Wölfe im Schafspelz

Das Grenzdorf, geschützt durch seinen Wall und die Spähtürme, steht an der Grenze zu Grandessa. Die Soldaten nächtigen in Gaststätten oder bei freundlichen Familien, die einen Platz frei haben.
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Caleb
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Re: Wölfe im Schafspelz

Beitrag von Caleb » Samstag 19. Juli 2014, 15:51

Stundenlang hatte Caleb Zeit gehabt, sich die Farce für den Hauptmann auszudenken. Zu überlegen, welche Mimik, Gestik und welcher Tonfall es am glaubwürdigsten erscheinen lassen würden. Nun, da sein Plan ausgeführt und zudem erfolgreich gewesen war, wurde ihm schnell und merklich bewusst, dass er über das danach weniger, eigentlich gar nicht nachgedacht hatte. Der Katzenjunge war trotz seiner animalischen Erscheinung nicht wirklich gut im improvisieren. Er hatte seine Reflexe, ja, aber was er sagte und tat folgte oft einem überlangen Prozess an Denkvorgängen. Und wenn er dann einmal ohne groß zu überlegen handelte, macht er Fehler.
Einem echten Spion wäre das nicht passiert. Caleb jedoch war ein Küchenjunge; und er selbst war der letzte, der diese Tatsache je vergessen würde.
Im Kopf ging er noch einmal durch, was er sich zu merken hatte. Der Prinz war nun Vince Grande, ein einfacher Soldat, vor dem er nicht den Kopf senken durfte, dessen Befehl er nicht zu befolgen hatte. Er musste sein ganze Leben vergessen lernen, um sich diesem Umstand zu stellen.
Theben war nun Nebenth, ebenfalls Soldat der 8. Kompanie. Jedes Mal wenn Caleb an ihn dachte, spielte sein Kopf mit der Frage, wie viele Jorsaner er wohl töten würde, bevor man ihn schnappte. Wenn die Zahl hoch genug ausfiel, war es dem Hitzkopf das Risiko vielleicht sogar wert. Hoffentlich hielten Rist und Vincent ihn fern von den anderen Soldaten.
Und Rist war nun Richard Rost. Ein Mann, den Caleb erst auf dem Weg nach Jersa zum ersten Mal getroffen haben sollte. All die netten Berührungen und Gesten musste er hinter sich lassen, so tun als wären sie sich fremd. Wenn sie sich wieder sahen, würde er ihn nicht anlächeln dürfen.
Caleb mochte das alles nicht.
Gerade jetzt musste Hektor ihm sagen, dass er weniger nachdenken sollte. Die Ironie hätte Caleb beinahe ein Lächeln abverlangt, aber er wurde gerade von seinem Hauptmann geschult, also schluckte er es hinunter. Es war ein bittersüßer Geschmack.
Sein neuer Lehrer hatte eine Menge zu kritisieren, aber das war Caleb gewohnt. Immerhin hatte er praktisch kein Training gehabt. Allerdings hätte er wohl wirklich schneller in die Grundhaltung fallen können. Es war logisch, dass sie nicht so geschult wie bei Theben aussehen würde, aber das klare Bild des anzustrebenden Standards vor sich zu sehen machte Caleb unzufrieden, wenn er ihm nicht gerecht wurde. Er schalt sich selbst, den Rat von Hektor anzunehmen und weniger auf die Perfektion zu achten. So wie es jetzt stand würde er eh sterben bevor er sie erreichen konnte.
Als Hektor nach dem Schwanz und den Ohren fragte, musste er dann doch schmunzeln. Darüber hatte er nie nachgedacht. Er hatte sie schon so lange, sie waren Bestandteil seines Körpers, er betrachtete sie nicht als Fremdkörper, so wie sie für Außenstehende an einem Menschen vielleicht aussahen. Ihm war nicht bewusst, wie er da auf Probleme stoßen sollte. Antworten tat er jedoch:
"Ich hab sie ja erst seit kurzem, also fühlt es sich ungewohnt an, aber ich versuchte es zu ignorieren."
