme, zittrige Beine... die Todesangst, die Kälte noch wie eine Erinnerung in den Knochen haftend ließ sie zittern. Doch sie spürte, wie sie sich bewegen konnte... sie ganz selbst! Ihr Körper. Das war jeden Schmerz wert gewesen! Sie riss die Augen auf in Erwartung von Farben, Freude, Hochgefühl und Hoffnung.

.
.
.

Nein. Nein... das...das... konnte doch nicht sein! Bitte, bitte nicht! Immer noch war um sie herum nicht als diese alles umfassende Dunkelheit. Kein Schemen, kein Umriss, kein garnichts...
Wozu hatte sie sich dem Tod gestellt, warum war sie durch diese Hölle gegangen, wenn sie ihren größten Peiniger trotz allem nicht abgeschüttelt hatte?! Dieses pure Schwarz um sie herum, dieses Fehlen jeder Lichtquelle, jeder Farbe. Wie hatte sie ihren Gott so erzürnen können, dass er ihr sein Geschenk vorenthielt?

„Oh! Ihr seid wach!“

Delilah nahm das alles kaum war, ihr Zauber war verflogen, Lucil war keine nebelhafte Lichtgestalt. Dunkelheit. Dunkelheit. Dunkelheit.
Was hatte sie falsch gemacht? Warum quälte Lysanthor sie so gnadenlos? Wollte er sie testen? Hatte Faldor ihr seine bannende Finsternis geschickt? Doch warum...? Warum?!
Sie sehnte sich so sehr danach wieder ins Licht zu treten...
Delilah wollte ihren Funken suchen, wollte sich selbst bezaubern um wenigstens einen Kienspan in der Schwärze der Nacht zu entzünden, doch... dann...
Ein Schwall kochend heißes Wasser ergoss sich in die Wanne und die Badende zuckte erschrocken zurück. „Ahhh!“, ein Überraschungsschrei entfloh ihren Lippen und der Funke entglitt ihr.
„Wie...wieso willst du mich verbrühen?“, Delilahs tiefe Niedergeschlagenheit klang in jedem Wort. Völlig aufgelöst starrte sie in die Richtung an der sie Lucil vermutete, ohne sie zu sehen.
Denn überall war nur Dunkelheit...
Das Gesicht der Herrin verzog sich zu einer Maske der Trauer und ein starkes Schluchzen ließ ihren kleinen Körper erbeben. Sie schlug die Hände vors Gesicht, endlich keine Puppe mehr.
Und dann bahnte sich die Frage, die sie quälte, einen Weg durchs Gestrüpp, kämpfte sich stockend, schluchzend, vor Verzweiflung weinend an die Oberfläche.

„Warum... warum bin ich immer noch blind?“

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Samstag 30. August 2014, 11:59

„Warum... warum bin ich immer noch blind?“
Luci schwieg betreten. Ihre Herrin hatte viel gewonnen, doch das Einzige was ihr wirklich etwas bedeutete, war ihr immernoch vorenthalten worden: LICHT!
„ … Ich … Ich weiß es nicht. Ich weiß gar nichts. Entschuldigt bitte, Herrin.“
Derjenige der ihr vielleicht eine Antwort geben konnte, war gerade nicht da. Als hätte sie Delilahs nächste Frage geahnt, fuhr sie fort:
„Der Herr lässt euch ausrichten, dass er euch morgen besuchen wird. Seine Dienerin … sie hat es mir gesagt. ...“
Eine Weile hantierte sie mit raschelnden Handtüchern und kam dann an die Wanne.
„Langsam habt ihr auch wieder Farbe. Geht es euch gut? Möchtet ihr etwas?“
Delilah wurde bewusst, dass sie alles wieder spüren konnte. Sie fühlte, ob sie sich erleichtern musste, wie sie sich im Raum befand und ob sie Hunger hatte. Hunger, ja! Und Durst! Auch wenn ihre Haut noch brannte, als hätte sie eine Woche lang in der Sonne Sarmas gelegen, meldete ihr Körper doch endlich wieder all die ganz normalen Signale die nötig waren um zu leben. Delilah konnte wieder über sich selbst bestimmen. Als sie sich erhob, fühlte die die Verdunstungskälte auf ihrer Haut. Sie fühlte wie sich ihre Muskeln spannten und zu neuem Leben erwachten. Sie fühlte die Wassertropfen auf ihrem Rücken, wie sie aus ihren Haaren rannen und den Weg hinab zu ihren Waden nahmen, die sie hoch drückten. Luci trat zu ihr und wickelte sie in ein weiches Tuch. Vorsichtig half sie ihr aus der Wanne und führte sie zu einem Stuhl. Sie bürstete ihr die Haare und half ihr so weit wie nötig beim Ankleiden. Delilahs erste Schritte waren wackelig, aber auch ein kleines Wunder. Luci brachte sie wieder auf ihr Zimmer, dann holte sie eine kleine Mahlzeit. Das erste Mal konnte sie sich alleine und selbständig im Raum umher bewegen. Das erste Mal all die Dinge berühren, die sie zuvor nur aus der Ferne erahnen hatte können. Sie konnte den Flügel selbständig erreichen und die Tasten drücken, konnte alleine zum Fenster, es öffnen und den feuchtkalten Wind hinein lassen. War es Tag oder Nacht? Draußen waren kaum Vögel zu hören und ein feiner blumiger Duft wehte herein. Luci kam herein und stellte ein Tablett ab.
„Ich habe euch Brot, Butter und Milch gebracht. Auch ein bisschen Obst. Wenn ihr etwas anders wünscht, sagt es mir bitte.“
Lucis Stimme hatte ein wenig an ihrer Unbefangenheit verloren. Irgendetwas sorgte sie.
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Samstag 30. August 2014, 15:10

Luci wusste was für ein Schlag es für Delilah wahr, weiterhin in der Dunkelheit zu stehen. In einer stillen Stunde hatte die Herrin ihr erzählt, dass sie früher immer das Gefühl gehabt hatte, alles wäre hell und würde leuchten und so auch ihr Inneres geleuchtet hatte. Doch jetzt, so hatte sie erzählt, spüre sie wie die Dunkelheit langsam von außen eindringe und das Licht zu ersticken plane. Es war ein beinahe klaustrophobisches Gefühl, als wäre der Raum ihr zu eng, als wären die Wände direkt um sie.

Nun war sie wieder Eins mit ihrem Körper, doch ihre Tür zur Außenwelt war noch immer verschlossen. Luci reagierte erschrocken auf ihre Frage und Delilah tat es sofort leid, ihre Freundin so in Verlegenheit gebracht zu haben. „Das stimmt doch gar nicht, Luci... du weißt in so vielen Dingen so viel mehr als ich...“, versuchte sie müde Luci den Schreck zu nehmen, während sie sich fahrig über die Augen wischte. Wie selbstverständlich die Bewegung ausgeübt war... bisher war jedes Zucken der Finger ein Kraftmaß gigantischem Ausmaßes gewesen! Nun fiel es so leicht... so leicht. Und doch ihre Augen... würde die Finsternis nie wieder weichen?? Ihre Haut brannte.
Wo war Verano? Er war ihre letzte Hoffnung auf gute Nachrichten...
„Der Herr lässt euch ausrichten, dass er euch morgen besuchen wird. Seine Dienerin … sie hat es mir gesagt. ...“
Delilah horchte auf. Die Dienerin? War sie die Gestalt gewesen, die sie gesehen hatte lila schimmernd, als sie auf dem Weg zu ihrer Folterkammer gewesen waren? Sie dachte mit Schaudern an den goldenen Teich, die Quelle und den Schmerz.
„Ich weiß nicht, was ich von der Frau halten soll.“, sagte Delilah leise und erhob sich dann langsam.
Es war ein berauschendes Gefühl das Spiel ihrer Muskeln, die Anstrengung zu spüren, die Tropfen auf der Haut und die Kälte. Den Hunger und den Durst. Nein... sie war wirklich keine Puppe mehr. Jetzt huschte doch ein Lächeln über ihre Lippen, obwohl die Tränen auf ihren Wangen noch nicht getrocknet waren. Sie stand noch etwas zittrig und lies sich deshalb bereitwillig aus der Wanne helfen, doch das Handtuch nahm sie Luci mit weichem Griff aus den Händen.
„Das würde ich gerne selber tun, Luci.“, sagte die Erwachte und lächelte nun doch breit.
Es tat gut wieder eigene Herrin über ihren Körper zu sein, die Arme zu steuern, unter den Händen die brennende Haut zu spüren und mit dem Abtrocknen ein wenig beruhigen zu können.
Es war schön selbst etwas zu tun. Es lenkte von der Finsternis ab.

Etwas verloren stand Delilah in dem Zimmer, das sie durch die letzte Zeit begleitet hatte. Trotz allem war es ihr fremd, sie kannte es nur aus wenigen Perspektiven und auch jetzt war alles um sie herum schwarz, jeder Schritt und jeder Griff ging ins Dunkle hinein. Doch ihre anderen Sinne, ihre Finger und ihr Körper würden ihr beim erkunden des Fremdvertrauten helfen, mussten ihr die Augen ersetzen. Noch etwas tapsig auf den Füßen begann sie den Raum zu erkunden, sie fuhr mit den Fingern die Wand entlang und durchschritt einmal den Raum, überrascht von seiner Größe. Sie suchte das Piano, folgte dem Geruch der Politur... und stieß sich den Fuß. Schmerzhaft pochte ihr großer Zeh. Ein Schreckschrei entfuhr ihr. Der Zusammenstoß hätte sie beinahe aus ihrem noch empfindlichen Gleichgewicht gebracht, doch sie hatte sich auf den Hocker davor gerettet. Zögernd fuhren ihre Finger über die Klaviatur und sie drückte eine Taste. Ein einsamer hoher Ton verklang im Raum. Er wirkte kläglich so allein, doch Delilah wusste, dass er im Zusammenspiel der Melodie ein wunderbares Stück der Musik werden konnte. Im Moment fühlte sie sich wie der einsame Ton. Sie funktionierte wieder, der Ton erklang... doch war er kläglich und verhallte ungehört im Nirgendwo.
Delilah verließ das Piano... ob Verano ihr beibringen konnte wie man es spielte? Ob er ihr den Zauber der Musik zeigen würde?
Sie erreichte wieder die Wand spürte die Tapete unter ihren Fingern und hangelte sich daran weiter durch den Raum. Sie fragte sich wie sie dort gerade aussah, unter ihren Fingerkuppen die leichte Unebenheiten spürten. Luci hatte ihr alles genau erklärt, doch SELBER sehen... war etwas anderes. Sie erreichte das Fenster, erschrocken waren ihre Finger zurück gezuckt, als sie den fremden Rahmen berührt hatten. Sie hatte ihn nicht kommen sehen.
Alles war so komisch. Alles war einfach so wie früher... einfach so... ihr Körper begrüßte sie wie eine alte Freundin... und das obwohl er sie so lange im Stich gelassen hatte. Nur ihre Augen wollten nicht verzeihen, wollten sie nicht einlassen. Sie stand vor dem Fenster, ihre Finger suchten den Griff und fanden ihn. Kraftvoll stieß Delilah das Fenster auf und klare, feuchtkalte Luft stieß ihr entgegen. Sie schloss die Augen, was machte schon den Unterschied?
War es draußen hell? War es dunkel? Wie sah der Garten aus? Sie hörte fast keinen Vogel...
Aber es roch nach Blumen... ob die Seerosen noch blühten?
Für Tag müsste es wärmer draußen sein, oder? Sie müsste doch die Sonne spüren können... Hoffentlich hielt sie Luci nicht die Nacht wach, das wäre ihr nicht recht gewesen. Sie streckte ihre Hand nach draußen aus, wollte über das Fensterbrett streichen. Doch da kam Luci mit Essen zurück und ihr nagender Hunger, endlich spürte sie ihn wieder, trug sie fort. Ihr Magen knurrte.
„Ich habe euch Brot, Butter und Milch gebracht. Auch ein bisschen Obst. Wenn ihr etwas anders wünscht, sagt es mir bitte.“
Nachdem Delilah so von ihrer neuen Wahrnehmung, ihren zurückeroberten Fähigkeiten vereinnahmt gewesen war, bemerkte sie Lucis bedrückte Art erst jetzt.
„Nein... das klingt wunderbar... ist alles in Ordnung, Luci? ...ich... ich wollte dich vorhin nicht so anfahren...“

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Samstag 30. August 2014, 19:26

„Oh, ist schon gut. Alles in Ordnung. … Es ist nur so … ach nichts.“
Delilahs ungläubiger Blick ließ sie dann doch mit der Sprache heraus rücken.
„Ihr werdet jetzt sicher sehr schnell gesund werden. Nicht das mich das nicht wirklich freuen würde, aber... Ihr werdet mich bald nicht mehr brauchen und dann … dann muss ich zurück. Aber noch sollte ich nicht darüber nachdenken. Ein bisschen helfen kann ich ja noch.“
Lucil servierte und zeigte Delilah durch kurzes Führen ihrer Hände und durch kleine Anweisungen wo alles stand, damit sie alleine essen konnte. Das Brot war frisch und die Kruste knusprig, die Butter war leicht gesalzen und die Milch herrlich sahnig. Alles schmeckte so viel besser, wenn man mit Hunger aß.
„Herrje, was habt ihr denn da gemacht? Euer Zeh ist ja ganz blau!“
Luci kam näher und betastete vorsichtig den abgehauenen Fuß. Es war nicht schlimm, nur ein blauer Fleck, aber sie versprach sofort:
„Ich werde mich morgen früh gleich um ein paar Schuhe kümmern. Und dein richtiges Kleid, wenn es hier so etwas gibt. Geht ja nicht, dass ihr hier ungeschützt herum stolpert. Ich hoffe ...“
Sie stockte kurz, aber sprach dann weiter:
„... Vielleicht kann mir ja diese andere Dienerin helfen. Sie scheint ja hier schon länger zu wohnen. Sie hat sich mir nicht vorgestellt, aber vielleicht finde ich ja noch raus wie sie heist. Sie ist … ist mir ein bisschen unheimlich.“
Delilahs aufmerksamer Blick ließ sie fortfahren.
„Es ist nicht so, dass sie irgendwas getan hätte, aber sie beobachtet mich. Ich hab ständig Angst irgendwas falsch zu machen. Wenn ich sie ansehe, dann lächelt sie immer so komisch, aber ich bin mir sicher, dass sie das nur tut, wenn ich hinsehe. Sonst lächelt sie bestimmt nicht. Sie macht mich nervös. Wenn die Situation anders wäre, würde ich meinen sie wäre … eifersüchtig oder so … aber das ist doch Unsinn! Vielleicht bilde ich mir das ja auch nur ein. Sicher ist es so.“
Sie atmete tief durch und sammelte dann den leeren Teller wieder ein.
„Soll ich das Fenster wieder schließen, wenn ich gehe? Ich komme dann morgen früh und wecke euch. Am Fußende eures Bettes steht ein frischer Nachttopf, falls ihr ihn braucht. Ihr solltet noch ein bisschen schlafen.“
Also war es Nacht und Delilah nickte zustimmend, da sie Lucil auch nicht ihre Ruhe stehlen wollte. Sie hörte das Klappen der Fenster und der Riegel, die leisen Schritte, das sanfte klirren des Geschirrs auf dem Tablett.
„Gute Nacht.“
Dann war die blinde Licht-Magi wieder alleine mit ihren Gedanken.

Tatsächlich weckte sie erst eine leichte Berührung an ihrer Schulter.
„Guten Morgen.“
In Lucils Stimme lag ein Lächeln und irgendwie konnte man das Gefühl bekommen, dass die Sonne schien, auch wenn Delilah es nicht sehen konnte.
„Es ist ein herrlicher Morgen. Draußen ist es seit Tage das erste Mal richtig hell. Der Nebel ist weiter zurück gewichen als sonst und man kann sogar von eurem Fenster aus bis in den Garten sehen. Vor dem Haus sieht man die Waldgrenze und ein Stück vom Weg hinein. Heute ist ein heiterer Tag und richtig windstill. Die Luft ist zwar kühl und feucht wie anscheinend immer hier, aber in der Sonne ist es schön warm. Wollt ihr nachher mit mir nach draußen gehen? Wir könnten auch schwimmen, wenn ihr möchtet. Ich hab ja versprochen, dass ich das mit euch mache, sobald ihr soweit seid. Ich denke, ihr seid es.“
Delilah konnte ihr strahlendes Gesicht fast vor sich sehen. Da viel ihr auch wieder ihre Magie der „leuchtenden Kinderaugen“ ein und sofort suchte sie nach dem Funken tief in sich, hob ihn empor und stellte mir einem wohlig warmen Gefühl fest, dass es funktionierte. Luci war ein Wesen von einer starken, hellblauen Aura. Kein blasses Blau, oder sanftes und dunkles Graublau wie bei Verano, sondern rein und klar wie der Sommerhimmel. Mitten in der Dunkelheit schwebte ihr Leuchten im Nichts und streckte ihr die Hände entgegen. Die Berührung kam nicht überraschend, da Delilah sie ja auf ihre Art gesehen hatte. Sanft nahm Luci sie am Arm und führte sie zu einem Sessel.
„Ich habe von *Neroli*... heute Morgen ein Kleid für euch bekommen … und Schuhe. Sie war sehr, sehr, sehr freundlich.“
War das Ironie in ihrer Stimme?
„Es ist weiß wie Milch und hat eine cremefarbene glänzende Borte unten am Saum, unter der Brust, an den Schultern wie Träger und an den Oberarmen. Es ist sehr schön und hat mehrere Lagen, so das ihr gewiss nicht frieren werdet. Einen Umhang und passende Schuhe gibt es auch dazu.“
Der weiche, glatte Stoff fühlte sich bei der ersten Berührung kühl an, aber wurde dann schnell warm. Er duftete leicht nach getrockneten Blüten und Holz, als wäre es irgendwo länger aufbewahrt worden. Sicher hatte es „Neroli“ gut ausgelüftet, aber noch waren Delilahs Sinne so fein, dass sie diese Details wahr nahm. Lucil half ihr beim Ankleiden und schien ehrlich begeistert von der Wirkung auf ihr Äußeres.
„Ihr … *schluck* … Ihr seht traumhaft aus. Ganz verändert. Ein bisschen älter... äh, erwachsener wollte ich sagen.“
Sofort lachte sie verlegen und den Bann zwischen ihnen war wieder gebrochen. Fröhlich plapperte Lucil drauf los, erzählte von der „unheimlichen“ zweiten Dienerin im Haus, die sie kaum aus den Augen ließ, sobald sie diesen Flügel verließ. Sie verglich sie mit einer Spinne und anderem ekeligen Getier. Sie lachte herzlich und fragte dann schließlich kichernd:
„Und was wollen wir nun heute machen? Frühstück und dann ein kleines Abenteuer? Hihi.“

((+Pm))
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Montag 1. September 2014, 22:11

„Ich … würde dich gerne so lange an meiner Seite wissen, wie ich hier bin... du willst mich doch nicht allein in diesem großen Haus lassen?“, aus Delilahs Stimme klang echte Sorge. Alleine auf dem Anwesen mit einem Grafen, der ihr immer neue Rätsel aufgab und von dem sie nicht wusste, wie sie zu ihm stand... und dieser reichlich merkwürdigen Dienerin.

