Es lebe der Wald!

Tief im Balarus liegt das kleine Dorf Balar, welches ganz Celcia mit dem guten Holz der Wälder versorgt. Unter dem frischen grünen Nadel- und Blätterdach der Bäume leben viele Tiere und genießen den Frieden der Natur.
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Es lebe der Wald!

Beitrag von Erzähler » Montag 17. Oktober 2022, 08:27

Drogan kommt von Innenraum der Schenke

Draußen hatte er endlich seine Ruhe vor lauter Zusatzarbeit, denn nun war er aus dem Dunstkreis der Schankmaid draußen und konnte endlich tun, was er den ganzen Vormittag über schon hatte erledigen wollen. Der Zimmerer wartete auf ihn! Auch wenn dieser von seinem Glück wohl noch nichts wusste.
Das Wetter war gut, die Luft gereinigt von dem heftigen Gewitter und nichts sprach gegen den kleinen Marsch, den er vor sich hatte. Nur die Zeit würde recht knapp werden, da musste er sich definitiv sputen.
Dennoch kam er nicht umhin, den ein oder anderen Plausch zu halten, der sich zufällig ergab. Warum auch nicht? Es tat auf der einen Seite gut, auf der anderen war es auch nützlich. Wer sich in die Gemeinschaft einfügte und es schaffte, darin aufgenommen zu werden, der profitierte auch von dem Gemeinschaftssinn, der in diesem Dorf herrschte. Da taten sich mitunter Gelegenheiten auf, die man so nicht hätte voraus planen können. Auf diese Weise kam der Koch zu seinen Karotten, die er für vielerlei nutzen könnte und die seinen nächsten Menüs eine schmackhafte Süße verleihen würden.
Schließlich ging es für den Mann weiter in Richtung Wald. Der Zimmerer hatte zwar seine Arbeitsstätte nicht sonderlich tief darin, aber er hatte es klug angestellt und sich nahe seines Materials angesiedelt. So hielt er seine Wege kurz und hatte mehr Zeit dafür, daran zu werkeln. Doch zuvor könnte Barnabas einen kleinen Umweg machen und eben nachsehen, ob die Waldgeister wirklich Probleme hatten oder nicht.
Er sollte nur immer wieder horchen, ob nicht Wolf und sein Trupp in der Nähe wäre. Ein weiterer Zusammenstoß, noch dazu ohne Zeugen und mit ihm in der Unterzahl, wäre an diesem Tag nicht wirklich gesund. Hm... vielleicht sollte er noch einmal zurück und zur Sicherheit jemandem genauer Bescheid geben, nur für den Fall der Fälle? Nein, das war vergeudete Zeit. Er hatte es mit ganz anderen Kalibern schon aufgenommen, da würde er mit ein paar Holzfällern schon fertig werden, sollten sie ihm in die Quere kommen!
Also erst mal tiefer in den Wald rein, bis zu der ein oder anderen Lichtung, sich umsehen und dann rasch weiter zum Zimmerer. Sollte ja nicht sonderlich lange dauern, schließlich waren Thorids Geschichten nur erfunden. Bestimmt auch diese! Also, theoretisch...
Denn irgendwie, je weiter er ging, war es tatsächlich seltsam. Zuvor hatten die Vögel lieblich gezwitschert, das Laub und Sträucher um ihn herum mitunter geraschelt, wenn das ein oder andere Kleintier im Unterholz vor ihm davon lief, um nicht erwischt zu werden. Sogar die Insekten hatten sich präsentiert, allen voran eine lästige Fliege, die ihn einige Meter weit umschwirrt hatte, dass er sich wohl oder übel Gedanken um sein nächstes Bad machen sollte!
Das lästige Summen war erst verstummt, als er beinahe in ein auf Kopfhöhe gesponnenes Spinnennetz gelaufen wäre. Tja, hatte er anscheinend einem dieser nützlichen Achtbeiner eine Mahlzeit beschert. Typisch Koch eben!
Doch irgendwann... es war nicht einmal wirklich greifbar, schien sich die Atmosphäre um ihn herum zu verändern. Es war, als würde das Leben immer mehr zurück bleiben, obwohl sich rein äußerlich nichts änderte. Das Licht blinzelte weiterhin durch das dichte Laubdach, der Boden besaß fruchtbare Erde, Bäume und Gesträuch wuchs und trotzdem... Etwas fehlte. Nur was?
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Drogan aus Dessaria
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Re: Es lebe der Wald!

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Samstag 22. Oktober 2022, 22:16