Hektor musste die Lüge heraus gehört haben, selbst wenn er bereits wusste, dass Caleb schon lange so war. Der Katzenjunge jedoch musste sich an das Lügen weiter gewöhnen. Er hatte schon auf den wenigen Metern zum Übungsplatz so viele Fehler begangen, die sich kaum weiterhin leisten konnte.
Der Pfiff dagegen ließ Caleb zusammenfahren. Es war einer von diesen Lauten, die Leute taten wenn sie ihren Daumen und Zeigefinger zum Kreis geformt in den Mund nahmen. Caleb hatte diesen schrillen Ton schon immer gehasst. Er dröhnte in seinen empfindlichen Ohren und diese legten sich nah an den Kopf an, in einem Versuch vor dem Ton zu flüchten.
Der fremde Soldat kam zu ihnen herüber und Caleb erstarrte beinahe vollständig. Er hatte nicht erwartet, so früh wieder auf die Probe gestellt zu werden. Amon Schneider war sein Name. Nicht Caleb, nicht Diener des Prinzen von Grandessa. Er spürte, wie ihn die Nervosität ergriff. Er würde sich schnell etwas ausdenken müssen. Aber was würde der Soldat ihn fragen? Wer ihn bisher gelehrt hatte? Caleb kannte keine Lehrmeister in Jersa. Vielleicht sollte er wirklich sagen, dass er keine Erfahrung hatte. Sicher kannte ein Soldat nicht die Lehrmeister für Feldärzte, als dessen Lehrling er sich wohl ausgeben sollte.
Sein Kopf raste. Er merkte nicht einmal, wie er gemustert wurde und salutierte eher steif zurück. War er als Knappe im Rang unter oder über einem Fußsoldaten? War der Mann vor ihm überhaupt Fußsoldat? Woran erkannte er das? Vielleicht war er auch Kavallerie oder ebenfalls ein Knappe!?
"Alles klar.", antwortete er nur und folgte dem Fremden in das Rund.
'Wie auf dem Präsentierteller.', dachte er sich.
Und da, als er hinter dem Soldaten her lief, die Dolche noch in der Hand, kam ihn der merkwürdigste Gedanke. Etwas, dass ihm mit den Holzwaffen oder der Strohpuppe nie aufgefallen wäre.
Wenn er nur ein wenig schneller ging, um aufzuholen, konnte er ihm mit voller Wucht seinen Dolch in den Nacken rammen. Dann wäre er tot. Einfach so. Caleb war ein paar Schritte davon entfernt einem Menschen das Leben wegzunehmen. Wenn der Soldat sich erst einmal umgedreht und seine Grundhaltung eingenommen hatte, wäre der Moment vorbei. Doch genau hier, genau jetzt. Wenn er nur ein bisschen schneller ging.
Die Dolche in seiner Hand kribbelten.
'Du musst weniger denken und mehr handeln.'
So hatte Hektor das sicher nicht gemeint; und doch. Weil er gehandelt hatte, waren sie alle unentdeckt mit der Lüge um die 8. Kompanie ins feindliche Lager gelangt. Es war eben solch ein Impuls gewesen. Genauso, wie er Hektor zur Prinzessin gebracht hatte, als sie in ihrem Schmerzenswahn Gefahr gelaufen war, sich gegen ihre Behandlung zu wehren.
ER hatte diese Dinge getan und etwas verändert. Wenn er doch jetzt nur drei flotte Schritte machen würde, könnte er wieder etwas verändern.
Natürlich würde er es nicht tun. Es sprach zu viel dagegen. Aber irgendwo in Caleb gab es diesen kindlichen Ehrgeiz danach Veränderungen in seiner Umwelt zu bewirken und die Erkenntnis, dass er tatsächlich die Macht dazu hatte, war auf die eine Weise beflügelnd und auf eine andere, viel schlimmere Art beängstigend.
"Wenn ich dich treffe, musst du hundert Liegestütze machen.", forderte er. Caleb versuchte nicht anzugeben. Wenn er, als kompletter Anfänger, den geübteren Soldaten traf, hatte dieser die Hundert verdient; und außerdem stand dem Diener der Sinn plötzlich nach einem Spaß. Wenn er schon nicht den Todesstoß vollzogen hatte, würde er anders sein Zeichen setzen.
Es war ein Ansporn und so viel er ohne weiter nachzudenken in seine Grundhaltung.

