Auf unbekannten Wegen

Der Urwald oder, wie viele ihn nennen, der Dschungel erstreckt sich sehr weit. Hier verbergen sich verschiedene Rassen wie die Affenmenschen. Doch es gibt auch das sogenannte Paradies Shyána Nelle, welches sich in der großen Senke befindet.
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Rhuna Bláidyaét
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Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 31. Juli 2022, 14:17

Anfangspost:
Etwa eine Stunde war vergangen, seit Rhuna von ihrem Bruder Fíllías Abschied genommen hatte. Die Gegend um die große Stadt war ihr nicht unbekannt, denn auf ihren Suchen nach Heilpflanzen, Beeren oder sonstigen Materialien war sie schon häufiger auf den angelegten Pfaden spaziert. Mitunter auch auf den nicht angelegten Wegen, doch das war ein kleines Geheimnis, das sie stets für sich behalten hatte. Nach dem Vorfall in ihrer Kindheit, bei dem sie sich mit ihrem Bruder verlaufen hatte, war schon ein Akt der Überredungskunst nötig gewesen, dass Celest ihrer Tochter überhaupt gestattet hatte die Stadtmauern zu verlassen, als sie das Alter erreicht und eine Lehrstelle an der Klinik angenommen hatte. Von diesem Punkt aus betrachtet war es ein merkwürdiges Gefühl diese bekannten Wege hinabzuschreiten mit dem Wissen, dass sie nicht an der gewohnten Stelle wieder kehrtmachen und zurückgehen würde. Und eben an diese Stelle gelangte sie nach kurzer Zeit. Vor dem alten Baum, dessen radgroßer Seitenast schräg über den Weg gewachsen war, bis er auf der anderen Seite Stütze am farnbewachsenen Boden fand, hielt sie an. Der Ast schwebte auf Kopfhöhe vor ihr, so dass selbst sie sich bücken musste um dahinter den Weg weiter zu verfolgen.
„Nun ist es also soweit. Der Schritt ins Ungewisse…!“, sprach Rhuna leise, während ihre Hand über die warme und von Moos teils gepolsterte Rinde des Baumes strich. Dieser Baum war das letzte Vertraute in der Gegend. Das letzte, das sie schon mehr als einmal gesehen hatte. Das Letzte, das durch die Vertrautheit mit ihrer Heimat verknüpft stand. Viele Gedanken und Erinnerungen der letzten Tage gingen ihr durch den Kopf und ließen sie einen Moment innehalten. Es gehörte wohl doch mehr Überwindung dazu diesen Schritt zu gehen, als die geglaubt hatte. Den ganzen Weg bis hierher, hatte sich Rhuna nicht besonders anders gefühlt, doch nun spürte sie eine aufkommende Nervosität aufsteigen, die sie dazu brachte über sich selbst zu lachen.
„Sei kein Hasenfuß!“, schalt sie sich mit denselben Worten, mit denen sie als Kind Fíllías häufiger dazu gebracht hatte weiter zu gehen, als ihnen bis dahin erlaubt gewesen war. Es waren keine Zweifel, die bei ihr aufkamen oder an ihrer Entscheidung rüttelten, die sie Überwindung kosteten. Es lag viel mehr an den aufkommenden Gefühlen, die sich bei jedem bemerkbar machen würden, die mit einem schönen Zuhause gesegnet gewesen waren, welches sie nun verließen. Die Aufregung, die in der jungen Elfe schlug, war jedoch von positiver Natur und so überquerte sie die Grenze, indem sie sich unter den Seitenast hinüberbückend auf den, weitaus weniger belaufenen Weg begab und ihre Reise somit begann. Ein feiner und doch spürbarer Rückenwind kam auf und stob einige Blätter vor ihren Füßen auf. Sie konnte nicht beschreiben wieso, aber in diesem Wind spürte sie etwas von Pharus, der sie im Grunde zu diesem Wendepunkt ihres Lebens geführt hatte. Und obwohl niemand an ihrer Seite ging, fühlte sie sich nicht mehr ganz so alleine. Dies war der Zeitpunkt, ab dem sich Rhuna nicht wieder umdrehte.
Die Wege wurden schmaler, überwucherter, manchmal kaum mehr zu erkennen. Nur am Stand der Sonne, die durch die belaubten Baumkronen des Waldes schien, erkannte sie den Fluss der Zeit und gewann ein wenig Orientierung, zusammen mit dem Wuchs der Pflanzen.
Zum Glück konnte sie wenigstens auf dieses Wissen zurückgreifen, denn Rhuna war mehr als bewusst, dass sie nicht die besten Voraussetzungen für eine Weitreisende mit sich brachte. Von daher war sie ganz froh darüber, dass sie ziemlich sicher sein konnte, wenigstens in die richtige Richtung zu gehen.
Die Gefahren des Urwalds kannte Rhuna wie jede Shyáner Elfe, doch war sie diesen leibhaftig und glücklicherweise noch nie begegnet. Und wenn sie konnte wollte sie dies auch möglichst vermeiden. Denn es gab einige Wesen, die ihr bereits in Büchern unheimlich erschienen waren. Und laut den Beschreibungen und Informationen, die man zu lesen bekam, waren die Begegnungen mit diesen lebensbedrohlich.
„In Ordnung…!“ Auf einem lichtungsartigen Stück hielt sie zum ersten Mal für eine kurze Rast an und ließ sich auf den Boden nieder. Ihre Reisekleidung, die keinen langen Rock beinhaltete war um einiges praktischer, als ihre Kleider, die sie sonst gewohnt war zu tragen und doch fühlte es sich noch ungewohnt an, sich in dieser zu bewegen. Zumindest musste sie keine Säume verknoten, um den Stoff davor zu bewahren sich in Ästen zu verfangen.
Rhuna schlug ihre Karte auf und betrachtete die filigranen Zeichnungen, während sie ein paar, auf den Weg gepflückte Beeren aß.
„Ich müsste in etwa hier sein.“, sprach sie leise zu sich selbst, was ihr durchaus bewusst war. Es war vielleicht albern, aber irgendwie beruhigte es Rhuna zumindest manchmal eine vertraute Stimme zu hören - sei es auch ihre eigene.
Die Darstellungen Celcias auf der Karte wirkte auf sie so klein und als würde die Welt gar nicht so groß sein. Doch wenn sie den kleinen Punkt vom Tal und Shyána Nelle mit dem Rest verglich verstand sie natürlich die Ausmaße. Ihr Finger strich über das robuste Papier und ihre Gedanken kreisten um den geeignetsten Weg. Da Rhuna in Richtung Westen aufgebrochen war würde ihr Weg sie in die Nähe des Dorfes Hajikya führen, wenn sie die Orientierung nicht vollends verloren hatte. Einem Tabiki war sie tatsächlich noch nie persönlich begegnet, aber dieses Volk und ihre Lebensweise war den Shyánern durchaus bekannt. Neugierig war die junge Elfe schon auf diese, doch wusste sie nicht so direkt, ob sie diese bewusst aufsuchen würde. Ihr Mut war noch ein wenig wankelmütig, auch wenn sie gar nicht versuchte groß darüber nachzudenken. Mit der Zeit und der Gewohnheit würde sich schon alles einpendeln. Zumindest hoffte Rhuna das…!
Lange Zeit verweilte sie nicht, nur lange genug, um sich kurz zu stärken und neu zu orientieren.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 31. Juli 2022, 21:24

Das Tal der Shyáner Elfen war an Schönheit kaum zu übertreffen. Die Blütenpracht, die Wasserfälle und das süße und bunte Leben der Stadt machten es schwer, den Weg voranzuwählen. Es war kaum verwunderlich, dass man den Elfen in diesem Idyll nachsagte, dass sie in ihrer Glaskugel wohnten und kaum einen Blick in die Ferne richteten. Es war eine gut gehütete Gemeinschaft und das nicht ohne guten Grund. Rhuna’s Vater hatte ihr, ausgerechnet bei ihrem vorerst letzten Gespräch, zu verstehen gegeben, weshalb man so dachte. Und dass es eventuell ein Fehler war. Die Denkweise aller Shyáner zu ändern, würde vermutlich nicht funktionieren. Wer wusste besser als Rhuna, dass dieses Volk seine Prinzipien liebte und seine Lebensweise schätzte. Und wäre es Rhuna nicht auch so ergangen, wenn sie nicht infiziert worden wäre? Wenn der Fremde sie nicht angesteckt hätte mit einer Krankheit, die sich ebenso schnell ausbreiten konnte wie Gift? Doch nicht jede Art von Gift war tödlich und so stand sie hier. Im Urwald Kapayu am äußersten Fleck ihrer bisherigen Freiheit. Sie erreichte den knorrigen Baum mit dem Ast, der sich wie eine mahnende Grenze über den Weg gelegt hatte. Bis hierher war sie noch gekommen, doch dann immer umgedreht. Nun aber galt es weiterzugehen als jemals zu vor. Rhuna spürte in sich eine seltsame Vorfreude aufsteigen, die kribbelnd Besitz von ihr ergriff. Es war wie ein stummer Abschied, als sich ihre feingliedrigen Finger von dem Moos lösten und die heimischen Gefilde verließ. Mutig und entschlossen setzte sie Fuß vor Fuß, ließ sich nicht von der enger werdenden Flora beeinflussen, sondern suchte in allem die Schönheit und Herausforderung. Als sich der Weg etwas lichtete, wurde es Zeit für eine kleine Pause. Inzwischen waren einige Stunden vergangen und das zwickende Gefühl in ihrem Herzen war einer konzentrierten Vorgehensweise gewichen. Gewissenhaft studierte sie den Weg auf ihrer Karte und schlussfolgerte, dass sie bald am Dorf Hajikya vorbeikäme.
Es gab ab und an Handelsbeziehungen zu den Tabiki, allerdings blieb auch dieses Volk gern unter sich und so war es der Elfe bisher nicht vergönnt gewesen, sich näher mit dem Volk in den Baumhütten zu beschäftigen. Der Weg war klar: Sie würde eine ganze Weile unterwegs sein, wenn sie es bis nach Santros schaffen wollte. Dazwischen lag noch ein gutes Stück Kapayu, danach der Neldoreth, dann der Wald Sarius und schließlich das Trockenland. Wenn alles gut ginge, sie sich strickt an den Plan hielt, dann würde sie um die neun bis zehn Tage unterwegs sein. Hatte sie sich eigentlich Gedanken gemacht, wo sie schlafen und rasten wollte? Wo konnte sie ihre Vorräte auffüllen? Das Problem war, dass sich die Shyáner lieber um sich selbst bemühten, anstatt großartige Handelsbeziehungen zu führen. Demnach wusste jemand wie Rhuna auch nicht, wem sie eigentlich wohlgesonnen sein konnte und wen sie besser mied. Sollte sie einfach auf blauen Dunst handeln? Nun, die Reise war angetreten und ein Umkehren sicher nicht förderlich. Was würden Fílías und Celest davon halten, wenn sie plötzlich und reumütig wieder vor ihnen stehen würde? Sobald sich Rhuna ausreichend gestärkt und ausgeruht hatte, führte sie ihr Weg vorerst weiter Richtung Westen. Hier wurde das Blattwerk der Affenbrotbäume dicker und die Pflanzenwelt vor allem dichter. Lianen hingen ihr des Öfteren im Weg, sodass sie sie beiseiteschieben müsste, während die Luft immer drückender und feuchter wurde. Das Tageslicht wurde zunehmend ausgesperrt, je weiter die Braunhaarige ging. Der eben noch so einladende Pfad verschwand und sie musste sich durch das Unterholz wagen, darauf achten wohin sie trat und gleichzeitig ihre Richtung beibehalten. Die falsche Dunkelheit des Urwaldes machte sich allmählich bemerkbar. Auch am helllichten Tag wirkte es, als hätte die Göttin der Nacht, Manthala, ihren Mantel über diesen Ort gelegt. Irgendwo schrie mit einem Mal ein Affe auf. Es knackte und raschelte in ihrer unmittelbaren Umgebung. Starrte sie da etwa aus dem Unterholz etwas an?! Für jemanden der völlig unerfahren in Sachen Reisen war, dürfte der Urwald nicht gerade das lohnendste Ziel sein. Zwar lebte sie bereits ihr gesamtes Leben hier, doch Shyána Nelle bildete eine starke, optische Ausnahme zu dem restlichen Urwald. In ihrem Nacken kitzelte sie etwas. Liane? Käfer? Was es auch war, die Summe aus den Geräuschen und der Beklemmung konnte einem bereits die Reise vermiesen. Vielleicht sollte sie doch lieber umkehren? Oder mutig voran, dem Unbekannten weiter entgegen?
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Montag 1. August 2022, 00:47

Der Weg, auf dem sie ging, war irgendwann kaum mehr zu sehen, bis er gänzlich unter der üppigen Vegetation des Urwaldes verschwand. Nun hieß es, sich selbst einen Pfad zu suchen und die Richtung im Auge zu behalten, ohne sich zu stark von den Umständen ablenken zu lassen.
Rhuna war zum Glück schon immer eine Art Wald- und Wiesenelfe gewesen, die den direkten Weg durchs Gestrüpp schon öfters dem einfachen, bearbeiteten Weg drum herum vorgezogen hatte. Dennoch musste sie eingestehen, dass es durchaus anstrengend war, sich einen Weg durch die wild wuchernden und in sich verwundenen Farne und anderen Pflanzen zu bahnen. Teils musste die junge Elfe Lianen zur Seite schieben, die wie Vorhänge den Blick auf den dahinterliegenden Bereich verdeckten.
Die Schönheit, die sie umgab hielt ihren Blick immer wieder für ein paar Sekunden gefangen. Shyána Nelle war noch keinen Tag weit entfernt und doch hatte sie schon Pflanzen entdecken können, die sie bisher nur aus Büchern kannte. Das betraf auch die Geschöpfe der Fauna. Paradiesische Vögel flogen unter dem immer dichter werdenden Blätterdach von Ast zu Ast, und auch das Insektenreich zeigte deutlich seine Vorherrschaft in dieser naturbelassenen Gegend.
Vieles war da, was Rhuna abzulenken drohte. Je weiter die Sonne ihre Bahn am Himmel lief, je mehr spürte sie die wachsende Anstrengung. Die Geräusche des Urwaldes waren ihr nicht vertraut und das Wissen um die Gefahren, die hier lauern konnten, halfen nicht unbedingt dabei völlige Ausgeglichenheit und Ruhe zu empfinden. Dennoch, egal wie beschwerlich der, nicht gerade sichtbare Weg vor ihr auch sein mochte, sie hatte sich für diesen entschieden und würde sich wegen solchen Kleinigkeiten nicht zum Umkehren bewegen lassen. Was nicht bedeutete, dass sie die aufkeimenden Sorgen und sich entwickelnden Ängste zur Seite schieben konnte. Doch war das nicht gut so? Ängste waren nichts Schlechtes, solange man sich von ihnen nicht beherrschen ließ oder sie vollends ignorierte.
Mit der Rückseite der Hand wischte sich Rhuna die Schweißtröpfchen von der Stirn. In ihrer Vorstellung war der Weg durch den Urwald nicht so kräftezehrend gewesen. Ihr Blick richtete sich kurz auf den unter Blättern verborgenen Himmel. Und die Erkenntnis, dass sie die erste Nacht wohl tatsächlich hier in der Wildnis verbringen müsste bescherte ihr Unbehagen. Nicht, dass sich die Elfe nicht darauf eingestellt hatte, doch vielleicht war die Hoffnung auf ein etwas übersichtliches Plätzchen doch größer gewesen, als die realistische Einschätzung der Lage. Sie war eben unerfahren und das lernte sie zu spüren. Doch das, was Rhuna am meisten zu schaffen machte war, dass sie das erste Mal wirklich alleine war und Entscheidungen für sich treffen musste, ohne eine zweite Meinung oder eine Rat anhören zu können.
Hilft alles nichts. Jetzt muss ich das Beste daraus machen und mir überlegen, wo das sicherste Nachtlager ist. Ein wenig Zeit bleibt mir noch, aber ich sollte mich nun auf ein Lager und Verpflegung konzentrieren. Ihr Blick wanderte umher, dann lauschte sie, doch sie konnte kein Wasserrauschen aus dem Urwaldkonzert heraushören. Einer der großen Flussarme schien also nicht in der Nähe zu sein.
Ich glaube die Tabiki bauen ihre Häuser auf den Bäumen. Das wird sicher einen Grund haben…! Vielleicht sollte ich mir auf einem Baum einen Schlafplatz suchen?! Ihr Blick hob sich erneut und es brauchte ein wenig mehr Anstrengung, um in diesem Moment nicht den Mut zu verlieren. Das letzte Mal, dass die junge Elfe auf einen Baum geklettert war, lag zwar nicht allzu weit in der Vergangenheit, doch hatte sie in ihrer Heimat den Vorteil von Hilfsmitteln, wie Leitern gehabt. Noch dazu besaßen die Obstbäume in Shyána Nelle nicht dieselbe Größe wie die Baumsäulen des Urwaldes.
Ein lautes Knacken in ihrer Nähe ließ sie zusammenzucken und erstarren. Vor ihr bewegte sich das dicht von blättern bewachsene Geäst und raschelte auf eine bedrohliche Art und Weise. Ihr Blick schien auf den eines anderen Lebewesens zu treffen was ihr Herz nur noch schneller durch das aufsteigende Adrenalin schlagen ließ. Selbst das plötzlich aufgekommene und unangenehme Kribbeln im Nacken brachte sie in diesem Moment nicht dazu sich zu bewegen, obwohl der Drang mit der Hand nach hinten zu greifen groß war. War dort etwas? Und wenn ja was?
Eine Minute, gefühlt mindestens noch eine weitere verging, ehe sich Rhuna langsam rührte und einen Schritt zurück ging. Dabei trat sie auf einen Ast, der knackend unter ihrem Gewicht zerbrach. Aus dem Gestrüpp vor ihr sprang aufgeschreckt ein Streifenhörnchen, das sich schnell auf eine herabhängende Liane schwang und von dort auf den nächsten Ast kletterte und aus ihrer Sichtweite verschwand. Der Nager hatte Rhuna den bisher größten Schreck ihres Lebens verursacht und es war ein Wunder, dass ihr kein Schrei oder sonstiger Laut entwichen war.
Nervlich ein wenig angegriffen und über ihre Angst vor einem Streifenhörnchen beschämt brauchte sie einen Moment, um sich wieder zu beruhigen. Sie hätte am Abend vor ihrer Abreise besser nicht die Enzyklopädie über die Tiere des Urwaldes befragen und eine Beschreibung über die Mantis lesen sollen.
Bei Phaun und Florencia… Pharus wozu hast du mich hier getrieben? Der Santroner wäre mit Sicherheit in schallendes Gelächter ausgebrochen, hätte er dieser peinlichen Szene beiwohnen können. Die Erinnerung daran, wie groß sein Vergnügen alleine dabei gewesen war, ihre Reaktionen auf seine zweideutigen Aussagen und Flirtversuche zu sehen, brachte ihr ein wehmütiges Lächeln auf die Lippen. Ja, Pharus hatte sie öfters geneckt und geärgert, sogar noch als sein Zustand ihm nicht mehr erlaubt hatte das Bett zu verlassen.
Die Gedanken an ihn beruhigten die braunhaarige Elfe und verhinderten wahrscheinlich, dass ihr der Wunsch an eine Umkehr ins Gedächtnis rückte. Die Angst hatte sich zwar gelegt, doch wuchs in ihr der Wunsch nicht vollends alleine in ihrer ersten Nacht hier draußen zu sein. Doch würde sich dies kaum vermeiden lassen.
Eine tolle Abenteurerin gebe ich ab! In diesem Moment kam Rhuna dann doch eine Idee, wie sie ihre Lage unter Umständen doch ein wenig verbessern könnte.
Wenn ich Hajikya finden würde, würden mich die Tabiki vielleicht die Nacht bei sich verbringen lassen. Ich meine, ich habe nie gehört, dass sie uns feindselig gegenüberstehen und hin und wieder handeln wir doch auch mit ihnen. Rhuna klopfte sich am Körper entlang, wedelte sich dabei über den Nacken, um das unangenehme Kribbeln los zu werden, das sie noch immer verspürte. Hatte sie denn etwas, was sie gegebenenfalls gegen ein Nachtlager eintauschen könnte? Ihr weniges Hab und Gut war spärlich und dennoch, der Versuch war es ihr wert. Wenn alle Stricke rissen musste sie so oder so auf einen Baum klettern und versuchen dort unbemerkt zu schlafen, ohne hinabzufallen.
Achtsam setzten sich ihre Füße wieder in Bewegung. Vielleicht beging sie einen Fehler, doch wenn sie sich nicht vollends verschätzte oder die Orientierung verloren hatte, musste das Dorf Hajikya in der Umgebung liegen.
So ganz wohl den Tabiki zu begegnen ist mir nicht. Mein Tabija ist kaum vorhanden. Ich kann nur ein paar einfache Sätze. Diese kleineren Sorgen schob Rhuna dann aber erst einmal beiseite. Sie musste das Dorf erst einmal finden, bevor sie sich über eine Begrüßung und die Äußerung ihrer Bitte Sorgen machen sollte.
Immer einen Schritt nach dem anderen und nicht den Mut verlieren. Mit einem neuen kleinen Ziel vor Augen und der Zeit im Nacken, machte sie sich also auf die Suche nach den unbekannten Nachbarn.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 2. August 2022, 09:43

Sobald der Pfad unter ihren Füßen verschwunden war, lag es an Rhuna allein sich zurechtzufinden. Offenbar hatte es niemand für nötig gehalten, ab einem gewissen Punkt die Wege weiter instand zu halten. Oder aber es lag daran, dass hier so selten jemand war, dass die Vegetation sich ihr Reich zurückeroberte und der Mensch, der Elf oder Hybrid nicht in der Lage war dagegen anzukämpfen. Wie auch immer sich die Geschichte der fehlenden Pfade gestaltete: Rhuna hatte Mühe sich durch das Unterholz zu kämpfen. Wenn sie oberhalb ihres Halses etwas beiseiteschob, schien eine weitere Schlingpflanze nach ihren Knöcheln zu greifen. So war es ein wahrer Kraftakt sich durch diesen Teil des Dschungels zu kämpfen und es dauerte nicht lange, da sah man der Elfe diese Tortur auch an. Blattwerk, Schlamm und Schweiß vermischten sich zu einem Bild, dass den Vorstellungen ihrer Mutter Celest sicherlich einen gehörigen Dämpfer verpasst hätte. Wohlbehütet sah Rhuna derzeit nicht aus, doch ihr Wille wurde umso stärker, je mehr Pflanzen sich ihr in den Weg rankten. Zu allem Überfluss gesellte sich die Geräuschkulisse eines Urwaldes hinzu. Vögel zwitscherten noch lieblich, während ihre bunten Gefieder farbenfrohe Gemälde in das durch Grün dominierte Bild des Urwaldes zogen. Doch der Schrei eines Affen konnte mitunter den Puls in die Höhe treiben. Ebenso das Rascheln und Knacken durch unterschiedliche Tiere hervorgerufen, die man nicht sehen, sondern nur erahnen konnte. Und je weiter Rhuna ihrem Pfad folgte, desto mehr schien der Kapayu sie zu verschlucken – und anderes auszuspucken: Es knackte. So prägnant und einhellig, dass Rhuna instinktiv stehenblieb, um zu lauschen. Wieder knackte es. Dann raschelte der Farn vor ihr unheilvoll, bis sich ein kleines Streifenhörnchen schimpfend an ihr vorbeimogelte und im nächsten Dickicht verschwand. Der Schreck war da und zeigte erbarmungslos auf, dass diese Unternehmung weit mehr Tribut forderte als bloß den guten Stoff an ihrem Körper. Das Zwielicht des Dschungels täuschte über die wahre Tageszeit hinweg und Rhuna verlor ein wenig die zeitliche Orientierung. War sie jetzt, seit ihrer Rast, Stunden unterwegs? Oder doch noch nicht so lange? Anstrengend war es für zwei Tage strammen Durchmarsches, doch das konnte nicht sein. In ihrer Situation war es dann das Bild eines Mannes, das sie zum Weitergehen trieb.

Pharus hätte sich köstlich amüsiert über den kleinen Hasenfuß. Jene unschuldig wirkende Elfe, die ihre Zeit und Güte aufgewandt hatte, um sich um ihn zu kümmern. Der raubeinige Mensch mit den gutmütigen Augen, hatte in Rhuna vieles anklingen lassen. Seit sie ihm begegnet war, surrte ihr Innenleben in neuen Tönen und hörte gar nicht mehr auf zu vibrieren. Die Welt war groß. Ihre, beziehungsweise die Welt ihrer Mutter, war da viel zu eng geworden. Und Pharus‘ Bitte war vielleicht nur der nötige Startschuss, während sich Rhuna viel mehr danach zu sehnen begann, ihre Ketten zu sprengen und endlich zu leben. Doch jede Reise brauchte einen Anfang und so war es eben der Wille, Pharus‘ die letzte Ehre zu erweisen und seiner Bitte nachzukommen. Er hatte auch nur sie gehabt! Wem hätte er die Bitte sonst übereignen sollen? Seine Geschichten waren zahlreich gewesen und sie hatte ihm an den Lippen gehangen. Er konnte durch seine Erzählungen begeistern, trug ihre Fantasie auf seinem Schiff der Abenteuer durch halb Celcia und ließ sie teilhaben an seinem Erlebten. Und weckte ihre Lust. Lust auf mehr, Lust auf Geschichten, die eines Tages sie würde erzählen können. Sollte sie jemals diesen Urwald verlassen, versteht sich. Der Pfad, den sie eingeschlagen hatte, wurde nicht besser. Im Gegenteil: Offenbar lief sie tiefer und immer tiefer in ihr Unheil hinein, denn plötzlich wurde der ‚Weg‘ nicht nur unpassierbar, sondern auch matschig. Schmatzend sanken ihre Füße in den Morast und erschwerten ihr zusätzlich das Weiterkommen. Allerdings änderte sich auch mehr und mehr die Vegetation etwas. Anstelle von Schlingpflanzen und Lianen wurde der Wald düsterer durch die Bäume, die sich mit hohen, kahlen Stämmen aufbauten, um den Himmel mit dichten Baumkronen aus ihrer Mitte zu sperren. Sonnenlicht drang jetzt nur noch als winzige Punkte zu ihr durch und das auch nur, wenn der Wind oberhalb der Baumkronen wehte. Hier unten war es still. Stickig. Warm. Rhuna konnte den Schweiß perlen spüren, wie er sich langsam den Weg von ihrem Haaransatz über ihren Rücken bahnte. Das Atmen fiel deutlich schwerer, während die Luftfeuchtigkeit weiter anstieg. Sie konnte nach einer kleinen Weile wieder besser gehen, allerdings wurde der Weg abschüssiger, von dicken und dünnen Wurzeln durchzogen, matschig und klamm. Es roch süßlich hier, doch diese Süße bescherte keine Gelüste auf die feinen Naschereien, die es auf dem Markt in Shyána Nelle zu kaufen gab. Es war eine faulende Süße, die eine bittere Note hinterließ und die Gedanken ankurbeln konnte. Ohnehin war es fast schon unvermeidlich, dass wenn man allein unterwegs war, in einer Umgebung wie dieser, die Hirngespinste drohten zu wachsen. War da gerade ein Schatten gewesen? Oder hatte sie sich den, am Rande ihres rechten Augenwinkels eingebildet? Was ist das für ein Geräusch? Es klang irgendwie dumpf, schwer. Patt… patt… patt… was war das? Die Abfolge eines tiefen Schabens erreichte ihre spitzen Ohren. Seltsam. Es musste rechts von ihr sein, nicht so weit entfernt, doch sehen konnte sie in dem Zwielicht nicht so richtig etwas. Links von ihr führte der ‚Weg‘ weiter hinab, stetig absteigend als würde sich irgendwann eine Kuhle auftun. Wenn sie aber tatsächlich in einer Kuhle landen sollte, was sie derzeit noch nicht wirklich erkennen konnte – käme sie auf der anderen Seite wieder hinauf? Der Boden war wirklich unwegsam und sie konnte an ihrer Kleidung erkennen, dass der Matsch bereits Besitz davon ergriffen hatte. Wohin nun? Gerade aus ? Hier gab es weiter Wurzeln, Bäume und Matsch. Und wäre das noch der Weg zum Dorf Hajikya? Oder nach links und in eine Senke, die sie vielleicht gefangen halten würde? Oder aber nach rechts – vorsichtig, leise, damit sie sehen konnte, was diese Geräusche machte? Ach wäre nur jemand an ihrer Seite, der ihr bei der Entscheidungsfindung helfen konnte…
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Dienstag 2. August 2022, 17:20

