Seite 4 von 8

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Freitag 15. Dezember 2006, 15:55
von Erzähler
Der Greif beobachtete jede Bewegung Nihals mit aufgeregtem Interesse. Er klackerte mit seinem schwarfen Schnabel und legte mehrmals den Kopf schief. Nihal sah sein bleiches Gesicht, wie es sich in den dunklen Augen des Greifen spiegelte. Das Tier erwiderte den Blick nur allzu gerne.

Plötzlich tauchte ein zweiter Greif auf, ließ sich ebenfalls auf einem Felsen nieder und begann seinerseits, Nihal zu beäugen. Neben ihm landete ein Jungtier, aber der junge Mann konnte nicht sagen, ob es dasselbe Greifenjunges von eben war oder nicht. Es zeigte eine ähnliche Neugier, als es mit tapsigen Schritten zum Rand des Nestes kam und mit einem Klauenfuß ausholte, um Nihal zu locken. Rasch wurde das Kleine von einem der erwachsenen Greifen zurückgeschoben. Es krächzte enttäuscht.

Jetzt erschienen noch mehr der Geflügelten. Nach und nach ließen sie sich auf Vorsprüngen und an aus den Felsen wachsenden Wurzeln nieder oder zogen nahe dem Nest ihre Kreise. Nihal besaß ihre volle Aufmerksamkeit.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Freitag 15. Dezember 2006, 19:25
von Erzähler
Die Greife ließen sich von Nihals Summen und leisem Gesang in den Bann ziehen. Er konnte beobachten, dass einige den Kopf neigten und die Augen halb schlossen, während seine Stimme vom Wind durch die Berge getragen wurde.
Ein Greif steckte sogar den Kopf zwischen die riesigen Flügel und kuschelte sich in den Schlaf. Nur das Jungtier kroch wieder bis zum Rand des Nestes vor und schaute darüber hinweg. Dieses Mal wurde es von keinem der Erwachsenen zurückgeschoben. Anscheinend glaubten die Tiere, dass von Nihal keine Gefahr ausging. Das klang schon fast komisch, denn Nihal hätte selbst mit einer Waffe kaum eine Chance gegen all die klauenbewehrten Wesen mit den scharfen Schnäbeln.

Als Nihal schließlich den Greifen ansah, der ihn gerettet und in das Nest verfrachtet hatte, breitete dieser plötzlich seine Schwingen aus und flog unter lautem Kreischen davon. Nihal verstand sein Verhalten nicht, hatte aber auch wenig Zeit, darüber nachzudenken. In diesem Augenblick legte sich etwas Schweres auf seinen Fuß. Er schaute an sich herab und entdeckte den jungen Greifen, der etwa die Größe eines kleinen Hundes besaß. Er war zu Nihal ins Nest gekrabbelt und stupste seinen Schuh mit der Vorderklaue an. Spielerisch forderte er den Fuß auf, sich zu bewegen.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Freitag 15. Dezember 2006, 23:09
von Erzähler
Als der kleine Greif vo Nihal aufgefangen wurde und auf diese Weise wieder Halt fand, krächzten einige der Erwachsenen und sofort waren alle Blicke scharf auf den Menschen gerichtet. Aber sie sahen schnell, dass ihr Kleines sich nicht verletzt hatte und auch sonst keine Anstalten auf eine Misshandlung zeigte. So blieben die Greife ruhig, beobachteten aber weiterhin den Menschen in ihrer Mitte.

Schließlich stimmte Nihal wieder ein Liedchen an, welches die Geschöpfe erneut friedlicher und ruhiger werden ließ. Sie hockten still auf dicken Wurzeln und auf Felsen. Einige gaben kleine Laute von sich, doch klangen dieser beinahe schön.
Der Junggreif hatte Vertrauen zu Nihal gefasst, als dieser ihn aufgefangen hatte. Neugierig, was der Mensch noch so alles zu bieten hatte, tapste das Tier weiter voran, schubste Nihal mit Kopf und Schnabel in die Seite, dass dieser seinen Arm heben musste. Sofort kroch das Jungtier in seine Armbeuge und schmiegte sich an ihn. Das Gefieder war weich und warm, ebenso der löwenartige Pelz, der über den Hinterkörper wuchs. Zufrieden rieb der kleine Greif seinen Kopf an Nihals Seite und klackerte mit dem Schnabel.