Die Blinde sog scharf die Luft ein, als Lucil ihren Fuß betastete. „Ssssss...Au...“ Delilahs Gesicht verzog sich leicht. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass sie sich den Zeh so sehr gestoßen hatte. Er hatte gepocht … aber... hätte sie nur das Klavier gesehen!


„Ich werde mich morgen früh gleich um ein paar Schuhe kümmern. Und ein richtiges Kleid, wenn es hier so etwas gibt. Geht ja nicht, dass ihr hier ungeschützt herum stolpert. Ich hoffe ...
... Vielleicht kann mir ja diese andere Dienerin helfen. Sie scheint ja hier schon länger zu wohnen. Sie hat sich mir nicht vorgestellt, aber vielleicht finde ich ja noch raus wie sie heist. Sie ist … ist mir ein bisschen unheimlich.“


Delilah nickte zustimmend und nachdenklich. „Mir ist sie auch nicht... angenehm. Aber ich hab sie jetzt schon lange nicht mehr gesehen... ich glaube Verano hat ihr gesagt, dass sie sich fernhalten soll...“
Ein wenig unbehaglich dachte Delilah an ihr letztes Zusammentreffen zurück und wie aufgebracht Verano darauf reagiert hatte. Die Dienerin war es gewesen, die damals den letzten Zweifel in das Herz des Mädchen gesät hatte. Doch er hatte fast alle Zweifel durch seine stille Hilfe fortgeweht... nur Fragen waren geblieben. Fragen über Fragen.
„Sie ist violett...“, sagte Delilah mehr zu sich. Sie fragte sich, welche Bedeutung die Farbe wohl hatte. Jedenfalls hatte sie ihr Unbehagen nicht gelindert.

„Gute Nacht!“, sagte auch Delilah, dann schloss sich die Tür hinter Luci und sie war wieder allein. Allein, nur umgeben von Finsternis. Wieder wurde ihr das Herz schwer. Warum war sie noch immer blind? Die Frage ließ sie nicht los. Morgen würde sie wieder den Funken beschwören... irgendwie musste sie diese allesumfassende Schwärze bekämpfen. Käme sie sich nur nicht so alleine vor in dieser stillen Dunkelheit... woher sollte man Mut fassen, wenn man sich so verloren fühlte?
Als wäre sie ein verirrtes Kind, das den Vater nicht wiederfindet und das verzweifelt nach seiner Laterne Ausschau hält.
Entschieden wischte sie die Gedanken fort. Was jammere ich eigentlich rum?!, schalt sie sich selbst. Ich habe meinen Körper wieder, kann laufen und springen! Freuen sollte ich mich lieber! Vielleicht kann ich ja bald nach Hause! Am besten frag ich gleich morgen Verano, wann er mich zurückbringen wird. Besser kann es schließlich kaum noch werden, oder? Nur die Dunkelheit... aber daran gewöhne ich mich vielleicht... Magi Sixtema und die anderen leben auch so, oder? Vielleicht weiß sie ja auch einen Weg, den Zauber der Kinderaugen zu verfeinern...
Eine Weile saß sie so einfach im mondbeschienenen Raum, auch wenn sie ihre ganz eigene Nacht umgab. Kurz vor dem Einschlafen war da ein Moment, ein Moment wo sie fürchtete, dass sie wenn sie aufwachte wieder gefangen in ihrem Körper war. Sie sprang auf, warf die Decken beseite und lief auf und ab. Eine Strecke, wo sie sich nicht anstieß. Auf und ab... immer wieder... immer wieder. Sie spürte ihre Muskeln spannen und entspannen, spürte wie sie wärmer wurden. Sie bewegte alles, ließ die Finger wackeln, strich über ihren eigenen Körper um die Reize auf Körper und Fingerkuppen zu spüren. Sie atmete tief ein und aus und lief immer noch auf und ab, immer wieder auf und ab. Die Angst klammerte sich an sie. Sie glaubte nicht, dass man ihr das Geschenk sofort wieder entreißen würde, doch die Angst blieb. Mit ihren Bewegungen bekämpfte Delilah sie jedoch. Sie hatte die Kontrolle, dies war wieder ihr Körper. Er gehorchte ihr und das würde morgen immer noch so sein. Ihre Muskeln erinnerten sich wieder an sie, ließen ihre Signale ein und sendeten zurück. Sie wollte es genießen... die Bewegung, die wirkenden Befehle. Sie war viel zu schnell erschöpft... sie war so schwach geworden! Ihr Atem ging viel schnell und ihre Beine streikten, sie spürte, dass sie an Muskelkraft abgenommen hatte. Es war so schön die Kontrolle zu haben...
Mit beruhigten Gedanken und sehr erschöpft schlief Delilah schließlich ein.

Delilah träumte. Ihre Träume waren der einzige Ort an dem sie sehend war. Dort konnte sie ihre Moma besuchen, die Akademie, durch Jorsas Straßen streifen und sich Himmel und Erde besehen.
Doch diese Nacht war sie an einem anderen Ort. In ihrem Traum erwachte sie in einem großen, weißen Himmelbett. Sie schlug die Augen auf … und alles war hell, alles leuchtete und von draußen erklang fröhliches Vogelgezwitscher. Sie schwang die Beine aus dem Bett und sah sich um. Ein Klavier... Ornamente an der Decke, alles war unscharf, verschwommen... doch Delilah bemerkte es nicht, wie es Träumende selten tun. Sie hatte so viele Stunden in diesem Zimmer verbracht. Schöne Stunden? Die Träumende war sich nicht mehr sicher, aber sie wusste, dass sie in den Garten sehen wollte. Breit lächelnd und strahlend lief sie auf das Fenster zu und öffnete es weit. Das Zwitschern wurde lauter und ein sanfter Blütengeruch wehte ihr entgegen, die Sonne begrüßte sie freundlich. Der Garten war wunderschön, aber Nebel verbarg mal wieder so vieles... wie ärgerlich, aber nachher würde sie unten die Blumen besuchen gehen. Sie lächelte noch breiter. Sie freute sich bereits darauf! Sie drehte sich um, zu dem Blumenstrauß der in einer gläsernen Vase auf sie wartete. Gleich neben dem Fenster stand er, auf einem kleinen, einbeinigen Tisch, mit schnörkelnder Verzierung. Sie ging einen Schritt darauf zu, da flackerte plötzlich alles vor ihren Augen. Kurz war ihr Schwarz vor Augen... das nächste was sie sah, war wie sie gegen die Vase stieß und diese krachend am Boden zerbarst... Wasser und Splitter breiteten sich auf dem Boden aus... dann war alles Dunkel, das Vogelgezwitscher verstummte, der Blütengeruch verschwand. Da war nur noch Finsternis um sie herum. Angsterfüllt drückte Delilah den Rücken gegen die Wand, wo vorher das Fenster gewesen war. Vorsichtig beugte sie sich zum Boden, sie wollte sich ertasten wie sie aus dem Scherbenhaufen herauskommen würde... doch überall wo sie hingriff.... Splitter und Scherben! Sie waren so fein, dass sie sich tief in ihre Haut bohrten, wenn sie auch nur versuchte sie wegzuwischen. Jeden Versuch den Delilah startete endete darin, dass sie sich Splitter in Hände und Füße bohrte. Sie wurde immer verzweifelter... nirgends war ein Ausweg, Hände und Füße schmerzten... jedesmal wenn sie einen Splitter entfernen wollte, griff sie daneben oder drückte ihn in ihrer Blindheit noch tiefer ins Fleisch.. Der Kampf war sinnlos! Die ersten Tränen rannen über ihr Gesicht... es war so dunkel! Wo war die Sonne geblieben? Sie fühlte sich so hilflos... Schließlich saß Delilah mit dem Rücken an der Wand, die Beine angezogen und die blutenden Hände darauf abgelegt, darauf starrend, auch wenn sie nichts sehen konnte... und um sie her ein Meer aus Scherben. Sie schluchzte und weinte. „Hilfe... Hilfe!... b-bitte... Licht....Lu.- Luci...“ Sie würde hier nie wieder wegkommen!
Der Traum begann sich aufzulösen, jemand wollte sie wecken... die Dunkelheit wurde nebelhaft... heller... jemand berührte sie an der Schulter...und das Letzte war sie hörte, war Veranos Stimme... doch sie verstand nicht mehr was er sagte... vielleicht irrte sie sich auch und es war Leons Stimme?


„Guten Morgen. Es ist ein herrlicher Morgen. Draußen ist es seit Tage das erste Mal richtig hell. Der Nebel ist weiter zurück gewichen als sonst und man kann sogar von eurem Fenster aus bis in den Garten sehen. Vor dem Haus sieht man die Waldgrenze und ein Stück vom Weg hinein. Heute ist ein heiterer Tag und richtig windstill. Die Luft ist zwar kühl und feucht wie anscheinend immer hier, aber in der Sonne ist es schön warm. Wollt ihr nachher mit mir nach draußen gehen? Wir könnten auch schwimmen, wenn ihr möchtet. Ich hab ja versprochen, dass ich das mit euch mache, sobald ihr soweit seid. Ich denke, ihr seid es.“

„NEIN!“, Delilah hatte vor Schreck die Augen aufgerissen. Das Bild eines goldenen Teichs aus flüssigem Metall kam ihr in den Sinn. Stechender, reißender Schmerz, Todesangst, Kampf. Ihre Stimme zitterte stark. „...nein... ich-ich... möchte heute noch nicht... schwimmen gehen.... bitte... bald...bald...ja?“
Delilahs Atem ging schneller, auf ihrer Haut hatte sich eine sichtbare Gänsehaut gebildet. Ein Schauder lief ihr über den Rücken und sie schüttelte sich. „Nicht...nicht heute.“
Das Geschehene und der vergangene Traum saßen ihr noch im Nacken und sie wusste, dass sie das Gefühl von Wasser heute nicht ertragen konnte. Jedenfalls nicht das … Eintauchen in so etwas.
Sie konnte die Dunkelheit im Moment nicht aushalten und wandte so schnell es ihr möglich war die „Kinderaugen“ an. Lucis leuchtende hellblaue Aura in all dem Schwarz tat so gut, sie war ihr rettendes Ufer im unendlich-wirkenden Ozean.

„Ich habe von *Neroli*... heute Morgen ein Kleid für euch bekommen … und Schuhe. Sie war sehr, sehr, sehr freundlich.“
War das Ironie in ihrer Stimme? Neroli hieß die Dienerin also... außer sie hatte Luci einen falschen Namen genannt... irgendwie konnte sich Delilah das gut vorstellen.
„Es ist weiß wie Milch und hat eine cremefarbene glänzende Borte unten am Saum, unter der Brust, an den Schultern wie Träger und an den Oberarmen. Es ist sehr schön und hat mehrere Lagen, so das ihr gewiss nicht frieren werdet. Einen Umhang und passende Schuhe gibt es auch dazu.“

Delilah hielt inne. „Wem gehört denn das Kleid? Ich...“ Sie brach ab. Vielleicht eine von Veranos Eroberungen? Hatte Brit nicht so etwas angedeutet? … bei ihr hatte er so etwas noch nie probiert.... er war immer sehr distanziert geblieben. Hmm... vielleicht fand er sie einfach zu jung. Delilah hatte noch nie in dem Zusammenhang an ihn gedacht, für sie war er immer der unnahbare Engel gewesen. Das würde sich wohl auch nicht so schnell ändern. Verano war Musik... und Duft und Linderung und Schmerz und dieses Haus... und der Ritter auf dem weißen Ross... das alles war er... Aber Liebe? Nein.
Sie wusste nicht, ob sie das Kleid tragen wollte.

Aber schließlich trug sie es doch, es schien schon lange irgendwo gelegen zu haben... Delilah war überrascht von Lucis Reaktion. Ihr schien beinahe der Atem zu stocken.
„Ihr … *schluck* … Ihr seht traumhaft aus. Ganz verändert. Ein bisschen älter... äh, erwachsener wollte ich sagen.“
Delilah sah sie erstaunt an. „Wirklich?“ Sie lächelte unsicher. Die Licht-Magie blinzelte und blickte automatisch an sich herunter... was jedoch nicht viel brachte. „Oh...stimmt ja... dann muss ich wohl auf dein Urteil vertrauen.“ Delilah lachte.

Eine Weile sprachen sie über die merkwürdige Gestalt, die im Haus umherwandelte. Delilah war nicht bewusst gewesen, dass Lucil so stark unter Beobachtung stand. Anscheinend war nicht nur sie selbst scharf beäugt worden. Was war nur mit der Frau los? Was beunruhigte sie so?

„Und was wollen wir nun heute machen? Frühstück und dann ein kleines Abenteuer? Hihi.“


„Gerne!“ Delilah wurde leichter ums Herz. Lucils Aura wirkte sehr beruhigend und erhebend auf sie. Sie war so eine fröhliche Person! „Ersetzt du mir die Augen? Ich möchte endlich einmal wirklich durch das Haus LAUFEN und so gerne in den Garten! Zeigst du mir alles?“
Dann stoppte sie einen Moment. „Obwohl... Frühstück wäre auch nicht schlecht.“ Ihr Magen knurrte zustimmend.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 3. September 2014, 20:37

Luci kicherte leise, als sie das Magen-knurren hörte.
„Wie wäre es denn, wenn wir einfach gemeinsam in die Küche gehen?“
Luci, sah durch „Kinderaugen“ die leuchtende Gestalt neben sich. Sie berührte sie am Arm und Delilah hakte sich bei ihr unter. Gemeinsam ging es so auf Erkundungstour. Auch wenn Delilahs Welt dunkel war, so war sie doch erfüllt von Freude, Lachen und Schönheit. Luci hatte eine wunderbar einfache Art die Dinge um sie herum in Worte zu kleiden.
„Das Geländer an den Treppen sieht aus, als würden sich Quecken an jungen Stämmen festklammern. Die Or-na-men-te sind tief ins Holz geschnitzt und sehr dunkel. Sieht alt aus.“
Auch für sie war das alles hier neu und sie lernte viel durch ihren Dienst an der jungen Licht-Magi. Vor ihrem inneren Auge nahm das Anwesen langsam Form an. Ob es wohl wirklich so aussah, wie sie es sich vorstellte? Ob Verano so aussah, wie sie ihn in Erinnerung hatte? Der Strahlende Ritter auf dem weißen Pferd in Rüstung und wehendem Umhang, wie sie sich die Helden in den Märchen immer vorgestellt hatte, oder war er eher der dunkle Engel, der sie durch die Finsternis geführt hatte? Durch Zweifel und Schmerz hatten viele der hellen, farbenfrohen Eindrücke in ihrem Gedächtnis eine dunklere Färbung angenommen, wie sie fest stellte. Nachdem sie die Haupthalle erstaunlich schweigsam durchquert hatten sagte Luci:
„Der Graf hat oben am Treppenabsatz gestanden und uns beobachtet, deshalb hab ich grade nichts gesagt.“
Delilah brauchte nur ein winzigen Stubs zu tun und Luci beschrieb ihn mit ihren Worten, doch das Bild was sie glaubte richtig in ihrem Kopf verankert zu haben, passte nicht zu den Beschreibungen des Mannes, den Luci sah.
„...Ähm, er ist sehr groß. Breite Schultern, aber nicht wie ein Fleischer oder so, er ist ...eleganter gebaut?… Er hat braune, recht enge … Hosen an. Leder … Die Stiefel sind schwarz. Das Hemd, lang ärmlich, ist weiß und ..ähm.. war an der Brust halb offen, wie es manchmal die Piraten tragen. So mit Schnürungen. .. Sein Haar hat er im Nacken zusammen gebunden. Die Ansätze sind fast braun, während die Spitzen hell sind wie der Sandstrand in Rumdett. So hellbraun, fast blond halt. Ausgeblichen, sagt man dazu, glaub ich. Sein Gesicht ist gebräunt … Ich trau mich immer nicht ihn lange anzusehen. Seine Augen sind grau, aber ich glaub er kann damit durch einen hindurch sehen. Er lächelt wenig … eigentlich gar nicht, wenn ich so drüber nachdenke, hat aber einen tollen Mund, OH... ähm... er schaut aber auch nicht böse! Ne grade Nase und ich glaub, er macht sich viele Gedanken, dass lässt ihn älter wirken. Ich würde so schätzen, dass er 25 ist, oder älter, vielleicht auch viel älter, aber … neee. Er hat ja keine spitzen Ohren, hihi. Die Elfen sehen ja immer so schick aus, aber sind echt alte Säcke. Hahahaha.“
Kichernd ging es weiter durch die Gänge voller Kleinigkeiten. Hier und da beschrieb Luci einen Tisch und vor allem vergaß sie nie zu erwähnen wo alles stand. Sie versuchte die räumlichen Begebenheiten sogar in Schrittabständen zu beschreiben, was aber schwer war für den ersten Tag. Mit ein wenig Wiederholung würde Delilah sich vielleicht sogar auf bekannten Wegen alleine zurecht finden. Einiges von dem was sie beschrieb, kannte sie selbst nicht und bekam in Delilahs Vorstellung so die unmöglichsten Formen.
„Na ja, so ein Ding halt. Unten hat es so was ähnliches wie eine Schublade oder Truhe, aber anders und oben drauf, vorne sind zwei geschwungene Arme mit einem Stab dazwischen. Dahinter sind zwei verzierte Stäbe die weiter nach oben gehen, höher als vorne und die sind auch verbunden. Ganz oben auf dem hinteren, sieht das aus … wie … Schultern, nur ohne Kopf und zwei kleinen, geschnitzten Kugeln drauf. Keine Ahnung wozu das gut sein soll.“
Leichter war es bei ihr bekannten Dingen. In der Küche konnte sie fast alles bis ins kleinste Detail beschreiben und malte so ein sehr genaues Bild in Delilahs Phantasiewelt. Sie bekam dunkle Eindrücke von Räumen, so groß und gewaltig, dass es für Delilah unglaublich schien. Vielleicht war es auch die Beschreibung ihrer Dienerin, die alles etwas wachsen ließ, da sie noch nie so etwas gesehen hatte. Delilah hatte wenigstens den Vergleich zur Akademie und die war definitiv größer. Sie erinnerte sich gut an die langen Gänge, die sie so manches Mal entlang gehetzt war um nicht zum Unterricht zu spät zu kommen. Immer wieder schlichen sich wehmütige Erinnerungen in ihre Gedanken, an Brit, an Leon und immer voran an ihre Moma. Wie es ihnen wohl ging? Luci schaffte es jedoch immer wieder sie abzulenken und aus dem Strudel der Sorgen herauszureißen.
„Hihihihi, da hängt ein Bild an der Wand... öhm, da sind nackte Menschen drauf. Sie sitzen alle ganz sittsam an einer Tafel, wie die unten im großen Salon. Nur haben sie eben nichts an. Die Frauen haben tolle Frisuren und bunte Federn in den Haaren und die Männer tragen Hüte. Alle haben Masken auf. Sieht irgendwie komisch aus, ähm... gehen wir weiter. Da hinten geht’s ohnehin in die Privatgemächer des Grafen.“
Luci berührte sacht Delilahs Arm um sie weg zu führen.
„Ach ja, wir wollten doch noch in den Garten, solange die Sonne mal scheint!“
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Mittwoch 17. September 2014, 00:58

Delilah ließ sich durch das Haus führen, doch dieses mal war es anders als all die Male zuvor... Sie selbst war es, die durch die Gänge schritt, vorsichtig von Lucil geführt und eine Hand an der Wand. Ihre Finger strichen sanft die Tapete entlang. Schon bald blieb sie stehen und zog die Schuhe aus, denn sie wollte den weichen Teppich unter den Fußsohlen spüren und sich besser Stufen und Treppen entlang tasten. Dass sie sich bald wieder stoßen könnte, nahm sie dabei ohne zu zögern in Kauf. Lucil warnte sie schon lange bevor ihr etwas in den Weg kam und von nun an würde sie sowieso vorsichtiger sein, wenn sie durch die Dunkelheit lief.
Delilah zählte Schritte. Die Schritte von ihrem Zimmer bis zur nächsten Tür, zur nächsten Biegung, zur Treppe, zum nächsten Hindernis.
Sie war so darauf konzentriert, dass sie Verano gar nicht gesehen hatte. Erst als Lucil ihn erwähnte drehte sich Delilah um und sah letzte Zipfel seiner graublauen Aura. Es war ein komischer Anblick, das Licht so scharf abgeschnitten hinter einem für sie unsichtbaren Objekt verschwinden zu sehen. Wie eine schwarze Wand...

