Unter Soldaten

Man könnte es mehr Militärstützpunkt nennen als Dorf. Denn hier stehen zwei große Spähtürme, sowie kleine Baracken für Soldaten des Landes. Hier handelt es sich um die Grenze zum Reich Jorsan, welches nicht gerade positiv gesinnt ist.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Sonntag 29. April 2012, 14:54

Kaum hatten die Spähtürme Alarm geschlagen, senkte Vincent Schwert und Schild. Beinahe hätte Rist seinen sturmhaften Wuchtangriff nicht mehr stoppen können. Dann wäre der Prinz garantiert einen Kopf kürzer gewesen, aber der Hüne besaß glücklichweise eine gute Körperbeherrschung, so dass er sich bremsen und den Angriff ablenken konnte. Der Schwung seiner Waffe ging ins Leere, aber der Prinz war unverletzt. Sein Blick glitt zu den Türmen herauf, schnell folgte aber auch sein Körper. Mitsamt Schwert und Schild näherte er sich einer Leiter, die zu den Wehrgängen der Palisade hinauf führte. In seiner Rüstung würde er die Sprossen allerdings nur schwer erklimmen können. Das sah zum Glück auch einer der Späher. Sofort verließ er seinen Posten. Der Alarm war schließlich bereits geschlagen worden, so dass es genug andere gab, die ihren Blick derzeit auf das südliche Land richteten.
Der Späher kam mit geschickten, schnellen Bewegungen von seinem Turm. Er tauschte einen Salut mit seinem Prinzen und sprach kurz mit ihm. Caleb und Theben waren zu weit weg, um den Worten lauschen zu können. Nicht einmal wenn sich Calebs Ohren in die richtige Richtung gedreht hätten, wären die geraunten Worte zu ihm durchgedrungen. Dafür hörte er umso deutlicher den Befehl seines Prinzen. "PFERD!" Er marschierte los, an Rist vorbei, der ihm wie ein zweiter, wesentlich größerer Schatten folgte. Sein Gang führte zielstrebig zu Theben und Caleb. Die Miene des Prinzen war ernst, aber in seinen Augen funkelte auch entschlossene Vorfreude, es dem heran nahenden Pack zu zeigen. Theben legte eine Hand auf Calebs Schulter. "Übungsdolche weg. Hol dir richtige und dann lauf zum Lazarett, um dich mit dem Nötigsten einzudecken. Du musst schneller wieder hier sein als Vinces Pferd. Na los!" Sein Gesichtsausdruck hatte eine ähnlich grimmige Härte angenommen wie sie Rist stets an den Tag legte. Auch der Hüne strahlte nicht bis über beide Ohren, jedoch hatte sich seine Mimik zum Allgemeinen hin kaum verändert. Trotzdem besaßen sie alle nun eine Spur mehr Ernsthaftigkeit und das war auch kein Wunder. Jetzt näherte sich der Feind.

In der Ferne rüstete jemand gerade Vincents Pferd aus. Wo steckte eigentlich Calebs guter Felix? Vermutlich in den Ställen, wie alle anderen Pferde, gut und sicher untergebracht, aber weder gesattelt, noch gerüstet. Umso schneller war man im Lazarett. Der Medicus kannte diese plötzlichen Angriffe bereits und hielt daher immer ein bis zwei Medicus-Taschen bereit, in denen ein Satz aus Verbänden, Blut stillenden Kräutern und wenigen Medikamenten, sowie einem Skalpell und einer Schere bereit lag. So brauchte er nur noch seine Helfer losschicken, die Sanitäter und Feldärzte damit auszustatten. Offenbar hatte man Derenja bereits Calebs Zukunftspläne mitgeteilt. Sie kam mit einer dieser schwarzen, großen Taschen daher gelaufen, hielt direkt auf ihn zu. "Katzenjunge!", rief sie ihm aufgeregt zu und winkte noch im Laufen. "Hier, die Tasche soll ich dir geben. Nimm schnell! Die Jorsaner kommen!" Sie wirkte etwas nervös, vielleicht war sie auch noch nicht allzu lange hier. Das Dorf selbst zeigte sich zwar hektisch, besaß aber gewisse routinierte Bewegungen. Lediglich Frauen und Kinder zeigten offen ihre Angst. Die Männer verhielten sich so ruhig und tapfer wie möglich, schickten ihre Familien in die Häuser. Plötzlich waren nur noch Soldaten auf den Wegen, überall sah man Gerüstete und Bewaffnete.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Sonntag 29. April 2012, 17:55

Unfähig, den Blick vom Prinzen abzuwenden, der sich schon selbstverständlich in diesem Getümmel zurechtfand, stand Caleb wie angewurzelt auf dem Trainingsplatz. Die übrigen Soldaten hatten bereits direkte Befehle von ihrem Hauptmann erhalten, brachten Trainingsausrüstung und andere Utensilien an ihren angestammten Platz zurück und besorgten sich ihr Kriegswerkzeug. Alles in bedachter Eile. Man hatte nicht das Gefühl, Troman würde in Panik und Hektik verfallen, es begann sich eher wie eine geölte und gut in Stand gehaltene Maschinerie in Bewegung zu setzen. Lediglich Caleb kam sich vor wie ein einsames Zahnrad, dem man noch keine Funktion zugeteilt hatte.
Erst Theben riss ihn aus seiner Starre, versuchte mit seiner Hand Zuversicht in den kleinen, eingeschüchterten Jungen zu pumpen und gab ihm die nötigen Befehle, ohne die Caleb sich in einer Stunden noch nicht vom Fleck bewegt hätte. Es so zu hören, wie abzuarbeitende Punkte, die er zu erledigen hatte wie an einem Arbeitstag im Schloss - nur das es dort putzen, waschen, kochen gelautet hatte - beruhigte ihn auf der einen Seite. Auf der anderen sah er die Gesichter der Drei. Verhärtet, routiniert und diese Vorfreude auf den Kampf, die er selbst in keinster Weise nachvollziehen konnte. Es machte ihm Angst, die Stimmung drückte ihm gar auf die Seele.
Man machte sich bereit, Menschen zu töten.
"Sie machen sich bereit, ihre Heimat zu verteidigen. Und du bist hier, um den Prinzen zu beschützen, nur dafür." Es fühlte sich an, als würden Thebens Händen Krallen wachsen, die sich selbst durch das Leder des Harnischs bohrten und ihm ins Herz stachen. Energisch riss er sich aus dem Griff, aber der Stimme konnte er nicht entkommen.
"Nur dafür bist du überhaupt am Leben. Marlin Nummer Zwei."
Ohne es bemerkt zu haben, war Caleb an dem Waffenregal angelangt und seine Hände legten die Übungsdolche in die vorgesehen Halterungen. Der Dolch aus dem Schloss war wieder in seiner Hülle. Sein Herz klopfte. War er gerannt? Jemand rief nach ihm. Im nächsten Moment wurde ihm eine schwarze Tasche in die Hand gedrückt und er sah in ein bekanntes Gesicht. Sein Kopf sagte ihm den dazugehörigen Namen; Derenja. Er sah Angst in ihren Augen auf flimmern und Caleb wusste, dass sie das Selbe in seinen würde lesen können. Vollkommen verwirrt besah er den Inhalt. Utensilien, mit denen er kaum etwas anzufangen wusste. Mit Kräutern kannte er sich aus, ja, aber sie waren für Langzeitbehandlungen, nichts, was einem am Boden liegenden Soldaten, der bereits am Rand des Abgrunds balancierte, das Leben retten konnte. Zumindest soweit er sich auskannte. Ein Buch über Notfallbehandlungen war ihm noch nicht untergekommen.
Druckverbände, um Blutungen zu Stillen, wie man eine Pfeilspitze aus einem Bein schnitt oder jemanden von seinen Schmerzen erlöste - Caleb hatte von all dem keine Ahnung.
Er musste sich beeilen. Derenja war bereits auf dem Rückweg zum Lazarett. Sie war wohl eine Medika in Ausbildung, keine Feldärztin. Was ihn anging, rannte er bereits in die Stadt hinein. Ein Arsenal musste er finden, was sich nicht als sonderlich schwer herausstellte. Das Haus, in das Soldaten unbewaffnet liefen und es kurze Zeit später bewaffnet verließen, befand sich ebenfalls an der Palisade, kaum ein Dutzend Meter vom Tor entfernt. Hier gab es keine Auflagen wie im Schloss. Jeder bekam etwas ausgehändigt, womit er sich verteidigen konnte, keiner Stelle fragen, vor allem nicht, wenn man wie Caleb einen Wappenrock trug. Der Dolch auf dem Schloss wurde gegen zwei Krummdolche eingetauscht, die sich Caleb am Gürtel befestigte. Er hatte keine Zeit, sich auf Gespräche oder Formalitäten einzulassen. Niemand hatte das.
Somit war der kleine Katzenjunge schnell wieder vor den Toren der Stadt. Seine Augen konnte in der Ferne immer noch keine Details ausmachen. Aber er konnte sehen, dass die Jorsaner weiter unbeirrt vorrückten und schon ein ganzes Stück näher gekommen waren. Einen Ansturm gab es dagegen noch nicht. War es vielleicht ein Botschafter? Nein, dann hätte er eine weiße Fahne gehabt, und so viel konnte Caleb dann doch noch erkennen. Es würde zum Kampf kommen.
Im Lauftempo machte sich der Diener auf, zu seinem Prinzen zu stoßen, zur Hand der Prinzenkrone. Ihm wurde flau im Magen, der Hunger verging.
Seine Gedanken kreisten um alles. Den Krieg, der Plan seines Herr, seine Aufgabe.
"Krieg ist so sinnlos. Das hier sollte nicht passieren. Wir sollten versuchen so viel wie möglich zu tun, um den Schaden zu begrenzen."
Rechts von ihm lief sein junges Ich, dass er heute schon einmal gesehen hatte. Caleb begriff, dass es nur eine seiner Denkweisen widerspiegelte. Dieser Junge verabscheute den Krieg und das Töten. Und wenn jeder Grandessaner am Ende unverletzt war, würde er stattdessen dem am Boden liegenden Jorsaner helfen. Es wäre ihm völlig egal. Befehle und Richtlinien bedeuteten ihm gar nichts. Er hatte seine Meinung und handelte danach.
"Der Prinz hat recht, der Krieg ist notwendig, sonst wird Grandessa irgendwann zum Schoßhund der Dunkelelfen. Es muss jetzt beendet werden. Der Prinz sollte schon längst auf dem Thron sitzen."
Links von ihm sein Ebenbild. Die Kapuze so tief im Gesicht, dass man eigentlich nichts hätte erkennen dürfen, aber dennoch leuchteten die roten Augen in den Schatten. Der Diener in ihm würde alles tun, um dem Prinzen eine Hilfe zu sein, um ihn in seinen Plänen zu unterstützen. Einem Mensch das Leben zu nehmen, stellte für ihn kein Problem dar. Er hatte keine Angst, fühlte kein Mitleid, folgte lediglich den Befehlen. Caleb erschauerte bei dem Gedanken, dass dies ein Teil von ihm war.
Dabei wusste er nicht, was er tun würde, wenn er einst vor dieser Wahl stand.
Er wusste es nicht.
Die Trugbilder verschwanden, Caleb stand wieder zwischen Theben und dem Prinzen, sich seiner selbst so unsicher wie nie zuvor, den Blick auf den Boden gesenkt.
Was sollte er bloß tun...

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 3. Mai 2012, 17:29

Obwohl sich da von Süden her kein gewaltiges Heer meldete, zeigten sich die Soldaten des Grenzdorfes wachsam. Es könnte schließlich auch ein Hinterhalt dahinter stecken, man war auf alles gefasst - glaubte man. Auf den Palisaden versammelten sich die Schützen, allesamt mit Armbrüsten bewaffnet. Man brachte große Kisten voller Nägel auf den Wehrgang. Pech aufzukochen, darauf verzichtete man dann doch, denn das Zeug stank und es dauerte seine Zeit, bis es heiß war. Spitze Nägel würden es schon tun.
Auf den Spähtürmen stellte man Körbe mit kleinen, in Öl und Fett getunkte Lederbälle bereit. Man würde sie anzünden und auf den Feind schleudern, sollte es nötig werden. Das Palisadentor hatte man inzwischen verrammelt, auch wenn sich dahinter noch mehrere Einheitentruppen der grandessanischen Armee fanden. Man musste dem Feind ja nicht gleich das ganze Aufgebot zeigen. Zu Calebs Bedauern fand sich die Hand der Prinzenkrone vor der hölzernen Pfahlmauer wieder. Ob sie alle gleich sterben würden? Caleb könnte nicht einmal die Verletzung eines seiner Kameraden heilen, auch wenn er die schwarzer Heilertasche bereits in die Hand gedrückt bekommen hatte. Ihm fehlte die nötige Ausbildung und was noch schlimmer war: die Soldaten, an denen er vorbei zog, warfen ihm respektvolle Blicke zu oder nickten in seine Richtung. Aha, ein kleiner Feldarzt. Er hat zwar Katzenohren, aber das ist schon in Ordnung, wenn er mir nachher das Leben rettet. Solche und ähnliche Gedanken sprachen aus den Blicken der Dorfverteidiger. Selbst Rist schenkte Caleb einen Blick dieser Sorte, warf ihn dann aber wieder auf den heran nahenden Feind.

Prinz Vincent stand dicht neben dem Hünen, Schwert und Schild erhoben. Er wartete jedoch noch darauf, dass man sein Pferd kommen ließ. Gerade, als zwei Rekruten ein stolzes, schlohweißes Ross heran führten, legte Theben seine Hand auf Calebs Schulter. Diese Geste schien zu seinen Favoriten zu gehören.
Er übte leichten Druck aus, zuversichtlichen Druck. "Schau nach vorn, Kätzchen! Am Boden siehst du den Feind erst, wenn du erfolgreich zugestochen hast", kam sofort die Aufforderung an Caleb, den Kopf zu heben. Auch Theban schaute jetzt zum Feld herunter, von wo aus sich eine kleine Einheit Jorsaner meldete, angeführt von einem Reiter - so wie der Prinz nun zu einem geworden war. Er saß hoch zu Ross, schlang einen Zügel um sein Handgelenk und reckte das Schwert vor. Sofort setzte sich sein Pferd in Bewegung. Man hatte nicht einmal gesehen, wie er die Schenkel angespannt hatte. Das Tier gehorchte. Es war gut abgerichtet.
Dem Prinzen folgte sofort Rist. Er ging rechts neben dem Tier, auf Brusthöhe. Ein Klopfen und das anschließende Lösen von Thebens Hand wiesen Caleb darauf hin, sich dem Tross anzuschließen. Der mit einer Armbrust bewaffnete Soldat reihte sich links ein. Es blieb an Caleb, auf welcher Seite er dem Prinzen folgen würde. Nur direkt hinter dem Pferd sollte er besser nicht laufen.
Der Hand der Prinzenkrone folgten zwei Zehnerhände Fußvolk, teilweise mit Stangenwaffen, teilweise auch mit Schwertern bewaffnet. Jede Gruppe von jeweils 9 Männern wurde von einem zehnten Hauptmann angeführt. Somit befanden sich im Grunde drei oberste Befehlsgewalten in der Einheit Grandessaner, die sich nun dem Feind näherte. Während man marschierte, erhob Rist die Stimme zu einem Raunen: "Sollen wir angreifen, Vince? Es sind keine Vermittler. Sie tragen keine weiße Fahne, sondern das jorsanische Banner."
Der Prinz schüttelte kaum merklich den Kopf. "Sie wären dumm, Troman mit zwanzig Mann angreifen zu wollen. Finden wir ihr Herkommen heraus. Das Schwert können wir immer noch ziehen." Er wandte den Kopf. "Ich verlasse mich auf deine schnellen Reflexe, Theben, sollten die Jorsaner eine Dummheit wagen." Theben zwinkerte. Damit war alles besprochen. An Caleb wandte sich der Prinz nicht. Hatte er ihn vergessen? Anspannung lag in der Luft, während sich die Distanz zwischen beiden Kämpfergruppen verringerte. Letztendlich maßen etwas knappe 50 Meter den Raum zwischen beiden Berittenen, die jeweils ihren Trupp anführten. Da setzte sich das Pferd des jorsaner Reiters in Bewegung. Die Truppen folgten nicht. Als wollte dieser Ritter tatsächlich verhandeln? Er lenkte das dunkle Ross heran. Der Körper besaß ein glänzendes, schwarzes Fell, wohingegen Mähne und Schweif ein rauchfarbenes Grau aufwiesen. Beinahe ebenso grau war auch die Rüstung, in die sich dieser Reiter hüllte. Er trug im Gegensatz zu den übrigen Kämpfern, die allesamt in rotgoldenen Wappenröcken und golden schimmernden Rüstungen heran kamen, einen grauen Plattenpanzer. Dieser machte auch irgendwie keinen besonders frischen Eindruck. Er wirkte alt und benutzt. Vielleicht saß da ein Veteran im gegnerischen Sattel, der sich und seine Leute überschätzte.

Prinz Vincent lenkte sein Pferd nach vorn. Beide Tiere standen sich nun gegenüber, keine zwei Meter von Vincents Einheit entfernt. Der Jorsaner wagte viel. Die Pferde schnaubten sich an. Vincents Tier hielt die Ohren zurück, während das andere Tier die seinen aufmerksam aufgestellt hatte.
"Wo ist er?", klang eine Stimme blechern unter dem Helm des jorsanischen Ritters hervor. Seltsam war die Weichheit, die in der Stimme lag, obwohl die Frage hart und befehlshaberisch herüber kam. Sogar Vincent bemerkte diesen Umstand. Er, der keinen Helm trug, legte den Kopf leicht schief. "Ich hörte schon von der Unhöflichkeit jorsanischen Packs, aber sich gar nicht vorzustellen, sondern gleich zu fordern, ist selbst für mich neu. Wer seid Ihr? Zeigt Mut und nehmt den Helm ab, damit ich mir das Gesicht des Mannes merken kann, der hier Ärger anzetteln will!"
Der jorsanische Ritter kicherte. Ein helles Kichern, das so gar nicht zu ihm passte. Er hob das Visier an und sagte: "Ich muss Euch leider enttäuschen."
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Wallendes, goldenes Haare löste sich und flatterte in frechen Strähnen aus dem Visier heraus, aus dem ein Paar wacher Augen den Prinzen musterte. Stolze, kriegerische Augen, die von einem Kranz dunkler Wimpern umschlossen wurden. Schließlich wurde der Helm ganz abgenommen und das Staunen auf Seiten der Grandessaner war groß. Hier erkannte sie natürlich niemand, aber in Jorsan hätten jetzt viele ihren Namen laut ausgerufen und mit dem Finger auf die junge Frau gezeigt.
"Ich bin Bodvica von Jorsan, Schwester König Richards des Dritten und ich verlange sofort die Auslieferung des Hauptmanns Sterlyn!"
Vincent blieb die Sprache weg.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Freitag 4. Mai 2012, 16:10

Die Kapuze fand ganz von allein ihren Weg auf den Kopf des Jungen. Wie oft hatte er sich gewünscht, sie würde ihn einfach unsichtbar machen und obwohl er wusste, dass sie dies nicht vermochte, gab sie ihm ein Gefühl der Sicherheit. Er kam sich auf eine gewisse Weise der Situation entrückt vor. Seine Hände verkrampften sich um die Griffe der Krummdolche in ihren Scheiden. Unsicher bissen die spitzen Eckzähne auf die Unterlippe. Selbst Thebens Hand konnte ihn nicht wirklich beruhigen, auch wenn es ihn dazu verleitete, einmal tief durchzuatmen.
Ein rascher Seitenblick zur Hand auf seiner Schulter, die dort ziemlich lange verweilte, dann setzte sich der Tross in Bewegung.
Caleb sah sich um, schätzte die Anzahl der Männer. Waren sie den Jorsanern gerade einmal ebenbürtig in der Zahl? Um solche Schlüsse zu ziehen war der Kleine eindeutig noch zu weit weg vom Feind. Mit seinen Augen konnte er da nichts genaues ausmachen. Stattdessen sah er sich die grandessanischen Soldaten genauer an. Waren welche dabei, die er schon in der Stadt gesehen hatte? Vielleicht sogar einige der Nachtschicht? Jassi? War der nette Hauptmann vom Vortag einer der zwei Gruppenanführer? Und am aller wichtisten, waren auch noch andere Feldärzte anwesend? Caleb hatte keine Ahnung, ab welcher Gruppenstärke oder in welchen Einheiten solche Kundschafter eingesetzt wurden. Doch Caleb konnte keinen weiteren Wppenrock seiner Art entdecken. Warum nicht?
Verzweiflung breitete sich in dem Jungen aus.
Vielleicht war das der Grund, weshalb er sich nach rechts wandte, um dem Prinzen zu folgen. Er blieb dennoch hinter dem Ross, nur so weit seitlich, dass Rist ihn komplett verdeckte. Niemand würde von ihm verlangen, dass er sich mit in die erste Reihe stellte, oder? Hinter dem breiten Kreuz des Hünen fühlte er sich wesentlich besser aufgehoben. Außerdem konnte er so nichts von den Jorsanern sehen, was ihn einerseits weniger nervös werden lies und andererseits ihm kein schlechtes Gewissen bereitete, wenn er seiner antrainierten Gewohnheit nachging und den Kopf zu Boden senkte.
Die Erde unter seinen Füßen war staubig, komisch für diese Jahreszeit. Das Gras schien abgestorben und an vielen Stellen war der Boden völlig karg, bildete richtig gehend Seen aus lebloser Erde. Caleb konnte sich selbst denken, was dazu geführt hatte. Wenn es schlecht lief, würde den Grund bald hautnah miterleben. Das Geräusch von marschierenden Soldaten, das Donnern des Gleichschritts, Geklirr von Metallplatten der Rüstungen. Das Schnauben des Pferdes, Caleb kam sich so unglaublich eingeengt vor. Aber er dachte nicht eine Sekunde daran, wegzulaufen oder sich zu weigern.
Sein ganzes Leben hatte er für den Prinzen und die Königsfamilie eingesteckt. Spott und Misshandlung ertragen, um ihnen zu dienen. Dies hier war eigentlich nichts anderes.
"Guter Junge."