Da tauchte der Erwachsene wieder auf, der Nihal vor einem unglücklichen Ende bewahrt hatte. Mit den Klauen seiner Vorderfüße hielt er sich am Nest fest noch während er flog. Im Schnabel hing ein kleines Tierchen: ein Gerbirgshase. Der Greif warf ihn vor Nihals Füße und krächzte, wobei er mit seinen Ohren zuckte.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Sonntag 17. Dezember 2006, 00:39
von Erzähler
Der kleine Greif genoss es, an Nihals Seite zu sitzen. Hier konnte er seinem Gesang perfekt lauschen und lernte die Freude kennen, am Brustgefieder gekrault zu werden. Ein wahres Erlebnis für einen Greifen. Als jedoch der erwachsene Greif den Hasen ins Nest warf, sprang das Jungtier auf und tapste zu der Beute hinüber. Gierig stopfte es sich einen Teil davon in den Schnabel. Den Rest jedoch brachte es mit schief gelegtem Kopf zu Nihal, ließ es dort vor ihm auf den Boden fallen und krächzte auffordernd. Dann schmiegte er sich erneut an die Seite des Menschen.

Neugierig beobachteten die Greife, wie Nihal nach der Flasche griff und trank. Ein solch seltsam Ding hatten sie nie zuvor gesehen. Aber auch ein Mensch in ihrer Mitte war eine Neuheit. Gelegentlich flogen einige wenige von ihnen mal über einen achtlosen Wanderer hinweg, aber sie interessierten sich wenig für Menschen. Doch bei Nihal war es anders. Er hatte sich dem jungen Greifen genähert, eine Feder genommen und nun sang er für sie. Welch faszinierenden Fang die Greife doch gemacht hatten.

Plötzlich war ein Rufen zu hören und sämtliche Tiere drehten die Köpfe. Es kam vom unteren Teil der Klippen, eine leise Stimme, gedämpft von der Tiefe der Gebirgsschluchten. Nihal blieb für einen kurzen Moment das Herz stehen. Er erkannte die Stimme. Es war Marius. Und jetzt konnte er sogar hören, was der Junge rief: "Nihal! Wo bist du? Antworte, bitte!" Ein Bellen war ebenfalls zu hören. War es denn möglich? Marius musste den Warg geholt haben oder der Dunkle hatte den Jungen gefunden. Jedenfalls waren beide scheinbar zusammen unterwegs und suchten nach Nihal.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Sonntag 17. Dezember 2006, 13:53
von Erzähler
Die Greife beobachteten jeden Schritt, jede Bewegung von Nihal. Sie folgten seinem Blick, als er am Rand des Nestes in die Tiefe schaute und spitzten die Ohren, als er den Namen des Falkners rief. Neugierig kam der Junggreif wieder an Nihals Seite und schaute ebenfalls über den Rand. Natürlich würde auch er genauso wenig sehen wie der Wüstensohn. Die Klippen lagen zu hoch, als dass man den Grund hätte ausmachen können. Wie um Nihals Rufe zu unterstützen, stieß der kleine Greif einen gellen Schrei aus. Doch auch auf diesen hin antwortete niemand. Ob Marius den jungen Mann überhaupt gehört hatte?

Aber dann hörte er wieder die Stimme des Knaben. Er suchte ihn, rief seinen Namen immer und immer wieder. Sorge und auch etwas Angst schwangen in seiner Stimme mit, Nihal hörte es genau heraus. Aber noch immer waren seine Rufe sehr gedämpft. Er musste ein ganzes Stück weiter unten am Rand der Klippen sein. Wenn nur sein Adler Snarch unverletzt wäre. Marius hätte ihn sicher auf die Suche geschickt.

