Deutlich zu spät

Natürlich wird auch hier fleißig mit Waren gehandelt, welche "vom Boden" beschafft wurden. Aber auch einheimische Waren sind hier zu finden. Es wird getauscht, versteigert und einfach nur verkauft.
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Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Samstag 29. Oktober 2011, 16:07

Nihil kommt von Wohnviertel Hymloas - Anwesen der De´Vals

Nihil musste es recht eilig haben, zum Platz der inneren Ruhe zu kommen. Schließlich war er schon zu spät dran. Und so, wie er seinen Lehrmeister kannte, würde ihn sicherlich eine Strafe erwarten, die mit jeder weiteren Minute schlimmer ausfallen würde. Zwar waren die Tadelungen Palanthors eigentlich immer recht milde, zum Beispiel musste Nihil seinen Medizinschrank aufräumen oder dergleichen, dennoch war es nie sonderlich ratsam, den eigenen Lehrer zu verängstigen. Er könnte schließlich den Eindruck bekommen, Nihil interessiere sich nicht mehr wirklich für das Erlernen der Lichtmagie.
Die Füße des jungen Magiers trugen ihn einen bekannten Weg durch die Wolkenstadt, geradewegs auf den recht zentral liegenden Platz der inneren Ruhe zu. Sein Weg führte ihn durch eine der belebteren Gegenden Himlyas: Den Marktplatz und die darum liegenden Straßen. Hier gab es nicht nur den großen Markt, auf dem Händler in kleineren und größeren Ständen ihre Waren feil boten, sondern auch Geschäfte aller Art waren in den Straßen um den Marktplatz herum verteilt. Einige der Händler hatte aufgrund der späten Tageszeit schon angefangen, ihre Stände zusammenzupacken, andere hofften noch darauf, ein paar Kunden anwerben zu können. Denn obwohl es schon langsam dunkel wurde, war noch viel Betrieb in dieser Gegend. Himlyaner, die wegen ihrer Arbeitszeiten oder dergleichen noch nicht zum Einkaufen gekommen waren, strömten nun auf den Markt, um in letzter Minute noch ein paar Besorgungen erledigen zu können. Die vielen Menschen hielten Nihil weiter auf, weshalb sein Antreffen am Platz der inneren Ruhe sich noch weiter verzögern würde. Als er es endlich geschafft hatte, sich durch den übervölkerten Marktplatz zu kämpfen, lagen nur noch zwei bis drei Querstraßen vor ihm, die ihn von seinem Ziel trennten.

Plötzlich konnte Nihil recht laut und deutlich ein großes Krachen hören, irgendwo muss gerade ein ziemlich schwerer Gegenstand umgefallen oder auf den Boden gefallen sein. Beinahe zeitgleich setzte aus der gleichen Richtung ein schmerzverzerrtes Geschrei einer männlicher Person ein. Die Geräusche kamen aus einer der Schmieden, die am Rande der Marktgegend standen, in der hauptsächlich Waffen, Schilder und Rüstungen für die Himmelsreiter hergestellt wurden. Anscheinend hatte es in dieser Schmiede einen Unfall gegeben. Als angehender Lichtmagier könnte Nihil dem scheinbar recht schwer Verletzem sicherlich von Hilfe sein, allerdings würde er damit sein Antreffen am Platz der inneren Ruhe noch weiter verspäten. Wie sollte er sich entscheiden?

Entschied sich Nihil dafür, in der Schmiede nach dem Rechten zu sehen, so würde er einen der Schmiedelehrlinge vorfinden, dessen Fuß unter einem Amboss eingeklemmt war. Andere Arbeiter der Schmiede bemühten sich gerade darum, eben jenen Amboss vom Fuß des Eingeklemmten zu stämmen.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Nihil De´val » Samstag 29. Oktober 2011, 18:21

Der schmerzerfüllte Schrei ging Nihil durch Mark und Bein. Einen Moment lang stand er regungslos herum und überlegte was er nun tun sollte. Sein Meister hatte ihm beigebracht, mittels Magie Verletzungen zu heilen und offenbar war dort ein Verletzter, doch legte Palanthor auch sehr viel Wert auf Pünktlichkeit. Schließlich entschied sich Nihil dafür, nach dem Rechten zu sehen und eilte zur Schmiede. Dort angekommen stellte er fest, dass die Lage wohl ziemlich ernst zu sein schien. Der Fuß des Lehrlings war unter dem Amboss eingeklemmt und Nihils anatomische Kenntnisse reichten durchaus aus um zu wissen, dass es sich hierbei um eine größere Verletzung handelte als eine Verstauchung oder dergleichen. Er trat ein paar Schritte zurück und flüsterte eine liebliche Melodie, während er die Hände vor sich hielt wie eine Schale. In seinen Händen bildete sich eine Kugel aus reinem weißen Licht die sich nun rasch erhob und über den Dächern der Häuser gleißendes Licht austrahlte, bevor sie sich nach wenigen Sekunden wieder auflöste. Dies war der erste Zauber, den Nihil von seinem Meister erlernt hatte. Ein äußerst simpler Zaubertrick der jedoch sehr nützlich in Situationen wie diesen sein konnte, da Nihil so auf sich aufmerksam machen konnte. Palanthor würde das Licht sehen und es als das seines Schülers erkennen. Dann würde er zu ihm kommen und könnte helfen den Lehrling zu heilen. Als das getan war, wendete sich Nihil wieder der Schmiede zu. Mittlerweile wurde der Amboss angehoben und entblößte den zerquetschten Fuß des vor Schmerzen wimmernden Lehrlings. Nihil näherte sich rasch dem Lehrling. Er beugte sich zu ihm herunter und begutachtete seinen Fuß

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"Es wird alles wieder gut. Palanthor ist bereits unterwegs und bis er hier ist kann ich versuchen dir zumindest die Schmerzen etwas erträglicher zu machen. Ich werde jetzt deinen Schuh ausziehen damit ich mir ein besseres Bild von deiner Verletzung machen kann. Keine Angst das wird schon wieder"
Nihil sprach wie er es von seinem Meister gelernt hat ruhig und melodisch um den Jungen ein wenig zu beruhigen. Vorsichtig löste er den Schuh vom Fuß des Lehrlings und legte den Fuß frei. Soweit Nihil die Verletzung auf den ersten Blick einschätzen konnte, hatte der Amboss einige innere Blutungen im Fuß ausgelöst - dieser war mittlerweile auch schon angeschwollen - und wahrscheinlich auch Knochen gebrochen. Nihil war sich nicht sicher, ob seine Fähigkeiten schon ausreichen würden, einen Bruch zu heilen, doch selbst wenn nicht, so konnte er sich zumindest um die Schwellung kümmern und die Schmerzen lindern, bis Palanthor eintreffen würde. Er hielt seine Hände über den verletzten Fuß und verfiel wieder in einen melodischen Singsang. Aus seinen Handflächen kamen weißgoldene leicht durchsichtige Fäden, die sich langsam um den Fuß des Jungen schlängelten, und diesen komplett einsponnen. Nihils gesamte Konzentration lag auf seinem Zauber. Sein Meister hatte ihm beigebracht, beim heilen immer ein möglichst genaues Bild von der Verletzung zu haben, um so seine Magie besser fokussieren und somit effektiver einsetzen konnte.