Der Reiter löste sich aus der Formation der Jorsaner und kam über das Schlachtfeld zu ihnen herüber geritten. Caleb konnte es zwar nicht sehen, aber hören. Es überraschte ihn nicht wirklich. Die Jorsaner hatte keinen Sturmangriff gestartet, was mit ihrer Anzahl, die er nun etwas genauer einschätzen konnte, lachhaft gewesen wäre. Sie waren hier, um etwas zu besprechen. Ein Scharmützel würde es wohl nur dann geben, wenn die Unterredung nicht so lief, wie sie es wollten.
Was somit nur zu einem Kampf führen konnte.
Der vermeintliche Anführer der Jorsaner entpuppte sich aber schnell als eine Anführerin. Caleb hatte das bereits bei ihren ersten Worten bemerkt, was wohl an seinem etwas ausgeprägteren Gehör lag, aber die große Überraschung konnte er nicht ganz verstehen. War sie denn besonders hübsch? Da sprach sie ihren letzten Satz und dabei blieb auch ihm die Spucke weg.
General Sterlyn? Sein Gehirn begann zu rattern. Das war der Name des Mannes, der beim letzten Angriff der Jorsaner angekündigt worden war. Er sollte eine entgültige Offensive gegen Troman anführen, war aber nie aufgetaucht. Caleb waren die Worte des Hauptmanns von gestern natürlich noch gegenwärtig. Wie eigentlich alles. Aber dann konnte das hier doch nur ein Missverständnis sein! Hätten sie einen so wichtige Geisel, hätte ein Hauptmann doch sicher davon gewusst. Was bedeutete, dass es hier unweigerlich zu einem Kampf kommen musste, denn diese Bodvica würde niemandem ein Wort glauben, wenn ihr gesagt wurde, sie hätten General Sterlyn nicht. Ihre Meinung stand bereits fest, und sie würde sich erst recht nicht von einem Grandessaner davon abbringen lassen.
Caleb zitterte. Solche Sturköpfe kannte er von den Palastwachen nur zu genüge. So etwas endete für gewöhnlich in einem Handgemenge.
Außerdem...
Sie war die Schwester des Königs. Caleb Blick fuhr hinauf zum Rücken des Prinzen. Was ging wohl gerade durch seinen Kopf? Sie war eine Verwandte des Mannes, dem er selbst nach dem Leben trachtete. Marlins Tod und Aleksanders schwere Verletzung waren immer noch frische Nachrichten für ihn. Würde er sich zurückhalten können, und nicht aus Wut oder Rachsucht zum Angriff übergehen? Caleb erinnerte sich daran, wie er auf dem Weg nach Troman daran gezweifelt hatte, ob dieser Mann, den er als seinen Herrn bezeichnete, das Zeug zum König hatte. Dieser merkwürdige Gedanke, das er überhaupt das Recht hatte, dies zu entscheiden; aber dies war so einen Situation, in welcher der Prinz getestet wurde.
Was war seine Antwort auf diese Forderung? Immerhin hatte er sich von Theben gestern Nacht ins Bild setzen lassen, sicher wusste er von den Ankündigungen der Jorsaner, ein gewisser General Sterlyn würde bald eintreffen. Und ganz bestimmt hatte er erkannte, dass dieser Frau vor ihm kein 'Nein' als Antwort reichen würde.
Calebs Hände verkrampften sich weiter, aber sein Blick richtete sich wieder gen Boden.
Er konnte rein gar nichts tun.
Es lag am Prinzen, ob er nun vollkommen unvorbereitet in einen Kampf geschmissen wurde.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 9. Mai 2012, 17:45

"Eine Frau als Anführerin?!" Theben stieß ein belustigtes und zugleich überraschtes Schnauben aus. Unter Grandessanern war diese Reaktion kein Grund zum Wundern. Zwar gab es in diesem Königreich auch weibliche Soldaten, doch höhere Posten bekleideten sie nur sehr selten. Dazu mussten sie sich schon viele Male bewiesen haben, damit man ihnen einen Rang wie den einer Hauptfrau gab. Und was machte Jorsan? Sie setzten eine Frau an die Spitze dieser bemitleidenswerten Einheit. Als die Anführerin jedoch verkündete, wer sie war - nämlich die Schwester des Königs - verschluckte sich Theben beinahe an seinem eigenen Speichel. Er krümmte sich leicht vor und hustete heftig. Zum Glück war seine Armbrust noch nicht gespannt worden, sonst hätte er sich jetzt versehentlich in den Fuß schießen können. Das Ende seiner Waffe richtete sich wackelnd zu seinen Soldatenstiefeln aus.
Bodvica, Schwester des Königs von Jorsan, ließ sich davon nicht ablenken und erst recht nicht beeindrucken. Ihr harter, sehr strenger Blick, aus dem das Feuer eines temperamentvollen Charakters aufflammte, blieb am Anführer der grandessaner Truppe haften. An Prinz Vincent dem IV. zu Grandessa. Dieser rührte sich nicht, saß aufrecht im Sattel. Auch sein Blick war auf seinen Gegenüber fixiert. Einen Moment lang herrschte absolute Stille. Nicht einmal nach einer Schlacht war es dermaßen ruhig auf dem Schlachtfeld. Das mochte daran liegen, dass nicht das Wimmern letzter Überlebender in der Luft lag und sich mit dem Kreischen der Raben und anderer Aasfresser paarte. Vincents Pferd stieß schließlich ein leises Schnauben aus und brach somit das Schweigen.
"Er ist nicht hier", antwortete Vincent, scheinbar ganz die Ruhe selbst. Aber vielleicht irrte er sich. Er und Caleb waren doch noch nicht lange im Lager. Zwar hatte Theben ihm von den Ereignissen in Troman berichtet, aber vielleicht war die Information, dass sich Hauptmann Sterlyn unter möglichen Kriegsgefangenen befand, untergegangen. Aber Theben würde eine solche Nachricht sicherlich nicht vorenthalten. Gerade schüttelte er leicht den Kopf. Sein Hustenanfall hatte sich beruhigt und die Geste war eindeutig an Caleb gerichtet. Sein Prinz sprach die Wahrheit. Der jorsanische Hauptmann befand sich nicht in Troman.
Bodvica von Jorsan schnaubte. Dann grinste sie süffisant. "Antwortet Ihr mir auf Celcianisch, weil Eure Gefolgsleute zu dumm sind, Garmisch zu verstehen?" Sie erntete wütende Protestrufe, sowie einige Kraftausdrücke von grandessanischer Seite. Diese wurde nun von beleidigenden Ausdrücken von jorsanischer Seite erwidert. Bodvica stachelte die Stimmung an. Ob beabsichtigt, war nicht zu ergründen. Zweifelsfrei aber wollte sie wissen, was mit besagtem Hauptmann geschehen war.
"Noch einmal", wiederholte Vincent und sprach weiterhin die Allerweltssprache. "Euer Hauptmann ist nicht hier. Derzeit haben wir keine Kriegsgefangenen."
"Lügner!", zischte die Prinzessin. Ihr Pferd tänzelte leicht, ob ihrer heftig ausgestoßenen Beschuldigung, so dass sie an den Zügeln reißen musste und es fast gestiegen wäre. Im letzten Moment bekam sie es unter Kontrolle. Theben beugte sich zu Caleb herüber und wisperte: "Hast du das eben gesehen? Das Pferd hat seinen eigenen Kopf. Ich verwette meine Mittagsration, dass es nicht ihr eigenes ist!"
"Wie kann ich Euch überzeugen, Josanerin? Wenn Ihr mir nicht glaubt, kommt es unweigerlich zu einem Gefecht und ich nehme an, Eure Männer wollen nicht sinnlos den Tod finden." Da hatte Vincent Recht. Diese zwanzig Mann, die auf jorsanischer Seite vor Troman standen, hätten keine Chance. Selbst wenn es ihnen gelänge, einige Leute unter Vincents Kommando sofort aufzuspießen, gab es immer noch die Schützen auf den Wehrgängen und Spähtürmen. Sie würden kurzen Prozess mit der Einheit machen. Das schien auch Bodvica zu erkennen. Ihre Augen verengten sich zwar zu Schlitzen, aber sie gab keinen Angriffsbefehl. Einen Moment lang schien sie tatsächlich nachzudenken, welchen Schritt sie als nächstes gehen würde. Dass man ihr offenbarte, der Hauptmann sei nicht in grandessanischer Gefangenschaft, war wohl nichts, womit sie gerechnet hätte.
"Schön! Dann lassen wir es auf ein Duell ankommen. Ehrenhaft, sofern Ihr die Bedeutung dieses Begriffs kennt. Schickt einen Recken, der gegen einen von uns antritt und ich gebe mich im Fall einer Niederlage mit Eurer Antwort zufrieden. Aber wenn Jorsan gewinnt, werdet Ihr mich durch Eurer Dörfchen geleiten, damit ich mir selbst ein Bild machen kann - und zwar sicher!"
Vincent nickte. Das klang gerecht. So würden nur zwei Mann gegeneinander antreten, während der Rest der Truppe verschont bliebe. Natürlich war für den Prinzen längst klar, wen er schickte. Sein Blick wanderte über die Masse und blieb bei einem Jungen hängen. "Caleb!" Theben hustete wieder und Rist warf seinem Prinzen einen irritierten Blick zu. Das konnte er doch nicht wirklich ernst meinen! Der Bursche hatte heute zum ersten Mal Dolche auf dem Übungsplatz benutzt - Dolche aus Holz! "Caleb, du machst meinen Adjutanten. Ich selbst werde kämpfen." Er stieg aus dem Sattel. Bodvica lenkte er Pferd etwas zurück, ehe auch sie von dem Tier abstieg. "Ebenso wie ich", antwortete sie, zog bereits ihr Schwert. "Ein Duell bis zum ersten Blut. Ihr wisst, was das bedeutet?"
"Bis das erste Blut spritzt. Keine gewollten, tötlichen Verletzungen. Ich nehme Eure Ehre beim Wort, Schwester des Königs. So wie Ihr das meine annehmen könnt."
"So sei es dann. Nun nennt mir Euren Namen, damit ich weiß, wer mein Gegner ist."
Vincent berührte den königlichen Reif an seiner Stirn. Bodvica erstarrte. Sie hatte ihn wohl vorher nicht so recht wahrgenommen. "Ich bin Vincent der IV. von Grandessa, ältester Sohn König Hendriks des II. von Grandessa und Thronerbe." Er trat zu Caleb herüber, um mit ihm in die Mitte des Feldes zu gehen, wo das Duell ausgetragen würde.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Donnerstag 10. Mai 2012, 03:21

Die Unterhaltung der Beiden gestaltete sich anfangs in etwa so, wie Caleb es erwartet hatte. Nur eines fand auch der Diener merkwürdig. Warum sprach der Prinz nicht Garmisch? Es war immerhin seine Muttersprache, auch wenn im Palast verhältnismäßig sehr oft Celcianisch gesprochen wurde. Es waren nicht einmal die beiden einzigen Sprachen, die der Prinz beherrschte. Seine Ausbildung war immerhin höchst umfassend gewesen. War es - und Caleb kam sich bei dem Gedanken sehr egoistisch vor - wegen ihm? In Gegenwart seines Herr hatte er nie Garmisch gesprochen. Nahm er auf ihn Rücksicht und gab sich somit ein Stück weit die Blöße vor seiner Rivalin?
Das ergab wenig Sinn. Warum sollte er das tun?
Jedenfalls war sich Caleb sicher, dass er diese Beleidigung nicht auf sich sitzen lassen konnte. In der Gegenwart von Bodvica würde er kein Wort Celcianisch sprechen.
Ihre Aufforderung zum Duell hatte der Kleine dagegen erwartet. Es war die einzige Möglichkeit für sie, sich zu vergewissern. Etwas anderes blieb ihr kaum übrig, wenn sie nicht mit leeren Händen, nicht einmal mit einer zufrieden stellenden Antwort heimkehren wollte. Sie setzte alles auf eine Karte, denn sie wusste nur zu gut, dass ein Grandessaner diese Herausforderung niemals ablehnen würde, selbst wenn - logisch betrachtet - sie im klaren Vorteil waren. Diesen Vorteil aufzugeben und Chancengleichheit im Duell zu akzeptieren war unlogisch, aber Caleb wusste, dass es hier um Ehre ging. Nicht gerade etwas, dass er sehr gut verstand.
"Caleb!"
Sein Herz setzte einen Moment aus. Rist machte einen Schritt zur Seite, Theben sah ihn entgeistert an und für einen Moment folgten die Augen der grandessanischen Soldaten diesem Blick und die Aufmerksamkeit wurde direkt auf ihn gezogen, während er selbst den Prinz auf seinem Pferd nur anstarren konnte. Angst musste sich darin wiederspiegeln. Im selben Moment versucht ihm sein Kopf zu sagen, dass sein Herr niemals eine solche Entscheidung treffen würde. Aber bis zu dem Moment, wo der Prinz es selbst aussprach, glaubte er dieser Stimme nicht. Traute er ihm so etwas wirklich zu? Nein. Aber einer Hälfte von ihm war es vollkommen egal gewesen. Sie hätte dem Befehl Folge geleistet und sich nicht beschwert, geklagt oder es in Frage gestellt.
Er kam sich plötzlich fremd in seiner eigenen Haut vor, denn dieser Teil von ihm hatte ich bereits kampfbereit gemacht. Ein ungewöhnliches, und merkwürdiges Gefühl.
Kaum zu begreifen war dagegen die Erleichterung, die er empfand, als der Prinz und Bodvica alles Weitere festlegten.
"Wie ihr wünscht, Eure Hoheit.", antwortete der Diener platt auf den Befehl seines Prinzen, während Caleb doch verhalten nervöse Blick mit Theben und Rist austauschte. Aber das Ganze hatte etwas Gutes. Die beiden Anführer würden das gesamte Scharmützel entscheiden und einem Haufen Menschen das Leben retten. Leben, die in ihrer Verantwortung langen. Ein feiner Zug des Prinzen, selbst zu kämpfen, fand Caleb. Wäre da nicht das Risiko, besiegt zu werden. Und man mochte sich auf ersten Blut einigen, aber im Eifer des Gefecht konnte viel passieren. Bodvica würde offiziell das Duell verlieren, wenn sie den Prinzen tötete...aber der wahre Verlierer wäre trotzdem Grandessa.
Aber genauso war es auch umgekehrt! Wenn der Prinz Bodvica tötete, hätte er verloren, aber einer Toten konnte er kaum Einlass in seine Stadt gewähren. Ein doppelter Sieg. Abgesehen von der beschmutzten Ehre. Das Caleb überhaupt zu solchen Gedanken fähig war. Doch das alles schien ihm logisch. Er selbst war ein Diener. Diener besaßen keine Ehre in Grandessa. Es war ein Teil von ihm. Einer der Schatten, die ihn in seinem Träumen verfolgten.
"Wärst du in der Lage dazu, und an des Prinzen Stelle; du hättest versucht sie zu töten, nicht wahr?"
Caleb widersprach nicht.
Stattdessen folgte er dem Prinzen, der von seinem Ross gestiegen war. Die Rolle eines Sekundanten stand ihm schon eher. Der Lehrmeister des Prinzen hatte schon vor Jahren aufgehört, seinen Zögling mit Samthandschuhen anzufassen, weshalb Caleb schon ein bisschen Erfahrung darin hatte. Auch gab es manchmal Ehrenduelle zwischen Soldaten der Palastwache, bei denen man sich das ein oder andere abschauen konnte.
Seine Aufgabe war es, von nun an das Sprechen zu übernehmen, bis das Duell von ihm oder vom gegnerischen Sekundanten für beendet erklärt wurde. Sollte der Prinz die erste Verletzung erhalten, würde er so schnell wie möglich eingreifen und den Kampf abbrechen müssen. Wäre er zu langsam, erlaubte er Bodvica einen zweiten Schlag. Sollte dieser tödlich sein, wäre es nicht ihre, sondern seine Schuld.
Der Prinz und Bodvica begegneten sich auf freier Fläche zwischen den Truppen. Die Gegnerseite machte nicht den ersten Schritt, weshalb er sich räusperte. Eine Aufgabe zu haben, eine Rolle, die er schon einmal gespielt hatte, lockerte seine Zunge vernehmlich.
"Das Duell zwischen Fräulein Bodvica von Jorsan, Schwester König Richards des Dritten und Prinz Vincent dem IV., ältester Sohn König Hendriks des II. von Grandessa wird bis zum ersten Blut geführt. Die Waffe ist frei wählbar. Eingreifen des Sekundanten ist ohne Grund verboten. Den Duellanten ist es untersagt zu sprechen. Jedweder Regelverstoß wird mit Abbruch des Kampfes zu Gunsten der anderen Seite bestraft."
So war es in Grandessa Brauch. Ein Seitenblick auf den Prinzen verriet ihm, dass sein Herr bereit war. Den Blick konzentriert auf seine Gegnerin gerichtet, fast schon stoisch, vor allem in Verbindung mit der plötzlichen Schweigsamkeit. In seinem Kopf ging er wahrscheinlich gerade Kampfbewegungen und Taktiken durch, vielleicht analysierte er auch Bodvica, ihre Waffe, Rüstung, Schwachstellen. Alles, was Caleb wissen musste, war:
"Prinz Vincent der IV. ist bereit. Stimmt Jorsan den Regeln zu?"
Caleb bezweifelte, dass der gegnerische Sekundant etwas einzuwenden haben könnte. Immerhin waren sämtliche Regeln vollkommen logisch, selbst die des Sprechverbots. Ein Sieg auf Grund einer spitzen Zunge und Provokation war in keinem Fall ehrhaft. Das reine Kapfgeschick sollte entscheiden, wer der Bessere war. Wenn der Jorsaner etwas dagegen einzuwenden hatte, lief er Gefahr die Ehre seiner Herrin schon im Vorfeld zu beschmutzen, wenn er es so aussehen lassen würde, als könnte sie nicht allein durch Geschick gewinnen.
Da er die Regeln präsentiert und die Bereitschaft des Prinzen Kund getan hatte, war es nach allgemeinem Ablauf nun am gegnerischen Sekundanten, das Duell zu eröffnen.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 13. Mai 2012, 06:03

Nicht nur Theben atmete erleichtert aus, auch von Rist war ein beruhigtes Seufzen zu hören, als sich heraus stellte, dass Vincent nicht seinen Diener ins Duell schickte, sondern nur als Sekundant für seinen eigenen Kampf einsetzen würde. Rist wechselte einen Blick mit Caleb, nickte dann. Geh nur, sagten seine Augen. Ihm konnte schließlich nicht wirklich etwas passieren, es sei denn, es würde in den Regelungen zum Duell festgelegt. Aber Caleb zeigte sich gewitzt, indem er einfach die Ansprache des jorsanischen Sekundanten vorweg griff und somit jene Bedingungen an das Duell stellte, die er von den Übungsstunden des Prinzen kannte, denen er beigewohnt hatte.
Nachdem er ausgerufen hatte, ob Jorsan den Regeln zustimmte, wandte Bodvica den Kopf herum. Sie rief einen ihrer Männer aus der Menge, einen durchschnittlichen Soldaten, an dem im Grunde nichts Besonderes war. Dieser stellte sich auf die andere Seite des unsichtbaren Rundes, in dem sich die beiden Königskinder gleich duellieren würden. So konnte er Caleb direkt ansehen, standen sie sich doch nun einander gegenüber. "Jorsan stimmt den Regelungen zu!", rief der andere Sekundant, fügte aber an, "sofern Grandessa unseren Bedingungen ebenfalls zustimmt. Diese lauten wie folgt: Der Duellierende darf während des Duells von seinem Adjuntanten eine weitere Waffe und/oder einen Schild anfordern, sollte er die erste Waffe verlieren. Stimmt Grandessa dieser Bedingung zu?"
"Grandessa stimmt zu!"
, entgegnete Prinz Vincent laut und deutlich. Der jorsanische Sekundant nickte. "Dann wählt eure Waffen, Duellanten!" Bodvica zog ein großes Schwert, das sie zweihändig schwingen würde. Eine gute Wahl für Vincent, eine schlechte Entscheidung ihrerseits, denn der Prinz blieb bei Schwert und Schild, würde so also einen besseren Schutz haben. Dafür hielt es die Jorsanerin umgekehrt bei der Wahl der Zweitwaffe. Sie ließ ihrem Sekundanten Schwert und Schild in die Hände drücken, damit er ihr beides jederzeit aushändigen konnte. Vincent traf bei seiner Wahl erneut Schwert und Schild, was einer seiner Männer sofort auch Caleb in die Hände gab. Beides war deutlich schwerer als die Dolche an seinem Gürtel.