Die erwachsenen Greifen spähten in die Tiefe hinab. Einige zuckten nervös mit den Flügeln, andere krächzten. Langsam entstand Unruhe. Wer war dort unten und war er oder es eine Gefahr für die Geflügelten?
Ein Greif stieß sich vom Felsen ab und kreiste zweimal über den Himmel, ehe ihm drei weitere Artgenossen folgten. Sie flogen nicht sofort in die Tiefe, aber sie zogen beobachtende Kreise. Was würden sie tun, wenn sie Marius entdeckten? Brächten sie ihn auch in ein Nest, möglicherweise zu Nihal? Oder sahen sie diesen Menschen als Feind an? Nihal spürte das Unbehagen der Tiere in jedem einzelnen Exemplar.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Sonntag 17. Dezember 2006, 14:28
von Erzähler
Die vier Greife kreisten noch immer am Himmel. Sichere Distanz und trotzdem als Späher und Beobachter unterwegs. Die anderen Greifen blieben an ihren Plätzen nahe dem Nest. Sie ließen die Tiefe unter sich oder ihre fliegenden Artgenossen jedoch nicht aus den Augen. Einige begannen lediglich entspannter zu wirken, als Nihal wieder zu singen begann. Nur ihre Ohren teilten zurzeit seine Aufmerksamkeit. Ihr Heim, ihre Nester, waren möglicherweise in Gefahr und da von dem Menschen keine ausging, behelligten sie ihn im Augenblick nicht. Erst, als der junge Greif neugierig fiepte und krächzte, weil Nihal sich vom Nest abstieß und an der Klippenwand festhielt, drehten einige Greife die Köpfe.

Verwirrt und neugierig zugleich beobachteten sie Nihal, der sich an den Felsen hielt und langsam die steile Klippenwand herab stieg. Er musste wahnsinnig sein, dieses Risiko einzugehen, so völlig ungesichert und den tiefen Abgrund direkt unter sich. Viel zu oft spielte er mit seinem Leben, vor allem in letzter Zeit. Aber diese Aktion gehörte wohl zu denjenigen, die dem Tod am nächsten standen.

Die Greife legten ihre Köpfe schief, was ihnen immer einen leicht kindlichen Eindruck verlieh. Sie verstanden nicht, warum dieses Wesen an der Wand kletterte. Ihnen war klar, dass dieser Fremdling keine Flügel besaß, sonst wäre er nicht wie ein Stein nach unten gefallen, aber weshalb kroch er dann aus der Sicherheit des Nestes heraus?
Der kleine Greif fiepte immer noch und einer der ausgewachsenen flatterte neben Nihal her. Dann holte er mit den klauenartigen Vorderfüßen aus und rammte sie in den Fels. Wie ein Bergsteiger hangelte das Tier auf diese Weise neben Nihal her, beobachtete ihn und fragte sich zugleich, warum Nihal diese einfache Taktik des Kletterns nicht anwandte. Von unten drangen noch immer die dumpfen Rufe Marius' die Klippen hinauf.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Sonntag 17. Dezember 2006, 15:05
von Erzähler
Der Greif hangelte sich neben Nihal die Steinwand hinab. Ihm fiel es dank seiner scharfen Klauen deutlich leichter, außerdem besaß er wesentlich mehr Kraft als der junge Mann.
In Nihals Schulter zuckte kurz ein leichter Schmerz auf. Die Wunde war in letzter Zeit gut geheilt, aber noch immer spürte er die Nachwirkungen. Es war allerdings nur ein leichtes und sehr kurzes Ziehen, ein Signal, das ihm versicherte, noch am Leben zu sein. Obwohl er dies im Augenblick nur allzu gut bemerkte. Sein Gewicht zog ihn nach unten und mit verstreichender Zeit kam es ihm vor, als würde er immer schwerer werden. Aber es war seine Kraft, die nachließ. Seine Finger schmerzten bereits, denn ohne Handschuhe das raue und teils scharfkantige Gestein immer wieder aufs Neue zu umfassen, schürfte ihm auf Dauer die Haut auf. Hinzu kam der kalte Wind, der um die Klippen sauste und gegen sie prallte wie Wellen, die sich an einen Felsenstrand spülten.

Einmal gab ein Steinchen unter Nihals Fuß nach und er trat ins Leere. Der Schreck fuhr ihm so schnell in die Glieder wie ein Blitz über den pechschwarzen Himmel zuckte. Er brauchte einen Moment, den Schock zu verdauen, eher er weiter hinab kletterte. Durch diesen Fehltritt wurde ihm nur umso mehr bewusst, dass er sich in Lebensgefahr befand.

