Durchs Drachengebirge

Das Drachengebirge streckt sich vom östlichen bis in den westlichen Teil Celcias. Es ist die Grenze zwischen dem hellen und dem dunklen Reich. Die große Hauptstadt wurde im Schutze dieses Gebirges gebaut.
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[INFO] In der Stillen Ebene steht die dunkle Armee (bestehend aus Dunkelelfen, Orks und Untoten). Das Fischerdorf ist in der Gewalt von Orks. Pelgar wird von der dunklen Armee angegriffen, die auch im Besitz eines heraufbeschworenen Knochendrachens war. Hinweis: Dieser ist inzwischen besiegt und auf Pelgar abgestürzt. Seht hierzu die Weltereignisse auf der Webseite durch!
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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von fremder Mann » Sonntag 10. Dezember 2006, 23:48

Marius schaute Nihal fast ungläubig an. "Herr, Ihr wollt mich auf meiner Suche begleiten, Herr? Darf ich ... Herr, darf ich Euch fragen, weshalb Ihr solche Gefahren auf Euch nehmen wollt? Ihr kennt mich doch garnicht, Herr." Marius war in sein altes Muster zurückgefallen, in dem er jeden höflich mit "Herr" ansprach, der offenbar eine höhere Stellung als er selbst genoss. Es war ihm nicht zu verübeln, er hatte es nicht anders gelernt.

Noch immer schaute Marius mit vor Unglauben aufgerissenen Augen auf Nihal. Sein Adler Snarch war inzwischen zu ihm zurückgekehrt, kuschelte sich in seine Armbeuge und musterte den Sohn der Wüste ebenfalls. Nur sein Blick war scharf und raubtierhaft, aber dennoch beobachtend.

"Aber Herr Nihal", warf Marius plötzlich ein, "wo sollen wir denn mit Suchen beginnen, Herr? Ich kenne das Drachengebirge kaum. Wenn ich ehrlich bin, tappe ich seit einigen Tagen ziellos umher. Ich habe mich verirrt", gestand sich der Knabe nun endlich ein. Kein Wunder, dass er sich so weit von Pelgar entfernt befand. Immerhin konnten weder Marius noch Nihal die Hälfte des Drachengebirges bereits überquert haben.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Montag 11. Dezember 2006, 15:43

Marius machte nicht den Eindruck, dass er Nihal seine begründete Neugier abnahm, aber er fragte nicht weiter danach. Er hatte gelernt, bei merkwürdigen Erklärungen zu schweigen und sie nicht in Frage zu stellen. Andernfalls wäre er vielleicht jetzt nicht hier.

"Ihr wisst ja schon wesentlich mehr über Greifen als ich. Sie nisten an Klippen und höher im Gebirge? Dann müssen wir wohl bald klettern", meinte Marius, schaute sorgenvoll auf Snarch und dann auf seine Ausrüstung. Nihal konnte der Nasenspitze des Jungen absehen, dass dieser sich in der derzeitigen Situation nicht mehr voll und ganz zutraute, seine Aufgabe zu erfüllen. Aber immer noch schwieg Marius über diese Angelegenheit. Er musste in seiner Erziehung häufig zu hören bekommen haben, nicht nachzuhaken, sondern Demut zu zeigen. Hätte er Nihal jetzt nicht zufällig getroffen, wer wusste schon, ob es ihm nicht zum Verhängnis hätte werden können?

Der dunkle Warg erhob sich. Er spürte die Aufbruchstimmung, auch wenn noch niemand das genaue Ziel kannte. Keiner der Anwesenden wollte noch sehr viel länger hier sitzen bleiben. Aber wohin sollten sie sich wenden? Weiter nach oben, höher in die Gipfel? An Orte, wo es nicht nur kälter war, sondern auch schneien konnte?

