Unter Soldaten

Man könnte es mehr Militärstützpunkt nennen als Dorf. Denn hier stehen zwei große Spähtürme, sowie kleine Baracken für Soldaten des Landes. Hier handelt es sich um die Grenze zum Reich Jorsan, welches nicht gerade positiv gesinnt ist.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Freitag 23. März 2012, 17:42

Auch Calebs Haltung begann sich sichtbar zu entspannen, zusammen mit Rist. Wo der Hüne vor Wut gebrodelt hatte, war der Junge zur Salzsäule erstarrt, wohl in der Angst jeden Moment von den riesigen Pranken nach Jorsan geschleudert zu werden. Der Prinz hatte in Troman wirklich gute Freunde gefunden. Hätte Caleb von seinem Herr erfahren, dass dieser einen anderen Diener an seiner statt einstellen wollte, wäre er kaum zu so einem Wutanfall fähig gewesen, sondern hätte - gehorsam, wie es sich gehörte - die Entscheidung angenommen und sich zurückgezogen.
Betrübt senkte Caleb den Blick. Er war nicht der Freund des Prinzen, nur ein Handlanger. Gerade wollte er sich die Kapuze wieder über den Kopf ziehen, da sprang Theben ihn von der Seite an und nahm ihn in den lockeren Schwitzkasten. Beinahe sofort lief der Hybride rot an und sah überrascht zu dem Soldaten hinüber, der ihn nur breit angrinste. Über dessen ausscheifende Rede musste Caleb sogar ein wenig lächeln. Er konnte sich wirklich gut vorstellen, dass Rist auf dem Schlachtfeld sicher genauso eine erschreckende Erscheinung war wie hier. Und seine Wut gegen Jorsaner anzufachen wäre bestimmt nicht schwer.
"Kämpft Rist denn auch? Die Narbe kommt sicher nicht von einem Küchenmesser.", mutmaßte Caleb, wenn auch gewohnt kleinlaut, während der Riese in der Küche verschwand. Da er nicht wusste, wem genau er die Frage stellte - Theben oder dem Prinz - wusste er auch nicht, ob er irgend einen Titel benutzen musste. Eines von sicher noch Hundert Kleinigkeiten, die hier anders waren und immer wieder begann ihn zu verunsichern.
Da fiel ihm auf, dass der Prinz erneut so eine Andeutung gemacht hatte. Dass er nicht vorhatte, Caleb in den Dienst der Küche zu stellen, dass er Pläne mit ihm hatte und dass, wenn alles so lief, wie er wollte, Caleb nicht nur ein Diener sein würde. Die Neugier, welche in Caleb schon herum prodelte seitdem er die Wachstube betreten und Theben kennen gelernt hatte, verbat ihm, das Thema auf sich beruhen zu lassen.
"Mein Prinz, was sollte-"
Da kam Rist zurück, mit zwei Teller aus denen man noch den Dampf hervorquillen sah. Es roch sofort nach dem Inhalt und Caleb lief das Wasser im Mund zusammen, wo er doch seit Stunden nichts mehr gegessen hatte. Die Worte des Prinzen dagegen schwächten das Gefühl wieder ab. Er sollte seine Bewertung abgeben? Rist sah ihn bereits grimmiger an als sonst. Und da ihm der Prinz einen Befehl gegeben hatte, würde er kaum lügen können, aber das hatte er sich doch sowieso verboten. Außerdem, Rist war ein Meisterkoch hier, wie konnte er-
Caleb hatte den ersten Löffel voll gekostet und in ihm breitete sich sofort ein wohliger Gefühl aus. Er musste aussehen, als hätte er etwaqs von den berauschenden Kräuter genommen, denen einige reiche Adlige verfallen waren. Das Soldaten solches Essen vorgesetzt bekamen, hätte Caleb nicht gedacht. Es war köstlich! Selbst im Schloss gab es das für einfache Wache nicht. Dort wurde für Adel, Militär und Dienerschaft separat gekocht, und in dieser Reihenfolge stieg auch die Qualität ab.
"Das ist...glaube ich das Beste, dass ich jemals aufessen durfte."
Auch wenn es komisch klang, es war die Wahrheit. Sicher, für den Adel hatte es schon Schmackhafteres gegeben, aber dort hatte er höchstens abschmecken dürfen. Somit hatte er schon besseres probiert, aber niemals wirklich essen dürfen. Seine Mahlzeiten bestanden hauptsächlich aus den Resten, wurden wenn dann höchstens mit Salz und Pfeffer gewürzt und nur liederlich zubereitet. Es ging darum ihren Hunger zu stillen, nicht ihre Zungen zu erfreuen.
"Da ist Ingwer drin, oder?" Caleb nahm noch einen Löffel, ignorierte aber das Brot. "Kümmel, Koreander. Chilli?" Er sah Rist ehrlich interessiert und fragend an, bevor er sich wieder seiner Mahlzeiz zuwandte. Wo hatte er nur all diese Gewürze her, wurde so wirklich das grandessanische Militär bedient? Das folgende kam ihm schwerer über die Lippen.
"Hätte nicht gedacht, das man hier so etwas bekommt, aber Kürbis hat sehr viele gesunde Bestandteile, vielleicht nicht sonderlich fetthaltig und lieferte kaum Energie, aber deswegen ist hier auch Sahne drin, oder? Zum ausgleichen. Macht gut satt und gibt viel für den Körper, eigentlich genau das richtige für Soldaten."
Der Prinz hatte Caleb um eine ehrliche Meinung gebeten. Wahrscheinlich war das der Grund, warum er etwas freier reden konnte, obwohl er immer noch versuchte, die Menschen um sich herum auszublenden, wenn er so sprach. Jedenfalls starrte er dabei in seine Suppe und hätte sich nie im Leben getraut, dabei Rist in die Augen zu sehen. Irgendwie kam er sich besserwisserisch vor, wenn er so redete. Der Prinz hatte das sicher nicht rausgeschmeckt. Caleb missfiel es, sich so hervorzutun, weswegen er jetzt schwieg und sich stattdessen um sein Essen kümmerte. Schon beim Reden war er immer leiser geworden.
Das Brot benutzte er ganz zum Schluss, um jeden Fleck der orangefarbenen Suppe vom Teller abzukratzen. Inzwischen war er beinahe sicher, dass dort auch Peffer und Salz - natürlich - Zitronensaft, etwas Öl und Butterschmalz drin enthalten war, von den Standartzutaten Kartoffeln, Zwiebel und Knoblauch einmal abgesehen, dass erkannte ja so ziemlich jeder. Allerdings würde ihm das kaum etwas nützen, denn vieles entschied sich auch in der Zubereitung. Die Reihenfolge der Gewürze war entscheiden, sonst kochte eines zu lange und verlor seine Wirkung, wurde später durch ein anderes überdeckt, aber Rist war die Suppe perfekt gelungen. Caleb hatte trotzdem das Fleisch gefehlt, sagte aber nicht. In eine Kürbiscremesuppe gehörte doch kein Fleisch!
"Super lecker.", murmelte er und lehnte sich zurück. Die Sahne hatte seinen Bauch gestopft, auf dem nun seine Rechte lag. Kurz fühlte er sich wie bei Boran in der Küche, wo er normalerweise dieses Gefühl bekam, wenn mal genug essen übrig geblieben war. Liebend gern hätte er Nachschlag verlangt, aber das hätte er niemals geschafft. Allgemein schien sich sein Körper daran gewöhnt zu haben, mit weniger Nahrung auszukommen - oder er war einfach einer von dieses Menschen, die wie Mäuse aßen. Ziemlich dummer Vergleich für einen Katzenmenschen, aber so ging das Sprichwort nun mal. Boran hatte sich so immer einen Scherz mit ihm erlaubt und ihn getadelt, er wäre nur so dünn und klein, weil er nie ordentlich aß. Vielleicht hatte er ja recht.
Ob er Rist fragen konnte, ihm das Rezept beizubringen? Wenn er wirklich mal in der Küche arbeitete, wollte Caleb ihn fragen.
"Isst man hier immer so", fragte er, wieder vollkommen unsicher, weil er keinen Titel benutzte, um jemanen anzusprechen. Caleb kam sich komisch dabei vor.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Samstag 24. März 2012, 14:42

Innerhalb von den sicheren Mauern des Innenrings von Grandea hatte der Prinz niemals darüber gesprochen, dass er in seiner Zeit beim Militär Freunde gefunden hätte. Überhaupt hatte er sogar seinem eigenen Vater, dem König, nur wenig von dieser Zeit erzählt. Sicher, es waren Berichte ausgetauscht worden und Vincent hatte lang und breit erklären - und vorführen - müssen, welche Handgriffe und Techniken ihm beigebracht worden waren. Über das soziale Umfeld war jedoch niemals auch nur ein Wort gefallen. Der Prinz hatte seine Freunde, sowie das brüderliche Miteinander zwischen ihnen, geheim gehalten wie einen Schatz. Umso wichtiger schien ihm jetzt, diese Kostbarkeit mit Caleb zu teilen, wenngleich das erste Zusammentreffen mit dem Hünen Rist alles andere als erwartet ablief.
Während dieser sich, von Vincents Worten ein wenig beschwichtigt, in die Küche zurückzog, um das Essen für seinen Kameraden und den grimmig beäugten Küchenjungen zu holen, erhielt Letzterer Gelegenheit, ein paar Fragen zu stellen. Die erste wurde sofort von Theben beantwortet, der sich in einer offenbar gewohnt lässigen Haltung über den Tisch beugte. Er winkte Vincent heran. "Na klar kämpft Rist auch. Er ist genauso Soldat wie du und ich." Theben zwinkerte dem Prinzen zu, dieser verzog jedoch keine Miene. "Er schwingt den Kochlöffel nach diesen Drecksjorsanern und schlitzt ihnen den Wanst auf. Was herausfällt und nicht allzu sehr stinkt, daraus zaubert er dann unser Gourmet-Essen hier."
"Theben..." Der Thronfolger schüttelte den Kopf, konnte ein feines Lächeln aber nicht unterdrücken. Der Angesprochene warf aber sofort die Hände in die Luft. Dass er es nicht allzu ernst meinte, sah man ihm jedoch an. "Schon gut, schon gut. Will dem Kätzchen ja nicht seine Schlabbermilch verderben." Das Lachen erstarb bei diesem jungen Mann wohl nie. Er struwwelte Caleb durchs Haar, als sei dieser eine kleine Rotznase und lehnte sich dann zurück. Der Küchenjunge hatte noch etwas mit seinem Herrn zu besprechen, kam aber nicht einmal mehr dazu, die Frage komplett auszuformulieren. Der finster dreinblickende Rist kehrte zurück, servierte die Mahlzeit. Kürbiscremesuppe gab es und Caleb sollte laut Anweisung des Prinzen seine Meinung äußern. Rist blieb anwesend. Mit verschränkten Armen stand er da, schaute kritisch auf den Katzenhybriden herab. Er ließ ihn keine Sekunde aus den Augen, verfolgte jede noch so kleine Bewegung, die vom Löffel bis zum Mund führte. Zum ersten Kommentar brummte er nur, hielt dies wohl für den Versuch eines Friedensangebots. Aber geheucheltes Einschleimen prallte an diesem Koloss wohl gleichermaßen ab wie ein kräftiger Hieb mit dem Schwert. Er schien unverrückbar, ein menschlich gewordener Berg. Und noch immer fixierte er Caleb mit Argusaugen.
Als Caleb dann plötzlich vereinzelte Gewürze und Zutaten benannte, wanderte eine der dunklen Brauen in Rists Gesicht nach oben. Die Stirn legte sich dadurch in Falten, aber seine Mimik verriet Überraschung. Die nächste Zutat wurde genannt. Rist senkte die Arme. Caleb erkundigte sich, ob Chili Teil des Gerichts war. Rist antwortete nicht, trat aber dicht an den Tisch heran. Als er sich auf der breiten Bank niederließ, knarrte diese unter der Masse an Muskeln. Beide Arme des Mannes landeten auf dem Tisch, dass es aus Vincents Suppe hoch spritzte. "Heee, Rist, wie soll ich so deine Speisen genießen?"
Rist schenkte seinem Prinzen keine Aufmerksamkeit. Die dunklen Augen lagen auf Caleb. Er schaute ihn mit einer Mischung aus eindringlicher Neugier, Bewunderung und ... Interesse an. Ein Brummen kam von seinen Lippen. Schließlich meinte er mit tiefer Stimme: "Chili - nur ein bisschen." Er lauschte jedem einzelnen Wort, das Caleb über die Suppe abgab, ließ sich von nichts ablenken. Vincent vergaß unter dieser Beobachtung seines Begleiters glatt zu essen und auch Theben schaute seinem Kameraden zu. Er grinste von einem Ohr zum anderen.

Nachdem Caleb auch den letzten Rest der Suppe mit dem Brot aufgetupft hatte, sprach Rist zum zweiten Mal wieder. Seine Worte wurden von einem Brummen begleitet, das er scheinbar nicht abschalten konnte. Es gab ihm zusätzliche Merkmale, die einschüchtern konnten, doch verhielt er sich Caleb jetzt deutlich ruhiger gegenüber. All seine Aggressionen waren wie weg gefegt. "Einige Bauern wurden angewiesen, Kürbis zu pflanzen. Dann noch Weizen und Kartoffeln, Zwiebeln und Zucchini. Das essen die Soldaten nicht gern, aber es stärkt sie. Jeden zweiten Tag gibt es Fleisch, damit ihre Körper kräftig bleiben, aber nicht verfetten. Wir schlachten Rinder und Schweine. An den wenigen Ziegen des Dorfes ist nicht viel dran. Ingwer und Chili stammen aus meinem persönlichen Vorrat."
"Rist hat einen eigenen Koffer mit, musst du ..."
"Still, Rist!", knurrte der Koch. Er wandte sich wieder Caleb zu. "Wenn ich koche, wird stets gut gegessen. Die Soldaten müssen Energie für den Kampf haben. Einen Nachschlag? Nein? Dann komm in die Küche, falls der Prinz dich für die Nachtschicht zugeteilt hat. Kannst mir helfen." Er erhob sich, drehte sich um und stapfte durch die Schwingtür, ohne irgendjemandem der Anwesenden noch einen Blick zuzuwerfen. Theben grinste wiederholt, dieses Mal schief. "So ist er, unser Rist. Aber er scheint ein Kätzchen für seine Küche gefunden zu haben."
"Geh nur mit, Caleb", meinte der Prinz. "Arbeite nicht die Nacht durch, überanstrenge dich nicht. Rist soll dir einen Schlafplatz zuteilen. Ich kehre gleich zum Lazarett zurück, kläre dort alles und hole dich morgen hier in der Stube wieder ab." Auch er erhob sich nun. "Theben, begleite mich bitte. Ich brauche einen aktuellen Statusbericht von dem Angriff, bei dem ... es Aleksander und Marlin erwischt hat." Es war das erste Mal nun, da das Grinsen von Thebens Gesicht schwand. Er eilte sich, seinen Platz am Tisch zu verlassen. "Natürlich, Vince. Ich komme mit. Du sollst alles erfahren." Beide wandten sich der Tür zu.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Samstag 24. März 2012, 17:53

Man konnte sich gar nicht vorstellen, wie glücklich Caleb in dem Moment war, als Rist ihn in die Küche einlud. Er strahlte übers ganze Gesicht, bis ihm einfiel, dass der Prinz irgendwelche Pläne für ihn hatte. Fast schon verzweifelt drehte sich der Diener zu seinem Herr um, aber dieser gab seine Zustimmung. Seine Miene hellte sich erneut auf und schon war er dabei den leer geputzten Teller des Prinzen mit seinem einzusammeln.
"Natürlich, Eure Hoheit.", brabbelte Caleb aufgeregt, während ihm der Prinz erklärte, was er zu tun hatte, "Sehr wohl." Man konnte ihm die Aufgeregtheit an der Nasenspitze ablesen. Die Katzenohren hoch aufgestellt, endlich ein ehrliches Lächeln auf dem Gesicht und einem vorfreudigen Funkeln in den Augen. Die Erschöpfung der Reise und das Schmerzen der Handgelenke, all das war für diesen Moment vergessen, wo er sich auf dem Weg zur Küche machte. Sicher würde nicht viel zu tun sein, immerhin hatte Rist bereits für die Nachtschicht gekocht. Wahrscheinlich war nur noch Aufräumarbeit zu tun sein, aber Caleb mochte solche Sachen. Außerdem könnte er sich dabei gleich an die neue Umgebung gewöhnen. Oder wollte ihm Rist etwas zeigen? Er war ganz aufgeregt. Ob es manchmal auch Lamm zu essen gab? Das war sein Lieblingsfleisch.
Dann verlangsamte sich sein Schritt wieder. Hinter seinem Rücken hatte sich wieder eine bedrohliche Aura zusammengebraut. Man sprach von Krieg und Tod, dem eigentlichen Grund, warum er überhaupt hier war. Bilder von Aleksanders Wunde huschten durch seinen Geist, aber er schob sie beiseite. Schlimm genug, dass er sich daran für den Rest seines Lebens erinnern würde. Ein Teil von ihm wollte in die Küche rennen, um zu fielen vor all der Bedrückheit und Ungewissheit, die dem Prinzen und seinen Plänen anheim zu wohnen schien, aber er war dessen Diener. Davor konnte er nicht wegrennen. Das hatte er inzwichen verstanden.
"Es tut mir wirklich Leid, mein Prinz, um all Eure Freunde.", flüsterte er, unwissend, ob der Prinz ihn hören konnte, der gerade mit Theben zur Tür schritt. Er war stehen geblieben, traute sich aber nicht, sich umzudrehen. Würde es noch mehr von ihnen erwischen, wenn sie erst einmal in den Krieg zogen? Thebens Lächeln und Rists grummlige Art. Würden sie auch irgendwann aufhören zu existieren? Caleb war dem Tod noch nie begegnet, nicht in Menschengestalt. Das einzige Erlebnis war die Katze gewesen, die ihn gebissen hatte und kurz darauf verbrannt worden war. Er war so jung damals gewesen, aber er konnte sich noch an alles erinnern. Diesen letzten Schrei.
Aber das war nicht im Vergleich zu dem, was der Prinz gefühlt haben musste, als er von Marlin erfahren hatte.
Wesentlich langsamer als zuvor, betrat Caleb die Küche.
Sie war kleiner als im Schlosspalast, aber das lag wohl mehr daran, dass es dort nun mal nur eine Küche gab. Caleb war sich ziemlich sicher, dass mehrere Küchen existierten vielleicht sogar eine Speisesaal für die Soldaten in einem größeren Gebäude, wo zu Mittagszeiten gekocht wurde, während dies hier nur eine Nebenküche für kleinere Portionen wie eben für die Nachtschicht zubereitet wurden.
Aber Caleb war die Lust vergangen. Etwas bedrückte ihn sichtlich, und er setzte sich entkräftet auf eine der Bänke, die an der Wand standen und lehnte sich zurück an den kalten Stein. Die Holzschalen hatte er immer noch in der Hand. Tief einatmend ließ er den Kopf gegen die Wand zurück sinken und starrte die Decke an. Sein Kopf musste sowieso erst Mal verarbeiten, was er alles in der Küche gesehen hatte. Der Standort von Gerätschaften, Töpfen und Pfannen die an der Wand hingen, gewürzen, die an der Decke trockneten, der Geruch, aus dem er die verschiedenen Pflanzen herausfilterte. Er hatte wieder einen Moment dieser absoluten Trance, bevor er zu Rist sah, und einen Blick haben musste, in dem Verzweiflung und Trauer mitschwangen.
"Troman macht mir Angst. Ich...", er konnte sich nicht erklären. Schon oft genug hatte er darüber nachgedacht, den Krieg und alles. Er kam damit nicht überein. Ob Rist ihn verstand? Er sah nicht wie jemand aus, der überhaupt irgendwann einmal Angst gehabt hatte, oder sich überhaupt vor irgend etwas fürchten musste. Selbst ein Bär hätte gegen ihn nicht gewonnen, und sich selbst im Vergleich dazu zu sehen, nahm ihm das Selbstvertrauen.
Ratlos sah er auf seine Hände. Kraftlos ware sie. Hilflos legten sich seine Ohren an, ließen ihn noch kleiner erscheinen.
"Der Prinz hat Pläne, Rist, ich glaube er erwartet Dinge von mir, die ich nicht tun kann."
Warum er sich gerade hier und jetzt all das von der Seele redete, war ihm nicht klar. Ob es die Küche war, und Rist, der ihn an einen großen Bruder von Boran erinnerte. Der würzige Geruch, der ihn umwabberte, die Wärme des Ofens und das satte Gefühl, dass er im Magen hatte. Bedrückt zog Caleb die Beine an und legte das Kinn auf die Knie. So hatte er oft in der Küche gesessen, wenn er etwas falsch gemacht hatte und ausgeschimpft worden war. Er wollte sich eine Milchschale nehmen und nach draußen gehen, aber er war nicht mehr in Grandea, wie er sich in Erinnerung zu rufen versuchte. Hier war kein Boran.
"Ich hab Aleksanders Wunde gesehen, die war eitrig und entzündet. Er hat geschrieen. So laut..." Er vergrub den Kopf hinter den Armen, die seine Knie umschlangen.
Niemand tat irgend jemandem weh im Schloss von Grandea. Es gab Soldaten und alles, aber niemand hatte in seinem ganzen Leben versucht, den König umzubringen. Alles war gut gewesen. Er mochte es, dem Prinzen zu dienen. Das hier...hatte er nie gewollt.
"Am liebsten würde ich mich einfach nur hinterm Ofen verstecken."
Seine Worten waren ein Flüstern gewesen. Er konnte es nicht tun. Der Prinz würde ihm befehlen, und er würde den Befehlen folge leisten, auch wenn er nicht an sich selbst glaubte. Weil er um des Prinzen willen tun wollte, aber...