Die Richtung, in die Rhuna eingeschlagen war brachte sie auf keinen leichteren Pfad. Im Gegenteil, man konnte meinen die Götter würden ihr den Segen verwehren schnell das Dorf Hajikya zu finden. Hatte sie etwa ihren Groll auf sich gezogen? Wollten sie ihr vielleicht eine Lektion erteilen, ihren Entschluss ins Wanken bringen und sie so zur Umkehr bewegen?
Es war nur natürlich, dass sich Rhuna solche Fragen insgeheim stellte. Sie war noch nie im Leben so schmutzig und verschwitzt gewesen, wie zu diesem Zeitpunkt. Da konnte nichts mithalten, was sie je getan hatte, auch nicht als Kind.
Der morastige Boden, in den ihre Füße immer und immer wieder einsanken, konnte selbst einen körperlich stärkeren Elfen oder Menschen zum Verzweifeln bringen. Ihre Stiefel vermochten es nicht die Nässe abzuschirmen und das unangenehme Gefühl von klebrigem Schweiß, der ihr den Nacken hinablief trugen nicht zu ihrem Wohlbefinden bei.
Ihre Muskeln beschwerten sich, bei jeder neuen Bewegung schienen sie der jungen Elfe durch ein unangenehmes Ziehen mitteilen zu wollen, dass sie eine Pause einlegen sollte. Allgemein hatte sie noch nie zuvor ihren Körper so stark gespürt und das auf eine äußerst unangenehme Weise. Es war schwer weder die Nerven, noch den Mut zu verlieren.
Als sie endlich ein kleines Stückchen Untergrund gefunden hatte, auf dem der Urwald nicht nach ihren Füßen griff, lehnte sich Rhuna erschöpft an einen Baumstamm und versuchte ihre Atmung zu beruhigen. Hatte sie sich einfach überschätzt? Es schien keine Mantis, keinen Tiger oder sonstige Wesen zu benötigen, um ihr aufzuzeigen, dass sie zu blauäugig an die ganze Reise herangegangen war.
Ich bekomme kaum Luft. Wenn ich jetzt einfach weitergehe verschlimmere ich meine Lage vielleicht nur noch. Erschöpft sah sie empor. Die Sonne schien noch, doch drang kaum Licht durch das Blätterdach. Die genaue Beschaffenheit ihrer Umgebung war nur schwer wahrzunehmen, als würden sie nun auch ihre Augen im Stich lassen.
Minuten verstrichen, ihr Puls verlangsamte sich ein wenig und sie nutzte den Moment, um sich ihren Zopf neu zubinden, da sich dieser in den letzten Stunden vollends aufgelöst hatte. Was sollte sie nur tun? Wie sollte sie in dieser Lage und mit der Zeit im Nacken das Dorf Hajikya finden?
Selbst wenn ich das Dorf finden würde - würden mich die Tabiki überhaupt als Shyáner Elfe erkennen? Und mich nicht im Glauben ein Urwaldungeheuer vor sich zu haben einfach angreifen? Der leicht sarkastische Gedanke wurde von einem Schnaufen untermalt, gefolgt von einem tiefen Atemzug, der in einem Seufzen endete. In Rhuna brodelte es. Die Anstrengungen, die Hitze und Luftfeuchtigkeit zehrten an ihr, ermüdeten sie und reizten sie bis ins Mark. Es war die zunehmend wachsende Frustration über sich selbst und ihre offenbare Unfähigkeit, die den letzten Tropfen zum Überlaufen der Schale hervorbrachten.
Ich bin ein Wesen dieses Urwaldes und weigere mich jetzt schon eine Niederlage gegen diesen einzugestehen! Rhunas Dickköpfigkeit brach hervor, wie Öl um die geschwächte Flamme ihrer Entschlossenheit neu zu entzünden. Die junge Elfe hatte sich von ihrer Mutter mehr als ihr halbes Leben lang sagen lassen, was sie konnte und was nicht. Nun hatte sie das erste Mal für sich gesprochen und entschieden, hatte die Tür in ein neues und selbstbestimmtes Leben aufgestoßen und kein matschiger Boden, keine sich nach ihr greifenden Äste und Lianen, noch sonst etwas würde sie davon abhalten diesen Urwald zu verlassen. Das hatte sie sich vor ihrem Aufbruch geschworen – ihren Weg zu gehen, egal wie steinig – in diesem Falle matschig und undurchsichtig – er auch war.
Ich muss es nur anders betrachten. Vielleicht stellen mich die Götter auf eine Probe. Wenn ich bei den Kleinigkeiten der ersten Hürde schon den Mut verliere, werde ich meine Ziele niemals erreichen. Rhuna versuchte sich vom groben Schmutz zu befreien, indem sie ihre Glieder schüttelte, an sich hinabklopfte und hinabfegte. Dann sah sie sich erneut um. Ein schabendes Geräusch in ihrer Nähe erregte ihre Aufmerksamkeit. Wie lange war es schon da gewesen? Hatte sie es überhört, weil sie mit sich selbst beschäftigt gewesen war?
Sie versuchte ihre Gefühle nicht zu viel ihre Gedanken beeinflussen zu lassen und einen kühlen Kopf zu bewahren. Wahrscheinlich war sie sich selbst gerade ihr schlimmster Feind, wenn zuließ, dass sie impulsiv und gefühlsorientiert handelte. Was also tun? Und welche Richtung einschlagen?
Der ‚Pfad‘ links von ihr führte weiter hinab und drohte in eine Kuhle zu enden, die eine mögliche Sackgasse sein konnte. Doch die Beschaffenheit des Weges schien fest genug zu sein, dass sie nicht wieder einsinken würde. Ein Umstand den Rhuna sehr begrüßen würde. Vor ihr sah es weiter modrig aus und von rechts kamen diese schabenden Geräusche.
Der Blick auf die Karte erübrigte sich, denn das Areal vom Kapayu war ihr bereits bildhaft ins Gedächtnis gebrannt. Dennoch war sie sich zu dieser Zeit nicht sicher, wo sie sich tatsächlich befand. Lag das Dorf tatsächlich in der Nähe eines solch unbegehbaren Teil des Waldes? Oder läge darin vielleicht sogar ein Vorteil?
Im Grunde war es egal, denn wichtig war nun nur, dass sie weiterging und sich für eine Richtung entschied. Sie war alleine und konnte sich in diesem Moment nur auf sich verlassen. Wenn sie überleben wollte musste sie für sich selbst also verlässlich sein und durfte nicht weiter zögern.
Ein kaum spürbarer Wind streichelte ihre Wange. Dieser sanften Geste folgend wandte sie ihr Gesicht nach rechts und setzte sich langsam und leise in Bewegung. Trotz des Geräusches war dies die Richtung, in der sie am ehesten Hajikya vermutete. Durch den Kampf mit dem schlammigen Untergrund war sie zu weit nach Süden gewichen. Zumindest war dies ihre Vermutung.
Mit großer Achtsamkeit und Vorsicht schlich Rhuna sich immer näher in Richtung des Geräusches und betete innerlich, dass sie keinen Fehler beging und auf ein Geschöpf traf, dass ihr wirklich gefährlich werden könnte. Von daher war sie bedacht darauf erst einmal einen kurzen Blick auf die Ursache des Schabens zu werfen, bevor sie weitergehen konnte.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 3. August 2022, 13:57

Der Urwald war gnadenlos. Hier nahm niemand Rücksicht auf die Anfängerin in Sachen Reisen. Keiner der Götter nahm auch nur Notiz von den Bemühungen, die eine junge Elfe gerade unternahm, um sich halbwegs ein sicheres Plätzchen für die Nacht zu sichern. Obwohl sie nicht mal wissen konnte, ob die Tabiki sie freundlich empfangen oder gleich in den Kochtopf werfen würden. Man hörte ja auch Geschichten. Es nützte jedoch nichts. Die Götter würden Rhuna im Moment nicht helfen. Sie waren mit anderen Dingen beschäftigt und so musste sie sich wohl oder übel weiter alleine durchbeißen. Was sie auch tat. Rhuna weigerte sich, sich von der Natur in die Knie zwingen zu lassen. Es konnte nicht sein, dass sie bereits jetzt scheiterte- an einer Pflanze! Und Matsch. Und Wärme. Rhuna musste zusehen, dass sie ihren Flüssigkeitshaushalt immer wieder auffüllte, sonst würde sie tatsächlich irgendwann einfach aufgeben müssen. Reichlich abgekämpft gönnte sie sich eine kleine Pause auf halbwegs vernünftigem Boden. Sie musste sich erstmal versuchen zu orientieren und stellte fest, dass sie tatsächlich etwas vom Weg abgekommen sein musste. Das Dorf müsste irgendwo in der Nähe sein, aber Ausläufer dessen konnte sie nicht erkennen. Sie lebten zwar zurückgezogen aber auch so ein Volk wuchs nicht einfach so aus dem Boden.
Bevor sie aber eine Kurskorrektion vornehmen konnte, erregte etwas anderes ihre Aufmerksamkeit:

Ein schabendes Geräusch, unterbrochen von einer langsamen Abfolge dumpfer Töne. Es war schwierig zu erkennen, was es war und auch wenn sie die Wahl der weiterführenden Richtung hatte, wandte sie sich diesem Geräusch zu. Ihr Weg war ein wenig leichter. Sie hatte die Möglichkeit, sich an den kahlen Bäumen festzuhalten und eventuelles Wegrutschen der schlammigen Stiefel abzufangen. Je weiter sie ging, desto deutlicher wurde das Geräusch. Inzwischen wurde es mehr zu einem Schmatzen. Dann riss etwas entzwei. Wieder schmatzen. Der süßliche Geruch wurde stärker und es mischte sich etwas weiteres in Rhuna’s Nase: Ein beißender, metallischer Geruch. Plötzlich schoben sich die Bäume vor ihr auseinander, sodass sie einen guten Blick auf die Szene vor sich erhaschen konnte: Ein Tiger. Groß, orange und im Saft seines Lebens lag er mit dem Rücken zu ihr und hielt mit den großen Pranken eine Beute fest. Immer wieder tauchte er seine Schnauze in die Mahlzeit und riss sich daraus Stücke heraus. Daher kam das Geräusch. Das patt…,patt…,patt mussten die schwerfälligen Schritte gewesen sein, wenn er seine Pfoten über den Boden schleifen ließ und in den Morast eintauchte. Doch der Anblick des Tigers war vielleicht noch nicht mal das Schlimmste: Denn sobald Rhuna die Szene erfasst hatte, blieb ihr einen Moment Zeit, die Beute zu erkennen. Wo sie vielleicht ein Tier erwartet hatte, entdeckte sie links vom Tiger… Beine. Menschliche. Schaute sie rechts am Tiger vorbei, sah sie einen Kopf. Mit schwarzer Haut, weißen Haaren und weiten, starren, violetten Augen, denen der Glanz des Lebens fehlte. Noch hatte der Tiger sie nicht bemerkt, denn er fraß genüsslich seine Beute. Jetzt war guter Rat teuer. Der Wind kam von der Seite, sodass eine Witterung nicht wahrscheinlich war. Allerdings zuckten die Ohren des Tigers immer mal wieder hin und her und würden gewiss ihre Bewegung hören, sobald sie daran dachte, wegzulaufen. Bei der Bodenbeschaffenheit käme es einem Selbstmord gleich, wegrennen zu wollen. Selbst bei bester Witterung, hätte sie wohl keine Chance gehabt zu fliehen. Was also tun? Bleiben konnte sie nicht, weglaufen konnte sie nicht. Das Beste an ihrer Situation war noch, dass der Tiger bereits gefressen hatte und offenbar nur noch den letzten Hunger zu stillen versuchte, denn er wirkte satt, zufrieden und demnach schwerfällig. Ob diese Schwerfälligkeit allerdings ausreichte, damit er sie nicht angriff, sobald sie sich bemerkbar machte, blieb zu bezweifeln. Konnte sie klettern? Selbst wenn, ein Blick nach oben reichte, um diese Idee zu verwerfen. Die Baumkronen waren zu hoch und Tiger waren gute Akrobaten. Was also tun? Ein Grollen entrann der Kehle des Königs des Dschungels. Der Tiger leckte mit fleischiger Zunge über seine blutbenetzte Schnauze und schnupperte noch mal an der Leiche. Zufrieden hob er eine Pfote an und wischte sich über die Lefzen, bevor er herzhaft gähnte und den Kopf drehte. Es schien so, als würde er warten, ob etwas passierte oder überlegen, was er nun mit dem Rest des Tages anfangen würde, bevor er sich behände erhob und streckte. Dabei ließ er erkennen, dass er muskulös und kräftig war. Kein Gramm Fett zu viel, keine Blessuren, die ihn verunstalteten. Er schien wahrlich ein guter Kämpfer zu sein, wenn er sich bisher so behauptet hatte. Was bedeutete das für Rhuna? Vielleicht verschwand er ja einfach. Er bewegte sich einen halben Meter von der Beute und gab den Blick auf den zerfressenen Oberkörper des armen Tropfes frei. Rhuna wusste, dass wenn nicht mehr viel Blut aus dem Leib floss, dass derjenige dann bereits seit längerem Tod sein musste. Das hatte sie in der Klinik aufgeschnappt. Dennoch, so bannend der Anblick des Toten auch war… der Tiger war äußerst lebendig und er machte keine Anstalten, ihr den Gefallen zu tun, wegzugehen.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 3. August 2022, 18:15

Das Geräusch, dem Rhuna nun vorsichtig stetig näher kam wurde lauter und der beißende Geruch, den sie zuvor dem modrigen Boden zugeordnet hatte, sprachen nun eine deutliche Sprache: Tod! Doch als diese Erkenntnis die unglückselige Elfe traf, war sie nur noch ein paar Schritte von der Ursache entfernt. In die Hocke gehend und ihre Gestalt hinter einem bemoosten Stamm verbergend, den einige andere Pflanzen als nahrhaften Untergrund anzusehen schienen, streckte sie sich nur soweit vor, dass sie einen Blick auf die Gefahr werfen konnte, in die sie sich erneut gebracht hatte.
Ihre Augen erblickten zum ersten Mal die Gestalt eines leibhaftigen Tigers. Das Tier war wunderschön, ehrfurchtgebietend und wurde zu Recht König des Urwaldes genannt. Rhunas Atmung wurde allerdings nicht alleine deshalb flacher. Der Tiger zerfleischte den leblosen Körper eines Menschen, dessen Antlitz und Gestank ihr vor Grauen eine Gänsehaut bescherte. Ein schwerer Kloß bildete sich in ihrer Kehle, als sie zusah, wie große Stücke Fleisch aus dem Körper gerissen wurden. Das Knacken und Brechen der Knochen ließ ihr den Schauder bis in den Nacken laufen.
Was sollte sie nun tun? Bisher hatte Rhuna nur gegen die Hindernisse des Urwaldes ankämpfen müssen, doch nun stand sie, glücklicherweise noch verborgen, einem Geschöpf gegenüber, dass ihr Leben sehr schnell beenden könnte, wenn es sich provoziert fühlen würde.
Es brach keine Panik in ihr aus. Mochte es Instinkt sein oder der widersprüchliche Fakt, dass sie das Tier nicht so sehr fürchtete, wie beispielsweise ein Rieseninsekt. Dennoch wollte sie, wenn möglich lebendig die Situation wieder verlassen.
Ich muss ruhig bleiben. Tiger sind keine blutrünstigen Mörder und dieses Tier sieht zudem auch noch wohlgenährt aus. Der Leichnam stinkt fürchterlich und ich bin übersäht mit Dreck und Matsch. Mein Geruch sollte also nicht auffallen, wenn der Wind ihn nicht direkt zu seiner Nase leitet. Rhunas Blick huschte umher und sie wog ab, wie sie vielleicht am ehesten flüchten könnte, ohne bemerkt zu werden. Ihr fiel nicht viel ein, außer dem Rückzug in die Richtung, aus der sie gekommen war, denn dieser war dank des Untergrundes der leiseste Weg. Als sich der Tiger erhob erstarrte sie wieder. Wäre ihr Leben nicht in Gefahr, hätte sie ihn noch länger betrachten können, obwohl das Blut an seiner Schnauze und der Leichnam des Menschen die Schönheit durchaus zu trügen vermochte.
Was hatte sie sich nur dabei gedacht alleine loszuziehen? Sie war weder eine Kämpferin noch hatte sich ihr angebliches, magisches Talent in irgendeine Richtung entfaltet. Sie hatte ja nicht einmal großes Können in der Handhabung von Pfeil und Bogen. Pharus hatte eindeutig die falsche Person für die Erfüllung seiner letzten Bitte ausgewählt. Sie war nichts weiter als eine verwöhnte und wohlbehütete Elfe, die sich überschätzt hatte. Im Grunde konnte sie nichts besonders gut.
Dreierlei Gedanken huschten Rhuna nur für ein paar Sekunden durch den Kopf. Mehr konnte sie sich auch nicht erlauben, denn diese würden ihr Problem nicht lösen. Ihr fiel nur eine Handlung ein, die den Tiger vielleicht ablenken würde, doch konnte sie, wenn sie wieder die falsche Entscheidung traf, damit auch ihr Schicksal besiegeln. Ein Stein, etwas größer als ein normales Hühnerei lag neben ihr, den sie, verborgen vor den Augen des Tigers in die entgegengesetzte Richtung von ihrer Person werfen könnte. Wenn sie Glück hatte würde der Tiger in diese Richtung laufen; vielleicht würden sogar ein paar andere Tiere vom Stein aufgeschreckt werden, deren Lärm von ihr ablenkte. Doch vielleicht würde er sich auch gar nicht fortbewegen und nur noch wachsamer werden. Immerhin lag hier noch der Rest seiner Mahlzeit, von der er sich sicher nicht allzu weit entfernen würde.
Der Weg zurück bot ihr keine guten Fluchtmöglichkeiten. Würde sie den Weg weiter hinab folgen und in einer Kuhle enden, die sich als Sackgasse entpuppen würde, hätte der Tiger erst recht leichtes Spiel mit ihr, sollte er sie verfolgen.
Wäre das alles nur ein Alptraum…, dachte sie entmutigt im Sinne eine neue dumme Entscheidung zu treffen, als sie den Stein in die Hand nahm und leise ein paar Schritte zurück schlich, bedacht darauf auf nichts zu treten oder Geräusche zu machen.
Einfach leise zurückzugehen war zu unsicher. Etwas musste den Tiger zumindest ein bisschen ablenken, so dass sie etwas Distanz zwischen sie bringen konnte. Ausholend warf sie den Stein, dankenswerter Weise in die Richtung, die von ihr wegführte und in dem der Wind die Geräusche nicht mit sich trug. Ein paar Kirinkis wurden aufgeschreckt, die hoch schreiend aufflogen und sich in die Lüfte begaben.
Rhuna nutzte die Gelegenheit und den Lärm um sich leise zurückzuziehen, betend, dass der Tiger ihr nicht doch folgte.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 4. August 2022, 11:17

Die Situation wurde nicht besser. Rhuna begann an sich zu zweifeln, ob sie sich die Reise tatsächlich gut überlegt hatte. Nie hätte sie es für möglich gehalten, dass bereits wenige Stunden nach ihrem Aufbruch, die Situation derart desolat enden sollte. War sie unfähig? War sie all die Jahre so sehr unterdrückt worden, dass sie jetzt zu gar nichts in der Lage war? Etwas in der Elfe weigerte sich, das tatsächlich anzunehmen. Rhuna hielt sich versteckt, wagte kaum zu atmen, während der Tiger sich in voller Schönheit präsentierte. Da war dieses Geräusch wieder, welches sie hierhergelockt hatte. Ein Schaben, dann ein Reißen, das Brechen von Knochen. Ekelerregend. Noch hatte der König des Dschungels die zarte Elfenreisende nicht bemerkt. Das war ihr Glück, denn so erhielt sie die Möglichkeit, ihre Situation zu analysieren und sich etwas auszudenken, was ihr bei einer Flucht helfen konnte. Doch was? Es schien ausweglos zu sein, denn wenn sie auch nur einen falschen Schritt tat, würde der Tiger sie entdecken und sich womöglich bedroht fühlen. Allerdings ergab sich Rhuna nicht ihrem vermeintlichen Schicksal. Die Selbstzweifel mussten warten – sie würden sie hier nicht retten oder den Tiger davon abhalten, sie als Dessert zu sehen. Nein, sie musste handeln und schaute sich um. Zu ihren Füßen, unweit ihrer Position, lag ein faustgroßer Stein. In ihr keimte eine Idee und sie schien die einzige zu sein, die ihr jetzt helfen konnte. Und plötzlich waren da keine Zweifel mehr, sondern ihr Wagemut trat an die Stelle. Der Tiger gähnte genüsslich und ausgiebig und die Shyánarin nutzte diesen Moment, um sich den Stein zu holen. Jetzt oder nie. Rhuna warf den Stein so weit sie konnte. Das dumpfe Aufprallen schreckte die Paradiesvögel auf, die sich schimpfend und mit lautem Flügelschlag in alle Richtungen davonstahlen. Der Tiger grunzte alarmiert und hob den Kopf. Seine Ohren stellten sich auf, sein massiger Körper erhob sich und er lauschte in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war. Das gab Rhuna die Möglichkeit, den zweiten Teil ihres Planes zu initiieren. Langsam machte sie sich behutsam auf den Weg, zog sich mehr und mehr zurück. Kein Stock lag ihr im Weg, kein Stein stellte ihr eine Falle, sodass sie trittsicher zurückweichen konnte. Der Tiger allerdings blieb, wo er war. Er lauschte weiter in die Richtung, in der der Stein gelandet war, schaute nach den Vögeln und schnupperte, hechelte. Er nahm Witterung auf. Nur keine hastigen Bewegungen, dann würde sie einen Vorsprung ergattern können. Allerdings blieb die Frage, ob das ausreichend sein würde.

Plötzlich richteten sich die Ohren starr auf eine unbestimmte Stelle vor der Schnauze des Tigers. Er verharrte, schien sogar den Atem anzuhalten. Er hatte etwas gehört. Der Kamm am Übergang zum Schwanz des Tieres stellte sich auf. Die Raubkatze wirkte alarmiert und das gab Rhuna noch mehr Zeit, sich schleunigst aus dem Staub zu machen. Der Tiger begann damit, unruhig auf und abzuwandern und um seine Beute zu schleichen. Dann, ganz plötzlich brummte der Tiger auf und machte einen großen Satz, ehe sein leuchtendes, orangenes Fell in die entgegengesetzte Richtung der Elfe verschwand. Sie konnte seine Schritte noch einen Moment lang hören, dann wurde alles still. Sehr still. Rhuna war zwar bereits einige Schritte weit gekommen, hatte aber immer noch eine gute Sicht auf den Toten. Jetzt, wo die Gefahr für den Moment gebannt war, konnte sie sich die Zeit nehmen den Mann genauer zu betrachten. Es war definitiv kein Tabiki. Kein Shyáner und auch kein Affenhybrid. Die dunkle Hautfarbe zeigte deutlich, dass dieser Mann zu den Dunkelelfen gehörte. Waren sie denn schon so nahe? Es blieb keine Zeit, sich das Massaker genauer anzusehen und nach den Schrecken, die sie bereits erlebt hatte, wäre das vermutlich auch zu viel des Guten. Rhuna sollte zusehen, dass sie endlich weit weg von der stinkenden Mahlzeit und dem gefräßigen Tiger kam, damit sie vor dem Abend das Dorf Hajikya erreichte. Oder wollte sie nach Hause? Der Weg zurück kam ihr bekannt vor und sie erreichte die Gabelung, an der sie sich für den Weg des Tigers entschieden hatte. Die Senke war wohl immer noch keine Option, weshalb sie sich einfach in einer gedachten Verlängerung zu ihrer Position bewegen konnte. Es war nicht leicht sich überhaupt zu orientieren, denn noch immer gab der Sonnenstand keinen Hinweis auf ihren Standort. Moos wuchs hier zwar spärlich, aber sie hatte ja auch keine genaue Angabe, wo sich dieses Dorf der Tabiki befand. Während Rhuna sich noch ihren Weg suchte, schienen die Götter endgültig entschieden zu haben, dass sie nichts bei einer solchen Unternehmung zu suchen hatte: Plötzlich und ohne Vorwarnung, war der Tiger plötzlich vor ihr in den Weg gesprungen und zeigte ihr die scharfen Zähne. Er fletschte sie an, lauerte und drängte das Mädchen schließlich mit kraftvollen Schritten zurück. Rhuna konnte nichts anderes, außer zurückweichen, bis sie in ihrem Rücken ein Hindernis verspürte. Einer der dickeren Bäume bohrte sich ihr in den Rücken, sodass sie lediglich panisch zusehen konnte, wie der Tiger ihr näher kam. Und näher. Er hatte die Ohren halb angelegt und fixierte sie mit seinem goldenen Blick. Er kam noch näher. Seine Schnauze befand sich nun auf Höhe ihres Bauches, ehe er den Kopf hob, sich aufbaute und seine Schnauze so dicht vor ihrem Gesicht verharrte, dass sie ihn mit ihrer Nasenspitze beinahe berührte. Sekunden vergingen… er witterte ihren Geruch. Kein Dreck, kein Matsch konnte nun aufhalten, was er in seine Sinnesorgane aufnehmen würde. Es war beängstigend und bedrohlich.
Dann öffnete der Tiger das Maul und entblößte die unzähligen, scharfkantigen Zähne. Jeden Augenblick würde er zubeißen und Rhuna zu den Göttern schicken, die sie offenbar verlassen hatten. Hätte sie mehr zu Florencia und Phaun beten sollen? War sie verstoßen worden? Wie erbärmlich ihre Reise begonnen hatte… wie unrühmlich sie nun zu Ende ging. Von einem Tiger gefressen – einige Stunden weit ihres Zuhauses entfernt. Doch bevor der Tiger zubeißen und Rhuna mit ihrem Dasein abgeschlossen haben konnte, gellte ein Pfiff durch den Dschungel. Der Tiger hielt inne und stellte die Ohren wieder auf. Er lauschte. Ein neuer Pfiff und die gelben Augen richteten sich auf Rhuna, als bedaure er etwas. Dann zog er sich zurück. Er ließ der Elfe Platz, ging drei Schritte rückwärts und setzte sich dann wie ein braves Schoßkätzchen auf seinen Hosenboden. Jetzt wirkte er ganz und gar nicht mehr bedrohlich, sondern im Gegenteil: Der Tiger legte den Kopf schief und musterte Rhuna nach wie vor, doch keine Drohung ging von seinem zum Töten bestimmten Körper aus. Dann erregte eine weitere Bewegung im Sichtfeld der Elfe Aufmerksamkeit. Plötzlich trat aus den Schatten, hinter dem Tiger, ein junger Mann. Er trug eine braune Lederhose, dazu Stiefel und über seiner nackten, muskulösen Brust, spannte sich eine Bogensehne. Dunkelbraune Haare hingen ihm etwas länger und zottelig über die Stirn in die Augen. Auf seinem Rücken, oberhalb seiner Schulter, konnte man einen Köcher mit Pfeilen erkennen. Der Mann kam zügig neben dem Tiger zum Stehen. Er betrachtete Rhuna mit wachen Augen und legte eine Hand flach auf den Kopf des Tigers. „Bist du verletzt?“, fragte er mit ehrlicher Sorge in der Stimme. „Hat er dir wehgetan?“, wollte er wissen und trat noch näher an Rhuna heran. Sie konnte unter den dunklen Haaren spitze Ohren erkennen. Als er nähertrat, blieb der Tiger, wo er war und beobachtete lediglich das Treiben. Der Mann, der ein gutes Stück größer als Rhuna war, neigte sich ihr etwas entgegen und betrachtete aus braunen Augen eingehend ihr Gesicht und ihren Körper, auf der Suche nach Verletzungen.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Freitag 5. August 2022, 01:17