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Montag 11. Dezember 2006, 16:00

Als der Warg bemerkte, dass sich Nihal und ihre beiden neuen Begleiter erhoben, um tatsächlich aufzubrechen, sprang er wild bellend wie ein Welpe um Nihal herum. Es sah wahrlich etwas komisch aus, denn der Warg war fast so hoch wie der junge Mann selbst und ihn dann so herumtollen zu sehen, brachte einem wirklich das Lachen aufs Gesicht zurück.

Marius schulterte seinen Rucksack und packte dann Snarch vorsichtig hinein, damit er die Hände frei hatte. Der Adler nahm es resigniert hin. Es war immer noch besser als hinter seinem Gefährten her zu hüpfen.

Nihal fragte Marius nach der Richtung und dieser zuckte nur die Schultern. "Ich weiß ja nichtmal, wo ich bin. Jeder Schritt wird schon der Richtige sein." Dann nahm der Junge das sprichwörtlich das Szepter in die Hand und wanderte los. Er erklomm einen Vorsprung, von dem aus ein schmaler Pfad weiter hinauf in die Berge und ein Stück nach Südosten führte. Marius überlegte sich jeden Schritt genau und kletterte vorsichtig, denn er wollte seinem Adler nicht zuviel zumuten.
Nihal und sein Warg folgten. Der Riesenwolf kam überraschend leicht über die Felsen und Gesteinsbrocken. Mit seinen Krallen konnte er sich gut halten, aber wie lange würde dies noch möglich sein. Ein Warg war keine Bergziege.

Irgendwann verdunkelte sich der Himmel hinter den Wolken noch mehr. Es musste langsam die Nacht hereinbrechen, genau sagen konnte man es wegen dem pechschwarzen Unheil über ihren Köpfen ja nicht. Da entdeckte Nihal an einem Vorsprung eine interessant aussehende Pflanze. Sie wuchs zwischen den Felsen heraus und schien gerade so erreichbar zu sein.

<img src="http://i140.photobucket.com/albums/r21/ ... skerze.jpg">

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Dienstag 12. Dezember 2006, 00:17

Marius war sofort stehen geblieben, als Nihal gerufen hatte. Verwundert beobachtete er, wie der junge Mann die Felsen erklomm, um eine Pflanze einzusammeln.

Als Nihal zurückkehrte wurde er von den anderen neugierig beäugt. Sein Warg kam ihm ganz nahe und schnupperte an den Blüten der Pflanze. Sofort nieste er, rieb sich mit der Pfote über die Schnauze und trat einige Schritte zurück. Die Pollen des geheimnisvollen Gewächses kitzelten ihn in der Nase.

"Verzeiht, Herr, dass ich frage, aber ..." Marius entwickelte erste Anzeichen gegen seine erzogene Demut. Bei Nihal fasste er genug Vertrauen, ihn wirklich alles zu fragen. Dieser Mann, der ihm immer noch ein kleines Rätsel war, schimpfte wenigstens nicht mit ihm oder schleuderte ihm Beleidigungen an den Kopf. "Herr, Ihr habt eben Euer Leben riskiert für eine Blume? Was ist so besonderes an diesem Kraut?"

Da Nihal der Name nicht einfallen wollte, würde er die Frage wohl nicht beantworten können. Aber vielleicht musste er das auch nicht. Ein Kreischen wie das des Adlers Snarch durchschnitt die Luft, nur war es viel lauter und sein Echo hallte weit ins Gebirge hinein. Es kam von den höheren Gipfeln, konnte sich aber auch einige Meilen weiter östlich befinden.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von fremder Mann » Dienstag 12. Dezember 2006, 21:38

"Trotzdem seltsam, sein Leben für ein Kraut zu riskieren, wenn Ihr noch nicht einmal wisst, wozu es dient. Sind Euch solche Abenteuer so wichtig?" Schnell versteckte sich Marius jedoch hinter einem anhaltenden Schweigen. Er fragte zu viel.