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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 2. November 2011, 00:30

Als Nihil die Schmiede betrat wurde er mit dankbaren Blicken empfangen. Sein Mentor war in der Himmelsstadt ein bekannter Mann und Nihil als sein Schüler durfte sich daher an ein wenig Bekanntheit erfreuen. Einige der Anwesenden staunten nicht schlecht als Nihil eine Lichtkugel heraufbeschwor, die dann in die Luft stieg und wie eine Feuerwerk zerplatzte. Lichtmagie war in Hymlia etwas ungewöhnliches, die meisten Magier beherrschten natürlich die Luftmagie. Dementsprechend selten und wertvoll war es, wenn jemand wie Nihil auch eine andere Art der Magie beherrschte. Und dass er dann auch noch ein Lichtmagier war, der sich um Verletzte kümmern konnte, setzte dem ganzen noch die Krone auf.
Die Schmiede und deren Assistenten schafften es mit vereinten Kräften, den Amboss vom Fuß des Lehrlings zu hebeln. Dass das mehrere hundert Kilogramm schwere Stück Eisen den Fuß des Lehrlings nicht unverletzt ließ, lag auf der Hand. Das Entfernen des Schuhes stellte sich als äußerst schwierig heraus, denn er war schon dick angeschwollen. Jeder Versuch, das Kleidungsstück vom Fuße zu streifen, endete in heftigen Schmerzensschreien des Mannes. Schließlich brachte einer der in der Schmiede Arbeitenden eine große Schere, mit der der Schuh aufgeschnitten werden konnte. Als dies dann erledigt war, konnte Nihil sich den Fuß ansehen. Richtig erkannte er, dass sich der Auszubildende den Fuß gebrochen hatte. Zwar konnte Nihil diese ziemlich komplizierte Verletzung nicht hie rheilen, doch bemühte er sich wenigstens, die Schwellung zu unterdrücken. Als das erledigt war dauert es auch nicht mehr lange bis Nihils Lehrmeister, der Lichtmagier Palanthor, auftauchte. Er hatte das Signal seines Schülers bemerkt und war ihm in gemächlimen Tempo gefolgt. In wie üblich gebückter Haltung, als würde ihm das Alter schwer auf den Schultern liegen, schlenderte er in die Schmiede hinein. Die dort Herrschende Hektik schien ihn nicht aus seiner Ruhe bringen zu können, er beobachtete die Situation und ging schließlich neben dem Verletzten in die Knie. Dabei knackten seine Gelenke lautstark was der Alte nur mit einem leichten Grinsen kommentierte. Routiniert strich er über den Fuß des Verwundeten um damit die Art der Verletzung zu erfühlen. Und währen seine Hände langsam golden zu strahlen begannen verfinsterte sich die Miene des Lichtmagiers gleichermaßen. Als er mit seiner Untersuchung fertig war blickte er zum Lehrling hinauf und lächte ihn freundlich und zuversichtlich an. "Einige deiner Fußknochen sind gebrochen, das ist ein etwas kompliziert. Gestatest du, dass ich meinem Schüler anhand deines Fußes ein wenig etwas beibringe?", fragte Palanthor den Verletzten und sprach ihn wie selbstverständlich mit "du" an. Das war eine Eigenart von ihm, die niemand so recht zu deuten wusste. Der Schmiedelehrling jedenfalls war froh, dass man sich um ihn kümmerte und stimmte zu.

Die Situation hatte sich sehr zu Nihils Gunsten gewendet. Nicht nur, dass er bei den Schmieden nun sicherlich gut im Gedächtnis blieb, auch schien sein Meister nichts von der Verspätung mitbekommen zu haben. Zudem konnte er nun auch noch etwas Praktisches lernen. Unter den neugierigen Blicken der Umstehenden verfiel Palanthor in ein Murmeln. Seine Hände griffen um das Fußgelenk des Verletzten und als Palanthor sie wieder entfernte, war eine Art goldenes Band um das Gelenk gelegt. "Das nimmt dem Patienten jegliches Gefühl für das abgeschirmte Körperteil, dadurch verspürt er keine Schmerzen.", erklärte er nebenbei und sah dabei zu Nihil auf, wie um sich zu vergewissern, dass er sich alles merkte. Dann schenlte er seine Aufmerksamkeit wieder dem verletzten Fuß. "Wir können zwar Knochen zusammenwachsen lassen, aber dabei müssen wir aufpassen, dass sie auch richtig verheilen.", sprach er im Nihil schon bekannten, lehrenden Ton. "Einen größeren Knochen, wie einem Arm- oder Beinknochen, müssen wir erst schienen, bevor wir ihn verheilen. Bei kleineren Knochen, wie die im Fuß, reicht es, wenn wir sie grob ausrichten." Palanthor drückte ein wenig auf dem gebrochenen Fuß herum und Nihil konnte erahnen, dass sein Lehrmeister gerade die Knochen des Fußes wieder richtig arrangierte, sie dort hinschob, wo sie hingehörten. "Dabei müssen wir aufpassen, dass wir mit den Knochensplittern die Muskeln und Sehnen nicht zerreisen. Also machen wir keine hastigen, schnellen Bewegungen. Wenn der Fuß ausreichend betäubt ist können wir uns alle Zeit der Welt lassen." Als der Alte nach einigen Augenblicken anscheinend mit der Anordnung der Knochenfragmente zufrieden war, stellte er das Herumdrücken und -schieben ein und legte beide Hände auf den Fuß. "Nun benutzen wir die heilende Kraft der Lichtmagie, lassen sie tief in den Fuß hineinströmen und die Knochen sich wieder verbinden lassen." Während Palanthor sprach begannen seine Hände erneut, golden zu glühen. Er wirkte konzentiert und ließ sogar das Erklären bleiben bis die Heilung vollendet war. Dann schüttelte er die Hände aus, richtete sich wieder auf und begutachtete den Fuß noch einmal. Zufrieden nickend nahm er mit einer flüssigen Handgeste das goldene Band vom Fußgelenk des Schmiedelehrlings und ließ es sich in Luft auflösen. "Versuche, wieder aufzustehen.", wieß er den Verarzteten an und dieser stand tatsählich auf, konnte ganz normal gehen und seinen Fuß belasten. Er bedankte sich sowohl bei Palanthor für die Heilung als auch bei Nihil für das schnelle Eingreifen und nach ein paar weiteren Worten, die zwischen dem Heiler und dem Meister der Schmiede gewechselt wurden, bedeutete Palanthor seinem Schüler, mitzukommen.

Zusammen machten sie sich auf den Weg zu Palanthors Haus.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Montag 22. April 2024, 10:48

Synnover kommt von Ein Silberstreif am Horizont

Er hatte Zarrah zurückgelassen und sie hatte es akzeptiert. Sie hatte es für ihn akzeptiert. Nicht ein böses Wort, nicht ein böser Blick. Alles, was sie ihm gezeigt hatte, war der Schmerz, den seine Entscheidung in ihr ausgelöst hatte. Aber sie hatte es ihm nicht vergolten und sie würde es wohl auch nicht. Es war gut. Sobald Synnover die Sturmwolken erreicht und mithilfe der Vögel passiert hatte, blendete ihn das gleißende Licht der Sonne. Hier wurde alles in silbernes Licht getaucht, warme Sonnenstrahlen empfingen ihn und umhüllten sein inneres Gefühl von Schmerz. Die Wolkendecke verschloss den Riss nach seinem Hindurchtreten wieder und schickte womöglich just in dem Moment den Regen und den Sturm auf die Silberpfeil zurück. Er aber bekam von dem Wetter unterhalb seiner Füße nichts mit. Er sah lediglich, dass die wasserreichen Wolken, die eben noch über ihm gehangen hatten, nun unter ihm waren. Über seinem Kopf gab es nur weiße, reine Wolken, die sich oberhalb seines Kopfes im gemächlichen Tempo über den weiteren Himmel schoben. Er konnte sich nur schwer an die Helligkeit hier gewöhnen und an das gleißende Licht der Sonne, die ihm kräftig entgegen strahlte. Die Vogeltreppe endete plötzlich und die Tiere stoben in sämtliche Richtungen davon. Dennoch fiel Synnover nicht, denn nach wie vor war der Wind da und hielt ihn. Unterhalb seiner Füße konnte Syn spüren, wie er blies und ihn trug. Ein Schatten verdunkelte für einen Moment den Blick in seinem Augenwinkel. Sobald er den Kopf danach drehen würde, sähe er Lysanthor’s Scheibe durchbrochen von einem Schatten.
Weite, ausladende Flügel mit einer immensen Spannweite, dazu ein erhabener Kopf und prächtiger Pferdekörper. Das geflügelte Pferd brachte mit jedem Schlag der weißen Federn eine gehörige Portion Wind mit. Dann erkannte Syn, dass das Tier nicht allein war: Obenauf ritt eine Gestalt. Sie hielt die Zügel des Pferdes in einer Hand, während in der anderen Hand ein Horn zu sehen war. Der Reiter trug eine leichte Rüstung in Gold und Blau und einen Helm, dessen Spitze eine silberblaue Feder zierte. Hellblaue Augen aus einem ansonsten glatten, weißen Gesicht schauten auf Synnover und betrachtete ihn einen Moment überrascht. „Ein Rückkehrer?“, sprach der Mann und die Melodie seiner Stimme kam Synnover seltsam vertraut vor. Er verstand vielleicht nicht viel, aber er wusste, dass sein Name aus derselben Sprache stammte.