Ein letztes Mal wurden beide Kontrahenten gefragt, ob sie bereit waren und dann begann es. Heißblütig wie er schon immer und leider auch beim Kampf etwas zu häufig war, ging Vincent von Grandessa sofort in die Offensive. Er holte aus, landete aber keinen Treffer gegen die jorsanische Prinzessin, denn diese parierte seinen Schlag gekonnt mit der Klinge. Sie gab alle Kraft in ihren Konter und wuchtete Vincent zurück, nur um ihrerseits für einen Schlag auszuholen. Er würde von rechts kommen, also wandte sich der Prinz in eine Halbdrehung, ließ die schwere Schneide des Zweihänders gegen seinen Schild prallen. Es krachte, dass es durch Mark und Bein ging. Man konnte den Eindruck gewinnt, hier wurde weiter als bis nur zum ersten Blut gekämpft. Bodvicas Attacken kamen mit Zorn. Ihr Gesicht war angespannt, die Stirn in tiefe Wutfalten gelegt, so dass sich eine besonders zwischen ihren Brauen breit machte. Vincent hingegen kämpfte irgendwie erfahrener. Er parierte jeden ihrer wuchtigen Schläge. Aber er griff riskant an, wagte sich manchmal zu stark aus der Deckung heraus. Bodvica brauchte nur im entscheidenden Moment einen Treffer zu landen, um ihn zu Fall zu bringen.
Den Kämpfern war das Sprechen verboten. Beide hielten sich daran. Nicht aber die sie umstehenden Männer und wenigen Frauen. Sie johlten, brüllten ihrem Favoriten Hinweise und Tipps zu oder feuerten ihn an. Einer der Grandessaner schrie sogar, Vincent solle die Ehre vergessen und "dieser Schlampe den Kopf abschlagen". Was sei schon Ehre gegenüber einem Jorsaner?! Sofort erntete der Soldat böse Beleidigungen von der anderen Seite des Feldes.
In der Mitte des Duellierplatzes kam er derweil zu einer Veränderung. Bodvica versuchte zwar immer wieder, mit heftigen Hieben Vincent nicht nur zu treffen, sondern geradezu in den Boden zu rammen, aber genau das kostete sie eine Menge Kraft. Sie keuchte bereits, bekam den Zweihänder kaum noch hoch und so warf sie einen Blick zu ihrem Sekundanten. "Waffenwechsel!", brüllte sie ihm entgegen, woraufhin er sofort in den unsichtbaren Ring trat, um seiner Anführerin Schild und Schwert zu bringen. Vincent gab den ehrenhaften Kämpfer und wartete die Pause ab. Jeder andere hätte vermutlich den Sekundanten getötet und das erste Blut bei der Prinzessin verteilt, ehe sie sich von dem Schrecken hätte erholen können. Aber der grandessanische Thronfolger wartete. "Bereit?", fragte er sie sogar, bekam aber nur ein Schnauben und dann einen Sturmangriff zu spüren, bei dem die Prinzessin - Schild voran - auf ihn losrannte. Sie hatte nicht vor, sofort zuzuschlagen. Sie wollte ihn rammen. Vincent erkannte dies schnell genug und entschied sich für ein Manöver, das man einem Schildkämpfer nicht zutraute: Er wich in einer seitlichen Halbdrehung aus. Das erwartete auch Bodvica nicht und konnte nicht schnell genug reagieren. Sie hatte geglaubt, ihr Gegner würde sich hinter seinem Schild wie hinter einem Bollwerk verbergen. Nun stolperte sie an dem ausgewichenen Prinzen vorbei - ihr Rücken vollkommen ungedeckt. Vincent setzte zum Schlag an, aber auch ihm passierte etwas, das er nicht erwartet hatte. Nämlich, dass Bodvica von Jorsan in ihrem Stolpern einen sicheren Tritt fand und schlagartig stehen blieb.
"AAAAAHHHHHHHHHHRRRR!" Der Schrei kam auf Celcianisch, aber in jeder anderen Sprache hätte man ihn wohl auch verstanden. Der Prinzessin entglitt die Waffe, danach das Schild. Sie starrte an sich herunter, wo Vincents Schwertspitze vorn aus ihrem Körper ragte. Die Klinge führte einmal durch sie hindurch und auch Vincent ließ nun los. "Ahhr ... Schei..." Die Prinzessin sackte zusammen und noch ehe ihr Körper den Boden erreichte, bildete sich schon eine Blutlache unter ihr.
"CALEB! Schnell! Komm her und heil sie!" Vincent zeigte Anführerqualitäten, denn er bewahrte - im Gegensatz zu den jorsanischen Männern - die Ruhe. Diese, erbost davon, dass er grandessanische Hund ihre Prinzessin eiskalt abgestochen hatte, zückten ihre Waffen und verlangten nach Rache. Sofort waren die Grandessaner zur Stelle, um ihren Prinzen zu verteidigen, allen voran der mächtige Rist. Beide Parteien gingen Wut schnaubend und Verwünschungen brüllend aufeinander los, während Bodvicas Adjuntant das Weite suchte und sich Caleb zusammen mit der Verwundeten und seinem Prinzen zwischen den Fronten befand.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Dienstag 15. Mai 2012, 01:51

Eine Schockflut überrollte Caleb. Schild und Schwert fielen nutzlos zu Boden. Seine Arme fühlten sich plötzlich so leicht an, in seinem Kopf begann es zu rauschen. Seine roten Augen starrten auf das ebenso strahlende Blut. Sie ist tot!, war sein erster Gedanke. Der Ruf des Prinzen erreichte ihn gleichzeitig mit den Angriffsschreien der Jorsaner, den Geräuschen ihren Sturmangriffs. Kurz darauf mischte sich das Schreien seiner eigenen Landsleute in das Getümmel. Sein Blick fuhr hoch zum Prinzen, in die so dunklen Augen, und die Welt um ihn herum schien sich kurz zu verlangsamen, und stand dann vollkommen still.
"Sie ist nicht tot!"
Ein kleiner Junge mit weißen Haaren, er selbst, rannte in sein Blickfeld und ging neben Bodvica in die Hocke, welche auf die Knie gesunken und wie alles andere um ihn herum in der Bewegung erstarrt war. Besorgnis schimmerte in den Augen des Kindes. Schock. Verzweiflung. Caleb fand all diese Gefühl auch in sich selbst versammelt. Dies war der Moment. Hier würde alles beginnen. Der Krieg. Würde sie fallen, wäre selbst Jorsan nicht mehr zu beschwichtigen. Die beiden Länder würden kämpfen, bis der Rache genüge getan war. Wie wilde Hunde würden sie übereinander herfallen. Caleb konnte es zwar nicht sehen, aber die mordlustigen Blicke der Jorsaner, die wutentbrannt zum Vergeltungsschlag ausholten, konnte er sich nur zu gut vorstellen - sie waren Beweis genug für das, was Bodvicas Tod auslösen würde.
Und hinter ihm die Grandessaner, bereit ihren Prinzen zu verteidigen. Den Prinzen, der inmitten von all dem stand und ihn erwartungsvoll ansah.
Eine fast schon vertraute Hand legte sich auf seine Schulter und drückte sie; fest, mitleidlos.
"Es ist soweit. Genau das war doch der Plan des Prinzen."
Stimmt. Verlief nicht gerade alles so, wie es sein sollte? Er müsste sich eigentlich darüber freuen, dass ein Mitglied der jorsanischen Königsfamilie vor ihm im Sterben lag.
"Prinz Vincent weiß genau, dass du ihr nicht helfen kannst. Wie auch? Vielleicht erwartet er sogar, dass du ihr den Rest gibst. Es wäre ein schlichter Anfängerfehler..."
War dies nicht pure Logik? Die Jorsaner rannten geraden in den Tod, die Armbrustschützen auf den Wehrgängen würden sie unter Beschuss nehmen, bevor sie die grandessanische Front erreicht hatten, und der jämmerliche Rest würde von den bestens ausgebildeten Soldaten des Prinzen niedergemacht. Der erste Sieg auf ihrem Weg zur Hauptstadt und zum Kopf des Königs. Alles genau so, wie es sein sollte.
"NEIN!", der Schrei des Jungen ließ Caleb zusammenzucken, "Rette sie! Sie wird in deiner Schuld stehen, in unserem Lazarett gepflegt werden, man wird Gelegenheit bekommen mit ihr zu reden. Sie hat Einfluss auf den König, ihren Bruder! Dieser Krieg muss nicht stattfinden!"
Große, runde, flehende Augen ragten zu Caleb hinauf, der den Blick erwiderte ansah.
Der Griff um seinen Schulter verkrampfte sich und begann zu schmerzen. Die Stimme des Anderen war ein reines, drohendes Zischen: "Kindisches Wunschdenken!
Aber...


Die Welt setzte sich ruckartig wieder in Bewegung. Die Entscheidung war gefallen. Ob es etwas nützen würde, wusste Caleb dagegen nicht, aber in diesem Moment, ja, für diesen einen Moment, waren seine Sorgen und Ängste vergessen.
"STOP! SIE LEBT NOCH!"
Sein Ruf wurde von einem wilden Fauchen begleitet, dass er sich selbst niemals zugetraut hätte. Seine Ohren legten sich so ruckartig an, dass sie seine Kapuze vom Haupt rissen. Aber der Wutausbruch galt nicht nur den Jorsanern, auch zu Rist, Theben und den Anderen wandte sich der Junge auf seinem Weg zu Bodvica, die am Boden lag. Seine roten Augen sprühten Funken, er fauchte und versuchte mit Worten die aufwallende Schlacht zum Erliegen zu bringen. Ob irgendetwas davon eine Wirkung hatte, war für ihn von dem Moment an nicht mehr von Belang, als er sich neben Bodvica kniete.
Sie war vornüber gefallen. Das Schwert noch im Rücken. Caleb zog es nicht heraus. Es war nur logisch, dass er damit einen Blutschwall heraufbeschwören würde, dem er nicht Herr werden konnte. Stattdessen müsste er sich um die Bauchwunde kümmern. Der Aufprall auf dem Boden hatte die Spitze sicher zurück in den Körper gedrückt und darauß floss nun das meiste an Lebenssaft, welchen die Königsschwester gerade im Sekundentakt verlor.
"Hilf' mir, zieh sie in die Hocke!", befahl Caleb dem Prinzen. Wahrscheinlich würde er sich in einer Stunde dafür selbst ohrfeigen, aber im Moment war das alles egal.
Caleb war vielleicht kein ausgebildeter Medikus, aber er war ganz bestimmt nicht dumm und hatte schon das ein oder andere Buch gelesen. Er wusste zumindest zum Teil, was er tun musste. An Hand von Ein- und Austrittspunkt konnte Caleb zumindest etwas Gutes erkennen: Es wurden keine Lebenswichtigen Organe wie Leber oder Niere verletzt. Er hatte zwar nie einen Menschen von Innen gesehen, oder ein Buch darüber gelesen, aber im Schloss schon oft genug beim Schlachten von Schweinen zugesehen und mitgeholfen. Boran hatte immer erzählt, dass es zwischen Schweinen und Menschen keinen so großen Unterschied gab. Er hatte recht damit.
"Bodvica, hörst du mich!, Caleb gab ihr eine leichte Ohrfeige, "Das ist nur ein Kratzer, von sowas stirbst du mir nicht weg!
Vielleicht konnte er an den starken Willen der Kriegerin appellieren, die nur noch unregelmäßig atmete, oder eher keuchte. Ihr Körper war von Kampf erschöpft, sie war verschwitzt und schwach. Caleb zückte seinen Dolch und durchtrennte die Lederriemen, die ihre Rüstung zusammenhielten. Darunter trug sie ein Leinenhemd, auch das zerschnitt der Katzenjungen ohne groß nachzudenken. Die Augen auf der Wunde fuhr seine Hand in die Tasche. Vorhin hatte er einen Blick hinein geworfen, mehr brauchte er nicht um zu wissen wo er was finden konnte. Zinnkraut. Blutstillender frischer Saft. Er drückte ihren Kopf in den Nacken, zog ihren Unterkiefer auf und presste mit bloßen Händen das Kraut zusammen, bis die grünliche Flüssigkeit in ihren Rachen tropfte.
Vielleicht kann ich sie so zusammenflicken, dass sie es bis ins Lazarett schafft! Mehr bildete sich Caleb nicht ein.
Die inneren Verletzungen durch die Klinge würde der Medikus richten müssen, genauso wie das nähen der Wunden, dass konnte er nicht. Deshalb musste das Schwert vorerst stecken bleiben. Als nächstes holte er die Verbände aus der Tasche. Da er auch davon keine Ahnung hatte, blieb ihm nichts anderes übrig, als es einfach um ihren Bauch zu wickeln, so oft, bis der Verband sich nicht sofort rot färbte. Danach machte er es breiter, bis von ihren Lenden bis zu den ersten Rippen alles bandagiert war. Für das kundige Auge war es wohl eine unglaublich amateurhafte Arbeit und Caleb konnte nichts sagen, ob es seinen Zweck erfüllen würde. Er hatte es zumindest so fest gesurrt, wie er nur konnte.
Zum Schluss griff Caleb noch einmal in die Tasche und durchsuchte die wenigen Medikamente. Und tatsächlich. Hirtentäscheltinktur war dabei. Auch das landete im Hals der Verletzten. Während das Zinnkraut gegen Blutungen bei äußeren Wunden half, tat es der Hirtentäschel bei Inneren. Zumindest in der Theorie. Caleb wusste nicht, wie schnell oder effektiv dies war, ob er ihr zu viel oder zu wenig verabreicht hatte, ob es Nebenwirkungen beim Einsatz beider Kräuter gab.
"Sie muss so schnell es geht ins Lazarett!"
Was um ihn herum geschehen war, hatte Caleb vollkommen ausgeblendet. Auch jetzt rauschte es noch in seinen Ohren und sein Kopf war auf seltsame Art und Weise klar.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Freitag 18. Mai 2012, 11:30

Prinz Vincent riss den Schild nicht hoch, noch zog er das Schwert, das fast bis zum Heft im Körper der jorsanischen Prinzessin steckte. Sein Blick galt weder den eigenen Männern noch dem Feind, der Wut schnaubend hinter ihm los stürmte, einige sogar auf den Prinzen selbst los. Er stand einfach nur da und sein Blick fixierte auffordernd Caleb. Komm her und hilf ihr, das ist ein Befehl! Seine Augen schrien es in die Welt, als wäre da seine Verlobte verwundet worden. Er machte alles andere als einen Eindruck, erfreut über Bodvicas Zustand zu sein. Obgleich Jorsan der Feind war, sie lag hier verletzt durch seine Hand. Eine Verletzung die weit über das erste Blut eines Duellkampfes hinaus ging. Hatte er Schuldgefühle? Ob er wusste, dass es besser war, das Schwert nun nicht zu ziehen? Solange sich Bodvica nicht bewegte, damit die Klinge nicht noch mehr Fleisch schneiden konnte, würde sie zumindest das Blut etwas am Austreten hindern. Aber heraus musste die Waffe früher oder später, sonst würde eintreten, was sich als erster Gedanke in Calebs Kopf angebahnt hatte: sie würde sterben.
Daher rief er, so laut er konnte. Es brauchten keine Soldaten in den Tod zu laufen, weder auf seiner noch auf gegnerischer Seite. Bodvica lebte, sie würde durchhalten, wenn man ihr jetzt half. Das hatte Caleb wohl instinktiv im Gefühl oder er witterte es in der Luft. Wie auch immer, sein Versuch, beide Parteien aufzuhalten, ging im Kampflärm unter. Über seinen Kopf flogen Bolzen hinweg. Jorsanische Soldaten gingen getroffen zu Boden. Sofort wurden Befehle geschrien, den Feind zu attackieren, aber außer Reichweite der gegnerischen Schützen zu bleiben. Diese mussten sich auf den Wehrgängen inzwischen aber auch vorsehen. Zu viele von Vincents Männern hatten sich längst in einen Kampf gestürzt und man sollte doch vermeiden, die eigenen Leute umzubringen. So stellten die Schützen das Feuer dort ein, wo der Kampf zu einem dichten Handgemenge geworden war und zielen nur auf Feinde am Rand - was gar nicht so leicht war. Auch Theben, der mit seiner Armbrust am Rand der Scharmützel entlang lief, feuerte nur ab, wenn er sich absolut sicher war. Dafür rettete er Vincent vermutlich gerade das Leben. Ein Jorsaner, mit breiten Schultern wie Rist, hob seine Klinge und zielte auf den Hals des Prinzen. Vincent trug keinen dieser eisernen Bärte, die Schutz boten. Er brauchte am Hals Bewegungsfreiheit, darauf hatte er immer Wert gelegt und es riskiert, den Schutz einzubüßen. Jetzt wäre es sein Tod gewesen, wenn er sich nicht auf Menschen wie Theben hätte verlassen können. Dessen Bolzen schwirrte zielsicher durch die Luft, traf voll ins Schwarze. Der jorsanische Soldat kippte neben dem Prinzen in den Dreck. Doch der stand immer noch nahezu reglos mitten im Getümmel, hatte seinen Blick nur einmal abgewandt, um Bodvica anzusehen. Dann suchte er wiederholt nach Caleb. "HIERHER!", brüllte er ihn jetzt an und klang überraschend aufgebracht. Wohin war die Ruhe, die er sonst ausstrahlte? Wohin sein Führungstalent? Er war doch als Soldat ausgebildet worden, hatte bereits an größeren Schlachten teilgenommen! Warum reagierte er jetzt so kopflos?
Auch Caleb reagierte wohl anders als er es je von sich gedacht hätte. Etwas in seinem Inneren schien ihn anzutreiben, so dass er fauchend und mit blitzenden Augen sich einen Weg durch die Kämpfenden, bis hin zum Prinzen und der Prinzessin bahnte. Geschickt wich er dabei den Angriffen aus, noch ehe er sie richtig kommen sah. Er besaß einen katzenhaften, sechsten Sinn. Und so erreichte er vollkommen unversehrt, die Heilertasche dabei, die in ihrem eigenen Blut liegende Bodvica von Jorsan. Sie war blass, keuchte, ihre Lider flimmerten. Auch Vincent kniete sich hin. Sie bildeten eine Kuppel aus Sorge mitten im Kampfgetümmel. "Kannst du etwas tun?", musste Vincent, der doch direkt neben ihm kniete, seinem Diener und Waffenbruder zurufen, um das Getöse zu übertönen. Er half ihm, die Prinzessin aufzurichten. Dass Caleb es war, der ihm Befehle erteilte, störte ihn nicht. Hier ging es um Leben und Tod.
Dann packte der Thronfolger ihn an der Schulter - jene Stelle, an die zuvor noch eine unsichtbare Hand mit eiserner Stärke gegriffen hatte, dass es schmerzte. "Hör zu, Caleb. Es ist sehr wichtig, dass du sie ins Lazarett bringst. Hörst du?! Ihr darf nichts passieren, auch dort nicht. Ich gebe ihr Überleben in deine Verantwortung. Hilf ihr, egal wie, aber sie muss leben ... und sie darf nicht entkommen." Klare Worte und auch die vorerst letzten, die Caleb von seinem Prinzen hören würde. Jetzt, da er Bodvica in sicherer Obhut wusste, kehrte eine Selbstsicherheit in seinen Körper zurück. Er griff nach dem Schwert des Jorsaners, den Theben ausgeschaltet hatte. Sein Leben war mit dem Treffer in seinen ungeschützten Nacken ausgehaucht worden. Er würde die Klinge also nicht mehr brauchen. Vincent umfasste sie, prüfte für einen Sekundenbruchteil ihr Gewicht und warf dann dem Katzenjungen einen letzten Blick zu. Schon stürmte auch er sich in die Meute. Die Jorsaner unterlagen bereits jetzt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis all ihre Leben auf diesem Stück Feld endeten. Aber Caleb konnte sich nicht darum sorgen. Ihm war Verantwortung gegeben worden.