Viele Optionen waren Rhuna schlichtweg nicht geblieben. Keine besaß eine Garantie, dass sie unversehrt und vom Tiger unentdeckt entkommen könnte und vor allem war selbst danach nicht klar, ob sie nicht doch auf einem anderen Wege wieder aufeinandertreffen würden. Tiger blieben innerhalb ihrer Territorien und in diesem schien sich die Shyána Elfe gerade aufzuhalten.
In dem Ablenkungsmanöver mit dem Stein sah sie einfach die größte Möglichkeit ihn von sich abzulenken und einen Vorsprung zu gewinnen. Und tatsächlich schien ihr ‚Plan‘ vorerst aufzugehen. Der Tiger war alarmiert und verschwand einige Momente später in die entgegengesetzte Richtung. Was nicht bedeutete, dass sie nun aufspringen und wegrennen konnte. Noch immer versucht leise wie auf Katzenpfoten, versuchte Rhuna Abstand zu gewinnen, verfolgt vom toten Blick des Leichnams. Erst in diesem Moment erkannte sie, dass das grotesk entstellte Gesicht nicht das eines Menschen war, sondern einer anderen Elfen Art. Die spitzen Ohren waren ein ziemlich sicherer Hinweis darauf. Aufgrund der dunklen Hautfarbe und den hellen Haaren konnte er kein Shyáner sein. Niemand im Dorf sah auch nur so ähnlich aus. Und obwohl sie noch niemals einem persönlich begegnet war wusste sie sofort, dass der Tote ein Dunkelelf gewesen war.
Was macht ein Dunkelelf hier? Und auch noch so nah an Shyána Nelle? Pharus Worte wiederholten sich in ihrem Kopf, der ihr natürlich vom Angriff des Dunkelelfs erzählt hatte. Doch in seiner Geschichte hatte er dem Gegner vor dem Urwald entwischen und im dichten Unterholz Schutz finden können. War er Pharus gefolgt? War es dieser Mann gewesen, der für den Tod ihres Freundes verantwortlich gewesen war, oder waren es noch mehr? Liefen vielleicht sogar noch lebendige Dunkelelfen durch den Wald? Zeit all diese Fragen zu rätseln hatte Rhuna in diesem Moment jedoch nicht. Nicht, wenn sie nicht als Dessert dem Hauptgang folgen wollte. Sie wandte den Blick ab und lief den Weg zurück, den die gekommen war. Dieser erschien ihr vertraut und als sie sich für eine neue Richtung entschieden hatte und immer mehr Distanz zwischen sie und der Futterstelle bekam, je stärker spürte sie ein aufkommendes Zittern ihrer Hände. Die Gefahr in der sie geschwebt hatte – noch immer noch schwebte war ihr nur allzu bewusst.
Bleib ruhig…! Bleib ruhig! Fahrig strich sie sich über die Hände und Unterarme, im Versuch das Zittern damit zu verringern, das sie auch in ihren, sowieso schon angestrengten Beinen, zu spüren begann. Der Pfad erlaubte ihr bisher nicht erneut im Morast einzusinken. Ihr Körper durfte sich nun selbst nicht auch noch einen Nachteil verschaffen…
Ein plötzliches Rascheln und das leise Knacken einiger kleinerer Äste drang an ihre feinen Ohren. Dann war es auch schon zu spät! Vor ihr war der Tiger aus dem Dickicht gesprungen und versperrte ihr in seiner ganzen imposanten und bedrohlichen Schönheit den Weg. Rhuna war stocksteif stehen geblieben, ihr Herz setzte einen Moment aus, bevor das Adrenalin weiter kräftig durch ihre Adern gestoßen wurde. Ihre vor Schreck geweiteten Augen blickten in die des geschickten Jägers. Seine schweren und zugleich geschmeidig wirkenden Pfoten setzten sich in Bewegung und mit gefletschten Zähnen, begann er sie zurückzudrängen. Die junge Elfe wich zurück, was blieb ihr auch anderes übrig? Schritt für Schritt ging sie rückwärts und Schritt für Schritt schien die Distanz immer kleiner zu werden. Ein erneuter Schreck ging Rhuna durch die Glieder, als sie mit dem Rücken gegen die harte Außenseite eines Baumes stieß. Sie saß in der Falle!
Was ging jemandem in einem solchen Moment durch den Kopf? Die Gedanken des armseligen Elfenmädchens waren ein einziges Chaos. Sie sah wortwörtlich ihr Leben an sich vorbeiziehen. Hier und jetzt würde ihre gerade begonnene Reise ein Ende finden. Sie würde ihre Eltern und Geschwister niemals wiedersehen und sie in Ungewissheit zurücklassen. Niemals würde sie herausfinden, wer sie eigentlich war und sie würde ihr Versprechen an Pharus nicht einhalten können.
Der Tiger bäumte sich auf, ihr Körper drückte sich schmerzhaft gegen die Rinde des Baumes und zuckte zusammen. Die Luft in ihren Lungen schien keinen Weg hinaus zu finden. Das einzige was die Elfe wahrnahm war einwarmer und nicht besonders wohlriechender Atem, der ihr Gesicht streifte.
War meine Entscheidung wirklich so falsch? Habe ich nur falsche Entscheidungen getroffen und falsche Wege eingeschlagen? Etwas in Rhuna wollte nicht bedauern, wollte sich nicht vollends die Schuld an ihrer Reihe von Misserfolgen geben, denn auch wenn sie wegen diesen nun sterben würde, auch wenn sie zwischenzeitlich gezweifelt hatte, sie war von den Gründen ihrer Reise überzeugt gewesen! Natürlich wollte sie nicht sterben, nicht jetzt und hier. Doch was sich für sie nun herauskristallisierte war, dass sie nur bedauerte, trotz ihrer eigentlich guten Absichten nicht die Möglichkeit zu bekommen etwas zu erreichen.
Aus der Kehle des Tigers wich ein, für ihre Augen grauenvoller klang, als er sein Maul aufriss. Jetzt war es vorbei. Rhuna kniff ihre Augen in Erwartung von Schmerz und einem tödlichen Biss feste zusammen. Dann erklang ein greller Pfiff. Sekunden vergingen, in denen nichts passierte. Der totbringende Biss blieb aus. Ein erneuter Pfiff drang an ihr Ohr und sie nahm eine Bewegung vor sich wahr. Vorsichtig, mit zittrigen Lidern öffnete die Brünette ihre Augen. Anstatt in das kaum 5cm entfernte Antlitz des Tigerkopfes zu blicken, sah sie die Großkatze ein paar Meter von sich entfernt auf dem Boden sitzen. Seine gesamte Haltung hatte sich verändert, doch ihre Gedanken ließen noch nicht den Schluss zu, dass dieser sie nicht länger bedrohte. Spielten ihre Augen ihr einen Streich? War dies ein Streich, den ihr ihre Gedanken spielten? Eine Wunschvorstellung?
Verwirrt und sprachlos stand Rhuna da, nicht imstande zu begreifen, was gerade geschah! Ihre Lungen forderten schmerzhaft nach neuem Sauerstoff und zitternd holte, ja schnappte sie nach Luft. Der Tiger regte sich noch immer nicht. Dafür jagte ihr ein neuer Schreck durch die Glieder, als sich eine weitere Gestalt aus dem Schatten hinter dem Tiger löste. Doch kein weiterer Tiger erschien, wie ihre Instinkte zunächst argwöhnisch befürchtet hatten. Es war ein brünetterMann, der neben der gestreiften Großkatze stehenblieb und dieser über den Kopf streichelte.
In Rhunas Blick war zu erkennen, dass sie nicht in der Lage war zu verstehen, was gerade passierte. Sie hatte dem Tod gerade noch ins Auge gesehen und nun bot sich ihr das Bild eines halb entblößten Mannes, der einen Tiger, wie eine Schmusekatze hinter den Ohren kraulte - das keine 5 Minuten zuvor am Leichnam eines verwesenden Dunkelelfes gekaut hatte. In ihren, noch immer vor Angst geweiteten Augen, mischte sich übergroße Verwirrung. Und erst als der Mann sie ansprach schien sie aus ihrem Zustand aufzuwachen.
"Was…?" Ihre Stimme klang brüchig und zitterte, als sie versuchte ein paar Worte herauszubringen. Ihre Augen richteten sich auf das Gesicht des Fremden. Sie konnte unter den dunklen Haaren spitze Ohren erkennen.
Ein Elf…???
„Hat er dir wehgetan?“, hörte sie ihn erneut fragen. Rhuna hörte die Besorgnis in der Stimme und wurde sich erst ein paar Sekunden später bewusst, dass ihr Retter sie auf Celcianisch ansprach. Da sie ihm noch immer nicht geantwortet hatte, schien dieser sich dazu entschlossen zu haben, sich selbst von ihrer Unversehrtheit zu überzeugen, denn er kam auf die Shyáner Elfe zu, neigte sich leicht vor und musterte sie mit seinen braunen Augen. Ihre Blicke trafen sich und aus Rhunas Augen löste sich eine Träne, die ihr still über die Wange lief.
„Nein...!“, antwortete sie leise und schüttelte kaum merklich mit dem Kopf. Die Erkenntnis, dass sie weder verletzt, noch gestorben war, drang durch ihr unter Schock stehendes Bewusstsein. Ihre Beine fühlten sich mit einem Male unglaublich kraftlos an und trugen sie lediglich nur noch, weil sie gegen den Baum gestützt lehnte.
„Aber ich… begreife nicht…! Er wollte mich angreifen. Doch nun sitzt er da und … und du …“ Noch schien sie keinen anständigen Satz hervorzubringen, doch ihre Stimme gewann zumindest ein wenig an Stärke. Ihre Verwirrung war dennoch klar und deutlich herauszuhören.
Mit ‚er‘ meinte sie in diesem Moment den Tiger, auf den sie leicht deutete, bevor ihr, noch immer leicht zitternder Zeigefinger beim ‚du‘, auf den Fremden vor sich deutete.
„Wer bist du…?“ Ihre Augen, die zuvor denen eines angsterfüllten Kaninchens vor der Schlange geglichen hatten, wurden schmaler und obgleich ihr Blick keineswegs entspannt war, sah man in diesem, neben der Verwirrtheit über diese Situation, ihren Versuch die Puzzelteile der Situation zusammenzusetzen. Musternd betrachtete sie sein Gesicht. Dieser Mann hatte sie gerettet, oder nicht? Völlig verstand die junge Elfe es nicht, doch der Abbruch des Angriffs schien mit dem Fremden zusammenzuhängen. Hatte sie nicht zuvor ein Pfeifen gehört?
Sie sah an ihm vorbei und aus einer Mischung aus Misstrauen und Angst zum König des Urwaldes, der dort saß, als könne er kein Wässerchen trüben. Dann traf wieder Violett auf Braun.
„Bin ich… noch in Lebensgefahr?“, fragte Rhuna ihren Retter, traute sich nicht der aufkeimenden Hoffnung zu vertrauen. Durch den Schock und die Todesangst sickerten die Erkenntnisse nur Stückchenweise durch und formten sich zu einem zweifelhaften Bild der erlösenden Sicherheit. Durfte sie diesem vertrauen? Hatte der Alptraum ein Ende und sie konnte sich einfach bedanken und… - weiter dachte die Brünette noch nicht.
Der Tiger scheint zu ihm zu gehören?! So unglaublich dieser Gedanke auch für sie klang. Ihre Füße wollten nachgeben, die Last, die sie trugen, durch Erleichterung erlöst abgeben und den Körper einfach am Baumstamm hinab zu Boden sinken lassen. Doch die geschundene Abenteurerin musste es wohl aus dem Munde eines anderen hören, um loslassen zu können.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Samstag 6. August 2022, 02:47

Natürlich hätte sich Rhuna vorbereiten können. Besser vorbereiten können. Für ihre Fähigkeiten war sie eventuell etwas übereilt losgeprescht, hatte ihre Ketten gesprengt und den Halt danach verloren. Konnte man ihr das negativ anlasten? Zum ersten Mal in ihrem Leben entschied sie selbst. Plante sie und fing etwas Wahrhaftiges mit ihrem Leben an. Und das auch noch im Zeichen der Nächstenliebe. Wie könnte man sie da schief ansehen und missbilligend den Kopf schütteln? Rhuna war jung und sie war willensstark. So sehr, als dass sie sich einfach nicht unterkriegen lassen wollte! Das Ablenkungsmanöver für den Tiger wirkte. Er suchte sein Heil in der anderen Richtung und gab ihr die Möglichkeit, sich zu retten. Doch offenbar hatten die Götter derzeit andere Dinge zu tun, denn niemand sah sie, wie sie mit einem Mal endgültig zu scheitern drohte. War es das? Das Ende ihrer Reise, das Ende ihrer Freiheit? Ihres Lebens? Es schien fast so und Rhuna musste das mit bitterem Beigeschmack und in dem miesen Atem eines Tigers erkennen. Der Tiger würde jeden Augenblick zubeißen und sie dieser Welt entreißen. Allerdings blieb der Biss des Todes aus. In Erwartung des Schmerzes verstand die Elfe nicht, dass sie soeben dem sicheren Tod entkommen war. Sie war zu sehr von dem Schrecken benebelt und erst als der Mann sie ansprach, wagte sie es überhaupt sich zu rühren. Allerdings eher dergestalt, dass eine einsame Träne ihre Bahn über die zarte, wenn auch leicht verdreckte, Haut zog. Der Elf bedachte dies mit einem Blick und wartete geduldig, bis sie erste Worte fand. Ihr Gestammel brauchte Zeit und er schien sie ihr zu geben. Allerdings sah er kurz über seine Schulter zum Tiger, der noch immer dasaß, als würde er gar nicht wissen, was sie meinte. Nach und nach kehrte das vermeintlich verlorene Leben in die Brünette zurück und sie fasste mehr und mehr klare Gedanken. „Langsam, langsam…“, beruhigte sie die sonore Stimme des Fremden und er hob beschwichtigend die Hände etwas an. Ihm ist offenbar klargeworden, welchem Schreck sie ausgesetzt war. Erneut tastete sein helles Braun ihren Körper ab. Er glaubte ihrer eigenen Einschätzung nicht so recht, was durchaus sein konnte, denn jemand der unter Schock stand, wusste nicht unbedingt darüber Bescheid, wie schwer er verletzt war. Also nahm er sich den Moment, bevor er ihr galant eine Hand reichte. Er würde Rhuna stützen, wenn sie das brauchte und sie sogar vor einem Sturz bewahren. Erst wenn er sie ein Stück vom Baum fortgeführt hatte und sie halbwegs sicher auf ihren Beinen wäre, würde er das Wort wieder erheben.

„Du bist, was Raji hier betrifft, außer Lebensgefahr.“, versicherte er ihr und deutete auf den Tiger. Das angesprochene Tier hob den Kopf bei seinem Namen und stellte neugierig die Ohren auf. Der Fremde sah ihn tadelnd an. „Guck nicht so! Du hast sie zu Tode erschreckt, was denkst du dir dabei?!“, fragte er ihn kopfschüttelnd. Der Tiger senkte den Kopf und jaulte kleinlaut, ehe er Rhuna tatsächlich einen harmlosen Blick schenkte. Offenbar verstand das Tier. Der Mann kam mit seiner Aufmerksamkeit zu Rhuna zurück und lächelte entwaffnend. Er hatte weiße Zähne und wirkte ohnehin gepflegt. Seine entblößte Brust war glatt und die Sehne des Bogens hinterließ einen Abdruck auf seiner Haut. Sobald er sicher war, dass sie ohne seine Stütze stehen konnte, zog er sich den Bogen über den Kopf und rieb sich, das Gesicht verziehend, über die Brust. „Es ist nie klug seinen Bogen so zu tragen. Die Sehne schneidet sich in die Haut, es tut höllisch weh“, erteilte er ihr ungefragt eine Lektion und grinste dann.
Danach winkte er allerdings ab und strich sich mit den Fingern seiner Hand, durch das etwas längere, braune Haar. Seine Haut am Körper war wettergegerbt und bei genauerer Betrachtung konnte man auch hier und dort Narben erkennen. „Also, der Übeltäter da ist Raji.“, stellte er den Tiger vor. „Und ich bin Yedan.“, fügte er hinzu. „Raji ist nicht wirklich mein Tiger. Eigentlich läuft er mir nur wie ein Schoßkätzchen hinterher und hört nicht auf damit, mir meine Beute zu zerlegen.“, tadelte er den Tiger abermals, ohne zu ahnen was Raji gerade erst tatsächlich zerlegt hatte und sah ihn erneut mit erhobener Augenbraue an. Der Tiger schnaubte und schüttelte den Kopf, als würde er dem nicht zustimmen. „Ist doch so!“, grinste Yedan und wandte sich an Rhuna. „Und wer bist du?“, er sah sich um, blickte über ihren Kopf, als suche er etwas. „Bist du allein im Wald?“, hakte er nach und musterte sie wieder. „Du solltest wirklich nicht alleine hier sein.“, bemerkte er halblaut und wirkte in Gedanken. Er betrachtete Rhuna erneut. In seinem Blick lag allerdings jedes Mal eine unschuldige Professionalität. Er schien tatsächlich helfen zu wollen und mit nichts in seiner Mimik oder Gestik oder mit dem was er sagte, konnte er eventuelle Zweifel befeuern. Yedan sah sich einmal um und schien kurz zu lauschen. „Kannst du laufen?“, wollte er von der zarten Elfe wissen, ohne sie anzusehen. „Soll ich dich irgendwohin bringen?“, fragte er allerdings und warf ihr ein charmantes Lächeln entgegen. Alles in allem war es wohl ein Glück, dass Yedan hier ihren Weg kreuzte und dann auch noch so hilfsbereit war. Vielleicht wendete sich das Blatt gerade ein wenig?
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Samstag 6. August 2022, 19:56

Für jemanden, der dem Tode gerade von der Schippe gesprungen war, war es nicht einfach die Situation schnell zu begreifen und sich zu beruhigen. Rhuna bekam nur am Rande mit, dass ihr Retter seinen Blick aufmerksam und besorgt über sie schweifen ließ, bis sich seine saubere Hand in ihr Sichtfeld schob. Für einen Moment sah sie diese nur an, ergriff sie dann zögernd und fand unerwarteten und stützenden Halt. Vielleicht lag es am Schock - ihre Hand fühlte sich gegen seine eiskalt an. Doch war es eben diese Wärme, begleitet von seiner beruhigenden Stimme und der Tatsache, dass die Raubkatze sich nicht vom Fleck rührte, die Rhuna langsam aber sicher, das Gefühl von aufkommender Sicherheit übertrug. Aber erst als der Brünette ihr versicherte, dass vom Tiger Raji – der König des Dschungels besaß tatsächlich einen Namen, wie daheim die Haustiere - keine Gefahr ausging, wurde die Hoffnung zur Gewissheit. Rhuna sank vor Erleichterung ein paar Zentimeter am Baumstamm hinab und atmete tief ein und aus. Ihre Lungen brannten, als hätte sie die letzten Minuten vergessen anständig Luft zu holen.
„Den Göttern sei Dank…!“ Das Herzklopfen ebbte langsam ab und fand zurück zu einem, mehr oder weniger normalen Rhythmus. Ihr Blick hob sich ein wenig und trotz einer gewissen Skepsis, beobachtete Rhuna den Elfenmann dabei, wie dieser den Tiger dafür tadelte, ihr solch einen Schrecken eingejagt zu haben.
Es ist fast so, als würde der Tiger ihn tatsächlich verstehen! War der Mann vor ihr ein Naturmagier? Oder kam es ihr nur so vor, dass das Tier die Bedeutung der Worte verstand? Eigentlich war es der Brünetten egal. Sie war einfach nur froh darüber, dass der Tiger auf ihren Retter zu hören schien.
Nun, da sich Rhuna wieder im Griff hatte, fand sie die Ruhe und Zeit den Fremden ein wenig genauer zu betrachten. Die Lichtverhältnisse waren zwar noch immer nicht optimal, doch es reichte aus, um sich einen ersten Eindruck zu verschaffen: Er war groß gewachsen und muskulös. Und im Gegensatz zu ihr, in ihrem aktuellen Zustand, besaß er ein gepflegtes und sauberes Äußeres. Das Lächeln, das er ihr schenkte, war sympathisch und hatte eine entwaffnende Wirkung. So, dass sie Raji den ‚Angriff‘ und Schrecken nicht mehr ganz so übelnahm. An und für sich hatte er ein hübsches Gesicht, auch wenn seine Haare ihm – vielleicht ein klein wenig zu lang gewachsen und verzottelt, über die Stirn in die Augenpartie ragten.
Ein Shyáner Elf war ihr Retter nicht, auch wenn er so wirkte, als wäre ihm Kapayu wohlbekannt. Und sie war das besten Beispiel dafür, dass der Urwald außerhalb von Shyána Nelle für Shyáner Elfen schon tiefstes Ausland bedeuten konnte.
Dennoch, was tat der Fremde hier und wo kam er her? Lebte er hier lange genug, das sich eine Art Freundschaft oder Zweckgemeinschaft zwischen ihm und Raji bilden konnte? Waren mehr Rassen im Urwald unterwegs, als sie vermutet hatte? Fragen über Fragen bildeten sich in ihrem Kopf.
Aufgrund seiner Erklärung bezüglich der Bogensehne, betrachtete Rhuna seinen nackten Oberkörper ein wenig genauer und erkannte neben dem Abdruck der Sehne einige Narben.
Wie er diese wohl bekommen hat? Das Jagen scheint ihm nicht fremd zu sein. Ist er Jäger und sucht hier im Wald seine Beute?
Die nackte Brust eines Mannes zu sehen war der brünetten Elfe nicht unangenehm oder peinlich. Immerhin hatte sie zwei ältere Brüder und obgleich ihr der Anblick nicht täglich geboten worden war, war er für sie nicht sonderlich neu. Daher war ihr Blick durchaus eingehender, ohne dass sie sich eines Fehlverhaltens schuldig fühlte.
Ihr Blick hob sich erst, als er sich mit der freien Hand durch die Haare strich und sich ihr vorstellte. Als würde sie seine Bewegung unbewusst spiegeln, strich auch Rhuna sich eine lose Strähne hinters Ohr.
„Yedan…!“, wiederholte sie kurz und ein wenig nachdenklich seinen Namen. Einen Namen, den sie das erste Mal zu hören bekam.
„Entschuldige. Ich hätte mich zuerst vorstellen sollen. Mein Name ist Rhuna!“, stellte sie sich nun ihrerseits vor und sah ihm in die hellbraunen Augen. Sein suchender Blick an ihr vorbei ließ auch sie sich suchend umsehen. Bei der halben Drehung spürte sie einen Widerstand und ihr fiel jetzt erst auf, dass sie seine andere Hand die ganze Zeit über nicht losgelassen hatte. Nun kroch der jungen Elfe doch eine sanfte Röte in die Wangen und sie ließ seine Hand vorsichtig los. Ein wenig verlegen machte sie einen Schritt zurück. Auf Yedans Frage, ob sie alleine im Wald sei, nickte sie nur.
„Ich reise alleine…!“, gab Rhuna ein wenig kleinlaut zu und konnte seiner Äußerung, dass sie besser nicht alleine hier im Urwald sein sollte, nur stumm beipflichten. Die Begegnung mit Raji hatte die junge Frau gelehrt, dass sie noch nicht in der Lage war völlig alleine klarzukommen. Sie benötigte Hilfe…! Yedans musternder Blick rief ihr ins Gedächtnis, wie sie gerade aussehen musste und erneut spürte sie ein kleines Schamgefühl in sich aufkeimen. Nicht, weil sie sich für den Schmutz und Dreck schämte, sondern weil es keiner großer Interpretation bedurfte sich vorzustellen, wie sie diesen äußerlichen Zustand erlangt hatte.
Die Erinnerung an ihre Eskapade und die Kühle, die von ihrer Hand Besitz ergriff, nachdem sie Yedans Hand losgelassen hatte, löste in Rhuna den Drang aus, diese wieder zu ergreifen. Doch natürlich gab sie diesem nicht nach. Ein wenig Würde wollte sie sich nun doch noch bewahren.
„Ich kann laufen, danke. Also…“. Ihr war bewusst, dass sie sich noch immer nicht für die Rettung bedankt hatte. Ihr Blick huschte zu Raji, der seine Zähne in einem Gähnen entblößte. Der Anblick brachte die junge Frau erneut zum schaudern. Ihr kam der zerfleischte Dunkelelf wieder ins Gedächtnis, doch gerade schob sie die Gedanken einfach nur von sich.
Yedan schien selbst abgelenkt zu sein, doch dann fragte er Rhuna, während diese nach den richtigen Worten suchte, die ihrer Dankbarkeit Ausdruck verleihen würden, ob er sie irgendwohin bringen solle.
„Würdest du das tun?“ Sie hatte sofort einen Schritt auf ihn zugemacht und sah ihn mit hoffnungsvollen Augen an. Der Gedanke in nächster Zeit noch einmal alleine gelassen zu werden schien ihr, nach all den Ereignissen, ein echter Graus zu sein. Sie wollte gar nicht wissen, was er über sie denken musste.
„Ich bin eigentlich auf dem Weg nach Santros. Es ist das erste Mal, dass ich alleine unterwegs bin und … ich kam leider nicht so gut zurecht, wie ich es gerne behaupten würde. Ich weiß nicht mehr wo ich bin und ohne dich… wäre ich jetzt nicht mehr am Leben. Ich habe mich dafür auch noch nicht einmal bei dir bedankt. Ich bin so froh dir begegnet zu sein, auch wenn ich… immer noch nicht so ganz verstehe, wieso der Tiger auf dich hört. Mir schwirren tausend Fragen durch den Kopf und ehrlich gesagt… bin ich unglaublich erschöpft und müde. Wenn ich dir damit nicht zu große Umstände bereite, wäre ich dir unglaublich dankbar, wenn du mir helfen würdest den Weg aus Kapayu in Richtung Santros zu finden.“ Rhunas Ehrlichkeit zeigte, dass sie Yedan gegenüber keinen Argwohn oder großes Misstrauen empfand. Vielleicht war dies unklug, doch hatte dieser Mann sie gerettet und ihr blieb nur der Weg ihm zu vertrauen. Mit einem ehrlich entschuldigenden Lächeln sah sie den größer gewachsenen Elf an.
„Ich würde tief in deiner Schuld stehen!“

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 7. August 2022, 07:30

Vielleicht hatte doch, gerade als Rhuna dem Tode ins Maul sah, einer der Götter von seiner Teetasse aufgesehen und interveniert. Denn der Mann, der sich ihr etwas wild in der Optik aber freundlich und charmant präsentierte, kam in aller letzter Sekunde. Als hätte er sich plötzlich materialisiert. Wem auch immer Rhuna diese Kehrtwende in ihrem vermeintlichen Versagen verdanken mochte, sie war froh. Regelrecht erleichtert und dankbar. Der Dunkelhaarige stellte sich ihr als ‚Yedan‘ vor und schien ernsthaftes Interesse daran zu haben, was sie in diesem Wald allein zu suchen hatte. Doch bevor sie ihm diese Antwort liefern konnte, stellte sie sich erstmal vor. Yedan lachte tief auf und sah sie belustigt an. „Wann hättest du dich denn vorstellen sollen? Bevor oder nachdem dich Raji gefressen hätte?“, er schmunzelte noch gutmütig und nickte ihr zu. „Rhuna,.. Bezaubernd deine Bekanntschaft zu machen!“, zwinkerte er und fragte sie anschließend nach ihrer Eskorte. Erst jetzt bemerkte die Reisende, dass sie Yedan bisher nicht losgelassen hatte. Sie entzog sich ihm und er schien es kaum wahrzunehmen. Er wirkte ohnehin nicht wie jemand, der sich mit distanzierter Höflichkeit aufhielt. Er hatte ohne zu zögern Rhunas Hand gehalten, als diese das zusätzliche Standbein benötigte. Und er hatte sie gehalten, bis in ihr der Wunsch nach Abstand aufkam. Er ließ sie und brachte sie nicht noch mehr in Verlegenheit.
Yedan rieb sich gerade die Brust und gab Rhuna Zeit, sich diese näher zu betrachten. Allmählich wurde das Licht noch spärlicher was darauf hindeutete, dass die Sonne sich alsbald gen Horizont senkte. Yedan bot ihr Hilfe an, mehr als er ahnte. Alleine dass er ihr das Angebot überhaupt machte, war wie Balsam für ihr reichlich zerpflücktes Selbstwertgefühl. Der Größere hob überrascht die Augenbrauen, als sie auf ihn zutrat und plötzlich ein wahrer Redeschwall ihren Mund verließ. Yedan wartete und konnte ein amüsiertes Schmunzeln nicht gänzlich verbergen. Als sie fertig war, kratzte er sich überlegend den Hinterkopf. „Bis nach Santros?“, hakte er etwas ungläubig nach, denn offenbar war der Weg weit, das wusste Rhuna durch die Karten, die sie studiert hatte. „Sei nicht böse, aber… hast du dir das gut überlegt?“, fragte er zweifelnd und hob seine Hand, um wie selbstverständlich vertraut ein Blatt aus ihrem einst so hübschen Zopf zu ziehen. Er sah diesem nach, als es zu Boden glitt. Rhuna konnte erkennen, dass der Elf sicher nicht so viel älter, als sie sein konnte. Zwar konnte man das bei ihrer Rasse nie so genau festlegen, aber sie, als Angehörige dieser Rasse, erkannte es, wenn ein Elf tatsächlich bereits betagter war. Yedan wirkte zwar versiert in diesem Umfeld und kannte sich offenbar mit Reiserouten aus, aber er wirkte in ihren Augen keineswegs älter. Dafür war seine Art mit ihr umzugehen auch zu unverfänglich und nah. Er hatte gar keine Berührungsängste oder tat so, als kenne er irgendwelche Gepflogenheiten der Etikette. So hatte er sich auch nicht daran gestört, dass Rhuna ihn intensiver gemustert hatte. „Was willst du denn in Santros?“, wollte er plötzlich wissen und besann sich danach wohl doch noch auf etwas Anstand. „Ich bin nur neugierig.“, entschuldigte er sich halblaut, bevor er ihr etwas Raum gab.

Yedan trat an Raji heran, dem er die Ohren kraulte und der Tiger genüsslich brummte. Es klang wie ein Einverständnis, war allerdings kein Schnurren, wie das einer Katze, das konnten Tiger nämlich nicht. „Tausend Fragen? Vergiss sie bloß nicht!“, wiederholte er grinsend, während seine Aufmerksamkeit auf dem Tiger ruhte. „Es gäbe zwei Möglichkeiten, bis nach Santros zu gelangen.“, er wandte sich Rhuna wieder zu, blieb aber bei Raji stehen, „Entweder ich bringe dich zum Fluss Euwin, der mündet im Stillen Meer und du erreichst Santros in… sagen wir, wenn alles gut läuft, 10 Tagen mit dem Schiff – du bräuchtest dann nur noch -woher auch immer- ein Schiff. Oder aber du gehst über Land und durch den Wald Sarius, zum Trockenland und erreichst Santros ebenfalls in rund 10 Tagen.“, erklärte er und zeigte ihr, wie gut er sich auskannte. Ihre Ehrlichkeit hatte zur Folge, dass Yedan sich ebenso offen zeigte und es schien ihm nicht mal egal zu sein, wieso eine Elfe aus Shyána Nelle diese Reise anstrebte. „Ich kann dich bis zum Trockenland oder bis zur Meeresmündung bringen. Aber bis nach Santros selbst nicht“, murmelte er. Wieso tat er das überhaupt? Yedan blickte den Tiger an. Dieser erwiderte den Blick. „Raji kann uns ein Stück begleiten. Er wäre eine zusätzliche Absicherung.“. Allem Anschein nach plante der ihr unbekannte Elf bereits die gemeinsame Weiterreise. Hatte er denn nichts anderes zu tun? Eine Familie? Inzwischen hatte er seinen Bogen in die Hand genommen und gönnte seiner Brust etwas Erholung. Er kam vom Tiger zu Rhuna zurück und sah an ihr herunter: „Was hast du denn für deine Reise eingepackt?“, wollte er wissen und schaute zum Blätterdach hoch. „Es wird bald dunkel. Wir sollten uns schleunigst darum kümmern, ein Lager für die Nacht zu haben. Und wir sollten zusehen, dass wir noch ein Stück von hier wegkommen. Die Tabiki sind derzeit nicht ganz so gut auf Fremde zu sprechen.“, murmelte er mit einer Mischung aus Sorge und Zeitdruck. „Also, Rhuna aus Shyána Nelle – denn woanders kannst du mit deinen hübschen Augen nicht hergekommen sein“, er schmunzelte sie erneut entwaffnend an und zeigte ihr weiße Zähne, „wohin soll der Weg dich führen? Zum Meer oder dem Trockenland?“. Abwartend ruhten die hellbraunen Augen auf ihrem Gesicht und fest in ihren Augen. Ob er eigentlich ein Draufgänger war? Er schien jedenfalls sehr selbstbewusst zu sein.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 7. August 2022, 11:56