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Re: Wölfe im Schafspelz

Beitrag von Soldat/in » Montag 11. August 2014, 13:04

Caleb ereilte nicht nur die Erkenntnis, dass er sich auf das Späterhinaus keinen Plan zurecht gelegt hatte. Er würde auch bald erkennen müssen, dass man die Zukunft nicht bis in alle Einzelheiten planen konnte. Es gab zu viel Ungewisses und es spielten zu viele Faktoren eine Rolle, die eine erwartete Zukunft so schnell verändern konnten. Allein eine winzige Geste, der Schlag von Schmetterlingsflügeln, vermochte zur falschen Zeit Unvorhergesehenes heraufzubeschwören. Sein persönliches Problem war, dass er zu viel nachdachte. Das teilte ihm auch Hector mit, denn der wollte im Training keinen jungen Kämpfer vor einer Strohpuppe stehen sehen. Er wollte sich dessen Kampfstil anschauen. Ihn interessiert vor allem, wie Caleb mit dem Umstand zurecht kam, dass seine Ohren nicht seitlich am Kopf lagen, sondern wie bei Katzenohren nun einmal üblich, aus dem Schopf heraus ragten. Dann noch der Schwanz. Der Hauptmann beobachtete jedes Zucken durch den verlängerten Steiß. Schließlich schüttelte er den Kopf.
"Ignorieren ist nicht das Richtige. Beides ist ein Teil von dir ... nutze sie." Dann schmälerten sich die Augen und erstmals seit langem nahmen Hectors Züge etwas wahrhaft Nachdenkliches an. "Kannst du Dinge mit deinem Schweif greifen?" Worüber er wohl nachdachte. Ganz klar: Er fragte sich, ob man Caleb einen versteckten Dolch an den Schwanz geben könnte. Er wäre in jedem Kampf klar im Vorteil, wenn er die Arme beiseite riss und herum wirbelte um mit dieser zusätzlichen Klinge möglicherweise sogar den entscheidenden Streich zu landen. Doch solange der Hybrid nicht richtig mit den beiden Krummdolchen in seinen Händen umgehen konnte, waren die Überlegungen in die Ferne zu rücken.

Auch Caleb dachte im Moment nicht daran, seinen eigenen Kampfstil in Kombination mit seinem Katzenschwanz zu entwickeln. Seine Gedanken rasten um deutlich ernstere Themen, vor allem, als der fremde Soldat vor ihm einher ging. Er war arglos. Selbst beim Anblick der katzenhaften Züge, der hellen Haut und der roten Augen zeigte sich der nicht minder ältere Mann sicher. Er rechnete nicht mit einem Angriff von hinten. Er glaubte nicht an ein Attentat, begangen mit zwei Krummdolchen ... mitten in den eigenen Reihen. Caleb war er, der diese Pläne schmiedete. Es wäre so leicht. Er musste nur etwas schneller gehen, vielleicht im Sprung die Klingen strecken. Den Nacken zu treffen war keine schwere Aufgabe.
"Du denkst zu viel!", rief ihm Hector von seinem Platz am Zaun wieder zur. Er hatte das Grübeln des Burschen bemerkt, ohne ihn direkt aus der Nähe sehen zu müssen. Es gab so viele Anzeichen dafür. Leichte Abwesenheit, die wenigen Worte, die er für den Fremden übrig hatte, die Art und Weise wie er sich bewegte. Ein mechanischer Gang. Er ließ seinen Körper machen, damit sein Geist Gelegenheit für komplexe Gedankengänge besaß. Hector erinnerte ihn daran, dass er zu viel nachdachte und doch hatte isch Caleb nur das Attentat selbst vorgestellt. Über Konsequenzen hatte er nicht einmal nachgedacht. Vielleicht hätte er den Trainingspartner schnell und zielsicher umbringen können, aber dann ...? Er befand sich im Grenzdorf Jersa, mitten unter Feinden. Unter vielen Feinden, die allesamt schnell mit ihm kurzen Prozess machen könnten und vermutlich auch würden, wenn aufflog, was er zum Glück nun doch nicht in die Tat umsetzte.