Bodvica war noch bei Bewusstsein. Auch wenn der Schwertstich ihr wie jedem anderen Menschen auch stark zusetzte, sie zeigte Zähigkeit. Andere hätten sich in eine Ohnmacht gerettet, sie aber kämpfte verbissen weiter. Die Lider hoben sich zwar matt, aber se reagierte auf Caleb, sogar auf dessen Ohrfeige, die ihr ein Knurren entlockte. "Kratzer...", wiederholte sie keuchend. Endlich wurde auf das Garmisch verzichtet. "Jahhrrrnn...." Kurz schüttelte sie es, denn ihre neu eingenommene Position sorgte dafür, dass die Klinge neu ins Fleisch schnitt. Schmerz druchflutete ihren Körper. Sie verdrehte die Augen, fand aber zu sich zurück. Sie beobachtete sogar sein Vorgehen, auch wenn sich ihr Blick augenscheinlich nach und nach trübte. "Zinnkr... gut ..." Bereitwillig ließ sie sich den Saft des Krautes einflößen, trank ohne zu husten. Sie riss sich verdammt stark zusammen. Ein solches Verhalten hätte man bei Rist erwarten können, nicht aber bei einer Frau wie ihr.
Als Caleb ihr den Verband umlegte, hob sie die Hand. Diese zitterte, suchte nach seiner, fand sie jedoch nicht. Aber möglicherweise machte die Jorsanerin so auf sich aufmerksam. Ihre Lippen bewegten sich. Sie wollte etwas sagen. Es drang wie ein zarter Windhauch dünn aus ihrem Mund hervor. Glücklicherweise nahmen Calebs Katzenohren selbst dieses leise Wispern auf, als sie sich danach ausrichteten. "Mehr ... Druck ..." Sie gab ihm Anleitung, wie er den Verband anzulegen hatte. Ein Druckverband, der das Blut in ihren Körper presste, bis sich jemand richtig um sie kümmern könnte. Keine schlechte Idee. Caleb würde sie nur umsetzen müssen. Er gab sein Bestes, verabreichte ihr sogar noch ein weiteres Mittel und irgendwie kehrte Ruhe in den Körper der Prinzessin ein, ohne dass diese vom zarten Hauch des Todes begleitet wurde. Und da wir gerade vom Gevatter sprachen ...


~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Am Rande des Schlachtfelds standen zwei Gestalten. Gesehen wurden sie nur von jenen, die ihre letzten Atemzüge taten. Der eine hüllte sich, ganz klassisch, in ein Gewand aus reiner Schwärze. Es bauschte zu seinen knochigen Füßen auf wie Rauch, stürzte in sich zusammen, brach sich und bildete sich immer wieder neu. Es hinterließ einen finsteren Dunst in nächster Umgebung. Das Gewand wuchs zu einer Robe heran, deren Ärmel noch über die Gelenke der bleichen Knochenhände hinaus gingen und am Kopf in einer Kapuze endeten, die jener Calebs ähnelte. Darunter grinsten zwei übereinander liegende Zahnreihen hell hervor. Das Augenpaar, welches aus funkeltem Licht zu bestehen schien, strahlte gleichermaßen hell. Die Gestalt legte die gewaltige Sense - wichtigstes seiner Arbeitsgeräte - in die andere freie Hand.
Neben ihm stand jemand, der allen bekannt war, die lebten und die sich doch selten in einer festen Form präsentierte. Sie war hell, eine Mischung aus weißgold, ohne den Platz des Lichtgottes Lysanthor streitig machen zu wollen. Denn sie war keine Göttin, sie war ein ewig währender Zustand. Zeitlos und somit mächtiger als jede Gottheit es je sein würde. Sie war die Herrin, die den Gevatter an ihrer Seite in ihren Dienst gestellt hatte. In einer Hand hielt sie eine kleine Laterne, filigrane Arbeit und das Licht darin glühte ohne Kerze und Docht. Es war das einzige, das Sterbende am Ende eines finsternen Tunnels von dieser Personifizierung erkennen konnten. Dass ihr prachtvoll gearbeitetes Kleid am Boden in jungen Pflanzen, Blumen und kleinen Schmetterlingen und Insekten endete, die aufstiegen, um sofort wieder zu vergehen, sag nur Tod an ihrer Seite.
"Wird sie überleben?", fragte die freundliche Frau mit einem Blick zu verletzten Prinzessin bei Caleb.
"Wenn du es wünschst, meine Herrin. Du entscheidest."
Ein Lachen. "Aber ich beobachte doch nur, was das geschenkte Leben durch die Kraft einer Seele und ihren Willen formt. Ich gab das Mittel, was die Sterblichen daraus machen, liegt nicht in meiner Hand."
"Du könntest ihr ein Licht anzünden, damit sie sich in meiner Dunkelheit zurecht findet."
"Das könnte ich." Und sie trat, ungesehen von allen, zu der verletzten Prinzessin hin, um eine Kopie ihrer Laterne neben ihr abzustellen. Dann widmeten sich Gevatter Tod und seine Herrin Leben wieder dem übrigen Geschehen auf dem kleinen Schlachtfeld.
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~



Ein Ruck ging durch Bodvicas Körper. Sie holte tief Luft, als sei sie gestorben und gerade wieder von den Toten auferstanden. Was immer mit ihr geschah, für wenige Augenblicke kehrte Farbe in ihr Gesicht zurück. "Hilf ... auf", brachte sie hervor, tastete nach Caleb, um sich aus eigener Kraft hochzuziehen. Das würde ihr nicht gelingen, aber wenn er sie stützte, könnte sie vielleicht ein paar Schritte gehen. Bis zum grandessanischen Lazarett würde sie es allerdings im Leben nicht schaffen. Nicht so.
"Lasst mich euch helfen, ich werde nicht angreifen." Celcianisch mit einer Spur des Akzentes, den Caleb bereits bei Jorsanern gehört hatte. Und tatsächlich tauchte bei ihm ein älterer Mann mit rotbraunem Schnauzbart und weichen Augen auf. Er trug eine jorsanische Rüstung und darüber die abgewetzten Reste seines Wappenrockes. Wo sein Schild verblieben war, konnte man nicht in Erfahrung bringen. Das Schwert steckte er gerade weg, zum Zeichen, dass er offensichtlich wirklich nur helfen wollte. Schon griff er seiner Prinzessin unter die Arme. "Wohin?", fragte er, erwartete doch tatsächlich von Caleb Befehle. Das Lazarett befand sich hinter der Palisade Tromans.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Montag 21. Mai 2012, 21:21

Die Hand der Prinzessin legte sich spürbar auf seine Schulter. Selbst jetzt, in ihrem geschwächten Zustand, konnte er noch die verbliebene Kraft in ihrem Griff spüren. Was gerade in sie gefahren war, darüber machte sich Caleb kaum Gedanken, sondern sandte lediglich in kurzes Dankgebet an seinen Gott Feylin und bat um den entscheidenen Funken Glück, der es ihm vielleicht ermöglichte Bodvika zu retten. Vorsichtig hockte sich der kleine Diener neben die Königsschwester und legte sich ihren Arm über die Schultern, da trat der feindliche Jorsaner an sie heran. Caleb hatte lediglich einen auffordernden Blick für ihn, nichts weiter. Er spürte keinen Hass oder Groll, nicht gegen die Jorsaner, und erst recht nicht gegen den Rotbart, der nun den linken Arm seiner Herrin ergriff. Im Gegenteil. Genau das selbe hätte er getan, wenn sein Prinz in dieser Situation gewesen wäre. Der kleine Katzenjunge und der gestandene Soldat waren sich wahrscheinlich gar nicht so unähnlich. Es war jediglich die sichbare Grenze der Königsreiche und deren Fehde, die sie hier auf das Schlachtfeld gegeneinander geführt hatte.
Und die Treue zu ihren Herrn war es nun, die sie jedwede Streitigkeit und sogar die Schlacht um sich herum vergessen ließ.
Vielleicht war es auch genau dieser Zusammenhalt, der sie sicher aus diesem Chaos manövrierte. Caleb in seinem grandessanischen Aufzug zusammen mit dem Jorsaner und einer Verletzten in der Mitte. Keine der beiden Parteien kam auf die Idee, sie anzugreifen. Dazu hätte die jorsanischen Soldaten sicher auch keine Zeit gehabt, sie waren hoffnungslos unterlegen. Caleb wurde kalt ums Herz bei dem Gedanken, dass dieser Rotbart, der aufs Kämpfen verzichtet hatte, zum Wohl seiner Prinzessin, wahrscheinlich der einzige Überlebende dieser Schlacht sein würde. Ein Seitenblick auf den Mann zeigte ihm nur eine verbisse Miene, die das Tor Tromans fixierte, die rettenden Zuflucht.
"Redet auf sie ein, sie muss wach bleiben!", riet Caleb, die Stimme nicht mehr ganz so fest und selbstsicher wie kurz zuvor, als er selbst dem Prinzen befohlen hatte. Das Adrenalin konnte er immer noch in sich sprudeln spüren, aber sein Kopf begann langsam aufzuholen. Es war ihm vorgekommen, als hätte jemand anderes die Führung übernommen und ihn in dieser heiklen Situation gesteuert. Sein kleines Selbst war in ihn gefahren. Was wohl passiert wäre, wenn er den Diener den Vorrang gegeben hätte...
Die Last auf ihm begann sich bemerkbar zu machen. Der Rotbart war etwas größer als Bodvica, und er selbst kleiner als sie, weshalb die Prinzessin etwas schräg zwischen ihnen hing und das meiste Gewicht sich auf Caleb legte. Bilder der Schlacht, die er vorhin gar nicht bewusst wahrgenommen hatte, schlichen sich nun in seinen Geist. Schwerter, die in Beine und Bäuche getrieben wurden, das abartige Klirren von Metall und das Rascheln der Kettenhemden. Das Pfeifen der Bolzen, wenn sie aus der Armbrut Thebens schnellten. So viele Dinge, die er bei der Behandlung Bodvicas überhaupt nicht mitbekommen hatte, aber doch hatte sein Kopf sie nicht vergessen. Es donnerte auf ihn ein.
"Wir sind gleich da, nur noch ein Stückchen.", redete Caleb auf die Verletzte ein, obwohl er es in Wahrheit mehr zu sich selbst sagte. Die Tore waren immer noch verschlossen. Ein Ruf kam von den Palisaden, aber Caleb konnte ihn nicht verstehen. Schmerzensschreie und Siegesgeheul verstopften seine Ohren, aber dem erwartungsvollen Blick des Rotbarts nach zu folge, konnte er sich denken, was gerufen worden war.
"Sie ist schwerverletzt!", schrie er mit brüchiger Stimme. Das Schwert in ihrem Rücken konnte man wohl nicht sehen und der jorsanische Soldat hatte die Wache bestimmt unsicher gemacht, ob sie das Tor öffnen sollte. Als ob ein Soldat eine Bedrohung für die Reserve wäre, die hinter der Palisade wohl vergeblich auf ihren Einsatz wartete. Dann endlich wurde ihnen der Weg nach Troman geöffnet.
Keine Sekunde später waren sie von einer Gruppe Soldaten umringt. Ein Hauptmann sprach ihn an, die Hand an der Waffe und den Blick auf die beiden Jorsaner gerichtet.
"Wir verarzten keine Jorsaner!", sein Blick verfinsterte sich noch ein Stück weiter, während sich seine Mundwinkel spöttisch nach oben zogen. "Und es wäre mir neu, das wir Gefangene machen!"
Raues Männerlachen antwortete, aber Caleb hatte für sowas keine Zeit. Er war vielleicht ziemlich schüchtert, aber wenn ihn etwas unglaublich auf die Nerven ging, vor allem wenn ihm gerade mächtige Kopfschmerzen behämmerten, wurde selbst der kleine Katzenjunge einmal ruppig.
"Befehl des Prinzen. Fürs Erste sind die beiden Gäste unter Beobachtung!" Die roten Augen starrten beinahe zornig in die des Hauptmanns zurück, während die gerunzelte Stirn wohl eher den Schmerzen zuzuschreiben war. Man sah dem Soldaten an, dass er keine Lust hatte, sich von jemandem wie ihm Befehle erteilen zu lassen. Vor allem nicht von einem Albinohybriden, der mit der Schwester des jorsanisches Königs daher kam um verlangte, dass sie wie ein Gast behandelt wurde.
Ob der Hauptmann wusste, dass er ein Diener des Prinzen war, ihm schlichtweg glaubte, oder ob es an seinem Wappenrock und der Rolle als Feldarzt war, man gewährte ihnen Einlass. Einer aus der Gruppe Soldaten übernahm sogar für Caleb das stützen der Prinzessin, denn man sah ihm inzwischen an, dass er erschöpft und mitgenommen war. Vier weitere Soldaten eskortierten sie durch Troman, nachdem sie dem Rotbart die Waffe angenommen hatten.
Ihre Prozession erregte einiges an Aufmerksamkeit. Nicht oft wurde einer Jorsanerin mit einem Schwert im Rücken durch die Stadt geschleift. Aber Caleb hatte kaum Augen für die Gaffer, sondern spornte sie alle lediglich zur Eile an. Man konnte bereits wieder rote Flecken im Verband sehen, den er mehr schlecht als recht angelegt hatte. Es war immerhin das erste Mal gewesen, dass er so etwas überhaupt gemacht hatte.
Vor dem Lazarett standen bereits einige Menschen, die Caleb auf die Entfernung nicht erkennen konnte, doch sie kamen ihnen ziemlich schnell entgegen gelaufen. Es waren der Medikus, Derenja und Madleen. Sein Kopf rauschte zu sehr von den Erinnerungen an die Schlacht und die Eindrücke der Stadt, den neuen Gesichtern und allem, als dass er sie verstehen konnte, falls sie überhaupt etwas sagten.
"Hab ihr Zinnkraut und Hirtentäscheltinktur gegen, ich glaube weder Leber noch Niere oder Milz sind verletzt."
Dann fasste er sich an den Kopf und schloss die Augen, seine Hände rieben die Schläfen. Madleen kam dieser Zustand sicher bekannt vor. Der Katzenjunge jedenfalls musste erst wieder so einiges verarbeiten, bevor er wieder alles um sich herum wahrnehmen konnte...

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Samstag 26. Mai 2012, 02:09

Schweigend transportierten der fremde Jorsaner und Caleb die verletzte Prinzessin des feindlich gesinnten Königreiches auf das Palisadentor zu. Wie durch ein Wunder gelang ihnen diese Aktion, ohne einen Übergriff, ob nun von feindlicher oder der eigenen Seite. Die übrigen Jorsaner hatten keine Chance. Schon jetzt sanken viele von ihnen in den Dreck und waren tot, ehe sie den Boden berührten. Theben lachte zweimal auf, nachdem er wie ein Wilder seine Bolzen verschossen hatte. Der Eifer des Gefechts hatte auch ihn erfasst. Einmal wurde ein Soldat weit geschleudert, dass er wenige Meter vor der Palisade auftraf. Allein der Aufprall sorgte dafür, dass sich seine Rüstung unangenehm verbog und ihm wohl das Ende bereitet hätte. Er spuckte Blut, röchelte und rang um Luft. Die Schützen auf den Wehrgängen gewährten ihm ein schnelles Ende. Sie zielten auch auf Calebs Begleiter und die Prinzessin, aber niemand feuerte, denn neben ihnen stützte ein grandessanischer Feldheiler die Verletzte.
Trotzdem dauerte es einen Moment, bis man das Tor öffnete und sie einließ. Die beiden Feinde wurden misstrauisch beäugt und anfangs versperrte man noch den Weg. Bis Caleb seine Stellung klar machte. Er durfte feststellen, dass ein Feldheiler, der einen Verletzten mit sich führte - unabhängig wen - unter diesen Umständen mehr Befehlsgewalt besaß als ein Offizier Tromans. "Klug von Euch und ... habt Dank", gab der jorsanische Soldat dem Offizier ihm gegenüber zu verstehen, als dieser einwilligte, die Prinzessin zum Lazarett bringen zu lassen. Unterwegs wurde sie aus Calebs Armen gezogen, damit man sie schneller zum Ziel bringen konnte. Den Soldaten nahm man mit auf ihn gerichteten Klingen ebenfalls mit. Caleb erhielt die Gelegenheit, ein wenig Luft zu schnappen. Jenseits des Tores tobte noch immer der Kampf, auch wenn der Lärm langsam abflaute. Bald wäre es vorbei und was dann?
Sein Prinz hatte Bodvica von Jorsan verletzt, vielleicht tötlich. Das wäre sicherlich nicht die letzte Welle Jorsaner, die Troman heim suchte und nun, da ihre Prinzessin im Lazarett des Feindes lag, würde man das Grenzdorf vielleicht mit allen verfügbaren Einheiten stürmen. Oder aber sie warteten ab, was geschah. Bodvica könnte von Troman wie eine Geisel behandelt werden. Wenn Prinz Vincent es richtig anstellte, könnte er so einen Krieg verhindern oder weitaus mehr. Natürlich, sofern dem jorsanischen König etwas an seiner Schwester lag. Es war schon seltsam, dass man sie in den Krieg schickte, noch dazu, um einen Hauptmann zurück zu holen. Zwar befand sich der Prinz derzeit auch auf dem Schlachtfeld, aber er war eindeutig ohne die Erlaubnis seines Königs losgezogen. Ob Bodvica mit ihm etwas gemeinsam hatte in dieser Hinsicht? Man würde es nur heraus finden, wenn sie überlebte und erzählen konnte, was ihre Gründe und Motive waren.