<b>Das ziemt sich nicht. Der Herr wird böse werden, wenn ich weiterhin so neugierig bin.</b>

Mit gesenktem Kopf folgte der Junge ein Stück dem Weg, als der Warg voraus lief und den Kopf gen Himmel streckte. Natürlich wusste Marius den Grund, er hatte den seltsamen Schrei auch gehört.
Als Nihal ihn fragte, was es gewesen sein könnte, zuckte er mit den Schultern. "Ich hoffe doch, wenn es ein Greif war, dass sein Schrei nicht auch seine Laune repräsentiert. Es klang ziemlich gefährlich in meinen Ohren."

Mit einem Mal hatte Marius nicht mehr so große Motivation, die Greife zu suchen, geschweige denn, zu jagen. Langsam sickerten die Worte Nihals in seinen Sinn, festigten sich. Halb Löwe, halb Raubvogel.
"Wie groß sind Greife?", fragte der Knabe und ein leichtes Zittern klang in seiner Stimme mit. In diesem Moment konnte er sich die Frage beinahe selbst beanworten, denn ein Schatten sauste über den Himmel und verdunkelte ihn noch mehr – ein großer Schatten mit weiten Schwingen, einem Löwenschwanz und Krallen als Vorderfüßen.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Dienstag 12. Dezember 2006, 22:12

Nihal zog Marius eng an sich heran und die beiden drückten sich an die Klippen. Auch der Warg kehrte mit wenigen Sprüngen zu ihnen zurück und setzte sich neben Nihal hin. Snarch krächzte leise in Marius' Rucksack, aber der Junge brachte ihn mit einem leises "Pssst" zum schweigen. Alle Augen richteten sich nun nach oben, zu dem gewaltigen Schatten, der wie ein Unheilsbote unterhalb der Wolken kreiste.

Marius schluckte. Er verinnerlichte sich Nihals Worte, der von der Größe der Greife erzählt hatte. "Vielleicht ... vielleicht sollte ich zu Herzog Turmrick zurückkehren. Wenn er wüsste, wie groß diese Wesen sind, hätte er mich sicher nicht allein losgeschickt – oder?"
Langsam schien dem Jungen zu dämmern, dass die Entscheidung dieses Herzogs nicht ganz richtig gewesen war. Eines Mannes, den er ein einziges Mal in Nihals Gegenwart als Onkel bezeichnet hatte, später aber nicht mehr erwähnte.

Der Schatten flatterte inzwischen mehrmals, ehe er weiter nach Osten abtriftete und auf unsichtbaren Bahnen durch den Himmel glitt. Erneut hallte ein Kreischen durch das Gebirge.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Dienstag 12. Dezember 2006, 23:01

Eigentlich hatte Marius tatsächlich umkehren wollen, seinen Herzog enttäuschen und von seinem Versagen berichten wollen, aber die Worte Nihals bauten den Jungen wieder auf. Greife waren doch nicht viel anders als Vögel. Sie zollten einem den Respekt, den man ihnen auch gab.

"Lass sie uns suchen", sagte der Knabe entschieden. "Wir beobachten sie und dann sehen wir weiter. Ich möchte nicht mit leeren Händen nach Hause gehen."

So war es auch für Nihal beschlossene Sache. Sein Warg genoss die Streicheleinheiten, blickte kurz in Nihals Augen und schaute dann zum Himmel. Er verfolgte die Richtung, die der Schatten hinterlassen hatte, als könnte er eine farbige Linie erkennen, die den beiden Menschen verborgen blieb.
Der Warg fackelte nicht lange, sondern schnupperte in den Wind und stapfte dann los. Er ging sehr langsam, damit Nihal und Marius ihm folgen konnten, aber seine Schritte waren zielstrebig. Er konnte den Greif tatsächlich riechen. Auch Nihal nahm einen Duft wahr, dünn wie morgendlicher Dunst lag er im Wind, fast nicht greifbar. Nie hätte der junge Mann gedacht, dass ihm seine wölfischen Sinne so nützlich sein könnten.

Die beiden jungen Männer und der Warg folgten einem schmalen Pfad, der sich immer weiter hinauf in die Gipfel verflüchtigte. Irgendwann hörten sie wieder das Kreischen. Als sie nach oben blickten, erkannten sie jede Menge Büsche an den Klippen hängen. Aber nein! Es waren keine Sträucher, sondern Nester – Greifennester!