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Gestalt » Montag 26. März 2012, 15:33

Die Küche war nicht mit jener zu vergleichen, die Caleb aus dem Schloss kannte. Sie war zu allererst wesentlich kleiner, aber es gab ihr einen überaus gemütlichen Charme, den er wohl ebenso wenig von Grandea kannte. Außerdem tummelten sich hier nicht Dutzende Küchenjungen und Mägde. Rist und er waren hier drinnen vollkommen allein.
Es gab einen Ofen, der auch jetzt bereits beheizt wurde. Darauf köchelte ein großer Topf, aus dem der leckere Geruch der Kürbissuppe strömte und den gesamten Raum in Beschlag nahm. Er war bei weitem nicht groß genug, um eine ganze Armeeeinheit zu versorgen. Dies ließ darauf schließen, dass hier ausschließlich für die Schicht der Wachstubde gekocht wurde. Wahrscheinlich gab es unter den zahlreichen Barracken des Grenzdorfes auch eine, in der eine größere Küche stand, zusammen mit einem Speisesaal für die hungrigen Soldaten. Hier speiste man nur die nächtliche Patrouille ab, wenn sie von einem Rundgang ins Warme kam. Umso köstlicher wurden sie dann allerdings versorgt. Wenn Rist kochte, bekam man keinen wenig nahrhaften Kantinenfraß.
Nebst des Ofens nahm eine Reihe Schränke und Regale eine ganze Wand ein. Dort fanden sich Töpfe, Geschirr und Gewürze, aber auch die nötigen Utensilien, um alles reinlich zu halten. In einer anderen Ecke, direkt neben einer Handpumpe standen Zuber und Schrubber für jenen armen Tropf bereit, der zum Töpfe scheuern verdonnert worden war. Allerlei Gewürzregale und Pfannen an Haken, sowie von der Decke hängende, ausgeblutete Kaninchen, gefangene Rebhühner und ein noch mit Federn besetzter Fasan komplettierten das Gesamtbild.
Unterhalb einiger zum Trocknen an einen Balken genagelter Kräuter gab es einen kleinen Tisch mit Eckbank und Stuhl für den Koch und seinen Helfer. Hier stand ein noch nicht fort geräumter Teller, dessen orange farbener Rand darauf hindeutete, dass sich Rist auch selbst etwas von seiner Suppe gegönnt hatte. Daneben wartete ein halb ausgetrunkener Krug Wasser auf ihn.

"Gib mir das." Kaum dass Caleb sich gesetzt hatte, ließ sich Rist die Holzschalen reichen, nahm auch seinen Teller dazu und stellte alles in den Zuber bei der Wasserpumpe. Er ging offenbar schnell sehr sorgfältig um. Es stand im Grunde nichts mehr in der Küche herum, was nicht noch wirklich gebraucht wurde. Alles andere hatte seinen Platz und befand sich auch genau dort.
Der hünenhafte Rist rührte noch einmal in der Kürbissuppe herum, setzte dann einen Deckel auf den Topf und sich selbst gegenüber von Caleb auf den Stuhl. Er musterte den Katzenhybriden. Dabei brummte er leise, sagte aber noch nichts. Seine dunklen Augen wanderten über Calebs Gesicht, dann dessen Hände. Dafür sprach Caleb, öffnete sich diesem Klotz von einem Grandessaner mehr noch als er sich dem Prinzen gegenüber geöffnet hatte. Warum, dass wusste er scheinbar nicht einmal selbst. Rist lehnte sich zurück. Der Stuhl kommentierte es mit einem Knarren. Dieser Mann besaß kein Gramm zu viel, aber Muskeln konnten auch eine gewaltige Masse bilden und von denen hatte er wahrlich genug. Rist lauschte den Ausführungen des Jüngeren. Er sagte keinen Ton, brummte letztendlich nicht einmal mehr. Und er ging auch auf dessen Befürchtungen nicht offen ein. Vielleicht war es das Beste, das Caleb passieren konnte.
Rist wies nach oben. Über seinem Kopf hingen Rosmarin, Salbei und einige Wurzeln, unter denen auch der Ingwer zum Vorschein kam, den Caleb vorhin schon in der Suppe geschmeckt hatte. "Weißt du, was das ist, Bursche?" Er zeigte auf den Rosmarin. "Und das dort?" Nun war der Salbei dran. Schließlich erhob sich Rist unter leichtem Ächzen. Er ging zu einem Regal herüber. Dort standen viele kleine Flaschen, teilweise verkorkt. Er nahm gut ein Dutzend heraus, brachte sie zum Tisch und stellte sie sorgsam in einer Reihe auf. Etiketten besaßen die Flaschen keine. In jedem davon befanden sich Pulver verschiedener Farbe und Konsistenz. Rist schob das erste Fläschchen zu Caleb herüber. Es enthielt kleine, schwarze Körner. "Das solltest du kennen, wenn du ein ordentlicher Küchenjunge bist. Sag mir, was ist da drin?" Da brauchte Caleb vermutlich nicht einmal dran zu riechen, um den schwarzen Pfeffer zu erkennen. Man baute ihn sogar in Grandessa an. Er war sehr beliebt, würzte er doch sogar die Speisen der einfachen Leute.
"Das hier ist seltener." Rist schob eine Flasche mit ockergelbem Curry zu dem Jungen herüber. Das ging eine ganze Weile so. Er fragte Caleb richtig ab, es war wie die Prüfung eines Kochgesellen. Rist sagte nicht zu den Antworten seines Gegenübers, weder ob sie richtig noch falsch waren. Er beobachtete nur, machte sich sein eigenes Bild.

Schließlich lehnte er sich erneut zurück. "Was immer dein Prinz von dir erwartet, das hier kannst du. Verhungern wird er bei uns nicht." Rist holte einen Krug von einem Haken, füllte ihn mit Wasser aus einer Kanne und reichte ihn Caleb. "Er erwartet von dir genauso viel wie von uns oder von sich selbst. Nicht mehr, nicht weniger. Hinter dem Ofen verstecken hilft da nichts. Aber du könntest dort fegen, um etwas zu tun zu haben. Wäre ein guter Anfang." Rist räusperte sich. "Wegen Aleksander sprichst du am besten mit ihm selbst oder mit Vincent, dem du wohl näher bist als mir. Oder plappere, solange du mich nicht störst. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass du sowas gesehen hast. Nicht, wenn du hier in Troman bist. Aber Reden hilft den meisten." Er selbst schwieg jedoch über solche Dinge. Nicht einmal Vincent hatte dieser Mann jemals seine Gedanken über die Verwundeten, Toten und die damit verbundene Trauer mitgeteilt. Rist wandte sich wieder der Kürbissuppe zu.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Montag 26. März 2012, 22:15

Hier in diesem kleinen, gut riechenden Raum fühlte sich Caleb wohl, und er wusste jetzt auch warum. Schlicht und ergreifend, weil es eine Küche war. Sein Zufluchtsort. In all den Jahren war er immer in so einen Raum zurückgekehrt, hatte die Kapuze abgestreift, sich auf seine Treppe gesetzt und sich alles von der Seele geredet, so wie gerade eben. Die Katzen hatten es nicht weiter verraten, aber ihn dafür trösten oder beraten können. Das war auch der Grund, warum er nie so mit dem Prinzen reden konnte. Was dieser von ihm sah, war der Diener. Eine Rolle, die Caleb zu spielen gelernt hatte, welche aber anfangs einen unbedeutenden Teil seiner selbst eingenommen hatte und auch heute der Nichtssagenste von allen war.
Vor Jahren war er noch wie jedes andere Kind gewesen, hatte gelacht, geweint. Doch mit der Zeit war all das hinter einem Vorhang verschwunden. Der Prinz war damals schon älter gewesen, ein Jugendlicher. Ob er irgendetwas davon mitbekommen hatte? Die Verwandlung in eine gehorsame Puppe. Aber Caleb war erst später zu seinem persönlichen Diener geworden, zu einer Zeit, in der die Kapuze seine Persönlichkeit schon mehr definiert hatte als sein Gesicht, das man kaum noch zu sehen bekam. Er hatte gelernt, all sein Dasein einem Zweck zu widmen, der kaum Grund zum Leben allein war.
Sicher, Caleb mochte es, dem Prinzen zu Diensten zu sein, aber hatte immer schon mehr gewollt. Es reichte nicht, nur ein Diener zu sein.
Deshalb kannte Prinz Vincent ihn genauso wenig, wie Caleb glaubte ihn zu kennen.
Wusste er, das Caleb alles dafür getan hätte, um einmal einen Zirkus zu besuchen; Klavierunterricht zu bekommen; nur einen Tag für sich in der Bibliothek zu haben? Sich einfach mal hinsetzen zu können, ein Blatt zur Hand zu nehmen und zu schreiben, ohne Angst zu haben von einem Aufseher dafür bestraft zu werden! Wie oft hatte er sich gewünscht, einmal ins Theater zu gehen, oder ein Konzert zu besuchen.
Doch da gab es diesen Teil, diese Figur, in die er jedes Mal schlüpfte, wenn er sich dem Prinzen näherte, die ihm sagte, dass all das keine Bedeutung hatte. Das all sein Streben dem Thronfolger gehören musste. Eine jahrelange Ausbilung stand hinter dieser Facette, die ihm selbst im Weg stand. Da reichte es nicht, wenn der Prinz ihn schlicht nett behandelte, um sie zu vertreiben. Sie flüsterte in sein Ohr, dass er nichts wert war, schloss seinen Mund, wenn er etwas sagen wollte, schollt ihn für alles, was er falsch machte und dachte. Der Diener.
Nur ein Küchenjunge, ... und bald mehr!
Die Stimme des Prinzen hallte in seinem Kopf. Was hatte er mit ihm vor?

"Weißt du, was das ist, Bursche?", fragte Rist mit seiner tiefen Stimme. Sie hatte einen schönen Klang und erinnerte Caleb irgendwie an das Brummen, wenn große Katzen schnurrten.
Mit einer altbekannten Handbewegung schob sich Caleb die Kapuze über die Ohren, bevor er sich zwei Tränen aus den Augenwinkeln wusch. Ein leichtes Lächerln umspielte seine Lippen. Diener hin oder her, er liebte die Küche und das Kochen. Ohne hinzusehen konnte er dem Hünen die richtige Antwort geben, immerhin hatte er sich eben im Raum umgesehen und alles abgespeichert. Auch das nächste beantwortete er ohne den Blick nach oben zu heben. Allerdings machte er dabei keineswegs den Eindruck, gelangweilt zu sein, eher rutschte er bis zur Kante der Bank und lehnte sich weiter über den Tisch, als Rist mit den Gewürzen zu ihm kam, die er beinahe vorfreudig ansah.
"Schwarzer Pfeffer, Chilli, das ist Eberraute. Brot damit schmeckt wirklich lecker. Das ist Bergamotte, kann man sehr gesunden Tee mit machen..."
So ging es weiter. Aber wenn man sein ganzes Leben in der Küche des wohl reichsten Mannes Grandessas gelebt hatte, konnte mal wohl erwarten so ziemlich jedes gängige Gewürz zu kennen. Außerdem war Caleb mit seinem unbestechlichen Gedächtnis kaum zu schlagen, hatte er doch in der Bibliothek das ein oder andere Kräuterkundebuch herausgezogen. Manchmal war er eben auch nach seinen persönlichen Interessen gegangen, wenn er sich unbeobachtet gefühlt hatte.
"Boran, so heißt der Koch im Schloss, ist ziemlich pingelig mit seinem Gewürzen. Da lässt er kaum einen rann aber hält ellenlange Tiraden darüber, wie man sie zu benutzen hat. Da kann man sie auswendig mitsprechen, bevor du nicht mindestens zehn Jahre in der Küche gearbeitet hast kommst du an seinen Gewürzschrank nicht rann."
Kurz war Caleb wieder abgedriftet und schwelgte in Erinnerungen. Ob er Boran einen Brief schreiben durfte? Und ihn irgendwo zwischen die Berichte eines Kuriers schmuggeln konnte, damit es nicht auffiel? Oder sollte er einfach auf den Prinzen zugehen, und ihn direkt fragen, denn dann-
Der Prinz hatte sicher anderes zu tun, immer hin hatte er einen Krieg vorzubereiten. Da hatte er ihn nicht mit sowas zu belästigen.
Caleb sah erst auf, als Rist etwas sagte. Der Katzenjunge nahm den Becher Wasser dankend an und trank einen Schluss der kalten Fküssigkeit. Oh wie gern hätte er jetzt etwas von der Milch gehabt, die ihm Derenja gebracht hatte, aber beschweren würde sich Caleb sowieso nicht. Über die Worte den Kochs musste er nur kurz nachdenken, denn der Mann hatte schlicht recht. Jetzt konnte er nicht mehr stillsitzen. Sein Kopf hatte beschlossen, all die Gedanken von eben auf morgen zu verschieben, wenn der Prinz ihm hoffentlich endlich zeigen würde, warum er mit nach Troman genommen worden war, also kribbelte es nun in seinen Fingern.
Mit wesentlich leichteren Schritten als vorher ging Caleb zum Zuber und begann Wasser zu pumpen, um das dreckige Geschirr, die drei Teller und Löffel, abzuwaschen.
"Es ist nur, Chef, das ich kein ausgebildeter Soldat bin. Und der Prinz redet, als wäre ich seine Geheimwaffe." Caleb lachte schüchtern, aber es erstarb schnell. Dieser Witze machte ihm ehrlich gesagt Angst. Wenigstens schien die gewohnte Umgebung und Tätigkeit ihm das Reden zu erleichtern. Das Abwaschen ging schnell, und Caleb verschwendete keie Zeit und trocknete auch sofort ab. In dieser Hinsicht ähnelte er Rist, er mochte es, wenn alles erledigt war, und vor allem an seinem Platz. Auch hier erleichterte sein fotografisches Gedächtnis ihm einiges. So konnte er bereits blind das Handtuch wieder an den Haken hängen, als würde er hier schon seit Wochen arbeiten.
Das Geschirr wurde eingeräumt, das schmutzige Wasser vor der Tür ausgeschüttet und der Zuber zurückgestellt. Dann nahm sich Caleb den Besen aus dem Schrank neben dem Ofen. Er öffnete dabei wirklich jede Schublade und Schranktür, um sich zu merken wo alles war, egal ob Rist ihm direkt sagen würde, wo er das Gesuchte hätte finden können.
"Chef, kommen die Jorsaner eigentlich öfter?"
Je schneller er sich an den Krieg gewöhnte, um so besser, aber Caleb hatte es keineswegs eilig damit. Hatte der General nicht gesagt, die Feinde hätte die Ankunft eines großen Heerführers angekündigt? Was, wenn er morgen eintraf, oder schon da war. Der Prinz würde eventuell dazu gezwungen sein, schnell zu handeln. Und dabei wollte er ihm doch auf der Anreise noch Kampfunterricht geben. Mit dem Ding an seinem Gürtel konnte sich der Junge auch nicht anfreunden, aber unvorbereitet wollte er nicht über die Grenze gehen.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Gestalt » Mittwoch 28. März 2012, 20:04

In Rists Küche gab es keine Katzen und auch keine Treppe, auf die sich Caleb hätte setzen können. Hier gab es nur Rist, diesen riesenhaften Kerl, ein wandelnder Albtraum und er war nicht einmal bewaffnet. Das Küchenmesser blieb mal außen vor, aber vermutlich könnte er auch ohne so einigen mit Leichtigkeit den Hals umdrehen. Trotzdem wirkte dieser Mann sehr ruhig, geradezu besonnen. Er hatte gelauscht, als Caleb seine Sorgen mitteilte, aber er war auf seine Art darauf eingegangen. Er hatte den Burschen beschäftigt. Noch hatte der Krieg für ihn nicht begonnen. Er war erst einmal in Troman angekommen und musste sich einleben. Haha, der Küchenjunge, sollte er zeigen, wie gut er war. Doch Rist schien zufrieden. Während Caleb sämtliche Zutaten korrekt aufzählte, nickte der andere anerkennend. Nach und nach räumte er die Gewürze und Pülverchen zurück ins Regal. Schließlich gab er Anweisungen, den Boden zu fegen, aber der Katzenjunge zeigte sich auch hier besonders ehrgeizig und wusch erst einmal das Geschirr ab. Rist nahm es schweigend zur Kenntnis. Er kochte die Suppe soweit fertig und ließ sie dann auf dem Ofen stehen. Hin und wieder rührte er im Topf herum, damit sich keine Haut bildete. Der Wachwechsel würde bald stattfinden und ein ganzer Trupp Soldaten hungrig von ihrer Patrouille eintreffen. "Dein Boran ist klug, dass er die lausigen Bengel und Mädchen nicht an die kostbaren Gewürde heran lässt", begann der Größere plötzlich in die Stille hinein zu sprechen. Er warf einen Blick über die Schulter zurück zu dem Katzenhybriden. "Aber dich sollte er damit hantieren lassen." War das gerade ein Lob?
Rist blickte finster, aber vielleicht nur, weil er gar nicht anders konnte. Seine Aufmerksamkeit kehrte zur Suppe zurück. Er bewachte sie wie ein Schlosshund seinen Herrn. Die Temperatur im Ofen hielt er sorgfältig auf konstanter Stärke - soweit das eben bei einem Ofenfeuer möglich war. Die Suppe durfte weder zu kalt werden, noch überhitzen. Dann gingen wertvolle Inhaltsstoffe verloren, weil sie verbrühten. Rist wusste, worauf er achten musste. Er ähnelte Boran, wenngleich dieser auch nicht so düster aus der Wäsche schaute. Boran war eher zu Späßen aufgelegt. Bei Rist zweifelte man daran, ob er überhaupt lachen konnte. Bisher hatte er es nicht getan, war aber zu Caleb nicht unfreundlich gewesen. Nicht mehr, nachdem er erfahren hatte, dass man ihm seinen Platz in der Küche nicht wegnehmen würde. Im Gegenteil, jetzt schien er den Burschen sogar irgendwie unter seine Fittiche nehmen zu wollen. "Nenn mich nicht Chef. Ich bin Rist", sprach er weiter. "Und du bist weder Soldat noch Geheimwaffe." Der große Mann verließ seinen Platz am Ofen und begann, den Tisch abzuwischen. Dann holte er ein Tablett, stapelte sechs Schalen darauf ab und legte sechs große Holzlöffel dazu. Es folgten sechs Becher, die er ebenfalls ineinander stapelte. Das Ganze machte er mit routinierten Handgriffen, dennoch blieb ein aufmerksamer Blick auf jeder Bewegung haften. Rist achtete auf sich selbst, nahm seine Arbeit sehr ernst. Offensichtlich nahm er alles ernst, woran er beteiligt war. So auch Caleb. Er plapperte nicht mit ihm, aber beantwortete seine Fragen und er erwies ihm Respekt. Wesentlich mehr als die Diener des Schlosses es taten.
"Die Jorsaner tauchen immer wieder hier auf. Sie werden kommen, wenn sie sich die Wunden geleckt haben. Es ist wie bei Ebbe und Flut. Ein Kommen und Gehen, aber man weiß jedes Mal, dass es sich wiederholen wird. Es nimmt kein Ende." Rist schnaubte. Ihm war es scheinbar auch lieber, hier in der Küche zu stehen und aus Rezepten Wunderwerker für den Gaumen zuzubereiten. Gerade schnitt er dicke Scheiben von einem Laib Brot. Kürbiskerne rieselten in einen kleinen Weidenkorb, in den auch die Scheiben wanderten. Nach dem fünften Stück Brot hielt Rist inne. Er sah auf, sein Blick fiel jedoch auf die Wand und nicht zu Caleb. Die Worte waren aber dennoch an den Jungen gerichtet. "Ich glaube, ich weiß, warum Vincent dich ausgesucht hat. Was immer du kannst und nicht kannst. Er musste sicher an Marlin denken." Ein Schnaufen. "Umso schwerer jetzt für ihn. Aber wir stehen ihm bei, wir alle." Dann wurde weiter Brot geschnitten. Rist hüllte sich in Schweigen, entschied wohl für sich, dass Caleb schon würde fragen müssen, wenn er mehr erfahren wollte. Oder aber er ging davon aus, dass der Junge den verstorbenen Marlin kannte. "Leg den Besen beiseite, Bursche, und bring die Teller in die Stube. Deck den Tisch, dann können wir wieder eine Pause machen, bis die Kameraden auftauchen."
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Mittwoch 28. März 2012, 22:03