Ein tiefes Lachen ertönte, nachdem sich Rhuna vorgestellt hatte und bestätigte ihr noch einmal, dass zurzeit keine Gefahr drohte. Über die letzten Stunden hatte sich die Geräuschkulisse des Waldes immer bedrohlicher angehört und war ihrer Einbildung nach stetig und auf eine merkwürdig surrende Art lauter geworden. Bis sie diesen Teil Kapayus erreicht hatte, indem die Geräusche viel zu weit entfernt wirkten und die Stille der Nervosität als Nährstoff diente. Yedans Lachen erreichte daher genau das Herz der jungen Elfe.
„Hätte die Möglichkeit bestanden nicht gefressen zu werden, hätte ich mich Raji natürlich vorgestellt!“ Sie ging auf die Komik für einen kleinen Moment ein und sah ihn lächelnd an, als er ihr zuzwinkerte. Es war ein wenig eigenartig, doch Yedans offene und freundliche Art bescherte Rhuna das Gefühl ihn schon länger zu kennen. Woran das wohl lag? Es störte sie nicht einmal, dass er sich offenkundig über sie zu amüsieren schien, während er ihrem Redeschwall lauschte. Schon vorhin hatte der Elf sie belustigt betrachtet. Manch einer hätte sich beschämt gefühlt, vielleicht auch ein wenig angegriffen, doch Rhuna besaß genug Eigenwitz, um die Komik der Situation zu erkennen: Eine weltfremde Shyána Elfe alleine im Kapayu, verdreckt und sichtbar in Mitleidenschaft gezogen von den äußeren Umständen, die aus Angst die Hand eines Fremden, gegen alle Sinne der Etikette, fest umklammert gehalten hatte, bat eben diesen sie auf den rechten Weg zu führen, der sie in die weit entfernte – und sicher mit weiteren Gefahren verbundene – Stadt Santros bringen würde.
Yedan ist offensichtlich schon deutlich weiter herumgekommen. Er hat Erfahrungen und weiß, wie man alleine zurechtkommt und reist. Durch seine Augen betrachtet hätte ich auch gelacht. Sein ungläubiger und zweifelnder Blick sprach Bände und sie konnte es ihm, welch Gedanken er ihrer Person gegenüber auch hatte, nicht übelnehmen. Dennoch war es ihr Ernst. Die Zweifel, die im Angstzustand aufgekommen waren, waren zwar nicht vollends erloschen, doch ihr Wille, ihr Vorhaben in die Tat umzusetzen, war größer.
„Mein Weg bis hierhin hat mich gelehrt, dass ich es mir nicht im Geringsten gut überlegt habe. Ich habe mich völlig überschätzt oder die Umstände und Gefahren einer Reise unterschätzt – egal, es kommt auf dasselbe hinaus. Aber ich kann nicht umkehren!“ Rhunas Blick folgte der Bewegung seiner Hand, die sie kurz darauf berührte, um ihr ein Blatt aus den Haaren zu ziehen, das er dann zu Boden fallen ließ. Seine Augen folgten den segelnden und kreisenden Bewegungen des Pflanzenstücks. Rhuna musterte erneut sein Gesicht. Sie erkannte, dass er in etwa ihrem Alter war. So recht konnte sie ihm keinem Elfenvolk zuordnen, da sie kaum Kontakt zu jemandem außerhalb ihrer Heimat gehabt hatte, außer es war ein Reisender in die Stadt gekommen. Welchen Weg diese gegangen waren würde sie im Nachhinein gerne wissen.
Trotz ihres ähnlichen Alters waren für Rhuna die Unterschiede in Punkto Lebenserfahrung berggroß, obwohl er ihr bisher kaum etwas über sich verraten hatte, bis auf seinen Namen. Aber die Zeichnungen seines Körpers verrieten ihr genug. Alleine wie er sich bewegte, wie er lauschte und dennoch in der Lage war sich nebenbei mit ihr zu unterhalten.
„Du kannst ruhig fragen…! Ich muss in Santros jemanden finden und ihm etwas geben. Es war der … letzte Wille eines Freundes und ich habe ihm mein Wort gegeben zu helfen. Und deshalb kann ich nicht zurück, egal wie unvernünftig und irrsinnig es auch sein mag.“ Diese Entscheidung stand für die junge Elfe fest, obgleich sie ihr, nach den Lehres des Urwaldes, natürlich Angst machte. Doch ihr zweiter Grund nicht umzukehren war weitaus persönlicher und egoistischer. Würde sie umkehren würde sie Shyána Nelle niemals wieder verlassen, da war sie sich sicher. Der innere Sturm, den Pharus in ihr ausgelöst hatte, würde aber noch weiter bestehen bleiben. Ihre Unfähigkeit alleine durch den Kapayu zu kommen zeigte Rhuna nur, dass sie so nicht bleiben wollte. Sie wollte sich verändern, auch wenn es eine harte Schule bedeuten würde. Denn Daheim würde sie es nicht können.
Für einen Moment schien Rhuna in ihrer Gedankenwelt gefangen zu sein, die sie eindeutig zu belasten schien. Erst als Yedan zu Raji ging tauchte sie aus ihrer Welt auf, folgte ihm allerdings nicht zur großen Raubkatze, egal wie harmlos und artig ihr derzeitiger Ausdruck auch war.
Yedan brachte sie ein wenig zum Lachen, als er meinte, dass sie all ihre tausend Fragen ja nicht vergessen solle. Seine zwanglose Art war erfrischend und einfach. Sie hatte nicht das Gefühl sich in seiner Gegenwart irgendwie verstellen zu müssen. Das alleine war ein weiteres Geschenk, das der junge Mann ihr machte.
Ein Rascheln neben ihr erregte kurz die Aufmerksamkeit der jungen Elfe und ihr Blick huschte zu einem nicht weitentfernten Busch, von dem sie sich instinktiv ein paar Schritte entfernte. Doch weder Raji noch Yedan schienen groß alarmiert zu sein, weshalb sie den laut ausgesprochenen Gedankengängen des anderen Elfen lauschte, der über die Dauer und Möglichkeiten nach Santos zu gelangen sinnierte.
Die beiden Wege, die er ihr aufzeigte machten Rhuna wieder ein wenig nachdenklich. Beide schienen in etwa 10 Tage zu benötigen.
Ein Schiff aufzutreiben wird sicher schwierig zu sein und wenn es geht, würde ich den Seeweg lieber meiden. Ihr Blick verankerte sich wieder in den seinem. Yedan schien tatsächlich weit herumgekommen zu sein, so wie er sprach und Einschätzungen abgab. Was ihr aber ein ehrliches Lächeln entlockte war, dass er von sich aus über eine gemeinsame Weiterreise nachdachte. Der Gedanke Yedan noch ein Stück weiter an ihrer Seite zu wissen beruhigte sie ungemein und ja, löste auch das ein oder andere Glücksgefühl in ihr aus. Was nach ihrer einsamen Eskapade wohl kein Wunder war. Selbst Rajis weitere Gegenwart war ihr in diesem Zusammenhang recht. Dennoch konnte sie nicht nur an sich denken.
„Ich freue mich natürlich, dass du mich tatsächlich begleiten und mir helfen willst nur…“ Als ihre neueste Bekanntschaft wieder von Raji zu ihr kam suchte sie seine Augen.
„…aber wieso hilfst du mir? Du hattest sicher andere Pläne, als einer Wildfremden, nicht nur das Leben zu retten, sondern sie nun auch noch ein Stück ihres Weges zu begleiten, der laut deiner Einschätzung nach, nicht gerade um die Ecke liegt.“ Sie fragte nicht aus Argwohn, sondern aus Interesse und weil sie wusste, dass sie ihm Umstände bereiten würde.
„Was ist mit deiner Familie? Erwartet dich in nächster Zeit niemand so schnell wieder zuhause? Oder bist du auch auf Reisen?“ Ein paar der tausend Fragen schienen sich jetzt schon von der Zunge der Brünetten zu lösen. Es war vielleicht auch nur natürlich, dass sie mehr über ihre neueste Bekanntschaft wissen wollte.
Die zunehmende Dunkelheit lenkte Rhuna ab, als sie Yedan auf diese aufmerksam machte. Zu erfahren, dass die Tabiki auf Fremde derzeit nicht wohlwollend reagierten und sie selbst sicher auch nicht groß willkommen geheißen hätten, entlockte Rhuna ein leises, selbstironisches Lachen. Da hätte sie sich offenkundig in eine weitere miesere Lage verfrachtet, hätte Raji ihren Weg nicht zuvor schon abgeschnitten. Vielleicht war ihr dort oben ja doch noch jemand wohlgesonnen und hatte sie auf einen Weg mit Schrecken, aber mit Aussicht auf ein Fortkommen geschickt.

Dass Yedan aufmerksam war, bemerkte die junge Elfe erneut, als dieser sie nach ihrer Entscheidung über das gemeinsames Reiseziel fragte und wie nebenbei feststellte, dass sie aus Shyána Nelle stammen musste. Seine Wortwahl und das Kompliment, das er ihr für ihre Augen machte, anhand denen er diese Feststellung gemacht hatte, brachte sie doch in Verlegenheit. Es war nicht so, dass sie nie Komplimente erhielt, denn laut dem ein oder anderen Shyáner Junggesellen besaß Rhuna ein hübsches Äußeres. Nur hatten sich die bisherigen Komplimente in ihren Ohren nie besonders aufrichtig angehört. Mehr als wären es weitere Floskeln der Höflichkeit, die man austauschte.
Lediglich Pharus hatte sie bisher zum ehrlichen Erröten gebracht und nun dieser Elf. In diesem Moment erkannte sie auch, wieso sie das Gefühl hatte Yedan schon länger zu kennen, als ihre gemeinsame halbe Stunde. Er war in seiner Art der von Pharus ein wenig ähnlich. Auch Yedan hielt sich nicht mit distanzierter Höflichkeit auf. Er war nicht alleine Theoretiker im Wissen über die Welt, sondern hatte sie bereist und Gefahren gemeistert. Das Selbstbewusstsein, das er ausstrahlte sprach Rhuna seinen Lebenserfahrungen zu. Seinen Möglichkeiten und Erlebnissen, um die sie ihn teils vielleicht beneidete.
„Wenn ich tatsächlich entscheiden kann wähle ich das Trockenland. Alleine auf See wäre sicher keine so gute Idee. Und ich ...habe tatsächlich nicht viel dabei. Neben ein paar kleinen persönlichen Sachen, eine Karte, Proviant, ein paar Heil-Essenzen, leichte Wechselkleidung mit Umhang und ein paar Münzen.“ Ein Blick in sein Gesicht ließ nun sie amüsiert schmunzeln.
„Sag es ruhig: Überhaupt alleine irgendwohin zu gehen grenzt an Selbstmord! Das oder etwas Ähnliches hast du doch gedacht, oder etwa nicht?“, fragte Rhuna verspielt und beugte sich ihm ein klein wenig entgegen. Sie hielt einen Moment den Blick, richtete sich dann aber wieder gerade auf und sah sich um. Die Müdigkeit in ihren Gliedern wog schwer, doch ein Stückchen musste sie noch durchhalten.
„Also Yedan aus … ich bin mir noch nicht sicher, woher du kommst (?), in welche Richtung brechen wir auf?“

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Sonntag 7. August 2022, 13:44

„Mein Weg bis hierhin hat mich gelehrt, dass ich es mir nicht im Geringsten gut überlegt habe. Ich habe mich völlig überschätzt oder die Umstände und Gefahren einer Reise unterschätzt – egal, es kommt auf dasselbe hinaus. Aber ich kann nicht umkehren!“ Man konnte spüren, dass Rhuna zwar nicht unbedingt das Werkzeug für solch eine Unternehmung parat hatte. Aber durchaus den nötigen Willen. Yedan bedachte die Elfe vor sich mit einem durchdringenden Blick, denn ihre Worte hatten ihn nachdenklich werden lassen. „Du kannst ruhig fragen…! Ich muss in Santros jemanden finden und ihm etwas geben. Es war der … letzte Wille eines Freundes und ich habe ihm mein Wort gegeben zu helfen. Und deshalb kann ich nicht zurück, egal wie unvernünftig und irrsinnig es auch sein mag.“ Die Augen des neuen Bekannten hoben sich erneut in ihr Violett. „Verstehe.“, murmelte er und nickte daraufhin bestätigend. Offenbar genügte ihre Einstellung bereits, um den jungen Mann dazu zu bewegen, ihr zu helfen. Dennoch nagten an ihr die Gewissensbisse, denn sie würde ihn vielleicht überstrapazieren und sehr viel länger beanspruchen als nur für eine Wegbeschreibung. Yedan lächelte leicht. „Mach dir keine Sorgen. Das ist schon in Ordnung und ich werde ohnehin nicht so schnell zurückerwartet.“, meinte er wenig aussagekräftig und irgendwie umging er gerade das Thema mit seiner gewählten Antwort. Vielleicht war es aber auch nur Einbildung, denn grundsätzlich kannten sie einander überhaupt nicht und manchmal war es einfach nur der fehlenden Vertrautheit geschuldet, dass jemand nicht alles erzählte. Das würde sich sicher in ein paar Tagen geändert haben, sofern sie ihre gemeinsamen Pläne tatsächlich in die Tat umsetzten. Nun aber bemerkte Yedan, dass die Zeit drängte.
Gerade im Urwald sollte man schleunigst eine geeignete Stelle zum Übernachten finden, ansonsten hätten viele Jäger leichtes Spiel – ob man nun einen Tiger zur Verteidigung hatte oder nicht. So brachte er Rhuna dazu, sich mit ihm in Bewegung zu setzen und führte sie kurzerhand für einige wenige Schritte am Arm, damit sie gemeinsam aufbrechen konnten. Danach ließ der Elf sie los und ruckte kurz mit dem Kopf, damit Raji folgte. Der Tiger erhob sich schwerfällig und trottete reichlich gelangweilt einen Moment hinter den Elfen her, bis er mit einem Mal in Schwung kam und an ihnen vorbei im Unterholz verschwand. Yedan schien es kaum zu beachten, somit sollte das also keine Besonderheit darstellen. Tatsächlich führte der Dunkelhaarige seinen ‚Fund‘ in Richtung Senke. Sie zählte gerade auf, was sie alles bei sich führte, bevor sie ihn aufhielt und ansah. Seine Augen hatten einen schelmischen Glanz, der sie dazu brachte, nun ihren Eigenwitz erkennbar zu machen. Er lachte leise bei ihren Worten und schüttelte die zotteligen Haare. „Meinst du? Nein, ich frage mich nur, woher du deinen Mut nimmst? Zuweilen sind deine… Mitelfen eher nicht die Entdecker und Abenteurer“ – und er klang dabei nicht zynisch, sondern es spiegelte offenbar seine Erfahrung wider – „und nun stehst du hier, halb aus Schlamm, halb aus Pflanzen und bist mutiger als jeder an die Zähne bewaffnete Soldat!“. Hatte er das eigentlich gelernt, unterschwellige Komplimente zu verteilen? Er war gut, so viel stand fest!

Er setzte seinen Weg fort und baute darauf, dass sie folgte. Langsam wurde der Weg abschüssiger und Rhuna konnte erkennen, dass sie ihren vorherigen Ausgangspunkt passierten und weiter gingen. „Also Yedan aus … ich bin mir noch nicht sicher, woher du kommst (?), in welche Richtung brechen wir auf?“ Er sah sich weiterhin um, achtete auf Bewegungen und lauschte hier und dort, was eine Antwort kurz verzögerte. Er ging ein kleines Stück vor ihr, sodass er ihr bei dem abschüssigen Boden helfen und ihr die Hand reichen konnte, sollte sie sie benötigen. „Ich lebe im Wald Sarius. Soweit ich das mitbekommen habe, nennt man uns schlicht ‚Waldmenschen‘. Deshalb wird das auch unser Weg sein. Wir sind hier ziemlich südlich im Kapayu und werden eine Weile brauchen, bis wir den Euwin erreichen. Wir werden zwischendurch einmal rasten – sonst schläfst du noch im Stehen ein.“, bemerkte er beiläufig und ohne Tadel. Es raschelte in ihrer Nähe und sollte Rhuna einen Blick riskieren, würde sie das hübsche Fell von Raji durch die Bäume und Farne streifen sehen. Er folgte ihnen also und sicherte vermutlich die Umgebung für die beiden. „Ich hoffe, dass wir vielleicht noch die halbe Strecke zum Fluss schaffen, heute, bevor hier alles dunkel ist. Deshalb sollten wir uns etwas beeilen – meinst du, du schaffst das noch?“, erkundigte er sich und sah sie über seine Schulter hinweg an. Er half ihr weiterhin, bis sie schließlich die Senke am Grund erreicht hatten. Sie war schmal, sodass sie hintereinander laufen mussten. Hier folgte Yedan dem ‚Tal‘ der Senke und führte sie darin, eingerahmt von höherem Erdreich und den hohen Bäumen weiter. Sie waren grundsätzlich leichtere Beute hier, aber auch viel schwerer zu entdecken. „Warum bist du eigentlich nicht zu den Tabiki gegangen, um dort Rast zu finden?“, wollte er nach einer Weile des Schweigens wissen. Er ahnte ja nicht, dass er damit eventuell erneut in ein Fettnäpfchen piekte. „Sie sind zwar derzeit alarmiert, aber dir hätten sie sicher geholfen. So zart wie du aussiehst, hätten sie keine Gefahr gerochen“, grinste er plötzlich schelmisch und warf ihr einen neckenden Blick zu. Auch sein Umgang mit ihr wirkte sehr vertraut. Aber vielleicht war das auch einfach nur seine Art und die konnte wahrlich dafür sorgen, sich in seiner Nähe wohlzufühlen. Während sie einander Zeit schenkten, konnte Rhuna durchaus erkennen, dass Yedan kein Proviant oder Wasser dabeihatte. Er trug nur den Bogen, den Köcher und, jetzt wo sie ihm zeitweise folgte, konnte sie es erkennen, einen Dolch am Rücken. Ansonsten hatte er nichts dabei. „Wir folgen jetzt dieser Schneise und klettern dann nach ungefähr 200 Schritt wieder nach oben. Dort sollte es ein kleines Wasserbecken geben, an dem wir trinken und rasten können.“, erklärte er ihr und schritt zügig weiter voran.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 7. August 2022, 16:08

Vielleicht hätten die beiden dort noch lange stehen und sich unterhalten können, doch der Urwald besaß seinen eigenen Rhythmus und wer sich nicht in Gefahr bringen wollte, sollte diesem folgen. Da Yedan dieses Gesetz gut zu kennen und daher zu befolgen schien, gab er den Anstoß, legte Rhuna einen Arm um und führte sie so auf einen, für sie unsichtbaren Weg, der im Kopfe des Elfenmannes gut erkennbar schien. Die dadurch entstandene Nähe nahm Rhuna ohne große Gedanken hin. Einzig die Wärme des anderen Körpers fiel ihr auf. Ihr war nicht wirklich kalt, doch die Feuchtigkeit, die an ihr haftete war klamm und der vergangene Schreck war groß gewesen. Vielleicht lag es daran, oder einfach, weil die Wärme das Gegenteil vom Alleinsein bedeutete.
„Verstehe. Du bist sicher häufig unterwegs.“, vermutete sie auf seine karge Antwort. Dass er nicht großartig ins Detail ging akzeptierte Rhuna. Sie war sich sicher, dass sie einander nun besser kennenlernen würden.
Als die Wärme des Körpers verschwand folgte sie Yedan einfach weiter. In diesem Moment legte sie tatsächlich jegliches Vertrauen in ihn und ließ sich führen. Ihr Blick huschte durch die dämmrige und schattenumwobene Gegend im Versuch wieder die Orientierung zu finden. Davon abgelenkt bekam Rhuna einen kleinen Schrecken, als Raji plötzlich mit einer unerwarteten Geschwindigkeit an ihr, oder besser gesagt ihnen beiden vorbei ins Unterholz sprang. Sie machte einen kleinen Satz nahe Yedan, gewann aber schnell wieder Ruhe, da es nur der ‚zahme‘ Tiger gewesen war.
Daran sollte ich mich wohl gewöhnen!, dachte die Brünette, denn neben dem Elfen gehörte nun auch Raji zu ihren Reisebegleitern. Wie die beiden wohl zu solch einer Einheit geworden waren? Es hatte sicher auch bei ihnen eine erste Begegnung gegeben. Ob selbst Yedan vielleicht ein wenig Angst verspürt hatte?
Der Weg wurde bekannter und ein drittes Mal an diesem Tag passierte sie die Stelle, an der sie das Schicksal zur Begegnung Rajis ins Rollen gebracht hatte. Doch im Gegensatz zum Male davor, glaubte Rhuna nun nicht mehr die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
Die beiden Elfen unterhielten sich ein wenig und sie brachte ihren Begleiter mit ihrem Eigenwitz zum Lachen. Da Rhuna hinter ihm herging konnte sie nicht den schelmischen Glanz in seinen Augen sehen, doch sein Lachen gab ihrer Vermutung ein wenig recht. Es waren allerdings seine Worte, die die Brünette tatsächlich überraschten. Er gab ihr nicht sofort recht und riet ihr so schnell, wie es ginge nach Shyána Nelle zurückzukehren. Jetzt, wo sie darüber nachdachte hatte Yedan ihre Entscheidung weiterzugehen einfach akzeptiert und ihr seine Hilfe zugesichert. Mehr noch, er sprach ihr sogar Mut zu und schien diesen anzuerkennen. Das hätte niemand nach den letzten Ereignissen aus Shyána Nelle getan. Jeder hätte ihr davon abgeraten, wie man es schon vor dem Beginn ihrer Reise getan hatten.
Yedan wusste es vielleicht nicht, aber er traf mit diesen Komplimenten wirklich den Kern der jungen Frau. War dies beabsichtigt oder besaß er das Talent andere mit Worten aufzubauen, ohne sich gedanklich dafür anzustrengen und etwas zu bezwecken. Der Vergleich mit einem bis an die Zähne bewaffneten Soldaten, kam ihr allerdings doch recht weit hergeholt vor.
„Das würde ich jetzt nicht behaupten. Als du mich gefunden hast glich ich eher einem verängstigten und in Schockstarre verfallenen Streifenhörnchen, als einem bewaffneten Soldaten.“, gab besagtes Angsthörnchen schief grinsend zu, während sie versuchte auf die Beschaffenheit des ‚Weges‘ zu achten. Rhuna nahm seine helfende Hand gerne an, wenn sie diese tatsächlich brauchte, denn falscher Stolz würde ihre Reise zeittechnisch nur aufhalten. Und solange sie Yedan dadurch nicht zu stark beanspruchte, sollte es doch zu beiden Vorteilen sein!? Sie bewunderte den jungen Mann auf jeden Fall dafür, dass er völlig trittsicher und orientiert durch das Dickicht laufen konnte.
An einem stärkeren Gefälle ergriff die Elfe wieder seine Hand und sprang von einer Wurzel hinab, auf den ebeneren Untergrund, auf dem sich ihr Retter bereits befand. Er beantwortete nun einige ihrer Fragen und bestätigte dadurch Rhunas Vermutung, dass er ein sarischer Elf war. Gänzlich sicher war sie sich zwar nicht gewesen – er hätte auch ein neldorethischer Elf sein können, wofür besonders der Bogen gesprochen hätte, doch ihre Vermutung hatte sich eher auf sarisch gefestigt.
„Man nennt euch auch Waldmenschen? Liegt es daran, dass ihr mit den Waldmenschen Seite an Seite im Wald Sarius lebt und ihr viele gemeinsame Ansichten und Gebräuche teilt?“, fragte die Shyána Elfe neugierig nach. „Du bist der erste sarische Elf, dem ich begegne. Vorhin mit deiner Bemerkung hast du recht gehabt. Wir Shyáner verlassen Shyána Nelle im Grunde nicht und halten nichts von Abenteuerreisen. Dahingehend war ich wohl stets ein wenig seltsam, obwohl ich mir bis vor ein paar Wochen auch nicht hätte vorstellen können meine Heimat zu verlassen und mir einen Weg durch den Urwald suchen zu müssen.“ Doch wäre dieser Tag nie gekommen, wäre sie Pharus nicht begegnet? Rhuna konnte es nur vermuten, doch sie glaubte, dass die windstille ihres Lebens sie irgendwann erstickt und zu eben diesem Schritt getrieben hätte. Früher oder später…!
„Ich glaube ich will nicht wissen, wie ich aussehe, wenn du darüber besorgt bist!“ Sie war wirklich müde und erschöpft, doch sie versuchte tapfer Schritt zu halten und sich nicht allzu sehr etwas anmerken zu lassen. Dank Yedan war dies keine unmögliche Aufgabe. Er heiterte sie auf, lenkte ab und brachte sie hin und wieder zum Lachen.
Das Rascheln, das Raji verursachte, als er in ihrer Nähe an ihnen vorbeilief, erschreckte Rhuna nicht mehr so wie zuvor. Aufgrund des Geräusches sah sie lediglich alarmiert in die Richtung.
„Wenn die Wegbeschaffenheit sich nicht wieder völlig ändert schaffte ich das schon.“ Ihr Blick traf einen Moment auf seinen, den er ihr vielleicht nur zugeworfen hatte, um sich zu versichern, dass ihre Worte mit ihrer Einstellung übereinstimmten. Bestätigend nickte die junge Elfe ihm noch einmal zu, bevor sie mit seiner Hilfe die Talsenke erreichten, in der die beiden hintereinander gehen mussten. Rhuna betrachtete auf dem Wege seinen Rücken und entdeckte auch in seinen Haaren ein kleines Stückchen Natur, das sich dort verfangen hatte, an das sie gerade jedoch nicht herankam.
Die Frage bezüglich der Tabiki brachte der Shyánerin ihr Versagen erneut vor Augen. Nur war sie besonnen genug, um sich darüber nicht allzu sehr aufzuregen, denn dadurch wurde weder etwas rückgängig, noch besser, oder sie fähiger gemacht. Seinem schelmischen Kommentar und seinem leicht frechen Blick über die Schulter begegnete sie mit einer ulkigen Miene, indem sie leicht die Nase krauszog.
„Nun, ich kann zumindest stolz verkünden, dass dies genau meine Absicht war. Mein Problem war nur, dass ich die Orientierung durch die dichten Baumkronen und die Düsternis hier unten verloren habe und ständig auf schlammiges Gelände stieß. Ich habe schlussfolgert, dass ich zu weit nach Süden geraten war und wollte meine Richtung wieder korrigieren. Doch dann stieß ich auf Raji, der den Leichnam des Dunkelelfen zerteilte.“ Die Erinnerung an die toten Augen, die sie angestarrt hatten, den süßlich verwesenden Geruch und das Geräusch der brechenden Knochen und des zerreißenden Fleisches, würden sie sicher noch einige Nächte verfolgen. Sie ging einen Schritt schneller und so näher an Yedan heran.
Ich bin wirklich ein Hasenfuß, auch wenn ich es nicht zugeben will… Einen Moment schwieg sie, ehe sie auf den frecheren Teil von Yedans Aussage einging, um die grausige Erinnerung zu verscheuchen.
„Denkst du? Nicht, dass sie in mir den, mit Zähnen bewaffneten Soldaten, gesehen und mich mit einem Blasrohr oder einer Keule niedergestreckt hätten.“ Die Vorstellung war für die Shyánerin durchaus amüsant, auch wenn sie zu gleichen Teilen froh darüber war, diese Erfahrung nicht auch noch zu machen. Weiter folgte sie dem engen Pfad entlang. Ihr fiel auf, dass Yedan kaum etwas dabeihatte. Weniger noch, als sie. Doch überraschte sie das wirklich, wo er sich hier gut auszukennen schien? Eigentlich nicht.
„Wie kommt es, dass du zurzeit im Kapayu bist? Bist du ein Jäger? Oder ein Krieger?“, fragte Rhuna und nutzte so die Zeit, die sie für ihren Weg brauchten. Auch um sich abzulenken.
Als der sarische Elf leichtfüßig sein Tempo ein wenig erhöhte, passte die junge Elfe beim Schritthalten einmal nicht richtig auf und stolperte über eine garstig hervorwuchernde Wurzel. Sie fiel nur nicht auf die Nase, weil sie recht nahe hinter dem Elfenmann gegangen war und sich nun an seinem Körper festhalten konnte, um ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen. Ihre Beine fühlten sich doch schwerer an, als gedacht.
„Entschuldige…! Ungefähr 200 Schritte noch und dann klettern.“, wiederholte sie, um zu zeigen, dass sie seine Worte noch mitbekommen hatte. Sie ließ ihn los und atmete einmal tief ein und aus. Ihr Herz schlug ein wenig schneller, weil sie stramme Märsche nicht gewohnt war.
Die Aussicht auf eine anstehende Kletterpartie war daher nicht allzu verlockend. Doch jammern oder beschweren würde sich Rhuna nicht.
Wir rasten danach auch kurz., munterte sie sich selbst auf und folgte dann weiter dem Weg hinter ihrem Begleiter. Bis sie zu besagter Stelle kamen. Rhunas Blick begutachtete die Hürde, doch wie hoch diese war konnte sie schlecht abschätzen. Doch hervorragende Wurzeln, die aus dem Erdreich ragten stimmten sie positiv, es irgendwie dort hoch zu schaffen. So ungelenk war sie nun auch nicht. Das Heraufrobben an einer Liane wäre viel schwieriger gewesen.
Mit entschlossenem Blick, als würde die Hürde sie herausfordern ging die Elfe voran und griff nach der ersten Wurzel.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Montag 8. August 2022, 08:17

Der Fußmarsch bot Raum für weitere Fragen. Die Neugierde beruhte auf Gegenseitigkeit und so entwickelte sich zwischen den beiden Elfen ein Gespräch. Niemand von ihnen verheimlichte etwas aus Misstrauen oder gar böser Absicht. Es tat gut mal mit jemanden zu sprechen, den man zwar nicht kannte, aber dem man sich verbunden fühlte. Und was schweißte mehr zusammen als die simple Rettung des eigenen Lebens? Rhuna konnte sich für das sympathische Auftreten und schalkhafte Verhalten des anderen erwärmen und so folgte sie Yedan durch den Urwald. Nun brauchte sie sich nicht mehr zu fürchten und sie hatte keine Sorge, dass er ihr Schlechtes wollte. Vielleicht hielt er sie ja aber auch nur frisch und durchblutet, damit Raji sie später fressen konnte? Denkbar wäre es ja, man hörte ja schließlich trotz aller Abgeschiedenheit auch Geschichten in Shyána Nelle. Doch diese wäre vermutlich viel zu abwegig und sein Verhalten bot ihr daraufhin keinerlei Hinweise. Yedan hatte ihr zugesagt ihr zu helfen. Einfach so. Mehr noch, er gab ihrem Vorhaben keinen Stempel, sondern nahm es hin. Er hinterfragte nicht ihre Reise an sich, sondern lediglich die Art wie sie dies bewerkstelligen wollte. Und das aus gutem Recht! Sie war überhaupt nicht gerüstet für ihre Unternehmung und der Sarier schien das mit nur einem Blick erkannt zu haben. Allerdings machte er ihr das Kompliment, dass sie einen Willen besaß, der ihr sicher am Ende das Gelingen sicherte. Dass sie den Vergleich allerdings ablehnte, brachte Yedan nur zum Grinsen. „Es war etwas überzeichnet, geb‘ ich zu. Aber ich bleibe bei meiner Meinung. Was nützen einem Schwert und Schild, wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist?“, stellte er in den Raum und zuckte die muskulösen Schultern. Er half ihr über eine Wurzel hinweg, die sich dick und krumm über die Erde erhoben hatte. „Im Grunde gehören wir zu den Waldmenschen – einige von uns. Meine Eltern lernten sich kennen, als die Sarischen sich bereiterklärten, den Menschen zu helfen. Meine Mutter war Elfe, mein Vater ist Mensch.“, verriet er Rhuna und noch so viel mehr, wie seine Wortwahl erkennen ließ. Trotzdem ging er darüber hinweg, entweder, weil er nicht weiter darüber reden wollte oder aber, weil es bereits lange her war. Bei ihren Ausführungen zum Thema ‚Reiselust der Shyáner Elfen‘, das sicher einem Buchtitel glich, den irgendein Gelehrter irgendwann mal verfasst hatte, nickte er zustimmend. „Ich kannte mal eine Elfe aus Shyána Nelle. Die war aber… spezieller.“, sagte er schlicht und vertiefte auch dieses Thema nicht weiter. „Keine Sorge, du hast es fast geschafft. Es ist nicht mehr weit und danach rasten wir die Nacht über dort, bevor wir morgen weitergehen.“, beruhigte er Rhuna und zog einen Mundwinkel nach oben, als sie ihm die krause Nase zeigte.