Vor ihm ragte ein alter, verwitterter Wegweiser auf. Das Holz war spröde und die Pfeile, welch den Weg wiesen hingen mehr recht als schlecht an rostigen Nägeln. Die mit einem Eisenspan eingeritzten Worte waren vom Wetter und der Zeit arg in Mitleidenschaft gezogen worden. Ihre Botschaft war nicht mehr klar zu erkennen. Allerdings offenbarten sich dem Reisenden zwei Wege. Der Eine, zur rechten Hand, verlief am Rande des Waldes und schmiegte sich an den Feldrand an. Der Andere, vollkommen überwuchert, war ein Trampelpfad. Man konnte nur mit Mühe und Not die ausgetretenen Grasflecken sehen und war gezwungen diesen durch die alten Stämme hindurch zu folgen. Keine sonderlich guten Aussichten. Zumindest dachte sich Barnabas seinen Teil und war weniger begeistert von seinem Plan als noch vor wenigen Minuten. Angst hatte er nicht. Seine Augen wanderten zu den Wipfeln hinauf, wo das satte Grün des dichten Laubs sacht im Wind wogte. Eine leichte Brise frischte auf und sorgte für Wellen im Meer aus Blättern. Hin und wieder hörte man Eicheln oder Kastanien durch das Geäst auf das Unterholz aufschlagen. Nein. Angst war es wirklich nicht. Allerdings bot ein solch' altes Domizil ausreichend Kreaturen Schutz und eine Heimat. Drogan war niemand der gerade ungefragt in eine solche Heimstatt einbrach. Zumindest solange er nur mit einem alten Reisebeutel bewaffnet war. Der Mann schürzte die Lippen und seufzte etwas. Nichtsdestotrotz war es seine Pflicht und so sehr es ihm auch widerstrebte den unübersichtlichen Pfad zu nehmen, so wenig konnte er etwas dagegen machen. Ein kurzer, kräftiger Ruck am Riemen seines Gepäcks deutete den Beginn des fraglichen Ausflugs an.
Mit langen Schritten bahnten sich die breiten Füße des Söldners seinen Weg durch die Böschung. Viele Wälder hatten an ihren Rändern einen breiten Bewuchs ans Büschen oder kleineren Baumsorten. Tiefer im Wald, im Schatten der Kronen, kam kaum genug Licht durch, um am Leben zu bleiben. Daher war der Einstieg immer etwas anstrengender. Mehr als einmal entwischte ein dünner Zweig dem groben Griff des glanzlosen Grobians, welcher dann stets mit sadistischer Freude auf Beine oder Arme auftraf und einen unflätigen Fluch auslöste. „Dämliches Dickicht! WennRobbenkotzeThorid nur besoffen einer HirschkuhDürrbrusteiner Hirschkuh hinterhergetorkelt istHundsfottstopfe ich ihm beim nächsten Mal sein Maul! ARHG!“, beendete er die Tirade mit einem erlösenden Ächzen. Kleine Reste des Buschwerks hingen ihm noch in Bart und Kleidung, aber der beschwerliche Marsch war damit etwas leichter geworden. Das rötliche Gesicht drehte sich um und blickte noch einmal hinter sich. Vielleicht wäre klüger gewesen den breiten Pfad, ein gute Stunde weiter nördlich zu nehmen. Dort fuhren auch immer die Karren entlang, wenn man Holz oder Ware aus oder in den Wald transportieren wollte. Allerdings war dafür keine Zeit. Nein. Er musste hier entlang. Außerdem konnte man so die Gerüchte des Trunkenbolds überprüfen ohne einen nennenswerten Umweg zu machen. Drogan pflückte sich das Blatt eines Heidelbeerbusches aus dem Bart, schnippte es davon und nahm sich einen kurzen Moment, um sich dieses Ortes bewusst zu werden.
Das Rauschen des Windes wurde vom Gesang unterschiedlicher Vögel begleitet. In der Ferne klopfte ein Specht gegen die Rinde einer jungen Tanne. Vermutlich um sich die nächste Mahlzeit zu sichern. Drogan war kein Experte und hatte mit Tieren im allgemeinen nicht viel am Hut. Es musste genügen, dass er wusste, wie man sie zubereitete. Das Unterholz knackte. Vermutlich waren eben jene Tiere vor ihm auf der Flucht. Es gab einen Grund warum er kein Jäger im eigentlichen Sinne war. Die Fähigkeit sich an einen Hirsch oder ein Wildschwein zu pirschen, ging ihm weit ab. Die meisten Leute konnte sich ihm im Ringkampf mit einem Eber vorstellen. Oder als Eber. Die Lippen formten sich zu einem schmalen Lächeln und der erste Schritt in die Tiefe der Fauna wurde getan. Hier war der Weg etwas deutlicher. Allerdings änderte dies nichts an der Beschaffenheit. Es ging hoch und runter. Mal fiel er links ab, dann wieder rechts. Wurzeln hatten sich durch das Erdreich gekämpft und türmten sich wie Schlangen auf. Mehr als einmal geriet Drogan ins Straucheln. So ging es nicht weiter. „Ich brauche einen Stock oder etwas in der Art.“, formte sich ein Gedanke in seinem Kopf. Während der Mann den Boden nach einem geeigneten Objekt absuchte, huschte ein Hasenpaar unter einem Baumstumpf hervor und verschwand Haken schlagend in der Ferne. „Kesse Burschen!“, kommentierte der Dessarier die Flucht und ärgerte sich etwas, dass ihm diese beiden Leckerbissen nicht vorher aufgefallen waren. Aber was hätte er schon tun können? Mit der bloßen Hand waren diese Nager nicht zu bändigen. Vielleicht wäre es gute Idee gewesen, Josa nach ihren berühmten Brötchen zu fragen. Dann hätte man wenigstens etwas gehabt, um die Beute zu erschlagen. „Ein wahrer Vorteil im Wald zu sein. Weit weg von ihrem Nudelholz.“, flüsterte er im Stillen zu sich selbst. „Na, sieh einer an. Das sollte gehen.“ Mit der Schuhspitze tippte der Mann einen Ast an, der vor ihm auf dem Boden lag. Etwa ein Meter lang und scheinbar von einer Buche. Die dicken Finger umfassten das leicht feuchte Holz. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war der vorabendliche Sturm der Grund für diesen Fund. Überall lagen die Überreste des gestrigen Sturms herum. Kein Wunder also, dass Wolf und die anderen sich die Schäden genauer ansehen mussten. Der Boden war sogar etwas aufgeschwemmt. Diese feuchte Umgebung hatte Vorteile und Nachteile. Ganz abgesehen von der erhöhten Schwierigkeit einen sicheren Weg zu finden, genossen gerade Mücken und Fliegen diesen Umstand mit äußerster Verzückung. Sie summten und surrten um den Mann herum, der sich hin und wieder mit ein paar kräftigen Schwüngen seiner schwieligen Hand verteidigen musste. Der Vorteil war der Geruch. Es war wie ein Moor, doch ohne den fauligen Gestank von Moder darin. Von Zeit zu Zeit zischte eine Libellen vorbei und jagte das Geschmeiß. Der glänzende, wie ein Smaragd schimmernder, Körper fluoreszierte in den schmalen Streifen Sonnenlicht, welche durch das Blätterdach drangen. Motiviert setzte Drogan seinen Weg fort. Wolf und die Kumpane hatte er inzwischen schon vergessen, machte sich aber wenig Sorgen darum. Mit den meisten konnte man reden. Plötzlich zuckte der Mann zusammen. Etwas hatte sich überraschend in sein Sichtfeld gestohlen. Der bunte Flügelschlag eines Schmetterlings verfehlte sein Gesicht nur knapp. Mehr aus Überraschung, als aus Schreck, ging Drogan einen Schritt zurück. Seine braunen Augen folgten dem hübschen Ding und ein klares Lachen drang aus seiner Kehle. Um ihn herum raschelte es und einige Vögel stoben auf. Seine kratzige Stimme war wohl nichts für die feine Grazie dieses Ortes. Doch dann verstummte er. Der Flattermann hielt geradewegs auf ein kleines Feld wilder Erdbeeren zu. Artgenossen waren bereits dort und genossen den Nektar der noch zu jungen Pflanzen. Diese Beeren waren perfekt für Marmeladen. Oder man trocknete sie. Eine himmlische Nascherei, welche auch dem kleinen Nachtgast in der Schenke schmecken dürfte. Auf dem Weg dorthin wäre er beinahe in ein Spinnennetz gelaufen. Man musste seine Augen wirklich überall haben. Endlich angekommen, legte er Mann den Ast zur Seite und begann damit die roten Früchte aufzusammeln. Damit sie nicht einfach in der Tasche umherrollten, wickelte er sie in sein Kopftuch, welches als Notbehältnis diente. Voll und ganz mit der Arbeit beschäftigt, fiel ihm zuerst nicht auf, dass es leiser geworden war. Das Summen verstummte, die Vögel sangen nicht mehr und ansonsten war bis auf den Wind und das leise Rauschen kaum mehr ein Geräusch zu vernehmen. Seine Nackenhaare stellten sich auf und ein Gefühl der Unruhe beschlich ihn. Sicherlich nur die Reaktion auf den plötzlichen Wechsel der Umstände. Allerdings … seine Hand umfasste den Buchenast und die Sinne waren geschärft. Es wäre von Nachteil, wenn ein Bär oder ein Rudel Wölfe in der Nähe war. Das wäre ein unrühmliches Ende. So leise es ging, erhob sich der Mann und würde seinen Weg fortsetzen. Doch allzu lange wäre für die Suche nach Thorids Geistern keine Zeit mehr. Vor allem nicht, wenn sich eine Gefahr anbahnte …

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Re: Es lebe der Wald!

