Unter Soldaten

Man könnte es mehr Militärstützpunkt nennen als Dorf. Denn hier stehen zwei große Spähtürme, sowie kleine Baracken für Soldaten des Landes. Hier handelt es sich um die Grenze zum Reich Jorsan, welches nicht gerade positiv gesinnt ist.
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Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Montag 27. Februar 2012, 23:29

Caleb kommt von Das Königreich Grandessa -> Hoch zu Ross

Prinz Vincent hatte seinem Galopp bald ein Ende gesetzt. Er wollte Caleb schließlich nicht abhängen. So war er eine große Runde im Kreis über Wiesen und Felder gejagt, bis der brave Felix seinen Reiter an ihn heran gebracht hatte. Daraufhin hatte sich der Thronfolger neben Caleb eingereiht und war wieder gesittet geritten. Die weitere Reise ging schweigend voran, aber das Strahlen des Prinzen breitete sich mehr und mehr auf seinem Gesicht aus, je näher sie dem Grenzdorf kamen. Und dann lag es plötzlich vor ihnen. Etwa zur dritten oder vierten Mittagsstunde konnte man die hohen Spähtürme Tromans ausmachen, die sich über den Rest des Dorfes und die vielen Weizenfelder hinweg erhoben. Fahnen flatterten von den Spitzen der Türme, in den Farben Grandessas: Gold und Purpur. Holzpalisaden umgaben einen Großteil Tromans, vor allem auf südlicher Seite, wo sich die unsichtbare Grenze zum Königreich Jorsan befand. Die Pfähle waren am oberen Ende angespitzt, um ein Erklimmen zu erschweren.
Um das Dorf herum erstreckten sich vereinzelte Koppeln und kleine Weiden. In einigen grasten Rinder sowie Schafe und Ziegen. Jene Koppeln, die sich nahe dem Zugangstor befanden, beherbergten vor allem Pferde. Edle Rösser waren das, groß und kräftig. Das mussten Schlachtrösser sein. Sie beäugten selbst den Prinzen misstrauisch, als dieser die ersten Koppeln passierte. So waren Schlachtrösser. Generell ließen sie sich nur von ihrem Besitzer überhaupt berühren oder von Männern in den Wappenröcken Grandessas. So waren diese Tiere jedenfalls abgerichtet, damit jeder Soldat dieses Regiments sie führen konnte, ohne den Verlust eines Fingers befürchten zu müssen.
Prinz Vincent atmete die von Dung durchsetzte Luft ein, störte sich aber kein bisschen an dem leicht penetranten Gestank. Im Gegenteil, er wirkte mehr als zufrieden. Aufrecht saß er nun im Sattel. Ihn schienen die Strapazen der Reise kein bisschen berührt zu haben. Calebs Hintern könnte kein Lied davon singen. Er war das Reiten nicht gewohnt, weshalb ihm nun die Oberschenkel brannten wie Feuer und seine Beine ziemlich steif sein würden, sobald er von Felix' Rücken erst einmal herunter wäre.
"Wir sind da", kommentierte der Prinz und reckte eine Hand nach oben. Die Soldaten auf den Spähtürmen hatten ihn längst gesehen. Jetzt jedoch erkannten sie, welch hohen Besuch sie gleich erwarteten. So wurde rasch ins Signalhorn geblasen und das Tor entriegelt. Schon schoben sich die Flügel des Portals auf. Ein Soldat - offenbar ein Hauptmann, denn er trug einen purpur farbenen Federbusch auf dem Helm - marschierte direkt auf Vincent und Caleb zu. Er führte noch im Laufen die Hand zum offenen Visier seines Helms, der typische Soldatengruß und Zeichen der Verbundenheit. "Mein Prinz, Euer Hoheit!", rief der Mann mit einer kräftigen und tiefen Stimme aus. Dabei bewegte sich der grauschwarze Backenbart, der seinen Kiefer wie eine buschige Raupe umgab. Der Mann besaß einen kleinen Wohlstandsbauch, aber noch immer zeigte er sich sehr agil. Der Bauch hatte sich wohl aufgrund des zunehmenden Alters angesetzt, denn über die Vierziger war dieser Offizier bereits hinaus. Er nahm vor dem Pferd des Prinzen in zackigen Bewegungen Aufstellung. "Was führt Euch nach Troman, Euer Hoheit?"
Der Prinz winkte ab. "Genug der Förmlichkeiten, alter Freund." Er stieg von seinem Ross. Schon im nächsten Moment fand sich der Soldat in einer Umarmung des Prinzen wieder. Diese überrumpelte selbst ihn und so löste sich die steife Haltung, während sich der Mann am Kinn kratzte. "Euer Hoheit ...", brummelte er etwas verlegen. Doch der Prinz löste sich nicht, drückte den Mann dicht an seine Brust und klopfte ihm wiederholt den Rücken.
"Ich freue mich, dass es Euch gut geht. Darf ich Euch meinen Begleiter, den Diener Caleb, vorstellen." Endlich gab Vincent den Offizier frei und wandte sich benanntem Diener zu. "Caleb, das ist General Marcus Bronn. Einer von denen, die mir das Leben gerettet haben." Er lachte. "Marcus, alter Freund, wo stecken die anderen? Wo sind Aleksander, Theben, Rist und Marlin?" Der Prinz war ganz aus dem Häuschen.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Dienstag 28. Februar 2012, 20:34

Die Reise nach Troman war für Caleb, selbst unter günstigen Wetterbedingungen, die reinste Hölle. Der Prinz machte keine weiteren Pausen und so ritten sie mehrere Stunden am Stück. Schon nach kurzer Zeit war es ihm nicht mehr möglich, an ein Gespräch zu denken, aber das Schweigen zwischen ihnen gestaltete sich sowieso nicht unangenehm. Der Prinz war in seine Vorfreude versunken und Caleb hatte genug mit sich selbst zu tun, vor allem da langsam sein Kopf begann in Einklang mit seinem Hintern zu schmerzen.
Sein fotografisches Gedächtnis war nicht daran gewöhnt, so viele neue Informationen aufzunehmen, und mit jeder neuer Landschaft, jedem neuen Wald, sogar jedem neuen Blatt oder Schaf, was Caleb sah, wurde es mehr, dass sein Hirn verstopfte. Gerade seit dem Troman in Sicht gekommen war, wurde es immer schlimmer. Sei ganzes Leben hatte sich auf den Innenring von Grandea beschränkt, und so hatte er schon nach kürzester Zeit kaum noch Neues gesehen - dass sich ihm jetzt hier ein halbes Land entgegenstreckte, war eindeutig zu viel. Wenigstens verhinderte seine Kurzsicht, dass er noch mehr aufnahm, was ihn sicher aus dem Sattel gehauen hätte.
Der Vorteil war immerhin, dass Caleb ab jetzt ohne zu Zögern oder sogar blind den Weg zurück nach Grandea finden würde. Und jedem, der fragte hätte er noch dazu sagen können, wie viele Birken es am Wegesrand zwischen Troman und der Hauptstadt gab.
"Wir sind da!", verkündete der Prinz und obwohl Caleb es selbst sehen konnte - wenn auch verschwommen - atmete er als Antwort erleichtert aus.
Eine Art Hautmann kam ihnen empfangsmäßig aus dem Portal Tromans heraus entgegen. Um sich von seinen Kopfschmerzen abzulenken, versuchte Caleb sich komplett auf ihn zu konzentrieren und nicht die 56 Schlachtrössen um ihn herum, die er noch ausmachen konnte, oder die 94 angespitzen Pfähle, die für seine Augen noch zu erkennen waren, anzusehen. Es hatte schon gereicht das sein Kopf begonnen hatte die Pferde ihren Rassen zuzuordnen. Der Hauptmann, den Caleb jetzt fokusierte, schüchterte ihn irgendwie ein. Nicht wegen seines Aussehens. So gerüstet und mit militärischer Gestik kam er zwar streng rüber, sah aber eigentlich aus, als könne er am Abend auch ein netter Großvater sein und mit Pfeife am Feuer sitzen. Dennoch erinnerte er Caleb unweigerlich daran, dass der Ritt allein mit dem Prinzen vorbei war und sie sich nun wieder in eine Welt begaben, in der er der schweigsame Diener zu sein hatte. Fast ohne es mitzubekommen streifte sich Caleb die Kapuze über, als wäre es das Symbol seiner Untergebenheit und Aufgabe.
Der Prinz stieg ab und begrüßte den Hauptmann, was Zeichen für Caleb war, ebenfalls abzusteigen. Eigentlich mussten dies die Diener früher oder zumindest gleichzeitig mit dem Herrn tun, da es ihnen nicht gestattet war höher zu stehen als ihr Gebieter, aber Caleb traute seinen Beinen nicht zu, ihn zu tragen. Außerdem sah bestimmt halb Troman auf ihn herab und würde Zeuge seiner Ungeschicktheit werden, aber mit seiner amateurhaften Reitweise wäre er ebenso nicht dazu bereit, in die Stadt einzureiten, vor allem nicht wenn sein Prinz lief.
Also nutzte Caleb den überraschenden Moment, als der Prinz den Hauptmann umarmte, um den Versuch zu wagen. Was dabei heraus kam war eine übertrieben langsame Bewegung, die sicher aussah, als hätte er irgendwelche Schmerzen - was der absoluten Wahrheit entsprach - und das springen zurück auf festen Boden wurde dadurch auch nicht erleichtert. Der Aufprall machte Caleb schwindelig und wieder war es Felix, der ihn stützen musste. Der Hengst beschwerte sich nicht. Seine Beine waren wie Gummi und er hoffte, der Prinz würde noch etwas mit seinem Kameraden reden, bevor er versuchen musste zu laufen.
Aber dann wurde alle Aufmerksamkeit auf ihn gezogen, als der Prinz ihn vorstellte. Sowas war vollkommen beispiellos. Niemand stellt seine Diener vor. Punkt. Egal in welcher Situation oder ob es schon seit zwangzig Jahren der Leibdiener war, so etwas hatte Caleb noch nie gesehen. Zum Glück hatte er seine Kapute um sich und seine Röte vor dem Blick des Hauptmanns zu verbergen, der ihn wohl kaum diesen zuwenden würde. So perplex war er, dass er nicht einmal antwortete und stur zu Boden sah, wo seine Augen schon seit Jahren hinblickten.
Der Prinz dagegen verhielt sich auch jetzt nicht wie er es im Schloss zu tun pflegte. Schon auf der Reise hatte er eine Art zu reden angeschlagen, die Caleb nur von dem derberen Volk unter den Dienern oder Soldaten kannte. Auch sein Gebärden. Seinen Hauptmann zu umarmen. Unter den Adligen hätte eine Umarmung ein Maulzerreisen nach sich, dass ganze Leben zerstören konnte; allerdings vornehmlich wenn es ein Mann und eine Frau taten, die beide verschieden liiert waren. Nichtsdestotrotz schien sich der Prinz hier viel wohler zu fühlen, freier als im Schloss. Ob das nur an der Zerstrittenheit mit seinem Vater lag? Missfielen ihm die Anforderungen der anderen Adligen, dass er sich gesittet und vornehm zu verhalten hatte? Wie wenig Caleb über seinen Prinzen wusste.
Er selbst konnte sich nicht so einfach aus der Rolle schälen, die ihm seit Jahren aufgedrückt wurde, und so bewegte er sich keinen Zentimeter und schwieg.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 1. März 2012, 17:23

Tatsächlich entging Calebs Abstieg einigen der auf den Spähtürmen stationierten Soldaten nicht. Sie grinsten über den Fremden unter seiner Kapuze, der es sichtlich nicht leicht hatte, sicher auf beiden Beinen zu landen. Vom Boden aus würde man ihre amüsierten Gesichter jedoch nicht erkennen. Man sah lediglich die Konturen ihrer Gestalten in den offenen, rechteckigen Fenstern des Turmes, der von einem Spitzdach abgedeckt wurde. Dass sie allerdings so so ausschweifend fröhlichen Prinzen und sein Ein-Personen-Gefolge beobachteten, zeigte sich deutlich. Sie hatten sich nämlich alle der Torseite des Dorfes zugewandt und spähten zu einem halben Dutzend pro Turm auf den Weg herunter.
Prinz Vincent störte sich nicht daran. Er umarmte den General trotz aller Blicke stürmisch und sehr euphorisch. Der Offizier drückte den Prinzen sogar, wenn auch anfangs etwas zaghaft. Dann aber klopfte er ihm herzlich die Schulter und lächelte sogar unter seinem ausladenden Backenbart hervor. "Ich freue mich auch, Euch wiederzusehen, Hoheit", brachte er unter all der ungezwungenen Freude seines Prinzen zum Ausdruck. Daraufhin befreite der Thronfolger den General endlich aus seiner Umarmung - um Caleb vorzustellen, sogar mit Namen! Er benahm sich ganz und gar nicht wie der Adel vom Hofe, an den der Diener so gewöhnt war. Vielmehr präsentierte sich Prinz Vincent der IV. von Grandessa nicht einmal so, wie es Caleb wohl üblicherweise auch von ihm gewohnt gewesen war. Er hielt offenkundig nicht viel davon, seinen Diener als natürliche Komponente seiner Reise zu sehen und weiters zu ignorieren. Nein, Caleb wurde vorgestellt. Selbst der Offizier schaute für einen Moment ein wenig verblüfft aus der Uniform. Dann jedoch klopfte er dem Prinzen kameradschaftlich erneut auf die Schulter. "Haha, Vince, Ihr wart schon immer anders als alle anderen. Es ist schön, Euch hier zu sehen. Doch was führt Euch hierher?" Schon einmal hatte er die Frage gestellt und auch dieses zweite Mal blieb eine Antwort vorerst aus. Stattdessen erfolgte wieder eine Rückfrage Seitens des Prinzen. "Wie findest du ihn? Könnte er sich als Läufer, Bannerträger oder Kundschafter eignen?"
Der General löste sich von Vincent und trat an Caleb heran. Er musterte den Diener, der den Blick so zielgerichtet zum Boden hielt. Felix stand noch immer dicht an seiner Seite, um ihn zu stützen. Nach einem so langen Ritt waren die Knie eines Ungeübten durchaus noch eine ganze Weile weich. Das Pferd wollte ihm offensichtlich die Peinlichkeit eines Einknickens ersparen.
General Bronn betrachtete sich den Knaben genau und gab seine ehrliche Meinung zu Caleb kund: "Eher drahtig als kräftig. Könnte auf Schnelligkeit und Agilität ausgelegt werden, Vince. He, Bursche, schau mich an!" Er neigte den Kopf, um schon vorab in Calebs Gesicht blicken zu können, das von der Kapuze halb verborgen wurde. So entdeckte er die roten Augen bereits lange zuvor. Er runzelte die Stirn. "Euer Hoheit, habt Ihr bemerkt, dass der Junge rote Augen hat? Seine Haut wirkt auch sehr blass. Bist du einer dieser schlecht sehenden Albinos, Bursche?" Er wandte sich zum Prinzen um. "Eure Wahl ist nicht die beste."
Vincent kratzte sich am Kopf. "Dafür hat er Katzenohren, sprechen die für ihn?"
"Katzenohren?!" Im ersten Moment wirkte der Offizier erschreckt. Er warf den Kopf zu Caleb herum, stakte auf ihn zu und riss an der Kapuze. Vincent grinste nur darüber, hielt die Arme vor der Brust verschränkt und schüttelte den Kopf. Sein armer Diener wurde hier wirklich nicht mit einfachen Menschen konfrontiert. Trotzdem zeigte sich der Prinz amüsiert. Er hatte Marcus Bronn vermisst, diesen alten Haudegen! "Katzenohren", sagte der Soldat derweil, starrte auf benannte Ohren. "Das sind Katzenohren!" Plötzlich begann er laut zu lachen, patschte Caleb wie einem kleinen Kind, das eine Süßigkeit stibitzt hatte, auf den Kopf und meinte: "Mein Prinz, Ihr umgebt Euch wirklich immer nur mit ganz besonderen Leuten."
"Mit den Besten, meinst du." Auch Vincent stimmte in das Gelächter ein, wenn auch nur für kurz. "Du hast meine Frage noch nicht beantwortet, alter Freund."
"Ebenso wenig, wie Ihr die Euren", erwiderte Bronn, ehe seine Miene ernst wurde. Sofort herrschte eine seltsame Stille vor. Vincents Züge verhärteten sich unwillkürlich. Da kam etwas Schlechtes auf ihn zu. Wollte er es wirklich wissen? Nun gab ihm der General keine weitere Schonfrist. "Aleksander ist verletzt und liegt im Lazarett. Theben und Rist geht es gut. Ihr findet sie bestimmt in einer der Baracken, wenn sie nicht gerade Patrouille haben. Und Marlin ... ist gefallen."
"WAS?! Wann?" Der Prinz starrte. Er packte den General bei den Schultern, als ob dies die Nachricht zum besseren hätte ändern können. "Was ist geschehen?"
"Ein Angriff der Jorsaner, Euer Hoheit. Wir haben Troman verteidigen können, aber nicht ohne Verluste. Es tut mir leid."
Prinz Vincent ließ seinen Offizier los. Sofort war all die Vorfreude auf seine Kameraden, all die Euphorie, wie weggeblasen. Caleb hatte seinen Prinzen sicherlich nie zuvor derart niedergeschlagen gesehen. Er ließ die Schultern und auch den Kopf hängen, kehrte zu seinem Pferd zurück und stieg auf. "Bring mich zum Lazarett, Bronn."
"Gewiss, Euer Hoheit!" Der General nahm die Zügel des prinzlichen Pferdes und führte es durch das Tor. Um Caleb kümmerten sie sich nun gar nicht mehr. Die Nachricht vom Tod eines Kameraden hatte Vincent schwer getroffen.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Freitag 2. März 2012, 00:36