Man manövrierte die Prinzessin rasch ins Lazarett. Ihr folgten der Medicus und der jorsanische Rotbart, noch immer von Soldaten umringt. Er gab sich friedlich, abgesehen von der Forderung, bei seiner Herrin bleiben zu dürfen. Man gewährte ihm diese Bitte, da er freiwillig seine Waffen abgegeben hatte. Aber man fesselte ihm die Hände auf den Rücken. Madleen ließ sich von Caleb die Informationen geben, nickte zu seiner Frage und rannte dann ins Innere des Lazaretts. Lediglich Derenja blieb bei dem Katzenjungen. Obwohl sie ihn noch nicht lange kannte, fiel ihr seine Blässe auf. Er besaß ohnehin schon eine ziemlich helle Haut, aber jetzt war sie noch bleicher als schon zuvor, dafür zeigten sich seine Wangen in einem ungesunden Rot. Er würde doch nicht krank?
Sie kniete sich zu ihm, zückte eine kleine Feldflasche in Kürbisform und setzte sie an seinen Mund. "Wasser durchsetzt mit ein paar Kräutern. Sie verleihen dir neue Kraft. Trink!" Erneut tauchte Madleen neben ihm auf. Nur kurz, aber lange genug, um ihm zu sagen: "Für deinen offenbar ersten Verband hast du deine Sache gut gemacht. Ruh dich aus. Derenja, du kümmerst dich um ihn, der Medicus und ich machen das schon. Sie wird überleben." Dann verschwand sie wieder nach drinnen. Derenja hockte sich jetzt zu Caleb, griff nach seiner Hand. Er hatte sich mit geschlossenen Augen die Schläfen massiert. Nun übernahm sie das und ihre Hände bewirkten wahre Wunder. Sie vertrieben zwar nicht die aufkeimende Migräne ob all des Trubels, aber es fühlte sich angenehm an. Leider währte dieses Gefühl nur von allzu kurzer Dauer. Derenja schnappte sich nämlich Calebs Heilertasche, wühlte darin herum. "Wenn du Kopfschmerzen hast, solltest du das hier verwenden." Sie holte ein Glas mit kleinen, grünen Blättern hervor. Kaum dass sie das Glas geöffnet hatte, entströmte der unverkennbare Geruch von Pfefferminz sein Aroma. Derenja träufelte ein wenig Wasser auf die Blätter und drückte sie an Calebs Schläfen. "Festhalten", wies sie ihn freundlich, aber bestimmt an. Dann untersuchte sie ihn nach Verletzungen, entdeckte keine und blieb so eine ganze Weile bei ihm sitzen. Schweigend.

Die Zeit verrann, der Lärm vor den Toren nahm ab, bis er fast ganz verstummte. Was an Geräuschkulisse zurückblieb, wandelte sich von Kampfschreien und Waffengeklirr in Marschieren, triumphales Geplapper und das Rüstungsklirren von Soldaten, die vom Schlachtfeld zurückkehrten. Einige von ihnen wurden geschleppt und zwar ebenfalls in Richtung Lazarett. Andere, wie Rist, marschierten aufrecht. Als der Hüne Caleb entdeckte, wandte er sich in seine Richtung. "Alles in Ordnung?" Derenja nickte ihm zu. Rist lehnte sich an eine Mauer. Seine Rüstung zeugte von den Leben, die er dem Feind genommen hatte. Er würde viel polieren müssen, um all das Blut loszuwerden. Kurz darauf trafen auch Theben und Vincent ein. Letzterer kniete sich sofort zu Caleb. Sein Prinz kniete vor ihm!
Er legte eine Hand an seine Schulter, schaute ihn mit ernster Besorgnis an. Vincent hatte eine kleine Platzwunde an der Stirn. "Lebt sie noch? Hast du meine Befehle ausgeführt?" Er wirkte aufrichtig um das Wohl der fremden Prinzessin besorgt. Dann erhob er sich, wandte sich - nun, da genug Ruhe war - an seine übrigen Gefährten. "Weiß jemand von euch etwas über diesen Mann, den sie erwähnte? Starlyn? Nein?" Rist und Theben schüttelten die Köpfe. "Uns hat sich kein Hauptmann mit diesem Namen vorgestellt. Man sprach von seiner Ankunft, wie ich dir schon erzählte, Vince, aber entweder haben wir sie verpasst oder er hat Troman nicht gefunden."
"Genug der Witze, Theben. Das ist eine ernste Sache. Warum sucht eine Prinzessin nach einem Hauptmann? Er muss ihr sehr wichtig sein. Aber die wichtigere Frage ist, wo der Kerl steckt. Theben, du bist schnell. Kannst du die Gegend auskundschaften und dich mal nach diesem Starlyn umhören? Ich gebe dir den übrigen heutigen Tag. Komm so zurück, dass du vor Mitternacht wieder hier eintriffst. Vielleicht ist bis dahin auch Bodvica von Jorsan soweit wohlauf, dass man ihr Fragen stellen kann."
Erneut schaute Vincent zu Caleb. "Die Jorsaner sind tot oder geflohen. Am Tor meinte man, du wärst nicht allein gekommen. Wer hat dich begleitet?"
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Dienstag 29. Mai 2012, 01:23

Langsam, unheimlich langsam kehrte wieder Ruhe in den aufgewühlten Körper des Jungen ein, auch wenn sein Kopf weiterhin rumorte. Der Trank, den er soeben von Derenja eingeflößt bekommen hatte, schmeckte ein wenig bitter, aber gerade das Wasser tat ihm gut. Erst jetzt bemerkte er, wie schwer sein Atem ging und dass ihm Schweißperlen auf der blassen Haut glitzerten. Seine Hand zitterte leicht und seine Augen hatte Probleme einen Punkt zu fixieren. Erschöpfung brach über ihn herein, da half selbst die Medizin nicht und Caleb musste sich an einer Häuserwand anlehnen und zu Boden gleiten lassen.
Er rieb sich noch mit zusammengekniffenen Augen die Stirnseiten, als er Madleens Schritte von der Straße hörte. Sie hatte es eilig, zu ihnen zu kommen, aber ihre Stimme war ruhig. Das gut gemeinte Lob prallte an ihm ab. Stattdessen sorgte die Nachricht, das Bodvica überleben würde, dafür, dass auch wirklich die letzten Spannung aus Caleb entwich und man konnte förmlich sehen, wie er ein wenig zusammen sackte. Es war geschafft. Die Verantwortung von ihm genommen. Er hatte es geschafft.
Kühle Hände umfassten seine und zogen sie beschwichtigen von seinen Schläfen. Kraftlos fielen seine Arme zu Boden und er machte keine Anstalten mehr, sie zu heben. Der Katzenjunge öffnete die Augen und sah in die von Derenja, bevor er sie wieder mit einem erleichterten Seufzer schloss. Es tat gut, ihre kühlen Hände auf seiner überhitzten Haut zu spüren. Gegen Licht war er immer noch anfällig.
"Danke.", hauchte er aus, nun wieder zögerlich und doch höflich, "Es wird schon besser."
Artig gehorchte er ihren Anweisungen und hielt sich die vom Wasser schön kalten Blätter an die Schläfen. Vielleicht wäre ihm das auch eingefallen, wenn er auch nur eine Sekunde an seine eigene Sicherheit oder Wohlergehen gedacht hätte. Er wollte ihr noch mehr danken, aber seine Gedanken kreisten um zu viele Dinge, an die er sich gar nicht erinnern wollte. Die Stille zwischen ihnen und das Warten halfen ihm, alles zu verarbeiten. Irgendwann öffnete er einfach die Augen und war wieder vollkommen klar.
Gerade wollte er sich Sorgen machen, um den Prinz. Um Theben und Rist, aber da hörten seine zuckenden Katzenohren die Jubelschreie. Und überraschender Weise verschwand sofort jedes Mitgefühl. Vorsichtig stand der Diener auf und sah die Straße hinunter, den der Siegeszug unweigerlich nehmen musste, denn sicherlich gab es auch unter den Grandessanern verletzte.
Doch Caleb verschränkte nur die Arme vor der Brust.
"Sie feiern nicht ihren Sieg, dass ihre Kameraden und Freunde noch am Leben sind. Sie feiern die Niederlage und den Tod der Anderen. Wo bitte liegt da der Grund zur Freude?"
Er hatte geflüstert, aber sicher hatte es Derenja gehört. All diese Menschen hätten nicht sterben müssen. Die Jorsaner hatte aus Rache angegriffen, sie dachten ihre Anführerin wäre ermordet worden, aber die Grandessaner waren aus Blutdurst in den Kampf gegangen. Darauf hatte sie doch die ganze Zeit schon gebrannt.
Thebens gehässiges Lachen schallte in seinen Ohren. Dann sah er Rist in seiner blutverschmierten Rüstung.
Seit er die Beiden kennen gelernt hatte, war ihm niemals so unwohl bei ihren Anblick gewesen.
Selbst für seinen Prinzen fehlte ihm in diesem Moment jegliche Sympathie. Irgendwie war er sogar traurig. Aber jahrelange Routine setzte ihm eine ausdruckslose Miene auf, löste seine abwehrenden Haltung auf und brachte ihn dazu, sich vor dem Prinzen zu verbeugen, wie es nur rechtens war.
"Sie wird überleben, mein Prinz, Madleen hat es versichert.", antwortete er seinem Herrn ohne Emotion, obwohl es ihn eigentlich freute, dass es ihm gelungen war, Bodvica zu retten. Andere wären vor Stolz geplatzt, dass sie ohne vorherige Ausbildung zu so etwas im Stande gewesen waren, wo auch noch viel Glück mit hinein gespielt hatte, aber Caleb sah so aus, als wäre es ihm egal.
Die Hand, welche ihm die Kapuze über den Kopf zog, fühlte sich nicht wie seine eigene an. Oder doch?
Stumm stand er da, die Hände auf dem Rücken verschränkt, die Haltung steif, während der Prinz seine Fragen und Befehle an die übrigen Soldaten stellte. Dabei kam ihm ein andere Gedanke, der wirklich überraschend kam: Wer war nun der Gewinner des Duells? Weder er, noch der Sekundant Bodvicas, der nun sicher nicht mehr lebte, hatte das Duells beendet oder für entschieden erklärt. Und hatte der Prinz sie nicht tödlich verwundet und somit gegen die Regeln verstoßen? Sicher, es war in der Hitze des Gefechts und durch Bodvicas abbremsen geschehen, aber Prinz Vincent hätte nicht direkt auf ihren Rücken zielen müssen, die Seite oder ein Arm hätten es auch getan.
Konnte er den Prinzen nicht immer noch verlieren erklären? Damit würde er Bodvicas Gewinnerrecht, sich in Troman frei zu bewegen und es jederzeit unbehelligt wieder zu verlassen in Kraft setzen. Sie wäre unantastbar und würde sich selbst weniger wie eine Gefangene vorkommen.
Aber vielleicht sprachen sie auch so miteinander. Caleb würde diesen Umstande jedenfalls im Hinterkopf behalten. Würde man ihn überhaupt ernst nehmen? Der Prinz sich seinem Wort beugen? Hoffentlich musste er das nicht herausfinden.
Der Prinz wandte sich erneut an ihn. Die Haltung seines Dieners hatte sich nach außen hin nicht geändert: "Ein Jorsaner, Herr. Er legte seine Waffe freiwillig nieder, um mir beim Transport der Prinzessin zu helfen, während unsere Soldaten ... beschäftigt waren. Er ist gefesselt und wird bewacht und müsste sich bei Prinzessin Bodvica im Lazarett befinden, Eure Hoheit."
Niemand könnte es ihm ansehen, aber würde man entscheiden, dass der Rotbart ruhig getötet werden konnte, da man nicht ihn sondern nur die Prinzessin brauchte, würde Caleb für ihn Partei ergreifen. Das hatte dieser Mann nicht verdient. Wahrscheinlich war er der Einzige des gesamten Trupps gewesen, dem das Wohl seiner Herrin über die Rache und des Krieg ging. Leute wie er waren es, die dafür sorgen konnte, dass es ein Ende hatte. Die Verstand besaßen.
Das war ein Teil der unsichtbaren Mauer, die zwischen ihm und dem Prinzen emporragte. Er wollte all das hier nicht. Den Krieg und das Morden. Caleb konnte nicht verstehen, wie das jemandem Spaß machen konnte. Oder wo der Sinn dahinter lag. Waren am Ende nicht die Dunkelelfen nicht das eigentliche Problem?
Caleb wurde klar, wie sehr es ihm nach einem Bett verlangte.
War es wirklich erst einen Tag her, dass er hier angekommen war?

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Mittwoch 30. Mai 2012, 12:52

Derenja senkte die Hände, als sie Caleb die Pfefferminzvlätter reichte, damit dieser sie sich an die Schläfen halten konnte. Die Frische der Minze würde seinen Verstand schnell wieder klar werden lassen und den Schmerz vertreiben. Es war kein medizinisches Wundermittel, sondern eher etwas, das man von der Großmutter lernte, aber wenn es half, warum sollte man es dann nicht anwenden?
Die junge Heilerin n Ausbildung wagte, nach Calebs Ohr zu greifen und das Fell dahinter kurz zu kraulen. Sie hatte das schon die ganze Zeit über versuchen wollen, luden die Katzenohren doch praktisch dazu ein. Bisher hatte sie sich nur nicht getraut. Aber da Caleb eben schon keinen Widerstand gezeigt hatte, als sie seine Schläfen massierte, nahm sie sich jetzt ein Herz und kraulte ihn. Vielleicht beruhigte es ihn ja zusätzlich. "Wenn du mal etwas Zeit hast ... ich meine, du solltest als Feldheiler sowieso mal Unterricht beim Medicus nehmen, aber ... also wenn du mal Zeit hast, könnten wir ein bisschen um Troman herum spazieren gehen und ich zeig dir die Pflanzen und Kräuter, die ich schon kenne. Wir könnten zusammen lernen." Sie war etwas rot um die Nasenspitze herum geworden, zog nun die Hand zurück und senkte verlegen den Kopf. Beine Hände, zu kleinen Fäusten geballt, drückten sich nun auf den Stoff ihres Kleides. "Ich muss jetzt zurück ins Lazarett. Die Prinzessin ist vielleicht bald wieder bei Bewusstsein und dann braucht es jemanden, der ihr frische Kleidung, Wasser oder etwas zu Essen gibt." Derenja erhob sich und huschte ins Lazarett. Sie warf keinen Blick zurück, hatte nicht einmal Calebs Antwort abgewartet. Die würde schon noch kommen. Früher oder später würde auch er sich beim Medicus blicken lassen müssen und dann sähen sich die beiden wieder.

Caleb blieb nicht lange allein. Als er schon wieder stehen konnte, kehrte der Rest der Hand der Prinzenkrone inklusive des Prinzen selbst zu ihm zurück. Sie waren wieder vollzählig und alle noch am Leben. Ein Umstand, den die Jorsaner nicht mehr von sich behaupten konnten. Ob man ihre Leichen einfach so auf dem Felde liegen ließ? Niemand hatte Interesse an gefallenen Soldaten. Um Prinzessin Bodvicas Wohl war Vincent allerdings durchaus interessiert und ließ sich sofort einen Rapport geben. Er runzelte die Stirn, als Caleb so steif und ganz der alte Diener vor ihm stand, nickte letztendlich aber. Er legte ihm wieder einmal die Hand auf die Schulter, drückte sie. "Gut gemacht", sagte er. "Ich habe eine neue Aufgabe für dich. Das Training lassen wir für heute sein. Aber du könntest dich zu diesem Jorsaner begeben und ihn ein wenig ausfragen. Finde mehr heraus, vor allem, was die Prinzessin glauben ließ, diesen Hauptmann hier zu finden." Der Prinz nickte Theben zu, der schließlich auch Informationen einholen sollte. Der gewitzte Soldat erhob sich, murrte im Scherz etwas davon, dass seine Hoheit aber auch keine Pausen gönnte, grinste dann verschmitzt und machte sich flugs auf den Weg. Rist begann damit, sich aus seiner Rüstung zu schälen. Die musste ohnehin erst einmal zum Schmied, um die Beulen ausgeschlagen zu bekommen. Danach würde er sie polieren müssen oder die Aufgabe an einen Knappen weiterreichen. Caleb könnte sich nicht darum kümmern. Er hatte jetzt etwas Anderes zu tun.
"Du holst mich, wenn die Prinzessin erwacht oder schickst einen Boten. Ich will sofort mit ihr sprechen, sobald es möglich ist. Den Jorsaner kannst du durchs Lager führen, aber nimm ihm nicht die Fesseln ab. Verstanden, Caleb?" Er löste seine Hand von der Schulter des Katzenjungen, straffte seine eigenen und blickte zum Horizont. Irgendwo in der Ferne lag Grandea, wo sein Vater und König nichts von alldem hier wusste. Noch nicht, denn erst in ein paar Stunden würde er den Brief seines Sohnes zu Gesicht bekommen und daraufhin einen Tobsuchtsanfall bekommen, bei dem er einen seiner Pagen beinahe erwürgte.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Montag 9. Juli 2012, 02:07