Beitrag von Erzähler » Sonntag 23. Oktober 2022, 21:19

Wieso hatte er eigentlich Thorid noch einmal zugehört? Ach ja, richtig, der Alte hatte ihn regelrecht dazu aufgefordert und sich von ihm Unterstützung erwartet. Die er ihm im Prinzip für seine Märchengeschichte nicht hatte geben wollen. Aber am Ende hatte der Mann dermaßen ehrlich verzweifelt gewirkt, und Josa hatte sich obendrein eingemischt, sodass er kaum anders gekonnt hatte, als in einem gütigen Moment zu zustimmen, sich wenigstens einmal umzusehen.
Nur deswegen verplemperte er gerade seine Zeit, indem er nicht auf direktem Wege zu dem Zimmerer marschierte. Stattdessen trödelte er hier herum und riskierte Barnors Unmut, sollte er zu spät zurück sein, um das Mittagessen für die Gäste zu bereiten. Na, zumindest ließ sich diese Gelegenheit aus zum Guten wenden, indem er das ein oder andere Kraut entdeckte, ein paar Beeren oder sogar eine Handvoll ungiftige, schmackhafte Pilze. Das würde den Wirten hoffentlich etwas gnädiger stimmen und an seinem Lohn letzten Endes nichts ändern, den er sich redlich verdient hatte, neben der Kost und Logis, die er im Gasthaus hatte.
Mit dieser kleinen zusätzlichen Ausbeute setzte er seinen Weg fort und ärgerte sich selbst darüber, nicht auch an die Fleischbesorgung gedacht zu haben. Meister Lampe würde es ihm nicht einmal zu danken wissen, so flink, wie dieser sich aus dem Staub gemacht hatte.
Womöglich könnte er stattdessen mit einer improvisierten Schleuder einen oder zwei Vögel herunter holen und einsammeln? Äste lagen hier schließlich genügend herum, der passende würde sich da schon finden lassen! Ebenso wie ein Wurfgeschoss. Nur wegen einem elastischen Bändchen, am besten aus Leder, hätte er Probleme, sodass auch diese Idee verworfen werden musste.
Lediglich ein Stock als Gehhilfe wurde gesucht und gefunden, um das Risiko zu verringern, sich bei diesem unnötigen Gang den Knöchel zu brechen. Nicht auszudenken, wie es ihm ergehen würde, würde er sich hier in diesem Dickicht, weitab jeglicher belebteren Straße, eine Verletzung zu ziehen und nicht mehr eigenständig zurück laufen können! So kam er definitiv besser, effektiver voran und konnte auch die ein oder andere unerwartete Schönheit dieses Ortes genießen.
Nicht so sehr die Fliegen und Mücken, die diesen ungewöhnlichen Besuch ausgiebig umschwirren zu schienen. Was daran denken lassen mochte, in absehbarer Zeit lieber mal wieder ein Bad zu nehmen. Oder daran, wie man baldiges Jucken lindern könnte, ohne sich zuvor blutig kratzen zu müssen. Denn nicht jede Mücke konnte er rechtzeitig verscheuchen, ehe sie zustach und in den Genuss seine süßlichen Blutes kam.
Diese gierigen Biester! Nie konnten sie einen in Ruhe lassen! Und am liebsten erwischten sie ohnehin Stellen, die besonders empfindlich waren. Einmal hatte eine sich sogar seine Fußsohle ausgesucht, direkt unter seinem Ballen. Oh, was hatte das gejuckt und ihn gequält!
Nun gut, diese Körperstelle war derzeit dank seines Schuhwerks dieses Mal unerreichbar. Dennoch sollte er lieber davon ausgehen, dass so einige Punkte getroffen worden waren, bei denen er später noch ordentlich etwas zu fluchen hätte.
Ein Schmetterling indes bewahrte ihn davor, in das große, silbrig-glitzernde Netz einer Spinne zu laufen, die es geschafft hatte, ihr Kunstwerk zwischen einigen Ästen über dem ungenutzten Waldweg zu spannen. Eine der Fliegen, die ihn so eifrig an seinen Körpergeruch erinnert hatte, hatte da weniger Glück. Na dann, Mahlzeit!
Dafür lockten ihn ein paar Beeren, die schon reif zum Pflücken waren und einige Ideen in seinen Kopf pflanzten, was er damit anstellen könnte. Sogar an das unbekannte Mädchen dachte er dabei! Wie rührend, hätte Josa gespöttelt und zugleich erwartet, dass er die kleine Nascherei sogleich herstellte. So gut kannte er sie inzwischen, denn auch die junge Frau war mitunter jemand, der einer süßen Leckerei nur schwer widerstehen konnte. Dass es sich bei ihr lediglich an den besten Stellen ansetzte, war ihrer körperlichen Arbeit zu zuschreiben und somit durchaus zu fördern. Das Auge aß ja bekanntlich auch mit...
Während er allerdings pflückte und in gebückter Haltung noch tiefer in den Wald hinein ging, änderte sich allmählich seine Umgebung. Es wurde ruhiger, auf eine unnatürliche Weise. Die Blüten und Früchte tragenden Ästchen wurden weniger und sogar das Licht wirkte mit einem Mal irgendwie... dumpfer. Und das, obwohl das Blattwerk an den Ästen zu verdorren begann und dadurch eigentlich mehr von den Strahlen durchlassen konnte. Seltsam...
Wäre er abergläubischer gewesen, hätte er sich womöglich unwohl gefühlt und damit begonnen nachzudenken, ob Thorids Geschichten nicht doch einen wahren Kern haben könnten. So allerdings... Nein, es gab keine Baumgeister und basta! Aber... wenn er jetzt schon mal hier war, könnte er sich auch umsehen, wieso sich dieser Teil des Waldes so anders ausnahm.
Mit der Attacke eines Raubtieres rechnete er, natürlich, das wäre eine greifbare Gefahr, die den Wechsel seiner Umgebung erklären würde. Nun ja, wenigstens den Teil mit der ruhiger gewordenen Fauna.
Was jedoch war mit der Flora? Die Bäume standen wie eh und je, dicke Stämme, kräftige Äste. Aber die Blätter waren eingerollt, manche stärker, andere schwächer, einige mitunter schon längst zu Boden gefallen, ohne, dass die Waldameisen und andere nützliche Insekten sich daran zu schaffen gemacht hätten. Merkwürdig...
Und wenn er genauer hinsah, könnte er auch feststellen, dass die Baumrinden nicht gerade... hm... gesund aussahen. Sie hatten einen gräulichen Stich, bei dem ein oder anderen ging es sogar ins gelbliche.
Und da! Hatte da der eine Baum an seinem Stamm nicht eine Wunde, an der die Borke abgeblättert war? Warum? Käfer, die daran nagten und es wegfraßen? Aber dann hätte die Pflanze doch schützendes Baumharz produziert!
Sollte er jedoch noch näher treten und vielleicht sogar hingreifen, könnte er problemlos feststellen, dass da nichts war, absolut nichts, nicht im Mindesten verräterisch klebrig. Mehr noch, der Baumstamm wäre... kalt? Wie konnte das sein? Es wirkte fast, als... als wäre er... tot oder läge wenigstens im Sterben? So als... als hätte man ihn seiner Seele... beraubt?
Was für ein Unsinn! So etwas gab es nicht und beinahe hätte er diese Mär von einem Baumgeist doch noch zu glauben begonnen! Und dennoch... Hier stimmte etwas nicht!
Nur... wollte er das jetzt wirklich noch herausfinden? Nein, es wäre definitiv besser, das hier zu beenden und schleunigst zum Zimmerer zu gehen. Auch die kleinen Erdbeeren wollten möglichst rasch verarbeitet werden! Wenn ihn nur nicht dieses Gefühl beschleichen würde, dass hinter Thorids Geschichte vom letzten Abend tatsächlich etwas mehr stecken könnte, als er bislang angenommen hatte.
Ach was, Blödsinn! Nein, er sollte sich sputen. Wenn die Arbeit des Tages erledigt wäre, könnte er immer noch in Ruhe darüber nachdenken, was er hier vorgefunden hatte und zur Not noch einmal herkommen. Ja, das wäre die beste Strategie, sogar die Gesündeste für seinen Geldbeutel.
Trotzdem... irgendetwas stimmte hier ganz gewaltig nicht und stank regelrecht bis zum Himmel!
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Re: Es lebe der Wald!