Delilah war fasziniert von Lucils Beschreibung. Während sie größtenteils Vergleiche zu Figuren und Gestalten aus ihren gezogen hatte, kam Verano ihr jetzt nach der neuen Erklärung vor wie ein feingekleideter Pirat. Interessant, wie sehr das Aussehen und die Wirkung von der Perspektive und Sichtweise des Betrachtenden abhängig war... und sicherlich trat Verano ins einen eigenen vier Wänden auch ganz anders auf, als in der Öffentlichkeit. Und so trug er auch andere Kleider.
Schon komisch, wie viele verschiedene Versionen es von einem gab. Eigentlich spielte man nur jedem eine Rolle vor, die von Person zu Person variieren konnte.. und die wahren Freunde waren dann diejenigen, die am meisten von dem „wahren“ Ich im Inneren kannten. Wie viele „Veranos“ es wohl gab? Und welcher war der „Richtige“?

Nachdem der Hunger und die Neugier gestillt waren, stand schließlich endlich der Ausflug in den Garten an. „Dann lass uns keinen Augenblick vergeuden, liebste Luci!“
Delilah wollte unbedingt hinaus, die Sonne auf der Haut spüren und das Gras unter ihren Füßen.


„Darf ich dich eigentlich etwas fragen, Luci...? Warst du schon einmal verliebt?“

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 17. September 2014, 10:38

Gunther kommt von: Verloren im Nebel


Heute wollte Gunther Wegstrecke zwischen sie und die Vergangenheit bringen. Es galt ihre Verfolger und die Jäger der Nacht abzuschütteln, sie zu täuschen und diesem Wahnsinn zu entkommen. Vielleicht wusste Gunther noch nicht einmal warum er der Eingebung seines Traums folgte, aber der Weg der weißen Felsen führte ihn immer tiefer in den Wald hinein, dorthin wo selbst am Tage der Nebel nicht wich. Statt den hellen Pfad zu nehmen, der mit Licht und Freiheit lockte, zogen die geisterhaften Nebelfinger ihn immer tiefer in seinen Bann.
Folgt den weißen Steinen.
Das waren die Worte des seltsamen Wesens gewesen, dass ihn im Traum besucht hatte. Warum? War es richtig ihnen zu folgen? Wollte die alte Frau überhaupt helfen oder führte sie sie in ihr Verderben?


Ein Blick ins Unbekannte
(bei Gunther und Kadia)

War es noch Tag oder schon wieder Nacht? Alles hatte stets die gleiche Farbe. Wie viele Herzschläge waren sie schon wieder unterwegs gewesen? Sie hatten absteigen müssen um sich nicht an tief hängenden Ästen zu verletzen. Gunther konnte kaum zwei Armeslängen weit sehen. Kadia und er hielten links und rechts die Zügel des Pferdes und immer wieder berührten sich ihre Finger, als müssten sie sich vergewissern, dass der jeweils andere noch da war. Es musste noch Tag sein, wenn nicht müsste es dunkler sein. Schritt für Schritt zog es sie tiefer in diesen weißen Albtraum. Die Steine waren kleiner und häufiger geworden, fast wie ein Weg.
„Au!“
Kadia war gestolpert und blieb abrupt stehen. Ganbu schnaubte laut und widerwillig, durch den plötzlichen Ruck an seiner Trense.
„Entschuldige. Ich hab mir den Fuß an etwas gestoßen... Oh!“
Gunther machte einen Schritt näher an sie heran und erkannte sofort was es war. Eine weiße, gerade handbreit hohe Stufe hob sich aus dem Boden und dahinter, gut zwei Schritt entfernt die Nächste. Abgerundete Kanten zeigten das Alter und tiefe Risse hatten das Gestein gespalten, doch sie waren noch da. Langsam, vorsichtig gingen sie weiter …

...und traten plötzlich aus dem Nebel.
Beide mussten blinzeln, denn die Sonne blendete ihre Augen. Ein Hort des Lichts, verborgen im Nebel, anders konnte man diesen Ort nicht bezeichnen. Und doch lag ein mystischer Glanz über allem. Kadias Mund stand weit offen. Ihre Augen blickten auf einen verwilderten Park. Verwinkelte, lauschige Plätze wechselten sich mit schlanken halb überwucherten, verschlungenen Pfaden ab. Über-rankte Bögen und schlanke Säulen boten ein romantisches Bild von einstiger Eleganz und vergessener Schönheit. Dunkler Efeu malte grün leuchtende Schatten auf den weißen alten Stein. Um so tiefer sie in das Reich „von Weißenfels“ eintraten, um so neuer wirkte die Umgebung. Der Park eröffnete sich zu einem kleinen See oder viel mehr ein großer Teich in dessen Mitte eine Statur stand. Das Sinnbild reiner, weiblicher Schönheit reckte ihr Gesicht dem Himmel entgegen, so dass man es nicht sehen konnte. Es erinnerte jeden Mann der sie anblicken würde an Geschichten von Nymphen, Meerjungfrauen, der ersten zarten Liebe, die unerreichte Dorfschönheit, die anbetungswürdige Göttin oder auch die verführerische Dämonin, der man seine Seele gerne schenkte, ganz je nach Standpunkt und wünschen des Betrachters. Zu Füßen ihrer nackten, weißen Gestalt breiteten sich große schwimmende Blätter aus und eine einzelne helle Blüte trieb unbewegt auf dem dunklen Wasser, welches den Himmel irgendwie nur kläglich widerspiegeln wollte. Sah man dann wieder von ihr fort, erblickte man in der Ferne das Anwesen der weißen Felsen, nur halb verborgen von Efeu und hohen schlanken Bäumen. Kleine Pavillons und Pergolen, halb zerfallen, halb überwuchert von der Natur schmiegten sich harmonisch ins Bild. Das Wasser lag still da, kein Plätschern war zu hören, Vögel zwitscherten leise und Grillen gaben ihr Konzert. Alles wirkte ein wenig vergessen und der Zeit entrückt. Eine romantische Seele würde diesen Ort wohl als verzaubert beschreiben. Eine rationale vielleicht als … unmöglich?


Zwei junge Seelen im Park
(bei Delilah und Luci)

„Dann lass uns keinen Augenblick vergeuden, liebste Luci!“
Delilah wollte unbedingt hinaus, die Sonne auf der Haut spüren und das Gras unter ihren Füßen, also gingen sie. Eine Tür öffnete sich. Ihr Weg führte sie ein paar Stufen hinunter und dann fühle sie es: Warmes, prickelndes Licht, dass ihr die Härchen aufstellte und ein leichter Wind, der ihre Sinne streichelte. Der Duft von Pflanzen hing schwer und würzig in der Luft. Wald, Harze, Moos und Gräser mischten sich mit Blumenduft und Feuchtigkeit.
„Darf ich dich eigentlich etwas fragen, Luci...? Warst du schon einmal verliebt?“
Luci stolperte und hätte fast Delilah mit gerissen. Der Ruck an ihrem Arm brachte beide Mädchen kurz aus dem Gleichgewicht.
„Ähm … „
Kleine, aber bestimmte Hände richteten sie wieder auf. Sie gingen weiter und plauderten miteinander, während der Boden unter ihren Füßen sich von Stein, zu Kies und dann zu einem weichen, moosigen Erdteppich verborgen unter kühlen Gräsern verwandelte.
„Es … Es gab da mal einen Jungen, der war süß. Er war blond wie ihr und nicht so gemein wie die anderen auf der Straße. Er hat mir mal geholfen, als ich in der Klemme steckte. Ich glaub, in den war ich verliebt, aber ich hab ihn nicht wieder gesehen. Das war in Rumdett, da verschwinden auch mal Leute ...“
Ihr Stimme klang ein bisschen traurig, aber dann lachte sie plötzlich wieder und irgendwo antwortete ein Vogel.
„Er hatte mir ein Ei geschenkt! Hihihi! Er war so stolz drauf. Er hatte es für mich gest... äh... gefunden und aufgehoben, weil er wusste, dass ich gerne backe. Wahrscheinlich hat er sich nicht gleich getraut es mir zu geben. Also … Ich meine, leider hatte er es seeehr lange aufgehoben! Es war schlecht, hihihihi!“
Ihr Lachen hallte durch den Garten und Delilah bekam ein gewisses Gefühl von Weite. Der Park musste groß sein. Sie liefen schmale Pfade entlang und Luci beschrieb Blumen, Sträucher, einzelne Blätter, Rinde, Bäume und ihr Zusammenspiel. Die Welt um sie herum war schön, auch wenn sie sie nicht sehen konnte. Sie war lebendig, duftend, bewegt und sinnlich. Sie war hart und weich unter ihren Füßen, feucht und klebrig zwischen ihren Fingerspitzen, wenn sie die Blätter zerrieb. Sie streichelte ihre Arme, wenn sie an ihr vorüber ging und küsste ihre Nase mit hundertfachen Düften. Delilah hatte ihr Augenlicht verloren, doch ihr war auch etwas geschenkt worden. Die Erfahrung, dass sie vorher blind gewesen war für diese Welt der Sinnlichkeit.
Sie setzten sich unter eine von wilden Rosen überwucherte, gusseiserne Pergola. Der Duft von Rost, von altem Metall mischte sich wie eine hohe Note in die Symphonie ihrer Sinne.

Dann hörte sie ein entferntes Rascheln und ein leises, gedämpftes Schnauben, wie das eines Pferdes, also fragte sie Luci, ob es hier auch Stallungen gäbe.
„Äh, nein hier nicht. Vorne vor dem Haus gibt es einen Stall, aber der ist ziemlich weit weg. Könnt ihr ihn etwa hören?“
Delilah unwillkürlich schüttelte den Kopf. Das Geräusch, was sie wahrgenommen hatte war näher.
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Mittwoch 17. September 2014, 13:58

Ja, Delilah lernte, dass sie Schönheit auch mit ihren anderen Sinnen wahrnehmen konnte. Das machte ihr Mut und das Lachen fiel ihr leichter. Die Sonne auf ihrer Haut, der Boden unter ihren Füßen, die Blätter zwischen ihren Fingern und eine leichte Brise die einige ihrer Locken aus der Hochsteckfrisur löste. Eine Weile ging Delilah schweigend, während Luci fröhlich erzählte und auch Delilah musste lachen.
Der Garten war märchenhaft. Um das zu wissen, musste man wirklich nicht sehen können, denn es war beinahe spürbar auf der Haut. Richtig beschreiben ließ sich das gar nicht. Es war einfach die Unwirklichkeit dieses Ortes, die sich wie leichter Nebel herabsenkte.
Doch die junge Magi sehnte sich nach mehr. Das Licht war ihr Element und das Licht war es, das ihr fehlte. Sie wollte die Schönheit der Welt mit allein Sinnen wahrnehmen. Sie wollte das Sonnenlicht nicht nur spüren, sie wollte sehen wie es sich durch den Nebel kämpfte und sich auf den Wellen des Teiches in abertausend verschiedene Farben brach.
Trotzdem war hier alles zauberhaft und ebenso verzaubert kam sich Deliah vor, als sie nun eine Rast einlegten. Es sah sicher aus wie ein Bild aus einem Buch: Die beiden Mädchen unter den Rosen, das Sonnelicht das leicht hindurchdrängt und sich in goldenen Locken fängt.
Delilah fühlte sich fremd in dem geliehenen Kleid, das sie trug. Weiß und weich schmiegte es sich an ihren Körper. Luci hatte gesagt, dass sie damit reifer wirkte. Ob das wirklich so wahr? Früher war sie ein blonder Wirbelwind gewesen, mehr Kind als alles andere. Ruhiger war sie geworden... älter sicher auch... aber reifer? Saß hier eine junge Frau unterm Blätterdach? Still betrachteten blinde Augen den hellblauen Umriss neben sich. Vermutlich wirkten ihre weißen Iriden genauso unheimlich wie die der Magi der Akademie, wenn sie einen so genau musterten.

Still verscheuchte Deli die Gedanken und widmete sich wieder dem Gespräch.
Konnte es wirklich sein, dass man nicht sicher war ob man sich verliebt hatte? Wusste man es nicht mit jeder Faser?
"Fehlt er dir...?" Delilah war fasziniert von diesem Gefühl, das so oft beschworen wurde. Ob sie es je empfinden würde?

Da drangen fremde Geräusche in Delilahs Wahrnehmungsraum. Sie passten nicht in die friedliche Stille des Gartens, wo sanftes Plätschern und Rauschen, leises Vogelgezwitscher die Klänge bestimmten. Aber der Stall war es nicht, dafür war das Geräusch zu nahe.
"Verano ist im Haus, oder?" Wieder ein leises Schnauben. Delilah erhob sich und trat vorsichtig einige Schritte aus der Pergola um zu lauschen.
Ihr blinder Blick wanderte umher auf der Suche nach Lichtern in der Finsternis.

Da stand sie also. Eine blinde, junge Frau, sich noch ganz neu in ihrem Körper fühlend. Wie eine Geistergestalt trat sie hinter den Blättern hervor in weißem Kleid und mit vorsichtigen Schritten. Ihr verlorener Blick fand nichts an dem er sich hätte halten können.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Gunther Brockhardt » Mittwoch 17. September 2014, 21:14

Sobald sie die Dämmerung erahnen konnten, brachen Gunther und Kadia auf. Beide wollten schnellstmöglich so viel Wegstrecke wie nur denkbar zwischen sich und dieser Kampftruppe des dunklen Volkes bringen. So wie Gunther es befohlen hatte, schwiegen sie beide während des mühsamen Weges durch die Nebelschwaden. Sie hatten zwar einen Weg gefunden, dem Hungertod zu entgehen, doch es schien, als würde sich das Reich der Dunsthügel nun wahrlich gegen sie auflehnen. Der Nebel wurde immer dichter, je tiefer und undurchdringlicher der Wald selbst wurde. Gunther gab das Zeichen zu halten und abzusteigen. Jeder nahm etwas zähes und trockenes Fleisch zu sich, und danach führten sie gemeinsam Ganbu an den Zügeln durch das Dickicht. Die weißen Steine auszumachen wurde ebenfalls zunehmend schwieriger. Zeitweise war sich Gunther beinahe sicher, dass sie die Spur verloren hatten, doch dann sah er wieder ein fahles weißes Schimmern. So folgten sie dieser Spur... schweigend und immer in Angst wieder entdeckt zu werden. Die Spuren die Gunther von ihren nächtlichen Besuchern gefunden hatte, deuteten zwar darauf hin, dass diese in eine andere Richtung unterwegs waren, doch sein Instinkt sagte ihm, dass sie weiterhin höchste Vorsicht walten lassen müssten. Immerhin wussten sie nicht, ob dies die einzige Kampftruppe in dieser Gegend gewesen war.

Während sie so durch den Nebel wanderten, spürte er immer wieder Kadias suchende Hand die seine eigene berührte. Sie liefen beinahe nebeneinander und dennoch konnte er ihr Gesicht im Nebel kaum noch erkennen. Er versuchte ihr stillen Trost zu spenden.

„Au!“
Kadia war gestolpert und blieb abrupt stehen. Ganbu schnaubte laut und widerwillig, durch den plötzlichen Ruck an seiner Trense.
„Entschuldige. Ich hab mir den Fuß an etwas gestoßen... Oh!“
Gunther machte einen Schritt näher an sie heran. Er hielt sich den Zeigefinger vor die Lippen um ihr zu signalisieren, dass sie leise sein sollte. Bevor er sah, worüber sie gestolpert war, betrachtete er ihr Gelenk. Sie schien sich nichts Ernsthaftes getan zu haben. Er lächelte sie an, wuschelte ihr durchs Haar und half ihr auf. Dabei bemerkte er auch die Stolperfalle. Eine weiße, gerade handbreit hohe Stufe hob sich aus dem Boden und dahinter, gut zwei Schritt entfernt die Nächste. Abgerundete Kanten zeigten das Alter und tiefe Risse hatten das Gestein gespalten, doch sie waren noch da. Langsam, vorsichtig gingen sie auf sein Zeichen hin weiter …


...und traten plötzlich aus dem Nebel.

Gunthers Augen schmerzten, denn sie waren ungefilterte Helligkeit in diesem Maße nicht mehr gewohnt nach den ungezählten Tagen in tiefster Nebelhölle. Doch der Inquisitor akzeptierte das Brennen und Stechen mit Freuden. Lächelnd breitete er die Arme aus, schloss die Augen und hob sein Gesicht zum Himmel hinauf. Stumm formte er mit den Lippen die Sätze:
"Oh Herr, gepriesen seist du! Wir danken dir dafür, dass du uns zurück in deine Herrlichkeit geführt und uns errettet hast!"