Man konnte Calebs Gefühle während Bronns Inspektion nur als vollkommen durcheinander beschreiben.
Für jemanden wie ihn, der als Albino und Hybrid im Königshaus diente, war es Gang und Gebe, dass Adlige, die ihn zum ersten Mal sahen, zu beliebten ihn wie Vieh zu begutachten. Die Ohren wurden betastet, die Augen begutachtet und für gewöhnlich hatte er auch den Mund öffnen müssen, was dann meist mit einem Schmerz darüber, dass der Herr sich ja nicht beißen lassen sollte, kommentiert wurde. Besonders unangenehm war Caleb dies bei den etwas lüsternen, dicken Adligen gewesen, die bei solchen Begutachtungen oft gar zu aufdringlich geworden waren. Er könnte sich glücklich schätzen, dass dies meist dann abbrach, wenn sie ihn als Kater identifizierten.
Dadurch hatte er gelernt, all das ohne murren über sich ergehen zu lassen, und auch dieses Mal widersprach er nicht und gehorchte Bronn.
Wie immer fühlte sich Caleb dabei ungemein unwohl, ohne es zu zeigen, aber so wie General Bronn und Prinz Vincent sich ansahen und grinsten, lachten; Es war irgendwie anders. Nicht so von oben herab und obwohl General Bronn durchaus eine harsche Natur hatte, war er doch nicht so wie die Adligen, deren Gehabe Caleb sonst zu ertragen hatte. Sie lobten ihn sogar, Prinz Vincent bezeichnete ihn sogar als einer der Besten! Oder war das nur ein Scherz gewesen?
Vollkommen durcheinander machte ihn vor allem, dass nicht klar heraus kam, ob er für irgend etwas geeignet war. Seine Kurzsicht schränkte ihn sehr ein, was er eigentlich als Ausrede hatte nehmen wollen, um nicht in die Kriegshandlungen verwickelt zu werden und Prinz Vincent lediglich innerhalb des Lagers zu Diensten zu sein. Ob er darauf immer noch zählen konnte?
Der General wandte sich ab und sofort zog sich Caleb wieder die Kapuze über die Ohren. Er war inzwischen so rot wie ein Apfel. Mit seiner blasen Haut war dies nicht wirklich schwer und er wurde schnell rot, wenn man ihn so anstarrte und noch schlimmer, wenn er so eine Reaktion bekam, die gar so ungewohnt war.
Die Nachricht, die darauf folgte, war dagegen alles Unbehagen von ihm ab und schien es direkt auf den Prinzen zu übertragen. Einer seiner Kameraden war im Kampf gestorben. Zwar hatte Caleb den Soldaten Marlin nicht gekannt, aber er fühlte mit dem Prinzen, dem die Trauer auf dem Leib geschrieben war und irgendwie machte ihn das auch selbst betrübt. Seine Beine wurden immer schwerer, erinnerten ihn an Blei, aber sein Kopf machte sich wieder Gedanke, die er sich eigentlich gar nicht machen wollte.
Würde dieser Verlust das sowieso randvolle Faß überlaufen lassen? Würde der Prinz alle Vorsicht vergessen und Rache fordern? Wäre das nicht die logische Folgerung?
Hatte er sich so gut unter Kontrolle?
Langsam kam es Caleb so vor, als würde alle Last nur auf dem Prinzen liegen. Selbst sein Diener begann bereits, über ihn zu urteilen und erwartete stumm, dass er die richtigen Entscheidungen traf. Wie viel würde es noch werden, wenn er erst als Feldherr einer Armee von Soldaten gegenüber stand, deren Leben in seinen Händen lag, dessen Blut durch seine Finger laufen würde, und erst dann auf den Boden fiel und den Hass zwischen beiden Länder weiter tränkte.
War ein Krieg wirklich die Lösung?
Caleb war nicht in der Position, dies zu entscheiden. Erst recht nicht, wo er jetzt ganz vergessen vor den Toren Tromans zurückgelassen wurde.
Vorsichtig versuchte er sich in Bewegung zu setzen, aber seine Beine waren so schlabberig wie Grashalme und sein so gut als drahtig beschriebener Körper hatte nicht wirklich die Kraft, ihn noch aufrecht zu halten. So humpelte er eher in die Soldatenstadt, wobei er einen Arm über den Sattel auf Felix Rücken legte, um sich an ihm zu stützen. Der trainierte Hengst passte sich seinem Tempo an und sah sogar besorgte zu ihm zurück. Zum Aufsteigen hätte Caleb die Kraft gefehlt, und so hatte er auch keine wirkliche Chance, mit dem Prinzen und General Bronn Schritt zu halten, die ihm recht schnell verloren gingen, vor allem, da sich dem Prinzen immer mehr Soldaten anschlossen, als würden sie einen Trauerzug abhalten. Aber niemand jubelte, aber die Trauer stand dem Prinzen so aufs Gesicht gemeißelt, dass man hätte blind sein müssen, um dies für einen glorreichen Einzug zu halten.
Kreischende Kopfschmerzen zerrten an Caleb, als ihm Gesicht um Gesicht vor die Augen trat, er Häuser und Pferde, Waffen und Rüstunge, Wappen und Schilde sah, die sich alle in seinen Verstand einbrannten - im nicht wirklich übertragenen Sinne, wie es sich anfühlte. In dieses Moment verfluchte er die Fähigkeit, die er sonst für so nützlich gehalten hatte. Aber sich nur Texte aus Büchern einzuprägen war mit wesentlich weniger Aufwand verbunden, als nun jedes Merkmal, jene Narbe, jede Bart- und Haarfarbe und jedes noch so kleine Detail einzuprägen. Und was seine Augen nicht sahen, machten seine Ohren wett. Stimmen, die er niemals vergessen würde, Geräusche, Bellen, Schmiedehämmer, dutzende verschiedene Schrittarten und Töne, Gespräche, überall wurde getuschelt über den Prinzen, alles sog er ein wie ein Schwamm und schon bald fühlte er sich übervoll, blind und taub, obwohl es immer noch auf ihn einströhmte. Caleb würde einige Zeit brauchen, all dies zu verarbeiten.
Schließlich ertrug er es nicht mehr, blieb stehen, hob den Blick wieder und sah eine Gasse zwischen den Baracken, in die er sich mit Felix zwängte. Der Hengst schnaubte, er hatte sicher Durst und nachdem, was Caleb jetzt durch den Kopf ging, waren sie an zwei Wassertrögen vorbei gekommen, an denen den Geräuschen zufolge sieben Pferde getrunken hatten. Aber Caleb wollte ihn nicht gehen lassen. Erschöpft lehnte er sich an eine der Wände, ließ seine kraftlosen Beine unter ihm endlich einknicken und sank zu Boden. Die Beine an die Brust rangezogen, hielt er sich die Ohren zu und schloss die Augen.
Sein Kopf begann nur langsam zu sortieren, was er gerade aufgenommen hatte. Wie groß war Troman? Wie lange würde es dauern, bis er nicht mehr in all dem hier ertrank? Oder war es nur eine Sache des Trainings? War er überrascht worden und wenn er erst einmal öfter in neuen Gefilden wandelte, würde er schneller alles aufnehmen und verarbeiten können? Das war jedenfalls zu hoffen.
So in sich verschlossen bekam Caleb nicht mit, was um ihn herum geschah, weshalb er kaum mitbekam, wie viel Zeit verging. Als er wieder aufzustehen versuchte, waren seine Beine steif und sein Hintern schmerzte vom Boden und Felix war sichtlich unruhiger. Beruhigend Strich ihm Caleb über den Hals. Er würde den Hengst nicht einfach bei einem Trog lassen. Er würde ihn noch begleiten müssen, bis er einem vertrauenswürdigen Stalljungen über den Weg lief.
Nun, wo sein Kopf wieder klar war, hatte er eine genaue Karte von Troman im Kopf - zumindest von dem Teil, den er bisher gesehen hatte und wusste somit genau wo er war.
Aber nicht, wo das Lazarett war, zudem sich der Prinz aufgemacht hatte. Ob er überhaupt noch dort war?
So blieb Caleb nichts anderes übrig, als zu fragen. Sofort wurde er grundlos nervös. Er war es nicht gewöhnt, jemanden nach dem Weg zu fragen. Er war es eigentlich überhaupt gar nicht gewöhnt, irgendjemanden irgendetwas zu fragen, zumindest niemand fremden. Wie sprach man Soldaten an? Sagte man einfach etwas und hoffte, dass er sich herum drehte, oder lief man ihm in das Blickfeld, oder zupfte man an seinem Ärmel?
Caeb kam sich in Troman ziemlich verloren vor, aber es half ja nicht, also ging er auf den nächstbesten Soldaten zu, der wie ein Offizier aussah. Caleb kannte die Kennzeichen der Ränge von den Gerüsteten des Schlosses, und einfachen Soldaten traute er eher zu, ihn zu veralbern, als einem Hauptmann, an den er sich nun wandte.
"Ähm...Herr Hauptmann? Ich, ähm... suche das Lazarett, und ähm, ja, würde gerne den Weg wissen, Sir."
Begann er schon wieder rot zu werden? Hoffentlich nicht. Es war ihm so peinlich zu fragen.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Samstag 3. März 2012, 16:30

Man merkte, dass der Tod des Soldaten Marlin den Prinzen tief getroffen haben musste. Ansonsten hätte er Caleb wahrscheinlich nicht vergessen. Jeder andere Adlige schon, aber Princ Vincent hatte in den letzten Stunden ihrer gemeinsamen Reise bereits gezeigt, dass er mit Dienern anders umging - zumindest, wenn er sich außerhalb Grandeas befand. Es war sogar deutlich geworden, dass ihm Caleb schon vorher aufgefallen sein musste. Der Prinz hatte ihn bewusst für diese Reise ausgesucht. Warum nur? Als kurzsichtiger Albino eignete sich der Bursche kaum für militärische Arbeiten. Nicht einmal im Lazarett würde er groß aushelfen können, abgesehen vom Wechseln einiger Verbände. Operationen oder nur Assistenz dabei leisten, konnte man ihm als Aufgaben nicht übertragen. Was hatte der Prinz mit ihm vor, bei dem seine Kurzsichtigkeit ihn nicht beeinträchtigte? Aber vielleicht ahnte der Thronfolger auch nichts davon und würde feststellen müssen, dass seine Wahl doch nicht die beste gewesen war.
All das konnte nur Vincent der IV. selbst beantworten, aber der war verschwunden. Obwohl Soldaten sich ihm angeschlossen und ihm wie bei einer Prozession gefolgt waren, hatte Caleb ihn aus den Augen verloren. Stattdessen kämpfte der Hybrid nun mit seinen verbliebenen Kraftreserven. Er konnte sich nicht einmal mehr auf den Beinen halten, weswegen er sich in einer Gasse zu Boden sinken ließ. Noch immer dröhnte ihm der Kopf ob der Reizüberflutung, die er durchmachen musste. Gesprächsfetzen huschten durch seine Erinnerungen. Hast du den Reiter gesehen? - Ja, das ist doch einer aus dem Königshaus! Ich hörte, der Prinz persönlich! - Was will er hier? Uns vor den jorsanischen Soldaten schützen? - Er allein? Niemals! Außerdem hat er sehr bedrückt ausgesehen. Ob sein Vater ihn in die Armee gesteckt hat? Ich hörte, der König hat es schon einmal versucht. - Ist er denn glüklich unter Soldaten, unser Prinz? Ich kenne ihn nicht. So wurde auf den Straßen getuschelt und man hörte heraus, dass die Bauern des Dorfes nicht viel von den Zuständen in der Hauptstadt des Königreichs wussten. Sie führten ein einfaches, wenn auch kein leichtes Leben. Immerhin überschattete ihre Existenz ein nicht enden wollendes Geplänkel zwischen jorsanischen Angreifern und grandessarischen Verteidigern. Manchmal waren eine ertragreiche Ernte oder getötete Rinder und andere Nutztiere der Verlust, denn die Kämpfe wurden auf den Feldern vor Troman ausgetragen. Anschließend schleppte man die Toten hinter die Palisaden.
Troman besaß einen Friedhof, der jedoch nur wenig einzelne Gräber hatte. Es wäre zu aufwändig gewesen, für jeden gefallenen Soldaten ein Loch auszuheben. Also warf man die Toten in eine Grube, ein Massengrab. Wenigstens nahm sich der Totengräber die Zeit, große Schilder mit den Namen der Gefallenen - sofern bekannt - aufzustellen. So hielt man den Totenacker schlank. Trotzdem erstreckte er sich bereits über eine halbe Kuhweide. Es hatte in all den Jahren so viele Tote gegeben, dass man Troman auch als Totenstadt hätte bezeichnen können.

So langsam verarbeitete Calebs Verstand all die Informationen und er kam zur Ruhe. Ruhiger war es auch außerhalb der Gasse geworden. Zwar herrschte immer noch das Treiben eines militärisch angehauchten Dorfes vor, aber die Menschen standen nicht mehr dicht gedrängt zusammen. Der Prinz war weiter gezogen, doch wohin? Caleb hatte ihn aus den Augen verloren und nichts deutete mehr darauf hin, dass er überhaupt hier gewesen war. Die Bauern gingen ihren Beschäftigungen nach. Waschweiber unterhielten sich an einem Steinbrunnen in der Nähe. Ein Schweinehirt führte seine Meute gerade zur Koppel und ein Kind wollte lieber mit der Katze auf dem Fenstersims spielen, statt der Mutter am Rockzipfel zu hängen. Ohne zu fragen würde Caleb also nicht weiter kommen. Er wandte sich an einen Hauptmann. Dass er höher gestellt sein musste, erkannte man daran, dass er im Gegensatz zu einfachen Soldaten einen purpur farbenen Umhang mit der Lilie Grandessas im Zentrum trug. Er lehnte gerade am Pfosten eines hölzernen Balkons und drehte sich ein mit Tabak gefülltes Papier zu einem Röhrchen. Darin ließ er sich auch dann nicht unterbrechen, als Caleb ihn ansprach. Der Mann schaute lediglich von seiner Tätigkeit auf. Auch dieser musterte Caleb kurz wie schon so viele zuvor. Er kam wohl niemals darum herum, selbst wenn er die Ohren unter der Kapuze verbarg.
"Lazarett. Ja, Ihr seht aus, als könntet Ihr es brauchen. Seid ziemlich blass, Kundschafter." Der Mann schob sich seine Fluppe in den rechten Mundwinkel. Dann drückte er sich vom Pfosten weg. "Ich bringe Euch hin. Nicht, dass Ihr unterwegs noch umfallt. Seid wohl ziemlich eilig geritten, was?" Noch einmal ließ er den Blick schweifen. "Lasst das Pferd hier stehen. Bindet es einfach an den Pfosten. Ich kümmere mich drum, bis ein Feldarzt Euch versorgt hat. Bei Feylin, Eure Augen sind auch ganz rot! Blutunterlaufen, wie?" Der Hauptmann trat an Caleb heran und bot ihm doch glatt seinen Arm an, um sich zu stützen.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Samstag 3. März 2012, 19:10

Innerlich atmete Caleb erleichtert auf. Er war an jemand netten geraten. Unter dem doch recht ruppigen Volk der Grandessaner und vor allem unter dessen Soldaten nicht gerade etwas, worauf man wetten würde. Allerdings schien der Hauptmann ihn auch für einen Kundschafter zu halten, der gerade von einer Mission zurück kam, was man ihm nicht verdenken konnte. Dolch und Wappenrock waren da, ebenso wie das edle Schlachtross.
Jetzt, wo caleb den Mann vor sich genauer begutachtete, fiel ihm, auf, dass er ihn schon einmal gesehen hatte. Nicht von vorn, aber da gab es eine paar Risse am Saum seines Umhangs und eine Furche im Metall seiner Armschiene, welche ihm in Erinnerung geblieben waren. Der Hauptmann war an Caleb vorbeigelaufen, als er Troman betreten hatte, um zum Prinzen zu gelangen, aber die Meute hatte ihm den Weg versperrt und er hatte sich nicht dazu herab gelassen sich durch die einfachen Soldaten zu drängeln. Den winzigen Spuren nach zu urteilen war er wohl in den Kampf verwickelt gewesen, bei dem der Soldat Marlin gestorben war. Oder lag das Gefecht schon länger zurück?
Die typischen Fragen wallten in Caleb auf und das ganze hier würde viel unumständlicher werden, wenn Caleb es dabei bewenden ließ für einen einfachen Kundschafter gehalten zu werden, doch...
Nie wieder lügen!
War es denn gelogen, wenn er einfach nichts einwandte? Die Frage hätte auch sein können, ob man unschuldig war, wenn man eine Vergewaltigung sah, und schlicht weiterlief.
Er schallt sich einen Dummkopf und sah dem Hauptmann aufrichtig in die Augen.
"Ich bin kein Kundschafter, Sir, sondern Küchenjunge im Königspalast und, ähm, dem Prinzen unterstellt.", begann Caleb, aber mit jedem weiteren Wort wurde er unsicherer, "Bin im Getümmel um den hochwohlgeborenen Thronfolger, nun ja, verloren gegangen und, ähm...meine Augen waren schon immer so und, nun..."
Seine Stimme verlor sich in unruhigem Gebrabbel. Nervös begann Caleb die Zügel um die rechte Hand zu wickeln, womit sie immer kürzer wurden, bis sich Felix über das Ziehen an seinem Kopf beschwerte und gegenzog, was ihn aus seiner Brabbelei riss.
Wie ihm geraten wurde, wollte Caleb Felix in der Nähe anbinden, aber als er sich von der Seite des Hengstes löste, knickte sein Fuß unter ihm weg und beinahe wäre er gestolpert, hätte man ihn nicht gestützt. So war es eher Felix, der Caleb führte als umgekehrt. Locker abgebunden streichelte Caleb ihm noch einmal für den Hals und hielt seine Hand so vor seine Nüstern, dass er den Geruch aufnehmen konnte.
"Beiß jeden, der versucht dich wegzubringen!", flüsterte Caleb, aus Angst er könnte sein Pferd doch noch verlieren. Eigentlich gehörte Felx ihm nicht, aber er mochte den Hengst und würde auch gern auf seinem Rücken wieder nach Grandea zurückkehren, wenn ihn der Gedanke aus grauste.
"Er braucht Wasser und auch etwas zu Essen. Wir haben keine wirkliche Rast gemacht.", fuhr Caleb an den Hauptmann gewandt fort, mit einem Blick zum Springbrunnen. Erst jetzt viel ihm auf, wie schwach seine Stimme klang, dünn von der Erschöpfung. Sein Kopf fühlte sich noch recht klar an, aber das würde sich ändern, wenn sie den Weg zum Lazarett einschlagen würden.
Da bot ihm der Hauptmann doch tatsächlich den Arm an; und Caleb wusste bereits, dass er ohne Felix keinen Schritt tun konnte, also musste er notgedrungen annehmen. Waren alle Soldaten hier so nett? Vielleicht war es doch nicht so schlecht hier, wie er anfangs gedacht hatte. Denn ein Heer von rauflustigen, stichelnden Palastwachen war kein Ort gewesen, an den sich Caleb freiwillig gewünscht hätte. Die Männer hier schienen da anders zu sein, vielleicht auch da sie es oft genug mit Kämpfen zu tun hatten, von denen die Wachen im Schloss nur träumten. Und in Wirklichkeit war dies wohl kaum so heldenhaft und spaßig.
Als sie sich in Bewegung setzten, konnte Caleb nicht mehr abwarten zu fragen:
"Sir, habt ihr mitgekämpft beim Angriff der Jorsaner, der Soldat Marlin das Leben gekostet hat?"