Die Küche war so klein, das Caleb es nicht dabei beließ, einfach nur hinter dem Ofen zu fegen. So ging es ihm gleich viel besser: Eine Arbeit zu haben, auf die er sich konzentrieren konnte und bei der die Zeit so schön stetig verging, sodass man sich über nichts Gedanken machen musste. Tatsächlich begann sich die Aura der Zurückgezogenheit um Caleb langsam aufzulösen. Beschwingten Schritten fuhr er mit dem Besen über den Boden, aber stets gründlich. Ihm wäre sogar ein Lied eingefallen, dass er gern gesummt hätte, aber dafür reichte es am Ende dann doch nicht.
"Weißt du, Chef, ich bin länger als zehn Jahre in Borans Küche gewesen. Da durfte ich wirklich schon mal an den Schrank.", einer der Gründe, warum er den Unmut der anderen Küchengehilfen auf sich zog. Während ihnen vom Küchenteufel auf die Finger geschlagen wurde, hatte er die Gewürze benutzen dürfen, "Genau genommen, hab ich mein ganzes Leben dort verbracht.", fügte Caleb noch etwas leiser hinzu, weil es ihm gerade so durch den Kopf ging. Dort war sein Zuhause gewesen, zwischen Töpfen und Kochlöffeln, Mägden und frechen Bengeln, die ihm an den Ohren zogen. Wie oft hatte er auf der Treppe geweint...
"Nicht Chef?" Caleb sah verwundert auf. Er sollte ihn Rist nennen? Aber irgendwie musste er ihn doch höflich anreden! Mit Boran war's etwas anderes, den kannte er schon ewig, aber bei dem Bären vor sich, der immer so grimmig drein sah, obwohl seine Worte gar nicht dazu passen wollten, war sich der Katzenjunge nicht so sicher. Immerhin war er doch hier der Küchenchef und Caleb sollte nur der Aushilfsjunge sein. Wenn er nicht schon mitbekommen hätte, dass in Troman ein anderer - leichterer und angenehmere - Wind wehte, hätte Caleb stur gestellt und ihn weiter so angeredet. So hätte er es zumindest beim Prinzen gehalten.
"Na gut, dann eben Rist. Chef Rist." Die kleine Finte erlaubte sich Caleb noch, dann verstummte er. Natürlich war er keine Geheimwaffe, das war auch nur ein Scherz gewesen. Rist dagegen schien alles ernst zu nehmen. Doch der junge Hybride wurde das Gefühl nicht los, dass ihm der Prinz etwas verheimlichte. Sicher, er wollte Jorsan überfallen, aber Caleb glaubte, dass sein Prinz bereits einen Plan hatte, und er darin irgendeine Rolle spielen würde, sein sie auch noch so unbedeutend.
Morgen, das wollte er doch auf morgen verschieben. Nicht jetzt, wo er sich gerade einmal wohl in seiner Haut fühlte.
Eilig schaufelte Caleb den zusammengefegten Dreck mit einer aus dem Schrank geklaubten Handschaufel auf und beförderte ihn in den dafür vorgesehenen Abfalleimer. Den Besen brachte er an die stellte zurück, wo er ihn auch gefunden hatte, und nach kurzem hinsehen schob er ihn noch zwei Fingerbreit nach links, damit er auch wirklich ganz genau so stand wie zuvor.
Gerade wollte er die Teller und Löffel nehmen, da er sich schon dachte, wofür Rist sie bereit stellte, da erstarrte Caleb in der Bewegung. Er war Marlin ähnlich? Wie das? Den gefallenen Soldaten hatte sich der Junge eher wie Theben vorgestellt, und nicht klein, untersetzt und schwächlich. Was meinte Rist nur damit- aber Caleb hatte keine Lust das Thema anzusprechen. Anscheinend war Rist nur darauf gekommen, weil er in Gedanken bei seinem toten Freund war, und nicht weil er über Calebs Schicksal gegrübelt hatte. Wahrscheinlich litten alle noch darunter, ohne es offen zuzugeben, und er selbst wollte sich da nicht einmischen. Das war eine Sachen zwischen den fünf Freunden, und nicht seine Angelegenheit.
"Bin schon dabei.", flüsterte er ruhig, bedrückt von Rists Worten. Der Tribut des Krieges. Ob sein Prinz daraus lernen würde, anstatt der Rache Einlass zu geben?
Das decken des Tischs gestalltete sich rountinemäßig. Die drei Wachen von vorhin waren samt dem Papierstück verschwunden. Ihre Becher waren noch da, das Stück Brot hatte sich aber ebenfalls in Luft aufgelöst. Vielleicht waren sie nur an der frischen Luft, oder machten noch einen Rundgang kurz vor dem Wechsel, Caleb wusste es nicht und es kam ihm gerade recht. So konnte er in Ruhe die Teller platzieren und penibel darauf achten, dass der Löffel immer im gleichen Abstand zur Tellerkannte lag und zur Tischknte einen 90° Winkel bildete. Solche Dinge waren im Schloss sehr ernst genommen worden und teilweise mussten neue Diener extra darin unterrichtet werden, damit bei größeren Anlässe auch alles perfekt war. Caleb mit seinem Gedächtnis, das ihm praktisch ein Bild der richtigen Positionierung gab, dass er dann nur kopieren musste, fand das recht einfach, obwohl er sich sicher sein konnte, dass es keinen der Soldaten auch nur im geringsten interessierte, während es der Adel als Standart verstand.
Mit seiner Arbeit zufrieden, ging Caleb in die Küche zurück, sobei er die Becher der drei Wachen mit einsammelte.
"Heute scheint alles ruhig zu bleiben. Ein Glück.", murmelte er nur, als er die Schwingtür aufhielt und durch den Spalt schlüpfte. Er war nicht so wie Rist, der sie bis an die Wand schleudern konnte und einen richtig gehenden Auftritt hinlegte. Wo es sowieso nicht in seinem Interesse lag, Aufsehen zu erregen. Die Trinkgefäße landete in der Spüle und auch jetzt kümmerte sich Caleb gleich darum. Liegen gebliebene Arbeit konnte er nicht leiden.
Die Rest der Zeit verlief recht schweigensam. Ob die Wachen bald kamen?

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Freitag 30. März 2012, 10:29

Rist beobachtete Caleb aus den Augenwinkeln. Die Suppe war schon lange fertig. Er nutzte das regelmäßige Rühren nur als Vorwand, um die Arbeit des Jungen nicht so offen zu beobachten. Noch immer hatte er sich über den Burschen mit der hellen Haut, den glühend roten Augen und den Katzenohren kein endgültiges Bild gemacht. Ja, er mochte Gewürze kennen und das sogar recht gut, aber welche Talente barg er noch? Vor allem: was sah Vincent neben dem Offensichtlichen noch in Caleb? Rist wusste ja, was der Prinz wohl geplant hatte und wäre Marlin noch am Leben gewesen, der Junge und er hätten sich vermutlich schnell angefreundet. Ob sich zwischen Rist und Caleb etwas mehr als anfängliche Vertrautheit entwickeln würde, blieb noch ungeklärt. Der Hüne ließ ja nicht viel an sich heran, wirkte noch immer sehr ernst. Aber er war nicht unfreundlich, gab dem kleinen Küchenjungen sogar Aufgaben, bei denen er richtig aufblühen konnte. Er sah, wie beschwingt Caleb den Besen schwang und an seine anderen Pflichten heran ging.
Zahn Jahre lang in der Küche? Der Bursche hat noch nicht einmal das Erwachsenenalter erreicht. Naja, zum Soldaten genügt es. Grandessa genügten bereits Zehnjährige, um sie in eine Rüstung zu stecken und mit einer Waffe zu versehen. Ihre Leichen auf dem Schlachtfeld zu entdecken, versetzte jedem Mann gleich einen Stich in der Brust. Selbst wenn man die armen Kerlchen nicht kannte, es hätten die eigenen Söhne sein können. Das waren bittere Erkenntnisse und wenn die Soldaten nicht so heftig auf Loyalität getrimmt worden wären, hätte es sicherlich so manchen Zweifler unter ihnen gegeben. Der König verschliss seine Untertanen wie er und der Adel den Wein tranken: in Massen.
"Wie alt bist du, Junge? Und nicht Chef Rist. Nur Rist." Der Koch wischte mit einem Lappen über die Vorderseite des Ofens. Dann zog er endlich seine Schürze aus. Das Grobe war gepackt, das Essen konnte serviert werden und wenn die Soldaten erst einmal wieder gekräftigt waren, mussten die restlichen Schalen nur noch gewaschen und zurück in den Schrank gestellt werden. Das konnte der schon immer in der Küche lebende Caleb ruhig übernehmen. Danach würde Rist ihm sein Lager für die Nacht zeigen. Es war schließlich nicht geplant, dass Caleb ins Lazarett zurückkehrte, auch wenn Derenja dem Prinzen möglicherweise einen kleinen Tadel vorhalten würde. Patienten hatten sich auszuruhen und nicht in der Küche zu schuften. Aber Caleb ging es hier bei Rist überraschend gut. All seine Übelkeit, seine Überlastung und der Hunger waren vergessen.

Während der hünenhafte Grandessaner letzte Kleinigkeiten in seiner heiß geliebten Umgebung aufräumte, deckte Caleb den Tisch und spülte anschließend die zurückgelassenen Becher der Soldaten mit der Karte. Die drei Männer hatten bereits die Stube verlassen. Rist schickte Caleb noch einmal hinaus, um einen Untersetzer für den Suppentopf aufzustellen und die vergessene Kelle bereit zu legen. Kaum, dass der große Löffel lag, schob sich die Tür des Wachhauses auf. Sechs müde wirkende Soldaten - unter ihnen eine Frau mit kurzen, roten Haaren und eisernem Blick - betraten die Stube. Sie rieben sich die Arme. Die Nacht brachte die Kälte mit sich. Jeder von ihnen hatte gerötete Wangen und sicherlich ein gewaltiges Loch im Magen. Sie blieben stehen und musterten den fremden Jungen, der da beim Tisch stand. Allerdings ließ sich niemand offen über ihn aus. Jeder behielt seine Gedanken für sich, abgesehen von der Soldatin. Frauen besaßen eben doch mehr Manieren. "Hallo. Ich bin Jassi und du?" Sie schaute Caleb einen Augenblick lang abwartend an. Dann schob sie sich auf einen der Stühle und griff nach einem Löffel. "Rist hat dich nicht wirklich den Tisch decken lassen, oder, Kleiner?"
"Doch, habe ich." Der Koch brachte den Suppentopf in die Stube, stellte ihn auf dem Tisch ab und begann, die nahrhafte Suppe in die Schalen zu verteilen. Der Duft genügte, um nun auch die übrigen Soldaten an den Tisch zu locken. Zwei von ihnen gähnten. Sie sahen mehr als müde aus, hatten dunkle Augenringe und wirkten noch blässlicher als man es von Grandessanern im Allgemeinen gewohnt war. Aber sie wollten sich noch lange genug auf den Beinen halten, um ihre Mägen zu füllen. Dann war die Schicht für die heutige Nacht beendet und vier bis fünf Stunden Schlaf erwarteten sie, ehe der Bereitschaftsdienst wieder losging. Das Leben eines Soldaten war ein straff geführtes.

"Lasst es euch schmecken", erhob Rist wieder seine tiefe Stimme, ehe sich einer der gewaltigen Pranken schwer auf Calebs linke Schulter legte. Er schob sich den Jungen quasi in die richtige Position. "Ich zeig dir jetzt deinen Schlafplatz. Kommst aber nochmal mit mir zurück, um dann die Schüsseln zu spülen. Danach kannst du in dein Bett gehen." Er selbst würde auf bleiben, wenigstens noch eine Weile. Es gehörte schon traditionell dazu, dass Rist sich mit den Soldaten des letzten Schichtwechsels noch einmal für eine halbe Stunde in die Stube setzte. Sie erzählten ihm von den Ereignissen der Nacht oder sonstigen Gedanken, die sie beschäftigten. Rist sprach in den seltensten Fällen etwas und wenn, dann gab er nur wenige kurze Ratschläge oder Kommentare ab. Als Zuhörer eignete er sich aber sehr gut, wie Caleb selbst schon hatte heraus finden können.
Der Koch verließ mit dem Jungen das Wachhaus. Draußen begrüßte sie ein kalter Wind. Die Nacht zeigte sich schwach bewölkt, aber die grauen Schatten vor dem schwarzen Himmel zogen schnell vorbei. Es brannten nur noch wenige Kohlebecken. Die Nacht verschluckte den Großteil des Dorfes. Rist stapfte auf dem Kiesweg entlang. Es war nicht weit. "Ich biete dir Marlins Bett an, das ist ja jetzt frei und in meiner Barracke. Dann kannst du zu mir kommen, wenn nachts etwas los ist." Er führte ihn quer über die Straße. Die zweite Barracke von links, dort blieb er stehen, zog die Tür auf. Im Innern war es ruhig, was daran liegen mochte, dass die Soldaten bereits alle tief und fest schliefen. Die Barracke war recht klein und bot gerade einmal einem Dutzend Männern Unterkunft. Eine kleine Kerze neben der Tür brannte flackernd vor sich hin.
Lediglich zwei Betten in dem Gebäude waren leer. Eines hatte man ordentlich zurecht gemacht. Das andere war komplett abgezogen, es fanden sich aber ein Laken, Decke und Kissen darauf - sorgfältig gestapelt. "Mach dein Bett und komm dann wieder zurück ins Wachhaus. Verhalte dich ruhig, damit du deine Kameraden nicht weckst. Ach und Marlins Habseligkeiten liegen noch am Fußende auf dem Bett. Verstau sie irgendwo, wo du sie morgen wiederfindest. Müssen wir noch wegbringen. Bis gleich." Rist wandte sich um, verließ die Barracke. Er kehrte zum Wachhaus zurück.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Freitag 30. März 2012, 15:52

Gerade war der Kleine dabei, die Becher abzutrocknen und sie zurück in das Regal zu stellen, in denen er weitere von der gleichen Sorte gefunden hatte, da fragte ihn Rist, wie alt er war. Ob der Hüne langsam auftaute, oder sich nur gewundert hatte, wie er schon über zehn Jahre Erfahrung in der Küche haben konnte, war für Caleb nicht klar zu erkennen. Wie alt glaubte er denn war der Katzenhybride? So sehr hatte er sich darüber eigentlich nie Gedanken gemacht; ob er nun älter oder jünger aussah, als er in Wirklichkeit war, aber das interessierte auch nicht.
"15. Man hat mich an den König verkauft als ich kaum ein paar Tage alt war. Hab' praktisch in der Küche grabbelt und laufen gelernt.", offenbarte Caleb, wobei er grinsen musste bei dem Gedanken, wie viel Angst Irella immer gehabt hatte, wenn sie ihn als kleinen Stöpsel zwischen Hackbeilen und Messern gesehen hatte.
Es war ihm immer egal gewesen, dass er seine wahren Eltern nie kennen gelernt hatte, oder dass sie ihn weggegeben hatten. Genauso gut hätten Boran und Irella seine Eltern sein können, es hätte keinen Unterschied gemacht. Das Merkwürdige war nur, dass er, obgleich seines fotografischen Gedächtnisses, keine Erinnerungen an den Bauernhof hatte. Gerade so, als wäre er erst im Schloss geboren worden. Das aller Erste, an das er zurückdenken konnte, waren die Worte, mit denen der König ihm seinen Namen gegeben hatte. Das er eigentlich Amon gehießen hatte, war ihm erst später von Irella erklärt worden.
Lustig war auch gewesen, dass man ihn schon als Neugeborenes mit Sahne und Milch gefüttert hatte, da keine der Dienerinnen Muttermilch geben konnte. So war er bereits vor seiner Verwandlung zum Hybriden wie ein Katzenbaby aufgezogen worden. Witziger Zufall.
"Hab Grandea nie verlassen, ich glaube deshalb...ist es so schwer für mich." Er wurde schon wieder melancholisch, aber da trug ihm Rist auf, Untersetzer und Schöpfkelle bereit zu legen, was ihn wieder auf seinen Gedanken riss. Das Leuchten trat in seine Augen zurück und er beeilte sich, alles vorzubereiten. Gerade legte er die Kelle exakt parallel neben den viereckigen Untersetzer, da öffneten die Wachsoldaten die Tür und der Katzenjunge in der Bewegung. Diesen Moment, in dem sowohl Caleb als auch die Soldaten überrascht inne hielten nutzte sein Verstand, um sich ihrer aller Aussehen einzuprägen.
Eingeschüchtert schob er sich die Kapuze über den Kopf und machte auf dem Absatz kehrt. Die Flucht in die Küche wurde je unterbrochen, als ihn die Soldatin auf Garmisch ansprach. Aprupt blieb Caleb in der Bewegung stehen, und fühlte sich gleich ertappt. Aber, niemand hier wusste, dass er offiziell kein garmisch konnte. Immerhin hätte es praktisch seine Muttersprache sein sollen. Es wäre nicht dabei, ihr zu antworten und Caleb wartete schon ewig auf die Gelegenheit, unbehelligt die Sprache nutzen zu können, die er heimlich gelernt hatte.
Immernoch schüchtern drehte sich der Küchenjunge zu er Frau um, den Kopf gesenkt, die Hände hinterm Rücken verschränkt.
"Caleb, Ma'am, bin...neu hier.", stammelte er zusammen. Ob er einen Akzent hatte? Immerhin war es das erste Mal, dass er Worte in dieser Sprache laut aussprach, auch wenn er sie immer wieder in seinem Umfeld gehört hatte und im Kopf gesprochen hatte. Eine Reaktion würde er wohl nicht bekommen, denn Rist brachte die heiß ersehnte Speise. Die Wachen sahen besonders müde aus, anders als im Palast, wo sich der ein oder andere sicher auch ein Nickerchen in der Nachschicht erlauben durfte.
Ob seit dem Angriff der Jorsaner Doppelschichten angesetzt worden waren?
Caleb bekam jedenfalls keine Zeit die Wachen zu fragen - nicht, dass er sich das getraut hätte - denn Rist zog ihn beiseite.