Als er sich danach umsah, hatte er keinen Sinn für die verklärte Romantik und Idylle des Ortes. Er betrachtete die Statue der nackten Frau nur aus den Augenwinkeln, denn für ihn bedeutete dieser Anblick nichts. Was in allerdings um so mehr interessierte, war das Anwesen, dass er in einiger Entfernung ausmachen konnte.
Wo sind wir hier? Ob dieser Ort bewohnt ist? Es wirkt alles so... Unecht... wie in einem Traum. Kann das sein? Träume ich schon wieder?
Sobald er diesen Gedanken hatte, drehte der alte Ritter sich sofort nach Kadia um, nur um zu sehen, ob sie noch da war. Das Mädchen bestaunte mit offenem Mund und aufgerissenen Augen den scheinbar mystischen Garten, den sie betreten hatten. Sie führte Ganbu nun allein weiter an den Zügeln. Gunther ging einige Schritte voraus, den er war noch nicht gänzlich davon überzeugt, dass sie nun in Sicherheit waren. Er führte sie um den malerischen See herum, der scheinbar das Zentrum dieser Anlage war. Sein Ziel war das große Anwesen, das offenbar aus den selben weißen Steinen erbaut war, denen sie gefolgt waren.

Doch plötzlich blieb er abrupt stehen. Er gab Kadia das Zeichen, stehen zu bleiben, doch sie war so sehr in die Betrachtung des Gartens vertieft, dass sie es erst bemerkte, als sie beinahe mit ihm zusammenstieß. Gunthers Blick war ungläubig und auch ein wenig misstrauisch auf etwas gerichtet, dass vielleicht zwanzig... nein eher dreißig Schritt weit entfernt war: eine junge Frau!?

"Du bleibst hier bei Ganbu, verstanden? Ich werde mit ihr reden. Wir müssen weiterhin vorsichtig sein."

Sein Tonfall war augenblicklich bestimmender geworden. Seine alten Augen fixierten das Geschöpf in dem weißen Kleid, auch wenn er sie bisher nur leicht verschwommen erkennen konnte.

Er ging zielstrebig auf die junge Frau zu, allerdings darum bemüht, nicht bedrohlich zu wirken. Ob ihm das in seinem Zustand gelingen konnte, war fragwürdig. Ein alter, ausgehungerter, zerschundener und humpelnder Ritter mit verdreckter Rüstung und Umhang. Dennoch war sein Haupt nicht gesenkt. Die Sonnenstrahlen reflektierten sich auf seinem goldenen Inquisitionsabzeichen.
Als er nur noch ein Dutzend Schritte entfernt war, hob er die Hand zum Gruß.

"Seid gegrüßt, junges Fräulein."
Da fiel ihm ein, dass er nicht sicher sein konnte, ob sie der garmischen Sprache mächtig war, und setzte dann erneut in der Allgemeinsprache an:
"Seid gegrüßt. Meine Begleiterin und ich wollen euch nichts Böses! Wir suchen nur Obdach. Seid ihr die Herrin dieses Anwesens? Oder vielleicht euer Vater?"
Die Frau schien noch sehr jung, doch edel gekleidet, was beide Schlüsse in Gunthers Augen möglich machte.

Doch irgendetwas stimmte nicht. Der Blick der Frau schien ihn nicht zu fixieren. Sie schien an ihm vorbeizusehen.

"Könnt ihr mich verstehen, junge Dame? Sprecht ihr meine Sprache?"

Sie wirkte wie eine weibliche Geistergestalt in dieser unwirklichen Umgebung, doch irgendetwas schien Gunther das Gefühl zu vermitteln, dass von ihr keine Gefahr ausging. Er hoffte, das sein Auftreten sie nicht erschreckt hatte.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Donnerstag 18. September 2014, 15:45

Eine leise Männerstimme drang an Delilahs Ohr, eine fremde Stimme.
"Luci... hol bitte Verano...da ist jemand im Garten..."
Ihre Stimme war leise, aber drängend.

Dann kamen Schritte auf sie zu, fest doch... unregelmäßig... der Mann humpelte, eines der Beine schleifte etwas mehr über den Kiesweg als das andere.
Eine Lichtgestalt hob sich gegen die Dunkelheit ab. Groß... naja auf jeden Fall um einiges größer als sie und in strahlend blauer Farbe. Wieder war es ein anderes blau als das von Verano, es ähnelte eher der Farbe die auch Lucil trug, doch unterschied es sich doch... im Moment konnte Delilah es schlecht beschreiben, sie war zu überrascht über die Erscheinung.
Verano erwartete keine Gäste, oder?
Delilah war ein wenig beunruhigt, denn sie wusste nicht, wer in den Garten eingedrungen war. Doch... weglaufen oder verstecken waren ihr ja eindeutig nicht möglich... also blieb sie einfach stehen und wartete der Dinge, die da kommen sollten.

Doch als die Gestalt nur noch wenige Schritte entfernt war, verflogen mit den ersten Worten ihre Ängste.
"Seid gegrüßt, junges Fräulein."
Ihre Muttersprache! Ein Lächeln trat auf ihre Lippen. ... jedoch war es kein jorsanischer Akzent, auch wenn er ihr bekannt war. Die Aussprache war ein wenig härter als bei ihr Zuhause. Vermutlich stammte der Mann aus Pelgar, ein Junge aus ihrer Klasse hatte den selben Zungenschlag gehabt und dessen Eltern kamen aus der Hauptstadt.
"Seid gegrüßt. Meine Begleiterin und ich wollen euch nichts Böses! Wir suchen nur Obdach. Seid ihr die Herrin dieses Anwesens? Oder vielleicht euer Vater? Könnt ihr mich verstehen, junge Dame? Sprecht ihr meine Sprache?" Warum er wohl in die Allgemeinsprache gewechselt hatte? Er war sich anscheinend nicht bewusst, wo er sich befand. Ob sie sich verlaufen hatten? Luci hatte doch gesagt, dass es hier immer neblig war.
Hinter ihm, noch weiter entfernt war eine weitere Lichtgestalt, zarter gebaut, eine Frau vermutlich. Das war wohl die Begleiterin von der er sprach. Delilahs Blick richtete sich wieder auf die blaue Aura.
Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. "Oh, ich kann euch sehr gut verstehen."
Die junge Licht-Magi wandte den Kopf nach hinten, um sich nach Luci umzusehen. Hoffentlich war sie bald zurück...
"Ich bin auch nur Gast in diesem Haus, aber eine Freundin ist schon unterwegs, der Herr wird bald kommen. Ich kann euch leider schlecht hinein bitten." Ihre Stimme schmeckte bei den letzten Worten etwas nach Bitterkeit. "Ihr seid weit enfernt von Pelgar..." Der Wind drehte und ihr wehte der Geruch von Erde, Schweiß und Blut entgegen. Es roch nach feuchter Kleidung, als wären sie in einen Regenschauer geraten und die Feuchtigkeit würde sich nun in der Sonne lösen, doch Delilah schrieb das wohl eher dem Nebel zu. Sie mussten lange umhergeirrt sein. Den Reisenden fehlte ein Bad, eindeutig. "Seid ihr verletzt?", Delilah legte den Kopf schief. Der Blutgeruch machte ihr Sorgen. "Braucht ihr Hilfe?"

Das Mädchen schwieg einen Moment. "Mein Name ist übrigens Delilah. Darf ich fragen, wer ihr seid?"

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Gunther Brockhardt » Freitag 19. September 2014, 18:31

Gunther war zwar nicht gut darin, doch er schätzte die junge Frau vor ihm definitiv nicht älter ein als achtzehn Winter. Sie lächelte ihm entgegen, doch auch hierbei blickte sie ihm nicht direkt in die Augen. Sie sah kurz suchend in die Richtung, in der Kadia wartete, als ob sie nur grob erahnen könnte, wo sie stand, obwohl sie sie doch sehen müsste. Dann fiel es Gunther wie Schuppen von den Augen: Das Mädchen war blind!

"Oh, ich kann euch sehr gut verstehen."

Die junge Frau wandte den Kopf nach hinten, um sich nach irgendetwas umzusehen. War sie vielleicht doch nicht blind?

"Ich bin auch nur Gast in diesem Haus, aber eine Freundin ist schon unterwegs, der Herr wird bald kommen. Ich kann euch leider schlecht hinein bitten.

Ihr seid weit enfernt von Pelgar..."


Gunther musste leicht schmunzeln, bei dieser Aussage. Scheinbar war sein pelgarischer Akzent ausgeprägter als er immer angenommen hatte.

"Seid ihr verletzt?", fragte sie nun und legte den Kopf schief. "Braucht ihr Hilfe?"

Das Mädchen schwieg einen Moment. "Mein Name ist übrigens Delilah. Darf ich fragen, wer ihr seid?"

Der alte Inquisitor hatte sich scheinbar nicht getäuscht. Von dieser Frau würde ihm keine Gefahr drohen. Auch wenn er vermutete, dass sie es nicht sehen konnte, gebot der Anstand, sich vor einer Dame zu verbeugen, wenn man als sich als Gast vorstellte. Viele seiner Inquisitionskameraden hatten sich einst immer wieder darüber lustig gemacht, wieso ein solch ranghoher Beamter wie er, solche Gepflogenheiten aufrechterhielt, doch Gunther hatte nie vergessen, wo er herkam und was Anstand bedeutete. Soweit seine schmerzenden Gelenke es zuließen, neigte er den Kopf und Oberkörper etwas, während er sprach:

"Verzeiht, junge Dame. Mein Name ist Gunther Brockhardt, Inquisitor der heiligen pelgarischen Inquisition!"

Mit leicht schmerzverzerrten Mundwinkeln richtete er sich wieder auf und winkte Kadia zu, dass die nun sicher nachfolgen konnte. Seine Rüstung, schmierig und nass durch die tagelangen Reisen durch dichtesten Nebel, quietschte und knarrte dabei leicht.

"Nein Gnädigste, wir sind nicht ernsthaft verletzt. Aber unsere Reise war schwierig, lang und gefährlich. Wir suchen nur Obdach, und die Hilfe und Unterstützung des Herren dieses Anwesens. Ich muss dringend mit ihm sprechen!"

Gunther wollte natürlich auch die Gastfreundschaft in diesem Anwesen annehmen, doch zuallererst musste der Besitzer darüber informiert werden, dass in unmittelbarer Nähe Orks und Dunkelelfen durch den Nebel marschierten. Eine Tatsache, die er dieser jungen Frau vor ihm natürlich nicht erzählen würde, um sie nicht unnötig aufzuregen. Nun viel ihm auch auf, dass sie irgendwie Fehl am Platze wirkte, und er glaubte ihr sofort, dass sie hier ebenfalls nur Gast war.

"Aber zu einer warmen Mahlzeit und einem wohltuenden Bad würden wir sicherlich nicht nein sagen. Doch könnt ihr mir vielleicht vorerst sagen, wo genau wir hier sind? Meine Begleiterin und ich irren nun schon seit geraumer Zeit im Nebel umher, ohne zu wissen, in welche Richtung wir laufen. Sind wir hier schon in Jorsa? Immerhin sprecht ihr Garmisch..."

In seiner Stimme schwang etwas Hoffnung mit, der jorsanischen Inquisition, von der er sich Hilfe und Unterstützung versprach, vielleicht sogar schon näher zu sein, als er glaubte.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Freitag 19. September 2014, 20:36

An anderer Stelle

Auf Delilahs leises Drängen hin war Luci wiederwillig, aber doch eilig nach hinten weg aus der Pagode verschwunden, während ihre Herrin mutig nach vorne hinaus getreten war um das Gespräch aufzunehmen. Ihre Beine trugen sie schnell und zielsicher zurück zum Haus, doch waren sie schwer vor Sorge und bleiernd vor Angst. Was wenn der oder die Eindringlinge etwas böses im Sinn hatten? Sie hatten schäußlich ausgesehen! Vollkommen außer Atem raste sie fast gegen den breiten Türrahmen und fing sich noch knapp mit einem Arm ab, bevor sie ganz gestürzt wäre. Sie stieß das Hauttor auf und suchte. Neroli, die gerade mit einem Tablett die Treppe zum Westflügel hinauf gehen wollte, drehte sich um und starrte sie an.
„WO IST DER HERR?“
„Wo er immer ist. Nicht hier. Und schreie nicht so, er will nicht gestört werden!“
Schon wollte sie sich hochnäsig abwenden, als Luci nachsetzte:
„Es sind Fremde im Garten! Herrin Delilah ist alleine mit ihnen!“
Die schwarzhaarige Dienerin erstarrte einen Moment. Ein Zucken hing in ihren Mundwinkeln, dann drehte sich ihr dann wieder langsam zu ihr um.
„Na dann solltest du wohl besser bei ihr sein.“
Ein höfliches Lächeln lag auf ihren Lippen.
„Aber ...“
„Geh! Oder willst du dafür verantwortlich sein, wenn ihr etwas passiert, weil du nicht da warst um sie zu schützen?! Das würde dem Herrn sicher nicht gefallen und du willst doch nicht unehrenhaft entlassen werden?!“
Luci starrte sie fassungslos an. Kalte, berechnende Augen blickten zurück auf sie hinunter.
„Nun geh schon, du einfältiges Ding! Der Herr kommt dazu wenn es ihm beliebt.“
Lucis Mund öffnete und schloss sich wie das eines Karpfens, der an Land gespült worden war. Ihr Atem ging immernoch schnell und stoßweise.

Bei Gunther, Kadia und Delilah

"Verzeiht, junge Dame ... Nein Gnädigste ..."
Das alles waren Floskeln die Delilah durchaus von ihren Geschichten kannte. Prinzen sprachen so ihre Prinzessinnen und Ritter ihre Fräulein an. Doch noch nie war SIE derart höflich angesprochen worden. Vielleicht lag es doch an dem Kleid, oder der Umgebung, dass man sie so wahrnahm? Sie fühlte die fließenden Stoffbahnen um ihre Beine schmeicheln, wenn sie sich bewegte und das leise Rascheln ihrer Unterröcke. Sie roch die edle Seife auf ihrer Haut, die blumigen Öle und den Hauch des Puders, den Luci ihr auf ihre blassen Wangen aufgetragen hatte. Wie verkehrt die Welt doch sein konnte. Dieser Mann, der vor ihr stand, war gewiss von höherem Blute und vor allem Stand, als sie. Ein Inquisitor und doch wahr er hier der Eindringling und sie der Gast des Hauses. Was sollte sie nun also tun? Wie verhielt man sich richtig in einer solchen Situation? Sie hatte Luci los geschickt und hoffte sie würde bald zurück kommen, vorzugsweise mit Verano.

Gunther spürte wie Kadia sich in seinem Rücken leise näherte, mehr als das er sie hörte. Sein Pferd schnaubte noch einmal und nickte mehrfach mit dem Kopf, als sie zu ihnen traten. Es war zwar kein warnendes Verhalten, aber irgendetwas beunruhigte das Tier in dieser merkwürdigen Umgebung. Konnte es die junge, blinde Frau sein? Wohl kaum, sie war blind und doch … so wie sie ihn ansah, wie sie Kadia zielsicher betrachtete, vielleicht nahm sie noch mehr war, trotzt ihrer weißen, geblendeten Augen. Gunther kannte diesen Anblick nur zu gut. Jedes Mal wenn er einem Büßer das Licht Lysanthors gezeigt hatte und dieser nicht reinen Herzens gewesen war, war er hinterher blind gewesen. Andererseits hatte er schon davon gehört, dass dieses seltene Phänomen auch bei besonders starken Lichtmagiern auftrat, die ihre Kräfte nicht unter Kontrolle hatten. War dieses unschuldig wirkende Mädchen eine Büßerin oder ein Wesen der lichten Wege? Kadia zupfte sacht an seinem Umhang, damit er sie ebenfalls vorstellte.
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Freitag 19. September 2014, 23:36

Delilah kam sich schon lange wie in einem Traum vor. Seitdem Verano sie in dieses Haus gebracht hatte war alles anders.
Herrin, Fräulein, Gnädigste...
Es war alles so unwirklich. Sie war aus dem einfachen Volk... ohne Titel, ohne Namen... ganz sicher keine Edeldame. Sie hatte es schon einmal Luci gesagt. "Ich könnte an deiner Stelle stehen."

Deshalb war ihre Reaktion bei seiner höflichen Vorstellung auch vollkommen nachvollziehbar.
Sie war völlig überfordert.

"...oh, bitte..." Sie trat einen Schritt zurück. "Ihr müsst doch wirklich nicht..." Ihre Worten brachen.
Inquisitor? Delilah riss überrascht die Augen auf und fiel in einen ungeschickten Knicks.
Ihr Herz flatterte besorgt. Was tat ein pelgarischer Inquisitor hier? Verfolgte er einen Sünder? Aber dann wäre doch die jorsanische Inquisition losgeschickt worde, oder nicht? Außer ... es bestünde eine wirklich große Gefahr... Delilah fürchtete um Omniel, den geflohenen Soldaten, verfolgt von schattenhaften Dämonen und... der Inquisition. Vielleicht war er in die Nebel geflohen? Nun besorgte Delilah der Blutgeruch noch mehr als zuvor. "Es ist mir eine Ehre, Euch zu treffen, Exzellenz. ... ihr habt sicher noch mehr Begleiter?" Ein Inquisitor reiste doch nicht nur mit einer Frau an der Seite... aber wo waren seine Mitstreiter?

Sie lauschte, konnte aber immer noch keine Schritte hinter sich vernehmen. Dafür hatte ihr geschärftes Gehör deutlich den pelgarischen Akzent erkannt. Seine Stimme war kräftig, trotzdem er wohl geschwächt war. Klar und bestimmt sprach er, aber seine Stimme hatte auch etwas Warmes, Tröstendes. Delilah hatte das Gefühl, dass man sich bei ihm sicher fühlen konnte, wenn man ihn nicht gerade erzürnte. Ihre Stimme war immer noch so frisch und hell wie früher, auch wenn sie jetzt etwas zittrig und unsicher klang.
"Ja, ich spreche Garmisch. Ich komme aus Jorsa und ich habe bis vor kurzem an der Akademie des Lichts gelernt, Herr. Ihr seid kurz vor dem Ziel. Noch befindet Ihr euch im Reich der Dunsthügel... wo genau, weiß ich leider auch nicht. Aber bis zu den ersten Dörfern Jorsans ist es wohl nicht mehr allzu weit."
Sie hatte schon einiges über das unheimliche Reich im Westen gehört, von den Nebeln, die alles verbargen. Wo sonst sollten sie sich befinden?
Schon immer hatte sie sich gefragt, was wohl zwischen den Schwaden zu finden sei... nun kannte sie zumindest eines der Geheimnisse.
Aber ob sie Rugta oder Jersa näher war, oder gar schon nahe an der grandessanischen Grenze wusste sie nicht. Doch Verano war ein Ritter Jorsans, sicher würde er nicht in einem Haus nahe dem Feind leben.
"Dann können wir von Glück reden, dass ihr unbeschadet Grandessa passiert habt, Herr. Jenen Vorteil haben die Nebel... und... ihr solltet auch weiterhin vorsichtig sein. An der Grenze gab es Fälle von Morgerias Hauch..." Ihre Miene verdunkelte sich bei den Worten. Oliane... welches Schicksal hielten die Götter für das kleine Mädchen bereit? Und für Jorsan?