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Sonntag 4. März 2012, 01:00

Die Gerüchte über das raue Militär Grandessas, die man sich im Schloss erzählte, schienen allesamt erlogen zu sein. Jedenfalls dann, wenn man sie auf diesen Hauptmann abbildete. Er war ein netter Mensch, besaß diesen gewissen Schneid, den man bei allen trainierten Soldaten finden konnte und der besonders auf Frauen oft anziehend wirkte. Vor allem aber behandelte er Caleb keineswegs herablassend. Ob das allerdings nur daran lag, dass der Mann ihn für einen Kundschafter hielt? Caleb wollte die erste Gelegenheit nutzen, es richtig zu stellen. Offenbar erinnerte er sich an die Situation im Arsenal des Schlosses. Die Lektion hatte er gelernt und rückte auch prompt mit der Wahrheit heraus.
Der Soldat staunte nicht schlecht, als er das hörte. Aber er grinste, wenn auch schief. "Der Prinz bringt sich einen Küchenjungen mit? Ha, auf den Luxus einer guten Mahlzeit will er wohl nicht verzichten." Er klopfte Caleb mit einer Kraft auf die Schultern, dass er wohl einfach in den Boden gerammt worden wäre, wenn der Soldat ihm nicht bereits seinen Arm angeboten hätte. "Na, dann bring ich dich mal zu ihm. Nicht, dass ich am Ende noch den Latrinendienst bekomme, weil unser Prinz nur mit Zwieback und Haferbrei versorgt werden kann." Noch immer grinste der Hauptmann vor sich hin. Ihm gefiel die Vorstellung, ein königliches Familienmitglied reiste mit nur einem kleinen Koch an die stets von Feinden attackierte Grenze. Keine Leibwache, kein Trupp Gardisten als Gefolge, aber auf die noble Küche wollte er nicht verzichten! War Vincent bei den Soldaten deshalb so beliebt? Weil er gerade durch solche Entscheidungen ihre heitere Sympathie gewann?

Der Hauptmann wartete geduldig, bis Caleb sein Pferd an den Pfahl gebunden hatte. In der Zwischenzeit konnte er nämlich seine Kippe rauchen und das noch genießen, ehe die Pflicht aufs Neue rief. Wenn es auch nur eine hinlängliche Aufgabe war, den Burschen zum Lazarett zu bringen, so nahm der Hauptmann sie durchaus ernst. Es handelte sich immerhin - in seinen Augen - um den königlichen Küchenjungen!
"Er wird gut versorgt sein wie jedes Pferd im Stall", entgegnete der Soldat, als Caleb soweit war. "Komm jetzt, ehe der Prinz das Lazarett verlässt und ich ihn auch noch suchen muss." Es ging langsam voran. Calebs Beine wurden mit jedem Schritt schwerer. Es fühlte sich nach und nach an, als ob er zunächst auf wackligen Gummibeinen durch die Welt torkelte, nur um diese dann mit steifen Holzstecken zu tauschen. Das Gehen wurde zur Tortur. Zum Glück konnte er sich mit einer Frage, an den Hauptmann gerichtet, ablenken. Leider war es kein allzu angenehmes Thema, das er da ansprach.
"Marlin? Ich ken... kannte ihn. Ja, ich war dabei. Die meisten Soldaten mussten vor die Palisaden, um das Dorf zu verteidigen. Dieses Mal kam eine ziemlich starke Truppe Jorsaner heran. Sie johlten und prahlten damit, dass sie nur die Vorhut für einen letzten Gegenschlag seien, da bald ihr neuer Anführer eintreffen würde. Ein gewisser General Sterlyn. Keine Ahnung, wer das sein soll. Ist bisher auch noch nicht aufgetaucht, aber den Jorsanern haben wir kräftig in den Arsch getreten. Leider gibt es immer Verluste ... Marlin war ein guter Mann." Nun schwieg der Hauptmann, bis man eine längliche Baracke ausmachen konnte. Auf dem Dach war das Symbol der Heiler zu erkennen: ein von Schlangen umwundener, goldener Stab auf weißem Grund. Das gleiche Zeichen fand sich auch als kleines Banner neben dem Hauptzugang. Es flatterte kräftig im Wind.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Sonntag 4. März 2012, 02:17

Es fing wieder an.
Ein Rauschen begann in Calebs Ohren zu surren, als sich die Schmerzen zu Wort meldeten. Wie ein stumpfer Herzschlag pochten sie gegen seine Stirn und ließen ihm Schweißperlen über die Stirn rollen. Caleb hatte das unangenehme Gefühl eine starke Grippe zu haben. Nur das reines Fieber nicht so weh tat. Schwer atment strich sich Caleb durch die Haare, wobei seine Kapuze zurück rutschte, aber er beachtete sie kaum. Die Hand ließ er auf der Stirn ruhen, auch wenn es nichts half. Seine Schritte wurden langsamer und er musste sich immer mehr auf den Hauptmann stützen.
Die Worte des Soldaten hörte er noch, aber sein Verstand war zu beschäftigt, um sich ausreichend Gedanken darüber zu machen, was dies für den Prinzen und Troman bedeuten könnte. Sein Kopf begann Bilder zu rekonstruieren und es warf ihn völlig aus der Bahn. Vor allem, da er dem ein oder anderen begegnete, der er schon am Tor getroffen hatte, doch nur von einer Seite und sein Verstand setzte die fehlenden Stücke zusammen und sprang dabei in seinem Bewusstsein hin und her. Und wenn man bedachte, dass es bei Caleb kein "Unterbewusstsein" gab, sondern er jede Erinnerung seines Lebens stets abrufbereit hatte, war dies so, als würde ein Bibliothekar in Lichtgeschwindigkeit durch die Regale rennen und ein Buch nach dem anderen herausziehen, eine neue Seite schreiben und wieder zurückstellen.
Was Caleb jetzt spürte, könnte man dann wohl als den Muskelkrampf bezeichnen, den ein Durchschnittsbibliothekar noch so einer Aktion unweigerlich am ganzen Körper hätte.
Wenige Meter vor dem Lazarett gehorchten ihm seine Beine nicht mehr und er sackte in sich zusammen.
"Ich...kann nicht mehr...", hauchte Caleb aus, obwohl es gar zu offensichtlich war, "Alles...zu viel!"
Nach Halt suchend krallten sich seine Hände in die Uniform des Hauptmanns, bis er die Zähne zusammen, aber seine Augen schloss sich nicht, tatsächlich begannen seine Pupillen zu rasen, seine Ohren zuckten in alle Richtungen und schienen mehr aufnehmen zu wollen. Panik ergriff Caleb, und er ließ den Soldaten los, ris sich die Kapuze zu stark über den Kopf, dass seine Katzenohren an sein Haar gepresst wurden und alles nur noch gedämpft durchdrang, während der Stoff seine Augen bedeckte.
Wie ein kleines Kind rollte er sich zusammen, versuchte wieder alles zu verarbeiten, wie er der Gasse zuvor und schottete sich von der Außenwelt ab.
Eine Katze hatte miaut, sich darüber beschwert, dass der Tumult vohin ab Tor ihre Maus verjagt hatte, ein Junge hatte geweint, er hatte ihn vierzehn Mal schluchzen hören, bis er außer Reichweite war, ein Ruf war aus dem Lazarett gekommen, man hatte nach einer Schwester schicken lassen, vier Vögel hatten auf dem Dach vor drei Ecken...
Ohne es zu merken brabbelte er dabei vor sich hin, Unterhaltungen die er gehört hatte, Katzenmiauen, den Ton eines Hammerschlags.
Aber er bemerkte nichts, was um ihn herum geschah. Es wäre die Welt in seinen Kopf verschwunden und spielte sich für die nächsten zehn Minuten nur dort ab.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 4. März 2012, 22:12

Das Dröhnen in seinem Kopf nahm endlich ab. Die Geräuschkulisse, die sich sein Verstand geschaffen hatte, um jeden einzelnen Ton scheinbar nacheinander abzuarbeiten, während sie alle in einer Reihe standen und lauthals blökten, verringerte sich. Hinfort waren das quälend schrille Miauen der Katze, sowie der stete Schlag des Schmiedehammers. Die Zahl von Heuballen, Pferden, Nägeln und Rillen im Pfosten eines Zauns waren gezählt. Aber es gab noch so viele Informationen, so viele Reize, die Caleb noch nicht verarbeitet hatte. Trotzdem und zu seinem Glück schwanden sie nach und nach, ohne dass er weiter davon Notiz nehmen musste. Ein Nebel breitete sich über seine Gedanken aus, lullte ihn ein und überdeckte alles, wovon sein Verstand sich nicht hatte abwenden können. Es war so viel angenehmer. Es tat gut, auch wenn es den Geist zu einem wabernden Klumpen formte.
Nur noch ein einziges Geräusch drang zu ihm hindurch. Eine Stimme, die Caleb auch nur deshalb hören konnte, weil jemand nach seinen Händen griff, sie bewusst vom Kopf zog und dann die Kapuze in seinen Nacken schob. Die Eigentümerin der Stimme schob den Mund dicht an sein pelziges Ohr heran - jedoch zögernd. Nicht oft kam es vor, dass sie jemanden mit solchen Ohren begegnete. Die gute Ausbildung sorgte allerdings dafür, dass die Frau sich nicht groß beeindrucken ließ. Sie wagte sogar, das Katzenohr an der Spitze anzuheben, um besser hinein sprechen zu können. "Ich habe dir ein Beruhigungsmittel verabreicht. Du war tapfer, Kleines. Hast nicht einmal gezuckt, als ich dich gepiekst habe. Gut gemacht, Mädchen."
"Es ist ein Junge.", drang eine zweite Stimme sehr dumpf in Calebs Geist ein. Sie war ihm vertraut. Er hatte sie schon einmal gehört, dem zugehörigen Mann eben noch mitgeteilt, dass er nicht mehr weiter konnte. Dass es zu viel gewesen war, ehe er zusammensackte und dann von selbigen Mann zum Lazarett getragen worden war. "Der Küchenjunge des Prinzen."
"Oh", entgegnete die Frauenstimme. "Er sieht so ... feminin aus. Vielleicht liegt es an den Ohren." Die Frau wandte sich wieder Caleb zu. "Entschuldige. Na komm, leg dich etwas hin, ja? Das ist nämlich längst keine Albinoblässe mehr bei dir. Ruh dich einen Moment aus." Sanft, aber bestimmt, drückte die Frau gegen den Hybriden, um ihn in die Horizontale zu verlagern. Es handelte sich um eine Heilerin und ihr Haar war bereits ergraut. Falten hatten sich in ihr Gesicht gegraben, dass sie den steten Anschein einer besorgten Alten erweckte. Selbst wenn sie lächelte, wie es gegenwärtig der Fall war!
Der Hauptmann musterte Caleb, warf dann aber einen Blick über die Schulter zurück zum Eingang. Schließlich wandte er sich an die Heilersgehilfin: "Ich kann ihn in Eurer Obhut lassen, Madleen?"
"Aber ja. Ich kümmere mich um den Jungen."
"Danke. Und lasst unseren Prinzen nicht vorzeitig gehen. Er ist auf der Suche nach ihm."
Es folgte ein Seufzen, das eindeutig von Madleen stammte. Sie erhob noch einmal die Stimme: "Der Prinz wird nicht so schnell gehen. Er sitzt wie versteinert am Bett seines Kameraden. Ein rührendes Bild, wenn die Lage nicht so verfahren wäre. Ihr wisst, dass es Patienten schwer erwischt hat. Er kann froh sein, dass ihm der andere Arm geblieben ist." Nun seufzte auch der Hauptmann. Beide wussten, dass kein Mann mit nur einem Arm weiterhin Soldat bleiben konnte. Man würde ihn nach Hause schicken, wo er weder Königreich noch König verteidigen konnte, sondern sich würde pflegen lassen müssen. Das war nichts, womit sich ein Grandessarer gern zufrieden gab. Dementsprechend gedrückt war auch die Stimmung im gesamten Lazarett, seit Prinz Vincent die Baracke betreten und sich nach Aleksander erkundigt hatte.
"Ich muss jetzt gehen, Madleen. Achte auf den Jungen." Der Hauptmann wandte sich um. Er würde sich nun eilen müssen, Felix zu versorgen und sicher unterzubringen, denn seine Schicht begann bald. Viel Zeit blieb ihm nicht mehr. Madleen sah ihm nach. Sie waren alle immer so in Hektik, vor allem seit dem letzten jorsanischen Angriff. Und nun war auch noch der Prinz in Troman, hatte einen Küchenjungen mitgebracht. Die Heilerin erhob sich, eine Frau mit weißer Haube, schwarzer Robe und dem Symbol der Medici als goldene Kette um den Hals. "Ich bringe dir etwas Wasser. Versuch nicht, aufzustehen, sonst wirst du Kopfschmerzen bekommen. Lass das Mittel einfach wirken, ja, Herzchen?"
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Montag 5. März 2012, 02:44

Alles um ihn herum bekam Caleb nur wie durch einen dicken Vorhang mit. Vereinzeltes Stöhnen drang noch hindurch, aber er konnte nicht einmal ausmachen, aus welcher Richtung es kam, oder wie weit entfernt es war. Genau neben ihm hätte ein Schwerverletzter auf der Pritsche liegen können, Caleb hätte es kaum wahrgenommen. Riesige Wollballen schienen in seinen Ohren zu stecken und ohne groß darüber nach zu denken, hielt er die Augen geschlossen. Sich jetzt im Lazarett umzusehen, war sicher keine gute Idee. Wollte er diese Bilder überhaupt sehen? Sie für immer sehen?
Dem Gespräch zwischen dem Hauptmann und der Heilerin konnte er kaum folgen, ließ sich kommentarlos von ihm tragen und von ihr zurecht rücken. Lediglich ein leichtes Pochen an seinem Arm war neu. Sein Verstand sagte ihm, dass er dort das Beruhigungsmittel verabreicht bekommen hatte, aber der klar überwiegende Teil seines Kopfes sagte: Wen interessierte es? Sein Körper wollte sich nur ausruhen, hatte bereits aufgehört sich zu bewegen und würde keinen weiteren Befehlen mehr gehorchen, bis die nötige Energie wieder vorhanden war.
Aber Caleb verweigerte sich dem Schlaf, obwohl er bereits spürte, wie das Beruhigungsmittel ihn in eine innere Schwärze zog. Er war doch hier her gekommen um den Prinzen zu sehen. Nur deshalb hatte er sich durch Troman geschleppt, anstatt einfach mit Felix in einem Stall unterzukommen und auf die Rückkehr des Herrn zu warten. Jetzt, wo Caleb ankommen war, musste er sich dagegen fragen: Was sollte er schon sagen? Den Prinzen würde er kaum trösten können. Und ihm zu sagen, dass nicht die Jorsaner, sondern die Fehde und der wachsende Hass zwischen den Ländern daran Schuld hatte, würde ebenso wenig helfen. Ließ man einen Menschen denn für gewöhnlich in so einem Moment allein? Wo waren Theben und Rist, seine anderen beiden Kameraden? Müssten sie nicht schon längst davon gehört haben, dass Prinz Vincent hier war, oder kamen sie eben aus dem Grund nicht, um dem Thronfolger für diesen Moment allein trauern zu lassen?
Caleb wusste nun, dass er selbst nichts tun konnte. Sie waren gegen Abend in Troman angekommen, und all die Strapazen und Ausfälle, die Caleb noch in der Stadt hatte, waren Grund dafür, dass nun bereits die Sonne unterging. Das Mittel der Heilerin lullte ihn weiter ein, sodass er kaum das Wasser spürte, dass seine Lippen benetzte. Sie musste seinen Kopf anheben, um ihm das Trinken zu erleichtern. Ihre sanften Worte verstand Caleb schon nicht mehr. Das Nass fühlte sich kühl und gut in der Kehle an, und er atmete entspannter. Die Grenze war erreicht, und die Erschöpfung tat zusammen mit allem anderen den Rest, um ihn endgültig in den Schlaf zu zerren.

Sein Traum führte ihn den ganze Tag zurück, als würde alles noch einmal rückwärts geschehen. Jedes Detail, dass er sich eingeprägt hatte, verarbeitete er aufs Neue und fügte alle Bilder zusammen, bis zum Anfang seiner Reise durch Neuland. So stand Caleb vor den Toren Grandeas, und sah zu, wie er selbst auf dem Rücken von Felix dem Prinzen nachritt. Verwirrt sah er an sich herunter, bemerkte, dass er durchsichtig war und die Wachen ihn nicht sehen konnten. Ohne lange darüber nach zu denken, machte er auf dem Absatz kehrt, und schlenderte den Königspfad hinauf. Ihm war vollkommen klar, dass er nicht wirklich zurück ging, aber Caleb wusste nicht, dass er sich in einem Traum befand. Ehrlich gesagt machte er sich darüber in diesem Moment keine Gedanken. Sein Kopf war wie leer geblasen und es fühlte sich unglaublich gut an.
Sein Weg führte ihn nicht wie gedacht zum Schloss, nein, wozu auch, sein Herr war nicht mehr dort. Stattdessen stand er bald vor dem Tempel Grandeas, den er so oft besucht hatte. Im nächsten Moment stand er bereits innerhalb der mächtigen Mauer. War er einfach durch das Holz der Tür gelaufen, oder hatte er es geöffnet? Er wusste es nicht, sein denken richtete sich nur nach vorn. Während er lief, wurde er kleiner, ohne es zu merken, denn der Tempel war im Vergleich zu ihm so gewaltig, dass es kaum einen Unterschied machte. Erst, als er vor dem Schrein Feylins angekommen war, bemerkte er seine veränderte Größe, denn er konnte nur knapp über die Kante des Altars sehen.
Hier waren überall Betnischen eingerichtet, mit kleinen Feylin Statuetten und Opferschalen für die Gaben, welche die Gläubigen den Gott mitbrachten. Caleb ging selbstverständlich auf seine Nische zu. Er war immer zu der Zweiten von links gegangen. Ohne zu überlegen warf er das Gedicht hinein. Er fragte sich nicht, woher er den Fetzen Papier hatte, aber die Schrift darauf kannte er gut. Es war seine Eigene, mit Versen, die er vor drei Jahren geschrieben hatte. Fast automatisch, als wäre dies die zu erwartetende Reaktion auf dieses Fund, hob Caleb den Blick und sah nach rechts, wo eine Prozession von Priestern aus einem Portal trat. Anscheinend hatte sie gerade eine Zeremonie beendet, einen Willkommensritus, wie er aus irgend einem Grund wusste. Eine Feier für den jungen Priester in ihrer Mitte.
Darius war sein Name, der Bruder des Thronfolgers.
Im nächsten Moment beteten sie nebeneinander, und Caleb wusste, dass er eine Erinnerung durchlebte. Sie murmelten leise vor sich hin, Caleb wusste jedes der Worte auswendig, die er damals von sich gegeben hatte. Auffordern sah er daraufhin zu Darius hinüber, als würde er auf Worte warten, die er zu sprechen hatten, gerade so wie ein Schauspieler darauf wartete, dass sein Spielpartner den Text zitierte, der an diese Stelle gehörte.
"Feylin muss dich wirklich gern haben."
Die Erinnerung erstarb und in Caleb blieb ein seeliges Gefühl zurück, auch wenn er diesen Worten nie geglaubt hatte.