Der Soldat wandte sich um. Sie hatten das Kampfrund erreicht. Der Mann lächelte nicht, aber es blitzte in seinen Augen auf. Er mochte nur wenig älter als Caleb sein, vielleicht in etwa so alt wie Vincent. Er besaß eine Narbe am Kinn, was darauf hindeutete, dass auch er mindestens einen Kampf schon einmal verloren haben musste. Die Form erinnerte nämlich mehr an einen abgerutschten Klingenstreich als an einen Unfall, der durch einen Sturz verursacht worden war. Ein helles Augenpaar traf den Katzenhybriden. "Einverstanden. Wenn ich dich treffe ...", er grinste noch breiter, "räumst du den Kampfplatz nachher auf. Kannst mich übrigens Magnus nennen. Magnus Pfeiffer."
"An die Arbeit, Pfeiffer!"
, rief Hector, dem das Plaudern nicht entgangen war. So nickte der Soldat und ging in seine Grundstellung. Er hatte sich mit Schwert und Schild bewaffnet. Zwar handelte es sich nur um ein Kurzschwert, aber Caleb würde einige Distanz überbrücken müssen, um überhaupt an Magnus heran zu kommen. Und der Soldat ging ziemlich routiniert in eine Grundstellung, die sich auch noch etwas von jener der Grandessaner unterschied. Auch er stellte die Beine etwas versetzt auf, doch hob er den Schild an und spähte wie lauernd dahinter hervor. Der gesamte Brustbereich wurde vom Holz verdeckt. Caleb konnte nicht einmal sehen, wo sich das Schwert befand, denn Magnus streckte es in gerader Linie hinter sich aus. Er brauchte nur Schwung holen, um es entweder als schneidende Sense von unten an Calebs Beinen entlang zu ziehen oder wie einen drohenden Angriff von oben kommen zu lassen.
"Na, komm schon! Greif an!", lockte der Soldat. Er befand sich also zunächst in der Defensive.
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Re: Wölfe im Schafspelz

Beitrag von Caleb » Sonntag 17. August 2014, 22:55

So direkt hatte Caleb noch nie über einen eigenen Kampfstil nachgedacht. Natürlich hatte er einen Hintergedanken verfolgt, als er sich für den Gebrauch der Krummdolche entschieden hatte, aber er hatte nie in Erwägung gezogen sich in diese Sache weiter hineinzusteigern. Der kleine Katzenjunge wollte nicht kämpfen. Deshalb hatte er Waffen genommen, mit denen er leicht die Angriffe des Gegners ablenken konnte. Die seine schlanke, flinke Art unterstrichen und die er schnell beiseitelegen oder sogar zum Kleidung entfernen gebrauchen konnte um Verletzungen effizient behandeln zu können.
Außerdem war er an Küchenmesser gewöhnt. Schien klug, etwas zu wählen, das ihm vertraut vorkam.
Was es sonst gab, um ihm im Kampf einen Vorteil zu verschaffen, darüber hatte er nun wirklich noch nie nachgedacht. Er hatte keine nennenswerten Fertigkeiten...oder?
"Nein, dafür ist der Schweif nicht kräftig genug. Eigentlich können nur gewisse Affenarten aus dem Urwald Kapayu so etwas.", antwortete er Hektor auf seine Frage.
Und doch hatte ihn sein Mentor damit zum nachdenken angeregt. Er konnte vielleicht nichts greifen, aber man könnte trotzdem eine Klinge an seinem Schweif befestigen, die er im Schwung einer schneller Drehung als Waffe einsetzen könnte. Ob er allerdings die Kraft hätte, so etwas gezielt einzusetzen und auch zu stoppen, falls es verfehlen und stattdessen auf ihn selbst zukommen sollte, wollte der Diener nicht so gern ausprobieren.
Aber der Schweif war auch anderweitig nützlich. Er verschaffte dem Kleinen einen Sinn für Balance, der den gewöhnlicher Menschen übertraf. Außerdem meinte Caleb, dass er damit wesentlich wendiger war, wenn es darum ging um Ecken zu rennen oder schnell die Richtung zu wechseln. Das könnte tatsächlich ein Vorteil sein.
Nach den überraschenden Mordgedanken kam das kalte Kalkül.
Er sollte nicht so viel nachdenken. Er sollte handeln. Schön und gut, aber wenn Caleb so darüber nachdachte - was er eigentlich nicht sollte - war überlegen und grübeln eines der weniger Sachen, die er meinte, wirklich gut zu können. Caleb besaß keine antrainierten Reflexe und erprobte Kampfmanöver. Er musste sich zuerst einen Plan zurecht legen und ihn dann versuchen auszuführen, erst dann konnte er aufhören zu denken.
Jetzt musste er erst einmal ein wenig Zeit schinden.
"Selbst was verlangen obwohl man klar im Vorteil ist? Wie dreist, Magnus.", feixte er, während er sich in seine nun etwas schlampigere Grundhaltung fallen ließ. Der Junge hatte keine Zeit, sich nun um die Feinheiten zu kümmern. Sein Gegner benutzte Schild und Schwert, welches zumindest nicht ganz so lang war. Trotzdem ärgerte Caleb die defensive Haltung. Er war kein Angreifer, jemand, der sich durch eine Verteidigung durchschlagen konnte. So etwas wollte er auch gar nicht lernen. Er wollte überleben lernen. Doch dann kribbelten ihm wieder die Finger.
Er würde es mit einer Finte probieren. Zwar hatte er keine Ahnung, wie man so etwas anstellte, aber es war die einzige Möglichkeit, die ihm einfiel. Es war unnütz zu versuchen, auf das Schild einzuschlagen, es war das versteckte Schwert, um das er sich Sorgen machen musste. Mit seinen Krummdolchen musste er den Gegner dazu verleiten, ihn anzugreifen. Nur so würde sich ihm eine Lücke eröffnen, durch die er einen echten Angriff würde starten können.
Nicht, dass er auch nur die blasseste Chance sah, dass ihm so etwas gelänge.
Dennoch sprintete er plötzlich vorwärts. Er hatte einen energischen ersten Schritt, eine unwahrscheinlich schnelle Beschleunigung. Das waren seine erste Stärke: Schnelligkeit.
Die Dolche vor sich eher defensiv gehalten, steuerte er nicht direkt auf Magnus zu, sondern eher in einer Art Tangente links an ihm vorbei. Mit seinem Dolch würde er das Schild des Soldaten kaum anhauchen, aber er versuchte es wie einen ernsten Angriff aussehen zu lassen, indem er weit ausholte und etwas Kraft in den Schwung hineinlegte, obwohl er ihn eher daneben zielte.
Er wollte hinter Magnus gelangen, denn das war seine zweite Stärke: Wenigkeit.
War er einmal an ihm vorbei, würde er sich so schnell es ging herumdrehen. Sein Schweif flog einen weiten Bogen und half ihm, selbst in so einem waghalsigen Manöver die Kontrolle zu behalten. Jetzt galt es, Magnus in den Rücken zu fallen, doch er würde keinesfalls frontal angreifen, nein. Dafür war er sich nicht sicher genug. Wusste nicht, wie schnell sein Gegner reagieren würde.
Stattdessen würde er dasselbe wieder tun. Erneut links vorbei, doch dichter, vielleicht ein wenig mehr Kraft, mehr auf den Körper zielen, und dann das selbe Spiel aufs Neue beginnen, bis - hoffentlich - Magnus nicht mehr in der Lage sein würde, hinterher zu kommen.