Immer noch war nichts von Luci zu hören oder zu sehen.
"Vielleicht sollten wir ihnen entgegen gehen... ", murmelte sie mehr zu sich.
"Vor dem Haus gibt es einen Stall und ein Bad haben wir auch." Sie lächelte in die Richtung der weiblichen Konturen.
"... ich... ich würde mich nur unwohl dabei fühlen, Euch einzuladen ohne mit dem Hausherren gesprochen zu haben..."
Delilah war etwas unbehaglich in der Situation. Sie wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte und immer wieder kam ihr Omniels Gesicht in den Sinn und sie sorgte sich erneut. Unschlüssig drehte sie sich Richtung Haus und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, die sich aus ihrer Hochsteckfrisur befreit hatte.
"Es sind nur 27 Schritte bis zur Tür... vielleicht ... vielleicht könntet ihr voraus gehen?" Erneut wandte sie den Kopf und lächelte entschuldigend.
"Der Herr ist sicher schon auf dem Weg..."

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Gunther Brockhardt » Sonntag 21. September 2014, 19:03

"...oh, bitte..." Sie trat einen Schritt zurück. "Ihr müsst doch wirklich nicht..." Ihre Worten brachen.
Delilah riss überrascht die Augen auf und fiel in einen ungeschickten Knicks. Als sie erfuhr, dass nun ein Inquisitor vor ihr stand, wurde sie zunehmend unruhig. Ein leichtes, unsicheres Zittern stellte sich in ihrer Stimme ein, doch sie versuchte es zu verstecken. Gunther blickte skeptisch auf sie herab. Er war es gewohnt, dass viele Menschen Angst vor der Inquisition hatten, doch er durfte derartiges Verhalten nicht noch schüren. Allerdings konnte er es auch nicht so einfach ignorieren.
"Es ist mir eine Ehre, Euch zu treffen, Exzellenz. ... ihr habt sicher noch mehr Begleiter?" versuchte die Junge Frau das Gespräch aufrecht zu erhalten.

Gunthers Blick wurde härter, seine Stimme etwas schwermütiger: "Nicht mehr..." war das Einzige, was er dieser noch so jungen Frau darüber zu sagen hatte. Vielleicht konnte sie sich ihren Teil dazu denken, aber sein Tonfall machte klar, dass er nicht bereit war, mit ihr über dieses Thema zu sprechen.

"Ja, ich spreche Garmisch. Ich komme aus Jorsa und ich habe bis vor kurzem an der Akademie des Lichts gelernt, Herr. Ihr seid kurz vor dem Ziel. Noch befindet Ihr euch im Reich der Dunsthügel... wo genau, weiß ich leider auch nicht. Aber bis zu den ersten Dörfern Jorsans ist es wohl nicht mehr allzu weit. Wir können wir von Glück reden, dass ihr unbeschadet Grandessa passiert habt, Herr. Jenen Vorteil haben die Nebel... und... ihr solltet auch weiterhin vorsichtig sein. An der Grenze gab es Fälle von Morgerias Hauch..."

"Verstehe... Ihr seid also...."
fing er den Satz an. Er brach jedoch ab, als er bemerkte, dass Kadia nun zu ihnen aufschloss. Ganbu schnaubte und nickte mehrfach mit dem Kopf, als sie zu ihnen traten. Es war zwar kein warnendes Verhalten, aber irgendetwas beunruhigte das Tier in dieser merkwürdigen Umgebung. Konnte es die junge, blinde Frau sein?
Warum bist du so unruhig? Was hast du? dachte Gunther mit einem Anflug von Misstrauen, der sich wahrscheinlich auch in seinem Gesicht ablesen lies. Er legte dem Streitross beruhigend die Hand auf die Blesse. "Schhh, ruhig..." murmelte er ihm zu. Er hatte schon lang genug mit Pferden zu tun, um zu wissen, dass er solches Verhalten auch als Warnung interpretieren konnte.
Er vermutete nicht, dass Delilah der Grund war. Für den kurzen Moment, als er die milchigen Augen des Mädchens erkannt hatte, hatte er sie für eine ehemalige Büßerin gehalten, doch als sie erklärte, sie sei eine Lichtmagi, die an der Akademie studiert hatte, revidierte er diese Meinung.

Kadia zupfte sacht an seinem Umhang, damit er sie ebenfalls vorstellte, und er schenkte seinem Schützling ein aufmunterndes Lächeln, bevor er die beiden jungen Frauen einander bekannt machte.

"Kadia, dies ist das Fräulein Delilah, eine Studentin an der Akademie des Lichts und, genau wie wir, Gast in diesem Haus. Fräulein Delilah, dies hier ist meine Begleiterin Kadia."

Die knappe Vorstellung warf zwar mehr Fragen auf, als sie beantwortete, doch der alte Inquisitor war lieber vorsichtig, was das Ausplaudern von Informationen anging. Die meisten Menschen nahmen die Taten der Inquisition als gegeben hin, und hüteten sich davor, zuviel nachzufragen. Gunther hoffte, dass es hier genauso war. Nicht das er einen Grund gehabt hätte, Delilah zu misstrauen, doch er war nach allem was ihm widerfahren war, lieber etwas zu misstrauisch als zu vertrauensvoll.

Nachdem sich die jungen Frauen miteinander bekannt gemacht hatten, murmelte Delilah:
"Vielleicht sollten wir ihnen entgegen gehen.... Vor dem Haus gibt es einen Stall und ein Bad haben wir auch... ich... ich würde mich nur unwohl dabei fühlen, Euch einzuladen ohne mit dem Hausherren gesprochen zu haben...
Es sind nur 27 Schritte bis zur Tür... vielleicht ... vielleicht könntet ihr voraus gehen?"

Erneut wandte sie den Kopf und lächelte entschuldigend.
"Der Herr ist sicher schon auf dem Weg..."

Gunther blickte suchend zu dem Anwesen, dass sie in dieser feindlichen Umgebung gefunden hatten. Konnten sie hier wirklich Hilfe erwarten? Er musste es zumindest versuchen.

"Keine Sorge, junge Dame. Er wird euch sicherlich nicht dafür verantwortlich machen. Erschreckt bitte nicht... ich werde eure Hand führen."

Gunther nahm Delilahs Hand behutsam zwischen die seinen und legte sie auf seinen gepanzerten Unterarm. Mit der anderen Hand führte er Ganbu an den Zügeln, genau wie Kadia es auf der anderen Seite tat.
So folgten sie dem Weg weiter in Richtung des großen Hauses.

Ob sie ein vertrauenserweckendes Bild abgaben, wagte der alte Ritter zu bezweifeln. Sein ehemals weißer Waffenrock war mittlerweile schlammig und durchnässt, das Sonnensymbol darauf nur noch zu erahnen. Auch der Rest seines Äußeren war verdreckt, zerschrammt und klebte klamm an ihm. Seine Rüstung knarrte und gab ein leichtes Quietschen von sich. Kadia sah nicht sonderlich besser aus. Ihr Kleid und ihre Schürze waren mit Blut und Schlamm bespritzt, und beide wirkten abgemagert und übermüdet. Von Delilah einmal abgesehen, war Ganbu wohl noch in bester Verfassung.

"Wo genau müssen wir hin, Fräulein Delilah? Sollen wir um das Anwesen herumlaufen? Oder wollt ihr hineingehen, und den Hausherren selbst holen?"

Sein Humpeln war schlimmer geworden, während sie den Kiesweg entlangliefen. Er fühlte sich im Moment eher schwach und verletzlich, als in der Lage als Inquisitor Obdach und Unterstützung von einem jorsanischen Adligen einzufordern. Doch er musste alles tun, um die hiesige Inquisition zu erreichen. Dazu kam natürlich auch, dass er sich selbst geschworen hatte, Kadia zu beschützen, und das bedeutete auch, dass er dafür sorgen musste, das es ihr gut ging. Was sollte eigentlich passieren, wenn der Herr des Anwesens ihnen die Hilfe, die sie so dringend brauchten, verweigern sollte? Gunther wollte über diese Möglichkeit am liebsten noch gar nicht nachdenken. Er konnte die Hilfe für die Inquisition zwar offiziell einfordern, aber wenn der Adlige über Wachen oder Söldner verfügte, dann wäre es Gunther nicht möglich, die eingeforderte Hilfe mit Gewalt zu erzwingen. Was dann? Der alte Mann lächelte Kadia erschöpft an und murmelte ihr zu: "Alles wird gut, Kadia. Sie werden uns bestimmt helfen. Wir haben das Schlimmste überstanden."
Sprach er nur ihr oder auch sich selbst Mut zu? So ganz genau hätte er das nicht beantworten können, doch der alte Mann blickte mit erhobenem Haupt dem großen, weißen Haus entgegen, während er die beiden Mädchen und sein Pferd zielsicher darauf zu führte.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Freitag 26. September 2014, 07:56

Unter Gunthers geübten Hand beruhigte sich sein Pferd sofort. Auch sein Schützling wich nicht von seiner Seite, während sie mit der blinden Frau sprachen.
"Alles wird gut, Kadia. Sie werden uns bestimmt helfen. Wir haben das Schlimmste überstanden."
Der alte Mann blickte mit erhobenem Haupt dem großen, weißen Haus entgegen, während er die beiden Mädchen und sein Pferd zielsicher darauf zu führte. Bei Schritt 19 teilte sich langsam das Parkgelände und ließ seinen Blick über ein altes Anwesen streifen. Das teilweise zweistöckige Gebäude war komplett aus weißem Stein errichtet worden, aber der Zahn der Zeit hatte seinen Biss in das Mauerwerk gerammt. Am äußersten Ende zogen sich einige Risse durch den Stein. Jener Seitenflügel war vom Pflanzenwachstum fast vollkommen überwuchert worden und wies einige, kleinere Schäden auf, was den Eindruck eines Märchenschlosses nur noch unterstrich. Hier und da fehlte ein Fensterladen, aber im ganzen betrachtet schien das Haus bisher allem Stand gehalten zu haben. An manchen Fenstern war der wilde Efeu so dicht, dass man sie vermutlich nicht einmal mehr öffnen konnte. Scheinbar waren die Augen dieses Hauses einseitig blind, doch gerade als der alte Inquisitor sie so betrachtete, glaubte er kurz eine Bewegung hinter einem Vorhang auszumachen. Als sie näher kamen wiederholte es sich jedoch nicht und doch hatte er das Gefühl beobachtet zu werden.
Bei Schritt acht verließen sie den Kiesweg, der im halbrund, an einer erhöhten Terrasse mit kleiner Säulenumrandung, zum Haupteingang führte und traten auf festen Pflasterstein. Die Sicht auf den Vorplatz des Anwesens wurde frei und zeigte ein weiteres kleineres fast überwuchertes Gebäude. Der Stall hatte einen großen offenen Durchgang, in dem man den Zugang zu sechs Boxen sehen konnte. Aus einer der Boxen schaute neugierig ein weißer Kopf heraus und wieherte zur Begrüßung neugierig. Das Pferd war von ausgesprochen großer Statur und auf den ersten Blick hin gut gepflegt. Im hinteren Teil stand eine schwarze Kutsche, halb abgedeckt von einer Plane. Der gegenüberliegende Teil des Stalls beinhaltete anscheinend ein paar Räume für Dienstboten, jedoch war niemand zu sehen. Kein Stallmeister empfing sie, kein Junge der ihnen das Pferd abnahm. Kadia war Gunthers Blick gefolgt und schaltete sofort.
„Soll ich mich um Ganbu kümmern? Dann könnt ihr schon vor gehen.“
Schon löste sich die Trense aus Gunthers Hand und sie führte das Streitross zielstrebig auf den Stall zu. Anscheinend war der Stall eigene Herr zwar Gäste nicht ganz ungewohnt, jedoch ebenfalls ein Hengst und es wurde etwas lauter. Schnauben und Wiehern hallten zu ihnen hinüber. Kadia führte an dem sich gebärdenden Pferd vorbei, nach hinten in eine am weitesten entfernte Box. Der große Weiße schlug ein paar mal mit dem Huf gegen seine Tür, aber danach beruhigte sich die Situation schnell. Er war ein herrliches Tier und sein Fell glänzte silbern.
Delilah sah von alle dem nichts, doch glaubte sie aus der Richtung aus der die Geräusche kamen hin und wieder ein silbernes Funkeln zu sehen. Ansonsten war dort nur die gewohnte Dunkelheit und nur Kadias Aura verschwand hinter einer Mauer.
Gunthers Blick wanderte inzwischen weiter den Weg entlang zum Portal des Anwesens. Ein paar Stufen führten zum Haupteingang hinauf, dessen Tür halb offen stand. Auch hier war nirgends eine Wache zu sehen. Sein logischer Verstand beriet ihn dahingehend, dass es wohl an der mehr oder weniger „natürlichen Verteidigung“ des Anwesens liegen könnte, dass es keiner Wachen bedurfte. Welches vernünftige Wesen wagte sich vollkommen blind in immer dichter werdenden Nebel, wenn es in anderer Richtung heller und freundlicher wurde?! Auch er hätte niemals den Weg hier her gefunden, hätte er nicht …
Als sein Auge gerade nachsinnend über die filigranen Stuckarbeiten wanderte, trat eine junge Frau in der züchtigen Kleidung einer Zofe aus der Eingangstür und näherte sich eilig. Sie war gerade mal knapp 1,60m, aber hatte kräftige Schultern und ein rundes Gesicht. Ihr Haar war von dunklem Aschblond und ihre Haut fast von blasserer gleicher Farbe. Dem Aussehen nach erkannte der weit herum gekommene Mann ein Mädchen aus Dessaria. Sie war keine Schönheit, doch ihr etwas unsicheres Lächeln war bestechend offen und ehrlich. Als sie näher gekommen war, machte sie einen unbeholfenen Knicks und sagte:
„Luci. Ich meine, mein Name ist Luci. Ich … ähm … der Herr ist im Moment … nicht zu finden … äh … sprechen und Neroli ist nicht sehr mitteilsam.“
Der letzte Teil des Gesprochenen, war wohl mehr versehentlich heraus geplatzt, denn sie schlug ihre Hand vor den Mund und ihr Blick suchte bei Delilah um Hilfe, jedoch sah diese dies nicht. Sie trat an ihre Seite und drückt kurz die Hand.
„Ist alles in Ordnung?!? Ich glaub, die sind nicht gefährlich, oder?!“
, flüsterte sie Delilah ins Ohr und stellte sich dann wieder gerade hin.
„Ich weiß nicht, ob wir sie hereinbitten dürfen. Aber ich denke, es ist hoffentlich in Ordnung, wenn ich mit dem Pferd helfe und ihnen erst mal etwas Wasser anbiete?“
Sie wies mit der Hand zum Stall und lief ohne eine Antwort abzuwarten los. Am Eingang wären Kadia und sie beinahe kollidiert und Gunther sah sich plötzlich in Anwesenheit dreier, junger, unsicherer Damen. Luci stellte sich auch Kadia noch einmal unsicher vor und öffnete dann eine Seitentür im Stall. Dahinter, sofern man ihr gefolgt war, kam ein kleiner einfacher Raum zum Vorschein. An beiden Seiten gab es Pritschen-betten und Säcke für eine Strohfüllung. Am Ende des Raums war ein kleiner Ofen und trockenes Holz zum heizen. In der Mitte war ein schmaler, langer Tisch, an dem acht einfache Stühle standen. Alles wirkte verstaubt und unbenutzt. Luci zeigte auf ein Regal mit Schüsseln und Krügen.
„Ich könnte Feuer machen und Wasser holen, damit sie sich frisch machen können?“
Kadia fiel ein:
„Das könnte auch ich machen, wenn du mir sagst, wo der Brunnen ist.“
Man fühlte, dass die beiden sich sofort als Bedienstete erkannten und mochten, so wie sie umeinander her wuselten. Luci war sichtlich froh einer Verbündete im Geiste gefunden zu haben und strahlte sie an.
„Der ist hinten raus, Siehst ihn gleich. Dann kann ich inzwischen aus der Küche ein paar Teeblätter stibitzen. Dagegen wird der Herr sicher nichts haben. Vielleicht bring ich auch was zu Essen mit.“
Sie machte vor Gunther, den sie als einzigen Bewaffneten erkannt hatte noch einmal einen unsicheren Kicks und huschte davon. Kadia tat es ihr gleich und schnappte sich einen hölzernen Eimer, der im Durchgang des Stall stand und machte sich auf den Brunnen zu suchen. Alles in allem hatte nur wenige Minuten gedauert und plötzlich war der alternde Templer mit der jungen Lichtmagi wieder alleine, was Zeit zum Unterhalten bot. Ein paar Minuten später würde Kadia mit dem Eimer Wasser und noch ein wenig später Luci mit einem Kopb zurück kehren.
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Gunther Brockhardt » Montag 29. September 2014, 22:21

Gunthers Blick wurde mit jedem Schritt misstrauischer. Als sie die Ställe erreichten, konnte er nirgends einen Stallburschen oder sonst jemanden entdecken.
Ein so großes und stolzes Anwesen, mitten im Nebel... Niemand empfängt uns, und es scheint auch sonst nicht viele Personen zu geben, die hier Leben oder arbeiten. Vermutlich liegt es an der absoluten Abgelegenheit des Ortes... aber wenn nicht?
Gunther beließ es bei skeptischen Gedankengängen, ermahnte sich allerdings weiterhin zur Wachsamkeit. Kadia kümmerte sich bereitwillig um Ganbu. Ein weiterer prächtiger Schimmel, wahrscheinlich das Reitpferd des Hausherren, war in einer der Boxen untergebracht. Im Vorbeigehen betrachtete der alte Ritter das prächtige Tier. Wahrscheinlich war es schneller und vermutlich auch sehr viel teurer als ein einfaches Schlachtross wie Ganbu, doch er würde seinen gut trainierten und treuen Hengst niemals eintauschen wollen. Sie folgten dem Weg weiter zur großen Eingangspforte des Hauses.
Die Tür steht halb offen... Das war wahrscheinlich die Dienerin, von der Delilah gesprochen hat. Aber ich sehe nirgends Wachen... Das ist kein gutes Zeichen, wenn man bedenkt, wie gefährlich nahe diese Truppe ketzerischer Söldner gewesen ist.
Aus der Tür trat eine weitere junge Frau in den Gewändern einer Zofe. Sie vollführte einen ungelenken Knicks vor dem alten Ritter und stellte sich in der Allgemeinsprache vor.