Die Baracke, die Rist ihm zeigte, erinnerte den Küchenjungen verstärkt an die Dienerunterkünfte. Doppelbetten, wenig Raum, zum schlafen gedacht, und nicht zum wohl fühlen. Viel mehr Gedanken machte sich Caleb nicht darüber, so etwas war er gewohnt und würde auch kaum Probleme damit haben und irgendwie freute er sich, wenigstens ein bekanntes Gesicht in seinem neuen Schlafzimmer zu haben, anstatt von einem Dutzend unbekannten Männern umgeben zu sein.
Was ihn dagegen mehr Sorgen machte, war die Tatsache, dass er in Marlins Bett schlafen sollte, auch wenn er auf diese Offenbarung nur mit einem unterdrückten "Hm." reagiert hatte. War er dem Toten wirklich so ähnlich? Wollte man ihn ersetzen oder war diese Wahl rein praktisch begründet. Caleb jedenfalls kam sich dabei ziemlich merkwürdig vor. Ein Bett, in dem der nun tote Freund des Prinzen geschlafen hatte. Wie würden der Prinz und die anderen Soldaten reagieren, wenn sie ihm am morgen darin fanden?
"Danke, Rist.", murmelte er recht kleinlaut und natürlich geflüstert, bevor der Küchenchef sich auf den Rückweg machte.
Noch einmal sah sich Caleb um, damit er keinen Schock von all den Informationen bekommen würde, wenn er morgen aufwachte. Sein Verstand nahm es ohne groß zu murren in Kauf. Eigentlich wollte er sofort sein Bett machen und zurück zum Wachhaus gehen, aber die Habseligkeiten von Marlin lagen auf der Matratze, also kam er nicht um hin, sie in Augenschein zu nehmen.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Samstag 31. März 2012, 22:23

Rist spazierte von der Barracke zurück zur kleinen Wachstube. Er dachte daran, was ihm der Katzenjunge erzählt hatte. Fünfzehn Jahre, nun, das war ein passendes Alter für einen grandessanischen Soldaten. Da sprach nichts dagegen. Einige jungen Männer hatten es in diesem Alter sogar derart eilig, dass sie sich Frauen suchten und viele Kinder bekamen. Interessanter fand der Koch, dass der König Caleb zu sich ins Schloss hatte holen lassen. Was hatte ihn dazu bewogen, den Säugling zu kaufen? War ihm etwas Besonderes an Caleb aufgefallen? Kannte er die Eltern oder ... nur die Mutter? Rist kannte den König. Zwar nicht persönlich, aber von Bildern natürlich. Außerdem hatte Vincent ab und an von seinem Vater erzählt. Da waren niemals Katzenohren, rote Augen oder diese blassweiße Haut erwähnt worden. Außerdem besaß Vincent diese Merkmale nicht. Somit bezweifelte Rist irgendwie, dass der Junge ein Bastard des Königs sein könnte, sah man einmal davon ab, dass er nicht doch vollkommen nach der möglichen Mutter schlug. Aber weshalb dann das Interesse an dem Jungen? Weil er Hybrid war, vielleicht wie die Mutter? Die kannte Caleb vermutlich gar nicht. War aber nicht schlimm. Im Prinzen fände er bestimmt einen guten Freund, jetzt, da er sich mit ihm in Troman befand. Hier gab es keine Grenzen mehr zwischen Prinz und Diener - ob Caleb das wusste?

Der Hybrid hatte derzeit andere Sorgen. Er machte sich wohl eher Gedanken darüber, dass er Marlins Bett zugewiesen bekommen hatte. Aber so war das beim Militär. Nachrückende Einheiten erhielten die Schlafstätten gefallener Soldaten. Man sah es praktisch und scherte sich wenig um Emotionen. Diese starben früher oder später ohnehin auf dem Schlachtfeld ab. Am Ende eines Kampfes war ein geplagter Soldat froh, wenn er aus eigener Kraft heraus überhaupt noch in irgendein Bett gelangen und am Morgen wieder aufstehen konnte. Sofern es natürlich keinen nächtlichen Angriff gäbe.
Marlins Bett war für einen Neuzugang vorbereitet worden. Lediglich seine Sachen hatte man nicht fort gebracht. Möglich, dass sich jemand dieser annahm und sie seiner Familie schickte, wenn er denn eine besaß. Genauso gut möglich war es aber auch, dass der neue Besitzer dieses Schlafplatzes sie nutzen sollte. Marlin konnte es nicht mehr tun und auch bei Gegenständen sahen grandessanische Soldaten es praktisch, wie bereits erwähnt. Caleb musste sich zwangsläufig Marlins Hab und Gut betrachten, denn die Sachen stapelten sich auf dem Laken. So konnte er aber wenigstens heraus finden, wie ähnlich er dem Verstorbenen wirklich war.
Obenauf lag ein Federhalter aus Messing. Er glänzte leicht in der Dunkelheit, denn von draußen drang nicht nur Mondlicht, sondern auch der Schein der Kohlebecken ins Innere der Barracke. Für einen Katzenhybriden wie Caleb reichte es, um kleinere Einzelheiten zu erkennen. Neben dem Federhalter befand sich ein verschlossenes Tintenfässchen, nicht größer, als dass es in die hohle Hand gepasst hätte. Beide Gegenstände lagen auf dem Einband eines Buches. Es war in Leder geschlagen und offensichtlich mit größter Sorgfalt aufbewahrt worden. Der Buchrücken verriet keinen Titel, aber es wurde mit einer dunkelroten Schnur verschlossen gehalten. Das Band diente eher dem Zweck, zu zeigen, dass es ein privates Buch war. Letztendlich konnte die rote Schnur niemanden daran hindern, das Buch zu öffnen. Unterhalb des mittelschweren Wälzers befand sich noch ein letzter Gegenstand, groß und flach. Es handelte sich um ein Bild in einem schlichten Holzrahmen. Das Bild stellte Marlin dar, wie eine kleine Messingplakette am unteren Rand Auskunft gab. Das Portrait von Marlin war eines der farbigen Sorte, was anfangs vielleicht gar nicht aufgefallen wäre, wenn man nicht das rot der beiden Augen erkannt hätte. Der junge Mann auf dem Bild besaß nämlich sowohl schlohweiße Haare als auch eine sehr blassweiße Haut. Er trugt einen feinen schwarzen Anzug und der Hintergrund zeichnete auch eher durch ein gräuliches Muster aus. Einzig die roten Augen Marlins stachen hell heraus.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Sonntag 1. April 2012, 01:09

Also doch.
Keine Besonderheit oder Gefühlsregung hatte den Prinzen dazu verleitet, Caleb mit nach Troman zu nehmen, es war lediglich sein Aussehen gewesen, dass ihn so sehr an Marlin erinnert haben musste. Er kam in keinem Plan vor, um Jorsan zu unterjochen, oder als Belohnung, weil er jahrelang ein guter Diener gewesen war. Nichts dergleichen. Es war nur eine spontane Entscheidung gewesen. Wie hatte Caleb auch nur kurz daran glauben können, dass es irgend etwas anderes hätte sein können. Aber er war nicht traurig; nein. Hoffnung auf etwas...besseres, darum hatte er nicht einmal seinen Gott Feylin angefleht, weil ihm alle Welt sagte, dass ein Diener so etwas nicht verdiente. So war er nie enttäuscht gewesen, wenn es nie dazu kam. Andere Küchenjunge träumten davon, irgendwann Helden in schimmernder Rüstung zu sein. Caleb nicht.
Somit war alles wieder beim Alten.
Plötzlich aus den Gedanken gerissen, legte Caleb das Bilder zurück auf die Matratze und stapelte Buch, Tintenglas und Federkiel darauf. Ihm wäre nicht im Traum eingefallen, einen Blick in das Tagebuch - er war sich ziemlich sicher, dass es eines war - eines Toten zu werfen, den er nicht einmal kannte. Sicher, er hatte so einige Fragen an diesen Band: War Marlin ihm auch als Person ähnlich, war er gerne im Militär gewesen, wie stand er zum Prinzen? Keine der Fragen gab Caleb die nötige Neugier, sich zu überwinden. Und so landete alles unter dem Bett, da ihm kein besserer Ort einfiel, wo er es hätte sonst verstecken können. An jedem Bettende in der Baracke stand eine Truhe, in der die Soldaten ihr Hab und Gut verstauen konnten, aber die an Marlins Bett war natürlich verschlossen und Caleb besaß den Schlüssel nicht und konnte ihn auch nicht bei den Sachen des Verstorbenen finden. Bestimmt hatte man ihn an die Verwaltung der Baracken übergeben und da er selbst unangekündigt hier eingezogen war...
Das Bett zu machen war für ihn keine Schwierigkeit, es war in wenigen, geübten Handgriffen erledigt. Das frisch gewaschene Bettzeug fühlte sich kalt an. Niemand hatte darin geschlafen, kein Duft hing an dem Laken, und doch fühlte sich Caleb, als würde er sich für die Nacht in Marlins Sarg legen und neben ihm einschlafen. Die Vorstellung ließ ihm einen kalten Schauer über den Rücken laufen und schwer schlucken. Würde der Prinz ihn auch dazu zwingen, die Schuhe des Toten zu tragen? Ihn zum Soldaten ausbilden lassen, lediglich um die Lücke zu füllen die Marlin sicher bei ihm hinterlassen hatte?
Caleb fühlte sich so schlecht wie lange nicht mehr.
Der Teil von ihm, der so gern daran glauben würde, dass an ihm etwas besonderes dran war, sagte ihm, er solle Rist fragen, ob er vielleicht woanders würde schlafen können; doch dieser Part hatte mit dem Bild von Marlin an Kraft verloren und eine andere Macht, jene, die seine Kapuze immer wieder über sein Haupt streifte, gewann die ihr geläufige Oberhand. Er war ein Diener, er hatte sich nicht zu beklagen. Er würde schlicht tun, was ihm aufgetragen wurde und er sollte dringend aufhören, sich so viele Gedanken zu machen. Nichts würde sich ändern. Er machte sich nur selbst verrückt.
Mit gesenktem Kopf verließ Caleb die Baracke. Ihm war jede Lust vergangen, in die Nachtwache zurück zu kehren. Sah Rist ihn ihm auch Marlin? War er deshalb so leicht abzureagieren gewesen, hatte ihn gelobt und ihm erlaubt den Tisch zu decken? Es ergab Sinn. Alle hier, selbst Theben, dem man es hinter dem Lächeln nicht so einfach ansehen konnte, waren sentimental geworden, bei seinem Anblick. Niemand hätte ihn wahrscheinlich auch nur beachtet, wenn er kein Albino wie der verstorbene Freund gewesen wäre.
Troman war ganz genau wie Grandea, so wie es aussah.
Es gab Befehle auszuführen, also ging der Diener zurück. Ganz so wie ihm aufgetragen wurde. Die Nacht war immer noch kalt, aber der Junge ignorierte es. In ihm war etwas viel kälteres, das ihn ablenkte. Der Kies knirschte nun viel leiser, da Rist nicht bei ihm war. Vor der Wache angekommen, hielt er noch einmal inne. Eigentlich war er viel zu aufgewühlt, alles in ihm schien auf irgend eine Art und Weise zu rebellieren, wäre es nicht gerade eben mit einer Eisschicht überzogen worden, die es für den Augenblick zurückhielt.
Der Diener trat zu Gesicht und hinein in den erhellten Raum.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Montag 2. April 2012, 23:05

Es gab nicht mehr viel zu tun für ihn. Nachdem er die Barracke verlassen hatte und zum Wachhaus zurückgekehrt war, hatte er dort nur noch Rist und die Soldatin vorgefunden. Letztere trank ihren letzten Krug heißen Kamillentee aus, verabschiedete sich mit wenigen Worten und einem Lächeln in Calebs Richtung und wandte sich zum Gehen. "Wird Zeit fürs Bett", sagte sie, unterdrückte dabei ein Gähnen. Mit der Hand, die in einem Kettenhandschuh steckte, streifte sie im Vorbeigehen Calebs Kapuze. "Ihr Rotaugen schießt ja wie Pilze aus dem Boden, wirklich!" Sie winkte Rist nochmal und verschwand.
Der Koch sammelte das verbliebene Geschirr zusammen, legte alles in einen Eimer, der zuvor bei der Wasserpumpe gestanden hatte. Er würdigte Caleb eines musternden Blickes. Sein eigener wirkte grimmig wie eh und je, aber er sagte nichts. Nach und nach wanderten die Teller und benutzten Krüge der Soldaten in den Eimer, bis sie über den Rand hinaus schauten. Rist marschierte damit schnurstraks in die Küche. Er stellte alles bei der Pumpe ab und betätigte diese, bis das Wasser kalt und plätschernd hervor sprudelte. "Schnapp dir einen Lappen. Zu zweit sind wir schneller fertig. Danach kannst du dich bis zum Morgen ausruhen." Rist griff nach einem großen Geschirrtuch. Schon hatte er den ersten Teller befeuchtet und war kräftig am Schrubben. Eine Lauge aus Kernseife, durchsetzt mit einigen, wohlduftenden Kräutern schäumte vom Schrubber. Rist ging mit großer Sorgfalt vor. Das würde zwar etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen, aber dadurch, dass Caleb ihm half, ging es letztendlich doch recht schnell.
Als sie beide fertig waren, räumte der Koch die Utensilien fort und das Geschirr zurück in den Schrank. Anschließend führte er den Hybriden aus dem Wachhaus, löschte zuvor noch das letzte Licht. "Jetzt kehrt niemand mehr dort ein", erklärte er. "Die letzte Patrouillenschicht arbeitet bis Sonnenaufgang durch. Wir können also noch gute zwei bis drei Stunden schlafen."

Vonwegen zwei bis drei Stunden. Rist weckte Caleb am Morgen nicht. Er ließ den Jungen einfach liegen, prüfte nicht einmal, ob er sich in Marlins Bett begeben hatte. Er wollte dem Burschen die nötige Portion Schlaf verschaffen. Er würde noch hart genug arbeiten müssen, wenn der Prinz durchsetzte, wovon Rist so langsam mehr schwante. Ob er Caleb als Ersatz für Marlin mitgenommen hatte? Aber Vincent konnte ja nicht im Vorfeld wissen, dass der Soldat sein Leben hatte lassen müssen. Es sei denn, ihm wäre eine Brieftaube oder ein Kurier geschickt worden, aber das passte nicht zu seiner Reaktion, als sein Kamerad Markus Bronn ihn begrüßt hatte. Da war Prinz Vincent doch tatsächlich sehr erschüttert ob des Todes seines einen und der schweren Verletzung seines anderen Freund gewesen.
Aber wie dem auch sei, es war nicht Rist, der Caleb weckte. Es waren Stimmen - mehrere, allesamt männlich. Soldaten, die zu ihrer Schickt eigentlich zeitig los mussten und vorher immer noch etwas im Wachhaus zu sich nahmen, vergaßen jetzt das Frühstück. Sie standen um das Bett herum, in dem Caleb wohl noch schlief und tuschelten leise miteinander. Wenn jedoch gut ein halbes Dutzend hart gesottener Männer leise murmelte, erhob es sich als Gesamtspiel laut genug, dass die katzenhaften Ohren eines Hybriden alles zuckend aufnahmen und zum Gehirn durchleiteten. Das sorgte für genug Aufmerksamkeit für den Körper, dass sich dieser in einen Wachzustand begab. Caleb konnte aus ersten brummigen Murmellauten endlich Worte und dann ganze Sätze entnehmen, ohne auch nur die Augen öffnen zu müssen.
"... kommen die nur alle her? Nagut, das ist der Zweite von diesen Blasshäuten, aber ... ich meine, er ist noch blasser als wir!"
"Bestimmt hat er rote Augen, genauso wie Marlin. Die haben alle diese Dämonenaugen."
"Sei ruhig! Marlin war in Ordnung. Der hatte so viel von einem Dämon wie ein Fisch etwas über Schwerter und Schilde versteht."
"Ist das eigentlich auch ein Junge ... oder ein Mädchen?"
"Was weiß ich. Eigentlich haben wir gleich Schicht. Wir sollten nicht um Marlins Bett herum stehen!"
Erste Füße setzten sich in Bewegung. Kettenrüstungen klirrten bei jedem Schritt.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Dienstag 3. April 2012, 13:30

Die übrigen Wachen waren bereits gegangen, nur noch Rist und Jassi saßen zusammen in der Stube. Sie war nett, aber auch hinter ihr sah Caleb nun den wahren Grund; Marlin. Calebs Gefühle vereisten. Das vertrauliche Tätscheln seiner Kapuze wurde ignoriert. Selbst mit Rist sprach er nicht. Der Blick starrte glasig gerade aus, lediglich auf die Arbeit konzentriert, die ihm aufgetragen wurde. Stumm wusch und trockneten sie zusammen das Geschirr ab. Caleb bekam gar nicht mit, wie die Zeit verging, schon stand er wieder draußen in der Dunkelheit, die für ihn so viel klarer war als das Kerzenlicht der Wachstube. Gehorsam folgte er Rist zurück in die Baracke.
Seine Finger fühlten sich taub an, gerade so, als wären sie in der kühlen Nacht erfroren. Ohne groß darüber nachzudenken, zog er sich Gürtel und Dolch, Wappenrock und Umhang aus. Auch die Handschuhe landete auf der Truhe, wo er die Sachen zusammenfaltete. Woanders konnte er sie nicht verstauen. Inzwischen war es ihm völlig egal, in Marlins Bett zu liegen. Der Prinz und alle anderen schienen es bereits für selbstverständlich zu halten. Anfangs war es Prinz Vincent vielleicht nur als lustiger Zufall erschienen und hatte den Albino mitgenommen, möglicherweise sogar, um ihn mit Marlin bekannt zu machen, aber jetzt, wo der Freund des Prinzen tot war...
Caleb krabbelte unter die Decke, zog sie sich über den Kopf und kauerte sich zusammen. Sein Kopf begann zu schmerzen. Das Bett war so kalt. Mit zitternden Händen krauelte Caleb seine Katzenohren und begann leise zu schnurren. Viele Menschen wissen es nicht, aber Schnurren wird von Katzen auch nur Beruhigung benutzt, wenn sie Angst haben oder in Panik geraten; wie der kleine Katzenhybride jetzt. Ohne es zu merken hatte er sogar geschnurrt, während er die Anfälle wegen seinem überlastete Gedächtnisses hatte. Es war ein Abwehrmechanismus, und er half zumindest so weit, dass Caleb in einen unruhigen Schlaf fallen konnte.