Der Mann auf dem geflügelten Pferd, hielt neben Synnover an und jener konnte das Ausmaß des Tieres genauer erkennen. Der Sattel glich eher einer Decke, in denselben Farben gehalten, wie die Rüstung. Das Tier schnaubte erhaben und musterte Syn aufmerksam als hätte es seine eigenen Gedanken. Der Mann aber wurde mit einem Mal etwas unruhig. Er lehnte sich etwas zur Seite und reichte Syn das Horn in seiner Hand. „Halt das mal, ja, ich prüfe das!“, plapperte er weiter und holte aus einer Tasche an seinem Gürtel ein kleines Pergament hervor. Er entfaltete es, blickte darauf und runzelte die Stirn. „Hier steht gar nichts davon, dass wir einen Bodenwandler haben!“, murmelte er und faltete das Papier wieder zusammen, ehe er es verstaute. Er nahm Syn das Horn wieder ab. „Danke!“, meinte er. Dann musterte der blaue Blick Syn. Er glitt einmal über seine Statur und zurück, ehe er sich die Nase kratzte. Der Mann zu Pferd war ebenfalls äußerst ansehnlich. Er besaß dieselbe Haut, wie Syn, das selbe schöne Antlitz, auch wenn seine Nase breiter und seine Gestalt generell massiger wirkte, aufgrund von mehr Muskeln. „Woher kommst du? Und… wieso steht nirgendwo geschrieben, dass du auf dem Boden unterwegs warst?“, wollte er wissen und merkte erst jetzt, dass Synnover ihn offenbar nicht richtig verstehen konnte. „Du… bist doch Hymlianer! Sonst hätte dich der Wind nicht hergebracht…“, überlegte er und verstand wohl selbst gerade nicht so viel. „Wieso immer in meiner Schicht?“, murmelte er dann und schüttelte den Kopf. Er nahm den Helm ab, offenbarte silbernes, kurzes Haar, strich es sich einmal zurück und setzte ihn sich wieder auf. „Na, das sollen die anderen klären. Ich mach ja auch nur meine Arbeit…“, murmelte er und reichte Syn dann die Hand, damit er hinter ihm auf das Pferd aufsteigen konnte. „Ich bin Laerovor, die meisten nennen mich Laero“, stellte er sich vor. „Und du bist?“, fragte er, bevor er das Horn zum Mund führte und hineinstieß. Ein satter, aber weicher Ton entstand, der sanft durch den Himmel getragen wurde. Dann antwortete ein Ton in weiter Ferne. Laero nickte. „Gut, dann wollen wir mal!“, und gab dem Tier mit einem sanften Druck seiner Schenkel zu verstehen, dass es in Bewegung kommen sollte. Das Pferd spannte die wundervollen Flügel aus und ließ den Wind hindurchgleiten. Dann schlug es kräftig und gemeinsam erhob es sich mit Laero und Synnover in die Lüfte, bis sich aus den nächsten, reinweißen Wolken eine gigantische Stadt erhob. Im Glanz der Sonne, umgeben von fluffigen Wolken, konnte Syn eine weiß-silberne Stadt erkennen, die sich mit Zinnen und Türmchen mehr und mehr abzeichnete. Hymlia.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Donnerstag 25. April 2024, 11:04

Es war niemals eine Sehnsucht gewesen, dem Himmel nahe sein zu wollen. Jedes Mal, wenn Syn zu dem verheißungsvollen Blau über sich geschaut oder die kleinen, funkelnden Juwelen an der nächtlichen Schwärze über sich beobachtet hatte, fehlte der Wunsch, es mit dem Himmel zusammen zu erleben oder unter ihm. Es war purer Neid, der ihn immer wieder befiel. Neid auf die große Weite über sich, die schier grenzenlos schien und selbst über den Göttern stand, denn Manthalas Mond und Lysanthors Sonne hatten sich selbst dem zauberhaften Blau unterzuordnen.
Schon immer träumte das weiße Kaninchen davon, wie es sein könnte, wenn man sich ihm unterstellte. Wie fühlte es sich an, wenn man Entscheidungen traf und sein Gegenüber konnte nichts Anderes tun als es zu akzeptieren? Wie fühlte sich diese Macht an? Zarrah hatte ihm einen Vorgeschmack gegeben, als er von ihr befahl, sich vor ihn zu knien und seine Füße zu küssen. Letzterem hatte sie sich verwehrt, aber vermutlich hätte Synnover sie bei dem Versuch sogar aufgehalten. Er hielt es vorher schon kaum aus, sie so zu sehen. Sie, diese stolze, stark wirkende Dunkelelfe mit dem kämpferischen Leuchten im Blick, in dem er sich nur allzu gern verlor. Als sie auf der Klippe vor ihm niedersank, hatte sich etwas in seiner Brust verkrampft. Ähnlich erging es ihm auch jetzt, als er ihr mitteilte wie gern er sie mitnehmen wollte, aber doch nicht konnte. In ihm tobte es und doch wusste er, dass er diesen Weg allein beschreiten musste. Auch sie wusste es und sie versuchte, ungemein tapfer zu sein, denn jetzt verlor sie ihr Spielzeug. Nein. So denkt sie nicht. Sie ... mag mich. Sie verlor jemanden, an dem sie hing. Syn besaß keinen Vergleich. Er hatte an Karrish gehangen und doch schien das Verhältnis zu Zarrah ein ganz anderes zu sein. Einzigartig für ihn, denn er hing auch an ihr und es schmerzte auch ihn, sie zurückzulassen. Sie, Razag und sogar Crystin, aber Zarrah am allermeisten.
Er hatte nicht vor, ihr für immer Lebewohl zu sagen. Es ging ihm nicht davon, alles hinter sich zu lassen. Selbst, wenn es vielleicht das Beste für ihn wäre, so konnte auch er sich nicht vollkommen lösen. Er dachte nicht in diesen Bahnen - noch nicht. Es würde ihn aktuell wohl immer zu dem Vertrauten zurückführen, ganz gleich ob es Zarrah, Karrish, Yolintha oder einfach Morgeria wäre. Deshalb musste Syn allein gehen. Das erkannte er. Er musste eine Erfahrung machen, die ihm Möglichkeiten aufzeigte, damit er sich im Anschluss fragen konnte, ob er Morgeria noch brauchte ... oder Yolintha und Karrish ... oder Zarrah'lindae von den Nachtklingen. Es war kein Abschied für immer, aber eine Weiche auf seinem weiteren Lebensweg und wenn das Schicksal es so wollte, würde er danach einen Pfad ohne die Dunkelelfe einschlagen.
"Schon gut..." Arme legten sich um seinen Körper, hielten ihn ein mutmaßlich letztes Mal. Zarrah akzeptierte, was sie weder ändern konnte, noch aufhalten wollte. Denn sie wünschte sich nur das Beste für Syn - für Synnover. "Finde dein ... wahres Schicksal, Synnover. Es ist gut..."
Er schenkte ihr einen letzten Blick zurück, nahm das Bild ihrer Gestalt im Krähennest in sich auf, wie sie so mutig dastand, die Maske der Neutralität über ihre echtes Gesicht gelegt. Eine Maske, die ihm bestens vertraut war. Es war nicht gut, nicht für sie. Sie konnte nur gut lügen und Syn wusste es. Aber er konnte nicht zurück, jetzt nicht. Er wollte es tun - später, nachdem er gesehen hatte, was für ihn Heimat werden könnte. Im Gegensatz zu ihm wusste Zarrah bereits, dass diese gezeigte Heimat ihn durchaus Willkommen heißen und für immer bei sich behalten könnte. Für sie war es ein Abschied für immer.