Über Derenja konnte Caleb nur die Stirn runzeln. Es würde ihn sehr freuen, von ihr etwas zu lernen, mit ihr zu lernen und ein paar ruhigere Stunden in nicht so kampflustiger Gesellschaft würden ihm sicher im Moment besser gefallen, aber warum benahm sie sich so, als wäre es ihr peinlich, ihn nach so etwas zu fragen? So gesehen waren sie nun beide Schüler des Medicus, es war also praktisch selbstverständlich, dass sie sich nun öfter sahen. Caleb war zu jung und unerfahren, um sich einen Reim auf das beinahe Offensichtliche zu machen. Allgemein war diese Situation neu für ihn. Sicher, im Schloss hatte er Seite an Seite mit jungen Dienern gelernt, aber er war nie wirklich ein Teil der Gruppe gewesen, immer am Rand. Er hatte nie jemand anderen außer Boran oder Irella um Rat gefragt, und so hatten es alle anderen auch gehalten. In Derenja also so etwas wie eine Mitstreiterin zu sehen, war ein neues Gefühl.
Seine typische, grüblerische Art, wie er über solche Dinge nachdachte, verhinderte auch, dass er ihr noch etwas hinterher rief. Ihr Abgang schien sowieso übereilt. War sie rot geworden?
Ihm blieb kaum Zeit sich wieder über das Mädchen den Kopf zu zerbrechen. Der Prinz hatte Befehle für ihn. Auch ihm gegenüber hatte sich viel Neues eingestellt. Nie hatte er so oft über die Entscheidungen und Absichten des Prinzen gegrübelt in den letzten 24 Stunden. Die Gesellschaft von Theben und Rist behagte ihm gerade auch nicht, weshalb der Auftrag, den Rotbart zu befragen, eine gute Gelegenheit war, all diesen neuen, verwirrenden Dingen in seinem Leben aus dem Weg zu gehen. Der jorsanische Soldat war ihm aus vielerlei Gründen sympathisch. Irgendwie freute er sich sogar auf das Gespräch.
"Werde mein Bestmöglichstes tun, Eure Majestät.", richtete er sich beinahe nebenbei an seine Herr, bevor er hinauf in die dunklen Augen sah, "Aber ich glaube, ich werde ihm etwas zu essen bringen. Dafür wird er seine Hände brauchen und ein Grandessaner wird ihn sicher nicht füttern. Bestimmt ist er dabei gesprächiger als gefesselt und hungrig."
Das Einfall war ihm gekommen, da es ihm selbst ganz schön in der Magengrube zwackte, hatte er doch selbst nicht einmal Frühstück bekommen und inzwischen seinen erstes Scharmützel hinter sich. Allgemein fühlte er sich erschöpft, dreckig und verschwitzt. An ein oder zwei Stellen juckte es sogar, aber in der Nähe eines Prinzen gehörte es sich nicht, sich zu kratzen. Seine Hosenbeine waren schmutzig von der Erde, auf der er gekniet hatte, um die Prinzessin zu versorgen und angewidert stellte er fest, dass sich nicht wenige dunkle Flecken auf seinen Ärmeln befanden, die eindeutig von Blut stammten. Um ihn herum hatte zwar ein Kampf getobt, aber das meiste stammte sicher von Bodvika. Ein unschöner Gedanke.
Nachdem der Prinz seine Zustimmung gegeben hatte, machte sich Caleb auf den Weg zur Kantine der Soldaten. Es war nicht schwer sie zu finden, er brauchte den Soldaten der Schlacht folgen, die sich nach getaner Arbeit munter und geschwätzig dorthin bewegten. Sein Kopf meldete sich leicht, als er durch Gassen ging, die ihm noch fremd gewesen waren, aber langsam gewöhnte er sich daran, an diesen Schwall neuer Informationen der ihn immer wieder traf. Am liebsten hätte er selbst etwas zubereitet, aber dazu fehlten ihm einfach die Kraft und die Geduld. Er hatte jetzt Hunger. Die Schlange, die sich vor der Essensausgabe gebildet hatte, ließ ihn kurz aufstöhnen, aber wozu war er denn ein Feldarzt und trug diesen Wappenrock, wenn es ihm nichts brachte.
Dabei schlich ihm sogar ein verschmitztes Lächeln übers Gesicht.
Unbeteiligt wirkend ging er an den Wartenden vorbei ganz nach vorne und erklärte, er müsste für zwei Kranke etwas Warmes zur Stärkung besorgen und bekam prompt zwei Teller in den Hand gedrückt. Ein Teil seiner selbst scholt ihn für dieses Eigennützige Handeln, aber wenn man bedachte, dass er den ganzen Tag nichts zwischen den Zähnen hatte, wartete er genau genommen schon viel länger als alle in dieser Schlange. Zu Essen gab es Hackbraten, Klöße und Rotkraut mit Soße. Nicht ausgefallenes, aber nahrhaft und machte satt. Caleb hatte sowieso nichts erwartet, immerhin hatte Rist nicht hinter dem Herd gestanden.
Vorsichtig balancierend kam Caleb zum Lazarett zurück und betrat es. Eine Wache hielt ihm freundlicherweise die Tür auf, wofür sich der Diener gewohnt zurückhaltenden, aber verständlich bedankte. Im Inneren ging es geschäftig zu. Die Wunden der Kämpfer wurden behandelt, allerdings schien es außer Bodvica niemanden schwer getroffen zu haben, weswegen sich die gesamte Geschäftigkeit bereits aufzulösen begann. Doch das nun plötzlich voller gewordene Lazarett war dadurch dennoch von tuschelnden Grüppchen und umherlaufenden Heilern durchsetzt. Vor der Nachruhe würde es hier wohl kaum ruhiger werden, immerhin gab es einiges zu erzählen.
Den Rotbart fand der Diener ganz in der Nähe des Vorhangs, hinter dem sicher die Prinzessin behandelt wurde. Nicht schwer zu erraten, so starr fixierten die Augen des Jorsaners den Schlitz im Stoff, durch den jeden Moment eine Heilerin oder der Medicus kommen konnten. Derenja sah Caleb nirgends. Er hatte sowieso andere Dinge zu erledigen. Auch wenn er sich nun ziemlich unwohl dabei fühlte. Er sollte ein Verhör führen. Andererseits...ihn selbst interessierte es wirklich, was hinter all dem steckte. So gesehen brauchte er nur daran zu denken, dass er seine eigene Neugier befriedigte.
Der Jorsaner saß an einem klein Holztisch, die Arme hinter dem Rücken gefesselt, zwei Gardisten zu seiner Linken und Rechten. Beide hatte die Szene am Tor gesehen, als Caleb Bodvica nach Troman geschleppt hatte und hielten ihn nicht davon ab, dem Rotbart den Teller zuzuschieben, zögerten allerdings, ihn loszubinden.
"Er ist unbewaffnet, und hat keinen Grund zu kämpfen, solange seine Herrin bewusstlos und schwer verletzt ist. Sorgen müssen wir uns erst machen, wenn sie sich reale Chance für eine Flucht ausrechnen können." Manche mochten Caleb bei solchen Worten für rational und herrisch halten, aber für war es schlicht und ergreifend logisch. Der Rotbart hätte nicht seine Freiheit an seine Totfeinde aufgegeben, um dann ohne seine Prinzessin einen Angriff oder Fluchtversuch zu starten. Hoffentlich sah Caleb das in den Augen des Rotbart bestätigt. Ihm wurden jedenfalls die Fesseln abgenommen.
Im Lazarett waren es wohl immer noch die Heiler und Feldärzte, die das sagen hatten, mochten sie auch noch so dilettante Novicen sein.
Caleb reichte seinem gegnüber das Besteck, dass er mitgebracht hatte und sah ihn aufrichtig an.
"Wie ist eigentlich dein Name?"
Ein Teil von ihm wollte es wirklich wissen, der andere sagte ihm, dass es besser war, er auf diese Weise das Gespräch zu beginnen, anstatt mit den richtigen Fragen vorzupreschen. Auf eine bestimmte Art war Caleb dann doch rational und gut überlegt. Aber auch mitfühlend. Dieser Mann, oder zumindest seine Taten, erinnerten Caleb sehr daran, wie er selbst sich wohl in dieser Situation verhalten hätte. Sie Waffen niederlegen, um den Leben des Herrn zu retten. Ein guter Diener sein.
Ob der Rotbart diesen Umstand auch erkannt hatte? Oder ob er überhaupt mit ihm reden würde?

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 10. Juli 2012, 09:30

Ehe sich Caleb auf den Weg machen konnte, ging der Prinz ein wenig in die Knie, packte beide Schultern des Jungen und sah ihn auf gleicher Höhe an. Seine Worte passten zu dieser Geste wie keine anderen. "Vincent, verstanden. Oder Vince. Wir gehören einer Einheit an, die fernab jeglicher königlicher Höflichkeit ist. Wir sind auf einer Ebene, Caleb. Und jetzt mach dich auf den Weg! Ich vertraue darauf, dass du später mehr weißt als ich." Er schickte ihn los, ohne noch einmal auf seine persönliche, kleine Mission oder die gerade mitgeteilten Worte einzugehen. Lediglich auf den Vorschlag hin, dem Kriegsgefangenen etwas zu Essen zu bringen, nickte der Prinz. In Thebens und Rists Richtung gewandt meinte er noch etwas, dass sie alle eine Mahlzeit für zwischendurch vertragen könnten, aber davon bekam der Katzenhybrid nicht mehr viel mit. Er eilte sich, das Essen zu bekommen und damit wieder beim Lazarett zu erscheinen.
Die Mahlzeit zu erhalten stellte sich als denkbar leicht heraus. Als Heiler konnte man sich in Troman wohl so einiges heraus nehmen. Die Wachen bei dem rotbärtigen Jorsaner dazu zu kriegen, diesen endlich von seinen Fesseln zu befreien, erforderte etwas mehr Geschick. Letztendlich gelang es Caleb allerdings. Die Wächter zogen sich jedoch nicht zurück. Sie blieben links und rechts des Gefangenen sitzen. Niemand würde ihm auch nur im Ansatz die Möglichkeit geben, etwas Dummes zu tun. Lebend käme er bei einer Flucht hier jedenfalls nicht heraus, das sollte ihm klar sein. Aber warum sollte er versuchen, zu fliehen? Er hatte sich ergeben, um seiner Prinzessin Hilfe zukommen zu lassen. Warum sie jetzt, da sie im Lazarett behandelt wurde, im Stich lassen? Es war nur logisch, dass er keinen Fluchtversuch wagte. Nicht, wenn er sich so sehr um ihr Wohlergehen sorgte.
Außerdem war dieser Mann hungrig. Dankbar nahm das das Besteck an, das Caleb ihm nebst Mahlzeit reichte und begann - nicht gerade sittlich - das Essen in sich hinein zu schaufeln. Dabei rülpste er unterdrückt, aber hörbar. Vielleicht verdaute er auch so nur den Schock, dass die Anführerin seines Trupps und er vermutlich die einzigen Überlebenden waren. Gefangene, ja, aber am Leben.
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Der Jorsaner hob eine Hand, als Caleb nach seinem Namen fragte. Er konnte noch nicht antworten, hatte den Mund voll. Dieser Zustand blieb auch vorerst bestehen, denn er konnte nicht genug von dem Rotkraut und dem Hackbraten bekommen. Erst als gut die Hälfte des Tellers in seinem Magen verschwunden war, lehnte sich der Jorsaner mit einem gesättigten Seufzen zurück, um eine Pause einzulegen. Die Wächter tauschten Blicke aus, unterließen allerdings jeglichen Kommentar. Dafür sprach nun der Rotbart, während seine ruhiger, braunen Augen sich sich sanft an Calebs Gesicht und dann an seine Ohren hefteten. "Ich bin Hector Chivall, Hauptmann der 4. Kompanie des leichten Fußvolks von Jorsan - von denen deine Männer nun etwa ein Viertel getötet haben, nehme ich an." Er lächelte schief. Es steckte keine schalkhafte Freude darin, was seine Augen kundgaben. "Ich diene der Prinzessin von Jorsan - bis in den Tod, mit Leib und Seele, im Namen ihres Bruders, König Richard des II. von Jorsan. Was möchtest du noch wissen, junger Mann? Wie viele deiner treuen Brüder ich auf dem Schlachtfeld dem Gevatter übergeben habe?"
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Dienstag 10. Juli 2012, 13:50

Den ganzen Weg bis zur Kantine und zurück zum Lazarett musste Caleb darüber nachdenken, was der Prinz zu ihm gesagt hatte. Das Einzige, was ihm am Ende klar zu sein schien, war, dass ihm alles viel zu schnell ging. Gestern noch war ein Diener unter Vielen gewesen, ein unbedeutendes Licht in einer Hundertschaft und nun war er an der Grenze zu Jorsan, mitten in einem aufwallenden Krieg und sollte den Prinzen mit Vornamen ansprechen, während er für ihn Aufträge erledigte, die niemand sonst einem unerfahrenen Küchenjungen anvertraut hätte.
Sicher, dass Vertrauen, dass man ihm entgegen brachte, schmeichelte Caleb, aber der Grund blieb im schleierhaft. Warum er? Was machte den Prinzen so sicher, dass es das Beste war, ihm ein Verhör mit dem Gefangenen führen zu lassen? Und was würde passieren, wenn er irgendwann einmal versagte?
"Du weißt doch, er sucht einen Ersatz für Marlin!", flüsterte ein kleiner Dämon. Es versetzte Caleb einen kleinen Stich in die Brust, während ein anderer Gedanke in seinem Geist herum steuerte: "Bedanke dich doch einfach bei Feylin für dein Glück! Bisher ist dir doch nur Gutes widerfahren! Du solltest dankbar sein!" Dabei musste Caleb an das viele Blut und die Todesschreie denken, die sich in seinen Verstand eingebrannt hatten. Und auch, wenn der kleine Katzenjunge an Feylin glaubte, war er alles andere als überzeugt, dass er nur aus Zufall hier war.
Dennoch sandte er ein kleines Gebet an seinen Gott. Er sollte ihm bald wieder ein Opfer bringen.
Der kleine Platz vor dem Lazarett war leer, als Caleb ihn überquerte. Der Prinz war verschwunden, zusammen mit Rist und Theben. Wahrscheinlich aßen sie, wie geplant. Dennoch hatte er keine Ahnung, wohin er einen Boten schicken sollte, wenn die Prinzessin erwachte. Da müsste der Läufer wohl selbst suchen.
Vor dem Rotbart sitzend war er nicht überrascht, dass dieser das Essen so verschlang. Er selbst hatte wahrscheinlich noch mehr Hunger, verzehrte seine Mahlzeit allerdings gesitteter. Die Situation musste den Diener unweigerlich an die kurze Rast auf dem Weg nach Troman erinnern, bei der sich der Prinz ebenfalls mit...einem gesunden Appetit gezeigt hatte.
Aufrichtig interessiert lauschte er den Worten Hectors, nachdem dieser bereits den halben Teller verschlungen hatte. Der Name gefiel ihm. Es erinnerte ihn an ein altes Heldenmärchen, dass er aus Kindertagen kannte. Das Gesagte dagegen zeigte Caleb, was ein Jorsaner von ihm, einem Grandessaner dachte. Er hatte Abneigung erwartet, aber nicht, dass er erwartete, Caleb würde ihn nach der Zahl seiner besiegten Feinde fragen. Sollte er? War das so üblich bei Verhören?
Caleb war sich seiner nicht wirklich sicher. Doch das, was er als nächstes sagte, kam deutlich und ehrlich über seine Lippen: "Mein Name ist Caleb und ich diene dem Prinzen schon mein ganzen Leben und werde es auch mein Restliches tun."
Es war keine trotzige Antwort, als müsste er die Treue, die Hector seiner Prinzessin gegenüber bewiesen hatte, mit der für seinen Prinzen herausfordern. Das im Gegenteil. Ein Kind, dass einem anderen sagte, dass es auch gerne mit Baukötzen spielte, hätte kaum einen anderen Tonfall gehabt, auch wenn der Funken Ernst dabei gefehlt hätte.
"Und irgendwie bezweifle ich, dass du deine getöteten Gegner wirklich zählst."
Dass es der Rotbart hier mit einem vollkommenen Grünschnabel zu tun hatte, wollte Caleb dagegen nicht zugeben, obwohl er es wahrscheinlich schon erahnte, wo er nicht einmal gewusst hatte, wie man einen Verband richtig anlegt. Wie er sich wohl dabei fühlte, dass man einen Neuling schickte, um ihn zu befragen und keinen Henker, der ihm mit Peitsche und Foltermaschine drohte?
Sicher nicht das Bild von Grandessa, dass er sich vorgestellt hatte. Mit Katzenohren in allem.
Die Caleb nun kurz nervös zwischen Daumen und Zeigefinger seiner Linken nahm. Er war sich nicht ganz sicher, wie er weiter machen sollte. Einfach drauf los fragen? Ein weiterer Happen von seinem Teller sollte ihm Zeit verschaffen. Und ein Zweiter. Schließlich atmete er kurz durch und sah wieder hinauf in Hectors Augen.
"Wahrscheinlich kannst du dir denken, was mein Prinz wissen will. Er hat nicht gelogen, als er sagte, wir hätte keine Ahnung wo General Sterlyn ist. Erst gestern habe ich von einem Hauptmann erfahren, dass außer den Rufen eurer Männer beim letzten Angriff und der Drohung, Sterlyn würde die Wende bringen, wir nichts von ihm oder seinem Verbleib wissen."
Es war einfach, schlicht die Wahrheit zu sagen. Wahrscheinlich war Caleb nicht besonders talentiert in der Kunst des Verhörens, immerhin sollte man dabei doch durch Wortgewandtheit und List die richtigen Informationen aus dem Verhörten quetschen. Der kleine Diener hoffte dagegen einfach darauf, dass man ihm ebenfalls die Wahrheit sagte.
"Deshalb würde ich gern wissen, was euch hat glauben lassen, wir wären seiner Habhaft geworden. Ist er aufgebrochen und nicht zurückgekehrt?"
Das wäre wohl die logischste Erklärung. In dem Falle wäre sogar seine ganze Einheit verschwunden. Oder ist er direkt aus seinem Lager verschwunden und Jorsan glaubte nun, grandessanische Spione hätten ihn entführt? Ob er Hector erzählen sollte, dass der Prinz bereits Späher ausgeschickt hatte, um nach diesem Sterlyn zu suchen?
Nein. Eins nach dem Anderen.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Donnerstag 12. Juli 2012, 22:13

Soldaten schienen sich am Tisch allesamt ähnlich zu benehmen, denn auch Vincent hatte eine ungesittete Essensweise an den Tag gelegt, für die seine Verlobte sicherlich sofort einen Gertenstock hervor geholt hätte. Auch der jorsanische Soldat aß um des Essens Willen und nicht, damit er mit seinen Manieren prahlen konnte. Mit solchen Manieren sowieso nicht! Er schmunzelte, als er Calebs Erwiderung auf seine eigens gestellte Frage hörte. Er griff an seinen Gürtel. Sofort waren die Wächter zu beiden Seiten von ihm auf höchster Alarmstufe. Der Linke packte nach Hectors Handgelenk, während der andere seine eigene auf den Griff des Schwertes legte. Eine letzte Warnung, bei weiteren Versuchen des Widerstand würde er nicht mehr zögern. Aber der Jorsaner lächelte matt. "Ich bin unbewaffnet, wollte dem Jungen nur das Stück Holz zeigen, das ihr mir nicht abgenommen habt." Man ließ ihn gewähren und der Soldat zog einen dünnen Holzstab von der Länge eines männlichen Unterarms hervor. Einst mochte das Holz geschmeidig und gut gearbeitet gewesen sein. Der Stab war in der Vergangenheit einmal glatt gewesen, glatt und glänzend, in einem rotbraunen Ton, der fast an das Rot von Hectors Haaren heran kam. An wenigen Stellen am Stab konnte man diese Färbung mitsamt des Glanzes noch erkennen. Der meiste Teil dieses scheinbar nutzlosen Stückes musste allerdings einem Messer oder einer wütenden Katze zum Opfer gefallen sein, die ihre Krallen daran gewetzt hatte. Hector legte den Stab auf den Tisch und ließ ihn mit ein wenig Schwung zu Caleb hinüber rollen. Dort traf er klangvoll an den Rand des Tellers. "Ein Schnitzer für jeden gefallenen Grandessaner."
Einer der Wächter knurrte: "Verdammter Mörder." Hector ignorierte es. Er blieb vollkommen ruhig. Sie alle hier wussten, dass es unter den Jorsanern ebenfalls Männer gab, die die gefallenen Feinde auf diese Weise zählten. Zugleich war es aber auch ein Zeichen von Verehrung, denn kein Gefallener blieb so vergessen. Selbst wenn man ihre Namen nicht kannte, so wurden sie doch verewigt und sei es nur auf einem Stück Holz. "Bitte, gib es mir wieder, Junge", sagte Hector. Dieser Mann war die Ruhe selbst. Eine solche Geduld erwartete man von alten Veteranen, welche schon alles gesehen hatten und nur noch in den Gasthäusern bei Alkohol am Feuer saßen, weil sie zu alt für das Schlachtfeld waren. Hector dürfte das dreißigste Lebensjahr bereits vor einiger Zeit überschritten haben, aber alt konnte man ihn noch nicht nennen. Erstaunlich, dass er als Soldat in einem Königreich, das stets in Fehde mit dem Nachbarn lag, so lange hatte überleben können.
Dieser Mann war etwas Besonderes, wahrscheinlich hatte er deshalb auch geholfen, die Prinzessin ins feindliche Grenzdorf zu bringen. Die Sorgenfalten auf seiner Stirn nahmen an Tiefe zu, als Caleb seine Ausführungen fortsetzte. Er stützte die Ellenbogen auf die Tischplatte, faltete die Hände ineinander und legte dann sein Kinn darauf, ehe er Luft aus seinen Backen blies. "Das sind Nachrichten, die meiner Prinzessin nicht gefallen werden", gestand er. "Wir hatten Sterlyn und seine Männer hier erwartet. Seine Gruppe war nicht groß, eine Hand voll nur, aber allesamt Eliteeinheiten."
"Keiner von denen ist hier aufgetaucht", warf der rechts sitzende Soldat ein. Hector seufzte. Es war keine gute Nachricht, die er hier erhielt und an seine Anführerin würde weiter tragen müssen. Er hob den Blick, schaute Caleb an. Dem Katzenjungen brachte er Sympathie entgegen. "Sind wir nun Kriegsgefangene, da dein Prinz das Duell für sich entschieden hat?"
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Freitag 13. Juli 2012, 00:26