Er konzentrierte sich, während ihrer Worte, wieder auf den Weg vor sich und versicherte sich immer wieder mit einem Blick nach links, ob sie bereits sein ihr unbekanntes Ziel erreicht hatten. Dann sagte sie jedoch etwas, was ihn innehalten ließ. „Einen Dunkelelfen?“, hakte er stirnrunzelnd nach. Sein Blick suchte Raji oberhalb ihrer Position. „Dann ist es also wahr…“, murmelte er zu sich selbst und schien sie für einen Moment auszublenden. Kopfschüttelnd setzte er seinen Weg nachdenklicher fort. Für einige wenige Schritte war die Stimmung weniger ausgelassen. Die Information, die Rhuna Yedan gab war wohl neu für ihn und sie hatte mit den Erinnerungen an das Gesehene zu kämpfen. Bis sie allerdings ihren Witz wiederfand und ihn wiederum neckte. Yedan tauchte aus seiner Nachdenklichkeit auf und lachte leise mit bebenden Schultern. Er sprang gerade leichtfüßig über eine Wurzel und wich einem Farn aus, sodass er sich nicht zu ihr umwandte. Was gut war, denn schon stolperte die Braunhaarige über die von ihm erklommene Wurzel und hielt sich an ihm fest. Yedan wandte sich überrascht um und hatte wie selbstverständlich einen Arm um ihre Schultern gelegt, um sie zu halten. Für einige Sekunden durfte Rhuna Haut an Haut Bekanntschaft mit seinem äußerst muskulösem Oberkörper machen. Er war warm, aber nicht völlig verschwitzt. Er schien die feuchte Luft gewohnt zu sein. Auch roch er nicht unangenehm oder tagelangem Verschmähen von Wasser. Er betrachtete Rhuna in seinem Arm fragend, bevor er ihr Missgeschick erkannt hatte und sie in sicheren Stand entließ. Mit einem weiteren Blick und dem Anheben seiner Brauen vergewisserte er sich, dass sie wieder startklar wäre und ging das letzte Stück seines gedachten Weges. „Ich bin vielleicht beides.“, stieg er auf ihre Frage nach seiner Berufung ein, während sie sich voller Tatendrang daranmachte, die Anhöhe zu erklimmen. „Bevor du dich an eine Wurzel hängst, prüfe, ob sie festsitzt“, gab er ihr einen Hinweis und folgte ihr danach. Er passte sich ihrem Tempo an, zog immer erst an einer Wurzel, bevor er seinen zuvor gefundenen, sicheren Halt aufgab und weiterkletterte. Immer wieder warf er einen Blick auf seine Begleitung, um sicherzugehen, dass sie es schaffen würde. Das Hinaufklettern der Anhöhe gestaltete sich problemlos, bis auf die körperliche Anstrengung vielleicht.
Oben kam Yedan als erstes zum Stehen und neigte sich ihr entgegen, um ihr seine Hand anzubieten. Er half der Elfe auf und vergewisserte sich mit Hilfe eines Blickes, ob alles in Ordnung wäre. Danach sah er sich nur kurz orientierend um und folgte erneut einem Pfad, den nur er sehen konnte. Erneut änderte sich die Vegetation um sie herum. Auf der anderen Seite der Senke waren die Bäume nackt und der Boden eher unbewachsen, hier wurde es zunehmend wieder dichter mit Farnen, Schlingpflanzen und bunten, paradiesischen Knospen. Nicht weit der Stelle, an der sie aus der Senke geklettert waren, konnte Rhuna plötzlich ein vertrautes Geräusch wahrnehmen. Ein Geräusch, das sowohl Frieden als auch Erleichterung bescheren könnte: Plätschern. Es glich zwar nicht dem tosenden Rauschen eines wahren Wasserfalls, doch es versprach eine Wasserquelle in der Nähe. Yedan schien genau darauf zuzuhalten und nachdem er ein großes, breites Blatt zur Seite geschoben hatte, ließ er Rhuna zuerst durchtreten. Hier gab es ein kleines Idyll, das einen die schmerzhaften Erfahrungen von zuvor vergessen lassen konnte. Ein kleiner Wasserfall, eher ein Rinnsal, schlängelte sich aus unbekannter Quelle eine kleine Anhöhe hinunter und füllte ein Becken aus Gestein, bevor es überlief und im Erdreich verschwand. Das Becken war zwar nicht groß genug, als dass man sich darin baden könnte, doch es reichte, um zu trinken und sich vor allem zu erfrischen. Rings um das Wasser wuchsen Bromelien in rot und gelb, aber auch Passionsblumen die einen geöffnet, die anderen geschlossen und in allen Farben, die man in der Natur finden konnte. Es war friedlich hier und lud durchaus ein, zu verweilen. Yedan betrachtete den kleinen Ort und stemmte die Hände in die Hüften. Er ließ die Pracht auf sich wirken und lächelte zufrieden. „Willkommen in der kleinen Oase im ansonsten so … bissigem Kapayu!“, verkündete er halbernst und nahm seinen Bogen in die Hand. „Ich würde mich mal um das Abendessen kümmern.“, sagte er wie selbstverständlich. „Worauf hast du Lust?“, grinste er und wusste selbst, dass das kein Wunschbuffet werden würde, doch fragen konnte man ja mal. Oder war sie Vegetarierin? Dann würde sich seine Jagd auf Beeren beschränken. „Du kannst hierbleiben, wenn du möchtest. Ruh‘ dich aus. Raji passt auf dich auf.“, versicherte er ihr. Wie aufs Stichwort sprang der Tiger in den Fokus und suchte sich, ein wenig Abseits der Elfe einen Platz, um sich dort niederzulassen. Er grummelte zufrieden und leckte sich die Schnauze, bevor er mit wachen Augen Rhuna beobachtete. Er wirkte nun gar nicht mehr bedrohlich und beinahe schon so, als könnte die Shyáner sich ihm auch nähern, wenn sie wollte.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Montag 8. August 2022, 19:01

Es war vielleicht ein wenig früh zu behaupten, doch die beiden schienen auf einer Wellenlänge zu sein. Es war einfach mit Yedan umzugehen, wenn Rhuna ihre antrainierte gute Erziehung einfach beiseiteschob und sich ganz natürlich gab. So, wie sie eben war. So schien er sich auch ihr gegenüber zu geben und Stück für Stück lernten sie sich ein wenig besser kennen. Dass der Sarier dabei nicht sofort mit jedem Detail herausplatze und ihr alles Persönliche anvertraute, war für Rhuna völlig in Ordnung. Sie konnte ja nachfragen, wenn sie mehr wissen wollte und er würde ihr sagen können, ob er darüber sprechen wollte, oder nicht.
Der Gedanke, dass Yedan sie reinlegen könnte kam der jungen Elfe nicht. Und das lag nicht daran, dass sie eventuell weltfremd oder naiv war. Weltfremd vielleicht, doch sie hielt sich nicht für jemanden, der jedem sofort vertraute.
Würde man Rhuna fragen, würde sie das geborgene Gefühl, das sie bei Yedan verspürte, auch nicht recht beschreiben können. Auf der einen Seite hatte sie keine andere Wahl, als ihm zu vertrauen und zu folgen. Doch auf der anderen Seite keimte ihm gegenüber keinerlei Argwohn auf, kein Misstrauen, keine Zweifel. Und diese hatte sie selbst bei Pharus empfunden. Dass der Elf sie in manchen Punkten an ihren verstorbenen Freund erinnerte, konnte also auch keine Erklärung dafür sein, dass sie sich bei ihm aufgehoben fühlte. Vielleicht waren sich Rhuna und Yedan im Charakter gar nicht so unähnlich und verstanden sich einfach so?!
Als Yedan ein wenig mehr von sich preis gab, war Rhuna zugegebenermaßen erstaunt zu erfahren, dass dieser ein Mischling war. Da die Shyáner die Mauern ihrer Stadt kaum verließen und sich auch nur hier und da ein Fremder zu ihnen verirrte, kam es bei ihnen in der Regel nicht zu Vermischungen von Rassen. Schon andere Elfen waren seltene Gäste und ihr fielen kaum Paare ein, die nicht beide im paradiesischen Tal geboren worden waren.
Rhuna musterte Yedans Gesicht, so gut sie in ihrer momentanen Position konnte. Doch ihr fiel optisch nicht viel auf, so dass sie nicht darauf gekommen wäre, hätte er sich ihr nicht anvertraut. Irgendwie machte ihn das noch ein wenig interessanter. Jetzt war er nicht nur der erste sarische Elf, dem sie begegnete, sondern auch der erste Mischling.
Ihren durchaus feinen Ohren entging nicht seine Wortwahl Meine Mutter war Elfe, mein Vater ist Mensch. Hieß das, dass er seine Mutter verloren hatte? Aufgrund des hohen Alters, das Elfen erreichen konnten, war die Formulierung wohl häufiger umgekehrt und man würde annehmen, dass das menschliche Elternteil eher verstarb. Doch auch Elfen waren nicht unsterblich. Ihnen konnten Krankheiten, Gifte und Verletzungen ebenso gefährlich werden, wie jedem anderen Lebewesen.
„Wie alt bist du, Yedan?“, fragte die Shyánerin neugierig und bohrte vorerst nicht weiter nach. Der Zeitpunkt und der Ort waren nicht unbedingt geeignet, um tiefgreifendere, persönliche Gespräche zu führen.
Ihr Gespräch folgte bald einer anderen Thematik. Rhuna erzählte ihm von ihrem ersten Schreckensmoment mit Raji, der den Dunkelelfen zerfleischt hatte. Yedans Reaktion ließ sie eine Weile nachdenklich zurück. Es sah so aus, als hätte er davon nichts gewusst. Insgeheim hatte sich die Brünette kurz gefragt, ob er es vielleicht gewesen war, der den Dunkelelfen getötet hatte und Raji hätte sich lediglich am Körper gelabt. Dieser Gedanke schien nicht dem wahren Geschehen zu entsprechen.
Stück für Stück wanderten sie weiter. Rhuna war froh im Wissen, dass der Weg absehbar war und sie sich bald während einer Rast ausruhen konnte. Ihre größte Hoffnung war allerdings, dass das Wasserbecken groß genug war, dass sie nicht nur ihre Kehle befeuchten, sondern sich den Schmutz des Tages abwaschen könnte. Sie wollte nicht wissen, was Yedan von ihr dachte und hoffte insgeheim, dass sie nicht zu stark müffelte.
Diese Hoffnung kam erneut auf, als sie stolperte und der Elf ihren Sturz nicht nur wieder abfing, sondern ihr zur Stütze einen Arm umlegte. Er roch keineswegs unangenehm oder gar verschwitzt. Allgemein sah er gepflegt aus, wenn man von den etwas zottigen Haaren absah, sie ihm in die Sicht ragten. Doch was sollte sie sagen – gegen ihn war Rhuna zurzeit der reinste Dreckspatz.
„Stimmt, Jäger und Krieger schließen sich nicht aus. Bist du auch magisch begabt? Sarier sind doch gute Naturmagier, wenn ich mich nicht irre.“ In manchen Punkten waren ihre beiden Völker sich nicht unähnlich. Beide verließen nicht gerne ihre Heimat.

Die Elfen erreichten das Ende der Senke und machten sich daran den Hügel zu erklimmen. Das Schwierigste daran waren nicht die Wurzeln, die manches Mal zu locker oder dünn waren, um ihr, eigentlich nicht schweres Gewicht zu halten. Es waren ihre müden Glieder, die der Brünetten den Aufstieg erschwerten und etwas verlangsamten. Doch ihr gelang, dank Yedans Rat, mit geringen Schwierigkeiten hoch genug zu klettern, dass sie am Ende seine Hand ergreifen konnte und von ihm das letzte Stück hochgezogen wurde.
Sein Blick wanderte wieder über ihre Gestalt und brachte Rhuna dazu ihn anzulächeln. Er schien sich immer wieder zu versichern, dass sie sich nicht verletzt hatte – eine ziemlich nette Eigenschaft.
Auch ihr Blick ging umher. Es war faszinierend, wie unterschiedlich die Vegetation in diesem Urwald war. Eine Gegend war unerbittlich und konnte einem das Fürchten lehren, die Andere bezauberte jedem mit der floralen Schönheit und Artenvielfalt. Rhunas Augen erblickten Pflanzen, die sie noch nie zuvor gesehen hatte und Bluten, mit denen sich jede Elfe gerne schmücken würde. Doch was das größte Entzücken in der jungen Elfe auslöste, war das Geräusch von fließendem Wasser. Ihre Augen bekamen direkt einen wacheren Glanz zurück und ihre Schritte wurden schneller.
Yedan schob ihr hier und da die, in den Weg rankende Vegetation zur Seite, bis schließlich das große Blatt beiseite gedrückt wurde und ihr den Blick auf ein kleines Idyll ermöglichte. Ihr Blick wanderte umher und ein von der Schönheit entzücktes Lächeln formte ihre Lippen.
„Nach vorhin ist das hier wie ein Traum!“, gab Rhuna leise von sich und trat näher in die kleine Oase. Mit solch einem blühenden und schönen Ort hätte sie beinahe nicht mehr gerechnet.
Yedan schien ebenfalls froh zu sein, dass sie angekommen waren, wollte allerdings direkt für die Verpflegung sorgen. Die Elfe sah auf den Bogen, den der Brünette nun wieder in der Hand hielt. Dessen Schnitzereien hatten ihre Augen bisher noch gar nicht erfasst, doch einen genaueren Blick würde sie wohl auf später verschieben müssen. Er wollte auf die Jagd gehen und mit der Zeit im Nacken, war es sicher sinnvoll seine Frage direkt zu beantworten. Unentschlossen lächelnd sah sie zu dem großgewachsenen Halbelfen.
„Das überlasse ich dir. Aber wenn ich … einen Wunsch äußern dürfte: vielleicht nicht etwas zu ‚Exotisches‘?!“ Irgendwelche Krabbeltiere wären ihr gerade gar nicht recht. Ansonsten war Rhuna nicht die größte Etepetete. Selbst sie hatte für Essen schon getötet. Das war eben ein Teil der Natur, die sie alle schätzten.
Yedan bot ihr an sich auszuruhen und zu warten, bis er wiederkommen würde. Die Versuchung war groß und besonders das Wasser lockte, an dem sich die, in Mitleidenschaft gezogene Elfe erfrischen konnte. Dennoch nagte das schlechte Gewissen an ihr.
„Ich würde mich gerne ein wenig erfrischen. Aber ich kann dich nicht die ganze Arbeit machen lassen. Bei der Jagd wäre ich dir wahrscheinlich im Weg, aber ich kann Beeren und Früchte sammeln, wenn ich welche finde.“ Dass Raji auf sie aufpassen sollte war Rhuna noch nicht ganz geheuer, auch wenn der Tiger ihr einen harmlosen Blick schenkte. Einen Moment biss sie sich grübelnd auf die Unterlippe, bewegte sich dann aber vorsichtig einen Schritt auf den Tiger zu. Ein weiterer Schritt folgte, dann ein dritter, bevor sie in seiner Nähe stoppte und sich hinhockte. Raji war ein wundervolles Geschöpf, vor dem sie Respekt hatte und ja, auch noch ein wenig Angst, doch wollte sie ihm auch nichts Bösartiges unterstellen. Durchaus mit vorsichtigem Interesse betrachtete Rhuna Raji.
„Passt du wirklich auf mich auf?“, fragte sie den Tiger und lächelte ihn sanft an. Sollte dies wirklich so sein, wollte sie versuchen auch mit ihm Freundschaft zu schließen, wenn dies denn ginge.
Die brünette Elfe war sich nicht sicher, ob sie eine Hand ausstrecken sollte – immerhin war Raji kein Hund. Doch sie hob zur Geste an und wartete einfach, was passieren würde. Wenn sie etwas Leichtsinniges tat, würde Yedan sie wohl davon abhalten.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 10. August 2022, 11:15

Rhuna’s Neugierde war definitiv geweckt und so ließ sie es sich nicht nehmen, Yedan die eine oder andere Frage zu stellen. Allerdings ging die Frage nach dem Alter vorerst unter, denn ihre Enthüllung, dass Raji einen Dunkelelf gefressen hatte, schien den Sarier deutlich mehr zu beschäftigen. Für einen Moment wirkte die Stimmung gedrückt, während sie sich weiter ihren Weg suchten. Doch nachdem sie Rhuna’s kleinen Stolperstein überwunden hatten, schüttelte Yedan den Kopf. „Ich habe mich nie groß um meine Magie gekümmert. Vermutlich ist sie inzwischen verkümmert.“, meinte er knapp und konzentrierte sich wieder vermehrt auf den Weg. Erst als sie die Senke verlassen hatten und er ihr das kleine Idyll zeigte, wurde er wieder etwas redseliger. „Mit deiner Annahme, dass sowohl sarische Elfen als auch Waldmenschen die Besten in Sachen Naturmagie sind, hast du aber Recht.“, versicherte er ihr und schmunzelte, bei dem Leuchten ihrer Augen und dem feinen Lächeln, als sie die kleine Oase entdeckte. Er gab ihr einen Moment, bevor sie sich umgesehen hatte und trat hinter ihr an das Becken. Er schöpfte eine kleine Hand voll und trank, bevor er sich eine weitere Hand voll über die Haare strich, um sich zu erfrischen. Ihre Antwort entlockte ihm das Anheben seiner Augenbrauen und einen fragenden Blick. „Nichts zu ‚Exotisches‘ ?“, hakte er nach und grinste plötzlich spitzbübisch. „Mädchen, du bist im Kapayu – was erwartest du?“, lachte er brummig und schüttelte etwas seine dunkle Mähne. „In Ordnung, ich sehe zu, was sich machen lässt.“, versicherte er ihr. Ihren Vorschlag hörte er sich geduldig an und runzelte etwas die Stirn. „Du kannst nicht jagen?“, hakte er nun doch etwas verwundert nach. „Rhuna… Versteh‘ mich nicht falsch, aber wie willst du überleben, wenn du nicht für dich sorgen kannst?“, fragte er ehrlich und es war gar nicht so, dass er sich über sie lustig machte, er schien sich das wirklich zu fragen. Für ihn war es, als wäre sie ohne Kleidung am Leib in die Eiswüste gegangen. Einfach unvorstellbar. Seine hellbraunen Augen huschten einmal zu Raji, danach wieder zu Rhuna. „Nun gut, für heute soll es gut sein. Aber, ab Morgen werde ich dir wenigstens die grundlegenden Dinge übers Jagen beibringen!“, beschloss er und schüttelte, sie musternd, den Kopf. „Du musst dich wenigstens zurechtfinden und versorgen können. Sonst überlebst du deine Reise keine 3 Tage!“, mahnte er die junge Elfe und zeigte einmal mehr, dass er deutlich mehr Erfahrung hatte mit der Wildnis. „Sammle ruhig ein paar Beeren. Aber bevor du sie isst, warte auf mich!“, fügte er an. Jetzt aber nickte er ihr noch mal zu und schenkte ihr ein Lächeln, bevor er im Wald verschwand, um zu jagen. Rhuna konnte den Elfen schon kurz nach dem visuellen Verschwinden nicht mehr hören.

Er war ein Meister darin, sich lautlos zu bewegen und mit ihm an ihrer Seite, könnte ihr gewiss nichts passieren. Rhuna selbst nutzte die kurze Pause, um sich zögerlich an Raji zu wenden. Der Tiger hob den Blick, als sie sich ihm näherte. Erhaben ruhte der Blick auf der Elfe und er machte keine Anstalten sich zu bewegen. Abwartend musterte er sie. Auch als sie die Hand hob, rührte sich der Tiger nicht. Er beobachtete nur. Sobald sie die Hand näher geschoben hatte, senkte der Tiger seinen Kopf etwas und beschnupperte diese mit drei Atemzügen. Dann sprang er plötzlich auf und ging unhöflicher Weise von ihr weg. Raji legte sich demonstrativ abseits von ihr hin und plumpste auf die Seite. Genüsslich räkelte er sich in der Erde. Er wirkte keineswegs angriffslustig oder ihr gegenüber aggressiv, aber offenbar würde eine Freundschaft bei den beiden noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Eine Weile war Rhuna nun allein, abgesehen vom Tiger, der sich am Rande der Oase aufhielt und ein Nickerchen hielt. Ab und an zuckte sein Ohr, bei Geräuschen in der Gegend, aber wirklich alarmiert war er nicht. Rhuna konnte sich also, wenn sie dies als gutes Zeichen sah, entspannen und sich um die Beeren kümmern oder aber um ihre kleine Katzenwäsche. Je nach dem. Der Urwald wurde dunkler und das Licht von den hohen Baumkronen verschwand zunehmend. Mit dem Herabsinken der Sonne, wurden die Geräusche im Urwald lauter und neue fügten sich in die Symphonie ein. Insekten begannen um jede Lichtquelle zu schwirren, die sie erhaschen konnten, irgendwo riefen Affen in unheimlichen Lauten und das Rascheln und Knacken in unmittelbarer Nähe wurde auch wieder lauter. Irgendwo schlängelte sich eine Schlange durch das Unterholz. Raji hatte sich inzwischen wieder etwas aufgerichtet und lauschte mit gespitzten Ohren in die zwielichtige Dämmerung hinein. Es wurde dunkel. Konnte Rhuna eigentlich Feuer machen? Inzwischen war es so finster, dass man kaum noch die Hand vor Augen erkennen konnte. Und Yedan? Er war bereits eine Weile weg, wie lange würde man nur vermuten können. Ob es ihm gut ging? Andererseits würde Raji sicher nicht so entspannt bleiben, wenn dem nicht so wäre, oder? Und als hätte der Kapayu Gedanken gelesen, tauchten plötzlich kleine, grüne Lichter auf. Erst waren es nur eine Handvoll, doch dann wurden es mehr, bis die ganze Oase in einem schummrigen, grünen Licht erstrahlte. Es war ein wunderschönes Naturschauspiel. Rhuna konnte sogar erkennen, dass diese grünen Lichtpunkte nicht nur einfache Glühwürmchen waren, sondern kleine Geschöpfe mit dünnen Ärmchen und Beinchen und sogar Gesichtern. Sie sausten verspielt durch die Luft und hinterließen grünliche Schimmer, die alsbald wieder verblassten. Sie spendeten der Elfe wenigstens so viel Licht, als dass sie das Becken erkennen konnte. Allerdings machte es aber auch das Erkennen drumherum etwas schwieriger, wo sich plötzlich alles nur noch schwarz in schwarz deckte. Plötzlich bewegte sich etwas rechts von Rhuna und augenblicklich stand Yedan neben ihr. „Alles in Ordnung?“, fragte er und hielt zwei Hasen in die Höhe, um sie an seiner Beute teilhaben zu lassen. „Wie läufts mit dem Feuer?“, hakte er nach und lächelte wie so oft entwaffnend.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 10. August 2022, 21:49

Es war nicht so, dass Rhuna keine Fragen zu den Dunkelelfen hatte. Doch schnitt sie das Thema bewusst nicht an – zumindest nicht in diesem Moment. Dass Yedan über ihre Erzählung so in Gedanken versank, beantwortete schon alleine ein paar Fragen. So hob sie sich dieses Gespräch für einen etwas passenderen Zeitpunkt auf. Immerhin würden die beiden ein paar Tage beisammen sein, sollte nicht irgendetwas passieren.
Yedan war eine Weile schweigsam und schien nicht jede Frage mitzubekommen. Doch auf manche erhielt die Elfe eine Antwort. So lernte sie, dass er ein sarischer Krieger war und seine magischen Künste somit nicht verfolgt hatte. In ihren Gedanken ging Rhuna die Informationen durch, die sie über die Sarier gelernt hatte und versuchte dieses Bild mit ihm zu vergleichen. Hatte Azúl nicht gar davon gesprochen, dass sie nicht besonders freundlich und äußerst gewaltbereit waren? Nun, für die Definition von Gewaltbereitschaft waren Shyáner nicht die vertrauensvollste Quelle. In deren Augen waren die meisten Völker gewaltbereit – einer der Gründe, wieso sie ihr gut verborgenes Paradies der Harmonie so hüteten und nicht verließen.
Yedan passte nicht wirklich in das Bild, das ihr Azúl vermittelt hatte. Er war ohne Frage ein Krieger und war sicher in der Lage zu verteidigen und zu töten. Doch obwohl Rhuna aus der harmoniebedürftigen Gesellschaft Shyána Nelles stammte, konnte sie nichts unbedingt Schlechtes daran sehen. Der Elf war freundlich und ihr gegenüber wirklich hilfsbereit. Er lebte mit der Natur, kannte und begegnete den Gefahren und … sie konnte dies nur vermuten, er beschützte sicher sein Land und seine Leute, wenn es notwendig war. Wäre dies etwas Verwerfliches? Wenn er nicht aus niederen Gedanken heraus Unheil brachte und tötete?
Als sich Yedan am Wasserbecken erfrischte beobachtete die Elfe ihren Weggefährten. Seine Narben waren durch das Licht nun besser zu erkennen, als an dem düsteren Fleckchen, an dem sie sich begegnet waren. Auch sein muskulöser Körper erzählte eine ganz eigene Geschichte. Ähnlich, wie es auch bei Pharus der Fall gewesen war. Diese beiden Männer kannten das Leben, wie es tatsächlich war. Pharus hat eine dieser Lebenserfahrungen sogar das Leben gekostet. Seine Erzählungen über die Bedrohung, von der die wenigsten in ihrer Heimat etwas mitbekamen gingen ihr einen Moment durch den Kopf. Wie viel Yedan wohl darüber wusste? Irgendwann, wenn der Zeitpunkt passte und sie vielleicht beide ausgeruht waren, würde Rhuna ihn fragen.
Gedankenversunken beugte sie sich zu ihm und entfernte das Blatt, das noch immer in den zerzausten, nun ein wenig nassen Haaren Yedans hing. Reichte ihm dies wirklich als Erfrischung aus? Rhuna würde sich am liebsten in das Becken stürzen – wäre es nur ein wenig größer.
Als Yedan ihre Formulierung auf die Goldwaage legte, ganz offensichtlich, um sie ein wenig zu necken, sah sich besagtes Mädchen auffällig um und gab vor, überrascht zu sein. „Kapayu? Ich dachte die ganze Zeit wir würden in der stillen Ebene herumlaufen. Das kommt jetzt doch ein wenig plötzlich.“ Auch eine ihrer Augenbrauen hob sich leicht, als sie langsam ihren Blick wieder zu ihm wandte und ihn fast ein wenig herausfordernd zulächelte. „Und ich erwarte nur, dass du wiederkommst. Wenn es geht unverletzt…!“ Natürlich hätte sie ihm jetzt eine ebenso spitzbübische Antwort geben können, doch manchmal nahm man jemanden auch so den Wind aus den Segeln. Rhuna nahm nun tatsächlich einen Schluck Wasser und spürte, wie das kühle Nass ihre Kehle hinabrann. Das Wasser war frisch und kühl und war in der Lage ihren müden Geist ein klein wenig zu beleben.
Die nächste Lektion, die der Sarier ihr erteilte ließ die weltfremde Elfe einen Moment sprachlos werden. Sie sah ihn nur an, dann zogen sich ihre Augenbrauen leicht zusammen.
„Ich kann nicht mit Pfeil und Bogen jagen. Und ich gebe zu, dass ich für eine große Reise nicht viele Fähigkeiten besitze, aber gänzlich unfähig bin ich auch nicht. Ich weiß, wie man Fallen baut und diese aufstellt, auch wenn das für Reisen nicht die zeiteffektivste Art des Jagens ist. Und ich habe viel über Pflanzen gelernt und erkenne essbares Gewächs ganz gut. Und auch wenn ich bisher nur zugesehen habe… könnte ich sicher mit etwas Übung angeln.“, Ihre Stimme klang ruhig, doch ihr Blick verriet, dass sie etwas störte. Es war nicht so, dass sie ihm böse für seine Worte war. Auch wollte die junge Elfe ihm nicht widersprechen – sie war übereilt und unvorbereitet auf Reisen gegangen. Dennoch war sie nicht völlig ahnungslos und wollte nicht gänzlich, wie ein Nichtsnutz in seinen Augen wirken.
Vielleicht störte es Rhuna aber auch nur, dass sie vor Augen geführt bekam, wie viel Zeit ihres Lebens sie, in ihrer Rolle als brave Tochter, verschwendet hatte. Sie war eine hervorragende kleine Hausfrau, doch davon nützte ihr hier draußen wenig. Selbst die Bogenschießübungen, die auch Shyáner Elfen nicht selten ausführten, hatte Celest für sie als nicht passenden Zeitvertreib gesehen. Und nur Fílías war es zu verdanken gewesen, dass sie diesen ab und zu in Händen gehalten hatte.
Obwohl sie keine Anzeichen von Ärger gezeigt hatte sah die Brünette ihn, nach einem Moment des Schweigens, in dem sie ganz offensichtlich in Gedanken versunken war, entschuldigend an.
„Entschuldige. Du hast recht. Ich kann nicht viel, das mein Überleben hier sichern würde.“ Ihre violetten Augen suchten schnell den Blick auf etwas Anderes. Die Müdigkeit hatte sie wohl doch ein wenig empfindlich gemacht. Yedan hatte nur die Wahrheit ausgesprochen und ihr würde es nichts bringen, wenn er sie in Watte hüllen würde. Zeigte seine Ehrlichkeit nicht eher, dass der Sarier wirklich sehr nett war? Und obwohl sie einander nicht groß und lange kannten, auch irgendwie besorgt, um ihr Wohlergehen?
Während ihres Weges hierher war Rhuna durchaus der Gedanke gekommen, ihn zu bitten, ihr auf ihrem Weg grundlegende Dinge beizubringen. ‚Dinge‘, die sie selbstständiger machten. ‚Dinge‘, die ihr helfen würden auch alleine weiterzukommen. Doch nun war ihr Nichtkönnen so herausgekommen und sie nahm sein Angebot nur dankbar nickend an. Lediglich der Kommentar Aber bevor du sie isst, warte auf mich! ärgerte sie extrem, denn auf ihr Wissen über die Pflanzenwelt bildete sich die Shyánerin durchaus etwas ein.
„Streu mir ruhig noch mehr Salz in die Wunde!“, murmelte sie grummelnd und sah zu, wie der Elf schnell hinter der wild wachsenden Vegetation verschwand, um zu jagen.
Rhuna ging zurück zum Becken und schöpfte mit ihren Händen Wasser, um sich das dreckige Gesicht zu waschen. Für einen Moment schloss sie seufzend die Augen.
Nicht unterkriegen lassen…!!!, redete sie sich selbst gut zu. Sie wollte lernen und würde jede Möglichkeit nutzen, die verlorene Zeit wieder aufzuholen. Sich die eigenen Fehler einzugestehen war ein erster Schritt, der zweite war diese zu erkennen und Stück für Stück zu ändern, so dass sie sich eines Tages so sehen konnte, wie sie sein wollte. Rhuna mochte übereilt und unvorbereitet die Stadt verlassen zu haben, doch ihr Weggang war die einzige Möglichkeit gewesen, um zu lernen.
Rhuna wandte sich Raji zu, der in diesem Moment bereits die Rolle des ungefragten Beschützers übernommen hatte. Beide standen einander wohl ein wenig skeptisch gegenüber. Sie, weil sie einem prächtigen Exemplar einer Raubkatze gegenüberstand, die sie bereits angegriffen hatte und er wahrscheinlich aus Unverständnis darüber, was Yedan mit diesem merkwürdig tollpatschigen Fund wohl anfangen wolle.
Rhuna versuchte sich dennoch ihm vorsichtig zu nähern und vielleicht ein klein wenig Kontakt aufzubauen. Doch der Tiger schien in ihr nicht wirklich eine lohnenswerte oder gar interessante Gesellschaft zu sehen.
Die Reaktion brachte die junge Elfe doch leise zum Lachen und mit etwas positiveren Gedanken machte sie sich nun auf die Suche nach Beeren und Früchten. Ihr Stolz sorgte dafür, dass sie jedes Fundstück genauestens untersuchte und nur mitnahm, wenn sie sich sicher war, dass es genießbar war. Dank der Fruchtbarkeit, die sie umgab, musste sie sich nicht weit entfernen, um Früchte und Beeren zu finden. Doch gerade an gewisse Früchte kam sie gar nicht heran.
Eine Weile verging und das Licht wurde dünner, was Rhuna zur Umkehr bewegte. Ihre Errungenschaften hatte sie, in ein großes Blatt gefaltet, transportiert, das sie nun auf einem größeren Stein ausbreitete. Ihr Blick wanderte nicht das erste Mal zu Raji oder suchend umher. Doch Yedan schien noch nicht zurück zu sein.
Ich sollte für ein Feuer sorgen… Denn wo Beute gejagt wurde, sollte diese auch später einen Ort haben, um zubereitet zu werden. Vorausgesetzt natürlich man hatte vor das erlegte Tier nicht roh zu essen, wonach Yedan nicht aussah. Wenigstens in diesem Bereich wäre sie nicht völlig nutzlos.
Passendes Brennholz zu finden war in einer solch feuchten Umgebung gar nicht so einfach und am Schluss war sie sich nicht sicher, ob es tatsächlich geeignetes Holz war, dass sie, neben trockenem Laub und Geäst zu einem Scheit auftürmte. Auch sammelte sie vier Äste in einer Y-Form, mit denen die beiden Elfen Yedans Beute über dem Feuer einfacher zubereiten könnten. Obwohl es darauf ankam, was dieser wohl mitbringen würde.
Die Sonne ging unter und mit der Dunkelheit klangen auch die Geräusche des Urwaldes wieder bedrohlicher. Selbst Raji hatte sich aufgerichtet und lauschte in die Umgebung.
Yedan ist noch immer nicht zurück…, bemerkte die junge Elfenfrau mit zunehmender Sorge. Was, wenn er einem gefährlichen Tier begegnet war? Oder einem Dunkelelf – die Wahrscheinlichkeit war durchaus gegeben. Rhuna schüttelte ihren Kopf, um die aufkommenden Bilder aus ihren Gedanken zu vertreiben. Sie konnte nichts tun, außer zu warten und … zu vertrauen? Dass Raji so ruhig dalag beruhigte sie ein wenig. Vielleicht hieß das etwas Gutes.
Mittlerweile konnte die Elfe kaum mehr etwas sehen. Sie könnte versuchen ein Feuer zu entfachen, doch wäre es nicht besser auf ihren Begleiter zu warten? Die Entscheidung wurde ihr abgenommen, als die Umgebung langsam in ein sanftes grünes Licht getaucht wurde. Hunderte Glühwürmchen tanzten im Kreise ihrer Lichtkugeln durch die Luft und verwandelten den, eben wieder bedrohlich wirkenden Dschungel, in ein wahres Naturschauspiel. Zu den kleinen Käfern hatten sich auch kleine andere Wesen gesellt, die ein ähnliches Licht ausstrahlten und die Oase in sanftes Licht hüllten. Wie viele Wunder es hier gab, wie viele Gegensätze.
Es war ein Augenblick, in dem Rhuna keine passenden Worte fand, um die Schönheit des Moments zu beschreiben, den sie für ein paar Minuten einfach nur schweigend beobachtete. Nun wollte sie erst recht noch kein Feuer machen. Die Erschöpfung, die ihr Körper empfand wog schwer, doch die Sorge ließ ihr keine wirkliche Ruhe und so stand Rhuna auf, um sich anderweitig abzulenken. Sie ging zum Wasserbecken und beschloss ihr Vorhaben von vorhin in die Tat umzusetzen und sich zu waschen. Dann würde sie sich sicher auch viel wohler fühlen.
In ihrer Tasche trug sie zwar keine große Ausstattung an Wechselkleidung mit sich herum, doch sie würde zumindest etwas Sauberes am Körper tragen können.
Einen kurzen Blick warf die junge Elfe über die Schulter, ehe sie sich ihrer Kleidung bis auf das weiße Unterkleid entledigte. Alleine die dreckigen Stiefel auszuziehen und unter den Füßen den feuchten, moosigen Boden zu spüren, entlockte ihr einen wohligen Seufzer.
Einfach gestaltete es sich nicht sich zu waschen, denn sie wollte auch nicht, dass das Wasser im Becken verdreckt wurde. Alleine das Licht war, wenn durchaus traumhaft, gerade hell genug. Sie schöpfte das kühle Nass mit den Händen erst von einem Arm über den nächsten und rieb sich den, bereits an ihrer Haut haftenden, Schlamm ab, der so neben das Becken in braunen Rinnsalen zu Boden tropfte. Den Armen folgten die Beine, Füße und der Nacken. Das Unterkleid sog sich immer mehr mit Wasser voll, doch das war Rhuna herzlich egal. Zu spüren, wie der Schweiß und Dreck von ihrem Körper floss, war ein unglaublich befreiendes Gefühl.
Ein wenig später, als sie gerade dabei war sich das Wasser aus den tropfenden, braunen Locken zu streichen, hörte sie plötzlich ein Rascheln. Ihr Blick hob sich und wollte sich gerade nach Raji umwenden. Doch da tauchte Yedan schon aus der Dunkelheit, rechts neben ihr auf. Rhuna hatte ihn nicht kommen hören. Nur im letzten Moment mit dem Rascheln aus nächster Nähe war ihr aufgefallen, dass sich etwas in ihrer Nähe befunden hatte. Dabei besaß sie wirklich gute Ohren.
Doch die Erleichterung darüber, dass Yedan wieder da war wog mehr, als die Sorge vor ihrer Unachtsamkeit. Lächelnd richtete sie sich von ihrer leicht vorgebeugten Position auf. Die braunen Haare fielen in feuchten Wellen über ihre Schultern und erst in diesem Moment registrierte die junge Frau, dass sie vor ihm in ihrem nassen Unterkleid stand. Der Stoff war glücklicherweise nicht gänzlich durchsichtig und die Lichtverhältnisse waren nicht die besten, doch es genügte, um Rhuna ein wenig erröten zu lassen, als sich ihre Blicke trafen. Sie war nicht prüde oder verfiel nun in verlegene Panik. Doch was sie trug war … weniger, als dass sie normal vor anderen zur Schau stellte. Doch würde es Yedan überhaupt kümmern? Wahrscheinlich hatte er schon deutlich mehr gesehen. Kümmerte es sie? Vielleicht ein kleines bisschen. Doch wenigstens sah die junge Shyánerin nun nicht mehr aus wie ein Sumpfungeheuer.
„Ja… schon, mir geht es gut! Was ist mit dir?“ fragte sie und der Blick ihre violetten Augen wanderte musternd über seinen Körper, um sich zu versichern, dass er dieses Mal unverletzt war.
„Du warst ganz schön lange fort…!“, Dies merkte Rhuna mehr als Ausdruck ihrer Sorge an, als dass sie ihm einen Vorwurf hätte machen wollen. Ihr Blick fiel auf die dargebotenen Hasen in seiner Hand, welche sie mit einem leichten Kopfschütteln zur Kenntnis nahm. Es war schon neiderregend, dass Yedan selbst jetzt fähig war, ihr ihren Wunsch nach etwas, nicht zu ‚Exotischem‘ für das Essen zu erfüllen.
„Tut mir leid. Ich habe Holz und Laub gesammelt, aber ich konnte irgendwie kein Feuer machen, als diese ganzen Glühwürmchen auftauchten.“, erklärte sie und beugte sich zu ihrer Tasche, aus der Rhuna ein zweites, trockenes Unterkleid zog, das sich in Form und Material nicht groß von dem ersten Unterschied. Ihre anderen Sachen hätte die Elfe gerne noch etwas gewaschen, oder möglichst von Schmutz befreit, doch nun stand das Essen im Fokus.
„Ich ziehe mir schnell etwas Trockenes an und kümmere mich dann um die Hasen. Du kannst, wenn du möchtest schon mal die Beeren kontrollieren! Ich habe auch ein paar Früchte gefunden, doch die Sorte ist mir unbekannt. Vielleicht sind diese giftig.“ Redete die Brünette gerade einfach weiter, um ihre leichte Verlegenheit zu überspielen? Vermutlich schon. Sie entfernte sich ein wenig, sah dann aber doch noch mal hinüber zu Yedan. Bevor sie sich umzog, wollte sie nun doch sichergehen, dass er sie nicht noch ansah.