Synnover erkannte das vielleicht noch, irgendwann in naher Zukunft. Jetzt aber tappte er die Treppe aus Gefieder empor mit dem Gedanken, dass er nur einen Blick auf das Geheimnis hinter den Wolken werfen wollte. Eine kurze Aussicht von dem nehmen, was seine Heimat sein sollte. Hymlia. Danach würde er schnell zurückkehren, sich Zarrahs Mission wieder anschließen, sie beschützen. Seine Pläne, sowie seine Gedanken an die Dunkelelfe lösten sich in Luft auf, als er die Grenze zwischen Sturm und einem strahlenden blauen Himmel mit den letzten Schritten über die Vogeltrippe durchbrach.
Sonnenlicht blendete ihn und ließ ihn gedankenlos etwas zurückweichen, aber die Vögel waren bereits auseinandergestoben. Trotzdem fiel er nicht. Syn fühlte Halt unter seinen nackten Füßen. Der Wind war noch da und er trug ihn, warum auch immer. Das weiße Kaninchen sprach es nicht seiner Magie zu, denn er beherrschte doch kaum mehr als einen rudimentären Satz an Zaubern und er hatte dem Wind nichts befohlen. Dennoch blieb das Element an seiner Seite, hielt ihn aufrecht und sicher, dass er sich fühlte, als wandelte er auf Wolken. Der Eindruck passte. Denn als seine Augen sich langsam an die Lichtverhältnisse gewöhnten, schwebte er zwischen den neblig bauschigen Himmelsschafen, von denen nur jene hinter ihm eine dunklere Farbe angenommen hatten. Der Sturm lag unter ihm. Vor ihm aber breitete sich erneut das friedvolle Blau aus, das keine Grenzen kannte. Sonnenlicht berührte seine Haut, stellte ihm sämtliche Härchen auf und hinterließ ein Kribbeln, das angenehmer nicht hätte sein können. Keine noch so neugierige Frauenhand bescherte ihm derart wohlige Schauer. Für den Moment schloss Syn die Augen und genoss die Wärme, sowie Lysanthor liebevolles Streicheln, ohne sich diesem Gott je näher gefühlt zu haben als seinen Namen zu kennen, weil Dunkelelfen ihn verfluchten.
Erst, als er den Eindruck erhielt, ein Schatten legte sich über seine geschlossenen Lider, hob Syn jene an und erkannte, dass es sich bewahrheitete. Zwischen ihm und der Sonne befand sich ein Schatten. Er wuchs. Das bedeutete, er kam auf ihn zu. Unschlüssig, was er nun tun sollte, nahm Syn dennoch aus reiner Gewohnheit eine Kampfhaltung ein, die ihn für einen schnellen Sprint vorbereitete. Könnte er hier oben allerdings Haken schlagen, um seinen Feind mürbe zu machen und dessen Angriffen zu entkommen? Was würde passieren, wenn er für den Wind zu schnell wäre? Tappte er irgendwann ins Leere und fiel?
Ehe Synnover sich diese Fragen ausgiebiger stellen konnte, erreichte ihn der Schatten und der junge Mann stutzte. Er hatte in Morgeria schon Pferde gesehen. Schwarz, stolz und bissig ließen sie ihn in den Kasernen niemals zu nahe an sich heran. Sie wurden trainiert wie die Warge, was dazu führte, dass jeder außer ihren Ausbildern und Reitern einen Finger verlöre, wenn er sich zu nah an sie heran wagte. Dieses Pferd unterschied sich aber nicht nur durch das weiße Fell. Es besaß ... Flügel! Syn starrte das Tier an, welches sich mit majestätischer Leichtigkeit vor ihm in der Schwebe hielt. Er spürte den Luftzug, den der Flügelschlag ihm entgegen stieß. Er genoss es richtig, dass seine Haare dabei zurückgeworfen und nach dem Sturmregen ein bisschen getrocknet wurden. So fiel ihm der Reiter erst beim zweiten Hinsehen auf. Erneut starrte Syn, denn er konnte nicht ganz begreifen, wen oder was er dort sah.
Wäre er im Himmel aufgewachsen, könnte er nun auf diesem Pferd sitzen, groß und kräftig, in eine luftige Rüstung aus Blau, weiß und Gold gehüllt und mit einem Federhelm ausgestattet wie er ihn nie zuvor in Morgeria gesehen hatte. Einzig, dass sein Gegenüber strahlend blaue Augen besaß - wie der Himmel selbst! - machte den Unterschied.
"Ein Rückkehrer?", sprach er ihn an und Synnover verstand kein Wort. Wohl aber erkannte er den melodischen Klang der Silben, die sich mehr nach Musik anhörten als nach einer Sprache. Er bemerkte kaum, dass er kurz auflächelte. Er sehnte sich danach, seinen Namen noch einmal in dieser Sprache zu hören. Nicht von ihm selbst, nicht von Zarrah, sondern von diesem Fremden. Er wollte wissen, wie 'Synnover' aus seinem Munde klang.
Weitere Worte prasselten auf ihn hernieder, erfrischten ihn wie ein sanfter Sommerregen, aber plötzlich bekam er ein Horn in die Hände gedrückt und klammerte sich rechtzeitig daran fest, ehe es in die Tiefe unter ihnen fallen konnte. So aus seiner Träumerei gerissen, starrte Syn den Reiter wiederholt an. Jener achtete gerade nicht auf ihn, sondern zückte ein Pergament und schien eine darauf verfasste Liste durchzugehen. Syn hielt still, wartete geduldig. Es war ihm antrainiert worden. Wenn sein Herr Karrish etwas zu erledigen hatte, so hatte er geduldig zu sein. Bloß kein Wort sagen, ihn bloß nicht unterbrechen, dann konnte er sich zwar nicht seiner Gunst gewiss sein, wohl aber Ärger vermeiden. Aber Syn starrte weiterhin. Das Bild des geflügelten Perdes samt Reiter war auch zu befremdlich, als dass er sich nun soweit hätte im Zaum halten können.
Mit weiteren Worten der melodischen Sprache - Ist er etwa Hymlianer? - nahm der muskulöse Mann Syn das Horn wieder ab und endlich sprach er ihn auf Celcianisch an, da er bemerkte, dass Syn trotz der optischen Ähnlichkeit bisher kein einziges Wort auf Hymlikor herausgebracht hatte und eher perplex starrte als jemand, der vertraut mit seinesgleichen war.
"Woher kommst du? Und ... wieso steht nirgendwo geschrieben, dass du auf dem Boden unterwegs warst? Du ... bist doch Hymlianer! Sonst hätte dich der Wind nicht hergebracht... Wieso immer in meiner Schicht?" Syns Augen blitzten auf, als der Mann kurzzeitig den Helm abnahm. Sein Haar glänzte so silbrig weiß im Licht wie das eigene. Hymlianer..., dachte das Kaninchen und der Zweifel fiel langsam von ihm ab. Die Ähnlichkeit war einfach zu stark. Niemand konnte den Umstand ignorieren, dass sie fast gleich waren. Ich bin Hymlianer...
"Ich bin Laerovor, die meisten nennen mich Laero. Und du bist?"
"Laero...", wiederholte Syn den Namen und fragte sich prompt, wie er in der Sprache der Hymlianer klingen mochte. Dann stutzte er, denn natürlich hieß er nicht so wie der Reiter, auch wenn sie optisch Brüder hätten sein können. "Äh ... Syn-" Und nochmal stutzte er, doch selbst wenn er sich hätte korrigieren wollen, wurde er jetzt durch den lauten Ton des Horns unterbrochen, als Laero Luft hindurch blies. Laut wie Donner, aber weitaus harmonischer hallte sein Klang durch den Himmel. Ein ähnlicher, wenngleich etwas höher und weiter entfernt antwortete ihm. Es fühlte sich an, als würden gigantische Himmelswesen durch Musik miteinander kommunizieren und hätte Synnover in seinem Leben jemals einen Drachen gesehen, so hätte er den Tönen nun wohl dieses Bild zugeordnet. Aber er war noch vollkommen perplex vom Anblick Laerovors samt geflügeltem Pferd. Auf jenes zog der Mann ihn auch kurzerhand empor und riet ihm, sich gut festzuhalten. Schon schlug das Tier mit den Flügeln. Syn spürte die Kraft dahinter und wie sie nicht nur durch den Leib des Pferdes ging, sondern auch seinen Körper in Wallung brachte. Weitere Flügelschläge stießen sie höher in die Luft, ehe das Pferdewesen die Schwingen weit von sich streckte und durch die blaue Freiheit glitt wie ein Blatt, das über allem tanzte.
Syn klammerte sich an Laeros Leib, jedoch alles andere als ängstlich. Er reckte den Kopf, ließ den Wind seinen Körper umspielen, sein Haar und die Kleidung trocknen. Er atmete die Kälte tief in seine Lungen ein und stieß sie unter einem befreiten Seufzen wieder aus. Am liebsten wäre er aufgestanden, hätte die Arme ausgebreitet, um das gleiche Gefühl zu verspüren wie bei seinem ersten richtigen Ausflug ins Krähennest der Silberpfeil. An das Schiff dachte Synnover jedoch nicht. Er dachte gerade überhaupt nicht an jene, die er zurückgelassen hatte und bestätigte somit wohl bereits, was Zarrah befürchtet, letztendlich aber mit Schmerz im Herzen akzeptiert hatte. Er kehrte heim, zurück nach ...
"Hymlia, wooooaaahhhh", ließ Synnover sich hinreißen, die Stadt mit Staunen zu begrüßen, als sie sich vor ihm und aus einem Wolkenberg heraus erhob. Weiße Türme, geschmückte Zinnen und silbrig glänzende Dächer hießen ihn ebenso Willkommen wie zahllose Säulen, die nicht nur der Stabilität wegen erbaut zu sein schienen. Bräume mit einem wolkengleichen Laubdach, das sich wohl auch der Tageszeit anpasste und bei Sonnenuntergang violett und rosa schimmern würde, wiegte sich sanft im Wind. Gebäude, weiß wie die Wolken selbst, erhoben sich aus jenen hinaus. Sie waren stabil gebaut und wirkten doch zerbrechlich, weil die Architektur viel verspielter war als Morgeria. Von dort kannte Syn nur schaurige Wasserspeier, steinerne Fledermäuse, Dornengewächse, gotische Fenster, Zäune aus Eisen und schwarzes Gestein. Hier aber erhob sich seine Heimat als weißer Kontrast vor dem blauen Himmel und der warmen Sonne. Hymlia war das zauberhafte Gegenstück zum Reich der dunklen Völker, wo Menschen wie er nichts weiter als Zierde und besondere Sklaven waren. Was würde hier aus ihm werden?
Du könntest so viel mehr sein...
Zarrahs Worte zuckten durch seine Erinnerung und Synnover warf kurz einen Blick über die Schulter zurück. Der Sturm, das Schiff und auch die Dunkelelfe waren jedoch schon lange nicht mehr zu sehen. Sie waren fort, zusammen mit seiner Vergangenheit. All das lag nun hinter ihm. Vor ihm aber erhob sich eine glorreiche, vielversprechende Zukunft, umgeben von blauer Freiheit und warmem Licht, das seine Haut vor Aufregung kribbeln ließ.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 2. Mai 2024, 11:53