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Montag 31. Oktober 2022, 22:05

Die Finger zuckten zurück. „Kalt ...“, kam es verwundert, beinahe ehrfürchtig, über seine Lippen. Die Hand verharrte in der Luft und beinahe wollte er glauben, dass dieses erschreckende Gefühl nicht vergehen wollte und seinen Arm empor kroch. Ein Schaudern durchzog den stämmigen Mann und während sich die Nackenhaare aufstellten, glaubte er ein Geräusch hinter sich zu hören. Der Flügelschlag eines Raben ließ ihn auffahren. Das Tier mit dem dunklen Federkleid landete nur wenige Meter von ihm entfernt und legte den Kopf schief. Die kleinen Augen fixierten Drogan. „Das ist doch alles Unsinn.“, sprach er leise zu sich selbst und fuhr sich durch den Bart. Dieser Ort war seltsam. Wenngleich die Geschichten des alten Trunkenbolds an den Haaren herbeigezogen waren, so konnte Barnabas verstehen, warum dieser Teil des Waldes Angst im Herzen hervorrief. Plötzlich schien etwas in seiner Nähe zu flüstern. Rasch wandte sich der Söldner um. Doch dort war nichts als diese grotesken Mahnbilder ehemaliger, gesunder Bäume. Natürlich kam ihm der Gedanke, dass vielleicht doch etwas an der wilden Theorie Thorids dran war und es Geister waren, die den Boden oder die Bäume bewohnten. Allerdings war der Sturkopf dieses Dessariers härter als jede noch so dicke Eichenborke. Seine braunen Augen starrten in die Wipfel und sahen, wie eine leichte Böe die wenigen, verbliebenen Blätter und Zweige zum Zittern brachte. „Natürlich, der Wind - Das habe ich gehört. Ha.“ Den Buchenast fest umklammert und die andere Hand in die Hüfte gestemmt, lachte Barnabas über seine eigene Dummheit. Baumgeister. „Was für ein Unsinn. Und trotzdem … diese Krankheit scheint gefährlich.“ Mit Pflanzen kannte sich Drogan nur bedingt aus. Küchenkräuter oder einige Heilpflanzen waren das Beste, dass er zu bieten hatte. Aber auch jemand mit weniger Wissen als dieser Koch würde erkennen, dass etwas die Wurzeln der Bäume befiel. Der Ast wurde kurzerhand als Werkzeug umfunktioniert und mit kräftigen Stößen fielen ganze Brocken der morschen Borke zu Boden. Schnell beendete Drogan sein Handeln, denn er musste befürchten, dass die ganze, marode Hülle in sich zusammenbrechen könnte. Skeptisch hob er seinen improvisierten Wanderstab vor sein Gesicht. Ein kleiner Teil der schmierigen Masse klebte an der Spitze. Es roch erbärmlich. „Verwesung ...“, kam es ihm in den Sinn, aber noch bevor sich seine Gedanken festigen konnten, krächzte etwas direkt neben ihm. Das dreiste Federvieh hatte sich in der Zwischenzeit nach vorne gewagt und begann nun damit das Schuhwerk des Kochs mit seinem Schnabel zu bearbeiten. Ein kurzer Tritt scheuchte den Vogel davon. Allerdings nicht weit und augenblicklich ging das Biest zum Angriff über. Machte sich aggressiv und wild über seine Stiefel her. Jetzt reichte es Barnabas und mit einem lauten, markerschütternden Schrei hiebte er mit dem Stock nach dem Tier. Es kreischte laut und erhob sich in die Lüfte, wo der Mann es nicht aus dem Blick ließ. Nach wenigen Minuten landete die Krähe auf einem der toten Bäume - Inmitten von hunderten seiner Artgenossen. Das Krächzen ging langsam los, wurde aber bald immer lauter und immer mehr. Der stumme Wald war erfüllt von den manischen Schreien und ohne es wirklich zu bemerken, ging der ehemalige Söldner rückwärts. Inzwischen war er der Meinung sich hier schon viel zu lange aufgehalten zu haben. Etwas an diesem Ort hieß das Leben nicht länger willkommen. Ein Segen würde es sein, wenn Wolf und seine Gruppe diesen Splitter aus der eiternden Wunde entfernt hatten.
Mit jedem Schritt weg aus der Dunkelheit kroch auch die Wärme in seine Adern zurück. Über den Kronen stand die Sonne und wärmte seine Haut mit ihren Strahlen. War sie die ganze Zeit über dort gewesen. In der Senke kam es ihm seltsam kalt und dunkel vor. Doch es war nun nicht länger an der Zeit sich darüber Gedanken zu machen - Ein gutes Bier und ein warmes Feuer waren der bessere Ort dafür.
Immer wieder hallte ein hölzernes Klonk durch das Surren und Rascheln des Waldes. Immer wenn der Buchenast eine herausstehende Wurzel oder einen aufragenden Stein traf, durchzuckte das scharfe Geräusch die florale Kullisse und störte die Vögel in ihrem anregenden Kanon. Der Weg durch den unbewohnten Teil dieser Region gestaltete sich als schwierig und forderte nun seinen Tribut. Zwar konnte Drogan die Aufgabe für Thorid erledigen, aber inzwischen musste er sich immer häufiger auf seinen Wanderstab stützen, um die Anhöhen hinauf zu kommen und sich daran festklammern um auf der anderen Seite nicht herunter zu rutschen. Allerdings gelang ihm der Weg beinahe unfallfrei. Kurz vor dem lichten Teil des Forstes verfehlte der Mann einen sicheren Stand und purzelte wie ein Berg fluchenden Fleisches den Abhang hinunter. Von Moosen begrünt und von Erde gebräunt streckte der Koch den Kopf zwischen einigen Farnwedeln hervor. „Ich bringe diesen alten Mistkerl um und hänge mir seinen Schädel über den Kamin.“ Dem Geschichtenerzähler jeden noch so hutzeligen Fluch an Körper wünschend, kämpfte sich Barnabas aus dem Unterholz. Als seine Füße endlich den Trampelpfad erreichten, welcher zum Lager der Holzfäller und der Werkstatt des Tischlermeisters führte, zog sich der Koch immer noch Blätter und Zweige aus Bart und Hose. „Eine Laterne mache ich aus seiner dürren Rübe. Thorid, du alter Saufkopf.“ In der Nähe war Wasser zu hören. Der Bach, welcher dem Dorf Wasser spendete, hatte irgendwo in der Nähe seine Quelle und versorgte dadurch nicht nur die Tiere und Pflanzen hier mit Leben. „In welche Richtung muss ich gehen ...“, fragte er sich selbst und schmunzelte etwas. Wer sollte ihm darauf antworten? Vielleicht sollte er sich irgendwo erleichtern und darauf hoffen, dass eine Nymphe aus seiner Hinterlassenschaft aufsteigt, welcher man nach dem Weg hätte fragen können. „Das würde Thorid bestimmt gefallen. Die Scheiße-Nymphe von Belar und ihre beschissene Richtungsangabe. Würde mit Sicherheit drei oder sogar vier Tage für Unterhaltung sorgen.“, gluckste Drogan und sah sich nachdem Schatten der Bäume um. Sie waren zwar kurz, aber man konnte deutlich erkennen, wo sich Weste befand. So etwas lernte man schnell, wenn man in Wäldern oder Sümpfen auf der Jagd nach Kreaturen war. Dieses Wissen wäre ihm in der Zeit als Landstreicher mit Sicherheit nützlich gewesen. Ohne, blieb ihm nur übrig dem Essen und der Arbeit zu folgen. Nichtsdestrotz. Das Haus des Handwerkers lag einige Meter weiter im Norden und es wurde Zeit den Kerl zu besuchen und mit ihm über die Reperaturen zu sprechen.