Mitten in der Nacht erwachte er, und wusste sofort, dass er eine halbe Stunde vor Mitternacht war. Das Lazarett lag im Dunkeln, was Caleb aber kaum störte, tatsächlich war er erleichtert. So musste er noch nicht sehen, was sich alles um ihn herum befand. Ein leises Stöhnen schien dieses Ort ununterbrochen gegenwärtig zu sein und als Caleb den Kopf zur Seite drehte, sah er eine der Heilerinnen durch die Reihen gehen, mit einer Kerze, vor dessen Licht er die Augen zusammenkniff. Sie war wohl dafür zuständig, dass jeder Patient die Nacht auch überlebte. Caleb hatte keine Lust von ihr gefragt zu werden, ob ihm etwas fehlte.
Er wusste es selbst gut genug. Seine Beine fühlten sich steif an, und als er sich bewegte, wurde ihm klar, dass er in beiden einen Muskelkater hatte, was ihn nicht weiter verwunderte. Sein Kopf war dafür wieder klar, so klar wie zu Beginn der Reise nicht mehr. Ein innerer Drang befahl ihm aufzustehen und sich zu waschen, aber er wusste, dass dies nicht möglich und auch nicht nötig war. Es war eine Erleichterung zu wissen, dass heute Nacht keine Arbeit auf ihn wartete.
Stattdessen knurrte sein Magen. Aber er war oft genug hungrig zu Bett gegangen, als sich davon nun ärgern zu lassen.
Feylin muss dich wirklich gern haben!
Ihm gingen die Worte nicht mehr aus dem Kopf. Darius hatte geglaubt, dass es ein Segen gewesen sein musste, dass ein Tier des Kindgottes ihn zu seines Gleichen gemacht hatte. Damit war er ziemlich allein, selbst von Calebs Seite aus. Wenn ihn sein Gott mochte, hätte er ihm die Jahre der Schikane ersparrt, die ihm das alles eingebrockt hatte. Auch wenn seine Augen dadurch besser geworden waren, konnte man die Katzenohren noch lange nicht als Geschenk ansehen.
Caleb wusch die Gedanken aus seinem Kopf. Er war nichts besonderes. Darius hatte immer, wenn er zum beten gekommen war, versucht ihm so etwas einzureden. Ihm klar zu mahen, dass er Talente hatte, die entdecken sollte, die nichts mit Abwaschen und Putzen zu tun hatten, aber er hatte immer schüchtern den Kopf geschüttelt und war ausgewichen. Darius war der Einzige, der wusste, dass er schreiben konnte, weil er ihn gleich am ersten Tag zurück in Grandea mit einem Gedicht als Opfergabe erwischt hatte. Aber er hatte ihn nie verraten.
Calebs Gedanken wanderten wieder umher, zurck zum Prinzen, aber er wusste nicht, wo Aleksanders Matraze war, und sein Körper verlangte nach dem Schlaf. Er hatte weder die Lust noch die Kraft, sich umzusehen und so driftete er wieder ab in die wohlige Schwärze...

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Dienstag 6. März 2012, 22:21

Das Beruhigungsmittel wirkte sehr schnell und alsbald fiel Caleb in einen tiefen Schlaf. Er träumte von mehreren Dingen - Manthala zeigte sich in diesen Stunden überaus großzügig mit ihren Gaben -, aber vor allem ein Traum sollte ihm im Gedächtnis bleiben. In diesem begegnete er Vincents Bruder Darius im Tempel beim Feylinschrein. Es war eine Mischung aus Erinnerungen und jenen seltsamen Begebenheiten, wie sie nur in einem Traum Gestalt annehmen konnten. Und doch wirkte alles so real, jedenfalls bis sich der Schleier des Schlafes löste. Langsam befreite sich der Hybrid von seinem Traum, trat in einen dösenden Dämmerzustand, jene Schwebe zwischen Schlaf und Erwachen. In diesem Zustand konnte man sich bewusst werden, dass der Körper ruhte und Erholung suchte, ohne dass man das Gewand dieses Friedens ganz ablegte. Wurde man sich dessen jedoch allzu sehr bewusst, so riss es einen aus Manthalas Reichen zurück in die Realität.
Auch für Caleb wurde es Zeit, wieder zu erwachen. Das Mittel der Heilersgehilfin Madleen hatte ihn lange genug schlafen lassen - fast acht Stunden, so dass Mitternacht nicht mehr fern war. Durch eines der Barackenfenster des Lazaretts schob sich mattes Mondlicht, das zusätzlich durch den halb durchsichtigen Vorhang gedämpft wurde. Es genügte aber, um graue Konturen zu erkennen. Hier konnte Caleb mit seinen katzenhybridischen Fähigkeiten punkten. Seine Augen passten sich den Lichtverhältnissen besser an als die eines einfachen Menschen, so dass für ihn Konturen schärfer und schneller zu erkennen sein würden.
Auch seine Katzenohren würden sich nach den Geräuschen ausrichten, die den Raum erfüllten. Das leise Stöhnen der Verletzten und Untergebrachten schien nicht einmal nachts abzunehmen. Winseln und Wimmern begleiteten Caleb, seit man ihn ins Lazarett gebracht hatte, aber es war nicht derart penetrant, als dass man es als störend hätte empfinden können. Es war vorhanden und gehörte zur natürlichen Geräuschkulisse des Ortes, so wie im Wald Vogelzwitschern ein Teil der grünen Pflanzen- und Tiersymphonie darstellte. Man nahm es wahr und zur Kenntnis, aber niemand beachtete es groß weiter. Nun gut, als hungriger Katzenhybrid schaute man vielleicht doch einmal, wo ein Vögelchen sang, sofern die tierischen Instinkte Überhand nahmen. Caleb würde ebenfalls Hunger verspüren. Die letzte Mahlzeit lag über zwölf Stunden zurück und hatte auch nur aus einem kleinen - wenn auch fantastisch schmeckendem - Salat bestanden. Sein Magen verlangte leise knurrend danach, dass man ihn füllte.
Das Geräusch war es vielleicht auch, welches die Person leise zum Brummen brachte, die halb vornüber gebeugt an Calebs Bett saß. Kopf und Oberkörper waren auf die Arme gesunken, welche ihrerseits auf der mit Stroh gefüllten Matratze lagen, auf der auch der Küchenjunge ruhte. Man hatte ihn in eine Decke gepackt und ihm ein Kissen unter den Kopf geschoben. Er erhielt die gleiche Aufmerksamkeit und Behandlung wie alle Patienten des Lazaretts, durfte sich aber als einer der wenigen besonderer Aufmerksamkeit durch eine besondere Person gewiss sein. Denn niemand Anderes als der Prinz persönlich schlummerte an seiner Schlafstatt! Als hätte Prinz Vincent nichts Besseres zu tun, wachte - oder versuchte es - am Bett seines Dieners, dem er nichts schuldig war. Im Gegenteil. Caleb war schon viel zu sehr von einer Person seines Standes beachtet worden, als es gut für ihn sein konnte. Und warum befand sich der Prinz nicht bei seinem Kameraden? Aleksander, dem sie einen Arm hatten abnehmen müssen? Möglicherweise hatte er den Rest des Tages dort verbracht, gewartet, dass sein Freund erwachte und er kurz mit ihm sprechen könnte. Aber warum hatte sich Vincent nicht von seinem General und Freund Marcus Bronn eine Unterkunft zuweisen lassen? Warum hockte er hier in unbequemer Haltung auf einem harten Stuhl, bis der Schlaf ihn übermannte? Doch nicht, weil er sich um Caleb sorgte oder war das tatsächlich der Grund?
Der Prinz weilte noch tiefer im Reich der Träume als sein Diener zuvor. Er hatte zwar aufgebrummt, als Calebs Magen ein deutliches Hungerzeichen von sich gab, nun hörte man allerdings nur noch seine tiefe Atmung, begleitet von einem nasalen Schnarchen. Er rührte sich kaum, so dass die Decke, die ihm eine andere Heilergehilfin fürsorglich über die Schultern gelegt hatte, nicht von selbigen herunter rutschte. Warum man den Thronfolger jedoch nicht geweckt und aus dem Lazarett geführt hatte, blieb bislang unbeantwortet.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Mittwoch 7. März 2012, 02:23

Eigentlich wollte Caleb weiterschlafen. Nicht nur, dass es für ihn nichts zu tun gab, er würde auch noch den halben Tag müde sein, wenn er jetzt aufstand. Und wer wusste schon, was als nächstes passieren würde. Vielleicht griffen die Jorsaner morgen wieder an, oder der Prinz begann seine Kriegsvorbereitungen und das gesamte Lager würde in Aufruhr geraten. Es würde viel zu tun geben in nächster Zeit, und da konnte er es sich nicht erlauben weiterhin zu schwächeln und dem Thronerbe ein Klotz am Bein zu sein. Wahrscheinlich hatte dieser mit Bronn bereits darüber beraten, ihn in eine Kundschafterausbildung oder etwas ähnliches zu stecken, damit er nicht weiter stören konnte.
Von trüber werdenden Gedanken geplagt, ohne wirklich die erhoffte Müdigkeit zu spüren, wälzte sich Caleb herum und-
-fiel beinahe aus dem Bett. Ruckartig war er zurück gezuckt und mit dem Oberkörper halb über die Matrazenkante gerutscht. Hektisch hatte er sich mit der Hand auf dem Dielenboden abstützen müssen, um nicht doch hinunter zu gleiten.
Im Dunkeln hätte Caleb den Prinzen wirklich überall erkannt, und so war er besonders erschrocken darüber, dass dieser praktisch genau neben ihm schlief. Der Schreck kroch nur langsam aus seinen Knochen und in diesem Moment wusste er, dass es sinnlos war zu versuchen einzuschlafen. Jetzt war er endgültig wach. Was machte der Prinz überhaupt hier, sollte er nicht bei Aleksander sein, oder bei Bronn, oder in irgend einer Prinzensuite. Caleb kam sich dumm bei dem Gedanken vor, dass es in einem Soldatendorf wie Troman so etwas geben könnte.
Seufzend setzte er sich auf, rieb sich mit den Handrücken die Augen, wobei er wirklich wie eine Katze wirkte, bevor er sich langsam umsah. Das Lazarett war ein länglicher Raum, der im letzten Drittel durch Vorhänge abgetrennt war. Anscheinend lagen dort die am schwersten Verletzten, was erklärte warum von dort das meiste Stöhnen kam, und man den restlichen Verwundeten den Anblick ersparte. Caleb ließ den Blick bewusst langsam schweifen, um nicht die selbe Reaktion wie am Vortag zu erleiden. Die Informationen flossen so nur allmählich in ihn hinein und er konnte sie gut verarbeiten - was wirklich kein Vergnügen war. Auch wenn er sich nur von leicht verletzen umgeben sah, so war das Bild der Folgen eines Kampfes nie ein Angenehmes. So viele schmerzverzerrte Grimassen und rote durchtränkte Verbände.
Unbewusst krallten sich seine Hände in die Decke, die man ihm gegeben hatte, und zogen sie höher, als könnte der Stoff eine Wand formen, die jene Bilder von ihm fern hielt. Sein Blick wandte sich unvermittelt dem Prinzen zu. So friedlich wie er hier schlief; war er wirklich bereit, das selbe Bild absichtlich hervor zu rufen? Und wahrscheinlich in noch viel grausamerer Art und Weise?
Ein Schnarcher fuhr durch den Prinzen und Caleb musste grinsen. Aber die Belustigung darin wandte sich schnell in Sorge und ließen sein Lächeln traurig wirken. Er wagte es kaum, sich vorzustellen, was alles passieren könnte. Im Krieg. Im Kampf. Blut und Tod. Er wollte das nicht! Nicht für den Prinzen, nicht für Bronn und den netten Hauptman, oder Madleen, die so nett zu ihm gewesen war.
Fast schon flehend streckte Caleb die Hand nach dem Prinzen aus, als könnte seine Berührung den Prinzen umstimmen.
Ein weiterer Schnarcher ließ ihn zurückschrecken. Rot anlaufend atmete Caleb scharf ein. Was tat er hier eigentlich? Er brauchte frische Luft.
Übereilt versuchte Caleb aufzustehen, aber seine Beine waren schwabbelig wie Stroh und der überraschende Höhenunterschied machte seinen Kopf wirr, wodurch er praktisch sofort wieder auf die Strohmatraze zurück fiel. Der Aufprall fuhr auch durch den Prinzen und sein Kopf hüpfte einen Zoll nach oben, was seinen Schnarchrhythmus kurz störte, aber er wachte nicht auf.
Der zweite, langsamere Anlauf gelang, auch wenn Caleb immer noch unsicher auf den Beinen war. Den Ausgang fand Caleb, nachdem er sich einmal umgesehen hatte, auch blind. Da er sich nur zu gut an den Vortag erinnerte, schloss er wirklich die Augen und bewegten sich nur in seiner Erinnerung vorwärts. Die Tür knarrte, das Holz musste schon alt sein, und ein oder zwei verschlafen gemurmelte Beschwerden folgten ihm in die Nacht hinaus. Es war kühl, was die Nachtluft erfrischend machte und Caleb atmete tief ein.
Kurz öffnete er die Augen. Das Bild brannte und reihte sich ein, ergänzte jene, die er schon im Kopf hatte. Eine Wache stand neben der Tür und Caleb fragte sich, ob es nicht so etwas wie eine Ausgangssperre gab. Andererseits war er sich auch nicht sicher, wohin er hätte gehen wollen.
Er spielte das Spiel erneut, wagte einen Blick und speicherte das Bild ohne etwas von der Verwirrung und Überflutung des gestrigen Tages zu merken.
Sein Magen meldete sich; laut. Die Wache musste es gehört haben, und Caleb lief rot an.
Noch zwei Herzschläge wartete er, atmete noch ein mal die frische Luft, dann floh er ins Lazarett zurück. Die Tür machte die selben Geräusche, nur rückwärts und Caleb hätte es bereits nachahmen können. Mit offenen Augen sah er sich nun um, da er große Teile dieser Szene schon kannte. Er wollte Madleen suchen, vielleicht wusste sie, wo man etwas zu Essen auftreiben konnte. Mit vollem Magen würde er in ein oder zwei Stunden vielleicht noch etwas schlafen können.
War nicht eben noch eine der Heilerinnen hier Kontrolle gelaufen? Wo war sie hin? Vielleicht waren sie hinten bei den Dchwerverletzen, die sicher auch nachts ihrer Hilfe bedurften. Also begab sich Caleb dorthin. Ohne zu wissen, was ihn erwartete, schob er die Vorhänge beiseite, die das Lazarett in zwei Abschnitte einteilte...

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 7. März 2012, 22:05

Der Prinz gab ein leises Schnauben von sich, als sein Kopf unsanft etwas nach oben wippte, nur um wieder auf den muskulösen Unterarmen zu landen. Er schmatzte im Schlaf, eine Strähne rutschte über seine Stirn. Aber er schlief weiter. Calebs schreckhafte Reaktion ob seiner Anwesenheit an seinem Bett hatte ihn nicht wecken können. Gut so, denn auch der Prinz brauchte Schlaf. Im Grunde weitaus bequemeren als diesen hier, wenn er umsetzen wollte, was er seinem Diener verraten hatte. Wenn er Krieg führen wollte. Aber warum hatte er sich dann nicht zurückgezogen? Es hätte doch genügt, Caleb eine Nachricht zu hinterlassen! Der Hybrid würde die Antwort von selbst nicht finden, wenn er Vincent nicht fragte, sobald dieser wieder wach war. Jetzt jedoch war der Zeitpunkt dazu noch nicht gekommen. Caleb brauchte erst einmal frische Luft, also schlich er sich zur Tür. Er versuchte es. Seine Beine wirkten noch ein wenig wie Pudding. Der gute, sonnengelbe Pudding, den es in Grandea immer zum Mittag gab - natürlich für die königliche Familie und nicht für das Gesinde. Aber Caleb hatte schon zusehen dürfen, wie die oberen Köche die Feinspeise zubereiteten. Zutaten waren Milch und etwas, das sich Vanille nannte. Das war ein teures Luxusgut, welches man nur im Urwald Kapayu fand. Dementsprechend hoch war auch das Gefahrenrisiko für denjenigen, der es beschaffen sollte. Aber für den Gaumen eines Königs war nichts zu teuer!
Caleb hatte natürlich noch niemals Pudding gekostet. Für heimliche Naschereien hätte man ihm die Zunge abgehackt! Sein Magen würde derzeit aber sogar die Zunge für einen Kanten hartes Brot geben. Er machte laut knurrend auf sich aufmerksam, so dass sogar dieser fremde Wächter zu Caleb herüber schaute, der neben dem Lazarett postiert stand. Er musterte den Hybriden - seine Ohren - und runzelte die Stirn. "Geh wieder rein, du erkältest dich noch", wies er den Junge an, aber da hatte sich dieser schon längst aus dem Staub und zurück ins Innere gemacht.