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 13. Dezember 2006, 19:21

Marius nickte, als Nihal ihn auf den Felsvorsprung aufmerksam machte. Seine Motivation war angesichts der vielen Nester zurückgekehrt. Wenigstens einen Greifen sollten sie doch sehen können, obwohl sie bereits mehrere Schatten am Himmel sahen, die ihre Kreise nahe der Klippe zogen, an dessen Felswand sich die Nester befanden.

Zum Beobachtungsvorsprung führten sowohl ein schmaler natürlicher Pfad als auch mehrere Möglichkeiten, die Felsen zu erklettern. Marius setzte seinen Rucksack mit dem Adler ab und schob beides unter einen von Felsen geschützten Bereich. "Snarch muss ich zurücklassen, er wäre nur unnötig in Gefahr. Was ist mit Eurem Riesenwolf, Herr?" Noch immer verwendete der Junge die höfliche Anrede und behandelte Nihal wie einen Höhergestellten. Dem Wüstensohn würde es wohl vorerst nicht gelingen, Marius' Erziehung in dieser Hinsicht zu ändern. Aber im Augenblick gab es auch Wichtigereres. Die Greife waren ihnen so nahe.

Der Warg sprang zu den Felsen, die den Vorsprung hinauf führten. Er war zwar ein wahrer Kletterkünstler und hatte seine Fähigkeiten schon mehrmals im Gebirge bewiesen, aber dieses Mal war die Herausforderung wohl doch zu groß. Er gab ein Raunen von sich und wich angesichts der wackeligen Felsen zurück. Sein Blick glitt zum schmalen Pfad, der ihn auch ans Ziel bringen könnte, aber an einer Stelle wurde es zu eng, als dass ein breiter Warg wie er diese Stelle hätte passieren können.

Mit entschuldigendem Blick sah er Nihal an. Dann aber setzte er sich pflichtbewusst vor die Nische, in die Marius seinen Adler und den Rucksack geschoben hatte. Ich halte Wache, sagten seine Haltung und seine dunklen Augen.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Mittwoch 13. Dezember 2006, 22:26

Marius und Nihal erklommen nach und nach die Felsen. Der Weg entpuppte sich als weiter, als sie beide zunächst angenommen hatten. Nihal war froh, dass sein Dunkler zurückgeblieben war. Ein kluges Tier, es hatte erkannt, dass der Aufstieg zu beschwerlich für ihn gewesen wäre. Denn selbst Nihal und Marius stießen an ihre Grenzen.

"Lass uns auf diesem kleinen Vorsprung kurz rasten", keuchte der junge Falkner und kletterte ein Stück unterhalb Nihals auf ein Plateau, um sich auszuruhen. Nihal kam der Bitte nach, auch er war bereits erschöpft. Niemand drängte sie zur Eile, weshalb sie ruhig ein wenig ausruhen konnten.

Kaum dass Nihal das Plateau erreichte, durchschnitt erneutes Kreischen die Stille. Nihals Umhang wurde aufgebläht und Wind zerrte wild an seiner Kleidung, als ein dunkler Schatten blitzschnell an ihm vorbei flog. Marius schrie auf vor Überraschung, als sich der Greif an ihn und Nihal herannäherte. Das Tier kreiste über ihnen und stieß einen erneuten Schrei aus. Wie wundervoll und gefährlich zugleich es aussah. Es musste ein ausgewachsener Greif sein, denn er war viel größer sogar noch als der dunkle Warg. Allein die Spannweite seiner Flügel reichte aus, dass sich Nihal und Marius hätten nebeneinander darunter ausstrecken können.

Der Greif flog noch einmal um sie herum und schwebte dann in gleitendem Flug zurück zu den Nestern. Holte er Verstärkung? Waren Nihal und Marius bereits zu nahe an ihrem Nistplatz? Nein, der Greif kam weder zurück noch brachte er weitere Artgenossen mit. Also war es entweder ein Späher, der neugierig gewesen war oder aber das edle Tier hatte eine Warnung ausgestoßen.