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Samstag 13. August 2022, 20:45

Nach der ganzen Aufregung und den Strapazen seit ihrem Weggang aus Shyána Nelle, war es ein äußerst verlockendes und versöhnliches Angebot, welches die Natur des Kapayu Rhuna machte. Die kleine Oase wartete mit allem auf, was ihre aufgeregte Seele nun gebrauchen konnte. Sicherheit und Wasser. Ihr neuer Begleiter sorgte für Nahrung und der Tiger in ihrem Rücken für einen reibungslosen Ablauf. So zumindest die Theorie. Trotzdem musste sich Rhuna vorerst mit ihrem Sturm im Innern ein wenig auseinandersetzen, denn Yedan hatte etwas in ihr anklingen lassen, was ihr lieber nicht so bewusst geworden wäre. Yedan benutzte das Wort zwar nicht, doch ihr Innerstes schrie ‚Unfähigkeit‘ und zwang Rhuna dazu, sich die karge Ausbeute auf der ‚Haben-Seite‘ vor Augen zu führen. Aber war das tatsächlich so? Sie mochte nicht eine versierte Jägerin oder bewandert in Kartografie sein, doch Rhuna war wissbegierig, neugierig und vor allem war sie lernfähig. Sie überschätzte ihre Fertigkeiten keinesfalls – sie wusste um Defizite. Sollte sie das deshalb abhalten, um in der Welt ihr Glück zu versuchen? Sie hatte bereits ein halbes Jahrhundert damit ‚vergeudet‘, es allen, außer sich selbst Recht machen zu wollen. Jetzt war sie an der Reihe und wenn sie noch hundertmal im Dreck landen würde! Nun aber nutzte sie die kurze Zeit allein, um sich endlich vom ersten Schmutz befreien zu können. Yedan war zur Jagd und sie wollte die Beeren nutzen, um ihm zu beweisen, dass sie eben nicht völlig blind losgestürmt war. Sie hatte Bücher gelesen, hatte sich die Pflanzenkunde eingeprägt und sie war, zumindest geistig, vorbereitet im Urwald Nahrung zu finden. Danach bereitete sie wenigstens das Feuer vor und noch ehe sie sich entschieden hatte, ob sie es entzünden sollte oder nicht, erschien ein wahres Wunder über ihrem Kopf. Selbst Raji hob den Kopf und betrachtete neugierig und verspielt die kleinen Funken. Es waren winzig kleine Naturgeister, die es in jedem Wald in Celcia geben konnte. Kleine Helferlein, die sich um die Belange des Waldes kümmerten, im Einklang mit Florencia und Phaun und Laszar oder Ilani.
Diese umschwirrten die Elfe nun, während sie sich endlich ihrem Bad widmete. Sie nahm sich Zeit und allein das Fortwaschen der Zeugnisse ihrer Anstrengungen half ihr, sich ein wenig besser zu fühlen. Die Müdigkeit wurde ebenso beiseite gespült, wie die Rinnsale aus Schlamm. Dennoch konnte Rhuna das ‚Bad‘ nicht gänzlich entspannen. Wo war Yedan? Er war bereits eine Weile weg und in ihr formte sich der Wunsch, dass er wieder zurückkehren möge. Während sie sich weiter dem Wasser widmete, hob Raji derweil eine Tatze und versuchte einige der kleinen Funkenwürmchen zu fangen. Er war in sein Spiel vertieft und schien auch sonst mehr als entspannt. Er kannte es wohl, dass sein menschlicher Begleiter eine Zeit lang verschwand. Oder er hörte ihn und wusste, wo er war? Wie auch immer, bevor sie ihr Bad beendet hatte, stand Yedan plötzlich neben ihr und präsentierte seine Beute. Die beiden Hasen erleichterten Rhuna zusätzlich. Keine merkwürdigen Kreaturen die ihre Flexibilität testeten. Keine Käfer oder Gewürm, welches ihren Ekel prüfte und ihren Magen rebellieren ließen. Sie war froh. Yedan ließ seinen Arm sinken, als ihm offenbar bewusstwurde, wie er Rhuna angetroffen hatte. Seine Augen ruhten einen langen Moment auf ihrem Gesicht, bevor sie tiefer rutschten und er erkannte, dass sie lediglich im Unterkleid vor ihm stand.

Der Krieger konnte sich einen schelmischen Blick nicht verkneifen und es kostete ihn eine oder zwei Sekunden mehr, bevor er seinen Blick wieder in ihre Augen hob. „Komme ich ungelegen?“, grinste er frech und trat einen Schritt von ihr zurück. Stand er eigentlich immer schon so nah? Er hatte von Anfang an bewiesen, dass er weder auf besondere Etikette Wert legte noch äußerst prüde war. Trotzdem musste auch ihm bewusst sein, dass die Situation verfänglicher wirken konnte, als sie vielleicht gemeint war. Deshalb überließ er Rhuna die Hasen wortlos und folgte ihrem Fingerzeig, als sie Beeren erwähnte. „hmh“, machte er, während seine Augen doch noch mal wanderten. Erst dann wandte er sich noch mal dem Becken zu und tauchte beide Hände hinein. Auch er wusch sich die Arme, die Brust und schlussendlich tauchte er beide Hände erneut hinein, um ordentlich viel Wasser über seinen Kopf zu schöpfen. Er wiederholte das Prozedere zwei Mal, ehe er sich das Wasser aus dem Gesicht wischte und die Haare mit allen zehn Fingern nach hinten strich. Er atmete tief durch. Sein Blick fiel mit einem Mal auf das Blatt, welches Rhuna ihm aus dem Haar fischte, bevor er jagen ging. Er schmunzelte bei der Erinnerung daran und trat daraufhin zum Feuer. „Verzeih, ich hoffe, du hast dir keine Sorgen gemacht?“, fragte er und sah kurz zu Raji. Dieser spielte immer noch mit den Funken und Yedan lächelte. „Ich habe mir noch mal den Leichnam angesehen, den du erwähnt hast.“, bemerkte er als wäre es etwas völlig Banales. „Es war ein Dunkelelf, wie du sagtest. Er sah übel zugerichtet aus, schon bevor er… nun, starb. Raji war das aber nicht, soweit ich das erkennen konnte. Er hat sich lediglich am … naja Buffet bedient.“, schloss er und hockte sich zum Feuer. Er betrachtete das was Rhuna aufgetürmt hatte und hatte offenbar nichts daran auszusetzen, denn er suchte sich mit geübtem Blick ein Scheit, einen Stock und etwas trockenes Gras.
Bevor er begann, den Stock zwischen seinen Händen zu reiben, um Wärme zu erzeugen, zog er seinen Dolch vom Gürtel und ritzte das Scheit etwas ein. Damit Sauerstoff an die erzeugte Wärme gelangen konnte, grub er eine kleine Kuhle in die Erde, bevor er das Scheit darüberlegte, und begann den Stock zu reiben. Er machte das nicht zum ersten Mal. Er hatte ihr den Rücken zugedreht, damit sie die Sicherheit hatte, dass er nicht gucken würde, sobald sie sich völlig entkleidete. Natürlich konnte sie dennoch nicht ganz sicher sein, dass er einen Blick riskierte, doch hatte er auch mit dem Entzünden des Feuers zu tun. „Das sind Funkenfreunde – jedenfalls werden sie so bezeichnet. Es sind Naturgeister, sie gibt es zu hunderten in den Wäldern dieser Welt. Im Sarius weniger, aber auch dort.“, berichtete er über seine Schulter, während er weiter rieb und sie sich anziehen konnte. „Du hast Glück – sie kommen nicht immer heraus. Offenbar fühlen sie sich in deiner Gegenwart sicher genug.“, machte er ihr schon wieder ein beiläufiges Kompliment. Plötzlich züngelte eine kleine Flamme am unteren Ende des Stockes empor und Yedan neigte sich hinunter, um dagegen zu pusten. Vorsichtig dirigierte er das Flämmchen in Richtung des Grases, damit es Feuer fing. Für einen Moment konzentrierte er sich ausschließlich darauf, bis er die zarte Flamme groß genug bekommen hatte, um das Zundwerk für das Lagerfeuer ebenfalls in Brand zu stecken. Keine halbe Stunde später, hatten Rhuna und er ein vernünftiges Feuer, an dem sie ihre Beute zubereiten und sich etwas wärmen konnten. Die Nächte waren hier zwar nicht kühl, aber klamm. Die Luftfeuchtigkeit machte es schwer nasse Kleidung zu trocknen.

Yedan überließ es Rhuna die Hasen zuzubereiten. Er hatte sich inzwischen das Blatt mit den Beeren und Früchten genommen und im Licht des Feuers, begutachtete er diese genau. Schließlich wollten sie nicht Gefahr laufen, plötzlich mit Übelkeit oder gelähmter Zunge dazusitzen. „Das wird ein Festmahl!“, meinte er plötzlich zufrieden und lächelte Rhuna über die Flammen des Feuers hinweg an. „Keine dieser Beeren oder Frucht ist giftig. Gut gemacht!“, bescheinigte er der Elfe und nickte anerkennend. „Woher kennst du dich mit Beeren aus?“, wollte er wissen, bevor er sich erneut erhob und an die dichtstehenden Büsche trat, die sie in dieser Oase etwas abschirmten. Mit seinem Messer begann er, ein dickes Blatt nach dem anderen abzuschneiden und feinsäuberlich übereinander zu stapeln. Als er genug hatte, kam er mit den Blättern zurück und legte zweimal in der Nähe des Feuers einen Schlafplatz aus. „Setz dich auf die Blätter – sie schonen den Rücken etwas.“, bot er an und setzte sich ebenfalls. Mit einem längeren Zweig stocherte er etwas im Feuer herum, damit es nicht ausging, ehe er die Arme auf seine angewinkelten Knie legte und sein rechtes Handgelenk mit der Linken festhielt. Die Flammen warfen Schatten auf sein Gesicht und der Schein spiegelte sich immer mal wieder in seinen Narben wider. „Ich wollte dir vorhin nicht zu nahetreten. Allerdings war ich einfach überrascht jemanden wie dich hier zu finden. Du scheinst… eben nicht die Art Person zu sein, die sich einfach aufmacht, um auf Weltreise zu gehen.“, versuchte er sich zu erklären. „Dieser Freund muss dir wirklich viel bedeutet haben und ich respektiere deinen Mut.“ Er nickte ihr leicht zu und lächelte etwas. „Hat dich keine Familie davon abhalten wollen, dein Vorhaben in die Tat umzusetzen?“, wollte er wissen und allmählich stellte sich eine gewisse Gemütlichkeit ein. Einzig Raji störte diese Ruhe noch mal kurz, als er sich aufrichtete und zu Yedan trottete. Der Tiger schlenderte auf den Elfen zu und stieß ihn mit seinem weichen Kopf an, sodass der Mann tief auflachte. Er griff nach dem Fell des Tieres und kraulte es ausgiebig, bis der Tiger sich mit einem erneuten Stups verabschiedete und wieder im Dickicht des Urwaldes verschwand. Noch ein paar Mal konnte man es rascheln hören, dann waren auch Raji’s akustische Spuren verstummt. Nun waren Rhuna und Yedan allein mit dem Feuer und einigen restlichen Funkenfreunden, die sich allmählich ebenfalls zurückzogen.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Sonntag 14. August 2022, 12:20

Die Glühwürmchen und die, wie sie später lernen würde – Funkenfreunde tanzten in der Luft um die beiden Elfen, die sich aus unterschiedlichen Gründen eine Weile schweigend betrachteten. Rhuna war in erster Linie erleichtert darüber, dass ihr Begleiter unversehrt und mit einem Abendessen zurückgekehrt war, das für sie keine erneute Herausforderung bedeutete. Hasen wusste sie zuzubereiten, auch wenn die Ausstattung kein tatsächliches ‚Kochen‘ zuließ. Denn weder Yedan, noch sie hatten einen kleinen Kessel dabei.
Yedans Blick, der gefühlt bewusster und deutlich länger über ihre Erscheinung wanderte, war für die junge Elfe sehr präsent. Das Gefühl, das sie dabei empfand war neu, denn in solch einer Situation war sie bislang niemals gewesen, wenn man von einer häuslichen Begegnung mit ihren Brüdern absah, in der sie ebenfalls, ein wenig luftiger gekleidet in einem langen Unterkleid herumgelaufen war. Doch Azúls peinlich berührte Art, wie er sich die Augen mit einer Hand abzuschirmen versuchte und zeitgleich Rhunas taktloses Verhalten schalt, war ihr stets gleichgültig und leicht übertrieben vorgekommen. Kannte sie doch seinen Fokus auf korrekte Umgangsformen und seine penible Leidenschaft für gutes Aussehen und die Wahl korrekter und angebrachter Bekleidung.
Fílías damalige Reaktion war der von Yedan weitaus ähnlicher. Er hatte lediglich gegrinst - ihrer Vermutung nach, weil Azúl sich über ihre Erscheinung echauffierte.
In diesem Moment wurde ihr der Unterschied zwischen ihren Brüdern und Yedan dennoch bewusst und ihre Wangen brannten leicht. Sie konnte allerdings nicht recht beschreiben, was genau nun großartig anders war. Als er seine Augen wieder hob und auf ihre traf, vermutete die Brünette für sich, dass es an der verschmitzten Art liegen musste, mit der er sie betrachtete.
Auf seine Frage, ob er ungelegen käme, schüttelte Rhuna leicht mit dem Kopf.
„Schau nicht so. Unter dem Schlammungetüm steckte tatsächlich eine Elfe!“, versuchte sie mit einem Scherz die Situation ein wenig zu normalisieren. Sie vermutete, dass es Yedan, wie einst Fílías nichts ausmachte, wie sie gekleidet war. Viel Auswahl hatte sie zurzeit simmerhin nicht und die Alternative, in ihre matschigen Sachen zurückzukehren wäre ihr weitaus unangenehmer. In diesem Fall war sie wieder ein wenig pragmatisch veranlagt, wie wenn sie die Röcke für Erntearbeiten hochgerafft und verschnürt hatte, was ihrer Mutter stets ein Dorn im Auge gewesen war.
Rhuna sammelte ihre Ersatzkleidung auf, was zunächst auch nur ein sauberes und trockenes Exemplar eines Unterkleides war und wollte sich gerade ein wenig entfernen, um sich umzuziehen, als sie dann doch noch mal stehenblieb. Ihr Blick lag auf Yedans Rücken, über den nun ebenfalls Wasser in kleinen Rinnsalen lief und tropfenförmig zu Boden perlte. Wie er die Narben wohl bekommen hatte? Wie häufig war er schon in Gefahr gewesen?
Als sich Yedan wieder aufrichtete und seine Haare mit den Fingern zurück strich, so dass sie das erste Mal sein Gesicht vollständig erahnen konnte, wurde der Elfe bewusst, dass sich ihr Blick ein wenig zu lange an ihr Gegenüber gehaftet hatte. Leicht zusammenzuckend, als würde sie aus einem Tagtraum aufwachen wandte sie sich ab und entfernte sich ein paar Schritte weiter, wo weniger der kleinen, leuchtenden Wesen die Dunkelheit vertrieben.
… er ist nicht verletzt!, wiederholte sie noch einmal das Ergebnis ihrer Beobachtung. Mit einem letzten Blick zurück, mit dem sich Rhuna versicherte, dass Yedan anderweitig abgelenkt war, zog sie sich das nassklebrige Unterkleid vom Körper und ersetze es gegen das Trockene. Anschließend ging sie direkt zurück, um sich um die Hasen zu kümmern. Aus der Tasche zog sie das Schiffsmesser, das einst Pharus gehörte und schnitt damit zwei große Blätter ab, die ihr als Unterlage zum Zubereiten dienen sollten. Im Augenwinkel erkannte sie Raji, der mit den Funkenfreunden spielte und diese versuchte mit seinen großen Tatzen zu fangen.
Ich scheine mich langsam an ihn zu gewöhnen., stellte die Brünette mit einem Lächeln fest, denn die Bewegungen des Tigers ließen sie nicht mehr stetig nervös und alarmiert zusammenzucken. Yedan kümmerte sich gerade um das Feuer und so kehrte Rhuna zu ihm zurück und hockte sich neben ihn, um ihm zuzusehen. Aufmerksam beobachtete sie jede seiner Bewegungen. Zum Zubereiten der Hasen wäre ein klein wenig mehr Licht hilfreich, weshalb sie noch wartete.
„Anfangs nicht, aber je mehr Zeit verging, je größer wuchsen meine Sorgen schon. Du bist zwar ein Krieger und kannst dich scheinbar trotz der Dunkelheit gut orientieren, aber das heißt ja nicht, dass dir nicht doch etwas geschehen könnte…!“, erklärte sie und musterte noch einmal sein Gesicht, das dank der zurückgestrichenen, nassen Haare besser zu erkennen war. Als würde sie unbewusst wieder spiegeln strich auch sie sich nachdenklich eine ihrer, dank der Feuchtigkeit stärker gelockten Strähnen zurück hinter ihr Ohr und rutschte etwas fort, um mit der Vorbereitung für die Zubereitung der Hasen zu beginnen, als Yedans Worte sie doch noch einmal ablenkten.
„Du bist den ganzen Weg noch einmal zurück? Und das bei der Dunkelheit?“, fragte sie erstaunt. Ihre Miene nahm einen sorgenvollen Ausdruck an, als sie seinen Erklärungen über diesen grausigen Funk lauschte. Dunkelelfen waren Rhuna unheimlich. Und den toten Blick der Augen würde sie sicher so schnell nicht vergessen können.
„Was denkst du hat ihn getötet?“, fragte sie unsicher darüber, ob sie die Antwort hören wollte. Ein Schauder lief über ihre Haut. „Bist du… schon vielen Dunkelelfen begegnet? Sind sie tatsächlich so, wie man sich bei uns erzählt und wie …mein Freund erzählt hat?“ Rhuna fragte sich nicht zum ersten Mal, wieso sich die Shyáner Elfen so abschotteten und nichts von den Gefahren außerhalb mitbekamen. Oder waren es lediglich junge Elfen wie sie, die darüber nichts wussten?
Königin Miluiéth Federtanz muss darüber doch Wissen verfügen! Sie ist umringt von einem Kreis von Beratern, denen auch Auswärtige angehören. In ihrem Kopf überschlugen sich Fragen, die sie allerdings noch nicht stellte. Vielleicht, weil sie tatsächlich müde war und sich an diesem Abend nicht schlimmeren Prognosen und Geschichten gewachsen fühlte.
Gedankenversunken sah sie ihrem Begleiter zu, wie dieser das Feuer in Gang brachte. Erst als Yedan die Naturgeister erwähnte hob sie ihren Blick und betrachtete sie schönen tanzenden Lichter erneut. Der Urwald war tatsächlich voller Gegensätze, Schönheit und Gefahren. Und obwohl der Anfang ihrer Reise nicht wie geplant verlaufen war, saß sie nun hier und dankte den Göttern still für die kleine Lektion, die sie durchlebt hatte. Rhuna war sehr erschöpft, auch wenn sie nicht das Gefühl hatte, dass sie in dieser Nacht leicht in den Schlaf finden würde. Doch die Strapazen und Schrecken hatten ihr Gutes gehabt. Sie war sich ihrer Umgebung und Situation nun bewusst - zumindest bewusster als zuvor. Die Elfe wusste, dass sie viel lernen musste und obgleich der Gedanke an ihre ‚Unfähigkeiten‘ teils niederschlagend war, fühlte sie sich lebendiger als je zuvor. Dass sie dies nun so betrachten konnte, schrieb sie Yedans Gegenwart zu. Dank ihm konnte sie ein wenig entspannen und sich sicher fühlen – und sie konnte von ihm lernen.
„Vielleicht liegt es auch nur daran, dass ich mit dir unterwegs bin!“, schloss Rhuna lächelnd und gab so das kleine Kompliment wieder zurück. Ihre zweite Vermutung, dass man ihr an der Nasenspitze ansah, dass sie keine Gefahr bedeutete, sprach sie dieses Mal nicht aus.
Das Feuer begann knisternd zu brennen und Rhuna begann mit dem Häuten und Ausnehmen der Hasen. Zuvor drehte sie ihre Haare zu einem unordentlichen Dutt, den sie mit einem einfachen Stock fixierte, so dass diese sie bei der Arbeit nicht stören konnten. Für einen Moment schwieg die Elfe und konzentrierte sich auf ihre Tätigkeit. Auch Yedan war abgelenkt in seiner Inspektion der Beeren und Früchte, die er anschließend als ungiftig und genießbar verkündete.
Ein wenig stolz und erleichtert darüber, keinen Fehlern gemacht zu haben, schenkte Rhuna ihm ein Lächeln. Die Hasen waren nun zum Braten vorbereitet und sie huschte noch einmal schnell zu ihrer Tasche, aus der sie ein kleines Gläschen hervorholte, das mit einem Korken verschlossen war. Darin enthalten war Salz, das sie, zusammen mit ein paar gesammelten Kräutern dazu verwendete dem Fleisch eine feine Würze zu geben. Wenn sie schon eine Stärke hatte, konnte sie diese auch ausleben.
Ja, wenn Rhuna ehrlich war, würde sie sich freuen, wenn Yedan ihre Zubereitung des Essens schmecken würde, so provisorisch diese auch geworden war.
„Eigentlich kenne ich mich am besten mit Heilpflanzen aus. Daheim habe ich den Heilern in der Klinik assistiert, um von ihnen zu lernen. Sich Wissen über Pflanzen und Heilmethoden anzueignen, war mir aber schon davor ein Herzenswunsch. Dabei lernt man auch zwangsläufig etwas über Nutzpflanzen und essbare Beeren und Früchte.“, erklärte die junge Elfe, während sie Yedan dabei zusah, wie er dicke und große Blätter für ein Nachtlager schnitt und diese zu zwei Schlafstätten auslegte. Dankend ließ sie sich auf dem, nun deutlich bequemeren Untergrund nieder und achtete weiter darauf, dass das Fleisch anständig briet und nicht verbrannte. Gerade bei Hasen- oder Kaninchenfleisch musste man da ein wenig aufpassen.
Als der Krieger den Moment von Rhunas Empfindlichkeit noch einmal ansprach, sah diese ein wenig überrascht auf. Er machte sich wirklich viele Gedanken um sie, was er gar nicht tun müsste, wo sie doch eigentlich Fremde waren. Doch er tat es und seine Worte liebkosten nicht zum ersten Mal die Seele der jungen Frau. Seine Schlussfolgerung, dass ihr Pharus viel bedeutet haben musste, machte sie jedoch eine Weile nachdenklich. Auch Fílías war wohl der Meinung gewesen und vielleicht auch noch der ein oder andere in ihrer Familie. Was sie tatsächlich für den Menschen empfunden hatte wusste Rhuna selbst noch nicht. Sie hatte nie versucht dem Gewirr an Gefühlen einen Namen zu geben.
Yedans lächelnder Blick traf auf den Ihren. Einen Moment sah sie ihn einfach nur an, dann begann sie zu sprechen.
„Du scheinst mich besser lesen zu können, als ich dich. Du hast rechtI Ich bin … war nicht die Person, die sich plötzlich entschließt auf Abenteuerreise zu gehen. Mein Leben war nie besonders spannend. Meine Mutter achtete sehr auf meine Erziehung und legt großen Wert auf das Ansehen unserer Familie. Tatsächlich wäre ich wohl noch immer daheim und hätte, wie einst von einem Tag in den nächsten gelebt, wäre ich Pharus nicht begegnet.“ Ein kleines Lachen verließ ihren Mund und mit einer Hand strich sie sich, in einer leicht aufgewühlten Geste, eine Strähne zurück.
„Es ist schon komisch daran zu denken. Ich wäre jetzt wohl verlobt und… das wäre das Aufregendste, was ich für die nächste Zeit erlebt hätte.“ Obwohl Rhuna sich nicht sicher war, ob sie dabei überhaupt etwas empfunden hätte. Denn so freundlich der Elf Lórges auch gewesen war. Im Vergleich zu Yedans Freundlichkeit fühlte sich die ihres Werbers nun völlig oberflächlich an. Er hatte ihr Herz nicht einmal zum schnelleren Schlagen bewegt, wie es Pharus oder auch ihr neuester Begleiter geschafft hatten.
Rhuna war sich nicht sicher, wie viel sie Yedan erzählen sollte. Pharus hatte damals ihr Leben eine Zeit lang einigermaßen beobachten und selbst Schlüsse ziehen können. Dem Sarier würde sie von sich aus mehr über sich erzählen und das war teils privater und unangenehmer für sie, als die Tatsache, dass sie im Unterkleid vor ihm saß. Unschlüssig musterten ihre violetten Augen, die durch das Feuer teils in magentafarbenen Nuancen schimmerten ihr Gegenüber.
„Pharus war ein Mensch. Ein Santroner, um genau zu sein. Vor einigen Wochen fand ich ihn während meiner Suche nach Heilkräutern verletzt vor den Stadtmauern von Shyána. Er kam im Hause meiner Familie unter. Die äußeren Verletzungen vermochten wir zu heilen, nur… nun er war von Dunkelelfen angegriffen worden. Ich kann noch immer nicht sagen, ob es ein Gift oder eine Art Magie war, doch auch unsere versiertesten Heiler konnten nichts tun, um sein Leben zu retten. Pharus wusste, dass er unsere Stadt nicht lebend verlassen würde. Die letzten Wochen seines Lebens kümmerte ich mich um ihn. Anfangs konnten wir noch durch die Stadt laufen. Doch sein Zustand nahm Woche für Woche ab, bis er die letzte Woche sein Bett nicht mehr verlassen konnte.“ Sie wendete beim Erzählen das Fleisch, überprüfte es ab und zu und reichte Yedan anschließend seine Portion.
„Wir hatten… trotzdem viel Spaß und er wurde trotz der kurzen Zeit zum besten Freund, den ich je hatte. Obwohl er manchmal ziemlich anzüglich und frech sein konnte. Dennoch er entdeckte und sah mich, wie ich wirklich bin. Dass ich mich mein Leben lang nach dem Willen anderer gerichtet habe und mein Leben nicht für mich lebte. Das hatte bisher nur mein Bruder Fílías gesehen, doch nichts ändern können. Pharus war für mich daher… wie ein Sturm, der plötzlich mein ganzes Leben und Denken aufgewühlt hat.“ Einen Moment wurde Rhunas Erzählung durch Raji unterbrochen, der den Elfen mit seinem großen Kopf anstieß, im Bewusstsein, so eine Streicheleinheit einfordern zu können. Lächelnd beobachtete sie die beiden, bis der Tiger, durch ein Rascheln abgelenkt, im dunklen Gestrüpp verschwand. Für einen Moment schwieg sie noch, setzte dann aber wieder an und merkte dabei, dass es ihr zwar nicht leicht fiel darüber zu reden, doch unerwartet befreite.
„Pharus konnte so detailliert und lebendig beschreiben, dass es unmöglich war nicht zuzuhören. Er erzählte mir, wie es in anderen Ländern Celcias war. Von den Schönheiten und Besonderheiten, den verschiedenen Völkern, denen er begegnet war, wie auch von den Unruhen und den… Dunkelelfen. Bevor er starb bat er mich seinen Sohn zu finden, um ihm vom Tode seines Vaters zu berichten und ihm zu helfen, sollte er Hilfe brauchen. Er… hatte ja niemand anderen, den er darum bitten konnte.
Nach seinem Tod konnte ich nicht mehr die sein, die ich bis dahin gewesen war. Ich wusste nun so viel mehr darüber, wie es außerhalb unserer Stadtmauern zuging. Doch kaum jemand schenkte mir ein Ohr für Pharus Warnungen. Und meiner Familie gefiel es nicht, dass ich nicht einfach wieder zu meinem normalen Alltag zurückkehrte. Wir gerieten in viele Streitigkeiten. Besonders mit meiner Mutter… war es nicht einfach. Für sie waren die nächsten Schritte meines Lebens bereits festgelegt gewesen und… sie war es nicht gewohnt, dass ich ihr widersprach. Es war nicht einfach, doch am Schluss mussten sie meinen Entschluss zu gehen, um mein Versprechen einzulösen und mir mein eigenes Bild über Celcia zu machen, akzeptieren. Obwohl ich der Überzeugung bin, dass sie mich längst zurückerwartet hätten.“ Rhuna hatte viel von sich preisgegeben. Doch Yedan hatte ihr nicht nur das Leben gerettet, sondern half ihr auch noch ihren Weg ein Stück zu bestreiten. Da war es ihrer Meinung nach nur recht und sinnvoll, dass er wusste wer sie war und wieso sie … diese Reise völlig alleine und auf diese unvorbereitete Art und Weise angetreten war.
Die Erzählungen hatten einiges in ihr aufgewühlt, doch empfand sie auch Erleichterung darüber, dass Yedan sie nun vielleicht ein wenig verstand. Sie nahm den ersten Bissen von ihrem Hasenfleisch, das bereits ein wenig abgekühlt war. Sie überspielte die Tatsache, wie viel sich in ihr angestaut hatte und wie aufgewühlt sie tatsächlich war, mit einem Lächeln. Ihr Blick traf kurz seinen, doch sie wich ihm aus, um die letzten Funkenfreunde zu betrachten. Wenn sie ihm länger in die Augen sah, hatte sie das Gefühl, als würde er sie noch viel besser lesen können.
„Genug von mir! Sonst werde ich meine verbleibenden 998 Fragen, die ich an dich habe nie los. Ich würde wirklich gerne mehr über dich erfahren. Du hast allerdings vorhin so gewirkt, als würdest du nicht gerne ins Detail gehen wollen.“ Das war Rhuna durchaus aufgefallen.
"Schmeckt es dir ein wenig? Ich wollte gleich meine Kleidung noch waschen und hätte dich gefragt, ob du auch etwas hast, aber du trägst weniger mit dir herum als ich."