Woher hätte Synnover wissen sollen, wie es sich anfühlte, wenn jemandem wirklich etwas an einem lag? Er hatte diese empfundene Zuneigung nie kennengelernt oder gar gesehen. In Morgeria war nun wirklich nicht das beste Anschauungsmaterial vorhanden, wenn es um Zwischenmenschliches ging. Aber auch ihn ließ der Abschied nicht vollkommen unberührt. Zwar hegte er das Gefühl, diesen Gang alleine tun zu müssen, doch etwas stach in seiner Brust. Die Erinnerung an das Gesicht der Elfe würde nicht so schnell verblassen, auch nicht im Angesicht dieses Wunders, das sich vor ihm auftat. Synnover erlebte etwas, was wohl nur wenigen wirklich vergönnt war. Man rief ihn heim. Heim in die Wolken, aus denen er einst fiel und von denen er bis vor kurzem nicht mal wusste, dass er zu ihnen gehörte. Das einstige weiße Kaninchen, wurde zum weißen Adler, der seine Flügel in den Himmel reckte und den Wind spürte. Synnover blieb nicht lange allein. Dies war kein Übergang in das Reich der Götter, er würde weiterleben und doch auf eine Weise, die er bisher nicht mal zu träumen gewagt hatte. Er machte Bekanntschaft mit Laerovor und dem geflügelten Pferd. Fasziniert brachte Syn vorerst kein Wort über die Lippen. Er kannte den Klang der Sprache aber der Reiter schien zu verstehen, dass er den Sinn seiner Worte nicht verstand. Sich davon kaum irritieren lassend, wechselte Laero ins Celcianische und half dem Neuankömmling auf den Rücken des Tieres. Kraftvoll war der Körper, was Syn durchaus spüren konnte unter seinen Beinen. Dann flog Laero los und dem Klang des zweiten Horns entgegen. Der Flug war für Syn eine Premiere und tatsächlich überhaupt nicht zu vergleichen mit dem Wurf seines grünen Kumpels. DAS war Fliegen… Das war Freiheit. “ Hymlia, wooooaaahhhh", konnte Syn nicht verbergen, wie er sich fühlte. Laero lachte und nickte. „Ja, ich bin auch jedes Mal aufs Neue beeindruckt, wenn ich den Rückweg antrete!“, gestand er gutmütig und drückte dem Tier die Schenkel in die Flanken, damit es schneller flog. Ein kräftiger Stoß seiner Flügel und sie sausten noch etwas schneller durch den Himmel. Nun kam die Stadt immer näher und mit jedem Meter, erkannte Synnover auch mehr Details.

Hymlia war nicht so klein, wie man eventuell glauben wollte. Aber es stimmte, dass es einfach so in der Luft schwebte und aussah, als wäre es auf einem runden Plateau gebaut worden. Dieses Plateau, das die Grundfeste der Stadt bildete, wirkte, als hätte man es aus der Erde gerissen. Tatsächlich hingen einige Felsstücke und grüner Bewuchs herab und schienen irgendwo ins Erdreich zu gehören. Ansonsten aber war die ganze Stadt weiß und filigran aus Stein gebaut worden. Synnover erkannte beinahe einen ganzen Wald aus Zinnen, Türmchen und verschlungenen Treppen. Weil man nicht in die Breite bauen konnte, hatten sich die Bewohner der Himmelsstadt in die Höhe orientiert. Und jene weitere Stockwerke erreichte man über Wendeltreppen mit handwerklich auf höchstem Niveau hergestellten zierenden Handläufen. Die Spitzen der Türmchen waren teilweise dunkel abgesetzt, als hätten sie sich an der Nähe zur Sonne verbrannt. Es fügte sich aber wundervoll in das Gesamtbild. Laero flog mit Syn eine kleine Schleife über die Stadt hinweg. Tatsächlich konnte der einstige Gladiator erkennen, dass auch die Wege reinweiß gehalten waren und sich hier und dort einige Menschen auf ihnen bewegten. Immer wieder gab es hier und dort mal grüne Tupfer, wenn ein Stück Gras oder Busch ins Auge sprang. Allerdings dominierte hier eine für Syn neuartige Pflanze mit Blüten, die kleinen Wölkchen glichen. Hymlia war… das Gegenteil zu Morgeria. „Wir landen, halt dich fest!“, rief Laerovor und schon senkte sich der kraftvolle Körper des Pferdes hinab und sie gingen in den Sinkflug. Mit einem sanften Federn landete das Tier auf einem tiefergelegten Platz, als es die Stadt an sich war. Eine weiße Steintreppe führte von diesem Rondel hinauf und durch ein imposantes Stadttor. Es war, wie die meisten Häuser hier, von Zinnen und Türmchen geziert, allerdings waren jene so filigran das klar wurde, dass dies lediglich dem Gesamteindruck, denn einem echten Nutzen diente. Der Platz auf dem Syn landete und vom geflügelten Pferd absteigen konnte war schlicht sauber. Man achtete scheinbar penibel darauf, dass hier kein Dreck irgendetwas verunstaltete. Laero stieg ebenfalls ab und schon kam ein kleiner Junge angelaufen, der die Zügel des Pferdes nahm und sich scheinbar um das Tier kümmerte. Der Junge mochte vielleicht zehn oder zwölf Jahre alt sein, besaß silberne, kurze Haare und helle Augen. Auch sie waren eher bläulich. Das fast weiße Gesicht war noch eine Spur heller als bei Synnover, während die hohen Wangen ihm eine eigene Note verlieh. „Laerovor!“, hörte man eine dunkelgefärbte Stimme und sobald sich Syn umdrehte, würde er einen großgewachsenen Mann erkennen, der im Gegensatz zu Laero keine Rüstung, sondern ein fließendes Gewand trug. Es schien Seide zu sein und schmeichelte der schlanken Figur des Mannes. Jener sah aus, wie Syn selbst. Helle Haare, deutlich länger als Synnover’s, grünliche Augen und helle Haut. Sein Blick fiel auf den Ankömmling und Laero deutete auf ihn.
„Das ist Syn. Er wurde durch den Wind getragen, aber er scheint kein Hymlikor zu verstehen, daher sprich bitte in der allgemeinen Sprache.“, bat der Reiter und der Mann mit den grünen Augen nickte. „Verzeih, das wusste ich nicht!“, lächelte er Synnover an und reichte ihm die Hand zum Gruß. „Ich bin Gallanva, der Willkommens-Botschafter“, stellte er sich vor und lächelte noch immer. Er betrachtete Syn einige Momente eingehender. „Und du verstehst unsere Sprache Hymlikor nicht? Dabei siehst du aus, als wärst du einer von uns. Und der Wind… irrt sich niemals“, murmelte er nachdenklich. „Nun, das besprechen wir alles noch, wo sind meine Manieren? Jetzt komm erstmal richtig an. Können wir dir etwas zum Essen und zum Trinken anbieten, Syn?“, fragte er, öffnete seinen linken Arm zu einer einladenden Geste und deutete auf die breite Marmortreppe unweit ihres Landeplatzes. Das geflügelte Pferd war bereits vom Jungen in eine Art Stall gebracht worden. Ein Unterstand, der Schatten spendete, wenn die Sonne brannte und wo die Tiere etwas Futter und Wasser erhielten. Laerovor klopfte sich zweimal gegen die Brust und wackelte daraufhin in einer ausschweifenden Geste mit den Fingern. „Möge der Wind nie enden!“ und Gallanva drehte sich zu ihm und nickte: „Auf dass er uns immer trägt!“, neigte er den Kopf. Daraufhin machte sich Laero wieder auf den Weg und Gallanva übernahm nun. Gallanva aber führte Syn weiter und über die breite Marmortreppe hinauf durch das imposante Eingangstor und in die Stadt hinein.