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Re: Es lebe der Wald!

Beitrag von Erzähler » Freitag 4. November 2022, 10:09

Irgendetwas stimmte mit diesem Teil des Waldes nicht und es wurde allmählich deutlich, warum ein abergläubischeres Gemüt wie jenes von Thorid dazu neigen konnte, darin etwas Übernatürliches zu sehen. Einen Grund musste es geben, das auf alle Fälle, aber ob das tatsächlich etwas mit dem Sterben von Baumgeistern zu tun haben sollte, war mehr als fraglich. Zumindest für einen rational denkenden Mann wie Barnabas.
Ohnehin konnte er im Moment nichts weiter ausrichten und die Zeit drängte. Er hatte viel zu tun und sein Wort war erfüllt, er hatte nachgesehen. Punkt. Mehr hatte er nicht zugesagt! Und dennoch... würde es ihn nicht auch interessieren, was hier vor sich ging? So... ein klitzekleines Bisschen? Vielleicht... vielleicht auch nicht... oder später, wenn er selbst mehr freie Minuten übrig hätte, um überhaupt wieder daran zu denken. Jetzt hieß es erst einmal, sich endlich auf den Rückweg zu machen.
Erst recht, als ein Rabe sich ihn als sein Beutetier auserkoren hatte. Oder wollte er ihn lediglich vertreiben? Womöglich handelte es sich um einen göttlichen Boten? Ach, das war doch alles nur abergläubischer Humbug! Er sollte sich an den handfesten Dingen des Lebens orientieren und diese beinhalteten derzeit, dass er sich des Mistviehs erwehren und danach den Weg zurück finden musste.
Das eine wie das andere war jedoch alles andere als einfach und als er den Raben endlich auf Abstand hatte, schien sich dessen Blick in seinen Nacken brennen zu wollen, dass sich die feinen Härchen dort unangenehm aufstellten. Damit nicht genug, zeigten sich auch seine Artgenossen und in dem Schwarm schafften sie es mit ihrem Krächzen, das immer lauter anschwoll, dass der Koch endgültig den Rückzug antrat.
Es dauerte gefühlte Ewigkeiten, bis er jenen Teil des Waldes endlich hinter sich lassen konnte und sich nicht länger bedroht fühlen musste. Plötzlich schien ihn die Sonne wieder erreichen und wärmen zu können, die Luft roch milder und würziger zugleich, eine herrliche Mischung nach dem seltsamen Geruch. Auch das liebliche Zwitschern harmloserer Vögel und hie und da ein Rascheln im Unterholz begleiteten seinen Weg.
Der sich bei weitem schwieriger darstellte, als er ihn in Erinnerung hatte. Sogar ein kleiner Unfall passierte ihn, sodass er herausfinden durfte, wie sich wohl ein Brocken Stein fühlte, der einen Abhang hinunter kullerte. Schmutzig, staubig und auch mit einigen Blättern in Haar und Bart rappelte er sich fluchend wieder auf.
Wobei die Worte in einem Ausmaß fielen, dass es schien, als würden vor Schreck die Vögel verstummen und beschämt schweigen. Oder lag es an dem Raben, der sich am Fuße des Hangs auf einem Ast niedergelassen hatte und beobachtete, was sich bei seinem Gegner tat? War es möglich, dass dieses Viech ihn verfolgte und ihn nicht aus dem tückischen Blick lassen wollte?
Ein erneuter Schauer durchrieselte den Menschen und sorgte dafür, dass sich die Sonne mit einem Mal weniger warm auf der Haut anfühlte. Vielleicht lag es aber auch an der Schleierwolke, die sich gerade davor schob und das Licht etwas dämmte, während eine Brise Wind aufkam. Es wurde eindeutig Zeit, diesen unseligen Ort zu verlassen.

Dies gelang Barnabas ohne weiteren Unfall schließlich und als er sich orientiert hatte, konnte er auch endlich den Weg zum Zimmerer einschlagen. Eine gute halbe Stunde später durfte er sich in eine kurze Warteschlange einreihen, denn scheinbar hatte das Gewitter mehr Schaden angerichtet, als es am Morgen den Anschein gehabt hatte. So war der Zimmerer mal wieder gefragt und würde gut an dieser unerwarteten Auftragslage verdienen.
Bald konnte der Koch zu ihm vor die Werkbank treten, die der gute Mann vor seiner Hütte aufgebaut hatte, um das Tageslicht ausnutzen zu können, und ihm schildern, warum er was wie benötigte. Es wurde ein hartes Feilschen um jeden Millimeter und Münze, bis sie sich letzten Endes doch einigen konnten. Wenngleich mit dem Opfer, dass Barnabas einen Karottenkuchen würde liefern müssen. Wie gut, dass er dafür schon zufällig eingekauft hatte. Thorid würde jetzt sicherlich nicht von Zufall, sondern von Vorsehung sprechen!
Nun musste er sich aber beeilen, der Vormittag war schon weit fortgeschritten. Aber dafür konnte er es mit guter Laune tun, denn sein eigentlicher Auftrag war erledigt und er konnte sich auf das vor ihm Liegende besser konzentrieren. Der Weg war nun ebenfalls ein leichter, da er oft beschritten wurde von den Dorfbewohnern und gut ausgetreten war. Die Vögel um ihn herum zwitscherten wieder, einmal flog ein Paar Schmetterlinge turtelnd an ihm vorbei und die Sonne strahlte ungetrübt vom Himmel.
Da fiel sein Blick auf einige Blätter am Wegesrand, die seine Aufmerksamkeit erregten. Brennnesseln! Nicht gerade angenehm, wenn man sich hinein setzte, vor allem ohne Kleidung am Körper, aber sehr schmackhaft. Warum also nicht die Gelegenheit nutzen und ein paar davon mitnehmen, wenn er schon hier wäre? Es schonte obendrein die Börse und die Gäste wären bestimmt wieder voll des Lobes über den Geschmack seines Essens. Konnte Barnor auch nur recht sein, selbst, wenn er dadurch ein paar Minuten später käme! Nur vorsichtig beim Pflücken musste man sein, um sich nicht zu vergreifen.
Also wurde die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, die Brennnesseln fachmännisch geerntet und in seinem Beutel verstaut. Es hätte einfach perfekt laufen können, wenn... ja, wenn dieser unselige Rabe ihm nicht gefolgt wäre! Was sollte das überhaupt? Was wollte dieses Tier noch von ihm?
Doch Barnabas hatte es noch nicht bemerkt, woran sich nun, kurz, bevor er fertig war und sich sein Gepäck wieder schultern könnte, um sich dabei aufzuichten, etwas gehörig ändern sollte. Plötzlich verstummte der Vogelgesang um ihn herum und eine dickere Wolke als vorhin schob sich vor die Sonne. Noch in der Hocke würde dieser Umstand wohl dafür sorgen, dass ein Kopf gedreht und ein Blick nach oben gerichtet werden würde.
Der ideale Moment der Ablenkung, den der berechnende Vogel nutzte, um sich von dem Ast abzustoßen. Von hinten rauschte er still herab und erst, als seine Krallen gegen den breiten Schultergürtel des Mannes prallten, gab er einen fast schon boshaften Laut von sich. In der ungünstigen Position und aufgrund des Unerwarteten war es unmöglich, die Balance zu halten.
Und schon passierte, wovor er sich beim Pflücken so gehütet hatte. Mit dem Gesicht voran landete er schwungvoll in voller Länge in den Brennnesseln, während über ihm der Vogel mit einem schadenfroh klingenden Krächzen in die Höhe stieg und schließlich im Wald verschwand. Wie, als wäre nichts gewesen, begannen nun die anderen Tiere wieder zu trällern, singen, zwitschern und auch die Wolke zog endlich weiter, um die Sonne nicht länger zu verbergen.
Der Koch hingegen lag bäuchlings in den Nesseln und hatte ein weiteres Mal gehörigen Grund zu fluchen. Ob er damit jedoch den verschwundenen Raben würde beeindrucken können, stand auf einem anderen Blatt beschrieben.
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Re: Es lebe der Wald!