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Re: Wölfe im Schafspelz

Beitrag von Soldat/in » Sonntag 14. September 2014, 04:07

Das Training mit Magnus unter Hector Chivalls Aufsicht würde ihn nicht nur mehr lehren. Es machte Caleb auch eines sehr deutlich: Es ging hier wenig um das, was er wollte oder für sich vorgenommen hatte. Obgleich er schon längst mehr über sein eigenes Leben bestimmen konnte als noch als einfacher Küchenjunge und Diener des Prinzen von Grandessa, so wurde ihm nun wohl bewusst, dass der Krieg die Zukunft aller überschattete. Junge Burschen, die sich ein Leben als einfacher Bauer vorstellten, mussten die Kornsense mit einem Schwert tauschen. Mädchen wurden früh verheiratet, um durch eine rasche Schwangerschaft die Reihen der Soldaten aufzustocken. Natürlich vergab man sie an betuchte, ältere Männer. Solche, die nicht mehr kämpfen, aber noch Nachwuchs zeugen konnten, denn die jungen Männer befanden sich längst auf dem Schlachtfeld. Und wenn sie doch vor einem solch erzwungenen Schicksal bewahrt wurden, konnte der Feind ihnen jederzeit einen Strich durch die Rechnung machen. Entweder fiel er ins Land und über ihr Gehöft ein oder sie mussten Abgaben an das eigene Königreich machen, um die Mägen derer zu füllen, die an der Front die Heimat verteidigten. Leider waren diese Abgaben oftmals so hoch, dass ein Bauer den Gürtel für sich als auch die Familie mehr als eng schnallen musste. Der Krieg war einziger Gewinner in diesem perfiden Spiel und das Schicksal der Menschen lag in seinen zerstörerischen Händen. Ob Grandessaner oder Jorsaner, sie alle zählten als Opfer einer Sache, von der nicht einmal mehr die Könige wussten, weshalb man ihr nachging. Wofür kämpften sie? Warum war es zum Krieg gekommen? Wie lang ging er schon? Schon immer, würden selbst die Ältesten beider Reiche sagen. Und niemand erhob sich, um etwas daran zu ändern...