Hier konnte Synnover sehen, dass die Menschen alle doch recht ähnlichen waren. Es gab beinahe keinen Zweifel mehr, ob er von hier stammte oder nicht. Der einzige, feine Unterschied blieb: Grüne Augen waren eher rar. Ansonsten hatten sie alle diese feine porzellan-Haut oder das helle Haar. Auch waren sie allesamt mehr als schön anzusehen. Nicht nur die Bauweise der Stadt, sondern auch die Menschen selbst war fein, wirkte zerbrechlich und wundervoll. Die Menschen, denen sie auf ihrem Weg begegneten, waren allesamt höflich, freundlich gar glücklich. Sie lächelten ihnen zu, begrüßten sie mit einem Nicken oder aber einem scheinbar allgemeingültigen Gruß ‚Der Wind ist mit dir‘. Es fiel auf, dass sich hier allesamt duzten und keiner eine förmliche Anrede benutzte. Gallanva führte Syn über eine kleine Brücke, die über einen kristallklaren Bachlauf gebaut worden war. Das Wasser floss tatsächlich durch die gesamte Stadt und glitzerte im Sonnenlicht, das hier deutlich wärmer anmutete, als noch am Strand oder gar auf dem Schiff. Hier war es… angenehm. Der Wind kühlte, während niemand frieren musste. Immer wieder gingen sie an einigen neuartigen Blumen vorbei, aber Syn entdeckte auch wieder grüne Gräser und Büsche, die das Reinweiß etwas aufbrachen. Nachdem sie die Brücke passiert hatten, führte Gallanva ihn auf ein Gebäude zu.
Sie waren nicht lange gelaufen, hatten nur eine kleine Ecke der Stadt selbst gesehen, aber es reichte, um einen gewissen Eindruck vermittelt zu bekommen. Nun klopfte Gallanva an eine Tür, wartete einige Sekunden und schon wurde geöffnet. „Vater!“, kam es überrascht und ein Mädchen blickte den Besuchern entgegen. Sie besaß strahlende, blaue Augen aus einem tiefen, dunklen Blau mit silbernen Sprenkeln, als hätte sie den Nachthimmel eingefangen. Ihre rosige Haut schimmerte leicht, während das silberne Haar fließen zu beiden Seiten ihres Halses über ihren schlanken Körper fiel. Sie war schön, wirklich schön, aber das waren sie hier ohnehin alle. Das Mädchen besaß aber einen Makel: Sie hatte Mehl auf ihrer Nasenspitze und an den Händen, sowie wurde das zartrosa Kleid, welches sie trug, von einer verklecksten Schürze geschützt. „Wir haben einen Gast und er versteht Hymlikor nicht, bitte Lariana, sprich die allgemeine Sprache“, forderte Gallanva sie auf und Lariana nickte verstehend. Sie schien nur ein paar Jahre jünger als Syn zu sein. „Aber sicher, kommt rein. Ich habe gerade gebacken.“ Sie machte ihnen Platz und deutete ins Innere der Wohnung.

Tatsächlich war hier drinnen alles ebenfalls aus Stein und trotzdem gemütlich eingerichtet. Sie befanden sich sogleich nach dem Eintreten in einer Wohnstube mit samt der Küche darin. An einer länglichen, steinernen Tafel hatten einige Gäste Platz und eine kleine Wendeltreppe führte noch in ein weiteres Stockwerk. Der Wohnbereich wirkte, als würde man hier regelmäßig Gäste empfangen, denn alles war für die mehrfach Bewirtung ausgerüstet. Es gab sogar einen Kamin, der ein wärmendes Feuer bereithielt und darüber eine würzig riechende Suppe oder ein Eintopf brutzelte. „Setzt euch, ich bringe gleich etwas zum Trinken“, sagte Lariana geschäftig und lächelte ihren Vater und auch Syn an. Jener durfte sich an den Tisch setzen und bekam sogleich eine goldgelbe Flüssigkeit hingestellt. Sollte er kosten, schmeckte es süßlich nach Honig und dem Met nicht unähnlich, allerdings war es nicht so schwer und alkoholisch, wie der Honigwein am Boden. „Ambrosia – der Nektar aus unserem eigenen Anbau von Honig!“, lächelte Lariana Syn an. Dann aber begann das Mädchen damit, ihm allerlei Süßpasteten, Brote, Butter, Fleisch und Fisch, so wie Suppe hinzustellen. Das Mädchen schien einen gar endlosen Fundus an Nahrung zu besitzen und all das wurde dem Neuankömmling bereitgestellt. Erst dann setzte sie sich ebenfalls an den Tisch und stützte ihr Gesicht auf den Handballen. „Und, Syn? Woher kommst du?“, fragte sie neugierig, während ihr Vater sich räusperte. „Nicht so stürmisch Lariana. Lass ihn erstmal Luftholen!“, beschwichtigte er seine Tochter, doch Lariana hörte kaum zu. Sie wirkte neugierig. „Du musst lange weggewesen sein von zu Hause. Du scheinst einiges mitgemacht zu haben, hm?“, fragte sie weiter und deutete auf sein Äußeres. „Wenn du willst, wasche ich dir die Sachen und ich bereite dir ein Bad“, „Lariana! Das gehört sich nicht“, warnte ihr Vater und wandte sich an Syn: „Nichts für ungut, du sollst ein Bad haben, keine Frage. Aber lass uns erstmal wissen, woher du kommst und… wie es dir ergangen ist!“, bat er und lächelte wieder.
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Re: Deutlich zu spät