Weißes Licht blendete ihn durch die geschlossenen Lieder. Es war unnatürlich grell, störend hell. Sich windend versuchte er die Hände vor die Augen zu halten, aber jemand hielt ihn gewaltsam an den Handgelenken fest. Der Prinz? Nein, dafür waren die Hände zu klein. Theben? Caleb öffnete die Augen und sah in ebenso Rote. Marlin? Nein. Er selbst. Die Kapuze ließ die Hälfte des Gesichts in Schatten versinken, aber die Augen glühten und stachen aus dem vermeintlichen Dunkel heraus.
Er lag nicht in seinem Bett, wie er vermutet hatte, trug nicht die selben Sachen, befand sich nicht im selben Raum.
"Schön hier, nicht wahr?", sprach der Diener, ausdruckslos und kalt, aber trotzdem versetzte die Stimme Caleb einem Stich. Er war aus irgend einem Grund kleiner, als sein Ebenbild, lediglich mit einem weißen Hemd bekleidet, dass ihm fast mit zu den Knien reichte und sich bis zu den Fingerspitzen erstreckte. Der Andere dagegen trug seine Sachen, so wie er es gewohnt war.
Sie befanden sich...wo eigentlich? Alles um ihn herum war weiß, grell leuchtend ohne Schatten. Einzig und allein unter der Kapuze hatte sich das Dunkel versammelt. Seine Linke fuhr hinauf zum Fell seines Ohrs. Ein Gefühl der Beklemmtheit beschlich ihn in dieser Umgebung, in dieser Gesellschaft, aber da war die Hand des Dieners wieder an seinem Handgelenk, zog sie zurück.
"Warum so nervös, alles ist gut. Du hast dich wieder besonnen und den richtigen Weg erkannt."
Wovon sprach er? Der Diener schien seine Gedanken zu lesen und nickte, mit starrer Miene, auf etwas zu, dass sich hinter Caleb befand. Das Gefühl des Unwohlseins nahm zu, während sich der Junge umdrehte. Wieder sah er sich von roten Augen angestarrt. Marin stand hinter ihm, wie auf dem Bild, aber zeigte keine Regung. Stand nur da. Und starrte. Caleb war zum schreien zu Mute, doch der Diener legte ihm vermeindlich beschwichtigend die Hand auf die Schulter. Dem Kleinen wäre das Herz stehen geblieben, hätte er das psychotische Grinsen auf seinen Lippen gesehen und die entzückt aufgerissenen Augen beim Schrecken des Jungen.
"Der Prinz bestimmt dein Schicksal, und wenn es so aussieht...", die Rechte des Dieners trat in sein Blickfeld und deutete beflissend auf Marlin, "...dann sei es so."
Die Arme des Kapuzenträgers legte sich um den so viel kleiner wirkenden Caleb, drückten ihn an sich. Der Junge wollte weinen. Alles in ihm schrie danach, wegzurennen, sich zu verstecken. Er konnte sich nicht rühren. Das Licht strahlte ihn an, brannte in seinen Augen. Sein Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen.
"Schhhh, mein Kleiner. Alles ist gut."
Filigrane Finger strichen durch sein Haar, rieben eine der weißen Strähnen zwischen Daumen und Zeigefinger. Das Ziehen in seinem Innern nahm zu. Er öffnete den Mund, wollte sprechen, widersprechen, aber ihm versagte die Stimme, fehlte der Atem. Er schnappte verzweifelt nach Luft, aber die Arme schlossen sich enger um ihn. Das Lächeln des Dieners wurde breiter, entzückter.
"Alles ist gut."
Er drohte zu...


Wie ein Ertrinkender zog Caleb die Luft in seine Lungen. Sein Körper bäumte sich auf und ließ ihn in die Senkrechte fahren. Drei der Wachen, die noch an seinem Bett gestanden hatten, fuhren erschrocken zusammen und beeilten sich, ihren Kameraden zu folgen. Mit panisch aufgerissenen Augen fuhr sich Caleb durch die Haare, spührte, wie ihm von der Schläfe der Schweiß hinunter lief und wie feucht seine Hände waren. Das Licht irritierte ihn für einen Moment, dann wusste er, dass er aufgewacht war.
"Was..."
Der Junge saß bestimmt noch zehn Minuten so auf dem Bett, dass ihm nicht gehörte, bevor er in der Lage war sich wieder zu bewegen.
Die Baracke war leer. Es war bereits hell. Wie lange hatte er geschlafen? Normalerweise wachte er doch immer kurz vor der Schicht zum Frühstück zubereiten auf, und da war es zu dieser Jahreszeit noch dunkel. Er hatte doch seit Jahren nicht mehr verschlafen. Andererseits... dies Bilder aus seinem Traum konnte er nich vergessen. Was war nur los mit ihm!?
Sein Herz schlug immer noch viel zu schnell, aber um sich abzulenken stand Caleb auf und suchte nach einem Ort, wo er sich waschen konnte. Den fand er auch recht schnell. Im hinteren Bereich der Baracke gab es eine Tür, die in einem wesentlich kleiner Raum führte, wo ein Badezuber stand, zusammen mit Eimer um Pumpe für Wasser sowieso eine Nische die als Abort benutzt wurde.
Nun glücklich, allein zu sein, machte sich Caleb fertig. Seine Sachen würde er zwar nicht waschen können, aber er trug sie auch erst seit gestern. Trotzdem würde er heute noch jemanden fragen müssen, wo er sie sauber machen konnte, oder sogar neue Kleidung herhaben könnte. Das kalte Wasser wusch zumindest ihm ein wenig die schlechten Gedanken aus, wenn auch nicht vollständig.
Wieder voll eingekleidet kam Caleb zurück in den Schlafraum, um den Rest seiner Sachen an sich zu nehmen. Die Handschuhe waren das Erste, was er anzog. Seine Haut war so hell, dass man fast überall an seinem Körper die Venen durchsehen konnte, womit er sich manchmal wie eine Flusskarte vorkam. Auf seinem Handrücken fing das schon an, weshalb er eigentlich immer Handshcuhe trug. Wappenrock und Dolch musste er wohl auch wieder an sich nehmen. Lediglich bei dem Kapuzenumhang zuckten seine Finger kurz zurück, bevor sie auch diesem aufhoben und anlegten.
Mit einem tiefen Seufzer zog sich Caleb den Stoff über den Kopf, hüllte sein Gesicht so in Schatten.
Auf den Straßen war es wieder so bewegt wie am Vortag, als er Troman zum ersten Mal betreten hatte. Umso nerviger war das, wenn man bedachte, wie sehr ihm die Kopfschmerzen dabei wieder zusetzen. Aber zumindest kannte er die Häuser und Straßen schon, weshalb ihm nur die Menschen im Gedächtnis hängen blieben wie Fische in einem Netz. Und je mehr es waren, umso schwerer wurde es, das Netz wieder ins Boot zu ziehen. Zum Glück war der Weg in die Wachstube nicht weit. Dort wollte ihn der Prinz abholen.
Hoffentlich war nicht zu spät...ein Diener konnte sich nicht leisten, seinen Prinzen Schwierigkeiten zu bereiten!

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Donnerstag 5. April 2012, 21:24

Wie sehr ihm der Traum im Laufe des Tages noch nachhängen würde, musste Caleb dann wohl selbst entscheiden. Entweder schenkte er ihm Beachtung oder tat ihn als einen von Manthalas bizarren Scherzen ab. Man sagte der Göttin schließlich nach, manchmal so verschwommen zu sein wie die düsteren Nebel, aus denen sich ihre Träume bildeten.
Die letzten Soldaten, welche sich um sein Bett versammelt hatten, wichen erschrocken zurück, als Caleb hörbar die Luft einzog und wie ein Erwachter unter Toten in eine sitzende Position schoss. "Gehen wir", murmelte einer, der verlegen den Blick gesenkt hielt. Dann machten sie sich aus dem Staub. Caleb blieb allein in der Barracke zurück. Er durfte feststellen, dass der Tag schon soweit angebrochen war, dass das Licht eines neuen Tages durch die schmalen Fenster herein strömte. Es war angenehm warm, bereits so früh, was im starken Gegensatz zur vorherigen Nacht stand. Da hatte es dem jungen Diener wahrlich in den Knochen gefröstelt. Aber heute würde wohl ein sehr angenehmer, wenn auch leicht wolkiger Tag. Rasch eilte sich Caleb, sich für den Tag vorzubereiten und zum Wachhaus zu kommen. Vielleicht wartete sein Prinz bereits auf ihn. Jener Prinz, der ihn als Ersatz für Marlin hierher mitgenommen hatte?

Als der Junge die Barracke verließ, kam ihm gerade ein Trupp aus sechs Mann entgegen, die allesamt in dem Gebäude verschwanden. Sie wirkten müde, besaßen Augenringe. Offenbar war das nicht nächtliche Schicht gewesen. Endlich durften sie etwas schlafen. In Troman ging ansonsten der typische Alltag voran. Die Bauern und einfachen Bürger des Grenzdorfes waren bereits auf den Beinen. Calebs Gehirn teilte ihm mit, dass er einige der vorbei ziehenden Gestalten kannte. Es gab sogar Kinder hier - so nahe am Schauplatz dessen, was eine lange Fehde zwischen zwei Königreichen bedeutete. Natürlich! Auch hier musste es Kinder geben.

Vor dem Wachhaus stach ein Gesicht aus der Menge heraus. Prinz Vincent lehnte an der Wand des Gebäudes, wirkte lockerer als in der Nacht zuvor und trug etwas unter dem Arm. Ein Tuch war darüber gehüllt. Bei ihm standen Theben und Rist. Letzterer groß und grimmig dreinblickend, wie schon am Abend zuvor. Er trug dieses Mal keine Kochschürze, sondern war wie der Thronfolger gerüstet. Allerdings trug er einen schweren Schuppenpanzer, glänzend poliert, dass das goldene Licht zuversichtlich dem neuen Morgen entgegen strahlte. Den Helm hatte er sich unter den Arm geklemmt. Über seinen Rücken streckte sich ein gewaltiges Schwert, ein Zweihänder. Theben wirkte neben ihm da schon fast fehl am Platz. Er trug keinen Schuppenpanzer, sondern eine Lederrüstung und nur teilweise Plattenverstärkung. In der Hand hielt er eine Armbrust und an seinem Gürtel fanden sich gleich zwei Behälter für die Munition. Trotz allem konnte man aber auch die Scheide für einen schlanken Rapier entdecken - ob es sich mit dem auf dem Schlachtfeld überleben ließ.
Den Prinz zierte natürlich sein einhändig geführtes Schwert. In seinen Helm war eine kleine Krone eingearbeitet. Sie kennzeichnete ihn als einen von Stand - als einen Thronfolger. Aber auch das Wappen auf seinem Schild, das die grandessanischen Lilien auf Gold und Purpur zeigte, sowie eine darüber liegende Krone als Symbol des Königshauses, stand diesem autoritärem Eindruck in nichts nach. Er entdeckte Caleb als erstes, winkte und rief ihn zu sich. "Na komm her, Caleb, wir warten bereits alle auf dich!"
Theben ging ein wenig in die Knie, streckte seine Hand aus und grinste. "Miez, miez, miez!"
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Freitag 6. April 2012, 14:06

Troman schien sich noch in Ruhe zu befinden. Die Gesprächfetzen, die in Calebs Geist hängen blieben, drehten sich um alltägliche Dinge, Geschäfte, das Wetter, nichts besonderes. Kinder spielten, Bauern und Handwerken gingen ihrer Arbeit nach, zogen Karren, alles schien der normalen Geschäftigkeit nachzugehen. Aus den Augenwinkeln sah er eine Gruppe von vier Kindern mit einem Ball spielen, sie waren sicher zwischen neun und zwölf Jahren alt. Er hatte nicht mehr gespielt, seit er mit sechs Jahren vollständig als Diener in den Alltag des Schlosses integriert worden war. Putzdienst, Küchenarbeit, Bedienen unterschiedlichster Gäste des Königs. Seine Kindheit hatte daraus bestanden.
Kurz darauf war der Prinz ins Militär geschickt worden. Er hatte keine Ahnung, was sein Vater Caleb alles geraubt hatte.
Die wohl bekannte Stimme seines Herr ließ ihn sofort den Blick senken. Den Anblick der Drei musste er erst verarbeiten. Krieg. Würden sie heute schon losziehen? Würde ganz Troman nicht in helle Aufregung verfallen, wenn sie davon erfahren würden, dass ein Heer gegen Jorsan unter der Flagge ihres Prinzen auszog? Nein, bestimmt war es heute noch nicht so weit. Aber warum waren dann alle gerüstet und mit Waffen bespickt, als stünden die Jorsaner schon vor den Toren der Stadt?
Zu fragen war ihm nicht gestattet. Nicht ihm. Das verhüllte Mitbringel des Prinzen hatte ihn auch nicht zu interessieren.
"Miez, miez, miez."
Das Geräusch ließ Caleb kurz aufblicken, man konnte wahrscheinlich sehen, wie sich seine Ohren unter der Kapuze aufstellten. Für einen kurzen Moment hatte Caleb die merküwrdige Vorstellung, wie er selbst aus sich heraus brach, einen kleinere, jüngere Version seiner Selbst aus seiner Brust fuhr und dem Trio entgegen lief, die Hand zum Gruß hob und lächelte.
"Und, Theben, ist der Bolzen aus deinem Hintern auch in einem der Köcher?", feixte sein junges Ich, grinste schelmisch, bevor es sich aufgeregt dem Prinzen zuwandte und an dem Stoff zog, der jenes Ding unter dem Arm des Prinzen verbarg. "Was ist das, zeig schon!", kein Titel kam aus seinem Mund, keine Scham ließ ihn zögern, keine Autorität schüchterte ihn ein.
Dann verschwand das Abbild in silbrigem Dunst und Caleb hatte das Gefühl, seine Kapuze wäre schwerer geworden. Wurde er verrückt?
Langsamen Schrittes näherte er sich den Dreien und blieb stehen, als ihre Stiefelspitzen in sein Sichtfeld traten. Dann verbeugte er sich vor dem Prinzen, so tief es ging und blieb danach mit fast auf die Brust gesenktem Kopf stehen. Alles folgte dem strengsten Protokoll, dass in Grandea zwischen einem Diener und seinem Herrn Anwendung finden konnte, und der Prinz musste es bemerken, immerhin hatte man es auch ihm beigebracht - vornehmlich um Diener bei dessen Verletzung umgehend bestrafen zu können.
Seine Stimme war ausdruckslos, leise, aber vernehmlich: "Eure Hoheit, die Verspätung ist unentschuldbar. Das hätte nicht passieren dürfen." Entschuldigen brachte nichts, es war seine eigene Schuld gewesen. Ihm das Frühstück zu entziehen wäre noch die geringste Strafe, aber es sah sowieso nicht so aus, als wären sie bereit auch noch darauf zu warten.
Theben und Rist wurden ignoriert, kein weiteres Wort kam über seine Lippen.
Ein stummer, gehorsamer, züchtiger Diener.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Montag 9. April 2012, 10:39

Theben lachte herzlich. Er wusste, dass die aufgerichteten Ohren unter der Kapuze seinem Lockruf zu verdanken waren. Er kannte Katzen, mochte sie, und freute sich umso mehr, dass der kleine Trick offensichtlich auch bei Caleb funktionierte. Sofort ging er etwas tiefer in die Knie, streckte die Hand aus und fächelte mit den Fingern, um die Aufmerksamkeit seines erwählten "Kätzchens" zu gewinnen. "Na komm, miez miez miez!" Er erhielt von seinem Prinzen einen kleinen Rüffel. Vincent verteidigte doch tatsächlich seinen eigenen Diener - seinen Ersatz für Marlin? Diese Erkenntnis hing wohl wie eine finstere Wolke erst einmal über allem, aber auch Calebs Gebarden zeugte von etwas Bedrückendem. Alle drei sahen ihm an, dass er wohl lieber fröhlich zu ihnen herüber gerannt und sich dem Trupp angeschlossen hätte. Umso mehr spürte man die Disziplin, die hinter seinen geraden Bewegungen steckte, hinter dem gesenkten Blick und dem Willen, seinem Herrn zu gefallen.
Wieder war es Theben, der dieses gepflegte Protokoll zwischen Caleb und seinem Prinzen mit einer einzigen Kleinigkeit zunichte machte. Er legte locker einen Arm um Calebs Schultern, knuffte ihn in die Seite und grinste. "Na, bist du schon aufgeregt auf deine erste Lektion zum feldärztlichen Kundschafter, du kleines Fellknäuel?" Er zog Calebs Kapuze etwas zurück, damit er an die Ohren heran kam und wollte schon anfangen, diese zu kraulen. Da erhob Rist die Stimme. Sie war gewaltig. "Jetzt hast du die Überraschung verdorben." Es folgte ein Brummen, das Theben dazu bewog, von dem Jungen abzulassen. Abwehrend riss er die Hände hoch. "Tut mir leid, ich kann sowas nie lange für mich behalten. Weißt du doch!"
"Genug, ihr beiden", unterbrach der Prinz. Er schaute zu Rist hinüber, dann blickte er Caleb direkt an. "Rist sagte, du hast dich in der Küche sehr gut geschlagen. Du kennst viele Gewürze und lernst nicht nur schnell, sondern kannst alles schnell überblicken. Es wird dir helfen, sofern du Interesse daran hast, etwas Neues zu lernen, um meinen Kameraden und mir in der Schlacht beizustehen." Endlich enthüllte er, was er verborgen mit sich unter dem Arm geführt hatte. Es handelte sich um einen Lederharnisch mit kleinen Nieten darauf. Aber das war nicht das Einzige. Dazu gab es einen Wappenrock, jedoch nicht in den grandessanischen Farben und mit der Königslilie bestickt. Dieser Rock war schwarz, trug einen Stab, der von einer Schlange umwickelt wurde. Das Zeichen eines Medicus.
"Ich bedaure, dass Marlin ... nicht mehr da ist, um dir beizubringen, was wir drei nur mäßig können. Deshalb ist es wohl sinnvoll, du besuchst heute noch einmal das Lazarett und redest mit Derenja. Sie kann dir sicher eine detaillierte Lektion geben. Aber vorher möchte ich, dass du mit uns vor die Palisade kommst und ein wenig trainierst. Du sollst nicht nur Feldarzt werden, Caleb."
"Richtig! Marlin war ja auch mehr!", warf Theben ein. "Und ich halte dich sowieso eher für einen Kundschafter, Kätzchen. Bist sicher wieselfli.... nein ... kätzchenflink, haha! Genau! Geschickt wie eine Katze. Hast du eigentlich auch Krallen oder so?"
"Theben..." Rists Stimme war ein tiefes Grollen, wie Donner.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Montag 9. April 2012, 15:24