Beitrag von Drogan aus Dessaria » Sonntag 13. November 2022, 21:41

Die feine Erde knirschte unter den Stiefeln des Kochs, der sich jetzt immer mehr der Behausung des Zimmermeisters nährte. Deutlich wurde es nicht nur durch die immer bessere Beschaffenheit des Pfades, sondern auch durch die Stimmen in der Ferne, welche eine recht illustre Menge an Ortsansässigen prophezeite. Ein leichtes 'Tock' erklang, als die Zehen des Mannes gegen etwas aus Holz stießen, dass jemand auf dem Boden vergessen hatte. Bei genauer Betrachtung war es wohl weniger dort vergessen, als platziert worden zu sein. Mit einer knappen Bewegung entfernte Barnabas etwas Dreck von seinem Fund und stellte fest, dass Lukas wohl ein paar seiner Bretter auf dem Weg verteilt hatte. Vermutlich um etwas gegen das unwegsame Gelände nach einem Regenfall zu unternehmen. Im Geiste bedankte sich der Bittsteller bereits beim Handwerksmeister und nutzte gerne die angebotene Erleichterung.
Nachdem er einen wilden Wachholderbusch umrundet hatte, stieß er beinahe mit jemanden zusammen. Mit einem derartigen Andrang hätte Drogan nicht gerechnet. Was sehr dumm war, denn eigentlich versprach ein Sturm dem hiesigen Holzarbeiter immer ein reich gefülltes Auftragsbuch. So wie der Regen der letzten Nacht, würden die Füchse sicherlich auch in Lukas Geldbörse hineinsickern. Drogan verschränkte die Arme vor der Brust, was seinen immer noch recht imposanten Oberkörper etwas besser, wenn auch ungewollt, in Szene setzte. Diese Pose gab ihm nicht nur Sicherheit, sondern war auch ein Zeichen für Ruhe und Gelassenheit. Seine neugierigen Augen lugten an seinem Vordermann vorbei, um vielleicht einen Blick auf die anderen Kunden zu werfen und um einschätzen zu können, wie lange man wohl auf das Vorankommen warten würde müssen. Tatsächlich gab es hier und da ein bekanntes Gesicht, allerdings waren die meisten Anwesenden wohl Bauern und Arbeiter aus der Umgebung von Belar. Niemand also, den man so direkt wieder erkennen würden. Seine Neugierde wurde vom Vordermann bemerkt und mit einem feixenden Kommentar bedacht: „Man könnte meinen, Lukas würde von Zeit zu Zeit Ventha anbeten, dass sie ihm einen Sturm schickt. Immer reichlich zu tun, der gute Mann.“ Barnabas begutachtete sein Gegenüber. Er war ein rauer Geselle. Der Bart lang und struppig, das rötliche Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, aus dem einige Strähnen herausfielen. Das Drogan nicht sofort auf seinen kleinen Spaß reagierte, kümmerte den Kerl anscheinend nicht und ihm wurde eine schwielige Hand entgegen gestreckt. Die Kuppen waren rau und schorfig. Wohl ein Jäger oder Fallensteller. „Halvar, der Name. Du bist Barnabas, richtig? Ich kenne dich aus der Schenke.“ Während der verwirrte Koch versuchte sich nichts anmerken zu lassen und die Hand gedankenverloren ergriff, half Halvar ihm kurzerhand aus. „Ich habe euch vor einer halben Ewigkeit ein paar Hirschlenden verkauft. N' Kerl wie dich, den merkt man sich.“ Der Rotschopf lachte auf und die Stimme wurde dabei rau. Das Geräusch erweckte die Aufmerksamkeit der anderen Wartenden. Einige zogen verdutzt die Brauen hoch, anderen hoben grüßend die Hand, wenn sie Barnabas oder Halvar kannten. Der Groschen fiel. „Ah, natürlich, stimmt. Du hattest früher etwas weniger ...“, sagte Drogan und deutete einen Bart an. Halvar nickte und fuhr sich durch das wilde Prachtexemplar. „Es wächst und wächst. Solange es mich nicht beim Arbeiten stört, soll es … wo kommst du denn her. Du siehst etwas mitgenommen aus.“ Da etwas Zeit war und man ohnehin nicht schneller vorankam, berichtete der Mann schnell von seinen Erlebnissen im Wald und wir er auf die Idee gekommen war, dort nach dem Rechten zu sehen. Halvar machte ein besorgtes Gesicht. „Hm, irgendetwas stimmt nicht. Ich habe dieses Leiden auch an anderen Stellen des Waldes bemerkt. Aber immer so, wie du es beschrieben hast. Weißt du...“, setzte der Jägersmann nach, „ … ich befürchte, dass das Fällen der Bäume nicht ausreicht. Das geht tiefer. Irgendetwas im Wasser oder der Luft, frage mich nicht. Aber wir sollten auf der Hut sein.“
Drogan dachte darüber nach. „Nächster!“, rief Lukas. Halvar klopfte dem Koch freundlich auf die Schulter und machte sich daran mit dem Meister zu reden. Es ging wohl um einen defekten Teil seiner Hütte, aber genau hörte er da nicht hin. “Im Wasser oder in der Luft? Hm, wenn er wirklich recht hat, dann würde es erklären, warum so viele Bäume an vielen Stellen betroffen sind.“ Drogan's Interesse war geweckt, aber um realistisch zu sein, was könnte er daran schon ändern. Er war gut mit dem Kochlöffel und durchaus in der Lage ein Schwert zu führen. Beide schien ihm aber in dieser Situation nutzlos. Zumindest blieb er der festen Meinung, dass das nichts mit irgendwelchen Baumgeistern zu tun hatte. Sobald er Thorid davon berichtete hätte, würde sich der Koch mit einem Bier in der Hand noch einmal Gedanken darum machen, doch jetzt waren wichtigere Dinge an der Tagesordnung. Halvar war fertig und nickte zum Abschied, was Drogan mit einem zweifingerigen Salut quittierte. „Nächster!