Beitrag von Synnover » Donnerstag 9. Mai 2024, 12:01

Der Flug war Atem beraubend. Er ließ sich mit nichts vergleichen, was Synnover bisher auch nur ansatzweise in diese Richtung erlebt hatte. Dabei genügte damals schon die bloße Aussicht auf den weiten, blauen Himmel von den Wipfeln einiger Bäume aus, um sein Herz von Masken und Ketten zu befreien, die ihm seit seiner Kindheit auferlegt worden waren und hinter denen er sich verbarg, um die Erwartungen anderer zu erfüllen. Jetzt war es an der Zeit, auch seine eigenen Vorstellungen vom Leben geltend zu machen - selbst dann, wenn er sich nach wie vor nicht so recht welche machen konnte. Denn Syn hatte nie gelebt. Jetzt erhielt er erste Kostproben. Sie begannen mit Zarrah und ihrer unverblümten Art, ihn auf Augenhöhe zu betrachten und im Gegensatz zu allen anderen Bewohnern Morgerias nichts von ihm zu erwarten. Sie hatte ihn weder zu Tätigkeiten gezwungen, noch ihn verurteilt, wenn er hier und da erstmals probehalber aus dem Raster fiel. Im Gegenteil, sie hatte ihn unterstützt! So weit, dass sie ihn am Ende entgegen ihres eigenen Wunsches allein ziehen ließ. Syn würde sich nicht nur einmal noch an ihr versucht tapferes Gesicht erinnern, bevor er ihr endgültig den Rücken gekehrt hatte. Doch jetzt verblasste es angesichts der Eindrücke, die auf ihn einprasselten. Wie bereits erwähnt, hätte der Flug auf dem Rücken des Pferdes schon ausgereicht und war mit nichts zu vergleichen. Dann aber entdeckte er mit einem Blick an Laerovors breitem Rücken vorbei Hymlia. Sie schwebte wie eine lose Insel inmitten des Meeres aus Himmel. Auch Razag hätte das gefallen, doch er war nicht hier. Niemand war hier und so konnte Synnover die Aussicht ganz für sich allein genießen. Auch sie raubte ihm den Atem, ließ ihn sprachlos zurück. Er starrte über die Architektur hinweg, betrachtete das kristallklare, glitzernde Wasser, die wolkenartigen Laubbäume und all die verspielten Zierden, welche Hymlias Fassaden nur noch zauberhafter aussehen ließen. Es war wie ein Traum. Diese Stadt stellte den lieblich hellen Kontrast zu Morgeria dar und das zeigte sich auch in ihren Bewohnern. Synnover entdeckte nicht einen Dunkelelfen. Hier gab es ebenso wenig Orks oder Goblins und ... offenbar keine Sklaven. Die Menschen, die ihm in Optik und Schönheit glichen, dass er kaum noch auffiel, spazierten frei und ungezwungen durch die Straßen - ihre Straßen! Niemand legte sie hier in Ketten, obwohl sie allesamt Menschen waren. Sie waren frei. So frei wie er es nun sein würde.
Laerovor bemerkte das Staunen des Aufgesammelten und gönnte ihm mehr von der Aussicht. Er flog eine weitere Runde über der Stadt, ehe er auf einem großen, freien Platz Hymlias landete, dass die Hufe seines Flugtieres fast tonlos auf dem Grund aufsetzten. Der Hymlianer half Syn vom Rücken des Tieres und jener schaute sich weiträumig um. Sein inneres Kind ließ sich an die Oberfläche locken. Er hätte ja selbst nicht geglaubt, dass es noch lebte, aber nun zeigte es sich als Staunen und Strahlen in seinen Zügen. Es glitzerte im Lindgrün seiner Augen, färbte seine Wangen rosig vor Aufregung und ließ sein Haar noch silbriger schimmern als jemals zuvor.
Syn drehte sich einmal um sich selbst, damit er so viele Eindrücke von seiner Umgebung in sich aufnehmen konnte. Dass ihm dabei eher schwindlig wurde, erkannte er viel zu spät. Sacht fuhr er sich durch die Haare, um sein Gleichgewicht wiederzufinden. Er lächelte. Nein, er grinste! Hymlia war wunderschön. Der Heimgekehrte musterte den Jungen, welcher heran eilte, um das Pferd am Zügel fort zu bringen. Syn betrachtete ihn aufmerksam. Hab ich als Kind auch so ausgesehen? Könnte ... ich das sein, wäre ich nicht in Morgeria gelandet? Heruntergefallen, wie Zarrah meinte? Der Junge besaß blaue Augen, aber dennoch konnte Syn sich gut in seine Optik hineinversetzen. Er hatte sich als Kind niemals wahrgenommen, niemals gesehen. Im Clan der Reißer existierten keine Spiegel und selten war das Trinkwasser in seinem Napf klar genug, als dass er mehr als trübe Flecke seiner selbst hätte ausmachen können. Er erinnerte sich noch gut daran, sein jugendliches Äußeres zum ersten Mal in einem Spiegel im Haus der Nachtklingen ausgemacht zu haben. Yolintha hatte ihn verlacht, als er sich zuerst von seinem eigenen Anblick erschreckte und dann fasziniert musterte. Und er erinnerte sich daran, sich einen ganzen Raum aus Spiegel gewünscht zu haben. Yolintha hatte ihn zumindest ein ein Zimmer geführt, in dem mehrere dieser gläsernen Ebenbilder platziert worden waren. Im ersten Moment war ihm das Herz aufgegangen. Dann hatte die dralle Dunkelelfe einen großen Hammer ergriffen und alle Spiegel zerschlagen. Für Syn blieb die Erinnerung dennoch positiv. Er hatte sich in jedem der zertrümmerten Splitter sehen können und sich an jenem Tag mehr gefühlt, als durch Aktionen, die Yolintha ihm abverlangte.
Das Gefühl war bald vergessen. Begraben unter Neutralität, falschen Emotionen und Masken, die diese in die Öffentlichkeit trugen. Jetzt stand er mitten in Hymlia und es kam ihm so vor, als hätte er sein Spiegelzimmer erhalten. Jedes Gesicht, jeder andere grazile Körper, der an ihnen vorbei schlenderte, schenkte ihm einen Blick auf sich selbst. Sogar der etwas ältere Fremde, der sich Laerovor und ihm nun näherte, vermochte ihm diesen Eindruck zu schenken. Er war hochgewachsen und in luftige Stoffe gekleidet, wo Laerovor Rüstung und Syn das Leinen von Seefahrern trug. Hatte er eigentlich die beiden Kampffächer noch am Gürtel? Nach seinem üblichen Morgentraining pflegte er sie dort zu verstauen, nur um sie vor dem Schlafengehen irgendwo zusammen mit seiner Hose abzulegen, aber jene trug er gerade. Sie war noch immer feucht vom hereingebrochenen Sturm über die Silberpfeil. Das Ereignis schien jetzt bereits unglaublich lang her zu sein. Syn kam es vor, als hätte man ihn nicht nur aus seiner neuen, alten Welt gerissen, sondern auch aus der Zeit. Was ihn hier über den Wolken erwartete, war ein gänzlich anderes Leben. Etwas Neues, das er mit niemandem teilte und dennoch waren die ansässigen Bewohner bereit, ihn Willkommen zu heißen.
Laerovor stellte Synnover vor und der fremde Hymlianer erwiderte es. Er hieß Gallanva und war ein...
"Willkommens-Botschafter?" Syn hob eine Braue, wagte jedoch nicht, einen weiteren Kommentar abzugeben. Er konnte die Hymlianer noch nicht einschätzen und vielleicht würden sie ihn direkt wieder aus den Wolken stürzen, wenn er nachfragte, ob man denn einen Willkommensbotschafter so weit hier oben benötigte. Es sah schließlich nicht danach aus, als empfinge Hymlia regelmäßig Gäste. Nicht einmal, wenn Laero einen so ruhigen Eindruck bei Syn hinterlassen hatte.
"Und du verstehst unsere Sprache Hymlikor nicht? Dabei siehst du aus, als wärst du einer von uns. Und der Wind ... irrt sich niemals."
"Hymlikor...", wiederholte Syn nachdenklich. Dann schüttelte er den Kopf. "Ich kenne nur meinen Namen in dieser Sprache", behauptete er. So freundlich sich Laerovor und Gallanva auch gaben, würde das weiße Kaninchen nicht arglos alles über sich vor ihnen ausbreiten. Niemand brauchte wissen, dass er zum einen mehr als den Namen Synnover beherrschte, zum anderen auch der Luftmagie fähig war. Er mochte kein ausgebildeter Meister darin sein, aber das Überraschungsmoment läge gewiss auf seiner Seite, würde er in einer Notsituation möglichen Feinden die Luft abschnüren können.
"Nun, das besprechen wir alles noch, wo sind meine Manieren?" Damit erinnerte Gallanva auch das Kaninchen an etwas. Er hatte sich von Hymlia begeistern, geradezu überwältigen lassen. Zwar hielt er sich mit Informationen über sich selbst zurück, zeigte sich darüber hinaus aber gänzlich arglos. In Zarrahs Gesellschaft hatte er das tun können, aber sie war nicht hier. Niemand war hier und niemand garantierte ihm die Freiheit, die er glaubte, nun gewonnen zu haben. Er durfte sich nicht in zu viel Sicherheit wiegen und um seine Vorsicht zu kaschieren, griff er auf alte Methoden zurück. Dem Lächeln fehlte die Echtheit, als er auf Gallanvas Einladung zum Essen hin freundlich nickte. "Ich danke Euch für die Großzügigkeit", holte er auch seine erlernte Portion Manieren hervor. Dann begleitete er den Botschafter die Treppe empor und tiefer in die Stadt hinein. Laerovor ließen sie zurück. Syn schenkte ihm einen letzten Blick, ein verabschiedendes Nicken, aber kein Wort des Dankes. Er fand sich schnell wieder in seine alte Rolle hinein. So rückte auch das offene Staunen des jungen Mannes in den Hintergrund. Er schlenderte geradezu selbstbewusst hinter Gallanva her, grüßte Passanten mit einem Nicken und die Damen darüber hinaus mit einem Zwinkern oder besonderen Augenaufschlag. Dabei stach er nicht einmal mit seinen grünen Augen sonderlich aus den anderen Hymlianern heraus. Lediglich die Seefahrerkleidung blieb wohl noch auffällig ... ebenso wie der Geruch, der Syn anhaftete. Er hatte sich an Bord der Silberpfeil natürlich ebenso gewaschen wie alle anderen, aber eine Schale Wasser und Kernseife hielten gewisse Aromen eben nicht zurück. Sein Haar glänzte nicht so schön wie das der Männer und Frauen, die an ihm vorüber zogen. Seine Haut könnte ein paar der morgerianischen Pflegeprodukte vertragen und sein Körper sehnte sich nach einem heißen Bad mit parfümiertem Zusatz. "Eure Kleidung ist wahrlich extravagant, wenn ich das anmerken darf", schickte er ein Kompliment an Gallanva, das tatsächlich in gewisser Weise aufrichtig war. Denn Syn interessierte sich schnell für die hymlianische Mode. Sie wirkte so leicht wie sein Flug durch die Wolken und die gefärbte Seide vermochte es, Körperstellen auf eine derart fantasievolle Weise zu verdecken, dass sogar er sich im Geiste ausmalte, welche zarte Knospe sich unter dem dünnen Streifen Stoff verbarg. Hinzu kam der hymliansche Schmuck, der fast so glitzerte wie Syns Augen. Gewisse Dinge konnte nicht einmal eine Maske kaschieren. Er war hin und weg von den Dingen, mit denen Stadt und Einwohner sich ausstatteten. Und er wollte ebenso aussehen.