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Montag 15. August 2022, 10:02

Lag es eigentlich daran, dass er sie gerettet hatte? Die vertraute Stimmung zwischen ihnen war einfach so entstanden und bot kaum Platz für Misstrauen. War das denn jetzt naiv? Andererseits, musste man hinter allem und jedem etwas Schlechtes vermuten? Yedan kam ihr zu Hilfe. Allerdings war es auch irgendwie sein Tiger, dem er Einhalt geboten hatte. Trotzdem konnte Rhuna nicht leugnen sich Gedanken gemacht zu haben, bis er wieder da war. Er stellte nun eine Konstante in ihrer turbulenten Zeit dar und diese wollte sie nicht gleich wieder aufgeben müssen. Die zarte Shyáner teilte ihm ihre Gedanken sogar bereitwillig mit und schaffte es so, dass er sie nachdenklich anblickte. Sagen tat er indes nichts. Er widmete sich nun selbst vorerst dem Wasser und wusch sich den Urwald und die klebrig-feuchte Luft von der Haut. Rhuna blieb Zeit, sich den Sarier genauer zu betrachten. Er war ein gutes Stück größer als sie, überragte sie um ungefähr anderthalb Köpfe. Sein Körperbau war muskulös und dennoch dem schmalen Körperbau eines Elfen nicht völlig entartet. Als er sich die Haare nass zurückstrich, konnte Rhuna erkennen, dass er breitere Wangenknochen und eine klare Kinnpartie aufwies. Vielleicht lag es an der Situation, an der Nähe zueinander oder generell der mysteriös anmutenden Stimmung, doch er war… attraktiv. Er hatte etwas Raues an sich und man konnte sich gut vorstellen, dass er effizient jagte und somit auch Leben beendete. Auch im Falle eines Kampfes würde er sicher bestehen können. Die Narben zeigten ihr bereits eine Richtung, in der er zwar nicht unverwundbar war, aber durchaus wehrhaft. Yedan strahlte eine gewisse Ruhe aus, von der sie bereits profitierte, ob sie sich dessen bewusst war oder nicht. Er schien sich im Wald auszukennen, sich wohlzufühlen, sich vor den Gefahren des Kapayu zwar nicht zu verschließen, ihnen aber auch nicht das Zepter zu überlassen. Er wirkte in seiner Art geheimnisvoll, weil er kaum etwas von sich preisgab aber doch so offen wirkte als würde sie ihn bereits seit Ewigkeiten kennen. Es war eine gefährliche Mischung, die er ihr präsentierte und trotzdem schaffte Rhuna es, sich von ihm zu lösen. Yedan schien nicht aufgefallen zu sein, dass sie ihn länger musterte, als sie sollte. Er sah ihr kurz nach, während sie sich einen halbwegs privaten Ort suchte, an dem sie sich schleunigst umziehen konnte. Er hingegen nutzte den kurzen Moment, um seinerseits mehr zu gucken, als er vielleicht sollte, bevor er sich ans Feuer machen setzte. Als sie sich zu ihm gesellte, sah er nur flüchtig auf und konzentrierte sich weiter auf das kleine Holzscheit. Ihre Frage beantwortete er kurz mit einem Zucken seiner Schultern. „Ich weiß es nicht. Er musste in einen heftigen Kampf verwickelt sein. Ich konnte Klauenspuren an ihm entdecken, ähnlich die eines Tigers, aber kleiner. Allerdings auch Fesselungsmale.“, ließ er sie an seinem Fund teilhaben und hatte offenbar selbst keine Idee, woher diese Indizien stammen konnten. „Ich bin mir nicht sicher, ich habe aber von einem Überfall im Dorf der Tabiki gehört. Ob es stimmt, weiß ich nicht. Allerdings… die Nähe zum Dorf, die Leiche, die Tatsache, dass die Tabiki derzeit eher weniger gut auf Andere zu sprechen sind, spricht dann doch dafür.“, murmelte er gedankenversunken und kümmerte sich weiter darum, dass sie eine warme und vor allem verzehrbare Mahlzeit erhielten.

Rhuna derweil konnte endlich mal ihre hart eingeübten Fähigkeiten an den Mann bringen. Sie wusste mühelos, wie man Tiere ausnahm, um sie zum Essen vorzubereiten. Sobald das Feuer brannte, setzte sich Yedan für einen Moment auf seinen Unterschenkel und betrachtete Rhuna über die Flammen hinweg. Er schmunzelte ungesehen, als sie sich den Dutt drehte und kundig damit begann, die Hasen auszunehmen. Er hingegen kümmerte sich um die Beeren und die Schlafstatt, während sie ihr Gespräch fortführten. Dass sie indes etwas Gewürz an das Fleisch machte, bekam er nicht mit. Erst als er genug Blätter gesammelt und diese ausreichend verteilt hatte, genehmigte er sich eine kleine Pause. Ruhe kehrte zwischen ihnen ein und das Knistern des Feuers tat das Übrige. Rhuna achtete darauf, dass das Fleisch nicht verbrannte, während Yedan die Pause nutzte, um sich noch mal bei ihr zu entschuldigen. Er schien einfühlsam zu sein, bewies nicht zum ersten Mal, dass er hinter eine Fassade blicken oder verstehen konnte, dass er jemanden zu nahegetreten war. Als kriegerisch konnte sie diesen Sarischen Elfen nicht abstempeln. Azúl wusste also auch nicht alles oder hatte nur die landläufige Meinung breitgetreten. Rhuna kannte viele Dinge auch nur aus Büchern. Wenn überhaupt. Es gab aber auch genug, worüber sie sich bisher keine Gedanken gemacht hatte, denn wozu auch? Ihr Leben war vorherbestimmt gewesen. An der Seite eines netten Elfen, der sie zwar gut behandeln würde, aber ansonsten auch nichts in ihr anregte. Sie hätte ihm die Mahlzeit gekocht, wenn er nach Hause käme und ansonsten sich den Tag über, um die Kinder gekümmert. Welch skurrile Vorstellung das nun sein musste, wo sie neben einem Fremden am Lagerfeuer saß und Hasen briet. Yedan musterte Rhuna bei ihren Erzählungen und die Schatten der Flammen leckten über seine langsam trocknende Haut. „Verlobt?“, hakte Yedan dennoch ein, auch wenn Rhuna sicherlich nicht fertig war mit ihren Erzählungen. „Und wo ist er jetzt? Wieso ist er dir nicht gefolgt oder hat diese Reise mit dir zusammen angetreten? Wieso lässt er dich allein gehen, wenn er dich heiraten wollte?“, wollte er wissen und es lag tatsächlich ein ehrliches Unverständnis in seiner Stimme. Ob er romantisch war? Schwer zu sagen, denn offenbar ging er davon aus, dass sie einander liebten, wenn sie heiraten wollten. Was wiederum schon eine gewisse gefühlvolle Ader aufwies. Allerdings schien Rhuna sich auch etwas davor zu fürchten, ihm alles bereitwillig zu erzählen. Offenbar hatte er etwas an sich, dass sie ihm vertraute. Ohne wirklich benennen zu können, wieso. Yedan hielt sich mit weiteren Äußerungen zurück, als sie begann von Pharus zu erzählen. Je mehr Worte sie fand, desto losgelöster wirkte sie und der Sarier verfiel in stummes Zuhören. Er ließ sie. Erkannte, dass es wichtig für sie war, zu reden und so musterte er sie weiterhin, bedachte ab und zu das Fleisch mit einem Blick und lauschte. Er nahm ihr seine Portion Fleisch ab und kostete. In seinem Gesicht tauchte plötzlich Überraschung auf und er schaute für einige Sekunden auf sein Essen. Doch er schwieg und kaute langsam weiter. Er wollte sie nicht unterbrechen, sodass Rhuna ungestört alles erzählen konnte, was sie wollte.
Erst als ihre Worte versiegten, sah er wieder auf. Einen Moment lang herrschte Stille zwischen den beiden Elfen. Nur das Knistern und Knacken der Holzscheite durchbrach diese Ruhe. Yedan beendete sein Essen und atmete tief durch. Er strich sich abermals durch sein dunkles Haar, das langsam zu trocknen begann und ihm in vereinzelten Strähnen wieder über die Stirn fiel. „Ich verstehe jetzt, wieso dein Verlobter dir nicht folgte.“, setzte er seltsamerweise an. Er lächelte leicht und verengte kurz die Augen. „Er hat dein Herz nicht erobert. Pharus allerdings schon.“, offenbarte er ihr einfach so, als wären sie ewig lange Freunde. „Es tut mir leid, was deinem Freund passiert ist. Aber wie du selbst bereits erkennst, hatte sein Tod einen gewissen Zweck. Die Götter sandten dir diesen Mann, damit du aus deinem trostlosen Leben aufwachst und dich entfalten konntest.“, bescheinigte er ihr und schien überzeugt davon zu sein. Yedan griff die Beeren und schob sie Rhuna etwas entgegen. „Er war der Schlüssel zu deiner Kerkertür. Und das hat er offenbar erkannt.“, mutmaßte er weiter.

Als sie ihn ansprach, zog sich Yedan allerdings etwas zurück. Er schüttelte leicht den Kopf und hob seine Rechte in einer abwinkenden Geste. „Glaub mir, Rhuna aus Shyáner Nelle – Diese Details sind kaum hörenswert.“, versuchte er sich aus der Affäre zu ziehen. Eine unangenehme Pause entstand und Rhuna konnte spüren, dass Yedan ihr vielleicht nicht ganz so leichtfertig vertraute. Allerdings blieb er feinfühlig genug, um zu erkennen, dass es unglaublich verunsichernd sein musste, wenn der andere eine solche Ehrlichkeit nicht erwiderte. Er seufzte und sah sie erneut an. Sein brauner Blick ruhte in ihrem hübschen magenta-gesprenkelten Violett. „Sieh mich nicht so an mit deinen großen Augen!“, lachte er plötzlich und bewies einmal mehr eine seltsame Vertrautheit. „Also – ich stamme aus dem Dorf der Waldmenschen im Sarius. Meine Mutter war eine der sarischen Elfen, die sich den Waldmenschen annahmen und sie bei ihrem Vorhaben, im Wald eine Heimat zu finden, unterstützten. Mein Vater ist einer dieser Waldmenschen. Ich wuchs im Wald auf und lernte mit und in ihm zu leben. Es ist bei uns Brauch, unter einem Aspekt zu leben. Also wirst du Druide, Magier oder Kämpfer. Ich für meinen Teil konnte mich nie entscheiden, weshalb ich…“ er breitete die Arme aus und grinste kess, „gar nichts wurde.“, lachte er. „Ich bin ein wenig von allem, nun magisch veranlagt, sicherlich – wer nicht. Aber begabt? Nicht wirklich.“, erzählte er weiter. „Ich bin lieber allein unterwegs, verstehst du?“. Ein Schatten huschte über sein Gesicht. Da war mehr als der bloße Wille. „Mein… Dorf wurde vor einiger Zeit überfallen.“, erzählte er weiter und sein Blick rutschte von ihrer Gestalt ins Feuer. „Es war… brutal. Sie kämpften verbittert und mit allem was sie aufbringen konnten. Selbst die Bäume halfen. Wir gewannen. Allerdings hatten wir auch hohe Verluste zu beklagen – darunter auch meine Mutter.“, eröffnete er ihr und wirkte während des Erzählens äußerst sachlich. Doch Rhuna war empfindsam. Sie konnte die Nuancen in seinem Gesicht erkennen und vielleicht als Schmerz bezeichnen. „Aber das ist schon eine Weile her. Sie befinden sich im Wiederaufbau.“, schloss er und streckte sich mit einem Mal. Er entzog sich der Situation. Und auch Rhuna änderte das Thema von sich aus. „Der Hase war wirklich gut!“, pflichtete er ihr bei. „Was hast du da dran gemacht?“, wollte er wissen und schien dankbar für die Änderung des Themas zu sein. Als sie nach seinen Sachen fragte, um sie zu waschen, stutzte er. Für einige Sekunden schien er nicht recht zu wissen, worauf das abzielte und er sah langsam an seiner Hose hinunter. „Wie bitte?“, fragte er überrascht und sah sie an. „Du willst..meine.. achso – nein, vielen Dank!“, kam ihm die Erkenntnis, dass sie aus Höflichkeit gefragt hatte. Er lachte lausbübisch. „Ich dachte das sollte… - lassen wir das!“, grinste er frech wie nur er es konnte und nichts von seiner Nachdenklichkeit, als er von sich erzählte, war noch übrig. Yedan stand inzwischen und streckte sich abermals. „Wir sollten uns langsam zur Ruhe legen. Morgen wollen wir bis zum Fluss kommen und dort wird es nochmal anstrengend werden. Versuch etwas zu schlafen, Rhuna.“ Der Elf schaute sich kurz um. Die Funkenwürmchen waren bereits weitestgehend verschwunden, sodass nur noch das Feuer Licht spendete. „Mach dir keine Sorgen – ans Feuer kommen die wilden Tiere nicht und Raji passt zusätzlich auf.“, zerstreute er ihre Sorgen noch bevor sie welche geäußert hatte.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Montag 15. August 2022, 21:15

Die Bedrohung durch die Dunkelelfen war ein Thema, das Rhuna noch recht stumm in sich trug. Vielleicht war es die Sorge darüber, dass sich ihre Vorahnung bewahrheitete und die Lage in Celcia schlimmer war, als jemals angenommen. Das Schicksal ihrer Heimat, dem traumhaftschönen Shyána Nelle stand vielleicht schon auf Messersschneide, ohne dass dessen Bewohner davon etwas mitbekamen. Würde das Elfenvolk des Kapayu aufgrund ihrer Ignoranz ein böses Ende finden? Rhuna machte sich mehr Gedanken darüber, als sie es derzeit zeigte.
Yedans Erklärung über das Ende des tot aufgefundenen Dunkelelfen zeigte ihr nur wieder einmal, dass sie nichts mitbekommen hatte. Von einem Angriff auf die Tabiki hörte sie zum ersten Mal, was nicht hieß, dass es niemand in der Stadt mitbekommen hatte. Doch die jungen Elfen waren sehr geschwätzig und solch ein Thema hätte gewiss die Runde gemacht.
Nachdenklich saß sie bei ihrem Begleiter, der die Lage sicher am genauesten beurteilen konnte. Von daher schenkte sie seinen Vermutungen Glauben.
„Das hört sich so an, als wären die Dunkelelfen keine seltenen Gäste in dieser Umgebung.“, schloss sie leise mit bedrücktem Ausdruck im Gesicht. Rhuna wollte das nicht mehr. Sie wollte mehr erfahren, wenn auch nicht mehr am heutigen Abend. Doch die Unwissenheit konnte nur schädlich sein. Die Shyáner waren kein dummes Volk und schätzten Bildung und Wissbegierde. Doch war ihr Wunsch nach Harmonie und Frieden so groß, dass sie blind für die außenstehenden Länder und Völker waren, die nicht derselben Lebensphilosophie folgten?!
Die Zubereitung des Essens beendete vorerst das Thema und die sorgenvollen Gedankengänge darüber. Die junge Elfe war in diesem Moment ganz in ihrem Element und ging darin auf, endlich eine Kleinigkeit zurückgeben zu können. Und sei es nur ein Essen, dass man als schmackhaft bezeichnen konnte. Yedans Blicke fielen ihr nur hier und da auf, wenn sie es selbst nicht lassen konnte zu ihm zu sehen. Doch sah sie darin kein auffälliges Muster. Wieso sollte er sie auch nicht ansehen, wo ihre Sicht durch die Dunkelheit eingeschränkt war und es so nicht allzu viel zu sehen gab.
Während das Feuer prasselte und das Fleisch briet, lernten sich die beiden Elfen ein wenig besser kennen. Rhuna war dies wirklich wichtig und so öffnete sie sich bis zu einem gewissen Grad. Ob sie jemand anderem so schnell so viel von sich anvertraut hätte war fraglich. Yedan hatte ihr das Leben gerettet und half ihr, ohne irgendetwas dafür zu fordern. Das alleine war im Grunde schwer zu verstehen und daher umso besonderer, in ihren Augen. Dazu kam seine gesamte Art, sein Auftreten, sein Blick für Feinheiten und ein Lächeln, das ihren Blick stetig einzufangen vermochte.
Als die Sprache auf ihren Bewerber kam sah Rhuna Yedan aufgrund seiner Fragen ein wenig verwundert an. Es war keineswegs üblich für Shyáner, doch Rhuna war bislang nicht die größte Romantikerin gewesen. Andere junge Elfenfrauen hatten sich in Schwärmereien oft verloren und süße Spiele mit potenziellen Verehrern begonnen. Sie hatte dies häufig beobachtet, doch nie etwas in der Art empfunden, dass sie zu solch ‚Frühlingshaften‘ Gedanken und Taten gebracht hätte. Eine Verlobung, ja auch eine Ehe war für sie lediglich ein Punkt auf ihrer Liste gewesen.
„Nun ich hätte mich wohl verlobt. Aber ich habe seinen Antrag vorgestern abgelehnt. Wir haben eine besondere Art Brauch, wie eine Verlobung abläuft. Er hat mir den Antrag gemacht und mir einen Kranz mit meinen Lieblingsblumen überreicht, bevor er ging, um meine Entscheidung abzuwarten. Ich habe den Kranz zurückgelassen und den Antrag somit abgelehnt. Daher glaube ich nicht einmal, dass er weiß, dass ich die Stadt verlassen habe. Und sollte er davon erfahren haben, ist er wohl heilfroh darüber, dass er 'mir' so glimpflich entkommen ist. Er ist… weder körperlich noch im Geiste ein großer Abenteurer. Wir hatten bei näherem Hinsehen nicht viele Gemeinsamkeiten, aber meine Mutter hätte sich diese Ehe sehr gewünscht.“ Yedans Fragen machten Rhuna ein wenig nachdenklich, was das ganze Thema anging. Sein Gesicht betrachtend fragte sie sich, ob Yedan ihr gefolgt wäre. Ob er ihr zugehört und sie unterstützt hätte, wie sie es sich von jemanden wünschen würde, der offiziell an einem interessiert war. Ein ihm zugetanes und weiches Lächeln war ihre Antwort darauf.
Rhuna erklärte ihm weiter ihren Wandel und den Grund ihrer Reise. Und als sie ihre Erzählung beendet hatte, saßen sie eine Weile schweigend beieinander. Ihr Blick ruhte auf dem Brünetten, der eine Weile über ihre Worte nachzudenken schien. Das Feuer tanzte über seine Haut und nachdem er sich seufzend durch die Haare strich, so dass sich vereinzelte Strähnen frech in sein Sichtfeld legten, brach er das Schweigen. Doch seine Worte und die Schlussfolgerungen, die er zog, hatte die junge Elfe so nicht erwartet.
„Er hat dein Herz nicht erobert. Pharus allerdings schon.“
In ihrem Blick lag klare Verwunderung, was noch einmal zeigte, dass sie sich über ihre Gefühle keine Gedanken gemacht hatte. Fílías letzte Frage an sie wiederholte sich erneut in ihrem Kopf.
„Hast du ihn geliebt?“ Rhuna sah Yedan fast betroffen an, bevor sie den Blick nachdenklich senkte. Es fiel ihr schwer dem Gefühl, das sie für Pharus empfunden hatte einen Namen zu geben. Hatte Pharus ihr Herz erobert, wie es Lórges hätte tun sollen? Wenn sie an den Santroner dachte, füllte sich ihr Herz mit Schmerz über seinen Verlust. Er hatte ihre Seele berührt, wie es zuvor nie jemand getan hatte. Ihre Seele war wie ein spiegelglattes Gewässer gewesen, das von quälender Stille gefangen gewesen war. Pharus war der Windstoß gewesen, der die regungslose Oberfläche aufgewühlt hatte, so dass diese nun, kleinere und größere Wellen schlug und in Bewegung geriet. Er hatte ihr am Schluss so viel bedeutet, weil er der Erste und Einzige gewesen war, der hinter die Fassaden der gesitteten jungen Elfe gesehen hatte.
„Er … war mein erster wirklicher Freund!“, sagte Rhuna und schloss einen Moment vor Kummer über seinen Verlust die Augen. Sie hatte ihn tatsächlich geliebt. Sehr geliebt und sie hasste ihre Unfähigkeit nur noch mehr, dass sie ihn nicht hatte retten können. Doch entsprach ihre Liebe für Pharus nicht dem Bild, das ihr Bruder oder Yedan sich gebildet hatten.
„Es tut mir leid, was deinem Freund passiert ist. Aber wie du selbst bereits erkennst, hatte sein Tod einen gewissen Zweck. Die Götter sandten dir diesen Mann, damit du aus deinem trostlosen Leben aufwachst und dich entfalten konntest.“ - „Er war der Schlüssel zu deiner Kerkertür. Und das hat er offenbar erkannt.“ Die Worte von Yedan schenkten Rhuna ein wenig Trost und sie nickte leicht.
Ein sanfter Wind streichelte an ihrer Haut entlang und sie hob den Blick wieder und sah ihren neuesten ‚Freund‘ an. Zu Beginn hatte Yedan sie ein wenig an Pharus erinnert, doch mittlerweile sah sie diese Gemeinsamkeiten kaum noch, denn es waren lediglich Oberflächlichkeiten gewesen. Das Bedeutende, was die beiden Männer miteinander teilten war, dass sie Rhuna das Gefühl gaben nicht alleine zu sein. Rhuna konnte bei beiden so sein, wie sie war. Bei Yedan war dieses Gefühl sogar noch ein wenig stärker, was allerdings auch an der veränderten Umgebung und ihrer Situation liegen konnte. In Shyána Nelle war sie nie in Gefahr geraten. Niemand hatte sie beschützen müssen, außer vor ihren eigenen falschen Entscheidungen, die sie jahrelang getroffen hatte. Hier draußen war die Lage anders. Yedan strahlte den Schutz aus, den sie brauchte. Es war kein Wunder, dass sich die junge Elfe bei ihm geborgen und wohl fühlte.
Ihre Augen wanderten erneut über seine Gestalt. Es war das erste Mal, dass ihr das Äußere eines Mannes bewusst auffiel.
Er sieht … gut aus., stellte sie für sich fest und strich sich eine verirrte Locke hinter ihr Ohr. Shyáner schätzten Schönheit und hatten ein Auge dafür, was schön war. Die Narben hätten für manch anderen Elfen aus dem Tal das Urteil getrübt, doch Rhuna sah darin keinen Makel. Es waren Geschichten, die einen Teil des geheimnisvollen Mannes stumm sichtbar machten, von dem sie so wenig wusste und an dessen Seite sie sich doch vollkommen entspannen konnte.
Als Rhuna nun ihrerseits Fragen zu seiner Person stellte, zeigte sich Yedan nicht sonderlich gesprächsfreudig. Den Kopf ein wenig zur Seite neigend ruhte ihr Blick unentschlossen auf seinen Zügen, die einen gewissen Zwiespalt wiederspiegelten. Vertraute er ihr nicht? Sie konnte ihm keine Vorwürfe machen, wenn dem so war. Nur weil sie ihm gegenüber Gefühle hatte, als würden sie sich schon viel länger kennen, musste dies nicht auf Gegenseitigkeit beruhen. Das musste die Shyánerin akzeptieren, doch es tat doch ein kleines bisschen weh. Was er in ihren Augen wohl hatte ablesen können, denn er seufzte und gab dann doch ein wenig über sich preis. Eigentlich wiederholte er einiges, doch er ging ein wenig mehr ins Detail, wie zuvor. Seine Art zu erzählen fesselte ihr Gehör, aber auch ihre Neugierde über ihn sorgte dafür, dass sie nichts abzulenken vermochte. Sein Lachen steckte an, doch genauso spürte Rhuna, als die Stimmung in eine ganz andere Richtung kippte.
„Ich bin lieber allein unterwegs, verstehst du?“ Nein, Rhuna wusste nicht so recht, wie sie seine Worte verstehen sollte. Auf sie wirkte er gesellig und nicht unbedingt wie jemand, den sie als Eigenbrötler oder einsamen Wolf bezeichnen würde. Nachsinnend musste sie allerdings zugeben, dass sie sich stets als ‚anders‘ betrachtet hatte und aus diesem Grund in gewissen Sinne einsam gewesen war. Ob es ihm ähnlich ging oder eine völlig andere Ursache hatte? Es war nicht ganz zu verstehen, doch irgendwas störte die Elfe an diesem Satz.
„Dann bildet Raji wohl eine Ausnahme.“, schloss sie mit einem angedeuteten Lächeln, das allerdings schnell wieder verschwand, als ihr Begleiter von der Zerstörung seines Dorfes und dem Tod seiner Mutter erzählte. Der abwesende Blick, nach innen auf die Erinnerungen dieser schrecklichen Tage gerichtet, schmerzte Rhuna anzusehen. In ihr wuchs der Drang ihn zu umarmen, doch etwas in ihr hielt sie davon ab. Sei es, weil er nur schwer darüber sprechen konnte, sei es die Vermutung, dass sie ihm noch nicht vertraut genug war, solch eine Nähe gutzuheißen.
Beide verstummten. Yedan schien schon mehr preisgegeben zu haben, als er ursprünglich gewollt hatte und obwohl ihr viele Fragen auf der Zunge lagen – alleine, weil sie ihm auch irgendwie Trost spenden wollte – hielt sie sich zurück.
Wie lange er wohl nicht mehr in seinem Dorf war? Auf mich wirkte es, als hätte er dieses schon lange Zeit nicht mehr besucht…! Rhuna nahm die letzten Bissen von ihrem Hasenbraten, den sie beinahe vergessen hatte zu essen und nutzte die Gelegenheit das Thema zu wechseln. Mit gemischten Gefühlen. Hätte sie etwas auf seine Erzählung erwidern sollen? Wie er es auch getan hatte? Ihr Gefühl riet ihr in diesem Moment zu schweigen, doch es fühlte sich irgendwie nicht richtig an. Erst recht nicht, als er die Zubereitung des Essens lobte.
„Ein wenig Salz und Kräuter. Mehr nicht. Aber ich freue mich, wenn es dir geschmeckt hat.“ Dann konnte ich dir wenigstens ein klein wenig zurückgeben.
Um sich selbst ein wenig abzulenken stand sie auf, um ihre Sachen noch vor dem Schlafen zu waschen und am Feuer trocknen zu können. Dabei fiel ihr die verfängliche Frage, die sie Yedan stellte nicht unbedingt auf. Seine Reaktion lenkte einen Moment ihren Blick auf sich, bis der Groschen schlussendlich fiel. Die Erkenntnis war in ihren Augen zu sehen und sein Lachen machte es nicht besser. Errötend boxte Rhuna ihn leicht gegen den Oberarm.
„Ein Angebot sein mit dir das Lager zu teilen?“, beendete sie seinen Satz und war kurz davor ihn erneut zu boxen. Nicht weil sie sauer war, sondern wirklich peinlich berührt, was sie versuchte zu überspielen. Die Elfe war kein unaufgeklärtes naives Ding, auch wenn man es vielleicht vermuten mochte. Bisher hatte sie solche Themen stets nüchtern betrachtet – als Teil des Lebens, um neues Leben zu erschaffen. Doch bisher war sie auch nie einen Mann begegnet, der ihre Gedanken in diese Richtung gelenkt hätte.
„Als würde ich…! Hör auf zu grinsen! So gut kennen wir uns noch lange nicht!!!“, sagte Rhuna erhitzt und ging schnellen Schrittes zum Wasserbecken. Das Licht reichte kaum, um noch groß etwas sehen zu können. Sie versuchte dennoch ihre Kleidung provisorisch soweit zu säubern, was dank des unempfindlicheren Stoffes einigermaßen gut funktionierte und nicht zu viel Zeit benötigte.
Das Gefühl des kühlen Wassers auf ihrer Haut stand im kompletten Gegensatz zu Yedans warmer Hand, die ihre an diesem Tag nicht nur einmal gehalten hatte. Wieso sie sich ausgerechnet in diesem Moment daran erinnert fühlte konnte die junge Elfe nicht verstehen. Verwirrt sah sie auf ihre rechte Hand, die sie einen Moment später ballte, bevor sie ihre ausgewrungenen Sachen griff und diese an eine Seite des Feuers zum Trocknen drapierte.
Es wurde Zeit sich zur Ruhe zu legen. Der Blick von Rhuna wanderte von ihrem Schlafplatz zu dem etwas entfernten Lager ihres Begleiters und weiter zu den, in tiefes Schwarz getauchten Sträuchern und Blättern, die die kleine Lichtung vom Rest des unstetigeren Waldes abschirmten.
Ihr innerer Hasenfuß verursachte ein ungutes Gefühl und sie hätte ihr Blätterlager am liebsten zwischen das Feuer und Yedan verschoben. Doch das konnte sie nun unmöglich tun oder nur ansatzweise erfragen.
Wärst du alleine müsstest du wahrscheinlich sogar ohne Feuer die Nacht verbringen. Sei zufrieden mit dem, was du hast…, schalt sich Rhuna gedanklich und ließ sich etwas steif auf ihr Lager nieder. Bis eben hatte sie doch auch nicht auf ihre Umgebung geachtet. Doch nun drangen andere Geräusche zu ihr durch und fingen immer wieder ihren Blick in verschiedene Richtungen ein. Dieses Mal gelang es Yedans Worten nicht sie tatsächlich zu beruhigen.
„Ich versuche es. Schlaf gut…!“, sagte sie leise und wandte ihm und dem Feuer den Rücken zu. Dass der Boden nicht an ein komfortables Bett heranreichte störte die Elfe nicht sonderlich. Sie hatte auch in Shyána Nelle öfters auf Wiesen oder Feldern ein Nickerchen gehalten.
Trotz der Erschöpfung, die sie empfand fand Rhuna jedoch nicht in den Schlaf. Sie konnte ihre Augen nur unentspannt schließen - ihre guten Ohren waren ihr in diesem Moment keine guten Freunde. Immer wieder erregte ein Rascheln oder ein anderes Geräusch ihre Aufmerksamkeit, so dass sich ihre Augen immer wieder öffneten. Kam mit der Dunkelheit nicht auch das Heimweh? Nein, das blieb tatsächlich aus. Allerdings war sie ihren Gedanken nun ungefiltert ausgeliefert.
Waren es Dunkelelfen, die Yedans Dorf damals angriffen? Ich will mir das Grauen gar nicht vorstellen, wenn er es schon als brutal beschreibt. Für jemanden wie Rhuna war die Gesinnung der Dunkelelfen nicht nachzuvollziehen. Sie verstand nicht, was sie wollten…, wie sie dachten.
Ein Gedanke, der ihr schon bereits vor ihrer Reise gekommen war, belastete sie mit am meisten. Waren die Shyáner nicht das genaue Gegenteil ihrer weit und doch so nah entfernten Verwandten? Hielten sie nicht vielleicht deshalb so an ihrer Lebensphilosophie fest, weil einst Faldor frei denkende Elfen aus Shyána auf seine Seite locken konnte?
Rhuna setzte sich wieder auf und sah über ihre Schulter zu Yedan. Er hatte sie bei ihrem Kennenlernen aufgrund ihrer Augenfarbe sofort den Shyánern zugeordnet. Dabei gab es noch ein Elfenfolk, bei dem violette Augen vorkommen konnten. Der Anblick der roten Augen des toten Dunkelelfen drang in ihr Gedächtnis und sie rieb sich seufzend durch die Haare, entfernte dabei den Stock, der nur noch einen Teil ihrer Haare im Dutt gehalten hatte. Einen Moment drehte sie das dünne Holz zwischen ihren Fingern und besah es sich nachdenklich.
War ihre Entscheidung richtig, so schnell den Weg nach Santros einzuschlagen? Davon war die Elfe nicht mehr vollends überzeugt. Sie würde ihr Versprechen tot nicht einlösen können und so wie sie momentan war, würde dder Tod ein näherer Reisebegleiter an ihrer Seite sein, als das Leben. Aufgeschreckt durch ein Knacken sah sie wieder vor sich, verweilte so einen Moment, ehe sie sich wieder angespannt ablegte und das Holz in ihrer Hand weiter betrachtete, in der Hoffnung darüber in den Schlaf zu finden…