Diesen Blick kannte Caleb nur zu gut. Die Drei sahen ihn genauso an, wie es Imella und Boran immer taten. Jedes Mal, wenn er sich dem König oder dem Prinzen unterstellte und sich selbst dabei vollkommen vernachlässigte, hatte er ihn im Schloss zu spüren bekommen. Doch der junge Diener hatte ihn nie verstanden. So etwas wie Mitleid lag darin, eine Spur Bedauern. Aber warum? Er tat nur das, was man ihm all die Jahre beigebracht hatte, verhielt sich so, wie es jeder von ihm erwartete, oder? Und doch verfolgte ihn dieser Blick schon seit so langer Zeit. Caleb fühlte sich dabei immer unwohl, gerade so, als würde man ihn für etwas rügen, dass er nicht verstand und dessen Schuld er sich überhaupt nicht bewusst war. Was machte er falsch um solche Blicke zu verdienen?
Unruhig biss sich der Kleine auf die Unterlippe, wobei seine spitzen Eckezähne besonders weh taten. Da brach die düstere Stimmung an Thebens Lächeln auseinander und Caleb lief augenblicklich rot an, als ihm der Arm auf die Schulter gelegt wurde. Theben kniff ihm beherzt in die Seite und seinem Mund entwich ein überraschter Quicklaut. Er war doch so kitzlig an dieser Stelle! Halb ernst versuchte er sich aus der Umarmung zu winden, bevor er bei den Worten des Soldaten erstarrte. Feldärztlicher Kundschafter? Erste Lektion? Den Moment der Überraschung nutzte Theben um ihm die Kapuze zurück zu ziehen und seine Katzenohren sprangen förmlich in die Höhe, als sie der Stoff nicht länger zurück hielt. Erschrocken wollte Caleb sie wieder verbergen, was in einem erneuten Gerangel mit Theben geendet hätte, wäre Rist's Stimme nicht dazwischen gekommen, die einem wirklich durch Mark und Bein ging. Beide standen kurz da und sahen den Hünen entgeistert an.
Während Theben sich heraus redete, richtete Caleb seine Kapuze und schielte neugierig zu dem in Stoff gehüllten Gegenstand, den der Prinz bei sich trug. An der Form konnte der Katzenjunge kaum etwas erraten, und als er Prinz ihn direkt ansah, senkte er schnell wieder den Blick und lauschte angestrengt den Worten seines Herrn. Das Lob ließ ihn noch röter werden. Das hatte er doch gar nicht verdient! Ein schüchterner Seitenblick zu Rist zeigte ihm nur die immer grimmige Miene. Dann war es gar kein Test gewesen, um ihn als Küchejunge anzunehmen, sondern auszumachen wie gut seine Auffassungsgabe war? Naja, wenn es darum ging, etwas neues zu lernen, hätte Caleb wohl nie nein gesagt.
Die nächsten Worte dagegen zogen wieder wie dunkle Gewitterwolken über das Gemüt den Jungen. Marlin hatte die selbe Aufgabe gehabt?
Caleb spürte eine kalte Hand auf seiner Schulter. "Siehst du? Dein Schicksal wurde entschieden. Sei dienem Prinzen ein guter Diener., säuselte es süffisant in sein Ohr und ihm lief es kalt den Rücken hinunter. Sein Alptraum verfolgte ihn auch am Tag, jetzt schon das zweite Mal. Kurz kniff er die Augen zusammen und versuchte es zu ignorieren. Die anfängliche Freude war verschwunden. Eine medizinische Ausbildung war vielleicht nichts, in dem er irgendwelche Erfahrung hatte, wenn man von seinem Kräuterwissen einmal absah, aber es interesserte ihn, wie fast alles, und auch wenn ihm dabei die Wunde von Aleksander im Kopf herum geisterte, hielt er es für wesentlich angenehmer, als in die Infanterie gesteckt zu werden. Was ein Kundschafter tun musste, würde man ihm erst erklären müssen.
Wäre ich auch zum Kundschafter und Feldarzt ausgebildet worden, wenn durch Marlin keine Lücke entstanden wäre?
Die Frage hätte er nur zu gern gestellt, traute sich aber nicht. Dabei war es das, was ihm im Moment am meisten bewegte. Ihn am meisten verunsicherte; und ihm die schlimmsten Alpträume verschaffte. Nie hatte er so etwas geträumt wie in der letzten Nacht, in der ihn sein eigenes Ebenbild versucht hatte zu ersticken. Vielleicht war das Grund, warum die Bilder und Stimmen verfolgten. Es war unheimlich gruselig.
"Was genau...musst denn ein Kundschafter machen? Meine Augen sind ja nicht so gut...", murmelte er stattdessen. Marlin hatte doch auch die roten Augen gehabt. Müsste er da nicht auch fast blind gewesen sein, wie er selbst in den ersten Jahren seines Lebens, bevor er von der Katze gebissen worden war? Wie konnte man da als Kundschafter tätig sein?
Auf ein Frühstück hatte Caleb schon keine Hoffnung mehr, aber im Schloss waren die Diener auch nicht gerade königlich bespeist worden, also konnte er es vertragen. Außerdem war er viel zu aufgeregt. Was die Drei mit ihm vorhatten, sah nach Kampftraining aus und so wie sie hier gerüstet standen, bekam er ganz schön Angst davor. Bücher lagen ihm da mehr, aber kämpfen? Plötzlich wurde er sich des Gewichts an seinem Gürtel bewusst. Wie sollte er mit einem Dolch gegen einen Rist antreten, bei dem er sich schon verstecken wollte, wenn er nur mit der Stimme über die Straße donnerte wie gerade eben. Selbst Theben war zusammengezuckt.
"Und...brauche ich den Harnisch jetzt schon?", nuschelte er mit einer Mischung aus Ehrfürcht und ehrlicher Angst. Man würde ihn doch nicht einfach angreifen und hoffen, dass er sich verteidigte! Müssten nicht irgendwelche Grundtechniken und andere Übungen zuerst kommen, wo er noch keine Gefahr lief seine ersten Medikuslektionen an sich selbst ausführen zu dürfen? Caleb musste schlucken. Das konnte ja was werden!

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Mittwoch 11. April 2012, 09:24

Geduldig beobachtete Prinz Vincent seinen Kameraden, wie er mit seinem Diener ein wenig rangelte, ehe sein anderer Kamerad - Rist - dem ganzen Einhalt gebot. Im Stillen dachte der Prinz über Caleb nach. Es würde ihm gut tun, was er mit ihm vor hatte. Wenn nur der Krieg nicht wäre, aber er gehörte einfach dazu. Manchmal schien dies sogar vonnöten. Krieg formte den Charakter, wie sein Vater zu sagen pflegte. Eroberungen aber noch mehr! Das fügte er stets an und Vincent konnte dabei nur leicht mit dem Kopf schütteln. Natürlich mussten Kriege geführt und im besten Fall Schlachten gewonnen werden. Auch er wollte nicht auf dem Feld sterben. Allerdings hatte er neben einer militärischen Ausbildung auch das Privileg erhalten, sich ein wenig in den theoretischen Fächern schulen zu lassen. So zählte Diplomatie ebenfalls zu seinen Lehrstunden und dieses Wissen kam ihm inzwischen zu Gute. Es hatte seine Denkweise geprägt, was ihn in der Zukunft zu einem anderen König machen würde als seinen Vater.
Diese Denkweisen waren es allerdings auch, die ihn dazu bewogen hatten, Caleb mit auf seine Reise zu nehmen - unter anderem. Marlin spielte nämlich tatsächlich eine Rolle, aber eine andere, als wie sie im Kopf des Hybriden herum geisterte. Zu schade, dass der Albino-Soldat nicht mehr unter ihnen weilte. Das traf Vincent immer noch schwer, trübte seine Stimmung. Aber ehe er sich von ihr herab ziehen lassen konnte, kehrte er mit seiner Konzentration in die Realität zurück. Es blieb jetzt keine Zeit, Träumen nachzuhängen - gleichgültig, welche Stimmung sie erzeugten. Er hatte Pläne und es wurde Zeit, die ersten davon in die Tat umzusetzen. Er wollte mit Caleb noch ein wenig üben und trainieren, ehe er sich seinen eigenen Kampftechniken und deren Verbesserung hingab. Dass der Bursche dafür auf sein Frühstück würde verzichten müssen, mussten sie nun beide in Kauf nehmen. Lediglich, wenn Vincent feststellte, dass sein Diener gleich aus den Schuhen kippte vor Hunger, musste er das Training natürlich unterbrechen. Er wollte ihn nicht schon wieder in einem der Lazarettbetten wiederfinden.

"Du wirkst überrascht", sagte der Prinz. "Es steht dir natürlich frei, das Angebot abzulehnen, aber ich halte es für eine Bereicherung, wenn man dich zum kleinen Feldarzt ausbildet." Das würden der Medicus, Derenja und letztendlich auch Rist übernehmen, was wohl die eigentliche Überraschung wäre. Aber dieser hatte sich bereits freiwillig gemeldet, nachdem der Prinz ihn heute früh auf die gestrige Gewürzkunde-Prüfung Calebs angesprochen hatte. Er wollte ihm die medizinischen Begriffe, Kräuterkenntnisse und sämtliches Fachvokabular, das er brauchen würde, in den Schädel pauken. Das konnte man nämlich prima beim Tellerwaschen, Anrichten oder Kochen erledigen. Obwohl ... nein, nicht beim Kochen. Wenn man kochte, dann kochte man. Da musste die ganze Aufmerksamkeit auf der Zubereitung der Mahlzeit liegen. Das war jedenfalls Rists Meinung.
Die Aufmerksamkeit des Prinzen lag nach wie vor auf seinem mitgenommenen Diener und dieser schaute nun wirklich mitgenommen aus der Wäsche. Etwas bedrückte ihn. Theben und Rist würde das möglicherweise nicht sofort auffallen, obwohl gerade diese beiden ein gutes Auge für die Probleme anderer und deren Erkennen besaßen. Aber Vincent kannte - beobachtete! - Caleb nun schon eine Weile länger. Er spürte instinktiv, dass sich der Junge über irgendetwas den Kopf zerbrach. Nun, er würde schon den Mund aufmachen, so hoffte es Vincent. Er wollte Caleb nicht vor versammelter Mannschaft drängen. Vielleicht fand sich nachher Zeit für ein Gespräch unter vier Augen.
Plötzlich lachte Theben auf. "Ha! Genau wie bei Marlin, der konnte auch auf mehr als fünf Meter kaum mehr etwas sehen." Wieder legte sich der Arm des Soldaten um Calebs Schultern und wieder erhielt er einen leichten Knuff. Theben schien diese Form des Körperkontaktes zu gefallen. Sein Grinsen schwand nicht. "Jetzt pass mal auf, also als Kundschafter wirst du ganz allein nach vorn in feindliches und unerforschtes Gebiet geschickt, um heraus zu finden, ob uns Gefahren drohen. Dann kehrst du zurück und machst Meldung - eigentlich! Aber Feldarzt-Kundschafter gehen da anders vor."
"Du suchst auf dem Schlachtfeld nach Verletzten und heilst sie dann entweder vor Ort oder bringst sie sicher ins Lazarett zurück", ergänzte Rist, kurz und knapp. Theben nickte eifrig. Dann griff er einfach zum Prinzen herüber, entriss ihm den Harnisch mitsamt Wappenrock und drückte beides dem Katzenhybriden in die Hände. "Den trägst du fortan immer, außer wenn du in eine der Barracken baden oder schlafen gehst. Manche tragen ihre Rüstung sogar im Bett. Mit ist das zu unbequem, aber ansonsten solltest du dich in und um Troman nicht ungeschützt aufhalten."
"Es mag übertrieben klingen, aber Theben hat Recht", versicherte Vincent. "Zieh beides am besten gleich an. Dann beginnen wir mit der ersten Lektion. Auch feldärztliche Kundschafter sollten ein paar Kampftechniken beherrschen."
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Mittwoch 11. April 2012, 11:32

Man gab ihm tatsächlich die Möglichkeit, abzulehnen? Caleb hatte nicht eine Sekunden einen Gedanken daran verschwendet. Alles hatte nach einem Wunsch des Prinzen ausgesehen, und ein Wunsch des Prinzen war ein Befehl für ihn; und daran hatte sich im Grunde auch nichts geändert. Zugegeben, in der kurzen Zeit in Troman war ihm schon aufgefallen, dass er dem Prinzen nicht auf die altbekannte Weise dienen konnte. Frühstück nahm er wohl mit den anderen Soldaten ein, brauchte nicht jeden Tag andere Kleider, die ihm erst herbei geschafft werden musste, und so, wie sich der neue Prinz herhielt, den Caleb erst auf dem Herritt kennen gelernt hatte, würde er wohl auch auf Diener verzichten, die ihm stets Tafelwasser bereit hielten oder Bücher und Dokumente reichten und für andere Kleinigkeiten gebraucht wurden.
In Troman bin ich ein guter Diener, wenn ich dem Wunsch des Prinzen gerecht werde.
Das ihm dabei eine kleine, stichelnde Stimme ins Ohr flüsterte, dass deser Wunsch war, Marlin zu werden, ihn so zu ersetzen, versuchte der Junge so gut es ging zu ignorieren.
"Wer würde so eine Gelegenheit schon ausschlagen, Herr?!", war seine Antwort, die ihm so bekannt vorkam. Eine Art, sachlich und nichtssagend der eigentlich Beantwortung der Frage aus dem Weg zu gehen. Oft hatte er sich so aus der Schlinge gezogen wenn ihm spitzzüngige Adlige versucht hatte mit Worten aus der Reserve zu locken. Die Verlobte des Prinzen hatte dieses Spielchen nur zu gerne mit ihm gespielt und über seine Antworten gelacht, als würde sie sich königlich amüsieren.
Eine Puppe hatte sie ihn genannt.
Und wieder war es Theben, der ihn aus seiner Beklemmung riss. Caleb konnte sich nicht entscheiden, ob er ihn dafür mehr mochte, oder weniger, denn verflucht nochmal er kniff ihm immer in die Seite. Der junge Katzenhybride konnte dabei nicht anders als zu kichern und zu versuchen, sich vor Thebens Hand wegzubiegen, was aber nicht ging, da er ihm den anderen Arm um zu Schulter gelegt hatte. Mieser Trick.
Bei dessen Erklärung, was ein Kundschafter zu tun hatte, erbleichte Caleb stattdessen, und sah mit ängstlichen Kulleraugen zu dem Soldaten auf. Der Arm auf seiner Schulter war vergessen. Man würde doch nicht wirklich von ihm verla-
Erleichterte atmete er aus. Rist's Erklärung klang zwar nicht nach mehr Spaß, aber kam dem Jungen mehr wie eine Sache vor, die er unter Umständen bewältigen konnte. Aleksanders Arm...sein Gedächtnis war manchmal auch ein Fluch. Ein Schlachtfeld von Hunderten Aleksanders hatte sich für eine Sekunden in seinem Geist aufgetan und bei der Vorstellung war ihm dann doch alle Farbe aus dem Gesicht gewichen - was ehrlich gesagt kaum zu erkennen war.
Eine Stimme, die wesentlich angenehmer Klang, flüsterte ihm beruhigend zu. Er würde niemanden Töten müssen, wenn er diese Position einnahm, er würde vielleicht sogar einigen das Leben retten. Den Krieg daran hindern, seine Seuche auszubreiten. War das nicht das Beste, was er ausrichten könnte; und auch ausrichten wollte? Selbst wenn dem Prinzen irgendetwas passierte, würde er endlich in der Lage sein, etwas zu tun. Grandessa konnte sich diesen Verlust nicht leisten.
Caleb versuchte ein Lächeln, wenn auch mit fraglichem Erfolg, denn da wurde ihm schon der Lederharnisch vor die Brust gedrückt. Hier sollte er sich umziehen? Direkt vor den Dreien. Es war ja nicht so, als müsste er sich ganz ausziehen, aber...
Mit zunehmend schüchternen Blicken fummelte Caleb an den Bändern seines Umhangs herum, und streifte ihn schließlich an. Seine Ohren waren leicht nach hinten gelegt, wie bei Katzen, die sich in die Enge gedrückt fühlten. Mit fahrigen Fingergriffen wurde auch der Gürtel entfernt und der Wappenrock landete, wie zuvor die Kapuze bei Theben, der immer noch unangenehm dicht neben Caleb stand. Wie man den Lederharnisch mit seinen Verschlüssen anzog, war für ihn zwar offensichtlich, aber wahrscheinlich sah er dabei trotzdem recht ungeschickt aus. Die Erwartung bestätigte sich. Caleb fühlte sich in einer Rüstung nicht besonders wohl. Aber sie schien ihn auch nicht großartig in seiner Bewegung einzuschränken, was er durch kreisen der Arme feststellte. Sah sicher komisch aus. Dementsprechend übereilt warf sich der Junge daher den neuen Wappenrock über und brachte Gürtel und Dolch wieder an ihren Platz.
"Bin...gleich wieder da..." Damit niemand seine Sachen herum tragen musste, flitzte Caleb mit dem alten Wappenrock noch einmal kurz in die Wachstube. Alles war leer, wahrscheinlich gab es hier nur während der Nachtschicht wirklich Betrieb. Das Stück Stoff wurde in einer Schublade verstaut, von der Caleb von seinem gestrigen Aufenthalt noch wusste, das sie eine freie Ecke enthielt. Rist würde ihm später schon sagen, wo der Wappenrock abgeben musste.
Der Weg nach draußen kam ihm aus einem bestimmten Grund besonders merkwürdig vor. Jemand wartete auf ihn. Caleb lächelte schwach.
Die Drei hatten sich tatsächlich nicht vom Fleck bewegt. Erst jetzt fiel Caleb auf, dass er Theben seinen Kapuzenumhang gegeben hatte. Irgendwie zweifelte der Hybride daran, dass er ihn so einfach von dem Soldaten wiederbekommen würde.
"Bin bereit, mein Prinz.", verkündete der Diener recht lapidar, bevor er sich versuchte sein Eigentum bei Theben abzuholen.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Samstag 14. April 2012, 20:24

Troman schien Prinz Vincent von der Sohle bis zum Scheitel irgendwie verändert zu haben. Er war wie ausgewechselt, was nur an all dieser militärischen Atmosphäre und seiner Ausbildung zum Soldaten liegen konnte. Kein Mann der Armee rühmte sich mit einem Diener, der ihm morgens ein vorgewärmtes Handtuch nach dem Waschen bereit legte oder ihm mit einem Tablett folgte, aus dem eine Karaffe frischen Wassers wartete. Soldaten nahmen solchen Luxus vermutlich nicht einmal in Anspruch, selbst wenn man ihnen es anbot. Sie würden die Diener ebenfalls zu Soldaten machen, um die Armee zu stärken. Genau so wie es derzeit der Prinz vorhatte. Oder wollte er einfach nur immer noch einen Ersatz für Marlin haben?
In jedem Fall kam er Caleb auf ungewohnte Weise und mit neuem Verhalten entgegen. Er befahl ihm nicht, sondern machte ihm ein Angebot. Ein Angebot, das er tatsächlich ablehnen konnte, wenn er kein feldärztlicher Kundschafter werden wollte. Doch was geschähe dann mit ihm? Schickte der Prinz ihn zurück oder sollte sein den Krieg scheuender Diener in Troman bei den einfachen Bauern und Mägden unterkommen? Würde er dort bleiben, falls sein Prinz während der Schlacht fiel?
Diese Fragen musste Caleb für sich wohl kaum beantworten, denn er hatte nicht vor, das Angebot auszuschlagen. Es war eine Chance, den Prinzen im Auge zu behalten und er würde sogar das Wissen erlangen, ihm oder Rist oder Theben vielleicht auch, in einer Notsituation zu helfen. Möglicherweise würde Caleb es sein, der ihnen eines Tages das Leben rettete - wie ein richtiger, kleiner Held! Oder er wurde unglücklich von einem gegnerischen Pfeil durchbohrt, von einer Lanze aufgespießt oder bekam den Kopf abgeschlagen, ehe er schreien konnte. Unangenehme Vorstellungen, über die man lieber nicht zu lange grübelte.

"Wir sind uns einig." Vincent nickte. Dann streckte er Caleb die Hand entgegen. "Willkommen in der Armee, Caleb."
"Genauer gesagt, du gehörst nun zur Hand der Prinzenkrone", warf Theben ein und winkte mit seiner eigenen Hand. Vincent nickte und fuhr fort: "Das ist richtig. Als Hand bezeichnet man stets eine Spezialeinheit beim Militär, die aus weniger als zehn Mann besteht. Mit Marlin und Aleksander waren wir ein Fünf-Mann-Trupp. Jetzt, mit dir, sind wir nur noch zu viert, wobei du dich noch in der Ausbildung befindest. Aber wir werden es schon so schaffen."
"Und wofür die Bezeichnung Prinzenkrone steht, braucht dir ja wohl niemand mehr zu sagen, Kätzchen." Theben konnte es nicht lassen. Erneut knuffte er Caleb in die Seite. Ihm schien aufgefallen zu sein, dass der Hybrid dabei immer etwas zusammenzuckte, als kitzelte es ihn. Rist befreite den jungen Diener aus Thebens stichelnder Art, einen Kameraden zu begrüßen. Er zog Caleb mit einer seiner Pranken an sich heran, so dass er unter der Armbeuge des großen Mannes beinahe verschwand. Wenn es regnete, könnte sich Caleb hier zum Schutz unterstellen. Rist schaute auf ihn herab. Erstmals, seit er mit dem Jungen Blicke ausgetauscht hatte, wurden seine Züge ein wenig warmherziger - weicher. "Willkommen bei der Hand der Prinzenkrone." Jetzt lächelte er sogar. Ja, Rist konnte wirklich lächeln!
"Genug der Begrüßungen", ging Vincent dazwischen, "sonst lernt Caleb niemals seine Lektionen. Gehen wir hinter die Barracken auf den Übungsplatz und fangen mit den Grund-Positionen an. Caleb, hast du dir überlegt, mit welcher Waffe du gern kämpfen würdest?"
"Nimm nicht die Armbrust, ich bin der Schütze!"
"Theben ... du bist und bleibst unser Meisterschütze. Sorg dich nicht." Nun war es Vincent, der dem schalkhaften Soldaten einen Knuff verpasste. Sie gingen hier wirklich alle viel lockerer miteinander um. So locker, dass es sich Vincent niemals auf dem Schloss seines Vaters erlaubt hätte.
Man wartete, bis sich Caleb die Rüstung angezogen hatte. Am Ende machte er einen wirklich passablen Eindruck. Selbst ein Junge seiner Statur wirkte jetzt irgendwie ... Respekt einflößend. Allein das Zeichen der Medici auf seinem Wappenrock verlieh ihm einen Hauch von etwas Autoritärem. Die vorbei kommenden Bauern jedenfalls guckten mit großen Augen zu dem neuen Soldaten hinüber. Ein Soldat, der nicht kämpfen konnte. Ein Feldarzt, der keine Idee hatte, wie man eine Wunde nähte. Es gab viel zu lernen. Vorher aber huschte Caleb noch ein letztes Mal in die Barracke zurück. Seine Kameraden warteten derweil. Rist schulterte den Zweihänder und Theben prüfte den Sitz seiner Armbrust. Nur Vincent nahm den Blick keine Sekunde von der Barrackentür. Erst als Caleb wieder hinaus trat, fixierte er den jungen Diener.