Nach einer Weile erreichten Gast und Botschafter dessen Haus, das sich an einer eher unscheinbaren Ecke der Stadt befand. Das hieß allerdings nichts. Selbst die hässlichste Hintergasse würde in Hymlia mit Sauberkeit und einer verspielten Art glänzen, so dass man sich dort gern niederließ. Gallanvas Heim wirkte lediglich etwas abgelegen und somit gut für Neuankömmlinge, damit sie nicht gleich von einer Vielzahl neugieriger Nachbarn erschlagen würden. Dennoch lebte der Hymlianer nicht allein hier, wie Syn schnell feststellen durfte. Ein Mädchen, vielleicht wenige Jahre jünger als Syn selbst, öffnete die Tür. Sofort fielen ihm ihre Augen auf, denn im Gegensatz zu den meisten Hymlianern, denen sie begegnet waren, wirkte ihr blau dunkel wie der Nachthimmel. Es schien beinahe schwarz, doch mit jedem Aufglitzern darin erkannte man den blauen Unterton. Winzige Sprenkel funkelten ihm darüber hinaus wie Sterne entgegen. Syn starrte sie offen an, bemerkte den Klecks Mehl auf ihrer Nase nicht einmal und hätte wohl noch perplex weitergestarrt, hätten Vater und Tochter nicht ins Celcianische gewechselt - ihm zuliebe!
"Wir haben einen Gast und er versteht Hymlikor nicht, bitte Lariana, sprich die allgemeine Sprache."
"Aber sicher, kommt herein. Ich habe gerade gebacken."

Syn wunderte es, dass Lariana dafür keinen Skalven beauftragte. Dann aber fiel ihm ein, dass er sich nicht in Morgeria befand. Hier in Hymlia machten wohl alle ihre Arbeiten selbst. Schweigend folgte er ins Haus und in dessen Wohnstube, die einen offenen Bereich bis in die Küche besaß. Gallanva und Syn ließen sich an einem großen Steintisch nieder, der einen zentralen Platz der Wohnstube einnahm. Es gab aber noch andere Bereiche, die ihrerseits nicht nur gewissen Charme versprühten, sondern darauf ausgelegt zu sein schienen, Gäste zu empfangen. Syn betrachtete sich alles genau, allein schon, weil auch die Eindrichtung Eindruck hinterließ. Alles wirkte so ... leicht. Sogar der Tisch, an dem er saß, machte nicht diesen schweren Eindruck von massivem Stein. Vielleicht, weil er so hell war und sich angenehm glatt anfühlte. Syn ertappte sich dabei, seine Oberfläche mit der flachen Hand abzutasten.
Dann kehrte Lariana aber auch schon zu ihnen zurück und servierte nicht nur eine Kleinigkeit zu trinken. Syn schluckte leer, während sie eine um die andere Platte mit kostbaren Speisen auftischte. Seine Augen wurden feucht vor Glück. Eine einzelne Träne entkam sogar, als er von dem Getränk kostete. An Bord der Silberpfeil hatte es zwar neben Wasser auch alkoholische Getränke oder Tee gegeben, doch nichts schmeckte so lieblich wie das hier. "Euer Met ist..." Ihm fiel kein Wort ein. Er trank noch einen Schluck und wischte sich in einem geeigneten Moment verstohlen die salzige Bahn von der Wange.
"Ambrosia - der Nektar aus unserem eigenen Anbau von Honig!"
"Ambrosia ... eine Lobpreisung an die Götter, an welche auch immer", murmelte Syn. Da er den kostbaren Nektar trinken durfte, erhob er sich in gewisser Weise gerade selbst zum Gott. Aber erfühlte sich auch so - göttlich. Lariana lächelte ihn an und er erwiderte es, auch wenn es seine Augen nicht erreichte. Syn kämpfte ein wenig mit sich selbst. Er war nach wie vor unentschlossen, ob er gegenüber den Hymlianern ebenso offen leben konnte wie in Zarrahs Gruppe. Er blieb vorsichtig, vor allem, weil gerade des Botschafters Tochter eine massive Neugier aufwies.
"Und, Syn? Woher kommst du?" Es ärgerte ihn beinahe, nun durch Fragen unterbrochen zu werden. Denn Syn hatte sich wie die übrigen auch bereits am Essen bedient. Lariana hatte ein Festmahl aufgetischt, bei dem er gar nicht wusste, wo er zugreifen sollte, ohne einen verfressen unhöflichen Eindruck zu hinterlassen. Er hielt sich stark im Zaum, hätte er sich doch am liebsten durch die gesamte Platte gepflügt. Langsam senkte er das Besteck, griff nach einem kleinen Taschentuch und tupfte sich die Lippen sauber. Das gab Lariana Gelegenheit, weiter zu plappern, aber auch ihrem Vater missfiel dieser ungeniert offene Tonfall.
"Du musst lange weggewesen sein von zu Hause. Du scheinst einiges mitgemacht zu haben, hm? Wenn du willst, wasche ich dir die Sachen und ich bereite dir ein Bad."
"Lariana! Das gehört sich nicht!"
Gallanva versuchte zu beschwichtigen: "Nichts für ungut, du sollst ein Bad haben, keine Frage. Aber lass uns erstmal wissen, woher du kommst und ... wie es dir ergangen ist!"
Jetzt erhielt Syn Gelegenheit, auf beide einzugehen. Er faltete das Taschentuch wieder zusammen, klemmte es unter seinem Teller fest und nickte dem Botschafter zu. Ein Hinweis, dass er gleich antworten würde. Zunächst wandte er sich aber an dessen Tochter. Syn streckte sich ihr etwas entgegen, griff nach vorn und wischte mit dem Daumen den Mehlfleck von ihrer Nase. Sie hatte sich so sehr in die Arbeit gestürzt, eine Mahlzeit höchsten Ausmaßes zu kredenzen, dass das Mehl nach wie vor auf ihrer Nasenspitze haften geblieben war. Syn spielte es mit einem charmanten Lächeln herunter und zwinkerte erneut, ganz nach dem Motto, dass er ihr diesen Fauxpas eher als lieblich zuschrieb. "Das angebotene Bad möchte ich gern annehmen. Es klingt traumhaft, vor allem, wenn jemand wie Ihr es mir vorbereiten würdet, Lariana." Er schenkte ihr einen längeren Blick als nötig gewesen wäre und richtete sich bereits mental darauf ein, sie vor Vollendung ihrer Aufgabe aufzusuchen. Gewiss gefiel es ihr, wenn sie ihm dabei zusehen könnte, wie er sich auszog. Syn dachte nun einmal noch immer in morgerianischen Bahnen und ohne Zarrah oder Freunde wie Razag und Crystin an seiner Seite wieder stärker als seit einer ganzen Weile.
"Ich komme nicht von hier ... glaube ich", wandte er sich im Anschluss an Gallanva, denn auch ihm war er nun eine Antwort schuldig. Sein Blick löste sich von der Tochter, wanderte zum Vater herüber. Er schaute ihn gar ernst an, wenn auch etwas distanziert. So schön Hymlia war, so sah er trotz der Worte der Dunkelelfe noch immer nicht seine Heimat hierin. Es war zu ... traumhaft, um wahr zu sein. "Man sagte mir jüngst, ich müsse aus dem Himmel gefallen sein, weil ... ich Hymlianer sein soll." Er hob die Schultern an. "Aber ich stamme aus Morgeria. Ich war eben einfach dort. Schon ... immer. Einen Ort wie diesen würde man wohl kaum vergessen, aber ich kenne ihn nicht. Ich ... erinnere mich nicht, je hier gewesen zu sein."
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