Die Katzenohre legten sich an, die Mundwinkel verzogen sich und ein unterdrücktes Fauchen entrollte Calebs Kehle in dem Moment, wo Hector ihm die Bewandtnis des Stocks erklärte. Ekel und Verachtung schoss wie eine heiße Welle durch ihn hindurch, verschwand aber so schnell wieder, wie sie ihn beinahe erschlagen hätte. Das saure Gefühl im Rachen ging nicht so schnell weg, aber er spülte es mit der Bratensoße hinunter.
Immer noch angewidert schupste er den Stock zurück, übereilt, als würde seine bloße Nähe ihm die Pest an den Hals werfen.
Dafür machte sich nun Trauer und Mitleid breit. Über all die Jahre war es schon so weit zwischen den Ländern gekommen? Im Schloss zu leben und nur davon zu hören oder zu lesen war etwas anderes, als hier zu sein, es am eigenen Leib zu erfahren und Menschen gegenüber zu sitzen, an deren Händen das Blut von Dutzenden klebte - und worauf diese auch noch stolz waren.
Kein Menschleben war das wert. Zumindest nach seiner Meinung, die umso weniger galt.
Mit gesenktem Kopf essend hörte er die Worte Hectors und des Soldaten. Ein General und eine Handvoll Elitekämpfer? Der kleine Diener konnte sich nicht wirklich vorstellen, wie diese Einheit den Sieg bei der Eroberung Tromans hätte bringen sollen. Allein die Masse der Dorfbewohner hätte sie aufgehalten, ohne das ein ausgebildeter Soldat in der Nähe hätte sein müssen.
Gab es etwa einen Plan, eine geheime List oder gar eine besondere Waffe, mit der Sterlyn hier eintreffen sollte? Caleb kam das Ganze merkwürdig vor. Zudem war auch noch die Prinzessin höchst selbst zu seiner Befreiung aufgebrochen. Egal was es war, Hector würde ihm sicher nichts davon erzählen.
Außerdem schwand ihm die Lust, mit dem Veteran zu reden. Er kam ihm so abgestumpft vor. War ein Menschenleben in seinem Augen noch etwas wert, sobald es mit 'Grandessaner' betitelt wurde? Freute er sich, wenn sein Gegner blutend zu Boden fiel? Würde er Frauen und Kindern etwas antun, wenn es der Umstand des Krieges vom ihm verlangte? Caleb war sich nicht sicher mit ihm, und vertrauen tat er ihm schon gar nicht.
Der Katzenjunge hatte lange geschwiegen und es mit Essen überspielt, bevor er wieder den mit Katzenohren bewehrten Kopf hob. Sein Teller war geleert.
"Eine Frage wäre da noch. Könntest du uns die ungefähre Route nennen, die der General gegangen sein müsste und welche ihr gekommen seid? Man könnte so einfacher herausfinden, wo etwas beziehungsweise dadurch was mit ihm passiert ist."
Was er da verlangte kam selbst Caleb nicht sehr realistisch vor. Hector würde sich denken können, was passierte wenn Sterlyn in ihre Hände geriet. Die Grandessaner waren nicht für ihre Hilfsbereitschaft bekannt und selbst wenn der kleine Diener gerne helfen würde, war es wahrscheinlicher, dass man den General ebenfalls in Gefangenschaft nehmen und seine Männer töten würde. So realistisch war selbst Caleb.
Aber er wollte zumindest gefragt haben.
Dem Blick des Soldaten konnte er nicht lange standhalten und seine Hand fuhr erneut recht fahrig hinauf zu seinen flauschigen Ohren. Kurz darauf erhob er sich, er würde dem Prinzen eine Nachricht zusammen lassen, mit dem, was er von Hector erfahren hatte. Aber wahrscheinlich sollte er anfügen, dass es keine Garantie gab, dass irgendetwas von all dem der Wahrheit entsprach.
Der Gefangene hatte noch nicht aufgegessen, also ließ er ihm seine Teller, stattdessen nahm er seinen an sich und wollte ihn gerade zur Ablage bringen, in der das Geschirr aller im Lazarett befindlichen Menschen gesammelt wurde, drehte sich aber noch einmal um. Er hatte etwas vergessen.
"Weger der Frage von vorhin: Was die Prinzessin angeht, da bin ich mir nicht sicher. Es wäre möglich, dass...nun ja, das hat der Prinz zu entscheiden. Aber ich glaube, Ihr dürft davon ausgesehen, ein Gefangener zu sein, auch wenn, erneut, ich niemand bin, der so etwas entscheidet."
Man merkte, dass der Hintergedanke, er würde gerade einen Befehl ausführen, abnahm, denn seine Stimme wurde leiser, je mehr er sprach. Für ihn war vorerst abgehandelt und er fühlt sich nicht mehr dazu verpflichtet, sich zum sprechen durchzuringen.
Der Gedanke, dass man Hector genauso gut umbringen könnte, wenn man glaubte, alles wissenswerte aus ihm herausbekommen zu haben, zuckte durch Calebs Kopf. Das wäre von Grandessaner zu erwarten, nicht wahr? Und würde es ihn stören, nachdem er den Stock mit all den Kerben gesehen hatte? War Hectors Leben in seinen Augen noch etwas wert?
Natürlich. Jedes Leben war wichtig.
Caleb hatte nicht vor, das Lazarett zu verlassen, tatsächlich plante er sogar, sich weiterhin in der Nähe Hectors aufzuhalten, falls dieser den Bedarf verspürte, ihm etwas mitzuteilen, und um bei ihm und allgemein anwesend zu sein, sollte Bodvica wirklich schon heute erwachte, was angesichts ihrer schweren Verletzung irgendwie unwahrscheinlich schien.
Nun ja, es war nicht so, als hätte er nichts zu tun. Nachdem er den Teller samt Besteck entsorgt hatte, machte sich Caleb auf die Suche nach Madleen. Er wollte sie nach all den Büchern fragen, die er zu lesen hatte, um mit seiner Ausbildung endlich einmal anzufangen. Da wäre es nicht schlecht in die Theorie hinauszuschauen, immerhin war das seine Stärke.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Samstag 14. Juli 2012, 23:03

Hector kümmerte es nicht, dass Caleb die Ohren anlegte und fauchte. Er hatte eine solche Reaktion in etwa erwartet. Nun, bestimmt nicht, dass der Junge fauchen würde, aber Verachtung und Antipathie für den jorsaner Kriegsgefangenen durchaus. Sie waren keine Freunde und standen keineswegs auf derselben Seite. Dass sich Caleb mit ihm sachlich neutral unterhielt, zeugte nur von einer Weisheit, die so mancher Soldat in diesem Grenzdorf nicht an den Tag legte. Aber er wollte schließlich auch etwas von dem Jorsaner wissen, weshalb er unter Umständen auch nur gezwungen freundlich zu ihm war und eben für den Bruchteil einer Sekunde sein wahres Ich präsentiert hatte. Hector nahm es ihm nicht übel. Es würde niemals Frieden zwischen den beiden Königreichen geben, was bedeutete, dass auch die Soldaten sich mit all ihren Idealen hassen mussten. Er konnte froh sein, noch atmen zu dürfen. Es blieb nur die Frage, für wie lange. Sobald es Prinzessin Bodvica von Jorsan wieder besser ging, brauchte man keinen Soldaten mehr, um Informationen zu erhalten und eine Prinzessin als Geisel war weitaus mehr wert. Er wusste nicht, wie weit die Grandessaner gehen würden, traute ihnen aber alles zu. Er selbst hatte Bodvica nur zu den Palisadenmauern Tromans getragen, weil er wusste, dass ihre Überlebenschancen auf dem Feld gen Null gegangen wären. Er musste es den Grandessanern zuschreiben, dass sie sie retten wollten, auch wenn Ehre dabei wohl nur eine Nebenrolle spielte. Trotzdem verdienten sie in dieser Hinsicht Respekt und Dankbarkeit des Rotbärtigen.
Er nahm den Stab vom Tisch und steckte ihn behutsam an die angestammte Stelle. "Jede einzelne Seele lastet auf der meinen", sagte er und schaute Caleb an. Seine nussbraunen Augen glänzten aufrichtig, ehe er den Blick wieder senkte. Seinen Teller schob er von sich, ein deutliches Zeichen, dass er satt war - auch wenn noch immer etwas darauf lag, was gegessen werden konnte. Hector war der Appetit aber gehörig vergangen. Sein Herz krampfte sich zusammen und Verzweiflung überschattete seine Gedanken. Er war in Sorge um den Hauptmann, vor allem aber um seine Herrin Bodvica. Sie hatte reges Interesse am Wohlergehen dieser Spezial-Einheit unter Sterlyns Kommando. Den Grund dafür kannte nur sie allein, aber zu wissen, wie sie reagieren könnte, sobald sie von dieser Nachricht erfuhr, drückte ihm den Brustkorb zusammen.
Erst Calebs letzte Frage ließ ihn wieder aufschauen. Die Route Sterlyns wollte er wissen. "Sie waren von unserem Grenzdorf - Jersa - aus aufgebrochen und laut offizieller Ankündigung nach Troman unterwegs. Ich ... bin sicher, dies war nicht der eigentliche Auftrag. Zumindest dachte ich das, denn die Herrin Bodvica ist ja auch mit uns hierher gezogen. Entweder weiß sie genauso wenig wie ihre einfachen Soldaten oder es war keine getarnte Route." Er brummte. Der Soldat neben ihm sprach allerdings aus, worüber sich Hector Chivall Gedanken machte. "Nicht einmal ihr Jorsaner seid dermaßen dumm, mit einer Hand voll Männer auf ein ganzes Grenzdorf zu marschieren, um es dem Erdboden gleich zu machen!"
Der andere Soldat wiegte den Kopf. Er war sich da nicht so sicher wie sein Kamerad, welcher daraufhin grinste.
"Natürlich sind wir nicht so dumm", erwiderte Hector, dieses Mal mit einem leicht brummigem Unterton. "Hauptmann Sterlyn sollte meines Wissens einen Vertrag aushandeln. Genaueres ist einfachen Soldaten, zu denen auch ich als Hauptmann zähle, unbekannt. Da musst du die Prinzessin fragen, junger Mann." Er wandte sich bewusst an Caleb, da dieser ihn bislang nicht verspottet hatte. Der Katzenjunge zeigte eben etwas Gerechtes, das den übrigen fehlte. Außerdem brachte er Ehrlichkeit mit, wie der Jorsaner feststellen durfte. Caleb gab auch ihm Antworten. Er nickte. Solange er ein Gefangener blieb, hatte er erst einmal nichts zu befürchten. Leider wurde seine wachsende Erleichterung wie ein Spiegel zerschlagen, als einer der Soldaten meinte: "Er wird nicht lange Gefangener sein. Troman macht keine Gefangenen, genauso wenig wie Euer Jersa, Herr Soldat. Ihr werdet hängen, das sollte Euch klar sein." Da war sie: die Antwort, die Hector von Anfang an erwartet hatte. Ob Caleb das geahnt hatte? Er schaute ihn zum wiederholten Mal an, wollte aus seiner Reaktion lesen, doch damit würde er wohl warten müssen, bis Caleb zurückkehrte. Dieser brachte erst einmal das Geschirr weg, suchte dann Madleen. Er würde sie jedoch nicht finden, wenn er sich nicht im ganzen Lazarett umschaute - denn Madleen hatte zusammen mit dem Medicus und Derenja zu tun.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Sonntag 15. Juli 2012, 02:44

"Jede einzelne Seele lastet auf der meinen"
Das waren bedeutungsschwere Worte, welche für die einfachen Soldaten, die Hector flankierten, nicht viel her machen, aber der einfühlsamere Caleb verstand sie und sah den Jorsaner gleich in einem etwas anderen Licht. Er hatte diese Last verdient, für all das, was er getan hatte; der Punkt war, dass er sich seiner Schuld bewusst war. Er besaß ein Gewissen und genug Reue, um einen Gegenstand bei sich zu tragen, der ihn stets daran erinnerte. Dennoch bereute es Caleb nicht, ihn für dieses Holzstück angefaucht zu haben. Es gefiel ihm immer noch nicht, aber diese wenigen Worte hatten für den Jungen schon einen gewaltigen Unterschied gemacht.
Nebenbei nahm Caleb nun auch den Teller Hectors an sich. Es war wie ein eingeübter Reflex, den Tisch abzuräumen, und das obwohl er mit einem Gefangenem an jenem gesessen hatte. Das übrig gelassene Essen würde einem anderen Kranken oder Verletzten noch nutzen. Während der Jorsaner über die Routen sprach, ging Caleb zu dem Sammelschüssel. Durch sein Gehör befand er sich immer noch in Reichweite und seine nach hinten gedrehten Katzenohren sollte dies auch für Außenstehende klar machen. Die erhaltenen Informationen versuchte Caleb auf einer Karte Jorsans in seinem Kopf einzutragen. Geistesabwesend murmelnd reichte er einer Schwester den halbvollen Teller Hectors, ohne ihr zu sagen, von wem er stammte. Am Ende würde sich ein Grandessaner noch darüber aufregen, man würde ihn dazu nötigen das Mahl mit einem Jorsaner zu teilen. Es war immerhin besser als nichts.
Grübeln trat er wieder zu den Wächtern und ihrem Gefangenen, um den letzten Disput mitzubekommen. Gerade rutschte ihm durch den Kopf, dass es unter all diesen Umständen nur den Dunkelelfen nutzte, wenn Sterlyn verschwand, sollte er wirklich in friedlicher und mit gar verhandelbaren Absichten zu ihnen kommen wollen, da offenbarte der Soldat, dass Hector gehängt werden würde. Die roten Augen des Jungen weiteten sich entsetzt und starrten ungläubig in die des Wächters, der ihn fragend ansah. Dann wurden sie traurig, als ihm klar wurde, der er so etwas hätte erwarten sollen. Sein Verhör war das Letzte, was Hector vor seinem Tod tun würde. Sein Blick suchte beinahe entschuldigend den des Gefangenen.
"Der Prinz wird General Sterlyn sicher finden.", flüsterte er noch, ohne zu wissen warum. Wollte er Hector ein wenig Hoffnung geben? Wann würde es geschehen; schon morgen?
Könnte er es verhindern?
Doch warum sollte er, der Holzstab sprach Bände - aber wenn man es schlicht sah, hatte er durch das Töten der Grandessaner wohl genauso viele Jorsaner gerettet und nun zuletzt noch seine Herrin. Caleb konnte sich selbst nicht überreden zu glauben, dass Hector den Tod verdient hatte. Ihn mit der Prinzessin Bodvica aus Troman marschieren zu sehen war dagegen dennoch ein schwabbriges Traumgespinst.
Ohne ein weiteres Wort drehte er sich um und suchte nach Madleen, aber ihm wurde bald klar, dass sie sich wahrscheinlich hinter dem Vorhand befand und sich weiterhin mit dem Arzt um die Prinzessin kümmerte. Nach kurzem Suchen schien Caleb sie aber gar nicht mehr zu benötigen, denn er fand das Bücherregel auch so. Die richtig wichtigen, speziellen Bücher bewahrte man zwar bestimmt nicht hier auf, aber basische Sachen konnte Caleb hier dennoch finden, und selbst darin mangelte es ihm im Moment, weshalb er sich schlicht die ersten zehn Bücher nahm, sie sich zwischen Hände und Kinn klemmte und zum Tisch zurück bugsierte, an dem Hector saß.
Der Stapel landete mit einem leichten Rums dort, wo vorher Teller und Besteck Platz gefunden hatten, und Caleb ergriff sofort das Oberste. Es war mit 'Aufbau des menschlichen und anderer humanoider Körper.' betitelt. Er hatte bereits die erste Seite aufgeklappt und bereits den Finger an der obersten Kante zum umblättern, als er noch einmal über den Bücherrand schielte, nun sichtlich verlegen. Es bereitete ihm Unbehagen, Befehle zu erteilen, wie er es nun vorhatte:
"Könnte einer von euch beiden den Prinzen suchen um ihm von dem allem berichten? Er müsste jetzt irgendwo eine Mahlzeit einnehmen. Ich würde es vorziehen hier zu bleiben und das Erwachen er Prinzessin abzuwarten." - es klang wenig autoritär, aber der Linke nickte.
Hector wurden erneut die Hände gefesselt, immerhin brauchte er sie nun nicht mehr und wenn einer der beiden Wächter verschwand, war das Risiko zu groß. Nun von seinen Aufgaben entlastet begann Caleb sich vollkommen dem Buch zu widmen. Für den Zuschauer sah es so aus, als beginne er ein Bilderbuch durchzublättern. Da es genug Skizzen und Abbildungen gab, war das gar nicht mal so abwegig, nahm man an, dass er keinen der beigefügten Texte las.
Wenige Minuten später, als Caleb sich bereits dem Ende des ersten Buches näherte, kam eine Ersatzwache herein und platzierte sich neben Hector. Die Hände wurde ihm dennoch nicht erneut befreit. Nun überrascht ruhig und der Welt um ihn herum kaum bewusst beendete der kleine Diener seine erste Lektüre und schnappte sich klein die Nächste: 'Allgemeine Heilpraxis.'

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Montag 16. Juli 2012, 09:10

Der Wächter blieb unbeeindruckt ob Calebs entsetzten Blickes. Für ihn war es normal, dass man Kriegsgefangene hinrichtete, zumals Troman üblicherweise nicht einmal Gefangene machte. Das war die Ausnahme. Dieser Jorsaner hatte eine Schonfrist erhalten.
"Wir wussten alle, dass es passiert", sagte Hector mit sehr viel Ruhe in der Stimme. Ergab er sich bereits seinem Schicksal? Er klang nicht resigniert, sondern vielmehr wie ein Mann, der nun Verantwortung für all die Tode auf sich nahm, die sein Schwert verursacht hatte. Ein echter Soldat eben, der wusste, dass es ihn jederzeit ebenso erwischen konnte wie die Männer und Frauen, die unter ihm gefallen waren. Er nahm es an, für sein Königreich. Er hatte es bereits angenommen, als er Bodvica zu Hilfe geeilt war, um sie Richtung Troman zu schleppen. Dieser Mann besaß Loyalität und würde nun dafür bezahlen. Er schaute auf, direkt in Calebs rot leuchtende Augen. Irgendwie mochte er den Jungen, auch wenn er auf Feindesseite stand. "Warum sollte der grandessanische Prinz einen jorsanischen Hauptmann suchen? Ist schon gut, Bursche. Behandelt die Prinzessin gut, dann bin ich's zufrieden." Er lächelte. Er konnte jetzt noch lächeln!

Caleb befand sich in einem Spiel, in dem er weder zu Würfeln noch Karten greifen konnte. Er stand auf einem Schachbrett, war eine der Bauernfiguren, die man wohl eher zum Wohl des Sieges opferte, anstelle sie bis durch die gegnerischen Linien zu schleusen, wo sie zur Dame werden und wirklich etwas unternehmen könnte. Interessant hierbei war, dass die Farbe, die der kleine Bauer Caleb auf dem Brett trug, vollkommen uninteressant war. Beide Seiten hatten ihre Bauern und beide Seiten würden opfern für ein gleiches Ziel. Das Spiel der Könige.
Er stand absolut hilflos da, ohnmächtig, irgendetwas zu unternehmen. Die Heilersgehilfin Madleen fand er zu allem Überfluss auch nicht. Sie würde sich wohl auf der anderen Seite des Vorhangs befinden, den Medicus unterstützen. Derenja wäre möglicherweise auch bei ihnen oder sie huschte fast ungesehen durch das Lazarett. Sie war ein kleiner Geist, der jedem half, aber selten entdeckt wurde. Möglicherweise wollte sie Caleb aber auch vorerst aus dem Weg gehen, so rot wie sie zuletzt in seiner Gegenwart geworden war. In jedem Fall traf der Katzenhybrid derzeit keinen Heiler an, den er um Bücher hätte fragen können. Wie gut, dass er das Regal selbst fand. Es war nicht groß und die dort stehende Lektüre beinhaltete nicht einmal einen kompletten Satz an Basiswissen. Für jemanden, den man zum Feldheiler ernannt hatte, der aber keinerlei Kenntnisse besaß, würden diese Bände allerdings mehr als ausreichen. Zumal niemand vermutete, dass ein tromanischer Heiler in Ausbildung Zeit fände, sich durch die Bücher zu arbeiten. Vielmehr standen sie als Nachschlagewerke bereit, nicht aber zu Studienzwecken.
Hector beobachtete Caleb, wie er sich durch die Seiten blätterte, schwieg jedoch. Für ihn gab es nichts mehr zu sagen. Er wartete auf den Tod. Der neue Soldat nahm neben ihm Platz. Es wurde nicht gesprochen. Wozu auch, wenn es als Gesprächspartner nur den Feind gäbe? Nein, disziplinierte Männer hielten in diesem Fall ihren Mund.