Endlich kehrte Marius' Stimme zurück und er sagte: "Ein solch göttliches Geschöpf soll ich für meinen Onk... den Herzog erlegen?"

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. Dezember 2006, 00:20

Es zeigte sich vorerst keines dieser prachtvollen Geschöpfe, wenngleich Nihal sie immer noch als gigantische Schatten nahe den Nistplätzen durch die Winde gleiten sehen konnte.

"Ihr habt Recht, Herr. Ich kann diese Tiere weder fangen, geschweige denn töten. Herzog Turmrick muss sich einen anderen Falkner suchen, der skrupellos genug ist, sich auf dieses Wagnis einzulassen. Dennoch hätte ich gerne etwas von diesen schönen Wesen mitgenommen." Verträumt schaute der Knabe zu den Nestern. Sein Blick jedoch war leer, reichte in Welten, die in seinem Kopf lagen, in Traumreiche jenseits Celcias. Bestimmt stellte er sich gerade vor, einen dieser Greifen zu reiten. War das nicht der Traum eines jeden Falkners? Wenn Nihal die Antwort auch nicht mit Bestimmtheit wusste, so konnte er sich zumindest vorstellen, dass viele diesen Traum hatten.

"Vielleicht lassen sie uns ja an ein verlassenes Nest und wir finden ein paar Federn", sinnierte Marius, ohne wirklich daran zu glauben, ein solches Risiko einzugehen. Trotzdem glitt sein Blick über die büscheligen Nester der Greifen und suchten nach einem, das nicht von den fliegenden Geschöpfen angesteuert wurde.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. Dezember 2006, 17:38

Marius blieb zurück und sagte Nihal noch, dass er nach möglichen Angreifern Ausschau halten und ein Auge auf seinen Warg haben würde.
Nihal nickte und erklomm weiter die Gipfel. Der Wind blies hier mit größerer Stärke, bauschte die Kleidung des jungen Mannes aus und zog durch jede Ritze. Nihal bibberte leicht, hier oben gab es keinen warmen Wargpelz, der ihn vor der Kälte schützte. Aber er entdeckte nahe einer natürlichen Felsenbrücke eines der büschelartigen Nester. Ob es verlassen war, konnte er im Augenblick nicht sagen, jedenfalls befand sich kein Greif in dem Nest.

Nihal kletterte vorsichtig auf die "Brücke" zu. In einem hohen Bogen führte sie über eine tiefe Leere, die irgendwo weit unten auf hartes Gestein traf. Am anderen Ende befanden sich die Greifenklippen, zusammen mit Nestern und den gefiederten und zugleich krallenbewehrten Bewohnern.
Ein Greif schwang sich gerade von einem Sims, stürzte in die Tiefe unterhalb der Brücke und erhob sich dann graziös und mit schlagenden Schwingen. Wie riesig die Flügel dieser Geschöpfe doch waren.

Nihal ließ sich kurz ablenken, doch dann setzte er seine ganze Konzentration wieder auf das vor ihm liegende Ziel. Nur die Brücke trennte ihn von einem der Nester. Vorsichtig kroch er hinüber. Auf halbem Weg aber jagte ihn ein Wind und riss ihn beinahe hinab. Nihal konnte sich gerade noch festhalten, aber baumelte nun mit beiden Beinen von der Gesteinsbrücke herab. Sein Herz schlug wild, der Schreck saß ihm tief in den Gliedern. Und dann ... etwas raschelte im Nest. Konnte es möglich sein? Ein kleiner Kopf spähte über den Rand. Ein Schnabel klackerte neugierig und pelzige spitze Ohren schoben sich vor. Dieses Greifenjunges konnte höchstens ein paar Wochen alt sein. Kindliche Neugier lockte es aus dem Nest und auf die Brücke. Selbst die Schwingen dieses kleinen Greifen waren schon sehr groß. Ob er fliegen konnte. Im Moment zeigte er es nicht, sondern kroch auf raubvogelartigen Vorder- und löwenähnlichen Hinterbeinen bis zu Nihal heran. Er stieß einen kleinen Schrei aus, der dem eines Adlers glich. Neugierig beäugte er den jungen Mann, der sich mit aller Kraft und beiden Armen an der Brücke festklammerte.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. Dezember 2006, 21:47