Gemeinsam ging es zum Übungsplatz, der durch ein paar wenige rote Bänder zwischen Holzpflöcken abgegrenzt war. Nur auf einer Seite verschmolz dieser künstliche Zaun mit der hohen Palisade, die Troman umgab. Einige Soldaten waren schon beim Training. Sie schlugen aufeinander ein oder ahmten die Haltung eines Hauptmanns nach, der in fließenden, langsamen Bewegungen einen Angriff darstellte. "Welche Waffe soll ich dir bringen, Katerchen?", fragte Theben, der zu einem Waffenständer zeigte, an dem viele Holzmodelle verschiedenster Gattung zu finden waren. Wenigstens hieß das, dass niemand mit einer scharfen Klinge auf Caleb losgehen würde.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Sonntag 15. April 2012, 00:44

Wahrscheinlich würde es einige Zeit dauern, bevor der kleine Held wirklich begriff, was es bedeutete Teil dieser Gruppe zu sein.
War er jetzt überhaupt noch ein Diener? Etwa Soldat? Kamerad? Oder Mitglieder einer kleinen Familie? Doch so weit würde jemand wie Caleb nicht denken.
Ohne Zwischenfall bekam er von Theben seinen Umhang wieder und legte ihn an, was sowohl ein bedrückendes, als auch erleichterndes Gefühl mit sich brachte. Mit leicht zittrigen Fingern verknotete Caleb die weißen Schnüre. Er war aufgeregt, nicht nur wegen dem Bevorstehenden, sondern weil der Prinz ihm die Hand ausgestreckt hatte. Flüchtig warf er seinem Herrn einen schüchternen Blick zu, bevor er einschlug. Es war ein...merkwürdiges Gefühl. Caleb wusste es nicht einzuordnen; eine kalte Hand griff an seine Schulter und der Katzenjunge zuckte leicht zusammen, vor Schmerz, weil er glaubte spitze Fingernägel sich in seine Haut graben zu spüren.
Damit ist es besiegelt!, die Stimme kannte er aus seinem Traum, sie war entzückt - und furchteinflößend. Caleb zog die Hand schneller zurück, als vielleicht angebracht oder normal gewesen wäre, aber dieses Mal war es nicht wegen seiner Schüchternheit. Wie echt konnten solche Vorstellungen noch werden, bevor Caleb begann an sich selbst zu zweifeln? Seine fahrig gewordene, linke Hand war gerade auf dem Weg unter die Kapuze, um eines der pelzigen Ohre zu streicheln, damit sein Inneres wieder zur Ruhe kam, aber diese Gruppe hatte, ohne es zu merken, die besondere Fähigkeit ihn aus seinen dunklen Gedanken zu ziehen. Verwirrt blickte Caleb zwischen Theben und Prinz Vincent hin und her. Hand der Prinzenkrone? Spezialeinheit? Das letzte, wofür sich Caleb hielt, war eine Elitesoldat. Musste man sich einen Platz in einer solchen Truppe nicht irgendwie verdienen? War es nicht ein Risiko, einen wie ihn, am Anfang seiner Ausbildung, in der Gruppe zu haben? Sie wären nicht voll einsatzbereit, bis Caleb ausgelernt hatte.
Und wie lang würde das dauern? Monate? Hatte der Prinz nicht angeordnet, dass der Brief mit seinen Pläne nur bis gestern Abend zurückgehalten wurde? Schon heute Nachmittag könnte König Hendrick II. vor Troman stehen und versuchen, seinen Sohn umzustimmen. Oder ließ er ihn gewähren?
Wie viel Zeit würde dem kleinen Caleb bleiben, zu lernen, was nötig war?
So recht konnte sich der Katzenjunge nicht über die lockere Stimmung und die Begrüßungen freuen, obwohl er für Rist ein mattes Lächeln aufbrachte. Wenn sich die Miene eines solch grimmigen Hünen aufhellte, konnte man schlecht mit einem von Sorgen getrübten Gesichtsausdruck antworten, und auch über Theben konnte sich Caleb amüsieren, denn durch den Lederharnisch, der auch seine Seite abdeckte, wurden seine Sticheleien abgeblockt. Zumindest kitzelte es ihn nicht mehr. Wenn er die Rüstung, wie ihm aufgetragen wurde, immer trug, war er also vor solchen Angriffen ab jetzt gefeit, da konnte man sich schonmal ein selbstgefälliges Grinsen abringen. Nur noch nicht heute.
Dann kam die Frage der Waffe.
"Mit meinen Augen, werde ich dir den Schützenposten sicher nicht streitig machen können, Theben.", murmelte Caleb nachdenklich. Viele Möglichkeiten blieben dem schmächtigen, kleinen, halb blinden, aber flinken Katzenjunge nicht gerade. Für Hiebwaffen fehlte ihm die Kraft. Die Vorstellung, wie er mit einem Kriegshammer aussehen würde, oder eher, wie er versuchen wollte diesen hochzuheben, war lächerlich. Fernkampfwaffen fielen auf natürliche Weise aus, da müsste Feylin ihn schon mit allem Glück der Welt gesegnet haben, wenn er damit etwas ausrichten wollte. Für Stangenwaffen war er wohl noch einen Tick zu klein und als Feldarzt wäre es sicher dumm, so eine sperrige Waffe mit sich herum zu tragen. Blieben Dolche übrig. Die selben Gedanken hatte sicher schon der Prinz gehabt, als er ihn in die Waffenkammer des Schlosses geschickt hatte, um einen solchen zu holen. Außerdem war Caleb mit dem Gefühl, ein Messer in der Hand zu haben, groß geworden. Wenn auch mit harmloserem Hintergrund.
Der Weg vor die Palisaden und zum Trainingsplatz stellte für den Kopf des Kleinen wieder eine kleine Hürde da. Schon nach wenigen Metern hatte er die Hand an der Schläfe und begann sie mit kreisenden Bewegungen zu massieren. Diese Straßen war er noch nicht entlang gegangen, die Menschen kannte er nicht. Es pochte stark, und Caleb befürchtete schon, er könnte vor dem Prinz und den Anderen einen erneuten Anfall haben, aber es blieb ihm ersparrt. Er nutzte den Moment vor dem Waffenständer, um sich mit beiden Händen an den Kopf zu fassen und zu verarbeiten. Hoffentlich sah es nur so aus, als würde er sich gedanken darüber machen, welche Waffe er wählen wollte.
Dabei stand es schon fest.
Nachdem Caleb wieder bei sich war, nahm er sich zwei hölzerne Krummdolche aus der Halterung. Das kam ihm wie eine logische Wahl vor. Er besaß nicht die Kraft, um Schläge von jahrelang trainierten Soldaten abzublocken, eher würde sein Arm brechen. Somit wäre die gekrümmte Form dieser speziellen Dolche, an denen eine feindliche Klinge abrutschen konnte, sicher besser für ihn geeignet. Außerdem sahen diese etwas längeren Doppeldolche wesentlich gefährlicher aus, als wenn man nur so einen Zahnstocher vor sich hielt. Caleb hielt die Trainingswaffen verkehrt herum am Griff, so dass die hölzernen Klingen parallel zu seinem Arm verliefen, bevor er probehalber einen schnellen Griffwechsel unternahm, nachdem die Spitzen nach vorne zeigten.
Auch er hatte schon mit Küchenmessern herum gespielt; und das nicht nur einmal. Allerdings hatte er auch genauso oft von Borans eins auf die Finger bekommen.
"Wir wollten mit Grundpositionen anfangen, oder?", fragte Caleb dann, nun aufrichtig neugierig und drehte sich zu Theben um.
Nun war der Diener für einen Moment verschwunden und zum Vorschein kam der wissbegierige Schüler, der Caleb schon immer gewesen war.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Dienstag 17. April 2012, 10:55

Der Händedruck des Prinzen war sehr kräftig. Selbstbewusstsein legte sich um Calebs Finger und zerdrückte sie fast, als sei sich Vincent nicht bewusst, wie viel Kraft er in seiner Hand besaß. Aber er ließ rasch los, schenkte dem neusten Mitglied der Hand der Prinzenkrone ein Lächeln. Du gewöhnst dich schon dran, funkelten ihm die Augen des Prinzen entgegen. Caleb konnte erstmals feststellen, dass sie dunkelbraun waren, beinahe schwarz. In all den Jahren, in denen er dem Thronerben nun diente, hatte er niemals lange genug zu ihm aufgeblickt, um das zu erkennen. Veränderungen stellten sich ein und das nicht nur in Bezug auf das Verhältnis zwischen Prinz und Diener. Caleb sollte sich in der Waffenkunst üben. Natürlich musste er in dieser Hinsicht sich zunächst einmal für eine Waffengattung entscheiden. Er wählte gekrümmte Dolche.
Rist brummte, hob die Schultern und ließ sie wieder fallen. Er selbst hätte nicht so kleine Messerchen gewählt. Die eigneten sich doch allenfalls, um die Fingernägel des Feindes zu schneiden. Das hätte er jemandem wie Theben mit einem grimmigen Blick, aber einem Grinsen im Herzen "vorgehalten", nicht aber Caleb. Den kleinen Katzenjungen hatte er nämlich bereits ins Herz geschlossen, seit dieser auf so fantastische Weise all seine Gewürze aufgezählt hatte. Man sagte, die Liebe eine Mannes ging durch den Magen. In Rists Fall bezog es sich vor allem auf das Gewürzregal in seinen Eingeweiden. Er würde weder gute noch schlechte Witze über Caleb reißen, sah ihn mit anderen Augen als andere Verbündete. Dass Theben dieses Mal keinen schlechten Scherz zum besten gab, lag nur darin, dass sich der Bursche für eine Waffengattung entschieden hatte, die der Soldat auch gern zum Einsatz brachte. "Sehr gute Wahl", sagte er, zeigte auf seinen Stiefel, aus dessen Schaft das Ende eines Dolchgriffs lugte. "Nicht meine Hauptwaffe, aber manchmal ist es gut, ein zusätzliches Messer irgendwo am Körper zu tragen." Theben kämpfte mit dem Schwert, sollte er in den Nahkampf gezogen werden. Dass er vorhin mit so viel Sorgfalt seine Amrbrust überprüft hatte, hatte natürlich einen Grund. Er war ausgebildeter Scharfschütze und liebte das kleine Bolzen schießende Gerät. Zwar konnte er auch mit dem Schwert einige Streiche schlagen, aber er war lange nicht so gut wie aus großer Entfernung. Obwohl Vincent zugeben musste, dass er Theben schon hatte auf kürzester Distanz abdrücken sehen. Er trat an Caleb heran. "Du scheinst eher schnell und geschickt kämpfen zu wollen. Ausweichen ist dein Stichwort. Deshalb trainierst du jetzt am besten mit Theben. Er kann sich winden wie eine Schlange, wenn es sein muss." Er erhob die Stimme. "Rist! Wir beide kämpfen heute gegeneinander!"
Der Hüne nickte, suchte sich eine gute Stelle auf dem Übungsplatz und ging in Position. Vincent zog seine Klinge. Er hatte das ziervolle Prunkschwert aus dem Schloss gegen eine gute grandessanische Soldatenschneide getauscht. Zusätzlich griff er noch auf seinen Schild zurück.

Die Aufgaben waren demnach verteilt und so schnappte sich Theben sofort "seinen" kleinen Katzenjungen, um ihn für das Schlachtfeld vorzubereiten. "Genau, Grundpositionen. Du hast ja ganz tolle Ohren, die können ja sogar zuhören." Er grinste. "Du wirst mir genau zuhören, verstanden? Jetzt wird es hart und ich bin nicht gnädig, auch wenn viele das von mir denken mögen. Bei mir wirst du geschunden." Er lachte, nahm dann seine Armbrust ab und stellte sie behutsam an die Palisade. Auch sein Schwert löste er vom Gürtel.
Im Hintergrund hörte man Vincent bereits gegen Rist trainieren. Beide kämpften mit richtigen Waffen, scharfen Schneiden und diesem gewaltigen Zweihänder, der den Kopf des Prinzen im Grunde sofort abtrennen könnte, wenn Rist solche Gedanken hegte. Unheimlich ... Theben und Caleb begannen mit Holz-Attrappen. Der Soldat hatte sich ebenfalls zwei Dolche geholt. "Wir kämpfen noch nicht gegeneinander, das wäre zu leicht. Und du sollst auch nicht zu viele Niederlagen einstecken." Theben machte eine Position vor, bei der er leicht seitlich stand, einen Fuß etwas weiter vorn angesetzt als den anderen. Er ging in eine leichte Hocke, so dass er nahezu auf dem Gewicht und der Kraft seiner Beiner schwebte. Die eine Hand mitsamt Dolch fuhr über den Kopf, die andere behielt er dicht am Körper. "Das ist deine Grundstellung. Mit Dolchen hast du keine große Reichweite, deshalb solltest du stets flink sein. Es kommt auf deinen Gegner an, wie du kämpfen wirst. Wenn es so ein grober Klotz wie Rist ist, dessen Waffe eine enorme Reichweite hat, musst du schnell sein und so nah wie möglich an ihn herankommen. Du kannst dann zustechen, ehe er auch nur einen Schlag langen kann. Die Reichweite seiner Waffe behindert ihn dann. Wenn du gegen agile und gut aussehende Kerle wie mich kämpfen musst, dann ist es wichtig, dass du dich jederzeit sprunghaft aus dem Kampf zurückziehen, die Lage überblicken und wieder ins Getümmel stürzen kannst, denn ich bin mindestens genau so schnell wie du." Er führte eine langsame Angriffsbewegung aus, bei der er nach vorn glitt, mehrmals in die Luft stach und sich wieder zurück zog. "Das sollte für den Anfang genügen. Üben wir, bis uns die Position in Fleisch und Blut übergehen." Schon machte er die Bewegung noch einmal vor.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Dienstag 17. April 2012, 22:37

Das Holz in seiner Hand war dunkel, und schwerer als gewöhnlich. Anscheinend war es aus dem Urwald Kapayu. Eine besonders gewichtige Sorte, um das Gefühl einer Waffe aus richtigem Metall schon am Anfang zu haben. Grandessa war für die Ausbildung schlagkräftiger Einheiten nun mal nichts zu teuer, was man an allen Ecken und Enden des Reiches spüren und sehen konnte. Caleb selbst versuchte es so gut es ging nicht so zu sehen. Er würde nicht lernen zu töten, er würde lernen nicht zu sterben. Denn daran, dass er in den Krieg ziehen musste, gab es keinen Zweifel. Nicht morden, überleben, um anderen helfen zu können.
Irgendwo wusste Caleb, dass es eine kindische Vorstellung war. Irgendwann würde er töten müssen, auch wenn er es nicht wollte. Irgendwann.
Aber genau deshalb hatte er die Krummdolche genommen. Für ihn war es die beste Methode, durchzukommen. Sie waren ihm nicht im Weg und behinderten seine Beweglichkeit kaum, außerdem waren sie leicht genug, um ihm auf Dauer nicht die Arme schlapp werden zu lassen, was ein Schwert oder ein Schild am Arm getan hätten. Und ein Feldarzt mit erschöpften Armen und zittrigen Fingern würde kaum noch etwas ausrichten können. Er konnte mit ihnen parieren und abblocken lernen, das töten konnte andere übernehmen.
Oh wie gern würde Caleb glauben, dass es so laufen könnte.
Das eine Ohr hörte aufmerksam Theben zu, aber das andere zuckte um 180° herum, als es Stahlgeklirr hinter sich vernahm. Der Prinz und Rist hatten schon angefangen? Ängstlich sah Caleb über die Schulter. Der Prinz umkreiste den Hünen gerade, der selbst unbeweglich wie ein Fels auf ihn wartete. Gegen jemanden wie ihn würde Caleb wohl nie eine Chance haben, aber zumindest war er sich sicher immer schneller zu laufen, als jemand in so einer Rüstung. Hatte der Prinz eine Chance? Rist schien zu wissen, wie er sich zu verhalten hatte, denn er griff nicht zuerst an. Jemand wie er war eine Mauer, gegen die wohl schon viele gerannt waren, ohne Erfolg. Der Prinz ergriff die Initiative, frontal. Das war sicher keine gute Idee, Rist würde- Der Zweihänder schwang schräg von oben durch die Luft, doch Prinz Vincent war einen Tick schneller, drückte die feindliche Klinge mit dem Schild beiseite und rannte an dem Hünen vorbei, sodass er in seinem Rücken gelangte. Schlau, Rist in voller Rüstung war langsamer und würde sich nicht rechtzeitig umdreh- das zum Stich vorschnellende Schwert des Prinzen wurde abgeblockt. Rist hatte sich noch nicht herumdrehen können, aber bereits über die Schulter gesehen und in der Bewegung den Zweihänder über den Kopf geschwungen und so seinen Rücken verteidigt. Der Prinz zog sich einen Schritt zurück, aber dieses Mal verfolgte ihn Rist, das Gesicht eine Spur grimmiger.
Caleb wandte den Blick ab. Es sah so ernst aus, als wollten sie sich wirklich verletzen. Ein Schrei ertönte nicht, nur weiteres Klirren von Stahl, der auf Stahl traf. Die empfindlichen Katzenohren zuckten dabei immer wieder leicht zusammen. Das lag auch teilweise daran, dass Caleb das Geräusch nicht leiden konnte. Seine Aufmerksamkeit galt jetzt wieder voll und ganz Theben, aber auch so hatte sein Gedächtnis alles über die Ohren aufgenommen und abgespeichert. Nun auch wieder mit den Augen bei der Sache, konnte er die Vorgemachten Übungen des Soldaten begutachten. Das war ein weiterer Vorteil seiner guten Auffassungsgabe. Selbst wenn er sich auf die Hände oder Arme konzentrierte, bekam er doch alles in seinem Blickfeld mit. Wie er die Beine aufstellte, sich der Rücken krümmte, seine Haarsträhnen hin und her wippten, oder ein Muskel am Arm zuckte. Teilweise auch unerwüschte Informationen, wie die Übungen des Soldaten im Hintergrund, aber so etwas konnte er vorerst beiseite schieben.
Ohne groß etwas zu sagen, ahmte Caleb die Grundstellung nach. Er kam sich albern vor. Für so etwas war er nicht gemacht, dass spürte er mit jeder Faser seines Körpers, aber andererseits war er auch neugierig. Noch nie hatte man ihm etwas beigebracht. Im Schloss hatte er die nötigen Fähigkeiten über die Jahre einfach mitbekommen, es war nie ein wirklicher Lernprozess darin verwickelt gewesen. Nie hatte er eine Person, einen Lehrer gehabt, der ihm etwas vermittelte. Wissen, das er sonst nur heimlich aus Büchern hatte stehlen können, gab man ihm hier freiwillig - und Caleb hatte sich nie große Gedanken darüber gemacht, was er da lernte. Es hatte ihm Spaß gemacht zufällige Bücher zu lesen, war das hier nicht auch nur weiteres, zufälliges Wissen?
Neugierig sah er Theben die Angriffsbewegung ausführen. Obwohl er es langsam tat, hatte sei Körper eine gewisse Grundanspannung, und am Ende jedes Zuges stieß er zu, mit Druck dahinter, es war nie nur eine lasch vorgeführte Abfolge. Theben vollführte sie ein zweites Mal, und Caleb kam ein merkwürdiger Gedanke. Er brauchte keine zweite Vorführung, bereits nach der ersten würde er die Übung nie wieder vergessen. Ob er...ihm das sagen sollte?
Etwas langsamer als Theben mimte Caleb die Angriffsbewegung nach. Er musste ganz genau, wann sein Arm gestreckt oder gekrümmt sein musste, wie weit ein Fuß von anderen entfernt sein sollte, wohin er das Gewicht verlagern musste. Jede Kleinigkeit war ihm von Thebens Beispiel in Erinnerung und wurde umgesetzt. Vielleicht war Caleb nicht in der Lage, es im Endeffekt genauso schnell oder kraftvoll wie der Soldat auszuführen, aber im Kopieren war er einsame Spitze.
Würde das nicht alles einfacher machen? Und schneller? Wenn er Theben erzählen würde, wie gut er sich Dinge merken konnte? Noch nie hatte er jemandem erzählt, dass er in seinem ganzen Leben noch nie etwas vergessen hatte. Aber er musste ja nicht so...konkret werden. Dann würde er auch nicht lügen, schlicht nicht die ganze Wahrheit sagen, oder? Ihm war nicht wohl dabei. Imm blieb allerdings nicht die Zeit, darüber nach zu grübeln. Zum Wohle des Prinzen und der ganzen Gruppe musste er so schnell lernen, wie es nur möglich war, und Theben würde ihn nur dann auf dem selben Niveau unterrichten, wenn er alles über die ihm zur Verfügung stehenden Grundeigenschaften wusste.
Noch einmal vollführte Caleb die abgespeicherte Bewegung, ohne einen großen Unterschied zum ersten Mal festzustellen. Es war in bereits vollständig in seinem Kopf. In Fleisch und Blut, wenn man sich so ausdrücken wollte wie Theben.
"Ähm...", sagte Caleb etwas eingeschüchtert, weil er seinem Lehrer nicht schon nach der ersten Lektion dazwischen reden wollte, "Was wäre, rein hypothetisch, wenn ich mir Dinge so gut merken könnte, dass ich sie nie wieder vergesse, würde das das Training einfacher machen?"
Verlegen sah er zu Boden und fuhr mit der Fußspitze über den Boden, bis feiner Staub aufwirbelte. Jetzt hatte er es gesagt. Naiv von ihm zu denken, seine Formulierung würde nicht schon längst verraten, dass es ihm ernst damit war, und nicht nur hypothetisch gemeint war.
"Ich muss immerhin so schnell es geht lernen." Denn wir haben nicht viel Zeit, bis der Krieg ausbricht. Hatte der Prinz Rist und Theben schon davon erzählt? Wussten sie, was sich vielleicht schon in den nächsten Tagen abspielen könnte? Der Prinz konnte sich mit seinem Plänen nicht ewig Zeit lassen. Allerdings war außer Caleb jeder bereit für diesen Krieg, also war es eigentlich nur er, dem die Zeit davon lief.
So gesehen könnte ihm Theben jede ihm bekannte Bewegung vorführen und Caleb würde sie nie wieder vergessen, wenn er sie erst einmal selbst ausgeführt hatte. Was wirklich Zeit brauchen würde, und woran er wohl am meisten arbeiten musste, waren seine Grundfertigkeiten. Schnelligkeit, Ausdauer und solche Dinge, welche noch lange nicht bei dem ihm möglichen Maximum angelangt waren.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Mittwoch 25. April 2012, 22:52