Den Greif neben sich hatte er schon eine ganze Weile aus seinem Denken ausgeschlossen, ebenso alle äußeren Einflüsse, die auf ihn eindrangen und ihn zum Scheitern zwingen wollten. Der Greif klackerte ungeduldig mit dem Schnabel. Dieses Menschenwesen brauchte so entsetzlich langsam und war bereits jetzt schon bald am Ende seiner Kräfte. Das gefiederte Geschöpf kannte die Klippen und wusste, dass Nihal nicht einmal ein Drittel des Weges hinter sich hatte. Der Greif öffnete seinen Schnabel und stieß einen lauten Schrei aus, auf den Nihal einfach reagieren musste. Dann stieß er sich mit einem krachenden Geräusch und mehreren kleinen, sich lösenden Steinchen von der Felswand ab. Er drehte eine Runde. Nihal sah ihm kurz nach, dann aber kam das Tier auf ihn zu und umklammerte seinen Rumpf mit beiden Adlerklauen. Er zog an Nihal, dass dieser garnicht erst den Versuch unternehmen konnte, sich dagegen zu wehren. Schon hing er in den Greifenklauen in der Luft.
Würde das Tier ihn jetzt wieder zum Nest herauf tragen? Anfangs schien es so, denn der Greif schlug weit mit seinen Flügeln auf und stieg in die Lüfte. Dann aber glitt er wie ein Blatt im Wind seitlich an der Klippenwand hinab, immer tiefer und mit einer mäßigen Geschwindigkeit.

Irgendwann lichtete sich die Dunkelheit unter Nihal, stob auseinander wie Nebel, der sich verflüchtigte. Der junge Mann erkannte Felsen, die aus der Dämmerung herausragten. Er sah kleine Schluchten und niedrige Gipfel. Es war ein atemberaubendes Bild, denn wann hatte ein Mensch schon einmal die Gelegenheit zu fliegen? Nihal spürte den Wind im Gesicht, doch er machte ihm nichts aus. Das Gefühl, über ganz Celcia blicken zu können, die Berge unter sich zu sehen, war stärker.

Da erkannte er zwei kleine Punkte, die sich auf einem Pfad bewegten. Rasch wurden sie größer und Nihals Herz blieb beinahe stehen vor Erleichterung. Es waren der dunkle Warg und Marius, der seinen Adler in den Armen trug.
Der Greif näherte sich ihnen und setzte zur Landung an.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Sonntag 17. Dezember 2006, 23:48
von Erzähler
Der Warg konnte sich kaum beruhigen. Zwar hörte er auf den Befehl seines menschlichen Herren und kam keinen Schritt näher, aber sein Knurren ließ nicht nach. Dieser Riesenvogel hatte ihn verschleppt und eben in Klauen tragend abgesetzt. Der Warg stand zum ersten Mal in seinem Leben einem Greifen gegenüber. Er konnte diesen Gegner nicht einschätzen, das machte ihn nervös. Sein Knurren galt eher einer Warnung, er hätte sich niemals mit einem so großen Geschöpf angelegt.

Der Greif hingegen kreischte und krächzte, auch ihm war der Warg ein fremdes celcianisches Geschöpf, denn diese Tiere streiften selten bis garnicht durch den Teil des Drachengebirges, der den Greifen gehörte. Er legte seine spitzen Ohren an und klackerte mit dem Schnabel. Eine Vorderklaue hob sich bedrohlich. Auch er wollte Nihal und sich selbst verteidigen.

Da durchdrang eine Stimme das Kreischen und Knurren. "Herr Nihal, Ihr seid wohlauf! Und Ihr habt einen Greifen hierher gebracht!" Es war Marius. Er kletterte hinter einem Felsen hervor, wo er sich aufgrund des landenden Greifen versteckt hatte. Seine Augen waren weit aufgerissen, seine Kinnlade hing herunter. Mit einem Repsekt, den nur ein junger Falkner einem gigantischen Wesen entgegen bringen konnte, das halb Raubvogel, halb Löwe war, betrachtete Marius den Greifen. Für Nihal besaß er nun kaum noch Blicke. "So wunderschön ..." drangen die Worte wie ein Windhauch aus seiner Kehle und er musste schlucken, um seine Beherrschung wiederzugewinnen. Vorsichtig trat er einen Schritt auf den Greifen zu, aber dieser schlug nervös mit den großen Flügeln, dass es goldene und braune Federn regnete.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Montag 18. Dezember 2006, 16:00
von Erzähler
Der Warg beruhigte sich, ebenso wie der Greif, als Nihal erneut zu singen begann. Seine Stimmbänder wurden in letzter Zeit ziemlich benapsrucht. Er selbst hörte bereits heraus, dass seine Stimme rauer wurde.
Nur indem er die Hand auf Marius' Schulter legte, gelang es ihm, den Jungen aus seiner Faszination für den Greifen zu reißen. Ruckartig blieb Marius stehen und schaute zurück. "Ja, verzeiht mir, Herr. Natürlich. Er kennt keine Menschen ... aber welche Pracht. Diesem schönen Tier gebührt all meine Ehrfurcht."