Vielleicht musste hierzu erst jemand kommen, der gar unter den seinen nicht vollends akzeptiert wurde. Jemand, der anders war. Jemand, der ursprünglich nicht kämpfen wollte.
"Junge!", riss Hector ihn erneut aus seinen Überlegungen. Ha! Er grübelte schon wieder, nämlich, wie er Zeit schinden konnte, um nachzudenken. Der Soldat hatte es bemerkt. Welch wachsamer Mann! "Du musst hier niemanden mit deinen mangelnden Fähigkeiten beeindrucken. Zeig einfach, was du kannst. Mach schon!" Möglicherweise wurde Caleb nun der Grund für Hectors Forderungen klar. Der Jorsaner wollte sich seine Kampftechniken offenbar nicht anschauen, um vom grandessanischen Stil etwas abzugucken. Er wollte wirklich sehen, was Caleb beherrschte. Nur so konnte er herausfinden, was ihm fehlte und was er ihm überhaupt beibringen müsste. Es war lächerlich zu glauben, dass ein Mann seines Formats nicht schon längst genug Informationen über die kämpferischen Methoden seiner Feinde gesammelt hatte. Und das wohl mit Erfolg, immerhin lebte er noch.
Wie lange Caleb gegen Magnus "überleben" würde, musste sich erst noch zeigen. Der andere erwartete ihn, verbarg sich und seine Klinge nach wie vor hinter dem Schild. So gehorchte der Hybrid endlich, sprintete los. Magnus' Augen verengten sich kaum merklich. Auch er war bereit für das Training. Die Pupillen huschten umher. Caleb war schnell, das erkannte selbst der junge Soldat. Dazu brauchte es auch nicht viel. Die Kunst in der Erkenntnis lag nun, sie für sich zu nutzen und die beste Verteidigungstechnik anzuwenden. Wie kämpfte man gegen einen schnellen Gegner?
Magnus war ein noch junger Soldat. Er mochte mehr Training hinter sich haben als Caleb und sicherlich hatte er es auch schon mit Finten zu tun bekommen, aber was ihm fehlte, war die Erfahrung, seinen Schild nicht zu heben, wenn es nur ein Dolch war, der darauf treffen würde. Eine solche Klinge konnte keinem Schild wirklich gefährlich werden. Daran dachte Pfeiffer nicht, riss seine Verteidigung hoch, um den angetäuschten Angriff zu blocken.
Auch wenn Calebs Klinge den Schild nur knapp streifte, so spürte er doch den kraftvollen Schwung gen Himmel im gesamten Arm. Sein Handgelenk verdrehte sich etwas, als der Arm von der Wucht zurückgeschleudert wurde. Ob er in diesem Moment daran dachte, die Waffe fester zu halten, damit sie ihm nicht entglitt? Sein Schweif verhalf ihm, das Gleichgewicht zu halten. Einen anderen Ungeübten hätte es jetzt möglicherweise schon ins Straucheln gebracht. Caleb jedoch konnte in einer Halbdrehung am Schild vorbei huschen, um seinen eigentlichen Angriff zu starten.
Das Erste, was ihm jedoch hinter dem schützenden Rund begegnete, war Magnus' Schwertarm. Er riss ihn mit Schwung vor. Auch hier war die Unerfahrenheit des Soldaten noch deutlich zu erkennen, denn während er den Bogen mit dem Kurzschwert vollzog, hatte Caleb genug Zeit zu agieren. Er konnte dem Gegenangriff ausweichen. Magnus wirbelte mitsamt des Hybriden herum. Nun behinderte ihn sein Schild, denn er bekam ihn nicht mehr zwischen sich und Caleb, wo der Katzenjunge seine Taktik stets fort führte. Die beiden wagten einen engen Tanz, bei dem es immer und immer wieder Pirouetten regnete. Sie drehten sich im Kreis. Magnus' Kettenstiefel wirbelten Staub auf.
Da er mit dem Schild nicht dicht genug an Caleb heran kam, versuchte er ihn mit dem Schwertknauf gegen die Brust und von sich wegzudrängen. Ein Manöver, das durchaus gelingen könnte. Nun war die Frage, ob sich Caleb dagegen stämmte, seine Klingen doch noch einsetzte oder erneut versuchte, geschickt auszuweichen.
Hector Chivall unterbrach die beiden Streiter nicht, auch wenn sie derzeit ein menschlich-kätzisches Knäuel bildeten. Er beobachtete beide aufmerksam, notierte sich im Geiste, welche Ratschläge er sowohl für seinen Knappen als auch für den jungen Pfeiffer parat haben würde, sobald einer von beiden im Sand lag.
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