“, ertönte wieder Lukas. Das Stichwort und Barnabas ging zum kleinen Tischchen auf der Veranda. Die Seiten des Auftragsbuches flatterten in der leichten Brise und wurden durch ein paar Werkzeuge beschwert. Ein Kohlespan lag bereit, um sich eventuelle Termine zu notieren. „Ah, Barnabas, Hatte mich bereits gefragt, wann jemand von euch kommt. Einige Leute haben mir davon berichtete, dass es wohl auch euch erwischt hatte. Ein Wunder, dass eure baufällige Ruine überhaupt noch steht. Aber ich denke, der geizige Barnor würde euch alle in Reisigbauten hausen lassen, bevor er mich an die Reparaturen heranlässt.“ Beide Männer mussten lachen. Barnabas wischte sich am Ende eine kleine Freudenträne aus dem Augenwinkel, räusperte sich etwas und erzählte Lukas von der letzten Nacht. „Ihr habt also eine aus den Angeln gebrochene Hintertür. Nicht schlecht. Kaum kaputt und schon schleichen sich Gassenkinder ein? Wird höchste Zeit. Ich kann heute in den späten Nachmittagsstunden vorbeischauen. Pünktlich zum Abendessen. Material bringe ich mit. Wenn ihr ein Essen springen lasst, mache ich euch alles für gute 56 Lysas.“ Drogan dachte kurz darüber nach. Angesichts der vielen Anfragen und der Tatsache, dass wirklich jedem der Weg in die Küche offen stand, stimmte er zu. Ein Handschlag folgte, eine kurze Notiz in dem Buch und eine lockere, einfache Verabschiedung. Die anderen Kunden hinter Drogan rückten auf und das Tagesgeschäft ging seinen Gang. Als der Koch um die Ecke bog, konnte man noch hören, dass sich jemand lautstark darüber aufregte, heute keinen Termin mehr zu bekommen. Nicht länger seine Angelegenheit.
Jetzt musste er noch beim Dachdecker vorbei und einige Besorgungen machen. Sein Blick wanderte zum Himmel hinauf. Die Sonne stand schon beinahe im Zenit. Bis zum Mittag sollte es nicht mehr lange dauern. Die Zeit drängte also. Allerdings war es unmöglich gewesen an den Brennnesseln vorbei zu laufen. Sie standen in tiefgrüner Pracht mit einem hellen Blütenstand am Wegesrand. Sofort kamen ihm die Ideen. Tee, Salate, Aufläufe oder sogar Füllungen. So eine Gelegenheit durfte man sich als Zubereiter dörfischer Speisen nicht entgehen lassen. Natürlich hieß es Vorsicht walten zu lassen. Giftig waren diese Nesseln zwar nicht, aber dennoch unangenehm und es juckte schrecklich, wenn man sich nicht vorsah. Also hockte sich Drogan auf den Stock gestützt vor das Unkraut und begann damit es an den Blättern packend vorsichtig abzuzupfen. Hin und wieder erwischte ihn eine kleine Spitze, doch damit konnte er umgehen. Plötzlich verdunkelte sich der Himmel. Die Pflanzen waren eingesammelt und aus der Befürchtung heraus, es könnte regnen richtete der Mann seinen Kopf nach oben. Plötzlich, vollkommen unvorbereitet, traf ihn etwas im Rücken. Es war nicht groß oder schwer, allerdings sorgten die Überraschung und die Ablenkung durch die kleine Wolke vor der Sonne für das übrige. Mit dem Gesicht voran krachte der ehemalige Söldner in das Gestrüpp vor sich. Es dauerte nur einen kurzen Augenaufschlag bis sich die Schmerzen über das ganze Gesicht ausbreiteten. Vor Schreck und mit einer ordentlichen Portion Adrenalin in den Adern, kroch der Mann schnell zurück auf den Weg, wobei seine Hände ebenfalls von dem Wirkstoff der Pflanze gepeinigt wurden. „AHH!“, schrie er sich die Wut und den Schmerz aus der Lunge. „Zum Harax mit diesem abartigen Wald!! Grünversiffte Baumkloake - Oh, wenn ich diesen bereits toten Witzbold erwische, der hier mit Steinen wirft, dann gebe ich ihm seine verfaulten Zähne zu fressen, damit der Stein den er geworfen hat etwas Gesellschaft kriegt!! Zeig dich, du mutterloses Schwein! Du Hybriden-Gezücht!!“ Drogan bebte vor Wut und sah sich nach einem Hinweis auf den Übertäter um. Ein leise Krächzen, das nach einem Lachen klang, entfernte sich gerade himmelwärts und mit einem letzten Blick sah der unglückselige Waldwanderer das schwarze Gefieder eines Raben hinter den Wipfeln verschwinden. Mit unkontrollierter Gewalt, schleuderte Drogan den Ast zu Boden, welcher wegsprang und ihm gegen das Schienbein prallte. Sofort ging er in die Knien und rieb sich die Stelle, damit der Schmerz dort zumindest nachließ. Voller Zorn packte der Mann seine Gehhilfe und schleuderte diese mit aller Kraft in die Baumwipfel hinein. „Wenn ich dich jemals wiedersehe, du Geier, dann werde ich dich rupfen und aus dir eine Pastete machen! Du hast mich gehört! Du … Du, du dreckiger Gustav!!“, schrie er aus Leibeskräften. Gustav war jemand aus der Zeit im Kloster. Ein älterer Mönch der sich einen Spaß daraus machte, die anderen Brüder mit Streichen zu quälen. Ein besserer Vergleich fiel ihm in diesem Moment einfach nicht ein. Mit dem Handrücken wischte er sich den Speichel aus dem Wundwinkel. Erneut erfasste ihn eine Welle aus Schmerz. Das Gesicht war geschwollen und würde vermutlich rot sein wie ein Glaubensdiener bei der Weinverkostung. „Mistvieh!“, brüllte Barnabas ein letztes Mal, bevor er sich seine Tasche schulterte und seinen Weg fortsetzte. Nicht aber ohne bei jedem zweiten Schritt eine neue, kreative Bezeichnung für seinen tierischen Peiniger zu entwickeln. Ob das normal für einen Raben war? Drogan konnte es sich einfach nicht vorstellen …

Gegenstand verloren: Birkenast
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Re: Es lebe der Wald!