Marius setzte Snarch vorsichtig ab und streckte eine Hand nach dem Greifen aus, langsam und ohne auch nur den Hauch von Furcht zu zeigen. Beruhigend flüsterte der Knabe Worte, sagte immer wieder, wie schön der Greif doch sei und dass er die Ehre habe, ein solches Wesen sehen zu dürfen.
Sein Adler zeigte sich noch mutiger, denn krächzend kam er auf den Greifen zu gehopst. Dieser legte den Kopf schief, krächzte zurück und berührte Snarch mit dem Schnabel. Die beiden Gefiederten musterten sich einen Moment, lernten sich kennen und respektieren. Der Greif setzte sich und legte die gigantischen Flügel an, während Snarch um ihn herum tappste.

"Was machen wir jetzt, Herr?", fragte Marius, dessen Blick wieder nur dem göttergleichen Geschöpf galt.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Montag 18. Dezember 2006, 17:41
von Erzähler
Marius starrte noch immer den Greifen an. Schließlich aber schüttelte er den Kopf wie er es schon einmal getan hatte. "Was immer Herzog Turmrick mit einem solch prachtvollen Geschöpf Celcias vor hat, er wird sich seinen Greifen allein fangen müssen. Ich <i>kann</i> dieses Wesen doch nicht einsperren, keine Sekunde lang. Allein ein Blick in diese tiefen ehrlichen Augen beweist mir, dass diese Tiere in die Lüfte gehören. Greife müssen über den Gipfeln der Berge und unter der Sonne fliegen können." Marius warf einen kurzen Blick auf die schwarze Wolkendecke über ihnen. Seine letzten poetischen Worte hinkten ein wenig angesichts des Wetters, aber Nihal verstand schon, was der Junge ausdrücken wollte. Die majestätischen Greifen mussten frei sein.

Aber Nihal plagten im Augenblick andere Sorgen. Er war erschöpft, brauchte eine Pause. Seine Muskeln waren verspannt und sein Körper ausgelaugt von der Kletterpartie. Doch weit udn breit war keine Höhle, kein Unterschlupf in Sicht.
Er wollte schon ein paar Meter weiter gehen, um die Umgebung abzusuchen, als über der Gruppe neues Gekreische laut wurde. Alle Augenpaare, sogar die des Adlers Snarch, richteten sich nach oben.

"Herr Nihal, das ... das ist doch nicht möglich!", keuchte Marius. Ein ganzer Schwarm Greife zog über den Himmel. In langsamen kreisenden Gleitflügen sanken sie spiralförmig herab. Irh Gefieder glänzte goldbraun und das Fell ihres Unterkörpers schimmerte wie Bernstein. Mit flatternden Flügelschlägen landeten mindestens zehn weitere Greife ringsum die Gruppe, begrüßten ihren Vermissten und musterten Nihals Freunde. Auch das Jungtier war dabei, wenn es auch selbst noch nicht geflogen kam. Es wurde von einem Greifen in den Klauen getragen wie Nihal schon und tapste freudig auf den Wüstensohn zu, kaum dass man es abgesetzt hatte. Marius Augen nahmen den meisten Platz seines Gesichts ein, so groß waren sie und sein Mund wollte sich vor Staunen garnicht mehr schließen.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Montag 18. Dezember 2006, 22:28
von Erzähler
Der junge Greif zeigte sich wie schon im Nest als äußerst aufgeweckt und neugierig. Er quietschte beinahe, als Marius ihn zuerst vorsichtig und dann liebevoll und zärtlich durch das Brustgefieder strich. Sene Finger strichen in die Richtung, in die die Federn wuchsen, um dem kleinen Greif nicht wehzutun. Das Tierchen klackerte zufrieden mit dem Schnabel. Ja, das war schön, das konnten die Eltern mit dem Schnabel nicht annähernd so gut.
Der Junggreif sprang vor und stieß Marius mit seiner ganzen Körperfülle um. Ein Junggreif war eben kein Adlerkind, er besaß einfach mehr Masse. Zunächst war Marius sehr überrascht, doch dann lachte er freudig und strich dem Greifen auch übers Fell. Wenige Augenblicke später balgte er sich mit dem Jungtier am Boden, hatte seine Umgebung vollkommen vergessen.
Die erwachsenen Greifen betrachteten die beiden. Niemand von ihnen griff ein, sie legten nur die Köpfe schief und beobachteten schweigend.