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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Erzähler » Dienstag 16. August 2022, 21:16

Jeder ging auf seine Art mit einem Verlust um. Die einen vergingen in Trauer, schafften den Alltag kaum noch und verloren jeglichen Bezug zum Leben. Die anderen verrannten sich in Arbeit, schafften sich mehr und mehr Aufgaben an, damit sie nicht mit dem Schmerz konfrontiert wurden und wieder andere packten ihre Siebensachen und krempelten ihr Leben grundlegend um. Allen war gemein, dass sich etwas änderte. Schmerz war manchmal nötig, um einen Impuls zu schaffen und dem Dasein eine neue Richtung zu geben. Rhuna bildete da keine Ausnahme. Ihr Leben hatte bereits durch die Bekanntschaft zu Pharus eine neue Wendung erfahren, doch das reichte bei weitem nicht aus, dass sie etwas veränderte. Es musste ein stärkerer Impuls her und wenn man gläubig genug war, dann könnte man es den Göttern zuschreiben, dass sie ihr den letzten Schubs über die Kante der Eintönigkeit gegeben haben. Rhuna musste fliegen lernen und die Arme weit ausbreiten, damit sie endlich dem tristen Alltag entkommen konnte. War der Gedanke nicht völlig absurd, rückblickend betrachtet, dass sie Lórges hatte in Betracht gezogen? Pharus hatte mit nur wenigen Dingen ihr Herz schneller schlagen lassen. Es war aufregend, sie hatten gelacht und sie war ins Träumen geraten, wenn er von seinen Erlebnissen berichtete. Wann hatte Lórges es je geschafft, dass sie aus ihrer Lethargie aufbrach und lachte? Auch Yedan vermochte dieses Kunststück mühelos zu erreichen. Es war seine direkte, offene Art, die ihr Innerstes ansprach. Nein, Lórges würde eine Frau finden. Aber nicht in ihr. Und er würde ein Leben leben, aber ohne sie. Nicht mal ihre Absage hatte ihn leidenschaftlich werden lassen. Sie hingegen spürte die Trauer über den Verlust des einzigen Menschen, dem sie je begegnet war. Während sie Yedan an ihrer Vergangenheit teilhaben ließ, konnte sie das schmerzhafte Zucken in ihrem Innern nicht ausblenden. Es spiegelte sich in ihrem Gesicht wider und ungesehen von ihr, trat ein wissender Ausdruck auch auf das Gesicht des Sariers. Es verblasste, bevor sie es entdecken konnte. Rhuna vertraute sich ihrem Retter in letzter Sekunde bereitwillig an. Sie erzählte, was sie empfand und was sie bewog überhaupt hier zu sein. Und er verstand. Ihre Motivation war eine Schuld, die sie begleichen wollte und doch steckte sehr viel mehr dahinter. Sie war offen für all das, was Celcia zu bieten hatte. Und in das Leben, wie sie es kannte und ihre Mutter schätzte, würde sie nie mehr zurückkehren können. Ihre Ehrlichkeit schaffte es, dass auch Yedan ein wenig mehr über sich erzählte. Er war zwar bei weitem nicht so offen und mitteilsamen, wie sie, doch sie erhielt ein klein wenig mehr von ihm, als er eigentlich wollte. Er ließ sie sehen, dass auch er nicht von Verlust und Schmerz verschont war. Dass auch er jemanden verloren hatte und dass auf eine grauenvolle Weise. Aus dem Leben gerissen, plötzlich und unerwartet. Keine Krankheit, die sich schleichend holte was man liebte. Eben war der geliebte Mensch noch da, nun stand man allein und schutzlos in der Leere, die er hinterließ. Das Thema der beiden Elfen war schwermütig und für einen Moment mussten sie die gesagten Worte verdauen. Das Feuer knisterte weiter, während es sich durch die Holzscheite fraß. Ab und an stocherte Yedan darin herum und nutzte die Gelegenheit, sich ebenso wie sie zu sammeln.

Ihre unbedarfte Frage nach seiner Wäsche, war der Ausstieg, den er bereitwillig zu nutzen wusste. Der Elf grinste von jetzt auf gleich wieder verwegen und antwortete ihr in vorwitziger Art. Ihre Reaktion jedoch, ließ den Dunkelhaarigen überrascht die Augenbrauen heben. „He!“, stieß er aus und rieb sich die Stelle am Oberarm, als sie sich verlegen zur Wehr setzte. Er lachte und hob beschwichtigend die Hände. Während sie versuchte, so unverfänglich und empört zu wirken, wie sie nur konnte, kassierte sie lediglich ein spitzbübisches Grinsen und einen vielsagenden Blick. „Schon gut, schon gut – verzeih, ich wollte dich nicht in Verlegenheit bringen“, meinte er versöhnlich, nur um, sobald sie den Weg zum Wasser einschlug, ein „-keine Sorge, ich könnte es verstehen, wenn du daran gedacht hättest!“, nachzuschieben. Allerdings sah er augenblicklich zu, Land zu gewinnen, damit sie ihn nicht wieder boxen konnte. Yedan lachte noch einen Moment ausgelassen und aus der Tiefe seiner Brust, bevor er sich wieder einkriegte und sie in Ruhe am Wasser ihren Gedanken nachhängen ließ. Der Halbelf, denn nichts anderes war er mit einem menschlichen Vater, suchte noch ein paar wenige, dicke Holzscheite, damit das Feuer nicht zu früh erlosch und legte sie daneben, bevor er einmal den Blick schweifen ließ, um Raji zu suchen. Er pfiff leise. Der Pfiff sollte Rhuna bekannt vorkommen, hatte sie ihn doch gehört, bevor Raji endlich von ihr abgelassen hatte. Er war genau so langezogen und hell. Ein Rascheln und ein Grollen kamen als Reaktion und schienen Yedan zufrieden zu stimmen. Nachdem Rhuna ihren Schlafplatz gefunden und eingenommen hatte, setzte sich auch er wieder. Yedan legte sich, das Gesicht dem Feuer zugewandt, auf die Seite, verschränkte seine Arme und schloss die Augen. „Dir auch, Rhuna aus Shyána Nelle!“, antwortete er nuschelig und war binnen kürzester Zeit eingeschlafen. So schien es jedenfalls. Tatsächlich lauschte er auf seine Begleiterin und konnte sich durchaus vorstellen, dass es ihr deutlich schwerer fiel, ihre erste Nacht im Kapayu wirklich schnell einzuschlafen. Trotzdem blieb er ruhig liegen und lauschte nur ab und an, um sicherzugehen, dass sie nicht noch etwas benötigen würde, bevor sie beide von Manthala begrüßt und ins Reich der Träume geleitet wurden. Ob Rhuna träumte oder tatsächlich einen eher kurzen, aber unaufgeregten Schlaf schlief, würde sich am nächsten Morgen zeigen. Der Urwald läutete das Ende der Nacht ein und Lysanthor bat seine Schwester Manthala zur Ruhe. Die Schwärze wurde abgelöst von der Schönheit der Oase, in der sie geruht hatten und dass satte Grün, Gelb, Rot und Blau schmeichelten ihren Augen. Das Wasser plätscherte wieder beruhigend und nichts deutete daraufhin, dass sie vor wenigen Stunden noch Todesängste ausgestanden hatte. Ob der Schlaf für die Elfe erholsam gewesen war, müsste sie wohl noch in Erfahrung bringen, doch mit einem Blick auf das Lager ihres neuen Bekannten, musste sie feststellen, dass es leer war. Das Feuer war inzwischen heruntergebrannt und lediglich die Asche strahlte noch eine erhebliche Wärme aus. Die Luft war dick und klamm, ihre Sachen vermutlich nicht gänzlich getrocknet. Das war das Blöde am Urwald: Nicht nur die zahlreichen Gefahren, sondern auch die Luftfeuchtigkeit. Man selbst schwitzte auch ohne schwere Arbeit und was einmal nass geworden war, benötigte ewig lange, um zu trocknen. Wenn Rhuna etwas wacher war, konnte sie neben ihrem Lager ein großes Blatt entdecken. Darauf fand sie Früchte, einige Nüsse und vier kleine, schmale Fische, die bereits gebraten waren. Von Yedan fehlte allerdings jede weitere Spur. Auch Raji war nicht da. Allerdings, falls sie so aufmerksam war, konnte sie feststellen, dass das Gras unweit von Yedan’s Blattlager platter war als ansonsten. Die Abmessungen durften denen von Raji entsprechen – er war also hier gewesen und hatte geschlafen. Wo die beiden wohl steckten? Rhuna bekam einige Zeit für sich und konnte das kleine Frühstück genießen, wenn sie wollte, sich noch mal frisch machen oder aber auch sorgenvoll umherlaufen. Nach einer guten halben Stunde etwa, tauchte ihr dunkelhaariger Begleiter plötzlich wieder auf, dicht gefolgt von Raji. Dieser brummte, als er Rhuna betrachtete, blieb ansonsten aber friedlich. Yedan lächelte breit und stemmte die Hände in die Hüften. „Guten Morgen! Bist du soweit? Kann es losgehen?“, fragte er und musterte sie ausgeschlafen.
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Re: Auf unbekannten Wegen

Beitrag von Rhuna Bláidyaét » Mittwoch 17. August 2022, 00:45

In schnellen Schlaf zu finden war Rhuna in dieser Nacht nicht vergönnt. Die Müdigkeit wog schwer an ihren Lidern, doch ihre Gedanken wanderten herum, von einem zum anderen durchlebten Ereignis. Immer wieder, wenn ein Knistern ihren Argwohn erregte und sich ihre Augen öffneten, sah sie hinüber zu ihrem schlafenden Begleiter. Stellte sich Rhuna an? Wenn Yedan so unbekümmert schlief, würde doch keine Gefahr drohen, so unheimlich der nachtaktive Wald auch klang. Raji war in der Nähe, auch wenn sie den Tiger weder sehen, noch hören konnte, wenn eines der Geräusche, die sie hörte, nicht von ihm verursacht wurde.
Es dauerte noch ein Weilchen. Ein Weilchen in dem sie sich damit ablenkte darüber zu grübeln, wieso er sie schon das zweite Mal ‚Rhuna aus Shyána Nelle‘ nannte. Machte es einen Unterschied woher sie kam?

Wieso fühlte sich ihr Körper so schwer an? Das war der erste Gedanke, der ihr durch den Kopf ging. Der Zweite, wieso sie Affen und teils unvertraute Vogelgesänge hörte? Müde drehte sich die Elfe auf den Rücken und öffnete träge ihre Augen, die sich immer wieder von alleine senkten. Ihre Augen betrachteten eine Weile das Lichtspiel der Sonne, das durch die Blätterkronen der Bäume schien. Wieso lag sie hier draußen im Urwald?
Als die Frage tatsächlich zu ihr durchdrang riss sie die Erinnerung an ihren Reisebeginn aus ihrem erwachenden Zustand und sie setzte sich auf. Hastig sah sich Rhuna um, doch niemand war zu sehen. Neben ihr lagen verkohlte Holzscheide, doch kein Feuer tanzte mehr auf der Oberfläche. Wo war Yedan?
Die Elfe stand auf und sah sich suchend um. Doch von ihrem Begleiter fehlte jede Spur. Ein Gefühl von Unbehagen befiel ihren Magen. War er jagen? Oder hatte er es sich anders überlegt und …
Die braunen Locken flogen kurz umher, als sie den Kopf bei diesem Gedankengang schüttelte. Das würde Yedan nicht tun. Dafür war ihr Vertrauen ihm gegenüber zu groß. Er war sicher nur kurz weg und würde gleich wiederkommen.
Seltsam leicht erhob sich Rhuna und beschloss für ein Frühstück zu sorgen. Beeren sammeln konnte sie immerhin und so entfernte sie sich von ihrer Ruhestätte und suchte sich einen unsichtbaren Pfad durch die strahlend grünen Bodendecker.
Es dauerte nicht lange, da wurde sie fündig und sammelte, in einem großen Blatt die saftigen runden Leckereien zusammen. Hier und da fand eine Beere den Weg in ihren Mund und Rhunas Blick für die Schönheit des Urwaldes wurde erneut geöffnet. Am Tage, hier in der Nähe des Wasserbeckens sah alles farbenfroh und wunderschön aus.
Ein schabendes Geräusch drang an ihre Ohren, das ihr seltsam bekannt vorkam. Die Elfe blieb stehen und lauschte. Es erklang erneut. Doch da war noch etwas anderes. Es hörte sich an, als würde etwas auf dem feuchten Boden dumpf aufprallen, dann gezogen werden. Ihr Herz machte einen Satz und sie sah sich um. Konnte es Yedan sein? Oder Raji, der sich vielleicht ein Frühstück erbeutet hatte?
Rhuna wich einen Schritt zurück. Sie sollte besser zurückkehren und nicht nachsehen, doch ihre Füße bewegten sich von ganz alleine. Die Geräusche wurden lauter. Vor ihr verdeckten breitgefächerte Blätter ihre Sicht. Ihr Herz schlug noch schneller und ihr Instinkt riet ihr umzukehren. Doch was war es, das diese Geräusche machte? Sollte sie nicht besser einen kurzen Blick darauf werfen und dann umkehren? Ihre feinen Finger hoben sich und vorsichtig schob sie eines der Blätter beiseite und gewährten ihr einen Blick auf den dahinterliegenden Bereich.
Rote Tropfen perlten von den Blättern und Gräsern der am Boden wachsenden Pflanzen, die teils abgebrochen und genickt den Schauplatz eines Kampfes offenbarte. Ihr Blick hob sich und ein Schreckenslaut entwich ihrer Kehle. Rhuna schlug sich die Hand vor den Mund. Vor ihr in einem roten Teppich aus Blut, das in den moosbewachsenen Boden sickerte, lag ein übel zugerichteter Körper, verdreht und mit klaffenden Wunden, die niemand überleben konnte. Doch das was die Elfe so aus der Fassung brachte war, dass sie wusste, wer der Tote war. Ihr Hals schnürte sich zu, ihre Augen begannen zu brennen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht, als wären sie festgefroren. Eine plötzliche Bewegung hinter der Leiche an einem großen Stein, auf dessen graugrüner Färbung blutige Handabdrücke zu sehen war, die seltsam verwischt aussahen, zog hastig ihren Blick auf sich.
„Nein…! Nein, nein, nein!!!“, erst flüsternd, dann immer lauter brach ihre Stimme hervor. Sie riss ihre Füße vom Boden, der sie noch immer zu fesseln versuchte und stolperte nach vorne, an der verdrehten Leiche Pharus vorbei und ließ sich vor einen zweiten Körper, der an den großen Stein gelehnt lag, auf die Knie fallen. Wieso war auch hier so viel Blut? Wieso… ragten so viele Pfeile aus seinem Oberkörper?
„Yedan…!“ Ihre Stimme war zittrig und brach leicht. Ihre Augen wanderten hastig und ruhelos über seine Gestalt und suchten seinen Blick, seine braunen Augen. Doch diese waren geschlossen. Rhuna wusste nicht wohin mit ihren Händen. Was sollte sie als erstes tun? Sie musste die Blutung stoppen. Vorsichtig griff sie seine Schultern und schüttelte ihn leicht, doch der brünette Schopf bewegte sich nur leblos von einer Seite zur anderen. Sein Gesicht, ebenfalls blutverschmiert.
„Yedan...!!! Wach auf! Bitte… mach die Augen auf!!!“, rief die junge Elfe verzweifelt und versuchte den Halbelfen zu einem Lebenszeichen zu bewegen. Plötzlich klatschte etwas hinter ihr auf den Boden. Blut spritzte auf ihr weißes Kleid und erschrocken drehte sie sich um – starrte in tote rote Augen und sah im Augenwinkel die Bewegung einer, auf sie zuschnellenden Klinge.

Rhuna schreckte aus ihrem Schlaf auf und saß kerzengerade auf ihrem Blattlager. Als wäre sie zu schnell gerannt rang sie einen Moment nach Luft und sah sich hastig um, fand sich in der Dunkelheit der Oase wieder, die nur vom Lichtschein des knackenden Feuers erhellt wurde. Ihr Herz raste, ihre Muskeln schmerzten und der Schreck saß ihr in den Knochen. Ein Traum…? Ihr nächster Gedanke war völlig klar: Yedan!
Die violetten Augen huschten zur Seite. Der brünette Halbelf lag ruhig schlafend auf seinem Lager, neben ihm ruhte Raji, der kurz den Kopf hob, weil sie ihn offensichtlich geweckt hatte. Rhuna stützte sich mit den Händen ab und stand auf, ging um das Feuer herum und ließ sich vor ihren Begleiter leise auf die Knie nieder. Sie sah nur einen Moment zum vierbeinigen Begleiter der Runde, der wohl nicht recht verstand, was das merkwürdige Fundstück nun schon wieder hatte.
Rhunas Blick wanderte über Yedans schlafende Miene. In seinem Oberkörper steckten keine Pfeile und er lag auch nicht in einer Lache aus Blut. Sein Brustkorb hob und senkte sich in ruhigen Atemzügen. Die Erleichterung war unbeschreiblich. Es war ein Alptraum gewesen. Nun, das hatte sie vorhin schon irgendwo registriert, doch sie hatte sich einfach versichern müssen, dass wirklich alles in Ordnung war.
Eine Weile – kaum zwei Minuten – die ihr jedoch wie eine Ewigkeit vorkamen betrachtete sie sein Gesicht und wachte über seinen Schlaf.
Sowas will ich niemals… niemals wirklich erleben…!, dachte sie und wischte sich stumm die Tränen weg, die ihr im Schlaf über die Wange gelaufen waren. Der Traum hatte sich für Rhuna viel zu lebendig angefühlt. Lag es daran, dass sie die Wege in ihrem Traum tatsächlich ein paar Stunden zuvor gegangen war? Dass der Schmerz über Pharus Verlust noch so frisch war und die Angst vor den Dunkelelfen nur umso gewiss? Und die Sorge um Yedan sicher wachsen würde, je mehr sie ihn kennenlernen würde? Sie vertraute ihm doch jetzt schon völlig.
„Auf eine andere Art würde ich das Lager … gerade nur zu gerne mit dir teilen!“, flüsterte sie leise und erhob sich langsam wieder. Der Traum hatte Rhuna noch mehr erschöpft. Zurück auf ihrem Blätterlager legte sie sich ab und lauschte ihrem Herzschlag, der wieder langsam in seinem normalen Rhythmus schlug. Es war nur ein Traum gewesen. Eine Vermischung einiger Ereignisse und Ängste. Raji lag bei ihnen und passte auf. Es würde nichts passieren…
Über sich selbst beruhigende Gedanken schlief Rhuna erneut ein und fiel in einen tiefen und glücklicherweise traumlosen Schlaf.

Der Morgen kam und weckte die Elfe ohne einen besonderen Grund. Sie fühlte sich erschlagen, ihre Glieder schmerzten und ihre Augen wollten sich kaum öffnen. Die Erkenntnis, wo sie war, musste sie nicht erst erschließen. Sie wusste genau wo sie war, wieso und warum sie sich gar nicht rühren wollte.
Rhuna lag auf der Seite, die Beine leicht angewinkelt, die braunen Locken umrahmten unordentlich ihr Gesicht. Ein tiefer Atemzug machte ihr klar, dass die Sonne die Luftfeuchtigkeit bereits in den frühen Morgenstunden hochgetrieben hatte. Nein, sie wollte wirklich nicht aufstehen. Doch sie musste.
Unwillig blitzte ihr Violett unter den Lidern hervor, die sich nur halb hoben. Nur die Augen bewegten sich kurz hin und her, der Kopf unbewegt, als wöge er eine Tonne. Erneut atmete sie tief durch, dann erhob sie sich und sah völlig verschlafen über ihre Lagerstätte. Das Feuer war bereits erloschen und nur noch kleine Glutbrocken glimmten zwischen der Asche hervor.
Unglücklich fühlte sich Rhuna an ihren Alptraum erinnert, als von Yedan und Raji keine Spur zu sehen war. Das alleine machte sie ein wenig wacher, doch der Blick auf das gerichtete Frühstück beruhigte sie wieder. Zumindest ein wenig.
Wäre die Elfe ein wenig munterer, hätte sie über die Fürsorge des Sariers sicher gelächelt. Doch gerade musste sie sich gefühlt irgendwie zusammensetzen. Das Frühstück vorerst ignorierend stand sie stöhnend auf und ging steif zum Wasserbecken. Ohne zu zögern schöpfte sie mit beiden Händen das kalte Wasser und spritzte es sich ins Gesicht. Einmal, zweimal… dreimal! Dann folgte eine Katzenwäsche, die ihre Lebensgeister zumindest ein wenig mehr hervorlockten. Die Farbenpracht, die um die Shyáner Elfe im Licht der Morgensonne erstrahlte, fand in diesem Moment allerdings noch nicht wirklich ihre Begeisterung, wie es normalerweise der Fall gewesen wäre.
Ich sollte mich anziehen und essen. Yedan wird sicher gleich wieder da sein. Doch das – zugegebenermaßen leckere Frühstück endete schneller als die Wartezeit. Rhuna hatte bereits alles zum Aufbruch vorbereitet, doch ihr Begleiter ließ sie warten. Was sie natürlich unruhig stimmte, besonders nach ihrem nächtlichen Traum.
Mittlerweile wach, angezogen und gesättigt saß sie auf ihrem Blätterlager, die Arme leicht um die Beine gelegt, ein Finger nervös am Arm auf und abtippend. Dann endlich ein Rascheln und Yedan stand, mit seinem typischen und viel zu ausgeschlafenen und sorglosen Lächeln vor ihr.
„Guten Morgen! Bist du soweit? Kann es losgehen?“, fragte er und ahnte noch nichts von der, nicht allzu guten Laune der Shyánerin. Wortlos stand sie auf und ging zu ihm. Ihr Blick wanderte kritisch über seine Gestalt, dann boxte sie ihn erneut gegen den Arm. Nicht sehr fest, doch ähnlich wie am Abend zuvor.
„Blödmann!“, entfuhr es Rhuna, sie ging zu ihrer Tasche, die sie aufhob und stand dann wartend in seiner Nähe, da er die Richtung vorgeben musste. Ihr eigentlich hübsches Gesicht trug noch immer Spuren der letzten Nacht. Besonders ihr Blick wirkte erschöpft, obwohl ein kleiner Ärger Yedan gegenüber in diesem aufblitzte, weil er sie, nichtsahnend von ihrem Traum, alleine und unwissend zurückgelassen hatte.
Warum mache ich mir überhaupt Sorgen? Er kann bestens auf sich aufpassen und hat einen mit Zähnen und Klauen bewaffneten Tiger an seiner Seite. Leider hing die Erinnerung an seine leblose Traumgestalt zu präsent in ihren Gedanken, als dass diese beiden starken Argumente wirklich greifen konnten. Wortkarg folgte die Elfe Yedan, der wahrscheinlich nicht so recht wusste, was mit ihr los war. Und nach einer Weile schien auch sie eingesehen zu haben, dass sie ihm gegenüber nicht ganz fair gewesen war.
„Das vorhin… tut mir leid. Ich habe schlecht geträumt und du warst verschwunden. Die Zeit ging nicht um und…“, warum sie sich Sorgen gemacht hatte sprach sie nicht aus. "Ich hätte es nicht an dir auslassen dürfen." In Hoffnung, dass er es ihr nicht übel nehmen würde, ging sie noch eine Weile hinter ihm her und wartete ab, hing ihren eigenen Gedanken nach, die ihr Reiseziel betrafen. Dann sie blieb plötzlich stehen.
„Yedan, ich weiß, dass ich dir sicher eine Last bin. Aber ich habe nachgedacht und ich glaube es ist besser, wenn du mich nicht zum Trockenland bringst.“ Rhuna sah ihn entschlossen, wenn auch ein klein wenig unsicher an und strich sich, wie schon häufiger, wenn sie etwas bewegte, eine Strähne hinter ihr Ohr „Ich meine noch nicht. Ich meine… “ So entschlossen sie angefangen hatte, nun geriet die Elfe ins Wanken. Konnte sie Yedan bitten sie ein Weilchen länger an seiner Seite zu akzeptieren? Er wusste es sicher auch – die Zeit bis zum Trockenland würde nicht reichen, um Rhuna auch nur im Ansatz sicherer und selbstständiger reisen zu lassen. Das musste ihn natürlich nicht kümmern, denn ihre Ziele waren keineswegs die seinen, doch sie hatte nur ihn, den sie darum bitten konnte.
„Kann ich … ein wenig länger an deiner Seite bleiben und von dir lernen?“

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