Da stand er nun mitten in der Dunkelheit und konnte doch besser sehen als alle anderen, die sich offenbar in der Barracke befanden. Vorhin hatte ihn die Kerze einer umher streifenden Krankenschwester beinahe geblendet. Jetzt schien die Frau verschwunden zu sein. Da zuckten Calebs Ohren wie aus Reflex, richteten sich zum anderen Ende des langen Raumes aus. Dort trennten Vorhänge den letzten Abschnitt des Gebäudes ab, schufen auf diese Weise künstlich einen zweiten Raum. Aber die leisen Stimmen drangen trotzdem bis zum anderen Ende der Baracke herüber. Caleb konnte das Murmeln beinahe entziffern. Wortfetzen fanden den Weg in seinen Kopf, wo sie sofort verarbeitet wurden. Die Personen, die dort sprachen, waren ein Mann und zwei Frauen. Sie unterhielt sich auf Garmisch.
"... abtupfen! Danke. Gut, jetzt brauche ich diese Klammer."
"Wie konnte das passieren? Ich habe ihn doch am Bett fixiert."
"So etwas kommt schon mal vor. Er hatte sich ja auch ziemlich aufgeregt. Unser Prinz konnte nicht wissen, dass er von Marlins Tod noch keine Kenntnis hatte."

Ein Seufzen erklang. Dann sprach eine Frau, eindeutig Madleen. "Passiert ist passiert, da kannst du nichts für, Derenja. Wichtig ist, dass wir die Blutung jetzt stoppen und alles desinfizieren, damit sich der Stumpf nicht entzündet."
"Das wäre wirklich der schlimmste Fall"
, antwortete der fremde Mann. "Also dann, meine Damen: Konzentration. Madleen, Ihr assistiert mir und Derenja, du reichst uns die nötigen Utensilien." Man hörte es leicht scheppern. Hinter dem Vorhang wurde eifrig gewerkelt. Offenbar war die Krankenschwester mit der Kerze diese Derenja und nur deshalb verschwunden, weil sie jetzt dringend gebraucht wurde.
Jemand stöhnte unter Schmerzen auf. Dann wurde der Vorhang beiseite geschoben, nur ein Stück. Es genügte, dass Caleb mit seinen scharfen Augen einen Blick auf ein mit Blut beflecktes Bett werfen konnte, in dem ein junger Mann lag. Seine Stirn war schweißnass, ebenso die Brust, denn der Oberkörper lag frei. So konnte Caleb auch den Armstumpf erkennen. Es war der rechte, der Schwertarm, welcher amputiert worden war. Der Stumpf sah nicht sehr gut aus. Er blutete stark, aber Sorgen bereiteten den Medicus und Madleen derzeit wohl eher die Hautränder. Diese hatten sich gelblich verfärbt, an manchen Stellen erkannte man eine dunkle Kruste. Da bestand kein Zweifel, dass dies kein Teil des natürlichen Heilungsprozesses war.
Der Medicus blickte auf. Er war ein hagerer Kerl, der vermutlich älter aussah als er letztendlich war. Er trug Augengläser von beträchtlicher Dicke, das rötlich schimmernde Haar war zerzaust. Irgendwie wirkte der Mann übermüdet. Vielleicht lag es aber auch an der grauen Haut. Sie war lange nicht so bleich wie Calebs, wies jedoch mangelnde Bewegung im Sonnenschein auf. Der Mann befand sich wohl meistens im Haus. Seine Brauen - dick und buschig - zogen sich zusammen. "Derenja, wer ist das? Bring den Patienten zurück ins Bett und dann hol Wasser, wie ich es aufgetragen habe."
Die Schwester, welche den Vorhang beiseite geschoben hatte, nickte. Nun zog sie besagten Raumtrenner wieder zu. Caleb sollte nicht Zeuge dieser Behandlung werden. Sie kam auf ihn zu und schaute ihn fragend an. Derenja war jünger als Madleen, viel jünger. Sie könnte sogar etwa in Calebs Alter sein. Ihr Haar war unter der Heilerinnenhaube verborgen. "Kann ich dir helfen? Brauchst du etwas?", fragte sie freundlich und betont ruhig.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Donnerstag 8. März 2012, 02:27

Da Caleb am Hof aufgewachsen war, und zwischen Dienern und Adligen für gewöhnlich celcianisch gespochen wurde, was auch auf Besuche anderer Adliger, natürlich besonders von weiter entfernten Gegenden zutraf, hatte er nie den direkten Zugang zum Garmischen gehabt, obwohl es eigentlich jeder in Grandessa sprach. Das ganze hatte sich schlagartig geändert, als er ein Sammelbuch aller bekannten garmischen Wörter aus dem Regel der Bibliothek gezogen hatte. Die wenige Zeit, die er ungesehen mit dem Buch verbringen konnte, war kaum genug gewesen um es halb durchzusehen, aber Caleb hatte eine gewisse Neugier der Sprache gegenüber gezeigt, da es nicht unüblich war, dass er mit konfrontiert wurde, und so hatte das Buch öfter stibitzt, als gut für ihn gewesen wäre, hätte man ihn erwischt. Seine Aussprache hatte er kaum üben können, da er nicht einfach anfangen konnte garmisch zureden, ohne dass man nachvollziehen konnte, woher er es konnte, aber verstand es inzwischen perfekt und hatte so auch die Grammatik und Formulierungen verinnerlicht. Sprechen würde er es mit Derenja dennoch nicht.
Tatsächlich sah er geradewegs durch sie hindurch, sie schien gar nicht dort zu stehen. Sein Verstand hielt ihm das Bild des leicht geöffneten Vorgangs vor die Augen, zusammen mit der furchtbaren Wunde, die er nur allzu gut hatte sehen können. Sein hungriges Magengefühl verwandelte sich in ein mulmiges und er musste aufstoßen. Sich die Hand vor den Mund halten, schluckte er und musste husten ob des widerlichen Geschmacks, den die Magensäure in seinem Rachen hinterlassen hatte. Sein Bauch krampfte sich unangenehm zusammen, was die Hand, die er dorthin führte, auch nicht ändern konnte. Er wollte sich setzen, aber ihn umgaben nur Pritschen mit weiteren Verletzen.
Erst jetzt wurde er sich der Frau - oder dem Mädchen - vor sich gewahr, aber sein Hunger war wie weggeblasen. Zumindest für den Moment.
Das Bild der Wunde wollte einfach nicht verschwinden. Es sah schlimm aus. War Aleksandern überhaupt außer Lebensgefahr? Und was würde der Prinz wohl sagen, wenn er wüsste, dass es seinem Freund wegen seinen Worten nun noch schlechter ging? Er hatte schlecht wissen können, dass man seinem Freund die traurige Nachricht noch nicht überbracht hatte, die Heilerinnen hätten es ihm gleich sagen sollen, als er das Lazarett betreten hatte.
"Bin...war nur hungrig. Hab' das letzte Mal etwa zur Mittagsstunde etwas gegessen. Aber das ist nicht weiter wichtig, hohl erst das Wasser für den armen Aleksander..."
Schrecklich. Caleb konnte sich gar nicht vorstellen, was für Schmerzen der Freund des Prinzen gerade durchleiden musste. Gab es hier denn keine Lichtmagier, die ihm hätte helfen können? Der Katzenjunge machte der Heilerin Platz und begab sich wieder zurück zu seiner eigenen Schlafstatt.
Vielleicht gab es eine Art Vorratsschrank, den sie ihm zeigen konnte. Er würde schon nicht gierig sein, wenn er sich selbst bediente. Sie sollte ruhig erst wichtigeren Dingen nachgegen, immer hin würde sein Appetit erst in den nächsten Minuten wieder aufflammen, auch wenn er nicht mehr vergessen würde, was er gerade gesehen hatte.
Schwer seufzend ließ sich Caleb auf die Matraze nieder. Wenn er schon vor dem eigentlich Krieg solche Reaktionen zeigte, was würde dann erst passieren wenn...
Natürlich kam ihm jetzt das Bild des Prinzen in den Kopf, mit eben dieser Wunde, ohne Arm. Ruckartig dreckte sich sein Kopf zu der schlafenden Gestalt neben ihm, wie um sich zu vergewissern, dass es keine solche Verletzung am Prinzen gab. War es wirklich bequem so zu schlafen? So mit gekrümmten Rücken, auf dem Armen, die bestimmt schon taub waren. Der Prinz, wenn er schon nicht sein eigenes Zimmer beziehen wollte, könnte zumindest seine Strohliege haben, wo er doch selbst wach war, und wohl nicht ohne weiteres würde weiterschlafen können. Außerdem würde er wesentlich glaubwürdiger aussehen, wenn sich der Diener zum schlafen auf den harten Stuhl setzte, anstatt des Herrn.
Leise ging Caleb um den Stuhl herum und versuchte eine Möglichkeit zu finden, wie er den Prinzen auf die Matratze hieven konnte. Nicht gerade leicht, denn der Prinz war um einiges großer als er selbst, und auch massiger, wenn auch nicht unbedingt durch den Fettanteil. Aber der Prinz lag ja schon mit Armen und Kopf auf dem Strohpolster, also konnte es ja nicht so schwer sein auch den Rest dort hin zu bekommen, ohne den schnarchenden Thromfolger aufzuwecken, was keineswegs in der Absicht des Dieners lag.
Vielleicht würde der Prinz auch im Schlaf der vorgegebenen Bewegung folgen und sich selbst auf die Liege legen. Hoffentlich.
Jedesfalls hatte Caleb keine wirklich bessere Idee, als dem Prinzen unter die Arme zu greifen und zu versuchen ihn schlicht auf die Matratze zu ziehen. Ob das funktionierte?

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Freitag 9. März 2012, 14:18

Derenja folgte Calebs Blick mit ihrem und runzelte die Stirn. Wie konnte er die Szenerie, die sich hinter dem Vorhang abspielte, gut genug erkennen, um dermaßen darauf zu reagieren? Sie bemerkte, wie eine Hand vor den Mund und die andere auf den Magen fuhr. Dieser Junge hatte doch unmöglich alles sehen können! Vielleicht besaß er aber auch nur sehr gute Augen oder er nahm den beißenden Geruch der eitrigen Wunde wahr, um die sich Madleen und der Herr Doktor gerade kümmerten. Der Duft konnte durchaus einen Brechreiz auslösen und Derenja wusste nicht, ob dieser Junge zart besaitet war.
Rasch zog sie den Vorhang zurück, so dass Caleb der weitere Blick auf die Behandlungsszene verwehrt wurde. Sofort wandte sie sich ihm zu und stieß einen Anteil habenden Laut aus, als der Patient ihr mitteilte, wann er das letzte Mal etwas zu Essen bekommen hatte. Sie ergriff seinen Arm, drehte Caleb vom Vorhang weg und sprach beruhigend auf ihn ein. "Geh zurück in dein Bett. Auf dem Nachttisch daneben solltest du eine Kerze und Streichhölzer finden. Wir legen immer welche neben den Betten der Patienten bereits, falls sie nachts austreten müssen. Zünde die Kerze an, dann finde ich deinen Schlafplatz schneller. Ich hole Wasser und eine Kleinigkeit, um deinen Magen zu füllen. Ich bin gleich zurück." Sie huschte in das Dunkel des Raumes. Hinter dem Vorhang erhob sich von Schmerz begleitetes Ächzen und leise Anweisungen des Medicus.
Caleb begab sich derweil zum Bett zurück. Seine Gedanken kreisten um die eben gesehene Szene und seinen Prinzen als Protagonist in einem fürchterlichen Wachtraum. Aber Vincent von Grandessa ging es gut. Er lag noch immer vornüber gebeugt auf dem Bett, seine Atmung hatte sich kaum verändert. Der Schlaf hielt an. Da es ihm unpassend erschien, den Thronfolger auf einem unbequemen Stuhl schlafen zu lassen, wo sein eigenes Bett doch frei war, versuchte er ihn auf die Schlafstatt zu hieven. Caleb konnte ja nicht ahnen, dass der Schlaf seines Prinzen derzeit nicht mehr ganz so tief war wie wenige Augenblicke zuvor. Und er wusste wohl auch nicht, dass sich Vincents Gemüt verändert hatte. Er war mit dem Bewusstsein ins Reich der Träume geglitten, sich nun in Troman zu befinden - dem Grenzdorf Grandessas, das häufig von den feindlichen Jorsanern angegriffen wurde. Dementsprechend erhöht war auch seine Wachsamkeit, selbst wenn er schlief. Als Soldat lernte man solches Verhalten.
Ruckartig riss es den Prinzen hoch. Seine Hände fuhren sofort zu den Achseln, wo Caleb ihn festhielt. Er packte nach den Handgelenken des Hybriden und zischte: "Elender Jorsaner, versuchst du mich umzubringen? Das wird dir nicht gelingen!" Noch ehe Caleb die Möglichkeit hatte, eine Antwort oder sonst etwas von sich zu geben, setzte Prinz Vincent eine waffenlose Kampftechnik ein. Caleb wurde von den Füßen gehoben und wie ein Ball über den Prinzen hinweg befördert, nur um mit einem unsanften Aufprall auf seinem Bauch zu landen. Die Matratze unter ihm gab ein raschelndes Geräusch von sich. In den Handgelenken des Hybriden pulsierte Schmerz. Vincent hatte sie mit seiner Aktion leicht verdreht. Er selbst besaß nun die Möglichkeit, sich auf Caleb zu stürzen, was er sofort in die Tat umsetzte.
"Wo ist mein Schwert?" Er stieß einen Fluch aus, wägte sich ja noch immer von einem Feind attackiert. So drückte er Caleb mit aller Kraft auf das Bett, bereit, ihm jederzeit einen Hieb zu verpassen, mangels besserer Waffen.

Erst als Derenja plötzlich bei beiden auftauchte, bemerkte auch der Prinz seinen Fehler. Die Krankenschwester keuchte und ließ beinahe das Tablett mit einer Mahlzeit für Caleb, sowie einer Kanne Milch darauf, fallen. In letzter Sekunde gelang es ihr, das Vorbereitete auf dem Nachttisch abzustellen. Lediglich die kleine Schachtel mit den Streichhälzern polterte nun zu Boden.
"Was geht hier vor?", brachte Derenja entsetzt und auch mit ein wenig Empörung in der Stimme hervor. "Was macht Ihr mit dem Küchenjungen des Prinzen?!" Endlich ließ Vincent von Caleb ab. "Ich bin besagter Prinz", antwortete er. Dann berührte er Caleb vorsichtig an der Schulter, um ihn herum zu drehen, dass er sein Gesicht im matten Mondschein erkennen konnte. "Warum greifst du mich im Schlaf an?", wollte er wissen.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Samstag 10. März 2012, 02:22

Kaum war der Prinz aufgewacht, hatte Caleb versucht von ihm abzulassen, aber das plötzliche Geschrei überraschte ihn und gab dem Prinzen genug Zeit ihn beiden Handgelenken zu packen. Die Welt bestand in den nächsten gefühlten Sekunden für den Katzenjungen nur aus dunklen Farbschlieren und in seinen Ohren begann es zu rauschen. Der folgenden Aufprall ließ ihn hoch aufkeuchen und das Stroh der Matratze stach ihm selbst durch den Wappenrock. Seine Handgelenke fühlten sich an, als hätte er sie in Brennnesseln gehalten und schon wollte sich Caleb aufrappeln; da landete etwas unglaublich schweres auf ihm, das sich kurz danach als der Prinz herausstellte.
Unter normalen Umständen hätte der Diener wohl ganz anders auf diese Situation reagiert, aber jetzt - hatte er einfach Angst.
Das Gewicht drückte ihn nach unten, sein Gesicht in den Stoff unter sich und er schnappte panisch nach Luft, die kurz zuvor aus seinem Körper gepummt worden war. Instinktiv versuchte er sich zu wehren, aber der Kraft des Prinzen konnte er nichts entgegensetzen. Er war gefangen, und es tat weh. Er wollte schreien, aber sein Mund war verstopft. In seinem Kopf drehte sich alles, aber langsam begriff er, dass der Prinz ihn für einen Jorsaner hielt. Wenn dieser einen schweren Gegenstand, oder gar eine Klinge in die Hand bekam, würde er nicht zögern sie einzusetzen!
Doch bevor Caleb komplett in Panik ausbrechen konnte, ließ der Prinz von ihm ab. Er glaubte, die Stimme von Derenja gehört zu haben, aber hatte kein Wort verstanden. Sanfter - etwas, dass Caleb in diesem Zustand gar nicht mehr anzuerkennen vermochte - wurde er auf den Rücken gedreht. Wie ein Ertrinkender atmete er auf, spürte noch den stumpfen Geschmack des Stoffs im Mund. Seine Augen waren geweitet vor Schock, groß und rund fast wie die normaler Menschen, und seine Ohren hoch aufgestellt, gerade so als wären sie ebenso aufgeschreckt. Er zitterte am ganzen Körper und hätte gewimmert, wäre ihm nicht jeder Laut im Halse stecken geblieben.
Doch als der Prinz ihm, den er nun erkannt hatte, unterstellte, ihn im Schlaf angegriffen zu haben, grollte in Caleb etwas anderes auf als Angst und Schreck. Wut. Er vergaß sich.
"Angegriffen?! Ich wollte dich bloß auf die Matratze legen, damit du bequemer schlafen würdest, und als Dank fällst du über mich her!"
Für eine Sekunde sah er aus wie eine fauchende Katze, die Ohren nach hinten gedreht, der Mund so in Bewegung, dass es beinahe wie zurückgezogene Lefzen wirkte, was ihm zusammen mit den zusammen gezogenen Augenbrauchen eine bedrohlichere Aura gegeben hätte, wäre er selbst überhaupt eine 'bedrohliche' Erscheinung. Wie konnte er Prinz nur glauben, dass er so etwas tun könnte? Er hätte genau in dem Moment, wo er ihn erkannt hatte, merken müssen, dass es ein Verse-
Der Moment verflog schneller, als er gekommen war.
Für einen weiteren Augenblick starrte Caleb den Prinzen nur an, dann weiteten sich seine Augen noch mehr in Angesicht dessen, was er gerade gesagt hatte. Schockiert hielt er sich beide Hände vor den Mund, zusammen mit einem scharfen Lufteinziehen. Er hatte den Prinzen angeschrieen! Der Schreck des Angriff war verflogen und hatte einem noch viel Schlimmeren Platz gemacht. Ein panischer Seitenblick zeigte ihm, dass Derenja wirklich dort stand, und alles gehört hatte.
Vor Scham versank er nicht nur sprichwörtlich im Boden, sondern ging vor dem Prinzen in die Knie. Seine Ohren waren immer noch nach hinten gestellt, aber nun wirkte es wie die unterwürfigste Geste, die er hätte vollführen können. In sich zusammen gesunken, hielt er sich unbewusst mit der rechten das schmerzende linke Handgelenk, aber der Blick starrte sturr auf den Boden. Er begann wieder zu zittern.
"V-V-erzeiht, H-Herr. Wollte...h-hätte n-n-n-icht...J-Jede Strafe wäre a-angemessen!"
Es war ein Wunder, das Caleb nie begann zu weinen. Obwohl, lange würde es nicht dauern, bis er auch damit anfangen würde.
Er hatte den Prinzen angeschrieen! Ihn ohne Titel angesprochen! Ihn beschimpft! Der Prinz hatte jedes Recht, mit ihm zu tun was er wollte, und Derenja würde keinen Zweifel daran erwachsen lassen, dass die Strafe gerecht war, wenn jemand fragen würde. Im Grendessa, das in den von Vorurteilen geschwängerten Köpfen der Jorsaner existierte, hätte Caleb wohl gerade sein Todesurteil getroffen, aber was würde in der Realität passieren?