Nihal kroch auf Knien über die Brücke, zur rettenden Seite, wo Marius irgendwo auf ihn wartete. Er hoffte inständig, dass die großen Greifen ihn nicht entdecken würden. Doch das Jungtier stellte sich hierbei als wenig nützlich dar. Es sprang hinter Nihal her und fiepte, krächzte und kreischte. Es forderte ihn zum Spielen auf, das wurde Nihal spätestens dann klar, als der junge Greif ihn mit dem Schnabel packte und am Hosenboden versuchte, zurück zu ziehen. Er war schon sehr kräftig. Nihal würde sich zwar losreißen können, aber in diesem Fall ein großes Stück seiner Kleidung einbüßen.

Da tauchte plötzlich Marius' Kopf zwischen den Felsen auf. Er rief Nihal tonlos etwas zu. Der Wüstensohn erkannte es als <i>Brauchst du Hilfe?</i>
Und ja, die könnte er wirklich gleich gebrauchen, denn das Jungtier gab nicht auf, kreischte immer lauter und eben huschten mehrere dunkle Schatten über die Steinbrücke hinweg.

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Re: Durchs Drachengebirge

Beitrag von Erzähler » Donnerstag 14. Dezember 2006, 22:22

Der kleine Greif ließ nicht locker. Außerdem regten Nihals Versuche, sich von dem Tier zu befreien, nur noch mehr den spaßtrieb des Greifen an. Jetzt quietschte er schon ungehalten und warf sich halb auf Nihal, der unter seinem Gewicht erneut zusammen sackte.

Marius, der alles aus einem Stück Entfernung beobachtete, wollte schon vorstürzen, um Nihal zu helfen, doch dieser winkte ihn fort. Der Junge sollte nicht unnötig in Gefahr geraten. Nihal hatte nämlich soeben ein weiteres Kreischen wahrgenommen. Die älteren Greifen hatten ihn entdeckt!

Riesig und mit breiten Schwingen stürzte sich ein erwachsener Greif auf die Brücke herab. Sie brach unter seinem wuchtigen Körper, so dass Nihal und das Jungtier in die Tiefe stürzten. Sofort war der Greif da, um den Kleinen zu retten. Nihal sah die beiden über sich in den Himmel aufsteigen, während er in die Tiefe fiel. Gleich würde er aufprallen, dies war das Ende. Gleich würde er sterben.

Nihal schloss die Augen, machte sich im Fall allein aus Reflex klein. Er hörte den Wind an seinen Ohren vorbeisausen, hörte Marius erschrockenen Schrei, hörte das Krächzen der Greifen und das schlagende Wischen der Flügel, wenn die Greife flatterten. Dann war plötzlich ein Ruck da und Nihal hing in der Luft. Kein Aufprall? Kein Tod? Was war geschehen? Er bewegte sich, und doch fiel er nicht.

Nihal öffnete die Augen und schaute in das pelzige und zugleich von Federn gezierte Gesicht eines Greifen. Mit dunklem Adlerauge spähte er Nihal an, während er ihn wie gefangene Beute in den Klauen seiner Vorderfüße hielt. Er kreischte, dass es Nihal in den Ohren klingelte, dann trug er ihn mit wenigen aber kraftvollen Flügelschlägen nach oben. Er flog an der zerstörten Brücke vorbei und weit hinauf, die Klippen entlang. Unsanft landete Nihal in einem Greifennest. Das ausgewachsene Tier, welches die Größe eines kräftigen Bullen besaß, ließ sich auf einem Felsvorsprung nahe dem Nest nieder und musterte seinen "Fang".

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