Umso lauter war er überraschte Ausruf hinter Caleb, der plötzlich das innere des Lazaretts erfüllte. "Marlin? Ich ... dachte, du bist tot!" Die Stimme war Caleb vollkommen unbekannt, aber sie besaß einen angenehmen Bass, der von Führerschaft zeugte. Trotzdem klang die Jugend eines Mannes heraus, der in der Blüte seiner Jahre stand. Jemand Stattliches musste da gesprochen haben und bewegte sich soeben auf den Tisch zu. Eine Hand legte sich auf Calebs Schulter, auf dass er aufsehen mochte. Das Gesicht käme ihm dann wohl mehr als vertraut vor, würde aber auch düstere Erinnerungen wecken, selbst wenn es jetzt entspannt wäre. Caleb kannte diese Augenpartie nur zusammengepetzt. Ihm waren Mimik, Nase und Mund nur als schmerzverzerrte Fratze bekannt und die Erinnerungen an den eitrigen, blutigen Arm könnten für ein Rumoren im gerade erst gefüllten Magen sorgen. Doch den Arm, den er durch einen Vorhangschlitz ausgemacht hatte, war nicht mehr. Der Soldat Aleksander stand vor ihm - ohne Schwertarm. Er trug das Schlafgewand eines im Lazarett befindlichen Patienten, war barfuß unterwegs und sah noch ein wenig blass um die Nase aus. Die Überraschung in seinem Blick wich Verwirrung, als er seinerseits Calebs Gesicht sah. "Du ... Ihr seid nicht Marlin. Aber Ihr seht ihm so ähnlich! Selbst die Haltung, gebeugt über Bücher wie er es immer ..." Seine Miene nahm Entsetzen an. "Ist er ... dann ist er wohl wirklich ... gefallen?" Der verletzte Soldat ließ sich auf die Bank am Tisch sinken, den Kopf in die verbliebene Hand gestützt. Man sah ihm an, dass er mit den Tränen kämpfte, auch wenn keine einzige davon seine Augen verließ. Als er sich endlich wieder gefasst zu haben schien, hob er den Kopf und blickte Caleb zum wiederholten Mal an. "Wer seid Ihr? Ich bin Aleksander von Auenfels, Edler Jorsans und Elite-Soldat der Hand der Prinzenkrone ... zumindest war ich es."
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Donnerstag 26. Juli 2012, 05:38

Ungläubig starrte Caleb auf den Mann neben sich. Es kam ihm vor, als hätte er ihn vor einer halben Ewigkeit das letzte Mal gesehen. Der Arm war verbunden, das Gesicht nicht mehr von Höllenqualen verzogen, stattdessen schlicht sich unendliche Traurigkeit in seine Züge. Unfähig etwas zu sagen, hielt der Katzenjunge inne, hatte das aufgeschlagene Buch in seiner Hand, das schon zur Hälfte durchgeblätter war, völlig vergessen. Marlin...wie oft musste er diesen Namen noch hören? Viel schlimmer aber war es mit anzusehen, was es für eine Reaktion bei Aleksandern ausübte. All der Schmerz. Der Prinz hatte erst gestern vom Tod Marlins erfahren, sogar etwas früher als sein Waffenbruder. Brachte er seinem Herrn die selben Schmerzen zu, jedes Mal, wenn er vor seine Augen trat? Bestimmt. Wie sollte es auch anders sein.
Und es tat ihm unendlich Leid.
Dennoch konnte er sich nicht dazu aufraffen, Aleksander die Hand auf die Schulter zu legen, etwas zu tun oder irgendetwas zu sagen, dass ihn aufmuntern könnte. Dabei zweifelte er selbst daran, dass es etwas gab was er tun konnte das wirklich helfen würde. und so konnte er nur dasitzen und zusehen wie der schwarze Mann namens Leid an Aleksaner vorrüber ging und ihm liebevoll die Wange streichelte. Dann war der Moment vorbei, der gestandene Krieger hatte sich wieder gefasst und sah ihn an; versuchte einen Neuanfang.
"Ich...nun...", nervös blickte Caleb zu den zwei Soldaten auf der anderen Seite des Tisches, die versuchten so konzentriert wie möglich auf den Gefangen zu achten, aber sicher zuhörten und Hector, der begonnen hatte ins Leere zu starren, wahrscheinlich in Gedanken und Erinnerungen versunken. Die feinen Hände schlossen sich fester um den Ledermantel des Buches, "Caleb ist mein Name, nur Caleb." Der Beweis, dass er ein Niemand in Grandessa war. Kein Nachname, kein Titel. Ein Name, dessen Bedeutung selbst erniedrigend sein sollte.
"Ich kam gestern mit dem Prinzen hierher, als einer seiner Diener, und jetzt...", ja, was jetzt? "Jetzt scheint es so, als...solle ich Marlin in der Hand der Prinzenkrone ersetzen."
Niemand hatte ihm das jemals so gesagt, aber genau das war es, was Caleb die ganze Zeit vermittelt bekam und was er inzwischen selbst glaubte. Es war alles andere als ein angenehmes Gefühl und doch erleichterte es ein wenig, es laut ausgesprochen zu haben. Er war der Ersatz. Und es saß ihm wie ein Dorn in Nacken. Vor allem aus dem Grund da es sich so verhielt, als wäre ein Springer geschlagen worden und nun wüsste ein Bauer an seiner Stelle für ihn herhalten. Etwas, das jedem ein Zähneknirschen entrungen hätte. Wie sich der Bauer dabei fühlte interessierte dagegen kaum jemand.
"Deshalb die Bücher.", er versuchte sich an einem scherzhaften Lächeln und hob demostrativ das Buch. Es war jämmerlich. Hätte man ihm die Wahl gelassen, wäre er von allein zu dem Regal gegangen und hätte einfach alles gelesen, doch Dank Aleksander war es nun eine weitere Masche von ihm, die alle anderen an Marlin erinnerte. Gerade so als würde man ihm alles rauben, ihn Stück für Stück auseinander nehmen.
"Es ist nicht leicht." Wahre Untertreibung.
Da fiel Caleb eine Frage ein, die ihn schon länger interessierte und vielleicht auch für Aleksander ein Weg war, mit Marlins Tod umzugehen. Leicht zitternde Hände fuhren über die Seitenränder, bevor das Buch zugeklappt wurde. Der Kleine Albino, der im Sitzen über einen Kopf kleiner war als Aleksander, drehte sich nun vollends zu diesem um, wenn sein Blick auf weiterhin gesenkt war und nicht die Augen seines Gegenüber traf.
"Wie...", sollte er es wirklich fragen? Er war neugierig..., "Wie war Marlin so?"
Warum wollte er das wissen? Um zu erfahren,welchem Bild man von ihm verlangte gerecht zu werden? Oder...um ihm zu zeigen was er zu bekämpfen hatte?

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Freitag 27. Juli 2012, 12:04

Der einarmige Soldat musterte Caleb noch immer. Irgendwie lag Faszination in seinen Zügen, obgleich sich auch Verwunderung darunter schlich, aber auch eine gewisse Traurigkeit blieb. Aleksander musste Marlin gemocht haben, die gesamte Hand der Prinzenkrone war wohl mit ihm befreundet gewesen, inklusive des Prinzen selbst. Er hatte ein tiefes Loch in der Gruppe hinterlassen und Caleb glaubte noch immer, es ersetzen zu müssen. Der einzige Grund, weshalb Prinz Vincent ihn überhaupt mitgenommen hatte. Man würde ihn ausbilden, wie Marlin ausgebildet gewesen war. Man würde ihn entsprechend einkleiden und er würde alle enttäuschen, eben weil er nicht der verstorbene Soldat sein konnte. Er war Caleb!
"Caleb also." Aleksander ließ sich auf der Bank nieder, so dass er nun direkt neben dem Hybriden saß. Und erst jetzt entdeckte er auch die Katzenohren. Man bemerkte es, weil sein Blick an ihnen haftete und er stutzte. Das war wohl etwas, was ihn deutlich von Marlin unterschied. Möglicherweise das einzige Anzeichen. Die Aufmerksamkeit des Mannes glitt allerdings von den Ohren zu Calebs Gesicht. Er runzelte die Stirn. "Niemand kann Marlin ersetzen", sagte er. "Ich glaube nicht, dass Vince so denkt. Hat er nie." Noch einmal ließ er die Augen wandern. Es gab tatsächlich Ähnlichkeiten zu Marlin, aber das sagte Aleksander nicht. Es war ohnehin offensichtlich. Der Bursche ihm gegenüber besaß eine ähnliche Statur, sogar die Haut wirkte blass und dann erst die Augen! "Wenn, dann ersetzt du höchstens mich. Ohne Arm bin ich unfähig zu kämpfen. Vermutlich werde ich in meine Heimat zurück gesandt. Krüppel braucht man nicht an der Front." Der Verlust seines Armes belastete diesen Mann, aber wer konnte es ihm nicht nachfühlen? Er war Soldat und Kämpfer. Nun hatte er verloren, was er sein Leben lang getan hatte. Nie wieder würde er ein Schwert schwingen. Der Mann versank in seine trüben Gedanken, ließ den Kopf hängen und auch die Schultern. Ohne Calebs Frage wäre er wohl nicht mehr aus seinem Selbstmitleid erwacht. "Marlin? Er war ... naja, er sah fast aus wie du, Kleiner. Und ja, ich hab ihn auch oft 'Kleiner' genannt. Er war eben sowas wie unser Nesthäckchen in der Gruppe. Ich erinnere mich noch, als er damals zu den Soldaten kam. Ein dürrer Burscher, verschüchtert. Hat sich immer hinter seinen Büchern versteckt, wollte gar nicht kämpfen. Das konnte er auch nicht gut, hat sich mit einem Kampfstab verteidigt. Ich glaube, er wäre ein besserer Gelehrter geworden, aber seine Eltern schoben ihn ins Militär ab. Vince hat ihn unter seine Fittiche genommen, ihn das Kämpfen gelehrt und schließlich zum Lazarett geführt. Als Marlin, der schon immer so still gewesen war, die Heilkunst für sich entdeckte, blühte er vollkommen auf. Er wurde extrovertierte, unterhielt sich dann auch angeregter mit uns über all das, was er machte. Ja, er wurde mutiger. Am Ende dann war auch er Soldat und kein kleiner Feigling mehr, als er er nach Troman kam. Er traf eigene Entscheidungen und wenn jemand verletzt war, gab es keine Widerrede. Sogar Vince hat er einmal angeschnauzt, das hättest du erleben müssen. 'Sitz still, sonst reißt die Wunde wieder auf. Da kannst du noch so der Prinz von Irgendwas sein, du würdest verbluten!' Haha! Er hatte wirklich Feuer unter dem Arsch, wenn es um die Heilkunst ging. Ich ... vermisse diesen kleinen Feldarzt."
Aleksander verfiel in Schweigen, aber nicht allzu lang. Er hob den Kopf, lächelte Caleb an. "Bestimmt hätte er sich mit dir gut verstanden, vielleicht sogar ein bisschen was beigebracht. Ha, die zwei bleichen Rotaugenfeldärzte ... was für ein Titel! Ja, das wärt ihr bestimmt geworden oder schwingst du die Waffe anstatt die Heilertasche, Caleb?"
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Freitag 27. Juli 2012, 16:03

"Niemand kann Marlin ersetzen."
Das wusste Caleb, und es machte alles nicht einfacher für ihn. Egal was er tun würde, bei diesem Spiel konnte er nicht gewinnen. Jeder seiner Schritte, wie schnell er lernte, wie gut er eine Wunde behandelte, jedes kleine Bisschen würde auf irgendeine Weise mit Marlin verglichen werden. Dazu musste die Hand der Prinzenkrone ihn nicht mal als Marlin-Ersatz sehen, es würde ihnen schlicht so in den Sinn kommen, da die beiden Albinos sich so unglaublich ähnlich waren. Und die Geschichte Aleksanders bestätigte es nur. Es war beinahe unheimlich. Das Einzige, was sie bisher unterschied war die Waffenwahl und seine Katzengene.
Seine Fingernägel krallten sich nun in den Buchmantel, die Zähne aufeinander gepresst. Er fühlte sich so hilflos. In die Ecke gedrängt.
"Wahrscheinlich hätten wir uns wirklich gut verstanden.", nuschelte er, wobei sich ein eher sarkastisches Lächeln auf seine Lippen legte. Kurz schnaubte Caleb noch, als müsse er sich davon abhalten loszulachen. Dann sah er hoch in Aleksanders Augen, die sich durch die katzenhaft geschlitzten Pupillen von denen Marlins unterschieden. "Der Prinz höchstselbst hat mich darum gebeten Feldarzt zu werden. Nicht...das ich den Krieg leiden könnte oder jemanden verletzen wollte...", seine Stimme verschwand im Nichts. Es erinnerte ganz an die Zeiten im Schloss Grandea. Eine Seite von ihm wusste, dass der Prinz ihn nur richtig eingeschätzt hatte und erahnen konnte, welche Rolle in einer Armee ihm am ehesten zusagen würde, die andere, Kapuze tragende, krallenbewehrte Seite sah es als Befehl, in Marlins Fußstapfen zu treten. Es war schlicht logisch, dass die Hand der Prinzenkrone einen neuen Feldarzt brauchte. Und es war nur sein Glück, dass er sich ebenso wohl als Feldarzt fühlte.
Feylin tat ihm mit all dem hier trotzdem keinen Gefallen.
Abwesend streifte seine Hand über den Wappenrock und den Stab mit den Schlangen auf seiner Brust. Den andersfarbigen Stoff konnte Caleb sogar herausfühlen, das Gold war ein wenig glatter und geschmeidiger als das Schwarz rundherum. So einen Kampfstab, wie es wohl typisch für Feldärzte war, hätte er sich dennoch nie ausgesucht. Dass zwei Krummdolche an seinem Gürtel baumelten zeigte nur, dass er nicht ganz wie Marlin war, ihn andere Dinge belasteten, und es Wege und Möglichkeiten in seiner Seele gab, wie er diese Waffen ohne Abscheu gebrauchen konnte.
Töten für den Prinzen wäre kein Vergehen., flüsterte es an seinem Ohr und dieses Mal ging es sogar so weit, dass Caleb den Kopf in der Realität zur Seite reckte, gerade so als wäre ihm jemand mit zu starkem Mundgeruch zu nahe gekommen. Verwirrt über sich selbst schaute er flüchtig zu Aleksander und dann wieder auf sein Buch hinunter. Er wollte so gern Feldarzt sein, wenn er schon hier sein musste, aber... Marlin gab ihm das Gefühl, es lieber bleiben zu lassen und sich auf etwas zu konzentrieren, dass ihn unvergleichbar machen würde. Aber wenn er Caleb sein wollte und Caleb lieber Feldarzt wäre...
Er bekam Kopfschmerzen.
"Wie auch immer, es ist mein Problem wie ich damit fertig werde..."
Noch einmal sah er dem Waffenbruder des Prinzen direkt in die Augen, dieses Mal etwas länger, um ihm ehrlich zu sagen, was er dachte.
"Dagegen du...du hast dem Prinzen sicher Treue bis in den Tod geschworen. Nun, dein Innerer Soldat ist mit dem Verlust seines Arms gestorben. Deine Pflicht ist erfüllt. Genauso hättest du auch auf dem Schlachtfeld sterben können, was dir wohl lieber gewesen wäre. Aber du hast eine zweite Chance bekommen, ein anderes Ich zu finden, dass du genauso eifrig bis zum wirklichen Ende deines Lebens sein darfst. Eine Chance auf eine Familie, vielleicht?
Feylin hat dich gesegnet, auch wenn es dir vielleicht nicht so vorkommt."
Damit senkte er den Blick auf das Buch, und schlug es wieder auf. Caleb wusste ganz genau, an welcher Stelle er aufgehört hatte. Doch jetzt blätterte er etwas langsamer. Schwermütiger. Zum Hundertsten Mal wiederholte er für sich alles, was in den letzten 24 Stunden passiert war und kam doch zu keinem Schluss.
Kurz stockte er an einer Seite, "Hm, wahrscheinlich hätte man uns hier eher bleiche Dämonenaugenfeldärzte genannt.", flüsterte er, eine jehe Erinnerung ausgrabend, dann blätterte er um und war wieder still.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Montag 30. Juli 2012, 08:09

"Das hättet ihr und es wäre gut gewesen", sagte Aleksander. "Marlin mochte zwar durch diese Feldarztausbildung aufblühen wie niemals zuvor, aber ich hatte das Gefühl, dass er sich dennoch irgendwie allein vorkam. Er war kein Soldat." Für einen Moment trat Schweigen ein. "Was ist mir dir, Caleb? Fühlst du dich hier in Troman denn wohl?" Die Frage war aufrichtig gemeint, mit einer Spur interessierter Fürsorge. Der Katzenjunge löste bei dem Soldaten etwas aus, das er zuletzt bei Marlin gespürt hatte und dieser war gefallen. Und so wie sich Calebs Antwort nun anhörte, war sofort klar, wer hier wünschte, dass er im Grenzdorf blieb und sich ausbilden ließ. Er war nicht aus freien Stücken hier. "Du folgst Vince, weil er dein Prinz ist. Das mag außerhalb dieser Palisaden sogar zutreffen, aber in Troman ist auch er nur ein Mann, der seine Heimat verteidigen will. Sag ihm, wenn es dir hier nicht gefällt. Man verliert schneller etwas von Bedeutung, wenn man weit weg von hier sein will."
"Der Soldat hat Recht, Junge." Sofort wurde der Jorsaner Hector von einem der Soldaten in die Seite geschlagen. Er sollte sich in keine Gespräche einmischen. Das Verhöhr vorhin war sein Letztes gewesen. Nun wartete auf ihn nur noch der Tod. Dass man ihn noch nicht hinrichtete, lag einzig und allein daran, dass man auf das Erwachen der jorsanischen Prinzessin wartete. Aber noch immer war es vollkommen still auf der anderen Seite des Vorhangs.
"Wie auch immer, es ist mein Problem wie ich damit fertig werde..." Aleksander hob seine verbliebene Hand. Er legte sie Caleb auf die rechte Schulter, drückte diese. Ein ernstes Augenpaar schaute den Jungen an. "Das ist es nicht. Wenn du so denkst, hast du dein Leben verwirkt. Das hier ist Troman, die letzte Bastion Grandessas gegenüber dem Feind. Wer hier den Einzelkämpfer spielen will, kann das tun, aber er wird sich sehr schnell allein irgendwo tot im Dreck wiederfinden." Aleks schüttelte den Kopf. "Du bist nicht allein hier. Troman ist eine Einheit und muss es bleiben, solange wir von Jorsan bedroht werden. Sonst wird alles fallen. Wenn du also jemanden zum Reden suchst, dann schnapp dir den erst besten Soldaten, den du siehst. Wir hören alle zu, glaub mir." Er nickte in Richtung seines Armes. "Wenn ich hierfür keinen zum Reden gehabt hätte, sagte der Medicus, hätte ich nicht die Willenskraft besessen, die Amputation durchzustehen. Es bleibt nur noch die Frage, wie ich König und Land so weiterhin dienen kann." Er seufzte, denn auch wenn er nun darüber sprach, ging ein verlorener Arm nicht spurlos an einem Mann vorbei.
Und schon zeigte Caleb sich offen als der Redepartner, den Aleksander nun wohl ebenfalls hatte gebrauchen können. Er lauschte dem Vorschlag, lächelte sogar. "Eine Familie wäre wirklich ein Abenteuer, in das ich mich noch nicht gestürzt habe, andererseits ... die Hand der Prinzenkrone hätte einen Finger weniger - zwei, wenn du deinen Posten hinter dir lassen und heimkehren willst. Vince würde dich nicht zwingen, hier zu bleiben, vor allem nicht, wenn du kein ausgebildeter Soldat bist. Er ist mehr als mein Prinz und Feldherr. In den Jahren, in denen er dem Militär gedient hat, sind wir Freunde geworden. Einen Freund lasse ich nicht im Stich." Der Soldat erhob sich etwas umständlich von der Bank. Das Nachthemd ließ sich hinten schnüren, was einen Medicus, der es eilig hatte, den Zugang zu seinem Patienten erheblich vereinfachte. Für den Patienten bedeutete das ab und an peinliche Momente. "Ich soll nach meinem Arm - oder was davon übrig ist - sehen lassen. Vielleicht will ein Feldarzt in spe mich begleiten und Erfahrungen sammeln?" Auf den Kommentar mit den Dämonenaugen ging Aleksander nicht ein, es überraschte ihn auch irgendwie nicht, dass Caleb so dachte. Marlin und er hatten viel gemeinsam. Auch der Verstorbene hatte oftmals geglaubt, Troman sähe in ihm einen Dämon.
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