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Sonntag 11. März 2012, 09:55

Derenja hielt die Luft an. Auch sie hatte beide Hände vor den Mund geschlagen, starrte nun zu dem Nachtschwärmer von Patienten, der eigentlich nur hungrig gewesen war. Sie blinzelte mehrfach. Niemand hatte ihr gesagt, dass es sich bei dem jungen Mann an seinem Bett um Prinz Vincent persönlich handelte. Dass er und sein Küchenjunge wohl vertrauter miteinander umgingen, schien nach den Worten des katzenhaften Jungen klar. Das gab ihm aber doch noch lange nicht das Recht, einen waschechten Prinzen auf diese beleidigend direkte Art anzufahren!
Derenja stand still, rührte sich keinen Millimeter. Lediglich ihre Lider schlugen hin und wieder, damit die Augen nicht austrockneten. Wie konnte dieser Junge nur den künftigen Thronfolger so anbrüllen?! Aus einigen anderen Betten drang leichtes Stöhnen und Murmeln an ihrer aller Ohren. Andere Patienten waren von dem Krach geweckt worden. Sie brummelten etwas oder baten um Hilfe durch einen Heiler, da mit dem Erwachen der Schmerz bei vielen sofort wieder Einzug hielt. Für einen Moment zögerte Derenja. Dann aber wandte sie sich von der Szene zwischen dem Prinzen und seinem Küchenjungen mit den Katzenohren ab. Sie hatte Pflichten zu erfüllen und es war unhöflich so zu starren. Schon huschte sie die Reihen der anderen Betten und Liegepritschen ab, um nach dem Rechten zu sehen.
Prinz Vincent der IV. hatte in all der Zeit keinen Ton von sich gegeben. Er stand da, aufrecht, die Schultern gestrafft. Er besaß wahrhaftig die Haltung eines Soldaten. Die Hände hingen ruhig zu beiden Seiten seines Körpers. Er sah Caleb an, der ihn wenige Augenblicke zuvor noch unflätig beschimpft hatte. Er betrachtete ihn, während dieser nun am ganzen Leibe zitternd auf die Knie sank und eine Entschuldigung stammelte. Seine Worte drangen vollkommen unzusammenhängend aus seinem Mund, aber noch immer regte sich der Prinz nicht. Er schaute nur auf den Diener herab. Caleb hatte ihn nicht nur beleidigt, sondern auch vollkommen seinen Rang vergessen. Mit dem vertraulichen Du hatte er ihn beschimpft. Wenn Vincent ihn auf diese Weise ansprach, was das etwas Anderes. Im Grunde konnte man es sogar als Privileg betrachten. Es gab Caleb jedoch noch lange nicht das Recht, es seinem Prinzen gleich zu tun. Worüber ärgerte sich dieser im Inneren wohl gerade mehr? Von seiner Miene ließ sich keine Haltung ablesen. Nicht einmal, wenn man so nachtscharfe Augen wie Caleb besaß. Seine Mimik blieb unbewegt, geradezu statuenhaft. Lediglich die Augen waren leicht geweitet, das konnte allerdings auch nur einen Versuch darstellen, die Konturen in der Dunkelheit besser zu erkennen.
"Strafe", sagte der Prinz dann plötzlich und das Wort - obwohl nur leise ausgesprochen - hallte irgendwie von den Wänden der gesamten Baracke wider. Selbst einige der geweckten Patienten verstummten, um die Ohren zu spitzen.
Vincent griff vor. Seine Hand, die viel größer und kräftiger als Calebs war, schnappte den Küchenjungen am Saum seiner Bekleidung. Er hob ihn direkt an der Kapuze hoch, zurück auf die Füße. Verstohlen warf der Prinz einen Blick auf die anderen Anwesenden der Baracke. "Wir klären das draußen", drangen seine Worte in den Raum. Sie klangen hart, geradezu streng. Er zerrte Caleb ein Stückchen mit sich, ehe er los ließ und voraus ging. Der Bursche konnte auch selbst laufen. Zum dritten Mal in dieser Nacht quietschte die Tür des Lazaretts. Draußen nahm der wachhabende Soldat Haltung an, salutierte als er den Prinzen erkannte. Dieser schickte ihn mit einer einzigen Handbewegung fort. Er wandte sich nicht zu Caleb um, als er sich an ihn richtete: "Gehen wir ein Stück."

Die frische Nachtluft tat gut. Sie belebte den Geist und ihr Hauch weckte auch noch den letzten Rest. Müdigkeit und Schläfrigkeit wurden für einen Moment vertrieben, aber vermutlich stand der Katzenhybrid ohnehin unter genug Anspannung, dass an Schlaf nicht mehr zu denken war.
Vincent spazierte auf einem breiten Pfad, der zwischen den Baracken von Soldaten und vereinzelten Bauernunterkünften hindurch führte. Die Nacht war seltsam ruhig. Es zirpten vereinzelte Grillen, Falter flatterten durch die Schwärze, angezogen vom Licht der wenigen Laternen, die man zu Orientierungszwecken brennen ließ. Auf den Palisaden patrouillierten Nachtwachen. Sie trugen ebenfalls Laternen und kleine Feuer brannten in gusseisernen Kohlebecken. Es roch nach verbranntem Holz.
"Strafe", begann der Prinz endlich wieder und blieb stehen. Seine Hände waren hinter dem Rücken verschränkt. Er blickte zu den wenigen Sternen auf, die man durch die nächtliche Wolkendecke ausmachen konnte. "Die haben wir wohl beide verdient. Es tut mir leid, falls ich dir wehgetan haben sollte." Er seufzte. "In Troman ist man vorsichtiger und Schlaf etwas, das man nicht in vollen Zügen genießen kann. Du wirst es lernen, Caleb, denn wir kehren nicht nach Grandea zurück. Wir bleiben hier. Ich will meine Pläne umsetzen, entschlossener denn je." Auf diese Entscheidung hatte Aleksanders Zustand sicherlich einigen Einfluss genommen.
Da drehte sich der Prinz endlich zu seinem Diener um. Er lächelte, wenn auch schwach. "Bist du hungrig? Ich habe seit der Ankunft nichts mehr gegessen. Die Taverne mag schon geschlossen sein, aber im Wachstübchen bekommen wir sicherlich noch eine Mahlzeit, wenn wir freundlich fragen."
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Sonntag 11. März 2012, 14:35

Die Umgebung begann sich zu regen, geweckt vom Geschrei und Calebs Ohren trugen ihm all dies zu. Mehrere Verletzte waren aufgewacht und jene, die nicht sofort nach einer Heilerin rufen mussten, um ihre Schmerzen zu tilgen, richteten ihre Aufmerksamkeit beinahe sofort auf den Prinzen und seinen Diener. Sie wurden in wenigen Momenten zum Mittelpunkt des Lazaretts und Caleb starrte eisern gen Boden. Ihm graute davor die Blicke zu sehen, die gespannt darauf warteten, was ihm wohl für eine Strafe auferlegt wurde. Der Prinz sagte nur ein Wort, und das Zittern seines Dieners verwandelte sich in versteinerte Starre. Irgendwo in den hinteren Reihen, zu weit entfernt, als dass es der Prinz hören konnte, vernahm Caleb einen vorfreudigen Laut. Der Prinz zog ihn barsch auf die Füße und es hätte den Katzenjungen nicht gewundert, wenn ihm direkt eine Faust ins Gesicht geflogen wäre.
Sein Inneres glaubte noch daran, dass in seinem Herr ein gutes, besser Herz schlug als das seines Vaters, aber hier, umringt von all diesen erwartungsvollen Blicken würde er sich kaum zurückhalten dürfen. Wie viel hatten die gerade erst Erwachten mitbekommen, um nachvollziehen zu können, welche Strafe Caleb eigentlich erwartete?
Um so unerwarteter kam der flüchtige Seitenblick des Prinzen, gefolgt von einer Flucht; anders konnte er es nicht beschreiben. Der Prinz gab sich streng und herrisch, aber Caleb glaubte dem Bild irgendwie nicht. Wollte sein Herr ihn denn nicht bestrafen? Brachte er ihn fort von all den Soldaten, die anderes gewöhnt waren, um ihn, seinen Diener, zu schützen?
Er folgte ihm bereitwillig, wenn auch zweifelnd. Oder erwartete ihn seine Strafe draußen? Würde er ihn einfach nach Grandessa zurück schicken, aus seinen Diensten entlassen und zwingen,Troman zu verlassen? Ja, dieser Gedanke kam Caleb wirklich, wenn er auch - anfangs vielleicht erschreckend - schnell gegen einen anderen verlor. Vielleicht bildete er sich das nur ein, aber nachdem sie auch die Wache vor dem Lazarett passiert hatten und der Prinz ihn aufforderte, mit ihm ein Stück zu gehen, war sich Caleb beinahe sicher: Der Prinz wollte ihn gar nicht bestrafen!

Das flackernde Zwielicht gefiel Caleb, und auch das Bild, dass Troman ihn dem orangenen Farben abgab. Die Nacht war ihm schon immer lieber gewesen, was offensichtlich war. Selbst richtige Katzen streunerten lieber durch die Dunkelheit. Lediglich die Wachen auf den Palisaden und das ständige Gefühl, sich irgendwie in Gefahr, im Krieg zu befinden, beunruhigte den jungen Hybriden sehr, vor allem, da er nicht wusste, was er tun würde, wenn von den Wachtürmen der Ruf käme, dass Troman angegriffen wurde.
Die Katzenohren immer noch unterwürfig nach hinten weggedreht, folgte er seinen Herr, unwissend, wo dieser hinsteuerte. Sie gingen nicht den Weg zum Brunnen zurück, soviel war sicher. Somit war Caleb doppel dankbar, dass es Nacht war. Kaum ein Mensch war zu sehen, weshalb er keine Probleme hatte, sich die Häuser und Wege einzuprägen, wenn auch gefolgt von einem leichten Pochen hinten rechts am Kopf. Ganz so einfach fiel es ihm dann doch nicht, aber wenigstens brach er nicht gleich zusammen.
"Strafe!"
Sofort erstarrte Caleb erneut, den Blick ängstlich auf das breite Kreuz des Prinzen gerichtet. Wie viel Soldat und wie viel gerechter Herrscher steckten dahinter?
Die Erklärung des Thronfolgers kam nur halb überraschend. Caleb musste sich selbst eingestehen, dass er immer noch sauer auf Prinz Vincent war, weil er selbst nachdem er ihn erkannt hatte noch an einen Angriff geglaubt hatte. Doch irgendwie konnte er ihn auch verstehen. Zwei seiner Kameraden hatte er verloren, bevor er überhaupt in den Krieg ziehen konnte. Die Nachricht musste ihm zugesetzt haben, womit es kaum verwunderlich war, dass er - wie Caleb auch, in für ihn so ungewohnten Situationen wie gerade zuvor - überreagiert hatte. Sie hatten wirklich beide Fehler gemacht.
Vorsichtig rieb sich Caleb über das rechte Handgelenk, als er dem Prinzen kleinlaut antwortete: "Tut mir auch Leid, dass ich Euch angeschrien habe, Herr. War das erste und letzte Mal, versprochen, mein Prinz! War nur...verwirrt." Ihm fiel keine bessere Erklärung ein. Es war alles so schnell gegangen, sein Kopf wollte die Hälfte davon noch gar nicht glauben, aber es war ihm wirklich passiert. Die kalte Nachtluft ließ ihn nun frösteln, und er schlang sich die Arme um den Körper.
Die Pläne des Prinzen, in Troman zu bleiben, waren auch keine Überraschung, hatte sich Caleb doch bereits darauf eingestellt, dass er mit dem Prinzen über die jorsanische Grenze reiten würde, wenn nicht sogar bis in deren Hauptstadt. Grandea würde er wohl kaum in nächster Zeit wieder sehen, und ein großer Teil von ihm war traurig darüber. Alles, was ihm vertraut war, hatte er dort zurückgelassen. Der Prinz war alles, was davon übrig geblieben war. Irella und Boran, seine Katzen, das Geheimnis dieser verstohlenen Einbrecherin. Sein Gott Feylin, der hier sicher keinen Tempel besaß und das, wie er nun feststellte, angenehme Leben.
Sein Kopf hörte nicht auf ihm das eine zu sagen: Du bist nicht für den Krieg gemacht.
War Caleb sonst von dem Prinze nicht überrumpelt worden, so taten es die letzten Worte. Der Prinz...lud ihn zum essen ein? Hatte er nicht gesehen, dass Derenja mit einer Mahlzeit für ihn gekommen war? Hatte sie nicht auch Milch dabei gehabt? Caleb dachte für einen kurzen Augenblick sogar darüber nach, zurück zu gehen; nur für die Milch. Aber ein anderer Gedanke schob sich in den Vordergrund. Warum? Und vor allem: Warum er? Zum aller ersten Mal fragte sich Caleb, ob der Prinz vielleicht doch gezielt ihn ausgesucht hatte. Hätte er einen anderen Diener auch so davon kommen lassen, sich sogar um dessen Wohl gesorgt, an dessen Bett gewacht? Würde der Prinz das für jeden tun? Wenn, dann war er wirklich ein guter Herrscher, aber was wenn, auf der anderen Seite...
Caleb riss sich von diesen Gedanken los und sah dem Prinz schüchtern an, nachdem dieser zum zu ihm herum gedreht hatte. Er war so bescheiden. Mit wenigen Worten und einem Handwink hätte sogar die Taverne für ihn um Mitternacht wieder aufgemacht und im Wachstübchen würde es das selbe sein, und trotzdem gab er sich wie ein einfacher Soldat. Ob er denn gar nicht mehr müde war? Bestimmt hatte er im Gegensatz zu Caleb nur wenige Stunden geschlafen, aber wahrscheinlich hatte der Adrenalinrausch von eben ihn genauso hellwach gemacht, wie es bei seinem Diener der Fall war.
Caleb jedenfalls konnte seinen Magen nicht länger ignorieren. Wenn er Glück hatte, hob Derenja die Milch für ihn auf...
"Hab' seit unserem Ritt nichts mehr zu mir genommen, Euer Gnaden. Das Beruhigungsmittel der Heilerin hat mich bis vor Kurzem ruhig gestellt."
Passend zu seinem Kommentar grummelte sein Magen wieder, während Caleb hoffte, dass der Prinz seinen Aussetzer der Erschöpfung durch den Ritt anrechnete und nicht weiter nachfragte, warum es ihn so von den Füßen gerissen hatte. Immerhin machte er nicht gerade einen ausdauernden Eindruck. Oder hatte ihm Madleen davon erzählt, wie er brabbelnd und sich zusammen kaunernd vor dem Lazarett gelegen hatte? Die Vorstellung grauste ihm, weshalb er versuchte zu lächeln und sich dem Prinzen auf den Weg zum Wachstübchen anschloss.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Samstag 17. März 2012, 00:23

Mit dem kleinen Spaziergang sorgte Prinz Vincent nicht nur dafür, dass Caleb und er an die frische Luft kamen und er sich in aller Form entschuldigen konnte, sondern er ersparte dem Burschen auch eine Strafe, die dieser nicht wirklich verdient hatte. Jedenfalls nicht aus Sicht seines Prinzen. Vor den Augen der Heilersgehilfin und den anderen Patienten wäre es anders gewesen. Diese konnten jetzt nur Gerüchte in die Welt streuen, der Prinz sei seiner Pflicht sofort und fernab der Blicke der Schaulustigen nachgegangen. So schadete er weder Caleb, noch seinem Ruf.
Im Dunkeln war es für Caleb wesentlich leichter, all die neuen Informationen aufzunehmen. Schatten verdeckten einen Großteil und so kam es nicht zu einer weiteren Reizüberflutung, vor allem auch, weil es jetzt viel ruhiger war als noch am frühen Nachmittag. Die Schritte des Prinzen knirschten auf dem Kiesweg, dem er folgte. Jedenfalls so lange, bis er stehen blieb. Statt einer Strafe erwarteten Caleb aber eine Entschuldigung und die Einladung auf eine Mahlzeit im Wachestübchen. Der Prinz hatte nicht bemerkt, dass Derenja für seinen Diener bereits etwas vorbereitet hatte. Wie auch? Er war damit beschäftigt gewesen, eben jenen Diener zu attackieren. Vincent wirkte tatsächlich etwas erleichtert, weil Caleb seine Entschuldigung zu akzeptieren schien. Hier zeigte er sich ihm auf einer Ebene. Es gab keinen Prinzen, keinen Diener, sondern nur einen Mann und einen Jungen, die beide unerwartet reagiert hatten.
Vincent winkte ab. "Gut, vergessen wir das Ganze. Ich könnte jetzt etwas Warmes vertragen. Ist ja nicht gerade angenehm hier draußen." Er blickte zu den Spähtürmen hinauf und es klärte sich nicht, ob er das Wetter oder die Lage des Grenzdorfes meinte. Immerhin konnte Jorsan jederzeit angreifen. Die Menschen hier lebten in ständiger Angst und doch setzten sie es fort. Tag für Tag.
"Bist du angewachsen? Nun komm schon!" Sein Prinz war ihm schon ein ganzes Stück voraus, hatte sich jetzt aber umgedreht, weil Caleb nicht gefolgt war. Gemeinsam gingen sie zum Wachstübchen am Nordtor des Dorfes. Es handelte sich um ein kleines Steingebäude, zweistöckig und mit einer Tür, die direkt auf den Wehrgang führte. So war es mit der Palisade und dem linken Spähturm verbunden. Es bot allerdings wirklich nur Platz für die wachhabenden Soldaten. Die Schlafunterkünfte fanden sich den Kiesweg herunter in den Baracken. Jeder, der sich hier aufhielt, hatte mindestens Bereitschaft.
Vier Soldaten blickten auf, als Vincent die Tür zur Wachstube aufschob und eintrat, drei der Soldaten grüßten ihn mit einem Nicken. Der Letzte aber grinste breit und kam auf ihn zu. Er hob sich nicht nur durch diese Geste von den anderen ab. Zwar besaß er die für Grandessaner typisch blassere Haut und einen kurzen Schnitt seiner dunklen Haare, aber trotz des ernsten Blicks aus seinen stahlgrauen Augen, verbarg sich dahinter doch auch etwas Schalkhaftes. Ebenso verrieten ihn die kleinen Lachfältchen in seinen Mundwinkeln. Diese traten nun deutlich hervor, während der Mann - er durfte etwas in Vincents Alter sein - die Arme ausbreitete.
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"Vince! Tut mir leid, dass ich dich bisher nicht hatte begrüßen können. Erst weckt mich niemand bei deinem Eintreffen und dann begann meine Schicht. Du siehst, die wollen dich nicht mehr in meine Nähe lassen. Bin ein zu schlechter Einfluss für dich."
Der Prinz erwiderte das Grinsen, ließ eine herzliche Umarmung zu, wobei sich beide Männer den Rücken klopften. "Es ist schön, dass du wohlauf bist, Theben."
"Nana, nur nicht emotional werden. Wen hast du da mitgebracht? Du weißt doch, kleine Mädchen sind nicht auf dem Feld gestattet. Viel zu gefährlich." Der Soldat Theben wandte sein Gesicht Caleb zu. Er erkannte ihn nicht als Jungen, aber das war dem Hybriden ja bereits häufiger passiert.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Samstag 17. März 2012, 08:23

Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen lief Caleb seinem Herrn durch die kühle Nacht hinterher, nachdem sich dieser umgedreht und nach ihm gerufen hatte. Der Kies raschelte laut unter seinen hastigen Schritten, bevor er sich wie üblich schräg hinter dem Prinzen einreihte. Nicht einmal hier draußen würde er sich trauen, mit ihm auf gleicher Höhe zu laufen. Vielleicht sah der Prinz sie hier wie auf einer Ebene, aber für Caleb war das letzten Endes zur selbstverständlich. Prinz Vincent hatte jedes Recht, ihn anzureden und mit ihm umzuspringen wie er wollte; was ihm dagegen nicht vergönnt war. Da müsste ihm der Prinz schon das Gegenteil befehlen!
In der Wachstube war es warm, was zu erwarten gewesen war. Das dagegen ein weiterer Freund des Prinzen hier sein würde, war eine kleine Überraschung. Somit fehlte nur noch Rist in der Reihe. Zumindest Theben schien wohlauf und unverletzt zu sein, war sogar in seiner bestimmt üblichen scherzhaften Art nicht eingeschränkt worden. Freizügig begrüßte er den Prinzen wie einen alten Kameraden, umarmte ihn, und wandte sich sogleich ihm zu.
Caleb reagierte wie immer - wenn er nicht gerade allein mit dem Prinzen war? - und wich dem Blick des Soldaten aus, indem er das Gesicht abwandte und auf dem Boden starrte, während seine Hand ihm die Kapuze über den Kopf zog. Sein Lächeln von kurz zuvor war in die typische ausdruckslose Miene der Diener übergewachsen, auch wenn seine erröteten Wangen sie lügen strafte. Er selbst erhob nie das Wort, um diese Missverständnisse aufzuklären, für gewöhnlich tat es der Adlige, dem er in diesem Augenblick gerade diente, oder eben nicht. Besonders Prinz Vinent's Verlobte hatte noch nie zu einer Erklärung angesetzt, egal wie weit diese Verwechslung führte. Beinahe wäre Caleb sogar nach hinten ausgewichen und damit wieder nach draußen gelangt, aber die Tür wurde von einer leichten Abendbrise zugedrückt, weshalb er kurz danach hartes Holz im Rücken spürte.
Seine Zunge schien ihre Funktion vergessen zu haben.
Stattdessen begann sein Verstand abzudriften, mit der üblichen Ausrede: Das geht vorbei, sie verlieren schnell das Interesse und widmen sich wieder dem Herrn, denkt an etwas anderes!
Diese Vertrautheit zwischen Theben und Prinz Vincent, so etwas hatte Caleb nie wirklich zwischen seinem Herrn und einem anderen Adligen beobachtet. Sie waren Freunde, nicht wahr? Prinz Vincent pflegte am Hof kaum solche Beziehungen. Alles wurde von dem höfischen Sticheleien und Ränkeschmieden überschatten, jeder Vertraute könnte dir im nächsten Moment in den Rücken fallen. Mit seinem Schwertkampflehrer verhielt er sich noch am unbezwungensten, obwohl dies wohl eher auf gegenseitigem Respekt beruhte. Aber so etwas wie richtige Freundschaft war Caleb in seinem Leben kaum begegnet. Sicher, es gab Boran und Irella, aber die waren irgendwie schon immer da gewesen. Seine Eltern, wenn man so wollte, aber 'Freunde' hatte er keine. Er hörte sie stattdessen immer reden.
"Wer ist der mit den-" "Den Katzenohren? Ignorier ihn, das ist der Schoßhund des Prinzen, war er schon immer."
Das einfache Volk und besonders die direkt unter den Adligen leidende Dienerschaft war nie gut auf die Reichen zu sprechen gewesen. Niemand hatte seine Hingabe verstanden.
Nein, er hatte wirklich keine Freunde. Aber der Prinz hatte welche, viele sogar, wie sein Diener nun feststellte.
Doch Caleb hatte auch den Schmerz im Gesicht des Thronfolgers gesehen, als er vom Tod Marlins gehört hatte. Wollte er sich irgendwann auch so elend fühlen? Sicher nicht...
Würde er sich etwa nicht so schlecht fühlen, wenn der Prinz starb? Machte das den Prinz zu seinem Freund?
Nicht wenn es einseitig ist!
Sein Verstand war undankbar rational. Quasi um ihn in dieser Aussage zu bestätigen, warf er Caleb aus der wohlig warmen Hülle der Gedanken wieder in die Wachstube.
"Ähmm...", stammelte er nur, überfordert. Er wollte Theben nicht widersprechen, immerhin hatte er recht damit, dass er garantiert nicht auf ein Schlachtfeld gehörte, "Bin zum kochen hier, für den ehrenwerten Prinzen."
Seine Stimme klang dünn, leise und fast schon emotionslos. Zu oft hatte er solche belanglose Dinge gesagt, schlicht weil er es nicht besser wusste. Tatsächlich wünschte er sich bereit jetzt, er hätte einfach gar nichts gesagt und gewartet bis der Prinz seinen Kameraden ablenkte. Wenn er Prinz es nicht befahl, hatte er eigentlich keine Stimme zu haben oder anderweitig präsent zu sein.
War er nicht hier um mit dem Prinzen zu essen? Caleb drückte sich näher an den Holzbretter hinter sich. Das konnte er sich kaum vorstellen.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Sonntag 18. März 2012, 20:12

Theben war nicht nur älter als Caleb, sondern auch größer, aber das war hier nicht schwer. Sämtliche Soldaten schienen mindestens das zwanzigste Lebensjahr hinter sich gebracht zu haben, dagegen könnte Caleb nur mit einem Wachstumsschub ankommen. Da dieser bislang nicht eingetreten war, musste er sich daran gewöhnen, dass man stets auf ihn herab schaute und auch das war für jemanden seines Schlages kein Problem. Vermutlich würde er mehr Schwierigkeiten haben, sich an Prinz Vincents neue Verhaltensmuster anzupassen. Dieser begegnete ihm schließlich fast so, als stünden sie nicht nur von Standes Wegen auf einer Ebene. Er behandelte Caleb beinahe wie einen klein wenig jüngeren Bruder. Zumindest erweckte der Prinz den Anschein und auch bei den übrigen Soldaten fand man eher freundschaftliche Bande als ein duckmäuserisches Bücken und Verbeugen vor der am Nachmittag eingetroffenen Hoheit.
Der einzige, der sich derzeit vorbeugte, war Theben. Er hatte Caleb anschauen wollen, aber dieser wich - ganz der Diener - dem Blick des anderen aus. "So schüchtern? Ich beiße nur, wenn du es willst." Der Soldat schickte sich an, Caleb die Kapuze gerade wieder zurück zu ziehen. Da hielt ihn Vincent durch eine rasche Handbewegung auf. Der Prinz besaß Reflexe. Er schüttelte den Kopf, seine Lippen formten ein sanftes Lächeln. "Vergiss deine Avancen, Theben. Das ist keine Frau."
"Ach, Lysanthor bewahre!" Theben ließ von Calebs Kapuze ab und warf die Hände über den Kopf. "In Troman gibt es nur Waschweiber und junge Bäuerinnen. Schick mir mal eine fesche Kriegerin, Vince. Nach all den Angriffen hätte ich nichts gegen ein hübsches, aber auch dominantes Häschen einzuwenden."
"Mit Hasen kann ich nicht dienen, aber Caleb hier ist eine halbe Katze. Ich wette, er hat schnell Reflexe und wird uns nützlich sein."
"Caleb, wie? Na dann, willkommen in der Armee, Caleb! Reich mir die Hand, ehe sie dir von einem jorsanischen Hund abgetrennt wird!" Theben besaß eine ganz eigene Form von Humor. Er streckte Caleb doch tatsächlich die Hand entgegen. Sie war schwielig und vernarbt, aber der Soldat besaß noch all seine Finger. Interessant war, dass er im Gegensatz zum Prinzen eher feingliedrige Finger besaß. Nicht so fein wie bei einer Frau, aber ihm war auch keine dieser gewaltigen, männlichen Pranken vergönnt gewesen. "Zum Kochen hier? Oh, da wird sich Rist aber ganz und gar nicht freuen. Armer Kerl, wird von einem Katzenjungen abgelöst. Sag mal, schnurrst du eigentlich, wenn ich dich hinter dem Ohr kraule? Kommt bei den Frauen sicher gut an. Der Herr Lysanthor hat dir da einen gemeinen Vorteil verpasst. Vor Soldaten nehmen die Mädchen hier nämlich lieber Reißaus."
"Nur vor dir, Theben. Sie kennen deine ungebundene Art."
"He, ich bin für alle Frauen Celcias da. Wäre doch schade, wenn ich mich nur an eine binden würde."
Der Prinz und sein Freund lachten herzlich. Schließlich klopfte Vincent Theben mehrmals auf die Schulter. "Gibt es hier eigentlich etwas zu essen für einen hungrigen Soldaten und seinen Gefährten?"
Theben zeigte daraufhin nur zu einem Hinterraum mit Schwingtür. Der Prinz machte sich sofort auf den Weg. Theben aber blieb zurück, musterte Caleb eine Weile. Sein schalkhaftes Lächeln ließ jedoch keine Sekunde nach. "Na komm, was stehst du so herum? Such dir einen Platz, Vince bringt euch beiden sicher gleich was aus der Küche."
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Sonntag 18. März 2012, 22:55

Vince? Daran musste sich Caleb erst noch gewöhnen. Niemand hatte dem Prinzen bisher Spitznamen gegen, nicht einmal seine Verlobte...zumindest keine netten. Waren die anderen drei Soldaten in der Wachstube auch so locker auf den Prinzen zu sprechen, oder galt das nur für Theben und die anderen Vertrauten des Prinzen? Ob sie sich so verhalten würden, wie es jede Schlosswache in Grandea gegenüber den Adligen tat? Unterwürfig und gehorsam? So wie er selbst?
Caleb wusste, dass der Prinz in seiner Zeit beim Militär viel Zeit hier verbracht hatte, einem der Knotenpunkte des hintergründigen Scharmützelkrieges, den sich Jorsan und Grandessa schon seit Jahren lieferten. Auch nach seiner Rückkehr vor vier Jahren an den Hof hatte er von Zeit zu Zeit Ausflüge hier her unternommen. Ob das Volk und die Soldaten ihn hier mehr schätzten als in der Hauptstadt, ihn nicht nur als ferne, heroische Staatsfigur, die niemand kannte, sahen, wie es auf den Dörfern und Bauernhöfen der Fall war?
Mt der ganzen Situation kam der Diener, der zum ersten Mal das Schloss so weit hinter sich gelassen hatte, noch überhaupt nicht zurecht.
Theben war dabei auch keine Hilfe. Er bedrängte ihn mit Fragen, auf die er selbst teilweise keine Antwort wusste und sprach mit ihm so...aufrichtig? Es verwirrte ihn, ebenso wie es der Prinz tat, wenn er so frei mit ihm redete. So wirklich entscheiden, ob er es mochte oder nicht, konnte der Katzenjunge nicht. Es war nicht normal so mit einem einfachen Küchenjungen zu reden, zumindest hatte Caleb das in all den Jahren so vermittelt bekommen.
Ob der Prinz seine Worte überhaupt ernst gemeint hatte? Und ob Theben sie ernst nahm? Die, in denen es darum ging, dass er schnelle Reflexe haben müsste und sicher eine Hilfe wäre? So etwas hatte der Prinz auch schon zu General Markus gesagt. Er war doch kaum alt genug, um überhaupt als Auszubildender durchzugehen. Er war halb blind! Bei was sollte er schon nützlich sein, solange die Pläne zur Eroberung von Jorsan nicht beinhalteten, dass er dem König ein giftiges Mahl zubereitete. Theben wusste doch noch nicht einmal von den Plänen seines Prinzen! Was glaubte er bitte, hatte Caleb hier zu suchen?
Er selbst traute sich nicht einmal, die Hand des Soldaten zu schütteln, doch als dieser sie selbst dann noch hin hielt, als der Prinz schon in der Küche verschwunden war, musste er es wohl oder übel tun. Die Hände von Theben erinnerten Caleb, wenn man von den Schwielen und Kratzern absah, irgendwie an die eines Mannes an der Fidel. Solche sah man oft am Hof des Königs, bei seinen Festen und Banketten. Er kam sich noch nutzloser war, als er sah wie seine eigenen Hände im Vergleich noch filigraner und blasser aussahen, seine Haut so weiß wie frisch gewaschene Seide.
Selbst Theben schien sich zurück zu halten, ihm einen festen Händedruck zu verabreichen. Caleb hatte dabei kaum aufgesehen und keine seiner Fragen beantwortet. Irgendwie hatte er Angst, man würde versuchen ihn zu streicheln, wenn er offenbarte, dass er wirklich schnurren konnte, wie alle Katzen. Allerdings war das bisher nur selten vorgekommen, und ob seine Ohren dabei einen empfindlichen Punkt darstellten, hatte bisher niemand ausprobiert. Caleb war in seinem Leben öfter geschlagen als gestreichelt worden.
Allgemein war Caleb Körperkontakt gegenüber irgendwie empfindlich.
Unsicher schielte er unter der Kapuze hervor, nachdem man ihn aufgefordert hatte sich zu setzen. Die anderen drei Soldaten machten ihn nervös, zusammen mit Theben. Der Tisch war länger, für bestimmt ein Dutzend Männer ausgelegt, aber er konnte sich schlecht ans andere Kopfende setzen, auch wenn er es gerne getan hätte. Im Schloss wäre es ein Affront, wenn er sich überhaupt mit Soldaten oder dem Prinzen an einen Tisch setzte, aber hier standen die Dinge anders, wie Caleb langsam begriff und es wäre sicher unhöflich Theben gegenüber gewesen. Im Endeffekt machten ihm die Unbekannten noch mehr Angst als Theben, der zumindest nett war, wenn auch ziemlich aufdringlich - Caleb hatte ihm die anfängliche Verruchtheit nicht übel genommen, er war an so etwas und schlimmeres gewöhnt -, also setzte sich Caleb auf die Bank an der Längsseite neben den Freund des Prinzen; mit einem gewissenhaften Abstand.
Jetzt, wo er den kleinen Schock der plötzlichen Aufmerksamkeit überwunden hatte, flammte dagegen die altbekannte Neugier auf, die er sonst nur verspürte, wenn er durch die Regale in der Bibliothek lief, wo es ihn in den Fingern juckte, einen der Einbände aufzuschlagen. Theben war so ein Buchumschlag, mit noch versiegelten Wissen.
"Also..., Sir, wenn ich eine Frage stellen dürfte...wie habt ihr den Prinzen eigentlich kennen gelernt?"
Ein Buch laß man immer von Anfang an, aber trotzdem kam es Caleb vor, als würde seine Frage unerwartet kommen. Denoch gab es keinen Zweifel daran, wem er sie gestellt hatte, obwohl er nicht aufblickte und seine Hände ansah, die auf dem Tisch lagen. Erst jetzt, im Licht, fiel ihm auf, dass seine Handgelenke sich wirklich rot gescheuert hatten, bei dem 'Unfall' von vorhin, was bei seiner Haut nicht wirklich schwer war. Wenn er über sie fuhr, tat es sogar immer noch weg, weshalb er sie schnell unter den Tisch schob und sowohl vor sich als auch den Anderen versteckte. Er wollte sich nicht daran erinnern.