Beitrag von Erzähler » Samstag 19. November 2022, 19:59

Der Zimmerer war nach solch einem Unwetter ein höchst gefragter Mann. Daran hätte Barnabas denken sollen, ehe er seinen Plan gefasst hatte. Es wäre vermutlich zeitsparender gewesen, wenn er zuerst hierher gekommen wäre und danach sein Wort gegenüber dem alten Thorid gehalten hätte. Doch nun war es zu spät und er musste sich notgedrungen in die Reihe derer stellen, die vor ihm vor Ort gewesen waren und ebenfalls ihre Anliegen hatten.
Na, hoffentlich würde die Reparatur sich nicht zu sehr verzögern dadurch! Es reichte schon, dass er wohl oder übel nicht rechtzeitig zurück in der Schänke wäre, um sich um das Mittagessen zu kümmern. Nun ja, Josa hatte sich schon heute Morgen in ihrem alten Reich breit gemacht, da konnte sie das auch noch ein Weilchen weiter machen.
Die Zeit dehnte sich während der Warterei, obwohl er das Beste daraus zu machen versuchte. Was blieb ihm schließlich auch anderes übrig? Zaubern konnte er nicht und wichtiger als die anderen war er ja auch nicht. Somit brauchte er Geduld und eine gewisse Standfestigkeit, die er auch besaß.
Wie gut, dass der Mann vor ihm zur redseligen Sorte gehörte und das Gespräch suchte, um sich die Zeit ein wenig zu vertreiben. Es konnte immer wieder von Vorteil sein, sich mit den hiesigen Bewohnern, egal, ob direkt aus dem Dorf oder der Umgebung, bekannt zu machen. Das verbreitete weiter seinen Ruf und lockte des Öfteren neue Kunden in die Schänke, was auch seinem Arbeitgeber nur recht sein konnte.
Tatsächlich entwickelte sich das Gespräch in eine interessante Richtung und vertrieb die unzähligen Minuten, bis auch der Jäger dran war und wenig später der Koch. Und obendrein schien er noch mehr Glück zu haben, denn der Meister des Holzes wollte sich noch am selben Tag Zeit für das Problem der Hintertür nehmen und das zu einem Preis, der nicht gar so überhöht war, wie zu befürchten gestanden hatte. Barnabas konnte zufrieden sein, als er sich auf den Rückweg begab.
Eigentlich hätte es nun bald ein Ende haben sollen, aber auf seinem Weg fielen ihm die Brennnesseln auf. Pflanzen, die sich wunderbar würzig in Essen und Trank machten, bei denen man jedoch sehr auf der Hut sein musste, um sich an den feinen Härchen der Blätter nicht zu verbrennen. Allerdings wäre es nicht das erste Mal, dass er welche pflückte, also konnte er gar nicht daran vorbei gehen, ohne sich ein paar Stück davon mitnehmen zu wollen.
Warum auch nicht? Sie sahen eindeutig reif aus und waren umsonst, würden also Genuss verschaffen und klingende Münze, ohne ihn etwas zu kosten. Dabei hätte er besser dieses Mal die Finger davon gelassen!
Denn kaum war er mitten drin im Pflücken und in der richtigen Position, da rauschte das Unglück von hinten heran, um ihm einen unerwarteten, kräftigen Stoß mitten zwischen die Schulterblätter zu versetzen. Es kam, wie es kommen musste, der bullige Mann verlor das Gleichgewicht und landete mit dem Gesicht mitten in den wuchernden Pflanzen, die nur darauf gewartet zu haben schienen, endlich jemandem zu zeigen, dass man sie lieber in Ruhe ließ.
Noch ehe sich der Koch dessen bewusst werden konnte, brannte seine Haut überall dort, wo er keine schützende Kleidung oder Körperbehaarung trug, ganz gleich, wie schnell er schimpfend daraus wieder hervor krabbelte. Unbemerkt zog währenddessen über ihm der Übeltäter seine Kreise, als wartete er nur darauf, endlich gesehen zu werden.
Als dies soweit war, stieß er ein Krächzen aus und flog einige Bäume weiter, um sich dort kurzfristig auf einem Ast nieder zu lassen und ihn aus kleinen, dunklen, wachsamen Augen zu beobachten. Ganz so, als wolle er sich vergewissern, wie groß der Schaden war, den er hatte anrichten wollen. Noch einmal krächzte er und es klang eindeutig schadenfroh, obwohl ein Tier zu solchen Lauten doch eigentlich nicht fähig war, dann flog der Vogel endlich von dannen.
Und das hoffentlich für immer! Andernfalls würde der Koch sich wohl als Vogelfänger versuchen, um das Vieh bei lebendigem Leibe zu rupfen und dann richtig gar zu kochen. Während Gesicht und Hals mitsamt dem Ausschnitt seines Oberteils brannten wie Feuer und auch seine Hände pochend litten, setzte er seinen Weg schimpfend fort. Was zumindest den Vorteil hatte, dass ihm die Zeit auf seinem Weg zum Dachdecker nicht lang wurde.
Dort hatte sich vor einiger Zeit auch noch eine längere Schlange befunden, denn das Unwetter hatte einigen Eindeckungen zugesetzt, aber als er ankam, waren nur noch zwei andere Personen da, eine davon verabschiedete sich gerade von Sigi.
Als die rundliche Frau sich umdrehte und Barnabas sah, stieß sie einen leisen Schreckenslaut aus, um sich kopfschüttelnd und mit einem unnötig großen Bogen davon zu machen. Der Kunde vor ihm warf nur einen Blick über die Schulter und hätte wohl auch etwas gesagt, wenn der Handwerker ihn nicht ungeduldig gefragt hätte, was er denn nun von ihm wolle. So musste der Koch wohl oder übel schweigend... oder brummend und mit brennender Haut warten, bis er dran war.
Und als es endlich soweit war, brach Sigi bei seinem Anblick in lautes, bellendes Lachen aus. "Hey, Großer, was ist mir denn passiert? Wolltest gestern wohl zu nah ans Feuer, um dich zu wärmen, weil Josa dich nicht unter die Decke lässt, wie? Oder war's eher so, dass du kuscheln kommen wolltest und sie dich vertreiben musste?", spöttelte der Mann gutmütig und dennoch im Moment absolut unpassend.
Er war an sich kein übler Kerl, jedoch sehr geschwätzig und mit der Gabe gesegnet, jedermann und vor allem Frau mehr anzudrehen, als sie ursprünglich hatten kaufen wollen. Auch Barnabas war schon in diesen Genuss gekommen und nicht umsonst hatte Barnor ihn davor gewarnt, erneut darauf herein zu fallen. Sigis Begrüßung jedenfalls würde vermutlich dazu beitragen, dass er gar nicht erst in Plauderlaune geraten könnte, selbst ohne den Schmerzen, die jegliche Bewegung in seinem Gesicht bereits bereiteten. Oh ja, er sollte schleunigst in die Schänke zurück und sich die Haut kühlen, ehe es noch schlimmer werden würde!
Inzwischen war der Dachdecker aufgestanden und klopfte ihm lachend auf die Schulter, eine Stelle wenigstens, die nichts von den verheerenden Brennnesseln abbekommen hatte. "Nichts für Ungut, mein Freund! Aber du solltest so lieber nicht den Kindern im Dorf über den Weg laufen, die haben sonst mindestens drei Nächte lang Alpträume. Könntest glatt zum Kinderschreck werden, den die Weiber dann benutzen, um ihre Bälger artig zu halten, weil du sie sonst holen kommst!", frotzelte er weiter, während zwei junge Burschen kamen, die ganz danach aussahen, ebenfalls Sigis Wissen zu benötigen.
Der Mann seufzte übertrieben und zwinkerte dem Koch grinsend zu, als er sich wieder setzte, um ähnlich wie der Zimmerer die Bestellung zu notieren. Viel schreiben konnte er nicht und seine Schrift war wohl nur er zu entziffern in der Lage, doch für seine Arbeit und Zuverlässigkeit reichte es. "Tut mir leid, Großer, du siehst, ich bin heut sehr gefragt. Also, was brauchst du? Abgesehen von... na ja, du weißt schon." Der Kerl konnte es gerade einfach nicht lassen und grinste schon wieder!
Ob er ihm wohl eine Kostprobe von seinem eigenen Brennnesselbad geben sollte? Nein, lieber nicht, denn er brauchte dessen Hilfe und Ware noch und das zu einem anständigen Preis. Also wäre es vermutlich besser, tief durchzuatmen und so sachlich wie möglich zu bleiben... sofern er es nicht schaffte trotz seiner schlechten Laune, auf die Späße gekonnt einzugehen.
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