„Luci. Ich meine, mein Name ist Luci. Ich … ähm … der Herr ist im Moment … nicht zu finden … äh … sprechen und Neroli ist nicht sehr mitteilsam.“

Er nickte ihr kurz grüßend zu, doch bevor er dazu kam, sich vorzustellen, flüsterte sie der Fräulein Delilah etwas ins Ohr, dass die betagten Ohren des Inquisitors nicht verstanden. Das ganze Verhalten der Hausbewohner kam Gunther immer suspekter vor. Das vermutlich aus Dessaria stammende Mädchen begann damit Kadia zu helfen. Sie kümmerten sich um Wasser und Feuer, scheinbar sollten die Gäste vorerst außerhalb des Hauses bewirtet werden.
Als sich Gunther plötzlich allein vor dem Eingang mit der blinden Frau fand, seufzte er leicht. Er betrachtete noch einmal alle Fenster eingehend. Hatte er nicht vorhin hinter einem davon eine Bewegung ausmachen können? Oder war das nur Einbildung gewesen? Humpelnd ging er zwei Schritte zurück und spähte noch einmal durch den Garten, bis hin zur Grenze, an der sich der Nebel schon wieder langsam verdichtete. Hoffentlich waren ihnen diese Anbeter der Finsternis nicht gefolgt, denn hier waren sie militärisch betrachtet sicherlich noch nicht in Sicherheit. Als er nichts erkennen konnte, das eine Bedrohung darstellte, drehte er sich wieder zu der jungen Blinden um.

"Fräulein Delilah? Darf ich fragen, wer der Herr dieses Hauses ist? Es ist wichtig, dass ich umgehend mit ihm sprechen kann, versteht ihr? Ich weiß natürlich eure Mühen, meine Begleiterin und mich zu versorgen, zu schätzen, doch es gibt Dinge, die keinen weiteren Aufschub dulden. Wenn ihr also etwas tun könntet, um euren Gastgeber dazu zu bewegen, uns zu empfangen, und alles weitere danach zu klären, wäre ich euch sehr verbunden."

Er hatte einige Momente überlegen müssen, wie er seine Bitte formulieren sollte, ohne die Frau zu beunruhigen. Allerdings machte sein Tonfall auch unmissverständlich klar, dass ein Teil seiner Aussage vielleicht nicht nur eine Bitte war. Als Inquisitor war er es gewohnt, bestimmte Dinge auch schlicht und ergreifend auf strenge Art einzufordern. Er hielt sich zurück, da Kadia und er auf ihre Hilfe wahrlich angewiesen waren, doch Delilah konnte sicherlich auch heraushören, dass er bereit war, sich im Ernstfall auch ohne Erlaubnis Zutritt zum Anwesen zu verschaffen.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Dienstag 7. Oktober 2014, 15:21

Luci und Kadia schienen in ihrem Element und eigentlich juckte es auch Delilah in den Fingern irgendeine praktische Arbeit zu übernehmen... aber ihr war eine neue Rolle zugeteilt worden. Es fiel ihr noch immer schwer sich an die fremde Haut zu gewöhnen.
Unglaublich wie schnell ihr eigener Körper ihr hingegen wieder vertraut geworden war. Nur diese Orientierungslosigkeit in all der Schwärze war nach wie vor... bedrückend. Nun da sie in die Stelle gegangen waren, einen Ort den Delilah vorher noch nie betreten hatte, fühlte sie sich noch unsicherer. Vom Garten hätte sie sicher zurück ins Haus gefunden, aber so... war sie an die Tischkante gefesselt, an der sie sich festhielt. Der Raum roch stark nach Staub und trockenem Holz, nach altem Stroh. Delilah hatte das Gefühl zu spüren, wie jeder ihrer Schritte Staub nach allen Seiten aufstoben ließ. Sie sah förmlich vor sich wie er leuchtend in der Sonne tanzte. Sie hatte den Anblick immer geliebt, auch wenn sie dem Staubwischen sonst keinen positiven Aspekt hatte entlocken können.

Schließlich war sie allein mit der Lichtgestalt des Inquisitors. Sie hatte das Gefühl den Grauen ein wenig in ihm zu erkennen, ihren Be- und Unterstützer bei den Templern. Er hatte damals gesagt... dass sie das Mädchen vielleicht aufgeben werden müsste, Olia. Stattdessen hatte sie sich aufgegeben... was er wohl von der ganzen hielt? Delilah wurde erst wieder von Gunthers Stimme aus den Gedanken gerissen.

"Fräulein Delilah? Darf ich fragen, wer der Herr dieses Hauses ist? Es ist wichtig, dass ich umgehend mit ihm sprechen kann, versteht ihr? Ich weiß natürlich eure Mühen, meine Begleiterin und mich zu versorgen, zu schätzen, doch es gibt Dinge, die keinen weiteren Aufschub dulden. Wenn ihr also etwas tun könntet, um euren Gastgeber dazu zu bewegen, uns zu empfangen, und alles weitere danach zu klären, wäre ich euch sehr verbunden."


Delilah blinzelte. Seine Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass es ihm mit der ganzen Sache ernst war. Was wohl mit seinen Begleitern geschehen war? Was lauerte jenseits der Nebel? Der Magi lief ein Schauer über den Rücken... was, wenn die beiden Gäste den Hauch in dieses Idyll getragen hatten? ... aber das hätte sie doch gemerkt, oder? Oder wenigstens gerochen...
"Naja..." Das Mädchen lauschte auf Lucis Schritte, doch sie war nicht da. "Das Haus gehört Graf von Weißenfels."
"Wenn Luci nicht zu ihm konnte, dann ist er sicher in seinen Privatgemächern. Dazu haben weder Luci noch ich Zutritt und seine Dienerin ist... eigenwillig." Vermutlich hat sie ihm nicht einmal gesagt, dass ihr hier seid. setze sie in Gedanken dazu.
Aber wie sollte sie das sagen? Sie würde sich vielleicht noch trauen, laut an die Türen seiner Gemächer zu klopfen, aber Luci... und sie selbst fand den Weg nicht. Delilah war entnervt von dem merkwürdigen Spiel der Dienerin. Was sollte diese... Eifersüchtelei?! Also sprach sie ganz offen:
"Wahrscheinlich bekommt ihr ihn schneller zur Gesicht, wenn ihr euch in die Eingangshalle stellt und nach ihm ruft als darauf zu vertrauen, dass die Nachricht von euer Ankunft überbracht wird."
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schloss kurz die Augen ehe sie einmal tief durchatmete.
"Entschuldigt, Herr..."
Es war töricht von ihr gewesen, so zu sprechen...

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Freitag 10. Oktober 2014, 17:57

Hinterm Stallhaus rumpelte es ein paar mal leise, einmal lachte jemand leise, aber sonst war wenig von den beiden anderen Mädchen zu hören. Delilah fühlte sich alles andere als wohl in der veränderten Situation. Sie war nie die Herrin eines Hauses gewesen, war immer beschützt und bewacht von ihrer Moma aufgewachsen und plötzlich allein – allein mit einem Inquisitor. Der alte Templer und das blinde Mädchen unterhielten sich und Gunther drängte es zur Eile. Er trug sein Anliegen vor und bemerkte vielleicht, dass sich die "scheinbar" adelige, junge Frau nicht ganz wohl in ihrer Haut fühlte. Prompt vergriff sie sich im Ton und entschuldigte sich auch gleich. Etwas an ihrer Rolle hier stimmte wohl ebenfalls nicht. Sie war zwar gekleidet wie eine Adelige, jedoch ließ ihr Verhalten wenig darauf schließen. Ihre Meinung über die unbekannte zweite Bedienstete, war offensichtlich nicht gut, aber was interessierte sie sich dafür, was Angestellte dachten? Das alles musste für einen "Eindringling" wie ihn äußerst suspekt und verwirrend wirken. Ihr Vorschlag, sich in die Eingangshalle zu stellen und einfach zu rufen, war entwaffnend einfach, jedoch frei von jeglicher Etikette. Eine Adelige hätte solch einen Vorschlag als "ungezogen" bewertet und pikiert die Augen verdreht. Und wie ein "Graf von Weißenfels" auf solch ein Verhalten reagieren würde, blieb wohl noch abzuwarten.
Gunther hatte den Eingang des Anwesens im Auge behalten und hatte beobachten können, wie die Dienerin, die sich als Luci vorgestellt hatte, hinein und nach einiger Zeit nun wieder hinaus kam. Sonst war es ruhig geblieben. Sie trug einen Korb in der einen, und einen Krug in der anderen Hand. Vorsichtig lud sie beides auf dem Tisch ab. Aus dem Korb zauberte sie einen halben, hellen Brotlaib, ein faustgroßes Stück orangefarbenen Hartkäse und ein Stück Seife, das nach Fliederblüten duftete. In dem Krug schaukelte eine dunkle Flüssigkeit.
„Ich hab noch Traubensaft von gestern Abend gefunden. Den kann man auch gut mit Wasser strecken, wenn er euch zu süß ist.“
Sie wandte sich zu Gunther.
„Wenn sie lieber Tee möchten, geh ich noch mal.“
Abwartend stand sie da und musterte ihn unsicher. Kadia betrat im selben Moment den Raum und trug einen großen Eimer Wasser herein. Sie strahlte als sie das Essen auf dem Tisch sah und machte sich daran das Feuer in dem kleinen Ofen anzufachen. Bald würde eine wohlige Wärme den Raum erfüllen und warmes Wasser zum waschen bereit stehen, doch konnte Gunther so lange warten? Was war wichtiger? Ein guter erster Eindruck beim Hausherren zu hinterlassen, oder drängte es ihn so schnell wie möglich sein Anliegen vorzutragen? Wenn er die Mädchen bei ihren Tätigkeiten so beobachtete, konnte er schnell den Eindruck eines harmonischen Miteinanders gewinnen. Alles an dieser Umgebung lud zum Verweilen ein, weckte eine sinnliche Gelassenheit in den jungen Gesichtern, brachte sie zum Lachen und auch Kadia lächelte seit langem wieder freier. Allein ihr zuzuschauen, wie sie die ersten Holzspähne vorsichtig an blies und dann mit rot leuchtenden Wangen zu ihm auf sah, konnte einem warm ums Herz werden lassen. Es war ein stiller Blick, ein unausgesprochenes Wort, dass *Hoffnung* hieß. Glaubte er ihren Augen, so waren sie in Sicherheit.
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Gunther Brockhardt » Samstag 11. Oktober 2014, 22:06

"Das Haus gehört Graf von Weißenfels. Wenn Luci nicht zu ihm konnte, dann ist er sicher in seinen Privatgemächern. Dazu haben weder Luci noch ich Zutritt und seine Dienerin ist... eigenwillig." antwortete ihm Delilah. Sie schien keinen Hehl daraus zu machen, dass ihr besagte Dienerin suspekt war, doch Gunther schlussfolgerte aus ihrer Ausdrucksweise, dass sie nicht schlecht über sie reden mochte, vielleicht aus Höflichkeit, vielleicht aus anderen Beweggründen. Der Name, den sie ihm nannte, kam ihm nicht bekannt vor. Vielleicht hatte er ihn schon einmal gehört, doch wenn dem so sein sollte, hatte sein alterndes Gedächtnis ihn wieder gelöscht. So oder so, er würde mit diesem Grafen von Weißenfels sprechen müssen.
"Wahrscheinlich bekommt ihr ihn schneller zu Gesicht, wenn ihr euch in die Eingangshalle stellt und nach ihm ruft als darauf zu vertrauen, dass die Nachricht von euer Ankunft überbracht wird."
Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schloss kurz die Augen ehe sie einmal tief durchatmete.
"Entschuldigt, Herr..."
Gunther zwang sich ein entschuldigendes Lächeln auf die Lippen und schüttelte nur leicht den Kopf, während er über diese Situation nachdachte.
Sie scheint wirklich kein normaler Bewohner des Anwesens zu sein. Und dieses Vorgehen zeigt auch, dass sie entweder nicht aus adligen Verhältnissen kommt, oder aber nicht viel von adliger Etikette hält. Allerdings scheint sie in vielerlei Hinsicht genauso wenig über die Situation und das Anwesen selbst zu wissen wie ich. Was soll das ganze hier? Wieso befindet sich ein blindes Mädchen mitten im Nirgendwo als Gast eines zurückgezogen lebenden Adligen, und weiß nicht einmal, wo er zu finden ist? Merkwürdig... sehr merkwürdig... Nein, nicht nur merkwürdig... verdächtig!

Gunther behielt diese Gedankengänge allerdings tunlichst für sich. Er hatte schon mehrfach erlebt, welche Panik es auslösen konnte, wenn ein Inquisitor etwas als verdächtig betitelte. Die Konsequenzen konnten verheerend sein, aber da er die beiden jungen Mädchen alles andere als beunruhigen wollte, schwieg er vorerst.

Nach einigen Augenblicken, in denen Gunther sowohl den Eingang zum Haus, als auch dessen Fenster, weiter im Blick gehalten hatte, erschien die kleine Dienerin, die sich ihnen als Luci vorgestellt hatte, wieder und brachte ihnen Brot, Käse, Traubensaft und sogar etwas Seife zum Waschen. Bei diesem Anblick lief dem ausgezehrten Inquisitor zwar das Wasser im Mund zusammen, doch er hielt es nicht für angebracht, jetzt einfach zu essen, bevor er nicht endlich mit dem Hausherren gesprochen hatte. Er bedankte sich bei der Dienerin, schenkte ihr ein warmes Lächeln und wartete weiter ab. Immer wieder huschten seine alten, grauen Augen über die Fenster, immer wieder suchte er nach einer Bewegung oder einem Zeichen, dass vielleicht doch noch jemand zu ihnen käme und sie Willkommen hieß... und dann zum Herrn des Anwesens brachte... doch vergebens.

Inzwischen war auch Kadia wieder zurück, brachte des Herdfeuer zum brennen und erfreute sich an den ihnen dargebotenen Speisen. Die drei jungen Frauen schienen sich gut zu verstehen, und wenn Gunther darüber nachdachte, so war es wohl das erste Mal, seit er sie kennengelernt hatte, dass er Kadia ungezwungen lächelnd und fröhlich erlebte. Die Harmonie, die zwischen den dreien herrschte, brachte selbst die steinerne Miene des Inquisitors zum bröckeln, und er erfreute sich an der entspannten und hoffnungsvollen Situation. Für einen kurzen Moment fühlte es sich so an, als ob die Last, die Gefahr und die Strapazen der vergangenen Wochen von ihm abfielen, und er die Sicherheit und Geborgenheit dieses Stallzimmers genoss. Doch der wachsame Soldat in ihm trieb ihn dazu, sich nicht einfach an dem Essen zu laben, sich zu waschen und geduldig zu warten. Der Feind war nicht weit entfernt, und wenn wirklich ein Söldner des dunklen Volkes diesen Ort entdecken sollte, würde jegliche Harmonie zerrissen und jede Hoffnung sterben.

Gunther nahm Kadia einige Schritte beiseite, sodass die anderen Mädchen seine Worte nicht hören konnten... so hoffte er zumindest, während er ihr zuflüsterte:

"Kadia. Ich möchte, dass du hierbleibst, und die Augen offen hältst. Iss ausreichend und genieß die Wärme, doch versprich mir, vorerst nichts von unseren Erlebnissen im Nebel zu erwähnen, verstanden? Sie sollen nicht beunruhigt werden, bevor ich nicht darüber mit dem Grafen gesprochen habe. Wenn sie dich fragen, dann lüg nicht. Sag einfach, ich hätte dir verboten, darüber zu reden, in Ordnung?" Er legte seine Handfläche auf ihren Kopf und lächelte sie an.
"Alles wird gut. Du warst unglaublich tapfer. Wir sind hier vorerst in Sicherheit.... vermute ich...."

Nachdem er ihr Mut zugesprochen hatte, drehte er sich zu Luci um.

"Fräulein Luci? Ich möchte euch bitten, mich ins Anwesen zu führen. Wenn ihr mich schon nicht zum Grafen direkt bringen könnt, möchte ich zumindest mit dessen Dienerin sprechen. Vielleicht kann sie ihn ja informieren. Ich weiß, dass dies wahrscheinlich unschicklich ist, doch unsere Situation ist leider etwas drängend, ich hoffe ihr könnt das verstehen. Kadia wird hier bei Fräulein Delilah bleiben, ihr braucht also keine Sorge haben."

Nun wandte er sich an Delilah direkt.

"Ich hoffe ihr verzeiht mir, dass ich euch eure Dienerin kurz entwende. Kadia wird bei euch bleiben. Und sobald ich mit jemandem gesprochen habe, der mich zum Grafen bringen kann, wird Luci auch wieder zu euch kommen."

Er stand nun bereits an der Tür zum Stall und seine Körpersprache schien darauf zu drängen, dass er ins Haus gebracht wurde. Essen und sich waschen wollte sich Gunther zwar auch, und das mehr als nur gern, doch sein unbeugsames Pflichtbewusstsein trieb ihn dazu, erst dafür zu sorgen, dass alle Gefahren betrachtet und eingeschätzt wurden, um ihnen dann entgegenzutreten.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Sonntag 12. Oktober 2014, 12:06

"Kadia. Ich möchte, dass du hierbleibst, und die Augen offen hältst. Iss ausreichend und genieß die Wärme, doch versprich mir, vorerst nichts von unseren Erlebnissen im Nebel zu erwähnen, verstanden? Sie sollen nicht beunruhigt werden, bevor ich nicht darüber mit dem Grafen gesprochen habe. Wenn sie dich fragen, dann lüg nicht. Sag einfach, ich hätte dir verboten, darüber zu reden, in Ordnung? Alles wird gut. Du warst unglaublich tapfer. Wir sind hier vorerst in Sicherheit.... vermute ich...."

Es war schon erstaunlich, was die Blindheit mit ihren Sinnen anstellte. Sie hatte in dieser Zeit schon mehr als einmal Dinge gehört, die man eigentlich vor ihr verbergen wollte. Delilah war berührt von der Sorge und Umsicht mit der der Inquisitor zu dem Mädchen sprach. Es sagte viel über seine gute Seele aus und spätestens zu diesem Zeitpunkt, fasste sie Vertrauen zu ihm.
Trotzdem fragte sie sich, was da draußen im Nebel wohl geschehen war... und wo seine Begleiter geblieben waren. Schwarze Angst spreizte ihre Flügel in Delilahs Brust. Es war doch zumeist das Unbekannte, dass die größte Angst sähte.
Doch sie blieb still. Man hatte nicht gewollt, dass sie es hörte... und zu fragen würde an dieser Stelle sicher nichts bringen...