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Soldat/in » Mittwoch 21. März 2012, 14:33

In Troman lief einiges anders ab als es Caleb aus Grandea und dem Schloss gewohnt war. Auch liefen hier keine Diener herum, wie er selbst einer war. Sein Prinz hatte sich sogar eigenständig in die Küche begeben. In Grandea wusste er vermutlich nicht einmal, wo er diese finden konnte. Hier schien es vollkommen normal zu sein, dass sich der künftige Thronfolger des Königreiches zu den Köchen zwischen brodelnde Töpfe begab. Außerdem nannte seine Kameraden ihn Vince, ein ebenfalls gewöhnungsbedürftiger Spitzname. Caleb würde sich stark anpassen müssen, wenn er hier eine Weile zurechtkommen wollte. Wie es wohl in der Küche aussah? Er hoffte vermutlich immer noch, dort zu landen und als einzige Aufgaben das Zubereiten von Mahlzeiten oder das Scheuern der Töpfe zu erhalten. Doch auch gegenüber diesem Theben hatte Prinz Vincent bereits geäußert, dass ihm das Potenzial hinter Calebs katzenhafter Gestalt gefiel. Was plante dieser junge Mann noch alles? Die Fragen blieben vorerst unbeantwortet. Theben wäre ihm da auch keine große Hilfe. Der Soldat hatte inzwischen am langen Tisch innerhalb der Wachstube Platz genommen. Hier konnte man wohl essen oder ein heißes Getränk an kalten Tagen genießen. Das Stübchen erinnerte an einen spärlich eingerichteten Aufenthaltsraum. Es gab noch weitere Türen, die in andere Zimmer führten. Vermutlich fanden sich dort Bereitschaftsbetten, Arbeitstische oder jede Menge Aktenschränke. Nein, Letzteres wahrscheinlich nicht. Auch wenn Grandessa sich durch ein starkes Militär und viel Papierkram hervorhob, so verzichtete man bei kleinen Dörfern wie Troman darauf, extra Aktenkammern einzurichten. Die Berichte der Offiziere wurden sofort - sodern interessant genug - nach Grandea weitergeleitet. Caleb waren die Reiterkuriere sicherlich schon aufgefallen, die hin und wieder am Schloss eintrafen oder von dort los galoppierten wie von einer Tarantel des Urwalds Kapayu gestochen. Sie ritten vor allem zu den Grenzgebieten, denn dort spielten sich die stärksten und meisten Scharmützel ab, aber manchmal schickte man die Boten auch in Dörfer und Höfe des Inlands aus, um Informationen über Steuerabgaben und dergleichen einzuholen. Wenn es um Geld ging, war der König stets mehr als interessiert.
Der Soldat Theben kümmerte sich weitaus weniger drum. Ihn interessierte im Augenblick nur Caleb selbst, weil dieser sich immer noch nicht hingesetzt hatte und es wohl vorzog, die Kapuze tief im Gesicht zu behalten. Die anderen Soldaten würdigten ihn kaum mehr eines Blickes. Sie standen um ein ausgebreitetes Stück Pergament herum, das auf dem Tisch lag und durch einige Tassen und einen Kanten Brot daran gehindert wurde, in sich zusammen zu rollen. Einer der Männer ließ seinen Finger über das Schriftstück wandern. Die drei unterhielten sich leise. Offenbar planten sie Patrouillen oder irgendeinen militärischen Einsatz. Es brauchte Caleb nicht zu interessieren, außerdem lugte Theben schiefes Grinsen immer wieder seitlich in sein Blickfeld herein. Der Mann versuchte, einen genaueren Blick des fremden Küchenjungen zu erhaschen. Möglicherweise erwartete er auch nur endlich Antworten auf seinen Schwall an Fragen, die er Caleb gestellt hatte. Seine Laune schien er sich dabei in keinster Weise verderben zu lassen.
Antworten erhielt er nicht. Stattdessen stellte nun der Hybrid seinerseits eine Frage, auf die man lang und breit eine Antwort hätte geben können. Theben beließ es bei einer kurzen Variante: "Mir steckte ein Pfeil im Arsch, als er mich vom Schlachtfeld zog." Sein Grinsen erstarb nicht. Erlaubte er sich hier nun einen Scherz? Seine grauen Augen flogen über Calebs Gestalt. Dann nickte er nachdrücklich. "Glaub's mir ruhig! Ich schäme mich nicht dafür. Im Kampf gegen die Jorsaner sterben so viele, es kann jeden treffen und ich bin Lysanthor dankbar, dass er sich nur für meine Kehrseite entschieden hat, haha! Hab nämlich einen Moment lang nicht aufgepasst, gehörte da noch zum einfachen Fußvolk. Ich war ein junger Rekrut, einer von vielen, hatte keine Vorstellung vom Krieg und man will natürlich als glorreicher Held nach Hause zurückkehren. Tja, ich brachte den Pfeil mit, den man mir aus der Backe gezogen hatte. Und natürlich den Prinzen. Dann war ich der stolze Sohn einer noch stolzeren Familie, weil ich Vince nicht nur auf eine alte Rinderfarm mitbrachte, sondern auch noch ..." Theben verstummte jäh, als ein Bellen aus der Küche bis an all ihre Ohren drang. Selbst die drei Soldaten, die ganz ins Gespräch vertieft gewesen waren, hoben nun irritiert die Köpfe.
Es war kein Hund, der da bellte, obgleich es nicht weniger knurrig klang. Es war ein Mann, ein gewaltiger Mann. Eben jener drückte nun die Tür zur Küche mit so viel Schwung auf, dass sie krachend gegen die Wand flog. Seine Schritte waren ausholend und so lang, dass Caleb in dieser Zeit mindestens zwei hätte gehen müssen.
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Der Kerl schien einer der größten Grandessaner zu sein, den das Königreich je gesehen hatte. Er mochte knapp an die zwei Meter heran gelangen, besaß einen Nacken, auf den jeder Stier neidisch gewesen wäre und Schultern vom doppelten Umfang von Calebs Leib. Seine Arme waren fässerdick und die Pranken, die er nun in wiederholtem Abstand zu Fäusten ballte, konnten sicherlich ganze Melonen mit Leichtigkeit zerdrücken. Sein kahler Schädel erinnerte an eine Kanonenkugel, lediglich um den Mund herum trug er einen dunkelbraunen Bart, der farblich zu seinen Augen passte. Dieses Paar Augen, unter denen eine lange Narbe quer über die Nase hinweg führte, suchte nun mit finsterem Blick den Raum ab. Dann erspähte er einen Fremden - Caleb! - und fixierte ihn. "DU!", knurrte der Mann, seine Stimme das Donnergrollen haraxischer Dämonen. Er marschierte auf den Katzenhybriden zu. Erst jetzt konnte man sehen, dass dieser Hüne keine Rüstung, sondern einfache Leinenkleidung, sowie eine fleckig gewordene Kochschürze trug. Die dazu gehörige Mütze musste ihm beim Öffnen der Tür aus den Pranken gefallen sein, denn dort, wo nun Prinz Vincent mit starrer Miene stand, lag sie zu seinen Füßen.
Inzwischen erreichte diese Urgewalt von Mensch ihr Ziel. Er stemmte die Fäuste in die Hüften, sein Blick war noch immer auf Caleb geheftet. Hätte dieser Mann Feuer speien können, er hätte vermutlich sogar einen leibhaftigen Drachen verjagt. "Du willst hier also kochen", kam es zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Du willst mir also meinen Posten streitig machen, ja?!" Aller Augen waren nun auf Caleb gerichtet. Lediglich Theben konnte nicht aufhören zu grinsen.
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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Caleb » Mittwoch 21. März 2012, 22:39

Theben brach mitten in seiner Erzählung ab, und dabei war es gerade interessant geworden. Caleb hatte sich sogar etwas in die Richtung des Soldaten gelehnt. Nicht um besser zu hören, denn die Worte hätte er auch noch von der anderen Seite des Raumes aus verstanden, sondern schlicht als Geste der Aufmerksamkeit; eher unbewusst also. Bei dem Laut, der sie alle hatte zusammenzucken lassen, wäre Caleb beinahe in die Luft gesprungen. Wenn er sich rumgedreht hätte, nur um hinter sich einen echten Hund stehen zu sehen, wäre er vermutlich Theben auf den Schoß gehüpft und hätte laut losgefaucht aus Furcht.
Angst hatte Caleb trotzdem, als er vollkommen entsetzt den Hünen ansah, der gerade den Blick durch den Raum schweifen ließ. Das musste Rist sein! Was machte der Koch überhaupt noch hier, wo es doch mitten in der Nacht war! Und war er so wütend, weil...
"DU!"
Erschrocken zuckte Caleb zusammen. Am liebsten hätte er sich unter dem Tisch versteckt, aber er blieb wie angewurzelt sitzen und wurde nur noch kleiner. Die Schritte des Küchenchefs hörten sich für ihn die das Huftrommeln der grandessanischen Kavallerie an, die Augen so feurig wie ein Rachedämon. Was hatte ihm der Prinz nur erzählt, dass er so wütend auf Caleb war?! Dem Blick konnte er nicht standhalten und die Hand fuhr zur Kapuze, um sie tiefer ins Gesicht zu sehen.
Caleb sah riesige Füße vor sich stehen bleiben und hörte, wie Rist ihn anknurrte. Er war wirklich außer sich, und seine Stimme war so polternd, dass er bestimmte Wörter besonders hevorhob, bei denen der kleine Hybrid jedes Mal beinahe von der Bank hüpfte, auf der er saß. Irgendwie fühlte er sich wie ein Kind, dass etwas ganz schlimmes getan hatte, und gerade von Irella ausgeschimpft wurde. Tatsächlich erinnerte Rist Caleb an einen wütenden Boran, wenn er mit den Küchenjungen nicht zufrieden war und sich über ihre Suppe oder die Soße beschwerte, dass ihnen zu dick oder zu dünn geraten war. Und solche Momente waren nicht selten gewesen.
Allerdings hatte ihn selbst dieses Geschrei in letzter Zeit kaum getroffen, hatte er doch schon als Kind genug davon abbekommen, um sich später in der Küche keinen Ärger mehr einzuhandeln.
Was sollte er jetzt tun?
So wie Rist sich aufführte, konnte man glauben, er wäre der einzige Koch hier und machte alles alleine. Er konnte doch schlecht für über Tausend Soldaten alleine kochen, oder wie viele gab es davon in Troman? Glaubte Rist wirklich, er würde ihm den Chefposten streitig machen? Caleb wäre schon mit einem Tellerwäscherposten zufrieden gewesen, solange es ihn von allem anderen - außer dem Prinzen - ferngehalten hätte. Verschwand hier gerade seine einzige Chance, dem Krieg zu entkommen? Er musste Rist beruhigen, sonst dürfte er nie einen Fuß in seine Küche setzen!
Vorsichtig sah Caleb auf, nur um den geschockten Prinz hinter Rist stehen. Der Küchenchef selbst dagegen war so groß, dass Caleb den Kopf in den Nacken legen musste, um ihm ins Gesicht zu schauen, wobei ihm die Kapuze vom Kopf rutschte, aber es fiel ihm gar nicht weiter auf. Viel mehr starrte er in das wütende Gesicht des Mannes. Mit dem war sicher nicht gut Kirschen essen.
Calebs Kopf brummte kurz, denn der hatte begonnen die Flecken auf Rists Schürze ihrem Ursprung zuzuordnen. Bratensoße, Fett von Paniertem, eine helle Suppe, Saft von Gurke und Stücke von zerdrückten Erbsen, und da war doch noch rote Farbe von Toma- und so weiter. Calebs Augen waren kurz vollkommen leer geworden, während er nur in seine Gedanken sah, und alles andere ausblendete. Für diese kurze Zeit war er vollkommen versteinert. Auch die Karte, welche die anderen drei Soldaten begutachteten, wanderte in seinen Geist zusammen mit jeder Einzelheit jedweder Person im Raum. Von nun an würde er keines ihrer Gesichter je wieder vergessen.
Ein kurzes Kopfschütteln später war Caleb wieder ganz bei sich und wich Rists Blick aus.
"Natürlich nicht, Sir. Der Prinz hat sich nur einen seiner persönlichen Diener für die Reise hierher ausgesucht. Es ist vollkommener Zufall, dass meine Präferenzen in der Küche liegen." Ob Caleb seinen eigenen Worten glaubte? Das jeder der Diener des Prinzen nun hier hätte stehen können?
Mit einen vorsichtigen Seitenblick auf den Thronfolger fügte Caleb wesentlich kleinlauter hinzu: "Es wäre mir aber wirklich eine Freude, wenn ich ihnen aushelfen könnte, solange der Prinz hier seinen Geschäften nachgeht und mich nicht benötigt. Einem einfachen Diener wie mir steht es nicht zu sich auszuruhen."
Den letzten Satz hatte Caleb eher zu sich selbst gesagt. Dem Prinzen würde er bei seinem Kriegsvorbereitungen kaum helfen können, oder? Und was sollte er die ganze Zeit tun? Rist in der Küche helfen zu dürfte wäre wirklich das Beste, was ihm passieren könnte, solange der Prinz damit einverstanden war. Aber was, wenn die Pläne des Prinzen doch anders aussahen. Oder Rist ihn jetzt schon nicht leiden konnte?!
Nur kurz sah Caleb hinauf zu Rist, der immer noch auf ihn herab starrte, bevor er wieder gehorsam den Blick senkte.
Welchen Weg würde er gehen müssen? Lag vor ihm ein harter, oder ein einfacher?

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Re: Unter Soldaten

Beitrag von Erzähler » Freitag 23. März 2012, 08:39

Sogar Vincent stand mit offenem Mund in der Schwingtür. Er hatte nicht erwartet, dass sein alter Kamerad Rist dermaßen ... gereizt reagierte. Sicher, er kannte ihn schon eine ganze Weile und wusste, wie dieser Hüne sind sonst gab, aber dass er so laut darauf reagierte, wenn er erwähnte, dass er einen Küchenjungen mitgebracht hatte. Nein, damit hatte selbst der Prinz nicht gerechnet. "Rist ...", brachte er somit nur leise hervor, wobei er den Namen des anderen ziemlich langsam und gedehnt sagte. Selbst er wirkte angesichts dieser wütenden Reaktion sprachlos. Und so stand der Prinz und Erbe eines ganzen Königreichs ziemlich verblüfft in der Tür, wusste genauso wenig etwas zu sagen wie alle anderen. Doch der Fokus des Kochs lag eindeutig auf Caleb. Er starrte finster und mit dunklen Augen auf ihn herunter. Augen, in denen faldorhöllenartige Feuer loderten. Ein einziges Mal wanderte der Blick von Calebs Gesicht ab, als ihm die Kapuze in den Nacken rutschte und seine Katzenohren zum Vorschein kamen. Doch nicht einmal davon ließ sich Rist sonderlich beeindrucken. Er war noch immer sehr ungehalten über die Tatsache, dass man ihm einen Küchenjungen in die Wachstube gebracht hatte. Ihm, einem Meisterkoch unter den Soldaten!
Er schaute auf dieses Häufchen Elend herab, das sich gut in der Küche machen sollte. Jedenfalls hatte es Rist so aufgenommen. Der Prinz hatte sich nur etwas zu Essen holen wollen, ihn am Herd entdeckt und beide hatten sich auf ihre ganze eigene Art und Weise begrüßt. Als der Prinz dann behauptete, nicht allein gekommen zu sein und Rist nachhakte, war es um die Wiedersehensfreude geschehen. Kaum hatte Vincent nämlich das Wort "Küchenjunge" ausgesprochen, war das Gebell losgegangen. Nun gab sich der Hüne von einem Grandessaner aber äußerst ruhig. Er schnaubte zwar noch und das Grollen war tief in seiner Kehle auszumachen, aber er schnauzte Caleb nicht an, hörte ihm stattdessen zu. "Präferenzen in der Küche", wiederholte er, wandte den Blick um. Er fixierte Prinz Vincent, der endlich mehr tat als nur herum zu stehen. Er zuckte mit den Schultern, lächelte entwaffnend. "Er könnte dir zur Hand gehen. Es ist nicht vorgesehen, dass ich ihn in der Küche abstelle. Du darfst weiterhin ganz allein für mich kochen, mein Freund."
Rist schnaubte, nickte. Das war es also. Er hatte offensichtlich befürchtet, dass Vincent seinen eigenen, kleinen Küchenchef mitgebracht hatte, der nur für ihn allein Speisen zubereiten würde. Irgendwie schien dem gewaltigen Mann etwas daran zu liegen, für den Thronerben zu kochen und wer konnte es ihm verübeln? Auch Caleb hatte sich gefreut, als er auf der Reise den Salat hatte zubereiten dürfen. Der Prinz trat an Rist heran. Er versuchte, dessen Arm zu tätscheln, aber selbst bei ihm sah es aus, als wollte ein Kind einen ausgewachsenen Bären streicheln. "Er ist kein Gourmet, Rist. Nur ein Küchenjunge, ein Diener ... und bald mehr, aber er wird dir deinen Platz nicht streitig machen. Caleb ist nicht so."
"Caleb, wie?" Rist wandte erneut den Kopf herum. Sein Blick bohrte sich in den Hybriden hinein. "Wenn auch nur eins seiner Katzenhaare in meine Suppen gerät, fliegt er aus der Küche", raunte der Koloss.
"Und wie ich dich kenne, so weit, dass er dann für Jorsans König kochen kann", fügte Theben heiter hinzu. Er erhob sich, kam nun auch zu Rist herüber und klopfte ihm den Rücken. Der Hüne beruhigte sich offenbar wieder. Seine Haltung entspannte sich zusehend, seine Arme sanken und das Feuer in seinem Blick erlosch langsam. Er schaute von einem seiner Kameraden zum nächsten. Schließlich nickte er dem Prinzen zu. "Ich habe Kürbiscreme-Suppe für diese Patrouillenschicht gemacht. Es ist noch genug übrig und dazu gibt es gutes Weizenbrot." Er wandte sich um, stapfte zurück in die Küche. Der Prinz atmete aus. "So hab ich ihn ja noch nie erlebt", sagte er, was Theben nur ein weiteres Grinsen entlockte. "Stille Wasser sind nass", lachte er, legte einen Arm um Caleb und zog ihn an sich heran. "Kätzchen, dieser Hund bellt nur, aber er beißt nicht. Abgesehen von Jorsanern, denen reißt er das Fleisch aus den Hintern, das er zum Kochen verwendet, haha! Aber im Ernst, vor Rist brauchst du dich nicht zu fürchten. Der große Klotz ist ein netter Zeitgenosse ... ruhig und so." Theben ließ den Hybriden los und setzte sich wieder. Prinz Vincent tat es ihm gleich und dann tauchte auch schon Rist zum wiederholten Mal auf. Er brachte zwei tiefe Teller in die Stube. Dampf stieg von ihnen auf, begleitet von einem angenehmen Aroma, das sofort die ganze Stube erfüllte. Einen Teller stellte er vor Caleb ab, den anderen vor den Prinzen. Es folgten jeweils eine großzügig geschnittene Scheibe Brot und ein Holzlöffel für jeden. Dann verschränkte Rist die Pranken hinter dem Rücken, schaute auf die orange farbene Suppe herab und wartete. Vincent warf Caleb einen Blick zu. "Wir sollten essen und vergiss nicht, deine ehrliche Meinung abzugeben." Er lächelte aufmutnernd, ergriff seinen Löffel und begann zu essen.
Was Caleb hier erwartete, war eine Genussexplosion in seinem Gaumen.
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