"He, hierher schauen, Kätzchen, sonst bist du schon tot, bevor du das Schlachtfeld betrittst!" Mit etwas mehr Strenge in der Stimme, als es Caleb bisher von Theben kennen gelernt hatte, drangen die Worte in das Katzenohr, welches dem leicht gerüsteten Soldaten zugewandt war. "Konzentrier dich!", folgte der erste Tadel und er hatte nicht Unrecht. Sie mochten sich derzeit vielleicht auf dem Übungsplatz Tromans befinden, aber das Dorf stand nicht umsonst an der Grenze. Selbst die Bauern auf den Äckern mussten jederzeit bereit sein, entweder ihre Sense gegen einen plötzlich heran stürmenden Feind zu schwingen oder zu fliehen. In jedem Fall durften sie ihre Wachsamkeit nicht fallen lassen. Das war genau eine Sache, die Caleb neben all den Informationen zu der ungewohnten Umgebung vielleicht zusätzlich aufgefallen war. Die Bäuerinnen mochten ihre Wäsche am Brunnen waschen, dabei plaudern und tratschen. Die Kinder mochten herum tollen, sich gegenseitig fangen, aber ihnen allen blieb doch eine gewisse Aufmerksamkeit für jenseits der Palisaden anhaften. Troman mit seinen ständigen feindlichen Angriffen prägte die Bewohner. Andererseits konnte man behaupten, dass sie sich bereits daran gewöhnt hatten und ihnen die ausgebildete Aufmerksamkeit schon gar nicht mehr auffiel. Es gehörte zu ihrer Lebensart dazu, ebenso wie bei den Tieren, die sich durch ihre Instinkte rechtzeitig in Sicherheit brachten. Es war ein sechster Sinn.

Calebs sechster Sinn verriet ihm, jetzt doch lieber mal auf Theben zu hören. Also begannen beide mit dem Training. Zunächst hatte der Junge eine Grundstellung und Haltung zu erlernen, damit er überhaupt wusste, wie er seine Klingen zu halten hatte, ohne gleich getötet zu werden. Bei Kämpfern, bei denen es ohnehin eher auf Schnelligkeit als auf Kraft ankam, war es wichtig, dass sie in Bewegung blieben und jederzeit aus ihrem Stand heraus ausweichen konnten. Das war die erste Lektion, die Caleb zu lernen hatte und Theben schonte ihn hierbei nicht. Dabei kam Caleb die Erkenntnis, dass er keine Übungskombination ein zweites Mal zu sehen brauchte. Er würde sie sich nach einmal sehen merken können, brannte sie sich doch in sein Gedächtnis wie alles andere. Schon jetzt wusste er, dass bei der Grundstellung die Füße leicht versetzt zu sein hatten und der Oberkörper auch eher in einer Halbdrehung zum Gegner stand. Theben war Linkshänder, auch das hatte Caleb sicherlich bereits bemerkt. Der Soldat stach jedenfalls mit dem linken Dolch weitaus routinierter zu, als wenn er mit dem rechten nach vorn schnellte. Ob er seine Armbrust auch linksseitig führte?
Wenn das so weiter ging, würde Caleb zum Meister mit den Krummdolchen, ehe der Abend herein brach. Aber nein, jemand machte ihm da einen gewaltigen Strich durch die Rechnung und zwar er selbst. Sehen und einprägen bedeutete nicht, dass er sie auch tatsächlich physisch nachahmen konnte. Noch während der Wiederholung seiner Bewegungen spürte er instinktiv, wann und wo er Fehler machte. Er wusste, dass er sich nicht so perfekt wie Theben bewegte. Er wusste, wo er etwas falsch machte. Aber er konnte es nicht auf Anhieb beheben. Die Umsetzung dessen, was er gesehen hatte, das war der wirklich schwierige Punkt. Das war das, was er lernen musste. Vor allem aber musste er auch darauf bauen, dass die Bewegungen seines Lehrmeisters keinen Fehler enthielten. Er würde sich diesen nämlich zusammen mit allem anderen einprägen. Ob er sie natürlich so vollführen würde, stand auf einem anderen Blatt geschrieben, aber in einer brenzligen Situation könnte ein falsches Vorschnellen den Tod bedeuten.
Und tatsächlich! Hin und wieder wiederholte Theben seine Bewegungskombination, um auch sich selbst zu korrigieren. Dann deutete er Caleb mit wenigen Worten oder einer kurzen Geste, wo er noch einmal die Position richtig zeigen musste und es galt für den Katzenhybriden, das eben Gesehene wieder zu verlernen, zwecks Korrektur. So einfach wurde das Training für ihn also nicht. So schnell würde aus dem Küchenjungen kein Held werden. Trotzdem ging es ihm weit schneller von der Hand als jedem anderen Schützling, den Theben jemals unter seine Fittiche genommen hatte. "Alle Achtung, du hast Potenzial", lobte er Caleb, als sie eine kurze Pause einlegten. Da gestand ihm der Junge ansatzweise, was dahinter steckte. Bei Theben erweckte es nur das Bedürfnis, laut aufzulachen, dessen er auch sofort nachging. "Es gibt so manches, das alles einfacher machen würde, aber wo bliebe dann der Spaß?" Er schüttelte den Kopf. "Auch wenn dir jetzt schon die Arme abfallen, da musst du durch, Kätzchen. Zur Belohnung gibt es nach dem Training ein Kraulen hinter den Ohren. Versprochen!" Theben zwinkerte. Er trat an Caleb heran, reichte ihm eine Feldflasche mit frischem Wasser. Selbst wenn die Sonne nicht erbarmungslos auf sie nieder brannte, war es wichtig, genug zu trinken. "Du lernst schnell genug. Mach dir darüber mal keine Sorgen. Vince nimmt nicht nur Elite in seine Truppe mit auf, sonst hätte er Marlin und mich damals ja auch links liegen gelassen." Er stemmte die Hände in die Hüften, natürlich nicht, ohne vorher die Dolche am Gürtel zu befestigen. Dann streckte er sich, schielte zum Prinzen und Rist herüber. Beide kämpften noch immer. Sie besaßen aufgrund ihrer Kraft auch mehr Kondition, konnten länger trainieren. "Jaja, ich muss zugeben, Rist ist wirklich der einzige neben Vince, der sich Elite schimpfen darf. Aber ich mach mich auch nicht schlecht nach den paar Jahren, findest du nicht?" Er wuschelte Caleb durchs Haar.
"Weiter, Kätzchen!" Er ging wieder in Kampfstellung. "Dieses Mal greifst du mich..."
"ANGRIFF! FEINDE! JORSANER!" Es erklang von mehreren Spähtürmen gleichzeitig. Einige der Soldaten zeigten nach Süden, wo die Felder der Bauern längst nicht mehr bestellt wurden, weil sie nur noch Sammelplatz für Kämpfe darstellten. Der Boden war aufgrund des vielen Blutes, das hier schon vergossen worden war, ohnehin nahezu unfruchtbar geworden. Aber so versperrten hohe Halme Gräser oder Weizenähren auch nicht die Sicht auf eine Gruppe Jorsaner, die sich im Schritttempo dem Grenzdorf näherte. Dem Fußvolk voran ritt ein gerüsteter Hauptmann, wie es den Anschein hatte. Neben ihm schleppte ein Bannerträger das jorsanische Wappen an einer Stange: Einen roten Adler auf goldenem Grund. In denselben Farben schimmerten die Wappenröcke sämtlicher Einheiten.
"Mach dich bereit", zischte Theben seinem Schüler zu, allen Humor aus der Stimme verloren. Gleich ging es rund.
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Caleb
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Donnerstag 26. April 2012, 02:36

Allen Vorkommnissen des letzten Tages zum Trotz versuchte Caleb seine zu meist finsteren Gedanken wegzusperren und sich nur auf das Training zu konzentrieren, dass ihm entgegen seiner eigenen Erwartung begann Spaß zu machen. Vielleicht lag es an der sympathischen Art Thebens, die trotz seines strengen Mentorauftretens doch noch durchsickerte, oder aber schlicht daran, dass er jedes Wissen wie ein Schwamm aufzog. Es...freute ihn einfach, hier zu sein und etwas zu lernen. Zudem - auch wenn man es Caleb nicht ansehen mochte - war körperliche Ertätigung etwas, das er genoss, ihm das Gefühl gab, etwas mit sich anzufangen; etwas brauchbares zu tun. So sehr er sich auch wünschte manchmal einfach mit einem Buch in der Hand in einem Sessel sitzen zu können, genauso würde er es dort kaum einen ganzen Tag aushalten.
Er würde sich schlicht nutzlos vorkommen.
Man konnte wirklich sagen, dass Caleb es genoss. Da konnte diese spitzzüngige Stimme, welche ihm zuflüsterte er hätte sich nicht zu amüsieren, er wäre nicht zum Spaß hier, noch so in seinem Hinterkopf dröhnen. Für diesen einem Moment wollte er nicht auf sie hören, wenn ihm auch seine jahrelange Erfahrung sagte, dass sie recht hatte. Warum konnte er nicht einfach mal etwas tun, weil er selbst sich daran erfreute? Der Grund war sein Beruf...
Besonders gefiel Caleb eine Kampfhaltung, die ihm Theben beibrachte, und man konnte schon erahnen, dass es etwas damit auf sich hatte, denn sein Mentor hatte dieses typischen Grinsen noch etwas breiter gezogen, bevor er es verkündete. Die Katzenfußstellung. Es war eine Haltung, bei der das gesamte Körpergewicht auf dem hinteren, leicht nach außen gedrehten, linken Fuß lastet, während man, leicht in der Hocke, lediglich den rechten Ballen vor dem Körper aufsetzt. Sie bot eine hervorragende Ausgangsstellung für schnelle Bewegungen in sämtliche Richtungen. Allerdings riet ihm Theben, es mehr als Vorbereitung für eine schnelle Flucht, oder einen Ausbruch nach links oder rechts zu nehmen, da man das Gewicht auf den hinteren Fuß stützt und so eine Vorwärtsbewegung schwerer als in anderen Kampfstellungen auszuführen wäre.
Ob es nun an seinem hybriden Virus lag oder nicht, bei dem Namen und dem Nachmachen dieser Stellung musste er ununterbrochen grinsen. Es kam ihm wirklich bekannt vor. Es erinnerte an eine Katze kurz vor dem Sprung. Das es so eine Kampfposition gab, hätte er nicht erwartet. Auch Theben fand gefallen daran, sein Kätzchen in dieser Haltung zu sehen. Einen Spruch oder zwei konnte man sich da wohl kaum verkneifen. Und jemand wie Theben erst recht nicht.
Letzten Endes musste er sich im Training aber doch einige Defizite eingestehen. Es war, als hätte man eine Bild genommen, ein durchsichtiges Papier darüber gelegt und versuchte nun das Selbige abzumalen. Man sah es klar und deutlich vor sich, aber hatte als 'Künstler' noch nicht die nötige Fingerfertigkeit und Raffinesse entwickelt, um es perfekt zu kopieren. Und es wurmte einen noch mehr, da man genau sah, an welchen Stellen man eine Linie zu lang gezeichnet, oder den Rand übermalt hatte. Genauso so ging es Caleb vor allem beim Nachahmen der Angriffsmanöver, bei denen Bewegung involviert war. Seine Arme und Beine versuchten Thebens Vorbild nachzuzeichnen, aber so ganz perfekt wollte es dann doch nicht gelingen. Und das tat Calebs doch recht ausgeprägter perfektionistischer Ader - deren Ursprung man wohl genau hier fand - einen ganz schönen Abbruch, was ihn nur eifriger an die Sache heran gehen ließ.
"Alle Achtung, die hast Potenzial."
Das Lob prallte an Caleb ab, wie an einer Wand. Sein fotografisches Gedächtnis gab ihm einen unfairen Vorteil, das war alles. Ohne diese Eigenschaft wäre es wohl kaum als talentiert bezeichnet worden. Jeder zehn Jährige hätte ihn in dieser Disziplin geschlagen. Es kam ihm wahrlich fast so vor, als würde er schummeln. Der ihm eingepflanze Prozess, sich selbst als minderwertig anzusehen, setzte wieder mit aller Macht ein. Er war nichts Besonderes. Und Caleb war ernsthaft überrascht, das Theben sein Kompliment nicht sofort zurücknahm, nachdem er von ihm erfahren hatte, warum es ihm so einfach von der Hand ging, die Stellungen und Bewegungsabfolgen zu lernen.
Dennoch konnte er eines nicht leugnen: "Es macht wirklich...Spaß." Beinahe hätte er es als Frage formuliert so komisch kam ihm dieser Satz aus seinem Mund vor.
Als Theben ihm dagegen die Feldflasche reichte und Caleb die Dolche auf dem Boden ablegte, wo er sich kurz darauf selber nieder ließ, spürte er die Kehrseite. Seine Hände hatten sich mit zunehmender Anstrengung um diese Griffe der Waffen verkrampft, was er erst jetzt zu spüren bekam, wo er sie aus dieser versteiften Haltung zwang. Besonders seine Linke fühlte sich geschunden an. Wahrscheinlich würde er sich in der Handfläche an den Fingeransätzen Blasen reiben. Seine Rechte war da schon durch diversen Gebrauch aller Arten von Küchemessern abgehärtet.
Was ebenfalls langsam spürbar wurde, war das Gewicht seines rechten Arms, der in der Grundstellung jener war, den er Überkopf führte. Solch ungewohnte Haltungen waren es, die ihm früher oder später einen Muskelkater verpassen würde. Auch brummte ihm ein wenig der Schädel, noch von vorhin zwar, aber der Prozess in dem er einige von Thebens Vorführungen als 'nicht zu merken, da dort und dort nicht ganz korrekt' hatte beiseite schieben müssen, plus das Merken des ganzen, neuen Wissens hatten nicht gerade zur Entspannung beigetragen.
Nach drei Schluck kaltem Wasser war sein Kopf wieder einigermaßen klar. Das Training und gesammelte Wissen sickerte mehr und mehr ein, wurde Teil all dessen, was Caleb mit seinen jungen fünfzehn jemals gesehen hatte. Sein Blick folgte Thebens zu Rist und dem Prinzen, als er auf beide zu sprechen kam. Ein kurzer Schlagabtausch war zu sehen, nicht ernstes bevor Rist rechts antäuschte und dann stattdessen einen heftigen Hieb gegen das Schild des Prinzen führte, der seinen Herrn straucheln ließ. Prinz Vincent fing sich, wich einer weiteren Attacke durch zurückweichen aus und begann dann eine erneute Offensive. Caleb wandte sich wieder ab, als er von Thebens Wuschattacke getroffen wurde.
"Rist macht einem fast Angst. Bin froh, dass er...nett zu mir ist."
Der Aufforderung zum weitermachen folgend, hob Caleb seinen Dolche auf und erhob sich. Er begann die Anstrenung und das fehlende Frühstück zu spüren. Doch all diese Gedanken wurde mit einer jähen Böe aus seinem Kopf gefegt; mit dem Ruf von den Wachtürmen. Die Jorsaner waren hier. Caleb erstarrte. Das konnte nicht stimmen. Sie hatte noch nicht einmal Zeit gefunden, Marlins Habseligkeiten wegzubringen. Aleksander lag noch mit dem Leben ringend im Lazarett. Wie konnte sie da schon wieder hier sein. In seinem Kopf entwickelten sich Bilder von grausigen Bluthunden, bevor er sich quälend langsam umdrehte und in die Richtung schaute, die Theben mit starrem Blick fixierte.
Und da atmete der tatsächlich erleichtert aus! Sicher, er konnte kaum so weit sehen, aber es war kein Heer, dass ihm da entgegen kam, vielleicht zwei Dutzend, wenn man die Breite der Gruppe und die Entfernung einschätzte. Vielleicht waren dahinter noch welche, aber unter fünfzig Mann würden doch niemals reichen um einen Stadt einzunehmen. Würden nicht Hunderte Grandessaner in wenigen Minuten vor den Palisaden stehen, Bogenschützen auf den Wehrgängen.
Oder hatte Caleb etwas verpast? Gab es Regel für die Scharmützel, die man sich hier lieferte? Dass nur jene kämpften, die auch zur Zeit des Angriffs vor den Holzwällen waren? Wieder wurde dem Diener klar vor Augen geführt, dass er keine Ahnung von Krieg hatte. Theben sagte ihm, er solle sich bereit machen. Aber wie? Er konnte nicht kämpfen! Hieß bereit machen dann, dass er sich in die hinterste Reihe verzog und hoffte, dass die Jorsaner nie so weit kamen? Er hatte doch noch nicht einmal richtige Waffen!
Feylin musste ihn hassen.
Geistesabwesend ließ Caeb die Holzdolche fallen und zog seinen kürzeren, geraden Zahnstocher aus dem Schloss. Zahnstocher, weil sich Caleb damit genauso sicher fühlte, als hätte er nur eines dieser kleinen Holzstücke in der Hand. Wie viel Pech konnte er eigentlich haben? An seinem ersten Tag...
Schon beinahe verzweifelt, die Augen ängstlich geweitet, sah Caleb hinüber zu seinem Herr. Dem Prinzen. Jenem, der diesen Angriff führen würde.
Und dachte dabei nur eins:
Hilf mir!

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