Nihal hingegen ging es schon garnicht mehr so gut. Ihm fielen schon fast die Augen zu und er spürte jeden Knochen in seinem Körper. Sein hals war trocken, aber als er zu seiner Flasche griff, bemerkte er mit Schrecken, dass nur noch ein letzter Schluck darin war.
Sein Warg legte besorgt den großen Kopf auf seine Schulter. Da merkte Nihal, wie sehr ihn die Kletterei an Kraft gekostet hatte, denn er brach einfach in sich zusammen. Er hörte noch den entsetzten Schrei von Marius, dann schwanden ihm die Sinne.


<i>[Nihal verliert 5% Lebensenergie aufgrund von Erschöpfung]</i>


Als Nihal wieder erwachte, lag er auf dem Rücken. Sein Kopf war auf etwas Weichem gebettet. Wo befand er sich, es war warm. Er wandte den Blick um sich und bemerkte, dass er gegen den Warg gelehnt lag, umringt von mindestens vier erwachsnenen Greifen. Sie hatten die Flügel über ihn gelegt und wärmten ihn. Er befand sich zwischen einigen Felsen, zwar in keiner Höhle, aber geschützt vor dem Wind. Auf einem Felsen hockte Marius in sich zusammen gekauert. Er hielt seinen Adler im Arm und neben ihm lag der Junggreif und hatte die Augen geschlossen.

Re: Durchs Drachengebirge

Verfasst: Dienstag 19. Dezember 2006, 20:46
von fremder Mann
Als der Warg bemerkte, dass Nihal – wenn auch nur kurz – die Augen öffnete und sich regte, begann er leise zu winseln. Die Greife, die ringsum die beiden lagen und Nihal mit ihren großen Schwingen zudeckten, hoben die Köpfe. Einige krächzten ganz leise und sacht, während andere mit den Schnäbeln klackerten.

Von den Geräuschen erwachte Marius aus seinem Dämmerzustand. Nihal hörte seine Schritte, als er sich einen Weg durch die herumliegenden Greifen bahnte. "Herr Nihal, Ihr seid wieder wach. Bitte, bleibt bei Bewusstsein, ja? Ihr braucht Wasser." Nihals Augen blieben geschlossen. So schwer waren die Lider, zu anstrengend war es, jetzt nachzusehen, was Marius trieb. Der junge Mann wollte nur schlafen.
"Oh, bitte, Herr Nihal. Ihr müsst wach bleiben! Hier, trinkt davon, bitte!"

Nihal spürte, dass etwas an seinem Mund angesetzt wurde. Sogleich berührte kaltes Wasser seine Lippen und er schaffte es, den Mund zu öffnen. Erfrischend und nass strömte das Wasser seine Kehle hinab, befeuchtete alles auf seinem Weg und schenkte Nihal neue Kraft. Im ersten Moment verschluckte er sich aufgrund der Menge und musste Husten, doch der Wasserschlauch wurde noch einmal an seinen Mund angesetzt und Nihal konnte trinken.

Nebenbei hörte er Marius wild auf ihn einreden. Immer wieder flehte der Junge, dass Nihal versuchen sollte, wach zu bleiben und unter seinen Bitten berichtete er, dass der Warg ihn an diesen Platz getragen habe. Die Greifen hätten Marius inzwischen bis zu einer Quelle gedrängt, mit Flügelschlägen und erhobenen Klauen, aber jetzt wüsste er, dass sie es nur gut gemeint hatten und ihn in die Richtung hatten führen wollen. Er habe sämtliche Wasserschläuche gefüllt und sei so schnell es ging hierher zurück. Seitdem habe er gewartet, dass Nihal wieder ein Lebenszeichen von sich gäbe.
"Ich bin so froh, dass Ihr wieder bei Bewusstsein seid, Herr Nihal. Sobald es Euch besser geht, müsst Ihr essen und dann will ich zurück nach Pelgar, zu meinem On... zum Herzog. Wenn Ihr wollt, nehme ich Euch mit."