"Ich hoffe ihr verzeiht mir, dass ich euch eure Dienerin kurz entwende. Kadia wird bei euch bleiben. Und sobald ich mit jemandem gesprochen habe, der mich zum Grafen bringen kann, wird Luci auch wieder zu euch kommen."


Delilah nickte nur und lächelte dann noch einmal Lucis Schatten an. Ob sich Veranos Dienerin einem Inquisitor widersetzten würde?
"Bis gleich, Luci."

Dann war sie mit dem Mädchen Kadia allein.
"Iss erstmal ordentlich, ja?" Delilah lächelte aufmunternd. "Wie lange wart ihr schon unterwegs?"

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Dienstag 14. Oktober 2014, 08:44

Die blinde Frau nickte und lächelte dann noch einmal Luci an, als ob sie sie sehen konnte und Luci war vor allem anderen und als erstes, Delilahs Dienerin. Das kleine:
"Bis gleich, Luci."
, entließ sie aus ihrer Pflicht. Sie nickte brav und schloss sich Gunther an, der sofort zielsicher auf den Haupteingang zusteuerte. Sie beeilte sich vor ihm einzutreten, selbst wenn sie dabei laufen musste, um ihm die Tür aufzuhalten.


Im Stallhaus

Delilah war mit Kadia allein.
"Iss erst mal ordentlich, ja?"
Sie lächelte aufmunternd.
"Wie lange wart ihr schon unterwegs?"
Die Aura der jungen Frau verharrte kurz und setzte sich dann an den Tisch. Durch die schemenhaften Armbewegungen konnte Delilah gut erahnten, wie sie nach dem duftenden frischen Brot griff und sich ein großes Stück ab riss.
„Ich weiß es ehrlich gesagt nicht so genau. Ich habe irgendwann mein Zeitgefühl verloren, aber es war … zu lange!“
Damit stopfte sie sich einen großen Bissen in dem Mund. Sie verschluckte sich prompt und hustete heftig. Nachdem sie sich wieder gefangen hatte, nahm sie einen Schluck von dem Traubensaft und stöhnte leise vor Entzücken.
„Ist der gut!“
Sie stockte und ihr Kopf wandte sich zu Delilah.
„Entschuldigt. Ich habe einfach sehr lange nichts anständiges zu Essen bekommen. Ich ...“
Anscheinend wusste sie nicht so recht was sie nun erzählen durfte und was nicht und so entstand eine kleine, etwas peinliche Stille.
„Könnt ihr mir etwas über diesen Ort hier verraten? Nur wenn ich das fragen darf natürlich. Was macht ihr hier und wo sind die ganzen Bediensteten? Ich dachte immer so ein Anwesen bräuchte viele Wächter, Stallburschen, Diener, Zofen und … wohnt ihr vielleicht alleine hier? Oder ist … nein, das wäre dumm ...“
Sie hatte anscheinend noch etwas anderes einfach mal wild vermuten wollen, aber traute sich es eben nicht zu sagen. Delilah kannte dieses Verhalten und wusste um ihre Wirkung in solchen Situationen. Sie tastete sich vorsichtig zum Tisch und als sie eine Stuhllehne zu fassen bekam setzte sie sich und lächelte das Mädchen Kadia einfach still und offen an. Auch wenn ihre Augen geblendet waren so hatten sie nicht ihren Glanz verloren. Prompt fing Kadia wieder an zu sprechen und kaute dabei auf einem Stück Käse herum.
„Ihr könnte es ja nicht sehen, oder?“
Delilah zuckte nur leicht mit den Schulten, als sei ihr Blindheit eine Nebensächlichkeit, damit Kadia nicht ihre Rede vergaß.
„Es wirkt wie ein Zauberschloss. Ich weiß, das ist dumm. Ich habe früher immer gerne Geschichten von Rittern und edlen Damen gehört, von den Schlössern in denen sie lebten und die Abenteuer die sie bestritten. Ich bin nur die Tochter einer einfachen Händlerfamilie ...“
Sie kam ins Stocken und Trairigkeit drohte sie verstummen zu lassen. Delilah nickte nur leicht und versuchte sich in diese junge Frau, die wohl kaum viel älter als sie selbst war einzufühlen.
„Ich wollte sagen, ich bin schon ein wenig herum gekommen, aber so einen wunderschönen Ort habe ich noch nie gesehen! Aber vielleicht kommt mir auch nur alles so schön vor, weil ich eine hoffnungslose Romantikerin bin. Ich mag halt Geschichten über mystische Orte, heimliche Treffen von Liebenden und ...“
Damit war sie wieder auf sicherem Terrain. Kadia begann zu plaudern und vielleicht fand sie in ihrer blinden Zuhörerin eine Gleichgesinnte. Schließlich hatte auch Delilah einen Hang zu leidenschaftlichen Legenden und manchmal versteckte sich hinter gesponnenen Worten auch ein wenig Wahrheit. Eine Weile vergruben sie sich in Phantasien und Traumgespinsten voller tapferer Helden und in Not geratener holden Maiden.

Bei Gunther und Luci

Die Eingangstür hatte einen Spalt offen gestanden und Luci war vor dem Inquisitor schnell hindurch gehuscht um sie dem neuen Gast zu öffnen. Die Eingangshalle war durch die hohen Fenster zu beiden Seiten angenehm hell erleuchtet. Geradezu stand ein kleiner Podest mit einer Skulptur darauf. Ein sich umarmendes Paar, dass von stilisierten Pflanzen umschlungen war. Links und rechts gingen Türen ab, ebenso geradezu ein größerer doppelflüglig, verschlossener Durchgang unter der geschwungenen Treppe, die auf beiden Seiten aus dem Obergeschoss hinab führte. Das Licht, was von draußen herein viel erhellte jedoch nur den unteren Teil, so dass die Balustrade im Schatten lag. Auf halber Strecke der Stufen stand eine weitere Frau. Sie trug ebenfalls die Uniform einer Angestellten, jedoch wies sie die lange Schlüsselkette an ihrer Schürze sie als erste Hausdame aus. Oben am Geländer stand bereits auf sie wartend, eine hoch gewachsene Gestalt im Halbschatten. Eindeutig der Herr des Hauses, auch wenn man nur Umrisse erkennen konnte. Eine kurze Stille entstand und Gunther fühlte sich genau gemustert.
„Luci, führe unseren Gast doch bitte in mein Arbeitszimmer.“
Seine Stimme klang voll, tief und warm zu ihnen hinunter, doch auch ein wenig verhalten. Die Dienerin machte einen Knicks und öffnete die linke Tür von sich und gebot Gunther ihr zu folgen. Dahinter lag ein eher dunkler Raum, mit hohen Bücherregalen bis zur Decke, einer Sitzecke mit gepolstertem Mobiliar, kleinen Tischen und Lesepulten und am äußersten Ende unter einer abgehängten Zwischendecke, auf die schmale Stiegen hinauf führten und von kunstvoll gedrechselten Säulen gehalten wurde, stand ein großer Schreibtisch mit einem altmodischen Sessel. Die zweite Dienerin, die Zofe des Herrn folgte dem Gast hinein und entließ Luci mit den Worten:
„Bitte hole doch dem Herrn etwas zu trinken.“
Dann wurde Gunther in einen gemütlichen Sessel nahe des Kamins zur rechten gebeten und Neroli wartete bis er sich gesetzt hatte. Er war einen Moment mit ihr allein und fing einen abschätzenden Blick auf, der sich aber sofort in ein höfliches Lächeln verwandelte, als er sie direkt ansah. Gunthers erfahrener Blick sammelte jedoch jedes noch so kleine Detail. Sie war etwas über 1,70 hoch gewachsen, schlank mit durchaus weiblichen Formen. Ihr Gesicht war spitz und das schwarze Haar streng hoch gesteckt. Das einzige was nicht so recht ins Bild einer strengen Hausdame passte, war der etwas zu tiefe Ausschnitt ihres schwarzen Kleides. Das Mieder war ein wenig verrutscht und eine einzelne kleine, unbemerkte Haarsträhne hatte sich aus der perfekten Frisur im Nacken gelöst. Ihre Haltung war steif, angespannt und doch sehr selbstsicher. Sie wirkte wie ein scharfer Wachhund. Ihre Miene verriet nichts von ihren Gedanken, nur ihre Augen waren etwas zu kühl für das freundliche Lächeln darunter. Sobald Gunther auch nur dem Mund öffnete um zu sprechen, kam sie ihm zuvor:
„Bitte gedulden sie sich noch einen Augenblick. Der Herr kommt gleich.“
Dann schwieg sie wieder.
Nach ein paar Minuten kam Luci mit einem Tablett und stellte es leise klirrend auf einem der kleinen Tische ab. Leichter Wein und Wasser schaukelten neben kristallenen Gläsern. Sie schenkte von beidem ein Glas ein. Neroli nickte und sie verschwand sofort wieder. Kaum hatte sich die vordere Tür geschlossen, ging hinter dem Schreibtisch die rustikale Wandvertäfelung auf und Graf von Weißenfels trat ein. Sein Kopf lag im Halbdunkel, doch war ihm zugewandt, als er gleich sagte:
„Bleiben sie ruhig sitzen.“
Er umrundete etwas zu langsam, als das es natürlich gewirkte hätte seinen Schreibtisch und sah zu seiner Dienerin.
„Ich denke, du kannst gehen.“
Neroli hob erstaunt den Kopf und zögerte, so dass er seinen Worten ein leichtes Nicken seines Kopfes hinzufügen musste. Dann machte sie einen Knicks und verschwand zur Vordertür hinaus. Der Graf lehnte sich an die Kante des hinter ihm stehenden Tisches und betrachtete seinen Gast.
„Herr Inquisitor. Ihr Name ist mir schon zugetragen worden, aber der Höflichkeit halber, sollten wir uns einander noch einmal persönlich vorstellen. Mein Name ist Verano Milagros, der Erste, Graf von Weißenfels zu Rugta. Sie hatten es sehr eilig mich zu sprechen, aber bevor ich ihnen erlauben kann ihr Anliegen vortragen möchte ich sie ebenfalls um etwas bitten. Wären sie so freundlich sich mir zu erläutern, wie genau sie uns gefunden haben?“
Die alt gewordenen Augen des Inquisitors mochten nicht mehr die schärfsten sein, doch vermochte er auch aus dieser Distanz einige Details noch zu erkennen. Der Hausherr war bestimmt 1,95 oder höher gewachsen. Er war von heller, leicht gebräunter Hautfarbe, sein misch-blondes Haar an den Ansätzen dunkler als in den Längen, die ihm mit einem Band gebunden, bis zwischen die Schulterblätter reichten. Seine Augen waren silbergrau und sehr aufmerksam auf seinen Gast gerichtet. Die feinen Gesichtszüge waren wohl wie für die Damenwelt gemacht. Ein energisches, männliches Kinn, gerade Nase und ein schmaler Sinnlicher Mund vervollkommnten das Bild zum Inbegriff eines Verführers, Ritter und Mann von Adel. Seine Haltung sprach von Stolz. Sein Leib war jedoch nur in einen silbergrauen, eleganten, bodenlangen Hausmantel gekleidet, was nahe lag, dass ihm wohl die nötige Zeit für einen passenden Auftritt gefehlt hatte. Ein weißer Schal war um den Hals geschlungen und seine Hände steckten ebenfalls in hellen, dünnen Stoffhandschuhen. So standen sich Templer und Graf gegenüber und musterten sich.
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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Delilah » Donnerstag 16. Oktober 2014, 21:21

Ja, Delilah hatte schon immer die Fähigkeit gehabt, die Herzen der Menschen zu öffnen.
Nur bei Verano hatte das aus irgendeinem ihr unerklärlichen Grund nie geklappt.
„Könnt ihr mir etwas über diesen Ort hier verraten? Nur wenn ich das fragen darf natürlich. Was macht ihr hier und wo sind die ganzen Bediensteten? Ich dachte immer so ein Anwesen bräuchte viele Wächter, Stallburschen, Diener, Zofen und … wohnt ihr vielleicht alleine hier? Oder ist … nein, das wäre dumm ...“
Das war auch eine der Fragen gewesen mit denen Delilah Verano einmal verjagt hatte. Sie hatte sich gewundert, was er so alleine mit Neroli getan hatte, bevor er sie zu sich geholt hatte. Aber erklärt hatte er sich ihr bis heute nicht. Inzwischen hatte Delilah sich mit seinen Geheimnisse abgefunden, aber sie hatte das Gefühl, dass das Schweigen die Distanz zwischen ihnen nur stetig vergößerte.
„Ihr könnte es ja nicht sehen, oder?“
Nein... dass konnte sie wirklich nicht. Bis auf Kadias himmelblauen Schimmer an den sie sich klammerte, wurde Delilah ausnahmslos von der Dunkelheit belauert. Die Licht-Magi zuckte nur mit den Schultern. Der Kloß in ihrem Hals hätte auch keine andere Antwort zugelassen.

"Nur? Aber Kadia... ich bin auch nur die Tochter einfacher Leute. Mein Vater war Soldat.
Ich habe mich... so könnte man es sagen... auch hierher verlaufen. Ich kann dir nicht viel mehr über dieses Haus berichten, als dass es meines Wissens nach von vier Leuten bewohnt wird, tausendundeinen Geruch verbirgt und man nachts das Holz flüstern hört. Ansonsten weißt du mehr als ich, denn ich kenne jeden Stock und jeden Stein hier nur aus den Beschreibungen von Luci.
Und bitte! ... bitte nenn mich Delilah!"

Sie berührte Kadia sanft am Arm. Sie wollte nicht weiter nach ihren Eltern fragen, um den Schmerz nicht zu nähren. Kadia würde von selbst sprechen, wenn es sie danach verlangte.

Auch wenn Delilah fröhlich lächelte und ab und zu ein paar Worte zum Gespräch beisteuerte, war es größtenteils Kadia die sprach.
Zu viel spukte im Kopf der Blinden herum und sie bildete sich ein, die Kälte der goldenen Grotte noch immer in ihren Knochen zu spüren.
Was wollte der Inquisitor Verano so dringend sagen? Was war passiert?

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Gunther Brockhardt » Donnerstag 16. Oktober 2014, 22:00

Gunther wurde in eine prachtvolle und wunderschöne Eingangshalle geführt. Er folgte Luci durch den kurzen Gang, vorbei an einigen Türen, die links und rechts abgingen. Nach ein paar Schritten war vor ihnen ein Podest, auf dem eine Skulptur eines umarmenden Paares zu sehen war, umschlungen von stilisierten Pflanzenornamenten. Anders als der Frauenstatue im Garten, widmete der Inquisitor seine Aufmerksamkeit nun doch einige Sekunden diesem Kunstwerk. Er betrachtete die beiden Personen und die Verzierungen, die eine Art Rankenmuster aus Efeu bildeten.

Dann folgte er weiter der jungen Dienerin. Vor ihnen befand sich eine große, zweiflügelige Tür zu deren beider Seiten ein Treppenaufgang ins Obergeschoss führte.
Doch was war das? Auf der Treppenstand eine Frau und schien auf sie zu warten. Das Licht, das durch die großen Fenster fiel, erreichte die Balustrade nicht. Und als der Inquisitor versuchte zu erkennen, was sich im Halbschatten befand, erkannte er eine weitere Gestalt. Das musste der Herr des Anwesens sein.

Sieh an, sie erwarten uns also schon auf der Treppe? Hieß es nicht, der Herr sei nicht zu sprechen? Die ganze Sache wird immer... verdächtiger.

Gunthers alte Augen konnten die Konturen des Grafen ohnehin kaum wahrnehmen, also begnügte er sich vorerst mit der Musterung der Dame. Sie schien der Kleidung nach ebenfalls eine Angestellte zu sein, doch ihre Schlüsselkette sagte ihm außerdem, dass sie mehr zu sagen hatte als Luci... viel mehr.
Gunther fühlte sich gemustert, doch er lies sich weder von streng blickenden Hausdamen noch von im Schatten stehenden Grafen einschüchtern.

„Luci, führe unseren Gast doch bitte in mein Arbeitszimmer.“

Die Stimme klang voll, tief und warm zu ihnen hinunter, doch auch ein wenig verhalten. Die Dienerin machte einen Knicks und öffnete die linke Tür von sich und gebot Gunther ihr zu folgen. Der Inquisitor zögerte nur einen Moment, um einen weiteren Blick in die Richtung zu werfen, in der er das Gesicht des Grafen vermutete, bevor er Luci nachging.

Sie gelangten in einen eher dunklen Raum, mit hohen Bücherregalen bis zur Decke, einer Sitzecke mit gepolstertem Mobiliar, kleinen Tischen und Lesepulten und am äußersten Ende unter einer abgehängten Zwischendecke, auf die schmale Stiegen hinauf führten und von kunstvoll gedrechselten Säulen gehalten wurde, stand ein großer Schreibtisch mit einem altmodischen Sessel. Die zweite Dienerin, die Zofe des Herrn folgte dem Gast hinein und entließ Luci mit den Worten:
„Bitte hole doch dem Herrn etwas zu trinken.“

Celcianisch... zum zweiten Mal. Interessant. Wieso kein Garmisch. Luci hatte gesagt, sie hätte uns vorgestellt. Vielleicht wussten sie da noch nicht, wen sie erwarten mussten, doch sie haben mich nun gesehen, und anhand meiner Insignien müssten sie erkannt haben, dass ich Inquisitor bin. Wieso also Celcianisch? Ich könnte nur aus Jorsan oder Pelgar kommen, und die Nähe zu Jorsan heißt, dass sie des garmischen mächtig sein sollten. Ich weiß noch nicht was das zu bedeuten hat... Aber ist das Zufall?

Sein Gesichtsausdruck blieb freundlich distanziert, während ihm ein Platz am Kamin angeboten wurde, doch seine Augen wurden skeptischer. Er hätte zwar sehr viel lieber stehend gewartet, doch er entschied, dass es wohl das beste wäre, das Spiel der Hausdame vorerst mitzuspielen.
Nun war er mit der Frau allein, während er darauf wartete, dass er vom Grafen empfangen wurde. Aus den Augenwinkeln bemerkte er ihren Blick... geringschätzend und voller Widerwillen. Er lies ihn unkommentiert, doch musterte er sie nun ebenfalls. Selbst wenn sie bisher nicht gewusst haben sollte, wer er war, sein Blick konnte es nicht mehr verschweigen. Die grauen Augen wirkten wir die eines Raubtieres, dass nur auf das geringste Zeichen von Schwäche wartete, um sich auf seine Beute zu stürzen. Sie erfassten jedes Detail, jede Kleinigkeit der Frau... das verrutschte Mieder, die unauffällige Haarsträhne, die sich nicht zu den anderen gesellen wollte, ihre steife und angespannte Haltung und nicht zuletzt die Kälte ihrer Augen, die ihr warmes Lächeln Lügen straften.

"Sagt, dür...."

„Bitte gedulden sie sich noch einen Augenblick. Der Herr kommt gleich.“ wurde ihm sofort der Satz abgeschnitten.

Er hob nur lächelnd die Augenbrauen und lies auch diesen offensichtlichen Mangel an Etikette unkommentiert. Doch das Lächeln eines Inquisitors war nicht immer wohlwollend, und auch wenn es sie äußerlich kalt lies, musste ihr klar werden, dass dieses Lächeln eines der gefährlicheren Art war. Ob ich wohl das Liebespiel der beiden unterbrochen habe? Das würde die kühle Art erklären. Doch irgendwie habe ich das Gefühl, dass hier noch etwas anderes nicht wirklich stimmt...


Nach ein paar Minuten kam Luci mit einem Tablett und stellte es leise klirrend auf einem der kleinen Tische ab. Leichter Wein und Wasser schaukelten neben kristallenen Gläsern. Sie schenkte von beidem ein Glas ein. Neroli nickte und sie verschwand sofort wieder.

Kaum hatte sich die vordere Tür geschlossen, ging hinter dem Schreibtisch die rustikale Wandvertäfelung auf und Graf von Weißenfels trat ein. Sein Kopf lag im Halbdunkel, doch war ihm zugewandt, als er gleich sagte:
„Bleiben sie ruhig sitzen.“
Er umrundete etwas zu langsam, als das es natürlich gewirkte hätte seinen Schreibtisch und sah zu seiner Dienerin.

"Ihr müsst keine Rücksicht auf mein Alter nehmen, Graf, doch ich danke euch dafür." sagte Gunther in höflichem Tonfall, während er sich trotz des Angebots dennoch erhob. Er spürte den Schmerz in seinem Rücken wie tiefe Nadelstiche, doch nicht eine einzige Faser seines Körpers lies es zu, dass diese Schwäche äußerlich erkennbar würde.

„Ich denke, du kannst gehen.“ sagte der Herr des Hauses. Neroli hob erstaunt den Kopf und zögerte, so dass er seinen Worten ein leichtes Nicken seines Kopfes hinzufügen musste. Dann machte sie einen Knicks und verschwand zur Vordertür hinaus. Gunthers graue Augen schenkten ihr keinen Blick, als sie den Raum verlies. Der Graf lehnte sich an die Kante des hinter ihm stehenden Tisches und betrachtete seinen Gast.

„Herr Inquisitor. Ihr Name ist mir schon zugetragen worden, aber der Höflichkeit halber, sollten wir uns einander noch einmal persönlich vorstellen. Mein Name ist Verano Milagros der Erste, Graf von Weißenfels zu Rugta. Sie hatten es sehr eilig mich zu sprechen, aber bevor ich ihnen erlauben kann ihr Anliegen vorzutragen, möchte ich sie ebenfalls um etwas bitten. Wären sie so freundlich mir zu erläutern, wie genau sie uns gefunden haben?“


Der alte Ritter stand nun vor diesem edlen und stolzen Herren. Im Gegensatz zu dessen Größe und adliger Anmut musste der verdreckte und erschöpfte Inquisitor ein eher kümmerliches Bild abgeben. Dennoch wirkte er weder eingeschüchtert noch bewundernd, eher interessiert. Welcher Art dieses Interesse war, lies sich jedoch aus seinem Gesicht nicht ablesen. Einige Sekunden studierte er die Kleidung des Grafen Milagros. Schal und Handschuhe... als wolle er so wenig von seinem Körper zeigen wie nur möglich... hochinteressant.
Doch am interessantesten waren wohl die Augen seines Gegenübers. Ein silbergrau von beinahe leuchtender Intensität. Augen die nicht ganz zum Rest des Äußeren passen wollten. Gunther war noch nie gut darin gewesen, das Alter eines Menschen zu schätzen, doch bei diesem Mann war es ihn gar unmöglich. Der Körper sprach für vielleicht dreißig, nein eher vierzig Jahre? Aber diese Augen? Sie wirkten sehr viel älter...

"Verzeiht die unangekündigte Störung, Graf Milagros. Mein Name ist Gunther Brockhardt, Inquisitor der Heiligen pelgarischen Inquisition. Meine Begleiterin und ich verirrten uns im Nebel."

Er zögerte einen winzigen Moment. Wieso hatte der Graf diese Frage gestellt? Gunther war es zwar gewohnt, dass viele Menschen sich fragten wieso ein Inquisitor sie aufsuchte, doch die Frage wie er das Anwesen gefunden hatte, kam leicht überraschend.

"Wir fanden einen kleinen Trampelpfad in den Wäldern auf dem immer wieder weiße Steine, vermutlich Mauerwerk eures Anwesens oder einer ehemaligen Grenzmauer, zu finden waren. In unserer Not hofften wir, dass sie uns zu etwas führen würden, und so war es auch. Die Spur der Steine endete direkt in euren Gärten."

Der Inquisitor nahm den Becher mit Wasser, den Luci ihm eingeschenkt hatte und trank einen kleinen Schluck. Die Templergebote untersagten ihm, den Grafen anzulügen, doch das hieß nicht, dass er ihm sofort alles über seinen Traum erzählen musste. Wenn er es vermeiden konnte, würde Gunther dies auch nicht tun.

"Viel wichtiger jedoch erscheint mir der Grund, warum ich euch so dringend sprechen musste. Wir haben letzte Nacht eine Gruppe Söldner des Dunklen Volkes gesehen. Sie haben uns zwar nicht entdeckt und marschierten vermutlich auch nicht in diese Richtung, doch wenn wir euer Anwesen finden konnten, heißt das, dass diese Söldner es ebenfalls könnten. Natürlich würden wir eure Gastfreundschaft gern in Anspruch nehmen, doch ich bin auch hier, um euch zu warnen, Graf Milagros. Ihr seid hier vielleicht nicht so sicher wie ihr glaubt. Ich habe bisher keine Wachen oder Waffenknechte auf eurem Anwesen gesehen. Falls es von diesen Soldaten entdeckt werden sollte, haben wir ihnen wohl nichts entgegenzusetzen."

Gunther musste seine Sorgen loswerden, auch wenn er das Gefühl hatte, dass die scheinbar drohende Gefahr den Grafen nicht interessieren würde. Allein diese Tatsache würde ihn in Gunthers Augen allerdings noch verdächtiger machen.

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Re: Zwischen Jersa und Rugta

Beitrag von Erzähler » Freitag 17. Oktober 2014, 18:13

Bei Gunther im Arbeitszimmer

„Bleiben sie ruhig sitzen.“
Der Graf umrundete etwas zu langsam, als das es natürlich gewirkte hätte seinen Schreibtisch und entließ dann seine Dienerin.
"Ihr müsst keine Rücksicht auf mein Alter nehmen, Graf, doch ich danke euch dafür."
, sagte Gunther in höflichem Tonfall, während er sich trotz des Angebots dennoch erhob. Er spürte den Schmerz in seinem Rücken wie tiefe Nadelstiche. Die Reise und die Zeit der Entbehrungen machte sich in dieser wohligen Umgebung besonders bemerkbar, ganz als wollte sein Körper ihn zur Aufgabe zwingen. Die weichen Polster des Sessels schienen ihn halten zu wollen, wie die warmen Arme einer Mutter. Der Wille eines Templers war jedoch unbeugsam und er erlaubte nicht einer einzigen Faser seines Körpers, dass diese Schwäche äußerlich erkennbar würde. Trotz allem hatte der Graf leicht erhobene Augenbrauen, als er die Bewegungen des Inquisitors beobachtete. Etwas schien den Hausherren zu verändern, etwas sympathischer zu machen. Verband sie etwas, dass sie noch nicht ahnten? Merkwürdig war nur, dass sein Blick unbestimmt manchmal zur Seite glitt.
"Verzeiht die unangekündigte Störung, Graf Milagros. Mein Name ist Gunther Brockhardt, Inquisitor der Heiligen pelgarischen Inquisition. Meine Begleiterin und ich verirrten uns im Nebel."
Er zögerte einen winzigen Moment. Gunther war es zwar gewohnt, dass viele Menschen sich fragten wieso ein Inquisitor sie aufsuchte, doch die Frage wie er das Anwesen gefunden hatte, kam leicht überraschend, also fuhr er fort:
"Wir fanden einen kleinen Trampelpfad in den Wäldern auf dem immer wieder weiße Steine, vermutlich Mauerwerk eures Anwesens oder einer ehemaligen Grenzmauer, zu finden waren. In unserer Not hofften wir, dass sie uns zu etwas führen würden, und so war es auch. Die Spur der Steine endete direkt in euren Gärten."
Graf von Weißenfels nickte langsam, allerdings schimmerte die silbergraue Iris für einen kurzen Augenblick und seine Lippen zuckten zu einem verhaltenen Schmunzeln. Eher leise, ohne seinen Gast wirklich zu unterbrechen, meinte er:
„... Sie „fanden“ also den Weg...“
Abermals das leichte Nicken und ein langsames Blinzeln, gefolgt von einem Blick der in eine unbestimmte Ecke des Raumes glitt. Er wirkte sogar ein wenig abwesend, als ob er ein inneres Zwiegespräch führen würde.
"Viel wichtiger jedoch erscheint mir der Grund, warum ich euch so dringend sprechen musste. Wir haben letzte Nacht eine Gruppe Söldner des Dunklen Volkes gesehen.“
Jetzt hatte er die volle Aufmerksamkeit des Grafen! Ein eisiger Schauer ging durch den Raum und sogar das Feuer im Kamin flackerte kurz. Hatte Gunther sich das nur eingebildet, oder war es Zufall? Er hatte Hunger und sein Körper sehnte sich nach Erholung und Schlaf. Fröstelte er deswegen? Ein Holzscheit knackte laut und Funken stoben den Abzug hinauf. Verano hatte seinen Kopf so schnell ihm zu gewandt, dass sein Schal ein kleines Stück verrutscht war. Darunter war nun ein verräterisches Stück Verband zu erkennen. Der junge, vielleicht 25 Jahre zählende Mann wirkte plötzlich um Jahre gealtert.
„Sie haben uns zwar nicht entdeckt und marschierten vermutlich auch nicht in diese Richtung, doch wenn wir euer Anwesen finden konnten, heißt das, dass diese Söldner es ebenfalls könnten.“
Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
„Natürlich würden wir eure Gastfreundschaft gern in Anspruch nehmen, doch ich bin auch hier, um euch zu warnen, Graf Milagros. Ihr seid hier vielleicht nicht so sicher wie ihr glaubt. Ich habe bisher keine Wachen oder Waffenknechte auf eurem Anwesen gesehen. Falls es von diesen Soldaten entdeckt werden sollte, haben wir ihnen wohl nichts entgegenzusetzen."
Tatsächlich wandelte sich der Blick des Grafen zu einer von Sorgen geplagten Miene. Er wandte sich ab und ging sehr langsam ein paar Schritte im Raum auf und ab. Manchmal hielt er an und sah in Richtung eines Gemäldes, dann wieder zum Fenster oder zur Tür. Gunther folgte seinen Blicken, konnte jedoch nichts außergewöhnliches erkennen. Das Gemälde zeigte eine wunderschöne, weißblonde Frau, die sich lasziv auf einer Chaiselongue, einer Art langem Sofa mit nur einseitig hochgezogener Rückenlehne räkelte und allein nur an den intimsten Stellen von Blütenblättern bedeckt war. Der weiße Blick ihrer blinden Iris folge einem durch den Raum und ihr Mund war leicht geöffnet, ganz als wollte sie gleich anfangen zu sprechen. Sie ähnelte tatsächlich ein wenig der jungen Frau im Garten und doch wieder so gar nicht. Gunther musterte es vielleicht eine Weile und folgte dann weiter der mentalen Spur seines Gastgebers. Die Fenster waren von der Qualität zwar hochwertig, doch wurde, durch das Kristall, der Blick nach draußen verzerrt. Es war als schaute man durch eine stille Wasseroberfläche, die zwar eben, aber eben doch nicht perfekt war. Nicht alles was dort draußen zu sehen war, konnte auch wirklich da sein. Zu viele Schlieren und Nebelgestalten aus Phantasie und Vorstellung bevölkerten das Grundstück, dort wo doch eben Sonne die Gräser berührt hatte. Der Blick wanderte weiter. Vor der Tür zur Eingangshalle war unten ein kleiner Schatten zu sehen. Vermutlich wartete dort die Dienerin, dass man sie rufen würde, oder sie lauschte, was im Angesicht des dicken Holzes sich schwierig gestalten dürfte, sofern sie sich nicht anschrien.
Verano lehnte sich an ein Lesepult und atmete einmal schwer durch, bevor er sich wieder gefangen hatte. Dann drehte er sich um und nahm sein Gegenüber wieder ins Auge.
„Was sie mir da berichten beunruhigt mich tatsächlich. Auch wenn dieses Anwesen … in normaleren Zeiten … durchaus keinen Schutz bedürfte, so sind diese Zeiten nicht normal. Ich beherberge, wie sie wissen, gerade mehr als nur eine junge Dame in meinen Mauern und bin nicht mit dem nötigen Personal ausgestattet um sie zu schützen.“
Er schien zu überlegen was er dem Inquisitor erzählen durfte und was nicht, zuckte jedoch dann mit den Schultern, und bereute es mit einem kurzen von Schmerzen zitternden Kiefer. Er stufte ihn wohl oder übel als einen Verbündeten gegen das drohende Unheil ein und fuhr fort:
„Leider bin ich im Moment auch nicht in der besten Verfassung um mich körperlich mit Söldnern des dunklen Volkes zu messen.“
Er hob sacht den Ärmel seines Hausmantels und weitere Verbände um seine Arme kamen zum Vorschein.
„Ich bitte euch, meine „Indisponiertheit“ für euch zu behalten, denn mir wird es bald wieder gut gehen. Ich möchte nur die jungen Damen, besonders das Fräulein Delilah, genau sowenig beunruhigen wie ihr es sicher nicht zu tun gedenkt. Des weiteren kann ich euch versichern, dass es durchaus in meiner Macht liegt euch und eure Begleiterin für ein, sagen wir zwei Tage Schutz und Verköstigung zu gewähren, auch wenn ich keine offensichtlichen Wächter befehlige. Ich bin ehrlich dankbar für eure höchst willkommene Warnung und werde Schritte in die Wege leiten, damit ihr … wir sicher sind. Was danach sein wird … Nun, wir werden sehen. Eins nach dem anderen. Zuerst werdet ich hoffentlich meine Einladung annehmen, im Westflügel ein angemessenes Zimmer zu beziehen. Ich werde euch und der jungen Dame gerne meine Bedienstete zur Verfügung stellten und verzeiht ihr ihre etwas ruppige Art ...“
Er hob deutlich die Stimme:
„ … Manchmal übertreibt sie es etwas mit der Fürsorge an meiner Person.“
Sofort verschwand der Schatten unter der Tür. Graf von Weißenfels ging wieder ein paar Schritte durch das Arbeitszimmer. Mit dem Wissen, dass seine „Indisponiertheit“ ihn einschränkte, so wie Gunther seine steifen Gelenke am liebsten zu Boden gerungen hätten, da konnte man leicht ahnen, dass ihm ebenfalls jeder Schritt, ja jede Bewegung Schmerzen abverlangen musste. Die einzigen Männer, die im Augenblick dieses Anwesen schützen konnten, waren also ein in die Jahre gekommener, halb verhungerter, steifer Greis und ein anscheinend schwer verletzter, adeliger Schönling. Blieb zu hoffen, dass der Graf wirksame „Schritte“ einleiten konnte um die Bedrohung von außen abzuwehren. Wie diese wohl aussahen? Der Graf schien von einer inneren Unruhe gepackt worden zu sein. Ob diese erst seit der schlechten Nachricht oder schon vorher bestanden hatte, war schwer einzuschätzen. Allein das Auftauchen von Gunther und Kadia hatte schließlich den Haushalt mehr als nur überrascht.
„Ich möchte euch heute Abend zum Essen einladen. Ich selbst werde nicht erscheinen. Es würde zu viele Fragen aufwerfen, aber ich wünsche ihnen gute Unterhaltung. Falls es ihnen danach noch passt, so kommen sie doch auf einen Umtrunk wieder hier her. Meine Dienerin wird mir dann bescheid geben und wir können uns noch ein wenig von Mann zu Mann unterhalten, sofern sie mögen.“
Er war schon fast dabei wieder hinter seinem Schreibtisch zu verschwinden, als er sich noch einmal umdrehte. Das Möbelstück stand nun zwischen ihnen.
„Eine Frage hätte ich noch.“
Das Silber seiner Augen glänzte abermals und das Gold der Flackern Flammen im Kamin brach sich darin.
„Sie sind Inquisitor. Sind sie auch ein Magi der lichten Künste? Ein Heiler? Falls dem so ist, könnten sie sich mit Fräulein Delilah ein wenig näher beschäftigen. Sie ist … über - alle - Maßen talentiert. Vielleicht erzählt sie ihnen ja ihre Geschichte.“
**Vielleicht kannst du ihr mehr helfen als ich.**
Etwas in seinem Blick hatte ihm, dem geschulten, aufmerksamen und einfühlsamen Beobachter, die mentale Bitte übermittelt. Wie ein eigener Gedanke, wie eine Eingebung oder das Flüstern seiner Phantasie formten sich Gefühle zu Worten. Vielleicht war es auch ein Quäntchen mehr als das gewesen. Gleichzeitig sah er aber auch aus wie ein einfacher Mann, der zerrissen war zwischen seinen Gefühlen. Das Fräulein schien ihm am Herzen zu liegen und doch überließ er sie einem vollkommen Fremden, der gerade erst in sein Haus gestolpert war? Wieder war da dieser kurze Blick zur Seite.
**Wenn du ihr weh tust, wirst du diesen Ort nicht lebendig verlassen! Wenn du ihr helfen kannst, nimm sie mit dir und bring sie so weit wie möglich weg von hier!**
Er schien Gunthers Antwort nicht abzuwarten zu wollen und öffnete die Wand.
„Sie entschuldigen mich bitte. Ich muss mich ausruhen. Ich denke, wir sehen uns später noch einmal.“
Damit trat er in den Spalt und war fast verschwunden. So merkwürdig diesen Anwesen war, so seltsam sein Besitzer, was … oder wer auch immer ihn an diesen mystischen Ort geführt hatte, hatte hier etwas mit ihm vor. Das Feuer knackte und eine kleine goldgelbe Flamme leuchtete einen Moment lang heller als alle anderen.
Gunther konnte den geschwächten Grafen versuchen aufzuhalten, oder auf das versprochene Gespräch warten, welches er ihm nach dem Essen angeboten hatte.
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